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Samstag, 28. Dezember 2024

Die 3 K der Woche (5): Kinder, Kirche, Kerzenschein

Frohe und gesegnete Weihnachten, Leser! Ich hab's schon letztes Jahr um diese Zeit geschrieben, aber in diesem Punkt wiederhole ich mich gern: Wenn du traurig bist, dass Weihnachten vorbei ist, komm zu uns Katholiken – bei uns hat die Weihnachtszeit gerade erst angefangen! Trotzdem ist es wohl ganz gut, dass der ganz große Feiertagstrubel erst einmal vorbei ist. Darüber, was bei uns in der Zeit vom 4. Advent bis zum Stephanustag so alles los war, gibt es so viel zu berichten, dass für andere Themen nicht viel Platz bleibt; aber diese anderen Themen sind sowieso tendenziell weniger erfreulich, weshalb ich sie in der Rubrik "Worüber ich lieber nichts sagen würde" zusammengefasst habe. Und nun wünsche ich eine unterhaltsame und erbauliche Lektüre, Freunde! 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo: Friedenslicht und Magnificat

Am 4. Adventssonntag stand in St. Joseph Siemensstadt der letzte Kinderwortgottesdienst des Kalenderjahres an; hierfür hatte das Team die Vorgabe bekommen, das Friedenslicht aus Betlehem im KiWoGo zu thematisieren. Genauer gesagt sollte das Friedenslicht nicht nur thematisiert werden, sondern auch physisch im KiWoGo anwesend sein und anschließend von den Kindern feierlich in die Kirche gebracht werden. Die 1. Lesung dieses Sonntags – Micha 5,1-4a ("Du, Bétlehem-Éfrata, bist klein unter den Sippen Judas...") – hätte sich durchaus dazu angeboten, einen Bezug zum Friedenslicht herzustellen; gleichzeitig fand ich allerdings auch, dass sich das Evangelium vom Tag (Lukas 1,39-45, Marias Besuch bei Elisabet) gut dafür eignete, im Kinderwortgottesdienst behandelt zu werden, und ich hätte es schade gefunden, auf diese Gelegenheit zu verzichten. – Angesichts der knappen Vorbereitungszeit einigten der Gemeindereferent und ich uns auf eine pragmatische Arbeitsteilung: Er übernahm es, etwas zum Friedenslicht zu erzählen, unsere Teamkollegin, die nicht zum Vorbereitungstreffen kommen konnte, aber darum gebeten hatte, dass wir ihr eine Aufgabe zuweisen, erhielt den Auftrag, eine Nacherzählung des Evangeliums von Marias Besuch bei Elisabet aus einer Kinderbibel vorzulesen, und da in dieser Kinderbibel-Version des Evangeliums mit den Worten "Da sang Maria dieses Loblied" zu einer Nachdichtung des Magnificat übergeleitet wird, kam ich auf die Idee, mit ein bisschen Üben könnte ich an dieser Stelle Albert Freys Magnificat-Vertonung ("Meine Seele preist die Größe des Herrn") zur Gitarre vortragen. Und wenn dann noch Zeit sein sollte, wäre es auch noch meine Aufgabe, ein paar Sätze zur Auslegung des Evangeliums zu sagen. 

Zum Friedenslicht aus Betlehem sei angemerkt: Den Brauch, alljährlich in der Geburtsgrotte Jesu in Betlehem ein Licht zu entzünden und dieses als Friedenszeichen in die Welt hinauszutragen, gibt es seit 1986. Ich bin eigentlich kein besonderer Fan von erfundenen Traditionen (und wenn nun jemand einwenden möchte "Wieso, jede Tradition ist doch wohl irgendwann mal von jemandem erfunden worden", dann sage ich: Ja, das denkst du, und es ist recht bezeichnend, dass du das denkst. Das näher auszuführen, würde hier allerdings zu weit führen, daher begnüge ich mich mit einer Literaturangabe: Eric Hobsbawm/Terence Ranger [eds.], The Invention of Tradition. Cambridge University Press, 1983), aber immerhin ist es eine pfadfinderische Tradition, und dem Pfadfinderwesen stehe ich ja, wenn auch nicht ohne Vorbehalte, im Großen und Ganzen wohlwollend gegenüber. 

Wie die AG Friedenslicht, eine Arbeitsgruppe des Rings deutscher Pfadfinder*innenverbände [sic], in einer Pressemitteilung bekanntgab, war es in diesem Jahr allerdings "aufgrund des anhaltenden Krieges im Nahen Osten sicherheitstechnisch nicht möglich, das Friedenslicht in der Geburtsgrotte Jesu in Bethlehem zu entzünden"; daher "stammt das Licht in diesem Jahr aus der Wallfahrtkirche in Christkindl im Bezirk Steyr, Österreich" – wo das Friedenslichts aus dem Vorjahr das ganze Jahr über aufbewahrt worden war, was ja durchaus auch irgendwie ein eindrucksvolles Zeichen ist. 

Nun aber zum Ablauf am Sonntag: Da im Pfarrsaal der Sozialdienst Katholischer Männer das Gemeindeessen vorbereitete (anders als im Vorfeld angekündigt gab es keine Fischstäbchen, sondern Pfannkuchen bzw. Eierkuchen), musste der KiWoGo auf das kleine Pfarrzimmer ausweichen – wo es, da erneut 20 Kinder und ein paar begleitende Erwachsene teilnahmen, gar nicht genug Stühle für alle gab, sodass ich mich zum Gitarrespielen auf den Heizkörper setzen musste; ging aber. – Mit dem Teil des KiWoGo, in dem es darum ging, den Kindern zu erklären, was das Friedenslicht ist, wo es herkommt und auf welchem Weg es nach Berlin-Siemensstadt gelangt war, war ich ehrlich gesagt nicht so recht zufrieden: Für mein Empfinden war das zu viel letztlich irrelevantes Faktenwissen, während die spirituelle Dimension deutlich zu kurz kam bzw. oberflächlich blieb. Das Hauptproblem war allerdings wohl, dass wir uns am Anfang zu sehr beeilten, da wir befürchteten, sonst nicht genug Zeit für den feierlichen Einzug in die Kirche mit dem Friedenslicht zu haben; tatsächlich waren wir dadurch viel zu früh fertig und mussten noch Zeit überbrücken, wozu uns nichts besseres einfiel, als zur "Ergebnisssicherung" abzufragen, was von dem zuvor Gehörten bei den Kindern "hängen geblieben" war. Das gab dem ganzen KiWoGo, wie ich fand, etwas unangenehm "Unterrichtsförmiges". Kurz, von den zehn Kinderwortgottesdiensten, an denen ich im nun zu Ende gehenden Kalenderjahr mitgewirkt habe, war dies nicht unbedingt mein Lieblingsexemplar; aber unter dem Aspekt "learning by doing" betrachtet, würde ich sagen, lernen kann man allemal etwas daraus, nämlich dass man es möglichst vermeiden sollte, in das Format "Kinderwortgottesdienst" Elemente hineinzumengen, die da konzeptionell eigentlich nicht hingehören, wie in diesem Fall eben das Friedenslicht. Oder eben umgekehrt: Wenn man in einem Adventsgottesdienst das Friedenslicht thematisieren will, kann man das ja gerne machen – aber dann wohl lieber ohne Kinderwortgottesdienst. 


Alles ganz normal in Betlehem 

Ein sehr großes Thema im Rahmen des diesjährigen Weihnachtsfests war für meine Familie – wie sich in den zurückliegenden Wochen ja schon abgezeichnet hat – das Krippenspiel im St. Stephanus Haselhorst. Hierzu sei angemerkt, dass in den letzten Jahren in dieser Gemeinde, und zwar im Garten, eine Krippenspiel-Variante aufgeführt worden war, bei der der gesamte Text von einer Erzählerin vorgetragen wurde; Maria und Josef klapperten nach den Vorgaben dieses Texts die Stationen ihrer Herbergssuche ab, bis sie am Stall ankamen, davon abgesehen gab es eine Hirten- und eine Engelgruppe, und von diesen mussten im Grunde nur der "Oberhirte" und der "Oberengel" wirklich wissen, was sie wann zu tun hatten – die anderen machten einfach mit. "Ein sehr praktikables Konzept gerade für kleinere Kinder", wie ich voriges Jahr schrieb; schon vor zwei Jahren spielte unsere damals fünf Jahre alte Tochter dabei einen Engel, und eigentlich wollte sie das auch im vorigen Jahr tun, aber angesichts des garstigen Wetters entschieden wir uns dann kurzfristig doch gegen die Teilnahme. – In diesem Jahr jedenfalls war aus der Gemeinde (oder den Gremien der Gemeinde?) der Wunsch laut geworden, es solle mal wieder ein "klassisches" Krippenspiel geben; was natürlich erheblich größeren Arbeitsaufwand bedingte. Jedenfalls hat, wie die Leser meiner jüngsten Wochenbriefings bereits wissen werden, meine Tochter diesmal eine Sprechrolle bekommen, wiederum als Engel; unser Jüngster hätte ebenfalls einen Engel – ohne Sprechtext – spielen können, hatte aber ab der zweiten Probe keine Lust mehr; er ist vielleicht auch einfach noch etwas arg jung dafür. 

Wie dem auch sei: Am Samstag stand die letzte reguläre Probe an, und die verlief chaotisch. Das technische Equipment war unvollständig, das Weitergeben des Handmikrofons zwischen den Szenen klappte überhaupt nicht, der Engelchor war unglaublich albern und aufgekratzt und machte nicht nur hinter den Kulissen, sondern sogar auf der Bühne jede Menge Quatsch, und dass die Musiker (Gitarrist und Percussionist) zum ersten Mal zusammen spielten, trug auch nicht gerade zu einem reibungslosen Ablauf bei. – Ich weiß, es ist ein alter Theateraberglaube, dass die Generalprobe in die Hose gehen müsse, damit die Aufführung gut wird, aber in Theaterkreisen kann man wohl davon ausgehen, dass alle Beteiligten schon vor der Generalprobe Gelegenheit gehabt haben, unter Beweis zu stellen, dass sie ihren Part beherrschen. Kurz und gut, mein Eindruck war, das Stück hätte eigentlich insgesamt mehr und vor allem intensiver geprobt werden müssen; als jedoch der Gemeindereferent auf die Idee kam, am noch eine komplette Durchlaufprobe unmittelbar vor der Aufführung am Dienstag anzusetzen, redete ich ihm das aus: Das könne nur schief gehen, da wäre bei den Kindern nach der Durchlaufprobe die Luft raus und sie wären bei der Aufführung genauso unkonzentriert und undiszipliniert wie bei der Probe am Samstag. Wir einigten uns daher darauf, unmittelbar vor der Aufführung lediglich die besonders knifflige Passage, in der die Hirten auf das Erscheinen der Engel reagieren, zur Sicherheit noch ein paarmal durchzugehen. 

Als wir zu diesem Zweck am Ort der Aufführung eintrafen, empfing uns erst einmal die unerquickliche Neuigkeit, dass die Darstellerin der Maria krank war. Allerdings zeichnete sich auch schon eine Lösung für dieses Problem ab: Die kleine Schwester des Josef-Darstellers, die bei den letzten beiden Proben "Engel 5" – eine stumme Rolle – gespielt hatte, konnte den Text und war bereit, als Maria einzuspringen. Trotzdem blieb es spannend, denn Josef und Maria trafen erst später am Ort des Geschehens ein als die ersten Zuschauer. Aber okay: In der Zwischenzeit hatten wir Licht- und Tontechnik getestet, Engel und Hirten waren ihre Einsätze durchgegangen und die Musiker hatten sich eingespielt, und als wir nun auch die Herbergssuche zur Sicherheit noch einmal durchprobten, zeigte sich, dass die "Ersatz-Maria" ihren Part tadellos beherrschte. 

Aber nicht nur sie: Ich möchte behaupten, alle Mitwirkenden machten ihre Sache bei der Aufführung besser als jemals bei den Proben. Übrigens hatte ich am Rande der letzten Probe überschlagen, dass in die St.-Stephanus-Kirche, wenn alle Bänke voll besetzt wären, wohl bis zu 200 Leute hineinpassen würden; ganz so voll war die Kirche bei der Krippenspiel-Aufführung nicht, aber doch ziemlich voll. Von der Altersstruktur her war das Publikum sehr gemischt, aber die Aufführung gefiel wirklich allen, von den KiTa-Kindern bis hin zu den alten Leuten aus dem benachbarten Seniorenheim. – Übrigens noch ein Wort zur Musik: In das Krippenspiel waren zahlreiche traditionelle Weihnachtslieder eingebaut, bei denen das Publikum mitsingen sollte; mit Gitarre und Percussion begleitet, gerieten diese Lieder (mit Ausnahme von "Maria durch ein Dornwald ging", das ohne Begleitung gesungen wurde) erheblich flotter, als man sie normalerweise in der Kirche hört – und damit meine ich nicht einfach nur "schneller", sondern vor allem schwungvoller. Mir gefiel das ausgesprochen gut, aber ich hatte doch Bedenken, die Gemeinde könnte diesen Rhythmus durch ihren Gesang gnadenlos verschleppen. Tatsächlich klappte es aber ganz gut, vielleicht auch deshalb, weil der Seniorenanteil im Publikum eher geringer war als bei einem normalen Gottesdienst. 

Alles in allem darf man wohl sagen, dass das Krippenspiel ein voller Erfolg war; das Tochterkind freut sich schon aufs nächste Jahr, und ich auch. 

Anbetung der Hirten, aus Datenschutzgründen leicht verfremdet 


Schule und Büro: Eine Beobachtung beim Last-Minute-Weihnachtseinkauf 

Wer schon ein paar meiner Wochenbriefings gelesen hat, wird wahrscheinlich wissen, dass meine Liebste Lehrerin ist. Wenn ich nun sage, dass ich auf der Suche nach einem Geschenk für sie die Bürobedarf-Abteilungen verschiedener Geschäfte in Tegel durchstöbert habe, möchte ich zu meiner Verteidigung vorbringen, dass sie sich von mir ausdrücklich etwas aus dieser Produktkategorie gewünscht hatte. Aber wie dem auch sei: Was mir bei dieser Geschenksuche auffiel, war, dass in einigen derjenigen Geschäfte, die keine reinen Schreibwarenläden waren, die entsprechende Abteilung nicht einfach "Bürobedarf", sondern "Schule und Büro" hieß. Mit Blick auf das Geschenk, das ich für meine Liebste suchte, war das natürlich ausgesprochen passend, da sie es ja für die Arbeit in der Schule braucht; aber so ist diese Kategorisierung natürlich eigentlich nicht gemeint, oder jedenfalls nicht vorrangig; vielmehr bezieht sie sich offenkundig darauf, dass dieselben Artikel, die Erwachsene fürs Büro benötigen, auch von Schülern für die Schule benötigt werden. Und das gab mir zu denken. Konkret gesagt brachte es mich dazu, darüber zu sinnieren, wie viel Ähnlichkeit der Schulalltag in unseren Regelschulen (sofern sie nicht mit irgendwelchen alternativen Unterrichtskonzepten experimentieren) mit der Arbeit in einem Büro hat. Und das geht schon in der ersten Klasse los – man denke nur an die Materiallisten, auf denen detailliert angegeben ist, welche Farben die Schutzumschläge der Schulhefte für jedes einzelne Fach haben müssen. Eine gewisse Folgerichtigkeit kann man dieser "büroartigen" Struktur des Schulsystems natürlich zuerkennen, wenn man davon ausgeht, dass diese strukturelle Ähnlichkeit dazu dienen soll, die Schüler auf eine Bürotätigkeit vorzubereiten bzw. für eine solche zu qualifizieren. Man könnte behaupten, darin erweise sich unser Schulsystem als von der Auffassung geprägt, eine Bürotätigkeit sei gewissermaßen die höchste Form menschlicher Existenz, die man ohne besonders herausragende materielle oder geistige Begabung zu erreichen hoffen könne – zumindest jedenfalls erstrebenswerter als eine handwerkliche oder technische Tätigkeit. Lebte mein Vater noch, der gelernter Metallarbeiter war, würde ich ihn fragen, ob er meint, ich übertreibe; aber mein Eindruck ist, sogar innerhalb desselben Betriebs gilt es als Aufstieg, wenn man nicht mehr selbst in der Werkhalle stehen muss, sondern stattdessen an einem Schreibtisch sitzen darf. 

In der Schule, die meine Tochter besucht, geht es nicht zu wie in einem Büro. Würde ich sagen, selbst im Büro dieser Schule gehe es nicht zu wie in einem Büro, wäre das wohl leicht übertrieben, aber in einem nicht-buchstäblichen Sinne ist wohl doch etwas Wahres dran. Jedenfalls kann ich mir vorstellen, dass viele Leute schon allein deshalb denken "Das ist doch keine richtige Schule!", weil es da so wenig büromäßig zugeht. Aber ich finde das gut. Man sollte vielleicht auch mal erwägen, ob der Bedarf an Büro-Arbeitskräften tatsächlich noch so groß ist und auch in Zukunft so groß sein wird, dass es sinnvoll wäre, alle schulpflichtigen Kinder für eine solche Tätigkeit zu konditionieren. 


Weihnachtliches Familienchaos 

Am Morgen des Heiligabends empfahl mir Facebook einen Artikel aus der Online-Ausgabe der Tagespost, dessen Überschrift – "Kinder, Chaos, Krippenspiel" – mich spontan ansprach, und das nicht nur, weil sie zumindest phonetisch dem "3 K"-Schema meiner neuen Wochenbriefing-Reihe entspricht. Es handelt sich um einen mit viel Herz und Humor geschriebenen Artikel über die Herausforderung, mit Kindern Weihnachten zu feiern, ohne sich dabei vom Chaos überwältigen zu lassen, und ich kann diesen Text nur wärmstens empfehlen – auch wenn bei uns Vieles anders ablief als in der Familie der Verfasserin. 

Am Vormittag des Heiligabends war ich damit beschäftigt, Geschenke einzupacken, während meine Liebste die Kinder ablenkte; zwischendurch holte ich eine vorbestellte Ente mit Rotkohl und Klößen vom Hofladen in der Tegeler Markthalle ab. Und dann kam ich unverhofft zu einem Auftritt als Weihnachtsmann – für ein Mädchen aus der Nachbarschaft, das unsere Tochter schon seit der Krabbelgruppe kennt. Das Kostüm wurde mir von der Mutter des Mädchens zur Verfügung gestellt, und obwohl mir darin ganz schön warm wurde, hatte ich bei dieser Aktion einen enormen Spaß. Schon auf dem Weg zum Einsatzort wurde ich von Autofahrern mit Hupen und Winken begrüßt, begegnete anderen Kindern, die ich fragte, ob sie brav gewesen seien und ob sie mir ein Gedicht aufsagen könnten (ein Junge im Grundschulalter rezitierte daraufhin mit großem Ernst Eichendorffs "Weihnachten"), und nach erledigtem Auftrag marschierte ich in vollem Kostüm in die Daydrinking-Kneipe bei mir um die Ecke und fragte meinen am Tresen sitzenden Kumpel John, ob er auch brav gewesen sei. 

Symbolbild: Welcher dieser beiden Herren verkörpert die wahre Bedeutung von Weihnachten?

Am Nachmittag waren wir, wie bereits geschildert, erst mal mit dem Krippenspiel beschäftigt, und als wir danach wieder zu Hause waren, gab's Bescherung. Ganz ohne Streit zwischen den Geschwistern und Tränen darüber, dass das eine oder andere elektronische Spielzeug schwieriger zu bedienen war als erwartet oder vermeintlich "kaputt" war, lief die nicht ab, aber wenn ich an das vorige Jahr zurückdenke, würde ich doch sagen, dass dieser Heiligabend bei uns vergleichsweise friedlich und harmonisch verlief. Nach der Bescherung schob ich die Ente in den Ofen, und ich darf sagen, sie wurde echt lecker. Um 22 Uhr wollten wir dann in St. Joseph Siemensstadt in die Christmette gehen und schafften das auch, allerdings kündigte unsere Große schon auf dem Hinweg an, sie werde wahrscheinlich in der Messe einschlafen. Tatsächlich nickte sie schon während der Predigt (was allerdings kein Urteil über deren Qualität implizieren soll!) an meine Schulter gelehnt ein, wachte zwar kurz wieder auf, als ich zum Credo aufstand, aber nachdem wir ihr vorgeschlagen hatten, es sich mit einem improvisierten Kopfkissen auf der Kirchenbank bequem zu machen, schlief sie bald wieder ein und schlief bis zum Ende der Messe durch – während ihr kleiner Bruder die ganze Zeit über ausgesprochen munter blieb. – Nach dem Auszug wurden vor dem Kirchenportal noch zwei Weihnachtslieder, "Es ist ein Ros entsprungen" und "O du fröhliche", gesungen – damit die Nachbarn auch etwas von unserer Weihnachtsfreude haben, wie der Pfarrvikar erläuterte. "In Corona-Zeiten haben wir immer zwei Lieder draußen gesungen, und diese Gelegenheit wollen wir beibehalten." 

Übrigens hatte meine Liebste am Vormittag eigens noch bei dm eine Laterne gekauft, damit wir uns das Friedenslicht aus Betlehem mit nach Hause nehmen konnten; eine Kerze hatten wir jedoch nicht mitgebracht, daher nahmen wir uns ein Opferlicht aus der Kirche mit, auch wenn es offensichtlich war, dass dieses bis zum nächsten Morgen ausgebrannt sein würde. Auf dem Heimweg trug ich die Laterne in der Hand, und ich muss sagen, das hatte schon was, mit so einem Licht durchs nächtliche Berlin zu wandeln. 

Eigentlich hatten wir vorgehabt, am Weihnachtstag nochmals in St. Joseph zur Messe zu gehen, aber dann befanden wir es doch für besser, erst mal auszuschlafen, und am Nachmittag gingen wir in den Weihnachtszirkus, der auf einer Wiese am Borsigturm gastierte. Am Abend fuhren wir dann zum Weihnachtsgans-Essen bei einem alten Freund von mir, den ich in den Nuller Jahren in einer linken Kneipe kennengelernt habe (und zwar beim Dominospielen; klingt vielleicht komisch, is' aber so). Diesen Freund habe ich auf meinem Blog schon öfter erwähnt, besonders seit der zwischenzeitlich etwas eingeschlafene Kontakt in jüngster Zeit wieder intensiver geworden ist. Daher muss ich auch über diese Weihnachtsfeier einige Sätze verlieren, auch auf die Gefahr hin, dass das Wochenbriefing dadurch etwas Überlänge bekommt. Im Vorfeld hatte ich sogar mit dem Gedanken gespielt, diesem Abend einen eigenen Abschnitt mit der Überschrift "Wie feiern Marxisten Weihnachten?" zu widmen; was mich übrigens an ein Lied von Herman van Veen erinnert, das ich in meiner Jugend mal im Radio gehört haben muss und von dem lediglich eine Textstelle bei mir hängen geblieben ist, weil ich die so dämlich und ignorant fand: Da ist davon die Rede, dass verschiedene Personen ein "Stoßgebet / an Jesus, Marx und Mohammed" richten. Was natürlich Quatsch ist: Muslime beten nicht zu Mohammed, und dass Anhänger des Dialektischen Materialismus Gebete an Marx richten sollten, ist ja wohl erst recht eine abwegige Vorstellung. Wie dem auch sei, die Antwort auf die Frage "Wie feiern Marxisten Weihnachten?" lautet jedenfalls: "Gar nicht so viel anders als andere Leute." 

Abgesehen vom Geschenkpapier natürlich. 

Jedenfalls fanden sich gut 20 Gäste bei der Feier ein, zu essen gab es zwei ganze Gänse, dazu verschiedene Salate, Kartoffeln, Brot und Käse. So ziemlich gleich nach unserer Ankunft kamen meine Liebste und ich mit zwei jungen Frauen ins Gespräch, die ich, wie sich herausstellte, bereits kennengelernt hatte, als sie ungefähr neun und elf Jahre alt gewesen waren – wiedererkannt hätte ich sie allerdings nicht: Es handelte sich um die Töchter eines anderen Stammspielers aus der guten alten Dominorunde, eines türkischen Kommunisten, der nach dem Militärputsch von 1980 in die DDR emigriert war. Eine der Schwestern hatte ich sogar schon mal in meinem Blog erwähnt, und zwar weil sie von mir hatte wissen wollen, ob Christen an den Weihnachtsmann glauben. Inzwischen ist sie Lehrerin, ihre Schwester ist Journalistin und hat unlängst einen Roman veröffentlicht. Davon werde ich mir wohl ein Rezensionsexemplar schicken lassen... und dann auf dieses Thema zurückkommen. – Als wir den beiden Schwestern erzählten, im Prinzip verdankten wir unsere Einladung zu dieser Weihnachtsfeier den Enkelinnen des Gastgebers, erwiderte sie, das könnten sie sich gut vorstellen: In den letzten Jahren seien die Enkelinnen stets die einzigen Kinder bei diesem Weihnachts-Gänseessen gewesen. "Und früher waren wir das", fügten sie hinzu; das fand ich irgendwie süß. 

Ein fester Programmpunkt des Weihnachtsessens bei meinem alten Domino-Kumpel ist es übrigens, dass im "Nichtraucherzimmer" (während im anderen Zimmer so hingebungsvoll gequalmt wird wie bei einem Literaturkongress in den 50er Jahren) einige Folgen der sowjetischen Zeichentrickserie "Nu, pogodi!" (alias "Hase und Wolf") gezeigt werden; unseren Kindern gefiel die Serie so gut, dass sie sie am nächsten Tag bei den Omas erneut ansehen wollten. 

Nachdem wir zum zweiten Mal in Folge erst nach Mitternacht nach Hause gekommen waren, waren Frau und Kinder am nächsten Morgen zu müde, um in St. Stephanus zur Messe zu gehen; also ging ich allein. Die Messe wurde vom leitenden Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland zelebriert, der, wie ich schon mal erwähnt habe, auch Erzbischöflicher Beauftragter für die Pflege und Verwaltung der Reliquien im Erzbistums Berlin ist und zur Feier des Tages den Entlassungssegen mit einer Reliquie des Hl. Stephanus spendete. In seiner Predigt sprach der Pfarrer nicht nur über den Tagesheiligen, sondern auch über das am Heiligabend feierlich eröffnete Heilige Jahr und die im kommenden Kalenderjahr anstehenden Jubiläen: 1700 Jahre Konzil von Nizäa, 350 Jahre seit den Visionen der Hl. Margareta Maria Alacoque, die die neuzeitliche Herz-Jesu-Verehrung anregten, 100 Jahre seit der Stiftung des Christkönigfests

Im Übrigen hatte ich wieder die bei dm gekaufte Laterne und diesmal eine größere Kerze dabei, um abermals das Friedenslicht von Betlehem mitzunehmen und es auch an meine Schwiegermütter weiterzugeben, bei denen wir ab mittags eingeladen waren. 

Man beachte die Minions auf der Kerze... 

Bei den Omas gab es für die Kinder eine weitere Bescherung, davon abgesehen verlebten wir dort einen recht entspannten Nachmittag, und zum Abendessen gab es Putenrollbraten. Drei verschiedene Sorten Geflügel an drei Weihnachtstagen, was für ein Luxus. – Den Rest der Woche mussten wir uns dann erst mal, wie ich schon vorausgesehen hatte, von den Feiertagen erholen; trotzdem kann ich aus voller Überzeugung sagen: Schön war's! 


Worüber ich lieber nichts sagen würde 

  • Magdeburg: Dafür, dass von dem Weihnachtsmarkt-Attentat in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt in meinem vorigen Wochenbriefing noch keine Rede war, habe ich eine gute Ausrede – nämlich, dass ich erst zu einem Zeitpunkt davon erfahren habe, als der Artikel schon so gut wie fertig war. Eine Woche später habe ich jedoch immer noch und erst recht keine Lust dazu, mich zu diesem Terrorakt zu äußern, und ganz ehrlich, ich wünschte, es ginge mehr Leuten so. Die Art und Weise, wie unterschiedlichste politische Lager die Tat für ihre jeweilige Agenda zu instrumentalisieren versuchen, finde ich jedenfalls ausgesprochen abstoßend, und den Betroffenheitskitsch, der zum Teil auch auf kirchlichen Social-Media-Seiten dargeboten wird, finde ich kaum weniger schändlich. Gut und angemessen finde ich es, für die Seelen der Todesopfer und die Genesung der Verletzten zu beten, sowie nicht zuletzt dafür, dass die Trauernden Trost finden; diesem Anliegen wurde auch in allen drei Messen, die ich in der zurückliegenden Woche besucht habe, jeweils eine Fürbitte gewidmet. Im Übrigen habe ich den Magdeburger Anschlag zum Anlass genommen, nachzulesen, was ich vor acht Jahren zum Weihnachtsmarkt-Attentat in Berlin geschrieben habe, und finde das im Großen und Ganzen nach wie vor richtig und relevant. 
  • Bullshit-Bingo zu Weihnachten: Auf den Facebook- und Instagram-Präsenzen von Horse & Hound ist einen Tag vor Heiligabend ein "Bullshit-Bingo" zum Thema "Weihnachtspredigt" erschienen, dessen eigentlicher Urheber jedoch, wie man am unteren Bildrand lesen kann, Philipp Greifenstein vom "Eule"-Magazin ist (dem "Zentralorgan der im Sitzen pinkelnden Föhnfrisurträger", wie ich vor Jahren mal schrieb); und der Greifenstein ist offenbar so stolz auf seine Schöpfung, dass er es sogar mit einem Copyright-Zeichen versehen hat. Horse & Hound schreibt dazu: "Wenn Ihr mögt, könnt Ihr das in Eure Weihnachtsgottesdienste mitnehmen. [...] Und uns als Prediger*innen mag es als nützliche Vorlage dienen, den Abend nicht mit Floskeleien zu verschwenden." Mal abgesehen davon, dass ich die Worte "uns als Prediger*innen" an dieser Stelle etwas beunruhigend finde, kann ich nicht leugnen, dass einige der von Greifenstein aufgeführten Phrasen es dank ihrer Plattheit und allzu starken Abnutzung durchaus verdienen, in einem "Bullshit-Bingo" aufzutauchen; aber doch längst nicht alle. Es drängt sich die Frage auf: Wenn der Greifenstein, und mit ihm auch Horse & Hound-Vodkaster Halagan, die aufgeführten Aussagen durchweg für Bullshit hält, wie würde nach Ansicht dieser Herren wohl eine "bullshitfreie" Weihnachtspredigt aussehen? Als einen Fingerzeig kann man es vielleicht betrachten, dass auf dem Instagram-Kanal von Horse & Hound unmittelbar vor den Weihnachtstagen – als "Story", also nur für begrenzte Zeit abrufbar – Auszüge aus mehreren schon vor zwei Jahren erschienenen Thesenpapieren zum Thema "Antirassistisch Weihnachten feiern", verfasst von einer Mitarbeiterin der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni Bochum mit den Forschungsschwerpunkten "Sexualethik, Rassismuskritische und Postkoloniale Theologie", geteilt wurden. "Weihnachten fordert uns gerade dazu auf, über Unterdrückung und Diskriminierung zu reden!", heißt es da; in den von Horse & Hound geteilten Auszügen geht es u.a. darum, dass Ochs und Esel in Krippendarstellungen antijudaistisch seien, und das Thema "blackfacing bei den Sternsingern" kommt natürlich auch drin vor. Kurz gesagt, daraus könnte und sollte man eigentlich ein eigenes Bullshit-Bingo erstellen. 
  • "Missionarisches" Kulturchristentum: Bereits am vierten Adventssonntag erschien auf häretisch.de ein Artikel mit der Überschrift "Krippe auf der Kippe" – was mich zunächst mal an die Facebook-Seite "Nachdenkliche Sprüche mit Bilder" denken ließ; tatsächlich geht es in dem Text jedoch darum, dass viele Elemente des Weihnachtsfests "mit Religion nichts zu tun" hätten: "Ein Verlust? Aus Sicht der Theologin Elisabeth Zschiedrich ist das kein Ärgernis – sondern eine Chance." Im Großen und Ganzen ist dieser Essay tatsächlich noch blöder, als seine Prämisse es schon vermuten ließe, aber ein Detail fand ich dann doch interessant: nämlich die Aussage, das Weihnachtsfest, auch in seiner säkularisierten Gestalt, zeige die "'missionarische' Kraft" des Christentums "im besten Sinne": "Denn es ist ein Fest, das kulturelle Praxis geprägt hat, nachhaltig und weltweit, und das damit Christ:innen und Nicht-Christ:innen verbindet"; und gerade deshalb sei es "Christentum at its best". Super, jetzt weiß ich endlich, was die postchristlich-undogmatischen Universalisten sich unter einer "missionarischen Kirche" vorstellen. – Dem Bestreben, das kulturelle Erbe des Christentums in der Gesellschaft zu bewahren, unabhängig davon, ob die Leut' noch dran glauben, scheint auch eine Buch-Neuerscheinung verpflichtet zu sein, die ebenfalls auf häretisch.de promotet wird: ein "Text- und Bildband" mit dem Titel "Hat die Rede von Gott noch Zukunft?", in dem "111 ganz unterschiedliche Menschen" auf jeweils einer Seite "eine persönliche Antwort" auf die im Buchtitel gestellte Frage geben – was ja schon deshalb etwas sonderbar wirkt, weil diese Frage eigentlich unpersönlich formuliert ist. Unter den Personen, die in dem Buch zu Wort kommen, sind neben "Vertreter[n] aller Weltreligionen" auch "Kirchenferne und Atheisten"; genannt werden u.a. "de[r] Linken-Politiker Gregor Gysi, de[r] Umweltwissenschaftler Ulrich von Weizsäcker, d[ie] Klimaschützerin Carla Reemtsma" und der "Essener Bischof Franz-Josef Overbeck". Alles in allem ist von diesem Konzept wohl kaum etwas anderes zu erwarten als ein mittelprächtiges Coffee Table Book für das links-bildungsbürgerliche Kernmilieu der Großkirchen. Immerhin bescherte mir das flüchtige Überfliegen der Buchbesprechung aber zwei ebenso bezeichnende wie amüsante Lesefehler: "Dafür ist Fotograf Martin Steffen queer durch Deutschland gereist" und "Das war sozusagen die ganz große Scheiße."


Geistlicher Impuls der Woche 

Ich bin so froh, dass Jesus in einem Stall geboren wurde. Denn meine Seele gleicht so sehr einem Stall: Sie ist armselig und in schlechtem Zustand – infolge von Schuld, Lügen, Unzulänglichkeit und Sünde. Und doch glaube ich, wenn Jesus in einem Stall geboren werden konnte, dann kann Er vielleicht auch in mir geboren werden. 

(Dorothy Day) 


Ohrwurm der Woche 

Lutheran Satire All Stars: Do They Know What Christmas is 

Eine, wie ich finde, sehr gelungene Parodie auf Bob Geldofs und Midge Ures "Band Aid"-Hymne, die seit nunmehr 40 Jahren zum Kernrepertoire weihnachtlicher Popmusik zählt. Übrigens ist zum 40jährigen Jubiläum, wie auch schon zum 20- und zum 30jährigen, eine neue Version aufgenommen und veröffentlicht worden, und dies hat Anlass zu erheblichen Kontroversen über den Inhalt des Liedtexts gegeben – bis hin zu der Meinung, eigentlich sollte man diesen Song verbieten. – Ich persönlich finde ja, das ist ein ganz alter Hut: Diskussionen darüber, dass der Text von "Do They Know it's Christmas" zutiefst rassistisch und von einem neokolonialistischen Blick auf die Probleme Afrikas geprägt sei, habe ich schon geführt, als ich noch auf dem Gymnasium war. Okay, anscheinend muss jede Generation aufs Neue und für sich selbst herausfinden, wie hanebüchen dieser Liedtext ist; der Unterschied ist nur, dass die jungen Leute heutzutage gleich alles verbieten wollen, was ihnen weltanschaulich anrüchig erscheint. – Auf der anderen Seite finde ich das, was zur Verteidigung des Liedes vorgebracht wird, aber auch etwas lahm. Ich fasse mal zusammen: "Band Aid" war immerhin gut gemeint und hat auch Gutes bewirkt, nämlich einen Haufen Spenden für die Linderung der Folgen einer verheerenden Hungersnot in Äthiopien generiert; außerdem ist das 40 Jahre her, da war das Bewusstsein in Sachen Rassismus einfach noch nicht so weit wie heute. Da frage ich mich: Wieso gilt diese Entschuldigung nicht auch und erst recht für Leute wie Karl May oder Rudyard Kipling, zu deren Zeit der Rassismusdiskurs schließlich noch ganz, ganz anders aussah? – Wie dem auch sei: In der Lutheran Satire-Version wird die wohl übelste Textstelle des Originals (kleiner Tipp: Es ist die, die von Bono gesungen wird) explizit kritisiert, aber davon abgesehen geht es inhaltlich um ein ganz anderes Thema, nämlich darum, inmitten des säkular-kommerziellen Weihnachtsrummels die christliche Weihnachtsbotschaft im Blick zu behalten. Man könnte auch sagen, es geht um Neuevangelisierung. Damit setzt das Lied natürlich ein erheblich anderes Verständnis christlicher Mission voraus, als wir es weiter oben bei Elisabeth Zschiedrich festgestellt haben... 


Vorschau / Ausblick 

Wir sind immer noch so ziemlich mittendrin in der Weihnachtsoktav; morgen ist das Fest der Heiligen Familie, ich gehe mal davon aus, dass wir da in St. Joseph Siemensstadt in die Messe gehen werden. Für Silvester haben wir noch keine Pläne, aber die Jahresschlussmesse in St. Stephanus Haselhorst am frühen Abend ist auf jeden Fall eine Option. Und gleich nach Neujahr, noch in der Weihnachtszeit, fängt in Berlin und Brandenburg allen Ernstes die Schule wieder an. Bin mal gespannt, wie das wird. 


Mittwoch, 25. Dezember 2024

DOSSIER: Warum eigentlich "Punkpastoral"? (Teil 2)

Willkommen zurück, Leser! Nachdem es im ersten Teil dieses Dossiers zunächst um die Entstehungsgeschichte des Konzepts "Punkpastoral" und dann darum ging, "[w]as ich – im positiv-wertschätzenden Sinne – unter 'Punk'  verstehe", steht der zweite Teil unter dem Motto "Prinzipien der Punkpastoral oder Was würde ein Punk tun?". Und man könnte mit einigem Recht sagen, dass es damit erst richtig interessant wird; nicht zuletzt, weil die Leitgedanken eines Laienapostolats "nach Punk-Art", um die es hier im Folgenden gehen soll, in offenem Widerspruch zu vielem steht, was im volkskirchlichen oder "post-volkskirchlichen" Milieu als Normalität betrachtet wird. 

Grundausstattung: Stundenbuch, mobile Lautsprecherbox, Kaffee. 

Eines dieser "Prinzipien der Punkpastoral", und zwar ein sehr zentrales, habe ich im ersten Teil bereits angesprochen, und zwar unter der Bezeichnung "Primat der Praxis". Was ich damit meine, ist: nicht erst lange herumtheoretisieren, bis man sich irgendwann endlich bereit fühlt, zur Tat zu schreiten – schlimmstenfalls erreicht man diesen Punkt nämlich nie –, sondern lieber erst mal was machen, gucken, was dabei herauskommt, und die Theorie aus der Praxis heraus entwickeln. Wesentliche Impulse hierzu habe ich einem Vortrag über das biblische Buch Nehemia entnommen, den Johannes Hartl im Sommer 2018 beim Meet Mission Manifest in Altötting gehalten hat – in Stichpunkten zusammengefasst nachzulesen in meinem Artikel "Komm, wir treffen uns in der Ebene von Oh No!". Auch in G.K. Chestertons bereits angesprochener Biographie über Franz von Assisi fand ich, wie ich in meiner "100-Bücher-Challenge" schrieb, "eine Passage, die das Herz des Graswurzelrevolutionärs höher schlagen lässt" – nämlich "[i]m Zusammenhang mit der bekannten Anekdote, derzufolge der Hl. Franz den in einer Vision empfangenen Auftrag, das verfallene Haus Gottes wieder aufzurichten, zunächst ganz wörtlich versteht und sich daran macht, eigenhändig eine baufällige Kirche instandzusetzen": 

"Kirchen baut man nicht, indem man für sie bezahlt, und bestimmt nicht mit dem Geld anderer Leute. Kirchen baut man nicht einmal, indem man mit eigenem Geld für sie bezahlt. Kirchen baut man, indem man sie baut". 

Zum "Primat der Praxis" gehört es auch, Dinge im Zweifel lieber selber zu machen, als darauf zu warten, dass jemand anderes es macht – und dies ausdrücklich auch auf die Gefahr hin, dass es nicht perfekt wird, weil man ja schließlich kein Profi ist. Auch dazu gibt es ein geflügeltes Wort von Chesterton, das ich immer mal wieder gern zitiere – sinngemäß, aus dem Gedächtnis: "A thing worth doing is a thing worth doing badly". In meinem Artikel "Von #ParentHacks zu #ParishHacks: Nur mal so 'ne Idee" aus dem Frühjahr 2019 wird dieses Prinzip recht explizit auf das Thema Gemeindeerneuerung bezogen, für das ich ja eigentlich ein eigenes "Dossier" in Aussicht gestellt habe; da mag sich nun wieder jemand beschweren, dass die TPG nicht MECE seien, aber dass diese Themen nicht gänzlich überlappungsfrei voneinander zu trennen sind, liegt ja eigentlich auf der Hand. Wichtig an dem #ParishHacks-Artikel ist jedenfalls der Hinweis, dass die Anwendung von Punkpastoral-Prinzipien in der Gemeindearbeit einen Gegenentwurf zu gewissen "angeblich erfolgversprechenden Gemeindeerneuerungs-Konzepten" darstellt, die "über den Großen Teich geschwappt" kommen und, "so jedenfalls mein Eindruck, überwiegend mit Hochglanzästhetik, Top-Down-Management und viel Geld zu tun" haben; sowie mein Bekenntnis, "dass mir vor der Vision einer hippen Besserverdienenden-Kirche tendenziell noch mehr graut als vor dem vielfach tristen Ist-Zustand". Dieser Aspekt spielt ein paar Monate später in "Gib Gott deinen Schrott!" erneut eine Rolle; da finden sich u.a. die bemerkenswerten, andeutungsweise bereits auf ein ebenfalls bereits in Aussicht gestelltes Dossier "Pfarrhausfamilie" vorausweisenden Sätze 

"Hätte ich ein leerstehendes ehemaliges Pfarrhaus, ein aufgegebenes Kloster oder ein Containerdorf auf einer urbanen Brachfläche zur Verfügung, um da ein Zentrum für Punkpastoral einzurichten: Würde ich dieses mit ramponierten und nicht zueinander passenden Gebrauchtmöbeln einrichten? Aber hallo! Würde ich diese Möbel nötigenfalls persönlich vom Sperrmüll holen? Oh ja." 

– aber auch eine Passage, die man fast schon als eine Art Geistlichen Impuls betrachten könnte: 

"Ich denke, das Problematische an dem Motto 'Für Gott nur das Beste!' ist das Wörtchen 'nur'. Was ist mit allem anderen, was wir sind und haben? Sollen wir das für uns behalten, es Gott vorenthalten, weil wir meinen, es wäre nicht gut genug für Ihn? Wie nun, wenn Gott gerade das von uns will, was wir selbst für wertlos, nicht vorzeigbar, oll und ramponiert halten und darum lieber verstecken möchten? Wenn Er einfach besser weiß als wir selbst, was diese Dinge wert sind und was man damit anfangen kann?" 

Inspirierend in Hinblick auf die Grundhaltung, Dinge selbst zu tun – so gut oder so schlecht man sie eben kann – anstatt darauf zu warten, dass jemand anderes es macht, ist es auch immer wieder, zur Community Networking Night im Baumhaus zu gehen, die nicht umsonst immer mal wieder in meinen Wochenbriefings auftaucht. In dem Artikel "Baumhaus Berlin – Be the Change you want to see in the World" aus dem Februar 2020 (kurz vor Corona), der von dem Anliegen geprägt ist, mal genauer erklären, was ich am Baumhaus so toll finde, habe ich einen Auszug aus einem Vortrag des Baumhaus-Gründers Scott Bolden wie folgt paraphrasiert: 

"In jedem Katastrophenfilm, so Scott, gibt es diese Sequenz vor dem dramatischen Höhepunkt – bevor der Meteorit einschlägt, der Vulkan ausbricht, die Flutwelle die Küste erreicht, die Ork-Armee ins Land einbricht –; eine Sequenz, in der die Helden der jeweiligen Geschichte sich zusammentun und ihre unterschiedlichen Fähigkeiten und Ressourcen kombinieren, um sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten. Eine Sequenz, in der Schiffe gezimmert, Vorräte gesammelt, Waffen geschmiedet, Formeln berechnet werden. Das, sagte Scott, ist die Situation, in der wir uns befinden, und das ist es, was wir tun.

Und ich dachte mir: Ich würde gern mal erleben, wie ein Kirchenvertreter mit einem vergleichbaren Sinn für Dringlichkeit über die spirituelle Krise der westlichen Welt spricht."

Im Sinne des hier skizzierten Katastrophenfilm-Szenarios bedeutet "Dinge selber machen" auch: "Tu das, was du kannst – idealerweise das, was nur du kannst." Jeder von uns ist mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen einzigartig, und das ist ein Potential, das es zu nutzen gilt. 

Ein weiterer bedeutender Aspekt des Ansinnens, den Punk in die Pastoral zu tragen, betrifft die Etablierung oder Besetzung [sic] sogenannter Dritter Räume. Begriff und Konzept des "Dritten Raums" begegneten mir erstmals in einem Essay des Pastoraltheologen Rainer Bucher, mit dem ich mich in meinem Artikel "Das Ausland beneidet uns um Wörter wie 'Organisationsentwicklungsprozess'" aus dem Frühjahr 2017 ausführlich und kritisch auseinandergesetzt habe. Der ganze Artikel ist von dem Bemühen geprägt, Buchers aufgeblasenes soziologisches Fachchinesisch auf praktische Brauchbarkeit 'runterzubrechen; wie gut mir das gelungen ist, mag der Leser beurteilen, aber ich finde schon, dass es ein wichtiger Artikel ist. Unter dem oben angesprochenen Aspekt des "Primats der Praxis" womöglich noch wichtiger ist der knapp zwei Jahre später zunächst als Beitrag für das Wochenmagazin auf Radio Horeb verfasste Artikel "Come In And Find Out: Platz für den Glauben in Dritten Räumen", der sich dem Begriff und Konzept des "Dritten Raums" noch einmal aus einem anderen, praxisnäheren Blickwinkel nähert. Im einleitenden Absatz definiere ich "Dritte Räume" als "Lokalitäten [...], die dazu dienen, informelle, ungezwungene und zufällige soziale Kontakte zwischen Menschen zu ermöglichen, die ansonsten wenig miteinander zu tun haben"; im weiteren Verlauf äußere ich die Überzeugung, "das Konzept sogenannter 'Dritter Räume' mache deutlich, 

"dass zwischen dem Anliegen, ein intensives Gemeinschaftsleben zu kultivieren, und demjenigen, Außenstehenden einen niederschwelligen Zugang zu dieser Gemeinschaft zu ermöglichen, nicht notwendigerweise ein Widerspruch besteht, sondern dass beides sich sogar gegenseitig stärken und befruchten kann".

Als Aufhänger für diesen Artikel dient übrigens die Beobachtung des Psychologieprofessors Richard Beck, 

"dass Kirchengemeinden, wenn sie sich bemühen, solche 'Dritten Räume' zu schaffen – etwa um einen 'niederschwelligen' Erstkontakt zu religiös eher wenig interessierten Menschen zu ermöglichen –, zumeist auf die Idee verfallen, ein Café zu eröffnen. Der Haken an der Sache, so Beck, ist, dass ein Café nur eine ganz bestimmte Zielgruppe anlockt und somit zur Milieuverengung beiträgt. Ganz andere Ergebnisse würde man seiner Einschätzung nach erzielen, wenn man statt eines Cafés etwa einen Waschsalon eröffnete." 

Beim Stichwort "Café" fällt mir unwillkürlich das Café J ein, das das Erzbischöfliche Amt für Jugendseelsorge ab September 2000 in der Torstraße in Berlin-Mitte betrieb und das theoretisch ein Vorzeigebeispiel für einen "Dritten Raum" hätte sein oder werden können. Schon in meinen allerersten Konzeptnotizen für eine informelle Laieninitiative, damals noch unter dem Arbeitstitel "Donnerstagsclub", taucht die Idee einer "freundlichen Teil-Übernahme des Café J" auf; dass es dazu nicht gekommen ist, kann man als einen historischen Misserfolg in der Geschichte der Punkpastoral betrachten – einen Misserfolg indes nicht nur für uns, sondern auch und gerade für das Café J selbst, das schon damals, gemessen an seinen vielversprechenden Anfängen, deutlich auf dem absteigenden Ast war und etwas frischen Wind gut hätte gebrauchen können. Inzwischen ist die Location laut Google "dauerhaft geschlossen"; ich nehme an, sie hat Corona nicht überlebt, aber letztendlich war das wohl nur der Gnadenstoß. Spulen wir mal ein Stück zurück: Wie ich schon in dem Ur-Artikel der Punkpastoral-Saga, "Wer, wenn nicht wir?", erwähnte, hatte ich schon Jahre zuvor mit dem Gedanken geliebäugelt, das Café J "könnte vielleicht ein Kristallisationspunkt für eine katholische Graswurzelrevolution in Berlin sein"; aber ach: 

"Einmal versuchte ich mit den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die dort hinter dem Tresen standen, ein Gespräch darüber zu führen, aber als ich zur Veranschaulichung dessen, was mir (wenn auch vage) vorschwebte, auf das Beispiel der linksradikalen Szene verwies, erntete ich lange Gesichter - und eine klare Distanzierung von diesem Vergleich: 

'Wir sind doch nicht radikal.'

Tja. Ich schätze, das ist das Problem." 

Anno 2017, als der gerade frisch aus der Taufe gehobene Mittwochsklub sich anschickte, diese Location "als Operationsbasis für ein Graswurzel-Laienapostolat (um nicht immer 'Punk-Pastoral' zu sagen)" zu nutzen (wie ich seinerzeit in meinem Artikel "Mittwochsklub im Café J... an einem Freitag" schrieb), hatte das Café J seine beste Zeit schon recht deutlich hinter sich. Hatte es in seiner Anfangszeit an drei Tagen in der Woche feste Öffnungszeiten gehabt, öffnete es inzwischen nur noch gelegentlich, vorrangig für Veranstaltungen wie "Kneipenquiz- und Cocktailabende, Kartenspielturniere und Fußballübertragungen" für eine überschaubare Zielgruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich so ziemlich alle untereinander kannten. Dass es dem Laden in all den Jahren seines Bestehens und trotz seiner wirklich exzellenten Lage nicht gelungen war, eine nennenswerte Laufkundschaft anzulocken, lässt sich eigentlich nur dadurch erklären, dass das seitens des Teams gar nicht gewollt war. Das hätte mich eigentlich stutzig machen sollen. 

Wie dem auch sei: Bei ersten Kontaktgesprächen zeigte sich das Café J-Team dem Argument gegenüber, "ein paar Veranstaltungen mit explizit christlichem Content wären in einem Lokal in kirchlicher Trägerschaft sicherlich [...] nicht direkt fehl am Platz", "grundsätzlich ziemlich aufgeschlossen", und so durften wir Ende März 2017 tatsächlich eine "Mittwochsklub"-Veranstaltung im Café J abhalten, einen Vortrag über die MEHR-Konferenz und die Impulse, die wir von dort mitgenommen hatten. Das Ergebnis war ernüchternd: Das Stammpublikum des Café J interessierte sich für diese Veranstaltung nicht die Bohne, und obwohl wir fleißig Werbung gemacht hatten, gelang es uns nicht in nennenswertem Umfang, ein anderes Publikum anzulocken; zudem zeigte die anschließende Diskussion mit dem zwei Leutchen vom Café-Team, die zu der Veranstaltung erschienen waren, dass ihre und unsere Vorstellungen darüber, was christlich sei und was nicht, doch sehr weit auseinandergingen. Nach alledem war es für niemanden eine Überraschung, dass es zu keinen weiteren Mittwochsklub-Veranstaltungen im Café J kam. – Das war jetzt ein ziemlich langer Exkurs, aber ich finde, als abschreckendes Beispiel dafür, wie das Potential eines solchen Raumes vergeudet werden kann, wenn er von Leuten betrieben wird, die daraus letztlich nichts anderes machen wollen als einen stinknormalen Jugendgruppenraum, wie man ihn in jedem besseren Pfarrhaus findet, ist die Geschichte des Café J einfach sehr illustrativ. 

Ein rein fiktives, rein hypothetisches Beispiel dafür, wie man eine "freundliche Teil-Übernahme" eines bereits bestehenden "Dritten Raumes" bewerkstelligen könnte, und warum es dafür sinnvoll wäre, wenn eine Punkpastoral-Initiative einen guten Klempner in ihren Reihen hätte und/oder ihr eigenes Bier brauen würde, schildert der Artikel "Gas, Wasser, Apostolat" aus dem Herbst 2019. Ein Vorzeigebeispiel für einen "Dritten Raum" ist natürlich auch das "Baumhaus", weshalb ich nochmals auf den weiter oben bereits verlinkten Artikel "Baumhaus Berlin – Be the Change you want to see in the World" verweisen möchte – insbesondere mit Blick auf den Programmpunkt "News You Can Use", aber auch auf die Frage, "wie man einen Raum gestalten muss, damit er quasi 'von selbst' die richtigen Leute anlockt". Einige Gedanken hierzu finden sich auch schon im Einleitungsteil von "Dinner mit Gott – Der (oder das) Relaunch" (September 2019). 

Den nächsten Punkt auf meiner Liste von Prinzipien der Punkpastoral nenne ich "Bring Chaos in die Ordnung!"; und hierzu möchte ich auf den Schluss des weiter oben bereits verlinkten Artikels "Das Ausland beneidet uns um Wörter wie 'Organisationsentwicklungsprozess'" verweisen. Dort weise ich auf ein Zitat aus einem "Essay von Maren Lehmann (Leutemangel. Mitgliedschaft und Begegnung als Formen der Kirche, in: Jan Hermelink/Gerhard Wegner [Hrsg.]: Paradoxien kirchlicher Organisation. Niklas Luhmanns frühe Kirchensoziologie und die aktuelle Reform der evangelischen Kirche, Würzburg 2008)" hin, welches lautet: 

"Vielleicht ist … dies der Fehler … so vieler Reformversuche der Kirche als Organisation, dass sie nach zu viel Ordnung und zu viel Regelung suchen, wo es doch darauf ankäme, nach brauchbarer Unordnung oder … nach 'brauchbarer Illegalität' zu suchen." 

Wozu ich anmerkte: 

"Ich weiß zwar nicht, was Frau Lehmann – oder eben Prof. Bucher, indem er sie zitiert – nun genau unter 'brauchbarer Illegalität' versteht, aber ich muss zugeben: der Begriff als solcher gefällt mir. Er klingt nach Punk." 

(Nur nebenbei sei notiert, dass dieses Zitat mich veranlasste, nicht nur den Essay von Maren Lehmann, aus dem es stammt, sondern den ganzen Sammelband, in dem dieser erschien, gründlich durchzuarbeiten – was sich als in vielfacher Hinsicht aufschlussreich und anregend erwiesen hat.) 

Man könnte im Zusammenhang mit dem Schlagwort "Bring Chaos in die Ordnung!" auch auf eine Ansprache von Papst Franziskus verweisen, die ich, obwohl er sie bereits 2013 – nämlich im Rahmen einer Begegnung mit argentinischen Jugendlichen beim Weltjugendtag in Rio – gehalten hat, noch nie auf meinem Blog zitiert habe; das ist jetzt also eine Premiere: 

"Ich möchte euch sagen, welche Wirkung ich vom Weltjugendtag erhoffe: Ich hoffe, dass es einen Wirbel gibt. Hier wird es einen Wirbel geben, ja, den wird es geben. [...] Aber ich will, dass ihr auch in den Diözesen Wirbel macht, ich will, dass man hinausgeht, ich will, dass die Kirche auf die Straßen hinausgeht, ich will, dass wir standhalten gegen alle Weltlichkeit, Unbeweglichkeit, Bequemlichkeit, gegen den Klerikalismus und alles In-sich-verschlossen-sein." 

Das ist die offizielle Übersetzung des Vatikans; was hier als "Wirbel machen" wiedergegeben wird, könnte man auch als "Unruhe stiften" oder "Chaos verursachen" übersetzen. Diese Aufforderung des Papstes ist gewissermaßen die Kehrseite seiner wiederholt geäußerten Kritik am "Legalismus", am allzu starren Festhalten an Vorschriften. 

In ein Prinzip der Punkpastoral übersetzt, bedeutet dies, sich Tendenzen zur institutionellen Verfestigung, ja zur bürokratischen Erstarrung entschieden entgegenzustellen. Wer meint, das sei ein Kampf gegen Windmühlen, dem will ich gar nicht widersprechen, sondern lediglich entgegnen: In diesem Haus ist Don Quixote ein Held. – Ich schätze, diese Grundhaltung, mitsamt den daraus wohl einigermaßen unvermeidlich resultierenden Frustrationen, kommt gerade in meinen Wochenbriefings immer wieder zum Ausdruck; exemplarisch will ich hier mal auf eine Passage aus den Ansichten aus Wolkenkuckucksheim Nr. 2 (kurz vor dem ersten Corona-Lockdown) verweisen, die sich um die Begegnung mit einem jungen Obdachlosen dreht, der sich beim gemeinsamen Kaffeetrinken "als ausgesprochen interessanter, ja inspirierender Gesprächspartner erwies". Im Rückblick beurteilte ich "diese ganze Geschichte" als einen "Anlass, zu bedauern, dass unsere Pfarrgemeinde nicht etwas #benOppiger ist": 

"Was ich mir nämlich wünschen würde, wäre eine Pfarrgemeinde, die es nicht nur hinkriegt, jemandem wie diesem jungen Mann ohne viel Brimborium zu Kost und Logis zu verhelfen, sondern ihn im Austausch dafür womöglich als Hausmeister, Gärtner, Kirchenmusiker oder Jugendkatecheten beschäftigt. Ja, ich weiß, das geht nicht; wir sind hier in Deutschland, da gibt es für alles bürokratische Vorschriften. Zu meinem nächsten Geburtstag wünsche ich mir ein T-Shirt mit dem Aufdruck 'GEGEN BÜROKRATEN HELFEN NUR TOMATEN'." 

(An dieser Stelle möchte ich nicht unterlassen zu erwähnen, dass die Idee, einen Obdachlosen als Jugendkatecheten zu beschäftigen, durch einen Artikel der Satire-Website "The Babylon Bee" inspiriert war. Wenn mich jetzt jemand darauf hinweisen möchte, dass der Artikel aber anders gemeint war, als ich ihn gern verstehen würde, sage ich: Das ist mir bewusst, ist mir aber egal.) 

Der Gegenentwurf zu institutioneller Verfestigung und bürokratischer Erstarrung heißt übrigens informelle Organisation, und so ist es wohl kein Wunder, dass auch dies ein ganz wichtiges Punkpastoral-Thema ist. Grundlegende Überlegungen hierzu finden sich in der ersten Etappe meiner "100-Bücher-Challenge" im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem von Norbert Baumert herausgegebenen Band "Jesus ist der Herr". Zum Übel der Institutionalisierung merkte ich dort an: 

"In Mexiko gibt es eine 'Partei der Institutionalisierten Revolution', und auch wenn man nicht wüsste, dass die im Laufe ihrer jahrzehntelangen Alleinherrschaft zum Inbegriff der Korruption geworden ist, würde man es allein aufgrund des Namens vermuten." 

Anknüpfend an diese eher anekdotische Bemerkung betonte ich, es sei mir "außerordentlich wichtig", dass Laienapostolats-Initiativen im Sinne der Benedikt-Option (oder eben der Punkpastoral) nicht danach streben sollten, "die dreiundzwanzigste oder vierundzwanzigste Neue Geistliche Gemeinschaft zu werden". – "Sondern was? Schlagwortartig gesagt: eine Bewegung, die innerhalb wie außerhalb bereits bestehender Strukturen wirkt und so deren Grenzen überschreitet bzw., im Idealfall, öffnet."  In diesem Zusammenhang zitierte ich "das Motto der anarcho-syndikalistischen 'Industrial Workers of the World', das Peter Maurin kurzerhand für die Catholic Worker-Bewegung übernahm": "Die neue Gesellschaft in der Hülle der alten aufbauen"

Die Aussage, es solle bzw. dürfe nicht darum gehen, "die dreiundzwanzigste oder vierundzwanzigste Neue Geistliche Gemeinschaft gründen zu wollen", findet sich auch schon ein paar Monate vorher in dem Artikel "Und hat's Dir nicht gefall'n, dann bohr dir doch ein Loch ins Knie" (August 2019) – einem Artikel, der seinerzeit sehr kontrovers aufgenommen wurde, weil darin das "Forum Altötting" der Gemeinschaft Emmanuel in einem eher ungünstigen Licht erscheint, aber auf diesen Aspekt des Artikels will ich hier gar nicht hinaus. Viel wichtiger ist, dass ich darin als Vorzeigebeispiel für den "Ansatz, 'projektbezogen' mit Leuten aus verschiedenen Gruppen und Gemeinschaften zusammenzuarbeiten", das Anbetungs- und Lobpreisformat Nightfever heranziehe: 

"Das Geniale an Nightfever ist ja gerade, dass es nicht das 'Eigentum' einer bestimmten Gemeinschaft, eines Verbands oder einer sonstigen Gruppierung ist, sondern – wie es in dem Sammelband 'Nightfever. Theologische Grundlegungen' (München 2013) heißt – gerade von seinem 'Charakter als gemeinschaftliches und zugleich offenes Projekt' (S. 20) sowie 'vom gemeinsamen Engagement der verschiedenen Neuen Geistlichen Gemeinschaften, Bewegungen, Priesterseminare sowie katholischer Jugend- bzw. Studentengruppen' lebt (S. 151). In Berlin zum Beispiel sind, man höre und staune, sogar BDKJ-Leute an der Organisation und Gestaltung von  Nightfever beteiligt." 

Einen interessanten Impuls zum Thema "informelle Organisation" habe ich auch in George Orwells "Mein Katalonien" entdeckt, das ich in der zweiten Etappe meiner "100-Bücher-Challenge" besprochen habe; da gibt es eine Passage über "die demokratisch-'revolutionäre' Art der Disziplin", die Orwell bei den anarchistischen Milizen im Spanischen Bürgerkrieg kennengelernt hat und die man "[z]usammenfassend und vereinfacht" so beschreiben könnte: 

"[D]iese Art von Disziplin [basierte] nicht auf der Pflicht zum Gehorsam gegenüber Vorgesetzten (Offiziersränge gab es in den Milizen nicht), sondern auf der gemeinsamen Verantwortung für die Sache, für die man kämpfte". 

Oder in Orwells eigenen Worten: 

"Zynische Menschen [...] werden sofort sagen, daß es so niemals 'geht', aber tatsächlich 'geht' es auf die Dauer. [...] 'Revolutionäre' Disziplin ist vom politischen Bewußtsein abhängig – von dem Verständnis dafür, warum Befehle befolgt werden müssen. Es dauert einige Zeit, bis sich diese Einsicht verbreitet, aber es dauert auch einige Zeit, einen Mann auf dem Kasernenhof zu einem Automaten zu drillen". 

Die hier ins Spiel kommende militärische Thematik bietet übrigens eine gute Überweisung zum nächsten Aspekt der Punkpastoral, den ich ansprechen möchte (Leser, die finden, dieser Artikel werde schon wieder ungemütlich lang, sei gesagt: Es ist der vorletzte). Bei meiner ersten MEHR-Konferenz im Januar 2017 hörte ich, wie im Artikel "Viel Spaß und viel Segen (Teil 2)" geschildert, einen Vortrag von Johannes Hartl mit dem Titel "Erwecke die Helden", als dessen Ausgangspunkt ich den Umstand festhielt, 

"dass die Bibel stellenweise in sehr kriegerischen Metaphern vom Auftrag der Christen in der Welt spricht; das gelte heutzutage vielfach als anrüchig und stehe in einem Spannungsverhältnis dazu, dass die christliche Botschaft heute allzu oft einseitig zu Friede, Freude und Eierkuchen verflacht werde". 

Aus diesem Vortrag erinnere ich mich an den (hier sinngemäß aus dem Gedächtnis zitierten) Satz: "Wenn ein Soldat allein auf seinem Posten sitzt und immer in den Wald hineinschießt, und es schießt nie einer zurück, dann ist das vielleicht gar kein so gutes Zeichen." Im Gedenken daran möchte ich das vorletzte meiner Prinzipien der Punkpastoral unter das Motto "Du hast Feinde? Gut so!" stellen. Womit ich indes nicht sagen möchte, man sollte es darauf anlegen, sich Feinde zu machen; das ist auch gar nicht nötig, denn sobald man anfängt, verfestigte Strukturen in Frage zu stellen und gegen den Geist des "Das haben wir schon immer so gemacht" anzukämpfen, kommen die Feinde von ganz allein. – In meinem Artikel "Die Lebendigen Steine rollen weiter!" (März 2021) verwies ich darauf, "was Jeffrey Shurtleff bei seinem gemeinsamen Auftritt mit Joan Baez beim Woodstock-Festival (in der Anmoderation zum Song 'Drug Store Truck Drivin' Man') sagte", nämlich: 

"One thing about the Draft Resistance that's different from other movements and revolutions in this country is that we have no enemies. It's one of the beautiful things about it."

Dazu merkte ich an, "als Zielerklärung" sei dies "sicher nobel und nachahmenswert, auch wenn es sich nicht immer vollumfänglich umsetzen lässt": 

"Ich würde sogar sagen, in vielen Fällen kann man sich seine Feinde ebenso wenig aussuchen wie seine Verwandten. Und sogar Jesus selbst hat zwar geboten, dass wir unsere Feinde lieben sollen, aber nicht, dass wir keine haben sollen. Ein Unterschied, der häufig übersehen wird." 

Ausgerechnet im Rahmen meines Artikels "Als Gasthörer an der Hausbesetzer-Uni" (Februar 2019) zitierte ich eine Passage aus C.S. Lewis’ "Mere Christianity" ("Pardon, ich bin Christ"), die in diesen Kontext passt: 

"Vom Feind besetztes Land – das ist diese Welt. Das Christentum berichtet davon, wie der rechtmäßige König gelandet ist, in Tarnung, könnte man sagen, und wie er uns alle aufruft, uns an einem großen Sabotagefeldzug zu beteiligen. Man geht im Grunde in die Kirche, um dort die geheimen Funksprüche unserer Freunde abzuhören. Deshalb ist der Feind so erpicht darauf, uns von dort fernzuhalten." 

Weiterhin wies ich darauf hin, dass Leah Libresco diese Sätze in ihrem Buch "Building the Benedict Option" zitiert -- und "die Metapher von der 'Beteiligung an einem großen Sabotagefeldzug' zum Anlass" nimmt, 

"auf das 1944 vom Office for Strategic Services (OSS) herausgegebene 'Simple Sabotage Field Manual' zu verweisen, das Anleitungen für kleine, einfach durchzuführende, aber effektive Sabotageakte im vom Feind besetzten Territorium enthält. Statt um spektakuläre Heldentaten geht es da eher darum, Werkzeuge am falschen Ort liegenzulassen oder Toiletten zu verstopfen. Freilich betont Leah Libresco, ihre Hinweise auf dieses Sabotagehandbuch seien metaphorisch zu verstehen, und verweist auf die Mahnung des Apostels Paulus an die Epheser: 'Wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen' (Eph 6,12). Es geht also eher darum, dem Satan die Toilette zu verstopfen". 

Gleichwohl räumt Leah Libresco ein, auch wenn "der Feind, von dem Lewis spricht", "kein irdischer Feind" sei, könnten "Menschen und menschliche Institutionen" sehr wohl im Dienst des Feindes stehen. Und in Chestertons schon erwähnter Biographie über Franz von Assisi entdeckte ich, wie ich es in meiner "100-Bücher-Challenge" formulierte, einen "sehr schöne[n] Satz, den man sich getrost übers Bett hängen kann": 

"Allerdings ist es, im Gegensatz zur Meinung der Pazifisten und Übergerechten, nicht die geringste Inkonsequenz, wenn wir die Menschen lieben und sie bekämpfen, sobald wir sie ehrlich und um einer guten Sache willen bekämpfen."

Einen weiteren Satz zum Übers-Bett-Hängen hatte ich mir aus Orwells "Mein Katalonien" notiert: 

"Es gibt Gelegenheiten, bei denen es sich besser bezahlt macht, zu kämpfen und geschlagen zu werden, als überhaupt nicht zu kämpfen." 

In derselben Etappe der "100-Bücher-Challenge", in der Orwells "Mein Katalonien" gewürdigt wird, findet sich auch eine Besprechung einer bei Reclam Leipzig unter dem Titel "Ideen über Revolutionen in Deutschland" erschienene Werkauswahl des radikal aufklärerischen Publizisten Georg Friedrich Rebmann (1768-1824); wiewohl mein Gesamturteil über den Band lautete, er sei vorrangig unter dem Aspekt "Know Your Enemy" (übrigens auch ein gutes Punkpastoral-Motto!) interessant, entdeckte ich vereinzelt doch auch manches "positiv Anregende" darin. Insbesondere gilt dies für Rebmanns Nachruf auf seinen Publizistenkollegen Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739-1792): Wie ich in meiner Besprechung schrieb, legt Rebmann es in diesem Text explizit darauf an, "das christliche Martyriums-Konzept für die von ihm vertretene ideologische Agenda zu okkupieren. Anders gesagt: Der 'Berufsrevolutionär' ist eine säkularisierte Version des christlichen Heiligen, und es gilt, dieses Konzept für das Projekt einer christlichen Graswurzelrevolution 'zurückzuklauen'!" So finden sich in diesem Nachruf einige Sätze, die es – "[n]icht nur wegen der biblischen Sprachbilder, deren der Verfasser sich [...] bedient", wert sind, dass man "sie sich ins Poesiealbum schreibt"; einer davon sei hier angeführt: 

"Der Kämpfer für die Menschheit ist längst vermodert, wenn der Baum gedeiht, den er gepflanzt hat, und dann sitzen die Enkel unter dem Schatten, ohne zu wissen, ob die Natur oder eine freundliche Hand des Baums gewartet habe." 

Das ist im Grunde auch schon eine gute Überleitung zu meinem letzten Punkt, den ich "Wachstum durch Anregung oder Vom Apfel zum Baum" nennen möchte. Das mit dem Apfel und dem Baum habe ich vom oben bereits erwähnten Meet Mission Manifest: Aus den dort gehörten Vorträgen und Podiumsdiskussionen notierte ich mir den Satz "Die eigentliche Frucht, die ein Apfelbaum hervorbringen muss, ist nicht ein weiterer Apfel, sondern ein weiterer Baum." Für mein Verständnis hat auch das etwas mit dem Punkt "Informelle Organisation" zu tun: Es geht nicht darum, dass der Baum, den man selbst gepflanzt hat, immer größer wird, sondern darum, dass woanders auch Bäume gepflanzt werden. Praktisch bedeutet das, man sollte bestrebt sein, mit dem, was man tut, Andere zur Nachahmung anzuregen. Schon mit Blick auf unsere Aktivitäten in der Pfarrei Herz Jesu Tegel schrieb ich in "Zeigen, dass es auch anders geht" (Frühjahr 2019), ich hätte mir gewünscht, dass ein paar mehr Leute "wenigstens aus Neugier" zu unseren Veranstaltungen gekommen wären: 

"Und sei es nur, um mal einen Eindruck davon zu bekommen, was drei Leutchen mit relativ überschaubarem Aufwand an Zeit und Geld auf die Beine gestellt bekommen. Das meine ich nicht als Eigenlob, sondern eigentlich eher im Gegenteil: Es geht darum, dass andere das auch könnten." 

Unter genau diesem Gesichtspunkt ist es auch zu betrachten, dass ich in meinen Wochenbriefings meine alltäglichen Bemühungen dokumentiere, in der Pfarrei, der Familie und anderswo eine christliche Graswurzelrevolution voranzutreiben: Es geht nicht darum, zu sagen "Schaut her, was ich alles mache", sondern zu sagen "Du kannst das auch; oder wenn nicht genau das, dann etwas anderes". In diesem Sinne gilt für meinen Blog, jedenfalls dem Anspruch nach, Ähnliches, wie Dorothy Day es 1960 über ihre Zeitschrift The Catholic Worker sagte: 

"Wir veröffentlichen eine Zeitung, in der Ideen diskutiert und zur Klarheit gebracht und durch praktisches Handeln illustriert werden. Das heißt, wir sind nicht nur ein Nachrichtenblatt. Wir sind, wie Peter Maurin zu sagen pflegte, eine Revolution, eine Bewegung. Wir sind Verkündiger des Glaubens. Wir sind die Kirche. Wir sind Glieder des Mystischen Leibes. Wir alle müssen uns darum bemühen, gesund zu sein und unsere Aufgabe zu erfüllen. Wir haben nicht alle dieselbe Aufgabe, aber wir alle haben eine Berufung. Die unsere ist eine 'prophetische', wie uns viele Priester gesagt haben. Papst Johannes [XXIII.] hat erst kürzlich auf den Mut Johannes des Täufers als ein Vorbild für die heutige Zeit verwiesen. Die Propheten nutzten große Gesten, um Aufmerksamkeit für das zu bekommen, was sie zu sagen hatten. Das haben auch wir getan." 

Nicht von ungefähr habe ich diese Sätze als "Zitat der Woche" gewählt, als ich im Juni 2021 – mit "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim 4" – das Artikelformat "Wochenbriefing" nach einer Unterbrechung von 15 Monaten wieder aufnahm. 

Explizit findet sich die Aussage "Punkpastoral lebt vom Selbermachen, und Ideen verbreiten sich durch Nachahmung" im meinem Artikel "Die Sommerausgabe ist da!" vom Sommer 2021. Konkret geht es da um den "Independent-Gemeindebrief" Lebendige Steine, den man übrigens vielleicht mal wiederbeleben sollte – das habe ich allerdings schon öfter angemerkt. Wie dem auch sei, ich wüsste ja schon gern, ob mein damaliger Aufruf "Gründen wir zehn, zwanzig, hundert 'Independent-Gemeindebriefe' in ganz Deutschland (oder auch darüber hinaus)!" eigentlich irgendwelche Früchte getragen hat. 

Fast unnötig zu erwähnen ist es wohl, dass auch und gerade dieses "Dossier" wesentlich darauf abzielt, den geneigten Leser zur Nachahmung anzuregen und zu motivieren.  Seien wir mal gemeinsam gespannt, was daraus wird...! 


Samstag, 21. Dezember 2024

Die 3 K der Woche (4): Kinder, Kirche, Kundenkommunikation

Die Adventszeit geht in die letzte Runde, Freunde! Die letzte Schul- und Arbeitswoche des Kalenderjahres 2024 liegt hinter uns, die Planung für die Festtage – wo wir wann zur Kirche gehen, wen wir wann besuchen, was es zu essen gibt – ist im Großen und Ganzen unter Dach und Fach, und auch sonst breitet sich allüberall Weihnachtsstimmung aus; nicht nur im persönlichen Erlebnisbereich. Der Anteil an Themen, die außerhalb des Selbsterlebten liegen bzw. darüber hinausgehen, ist in diesem Wochenbriefing etwas höher als zuletzt; um Kinder und/oder Kirche dreht sich dabei aber wieder mal fast alles, und das dritte K in der Überschrift – Kundenkommunikation – lässt sich sowohl auf das diesjährige Weihnachts-Rundschreiben der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd an ihre Gemeindemitglieder als auch auf das Neueste aus der Social-Media-Redaktion des Erzbistums Hamburg beziehen. Und damit genug der Vorrede! 

Die tief stehende Wintersonne sorgt für farbenfrohe Effekte an Kirchenfenstern – hier in der "Beten-mit-Musik-Kirche", wie mein  Jüngster sie nennt.


Der Krippenspiel-Countdown läuft 

In der Chronologie der Ereignisse der zurückliegenden Woche ist an erster Stelle die dritte und somit vorletzte Krippenspiel-Probe in St. Stephanus Haselhorst zu erwähnen, die am vorigen Samstag stattfand und bei der auch die im vorigen Wochenbriefing etwas ausführlicher gewürdigte Freundin meiner Tochter wieder mit von der Partie war. Der Gemeindereferent hatte im Vorfeld extra eine Mail an alle Mitwirkenden (bzw. deren Eltern) geschickt, in der er darauf hinwies, dass bis zu dieser Probe möglichst alle Darsteller ihren Text auswendig können sollten. Das Ergebnis war, sagen wir mal, durchwachsen: Immerhin konnten Maria, zwei der drei Hirten und ein Engel (nämlich mein Tochterkind) ihren Text, die anderen schaffen es hoffentlich bis zur nächsten Probe. In anderer Hinsicht gab es derweil aber beachtliche Fortschritte: Endlich konnte auch die Rolle des Josef besetzt werden, es wurde in Kostümen geprobt und an den Licht- und Toneffekten gearbeitet. Es bleibt zwar noch einiges zu tun, aber ich bin doch recht optimistisch, dass es eine schöne Aufführung werden wird. 

Lagerfeuer mit Suppentopf für die Hirten-Szene

Zweimal Gaudete 

Nach der Krippenspielprobe blieb uns gerade noch genug Zeit für ein (vom Preis-Leistungs-Verhältnis her überraschend gutes) Abendessen in einem Schnellimbiss in der Gartenfelder Straße, ehe wir zur Vorabendmesse in St. Rita aufbrechen mussten. Die Entscheidung, dort in die Messe zu gehen, war dadurch bedingt, dass meine Liebste und die Kinder am Sonntag zusammen mit zwei Schulfreundinnen unserer Großen eine Weihnachtsmarkttour machen wollten und die Messe in St. Joseph Siemensstadt da nicht in den Zeitplan passte. Als Alternative bot sich die Vorabendmesse in St. Rita einerseits wegen der guten Erreichbarkeit, andererseits aber auch deshalb an, weil diese Messe von dem von uns sehr geschätzten nigerianischen Pfarrvikar zelebriert wurde. Er freute sich auch augenscheinlich, uns zu sehen, und lud unsere Große ein, die Kerzen am Adventskranz anzuzünden. Lobend zu erwähnen ist außerdem, dass die Kirche St. Rita eine Kinder-Ecke mit Bilderbüchern, Ausmalbildern und Buntstiften hat und dass dort passende Ausmalbilder zum Evangelium vom Tag (Lukas 3,10-18) auslagen. Schön war auch, dass der Zelebrant ein rosa Gewand trug, wozu ja nur zweimal im Kirchenjahr Gelegenheit ist. Die mit rund acht Minuten vergleichsweise kurze Predigt war einmal mehr kein eigenes Werk des Pfarrvikars, sondern stammte, abgesehen von einigen Kürzungen und freien Ergänzungen am Anfang und am Schluss, von Sabine Mehling-Sitter, Gemeindereferentin und Referentin für Frauenseelsorge im Bistum Würzburg; und ich bin geneigt zu sagen: Dafür war sie gar nicht mal schlecht. (Näheres dazu weiter unten...) 

Trotz somit bereits erfüllter Sonntagspflicht ging ich dann aber am Sonntag – ohne die Familie – in St. Joseph Siemensstadt in die Messe, und das aus mehreren Gründen: 1. hoffte ich auf eine anregende Predigt; 2. gab es eine Krippensegnung; 3. hielt ich es ganz allgemein für ratsam, in der Gemeinde Präsenz zu zeigen; und 4. gab es anschließend wieder ein Essen im Gemeindesaal, ausgerichtet und zubereitet vom Sozialdienst Katholischer Männer – und da musste ich zum einen das Tablett zurückbringen, das die SKM-Leute uns am Sonntag zuvor mitgegeben hatten, und zum anderen hoffte ich darauf, Reste mitnehmen zu können, und nahm daher vorsorglich ein paar Foodsaving-Boxen mit. 

Was Punkt 1 auf dieser Liste von Gründen angeht, kam mir allerdings schon auf dem Weg zur Messe der Gedanke: "Aber was, wenn der Krankenhausseelsorger die Messe hält?" Zweifellos kein sehr freundlicher Gedanke, gleichzeitig aber offenbar eine Art prophetische Eingebung, denn so war's tatsächlich. Fangen wir damit also mal an: Die Predigt war noch etwas kürzer als die am Vorabend gehörte – nach gerade mal fünf Minuten leitete der Priester zur Krippensegnung über –, fand jedoch in der Überleitung vom Vaterunser zum Friedensgruß eine Fortsetzung und vor dem Entlassungssegen noch eine weitere. Darüber, was ich davon halte, wenn Priester meinen, die ganze Messe hindurch predigen zu müssen, habe ich mich ja schon verschiedentlich geäußert und muss es daher wohl hier nicht wiederholen. Inhaltlich beschränkten sich die beiden kurzen Zusatzpredigten im Wesentlichen darauf, das Motto des 3. Adventssonntags – Gaudete, "Freuet euch!" – zum Anlass für die Mahnung zu nehmen, man solle sich insgesamt und überhaupt mehr um eine positive Lebenseinstellung bemühen, nicht so viel meckern und klagen, lieber mit einem Lächeln durchs Leben gehen, das sei auch angenehmer für die Mitmenschen und gehöre schon deshalb "zu einem anständigen Leben dazu". Das Stichwort vom "anständigen Leben", auf das ich ja bekanntlich recht allergisch zu reagieren pflege, spielte auch in der eigentlichen Predigt eine Rolle, aber darauf komme etwas weiter unten noch zurück. 

Was die Krippensegnung anging, war vor dem Altar bereits ein Stallgebäude, allerdings noch ohne Krippenfiguren, aufgebaut worden; die Möglichkeit, zusammen mit diesem auch eigene Weihnachtskrippen "für zu Hause" segnen zu lassen, wurde indes kaum genutzt – außer von mir: Ich hatte zwei mitgebracht, eine aus einem einzigen Stück Holz geschnitzte, die bei uns von jeher einen festen Platz auf dem Regal über der Couch hat, und eine, die unser Tochterkind am vorangegangenen Mittwoch beim JAM aus einer Papiertüte gebastelt hatte. 

Die eher konventionell aussehende Krippe im Hintergrund hatte jemand anderes mitgebracht, das war dann aber auch alles.

Beim anschließenden Gemeindeessen gab's Buletten mit Rotkohl und Klößen, und es blieben tatsächlich einige Reste zum Mitnehmen übrig (nur vom Rotkohl nicht). 

Nun aber noch einmal zurück zu den beiden Predigten zum Gaudete-Sonntag, die ich gehört habe – einschließlich eines Querverweises auf einen auf dem Instagram-Kanal der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd veröffentlichten "Impuls" des aus der Gemeinde von St. Rita stammenden Theologiestudenten Nils Thomas. Zu dieser Impulse-Reihe auf Instagram wollte ich ja sowieso noch was sagen und werde das wohl in einem späteren Artikel noch ausführlicher tun, aber einen kleinen Vorgriff als Ergänzung zu den beiden hier angesprochenen Predigten möchte ich mir doch schon mal erlauben. 

Beginnen wir aber mal mit der Predigt des Spandauer Krankenhausseelsorgers: Diese enthielt zwar ausgesprochen goldene Worte zur "Freude am Herrn", die "die eigentliche Kunst des Frommen" sei und "Bestand in Drangsal, in Krankheit, in Not, in Anfechtung" habe; zum Evangelium dieses Sonntags – der Verkündigung Johannes des Täufers – hatte sie indes eher wenig zu sagen. Die Verhaltensmaßregeln, die der Täufer jenen mitgibt, die ihn fragen "Was sollen wir also tun?", fasste der Prediger in der bereits angesprochenen Formulierung "Führt ein anständiges Leben!" zusammen. Etwas ausführlicher wird das bei Sabine Mehling-Sitter betrachtet, die zu bedenken gibt:

"Wenn wir uns alle an diese Regeln hielten, wenn wir mit offenen Augen durchs Leben gingen, wenn wir ein Herz für Bedürftige hätten, dann, ja dann wäre das Leben leichter, das Miteinander besser, dann würde Frieden herrschen, dann hätten wir einen Grund zur Freude. Dann könnten wir jubeln und jauchzen. Dann müssten wir uns nicht mehr ärgern oder gar Angst haben." 

Richtig interessant wird's jedoch, als die Würzburger Gemeindereferentin fortfährt: 

"Aber Johannes der Täufer macht deutlich, dass es um mehr geht. Dass das nur eine Art Vorstufe ist. Dass er sozusagen nur der Vorarbeiter, der Vorbereiter ist für den, der wirklich sagt und weiß wo es lang geht: Jesus Christus." 

An dieser Stelle ist nun ein Seitenblick auf den Instagram-Impuls von Nils Thomas erhellend: Der Theologiestudent meint, wenn der Täufer lehre "Teilt mit den Bedürftigen" oder "Behandelt euch gegenseitig gut", dann klinge das "vielleicht gar nicht so sehr nach Johannes, sondern vielmehr nach Jesus und dem, was Er gesagt und getan hat", und daher könne man "vielleicht ein Stück weit nachvollziehen, warum die Menschen damals [...] gedacht haben: Ist nicht vielleicht Johannes der, den wir erwarten, der Messias, der Christus, der Erlöser?" Aber der entscheidende Punkt ist doch, dass er es gerade nicht ist – und eben darin zeigt sich das Defizit einer rein ethisch orientierten Auffassung von Christsein: Allein dafür, die Menschen zu lehren, dass sie "ein anständiges Leben führen", "ein Herz für Bedürftige haben" und sich "gegenseitig gut behandeln" sollen, hätte Jesus nicht zu kommen brauchen – dafür hätte Johannes der Täufer genügt. Wie wir bereits gesehen haben, wird insbesondere in der von Sabine Mehling-Sitter verfassten Predigt durchaus explizit betont, dass es bei Jesus "um mehr geht"; worin dieses Mehr aber konkret besteht, wird auch da nicht recht deutlich. Besonders auffällig erscheint es mir, dass in keiner der hier besprochenen Predigten auf die Ankündigung des Täufers eingegangen wurde, der wahre Messias, der nach ihm komme, werde "seine Tenne reinigen", d.h. die Spreu vom Weizen trennen, "die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feüuer verbrennen". Dabei wäre es doch gewiss eine interessante Aufgabe für einen Prediger, diese offenbare Höllendrohung dazu in Beziehung zu setzen, dass die Verkündigung des Täufers ausdrücklich als eine frohe Botschaft bezeichnet wird. 


K wie Klara: Neues aus Reinickendorf-Süd 

Beim Nachlesen meiner Wochenbriefings von vor rund einem Jahr ist mir ein Abschnitt zum Thema "Weihnachtsgrüße aus St. Klara" ins Auge gefallen, und tatsächlich fand sich auch heuer wieder ein solches von der örtlichen Pfarrei an ihre Gemeindemitglieder versandtes Faltblatt in unserer Vorweihnachtspost. Was daran im Vergleich zum Vorjahr auffällt, ist zunächst, dass der besondere Gruß an "alle, die wenig Kontakt zu uns haben, unseren Dienst aber nicht zuletzt durch ihre Kirchensteuer regelmäßig unterstützen", dieses Jahr durch eine Formulierung ersetzt wurde, die nicht ganz so "on the nose" ist: 

"Viele haben für unsere Gemeinden Verantwortung übernommen, viele besuchen uns gelegentlich, viele unterstützen uns durch Gebet, durch ein verantwortungsvolles Alltagsleben oder auch durch die Kirchensteuer." 

Dass man nicht ganz darauf verzichten wollte, explizit diejenigen Empfänger dieser Weihnachtskarte anzusprechen, deren Kirchenmitgliedschaft sich lediglich in ihrem Lohnsteuerbescheid niederschlägt, hat durchaus eine gewisse Logik, denn in mehr als einem Sinne sind gerade diese wohl als die Hauptadressaten dieser Grußkartenaktion zu betrachten. Nicht nur, weil sie rein zahlenmäßig wohl den Löwenanteil der Empfänger ausmachen dürften, sondern auch, weil man die (in Abstufungen) aktiveren, oder sagen wir: präsenteren Gemeindemitglieder wohl auch auf anderen Wegen hätte erreichen können, wenn man gewollt hätte. Viel interessanter finde ich eigentlich den Hinweis auf "ein verantwortungsvolles Alltagsleben", womit wohl so etwas gemeint sein dürfte wie seinen Müll zu trennen und wenn schon nicht im Biomarkt, dann wenigstens im Supermarkt CO²-neutrale Produkte einzukaufen. Und damit unterstützt man die Kirche? Echt jetzt? Nun, ganz so ist es wohl doch nicht gemeint; eher so: Wer das tut, der unterstützt damit die Anliegen, für die auch die Kirche eintritt. Und ja, ich glaube, das meinen die Leute, die für diesen Flyer verantwortlich sind, tatsächlich so – mindestens der Diakon, dessen Name wohl nicht ohne Grund an erster Stelle unter diesem Text steht, und wohl auch der Pfarrer, der zuletzt genannt wird. Man vergleiche dazu auch die folgenden Sätze: 

"In einer Zeit, in der das gesellschaftliche Miteinander schwieriger zu werden scheint, wollen wir als Christen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Denkrichtungen und Kulturen, verschiedenen Alters und Familiensituationen einladen und dabei das Gemeinsame entdecken. Für alle Menschen ist Jesus Christus Mensch geworden. Das feiern wir an Weihnachten." 

Das ist dann auch schon fast alles, was dieses Faltblatt zum christlichen Gehalt des Weihnachtsfests zu sagen hat – abgesehen von dem Satz "Der Friede, den Christus in die Welt bringen wollte [!], soll auch durch uns weitergetragen werden." Ich hätte es ja eigentlich nicht für möglich gehalten, aber damit schafft es der diesjährige Weihnachtsflyer der Pfarrei St. Klara tatsächlich, den vom Vorjahr in Hinblick auf christlichen Gehalt noch zu unterbieten. Aber okay, so werden wenigstens keine falschen Erwartungen geweckt, sondern es wird von vornherein klargestellt, dass diese Pfarrei sich dem postchristlich-undogmatischen Universalismus (kurz: PUU) verpflichtet weiß. 

Und was gibt's sonst so Neues aus St. Klara? Aus den Vermeldungen der Pfarrei zur 2. Adventswoche wäre noch nachzutragen, dass der Pfarrer die Idee hatte, die Sternsinger zu einem Vortrag über den Stern von Betlehem ins Planetarium einzuladen; und weiter: "Die für Oktober 2025 geplante Wallfahrt nach Assisi müssen wir leider mangels Interesse absagen." Tja, schade. Könnte das ein Indiz dafür sein, dass die Gemeindemitglieder mit ihrer neuen Pfarreipatronin Klara von Assisi noch nicht so recht warm geworden sind? 


Bärtige Männer mit komischen Kopfbedeckungen – revisited 

Dass in der Vorweihnachtszeit immer mal wieder auch ältere Artikel mit "weihnachtsbezogenem" Inhalt in der Blogstatistik nach oben gespült werden, ist wohl keine besonders große Überraschung; jedenfalls wurde ich auf diese Weise mal wieder an einen schon zwölf Jahre alten Artikel von mir erinnert, in dem es um eine Weihnachts-Episode der Disney-Zeichentrickserie "Große Pause" geht. Dieser Serienepisode findet ihren Höhepunkt "in einer multikulturellen Schul-Weihnachtsfeier, bei der die jüdischen Kinder das Brauchtum des Chanukka-Fests und die afroamerikanischen Kinder jenes des ebenfalls Ende Dezember gefeierten Fests Kwanzaa vorstellen; ein irgendwie keltisch/germanisch sein sollendes Sonnenwendritual kommt ebenfalls vor." Und das christliche Weihnachtsfest? Das wird repräsentiert durch ‐-- den Weihnachtsmann. "Vom Jesuskind, von Maria und Joseph, von Ochs und Esel keine Spur", stellte ich damals fest – und merkte an, man müsse "wohl nicht unbedingt besonders christlich gesonnen sein, um das zumindest sonderbar zu finden." 

Nun gut, das war 2012, und die angesprochene "Große Pause"-Folge ist sogar nochmals erheblich älter, nämlich von 1998. Inzwischen hat sich die Welt weitergedreht, und so bekam ich unlängst auf Facebook einen Ausschnitt aus dem Animationsfilm "That Christmas" (dt. "Ein klitzekleines Weihnachtswunder") zu sehen, der vor rund zwei Wochen auf Netflix erschienen ist, und in diesem Ausschnitt geht es ebenfalls um eine Schulaufführung zu Weihnachten. Jesus sei "ein cooler Dude" gewesen, heißt es da in der Anmoderation: "Lange Haare, Bart... hat sich mit Holzarbeiten beschäftigt... im Wesentlichen ein Hipster." Daher hätte er sicherlich nicht gewollt, dass alle Jahre wieder dieselbe "langweilige Weihnachtsgeschichte" aufgeführt werde – nein, gewollt hätte er vielmehr "ein strikt vegetarisches, multikulturelles Spektakel mit jeder Menge Popsongs und Bezügen zum Klimawandel". Und so folgt eine Darbietung, in der die Weisen aus dem Morgenland weise Frauen sind und die Hirten auf den Anbau von Bio-Gemüse umgestiegen sind. – Insbesondere in evangelikalen Kreisen in den USA hat diese Filmszene Empörung ausgelöst, aber ich finde sie eigentlich recht gelungen – wenn man sie als Satire darauf betrachtet, wie die christliche Heilsbotschaft, auch und gerade zu Weihnachten, durch säkulare Heilslehren, wie z.B. eben "Ökofeminismus" ersetzt wird; ein Trend, bei dem die Funktionärsebene der christlichen Großkirchen ja munter mitmischt. Ob diese Sichtweise den Intentionen der Macher des Filmchens entspricht, sei mal dahingestellt, ist mir aber ehrlich gesagt auch egal. 

Derweil hat es in der südenglischen Grafschaft Hampshire Ärger gegeben, weil ein anglikanischer Geistlicher einer Grundschulklasse eröffnet hat, es gebe den Weihnachtsmann nicht. Vermutlich ging er davon aus, dass er seinem Publikum damit keine große Neuigkeit verriet, da er zu einer 6. Klasse sprach. Das erwies sich jedoch als katastrophale Fehleinschätzung, die in heulenden Kindern, empörten Eltern (die sich nun fragen, was sie tun können, um die "Magie" von Weihnachten für ihre Kinder zu retten) und einer Entschuldigung seitens der Schule resultierte. In einer Mail an die Eltern beteuerten die Lehrkräfte, "alle Geschichten und Legenden rund um Weihnachten" hätten ihre Berechtigung. Auch der Geistliche selbst, gegen den eine förmliche Beschwerde bei der Diözese eingereicht wurde, hat sich inzwischen für seine Aussagen entschuldigt. – Was soll man dazu sagen? Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so recht, was die Eltern und Lehrer mit ihrem Verhalten in dieser Angelegenheit eigentlich beabsichtigen. Es kann ja wohl kaum darum gehen, Schülern, die nächstes Jahr in die Sekundarstufe kommen, einzureden, entgegen den Behauptungen des Priesters gäbe es den Weihnachtsmann doch. Was ja letztlich nur dazu führen würde, dass sie in naher Zukunft doch hinter die Wahrheit kämen – und daraus die Lehre ziehen könnten, dass alle sie belogen haben bis auf den Priester. Wahrscheinlich ist es aber eher so, dass es ab einem gewissen Alter eine unausgesprochene Übereinkunft zwischen Kindern und Eltern gibt, so zu tun, als glaube man an den Weihnachtsmann, und gerade deshalb war es so ein schockierender Tabubruch seitens des Priesters, offen auszusprechen, dass die Eltern die für den Weihnachtsmann bestimmten Kekse selbst aufessen. – Besonders heikel wird die Angelegenheit dadurch, dass es heutzutage eine Menge Leute gibt, die zwischen dem Glauben an den Weihnachtsmann und dem Glauben an Gott keinen kategorialen Unterschied erkennen können. Und das sind durchaus nicht nur radikale Atheisten; vielmehr steht zu befürchten, dass auch viele "Kulturchristen" ihren Glauben an Gott so betrachten wie den Glauben an den Weihnachtsmann – etwas, woran man aus sentimentalen Gründen festhält, obwohl man im Grunde überzeugt ist, das sei nur etwas für Kinder. Mir scheint, eigentlich müsste man Reverend Chamberlain dafür loben, dass er in seiner Ansprache an die Sechstklässler der Lee-on-the-Solent Junior School in Hampshire den Glauben an die Geburt Jesu so entschieden vom Glauben an den Weihnachtsmann abgegrenzt hat. 


Neues aus Synodalien: Im Erzbistum Hamburg ist ein Sack Likes umgefallen 

Die Social-Media-Abteilung des Erzbistums Hamburg teilt mit, dass sie "zum Jahresende" ihre Präsenz auf X, der App formerly known as Twitter, einstellen werde. Zur Begründung heißt es: "Als katholische Kirche im Norden steht das Erzbistum Hamburg für Nächstenliebe, Respekt und Dialog." Aha. "Die Plattform X fördert ein Umfeld, das diesen Grundwerten widerspricht." Ach so. – Einmal mehr läuft die institutionelle Kirche, bzw. laufen die Leute, die in ihrem Auftrag "was mit (sozialen) Medien machen", hier lediglich einem Trend hinterher: Auf der Website des Schweizer Radios und Fernsehens (srf.ch) war schon vor rund drei Wochen zu lesen: "Leute verlassen X in Scharen. Nun droht das soziale Netzwerk endgültig zur Echokammer der politischen Rechten zu werden." Las man den Artikel indes weiter, drängte sich der Eindruck auf, diese Einschätzung sei wohl doch ein wenig hoch gegriffen. "115'000 Leute", heißt es da, hätten "[a]llein am Tag von Trumps Wahl zum Präsidenten [...] ihre Konten bei X gekündigt" – was angesichts von insgesamt über 600 Millionen Nutzern indes wohl kaum sonderlich ins Gewicht fällt, zumal das Netzwerk bluesky, das sich als politisch korrekte Alternative zu X zu profilieren sucht, gerade mal 20 Millionen Nutzer hat (wozu auch Leute wie z.B. ich gehören, die sich da mal angemeldet haben, da aber so gut wie nie irgendwas machen, weil es nichts bringt). 

Man möchte fragen, inwiefern es gute Öffentlichkeitsarbeit sein soll, sich aus einem bedeutenden Segment der digitalen Öffentlichkeit zurückzuziehen, aber wir leben nun mal in komischen Zeiten. Tatsächlich haben wir es hier geradezu mit einem Lehrbuchbeispiel für "virtue signalling" zu tun: Der #Xodus des Erzbistums Hamburg nützt niemandem, schadet auch niemandem, würde wahrscheinlich sogar kaum jemandem auffallen, wenn er nicht mit großem moralischen Pathos ausposaunt würde. Aber die Filterblase applaudiert brav, und damit hat die Aktion ihren Zweck erfüllt. 

Das finde ich eigentlich am irritierendsten an diesem ganzen Vorgang: dass die erzdiözesane Online-Redaktion für diesen Akt der Arbeitsverweigerung tatsächlich positives Feedback von ihrer Zielgruppe erhält. "Gute Entscheidung", liest man in den Kommentaren, "Finde ich klasse", "Völlig berechtigt!', "Das wurde auch Zeit!! Danke!" oder auch etwas ausführlicher: "Man kann den Verantwortlichen für die Social Media-Arbeit des Erzbistums nur zu diesem Schritt gratulieren. Es ist einfach zwecklos, sich in einem Bot-Umfeld, das Hasspostings als 'Meinungsfreiheit' feiert, zu bewegen." – Kritik gibt es durchaus auch, aber diese wird, sobald sie sich regt, von der Meute der Gutgesinnten unverzüglich und scharf zurückgewiesen. Einem Kommentator, der anmerkte "Schade, dass unser Erzbistum mit der unter Elon Musk neugewonnenen Meinungsfreiheit auf X offenbar auch nicht klarkommt", wurde beispielsweise beschieden: "[W]enn Sie meinen, dass Hass, Beschimpfung, Verleumdung, Hetze gegen Ausländer, anders Denkende und anders Liebende [sic!], zur neugewonnenen Meinungsfreiheit zählt, was machen Sie dann in der Kirche?" – Ich habe mit mir gerungen, ob ich darauf antworten sollte, es aber dann gelassen. Ich hätte auch gar nicht gewusst, wo ich da hätte anfangen sollen. Die Leut' sind so vernagelt, die sind mit Argumenten überhaupt nicht mehr zu erreichen. 

Man muss dazu sagen, dass die institutionelle Kirche besonders anfällig dafür ist, sich in Filterblasen einzuigeln, da sie seit Jahrzehnten an bildungsbürgerlicher Milieuverengung krankt; man könnte sagen: Die Funktionärsebene der Kirche lebte schon in einer Filterblase, bevor es cool war. Und da ich gerade "bildungsbürgerlich" sagte: Man muss immer wieder daran erinnern, dass ein relativ hoher Grad formaler Bildung kein Ausweis besonders großer Intelligenz ist – sondern lediglich ein Ausweis von Erfolg innerhalb der Institutionen unseres Bildungssystems. Sicherlich ist dafür ein Mindestmaß an Intelligenz notwendig, vor allem aber Anpassungsfähigkeit. Und das erklärt dann auch, warum das bildungsbürgerliche Milieu im Großen und Ganzen so spießig und duckmäuserisch ist. Ich möchte dazu einladen, mal darauf zu achten, wie oft in Diskussionen in den Sozialen Medien explizit oder implizit die Auffassung vertreten wird, bestimmte Meinungen, politische Einstellungen usw. zu haben sei eine Frage der Intelligenz. Das rührt daher, dass Intelligenz und Zugehörigkeit zum bildungsbürgerlichen Milieu miteinander verwechselt werden, und es führt dazu, dass zahlreiche Menschen bestimmte Meinungen deshalb vertreten, weil sie für intelligent gehalten werden möchten


Geistlicher Impuls der Woche 

Der allmächtige Sohn Gottes hätte, um die Menschen zu lehren und gerecht zu machen, so erscheinen können, wie er sich den Patriarchen und Propheten in leiblicher Gestalt zeigte: wie er sich auf den Kampf mit Jakob einließ (Gen 32,23-31); wie er den Dienst der Gastfreundschaft nicht ablehnte und auch die Nahrung annahm, die man ihm vorsetzte (Gen 18,1-8). Aber das waren nur Bilder, und sie wiesen auf den Menschen Jesus hin. Als geheimnisvolle Zeichen kündeten sie, dass die Wirklichkeit aus der Wurzel der Vorväter kommen werde. Kein Bild wurde dem Geheimnis unserer Versöhnung gerecht, wie es vor ewigen Zeiten geplant war. Denn noch war der Heilige Geist nicht über die Jungfrau gekommen, und noch hatte die Kraft des Höchsten sie nicht überschattet. Die Weisheit konnte sich noch nicht im unversehrten Mutterschoß erbauen. Das Wort vermochte noch nicht Fleisch zu werden, um die Natur Gottes mit der Natur des Menschen zu vereinen. Der Schöpfer der Zeit konnte noch nicht in der Zeit geboren werden, und ihm, durch den das All geworden ist, war es noch nicht möglich, inmitten seiner Schöpfung Dasein zu erhalten. Denn wäre der neue Mensch nicht "in die Gestalt des Fleisches gesandt worden, das unter der Macht der Sünde steht" (Röm 8,3), hätte er nicht unseren alten Menschen angenommen, wäre er, der gleichen Wesens mit dem Vater ist, nicht auch gleichen Wesens mit der Mutter geworden und hätte er nicht unsere Natur zu der seinigen gemacht – er, der allein ohne Sünde ist –, so wären alle Menschen unter dem Joch des Teufels gefangen. Wir hätten keinen Teil an dem Triumph des Siegers, wenn der Sieg ohne unsere Natur gekommen wäre. Wir verdanken das Licht dieser wunderbaren Teilnahme dem Sakrament der Wiedergeburt; in ihm sind wir geistlich wiedergeboren durch denselben Geist, durch den Christus empfangen und geboren wurde. 

(Leo der Große, Das Geheimnis unserer Versöhnung) 


Ohrwurm der Woche 

Credo unplugged: Herr, send herab uns deinen Sohn 

Zu den Neuigkeiten aus der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd wäre noch zu ergänzen, dass im Wochenplan neuerdings nicht mehr nur bei den Sonntags-, sondern auch bei den Werktagsmessen der jeweilige Zelebrant angegeben ist; als ich am Mittwoch mit meinem Jüngsten in St. Marien Maternitas in die Messe ging, war es daher keine Überraschung, dass diese von Pater Mephisto zelebriert wurde. Zur Eröffnung ließ er die ersten beiden Strophen von "Herr, send herab uns deinen Sohn" (Nr. 222 im Gotteslob) singen und merkte dazu an: "Bitte legen Sie da ein Bändchen rein, wir singen dann alle Strophen im Laufe des Gottesdienstes." In seinem Begrüßungsimpuls-statt-Predigt wies er darauf hin, dass die zweite bis achte Strophe des Liedes den sieben großen "O-Antiphonen" nachempfunden seien, die im Stundengebet der Kirche die letzten sieben Tage vor Weihnachten markieren und "die geistlichen Titel des Kindes, das da kommen soll, näher aufschlüsseln". Für mich war das wieder einmal ein Anlass, zu denken: Wer Pater Mephisto nicht kennt, könnte ihn in solchen Momenten für einen ausgesprochen konservativen Priester halten. 

Jedenfalls sangen wir im Laufe der Messe tatsächlich alle neun Strophen des Liedes; beim anschließenden Gemeindefrühstück fragte ich meinen Jüngsten: "Kanntest du das Lied, das wir im Gottesdienst gesungen haben?" – "Ja, vom 'Beten mit Musik'", erwiderte er ohne Zögern. "Stimmt", sagte ich, "und da hast du mich mal gefragt, wer eigentlich Immanuel ist. Weißt du das noch?" Wieder kam die Antwort prompt: "Das ist ein anderer Name für Jesus." Ich war sowas von stolz...! 

Da ich die hier verlinkte "Credo unplugged"-Version nun mal in- und auswendig kenne, habe ich das Lied auch in der Messe genau so gesungen, wie es hier zu hören ist; was, wie ich durch den Live-Abgleich mit dem Gesang der anderen Gemeindemitglieder feststellen durfte, an einigen Stellen eine leicht abweichende Rhythmisierung bedingte, aber nur einen einzigen abweichenden Ton pro Strophe. Ich denke, damit konnten alle Beteiligten leben. 


Vorschau / Ausblick 

Jetzt steht Weihnachten aber wirklich vor der Tür, Freunde! Die letzte Krippenspielprobe war heute, morgen ist der 4. Advent, da ist in St. Joseph Siemensstadt noch einmal Kinderwortgottesdienst und anschließend ein vom Sozialdienst Katholischer Männer ausgerichtetes Gemeindeessen (diesmal speziell für Kinder, mit Fischstäbchen), am Montag soll mal wieder regulär "Omatag" sein, nachdem dieser zuletzt zweimal krankheitsbedingt ausgefallen war; und Dienstag ist Heiligabend. Da steht um 15:30 Uhr die Krippenspiel-Aufführung in St. Stephanus auf dem Programm, danach werden wir wohl erst mal zwecks Bescherung und Abendessen nach Hause fahren, und danach schaffen wir es hoffentlich wie letztes Jahr zur Christmette in St. Joseph, die um 22 Uhr beginnt. Am Weihnachtstag, also Mittwoch, sind wir abends bei einem alten Kumpel eingeladen, den wir zuletzt im Sommer bei seiner Geburtstags-Grillparty im Ernst-Thälmann-Park getroffen haben (wie berichtet, hat uns bei dieser Gelegenheit seine neunjährige Enkelin eingeladen, an Weihnachten zu ihm zu kommen), und am Donnerstag, dem "Feast of Stephen", ca. ab mittags bei meinen Schwiegermüttern; ich denke, dass wir vorher noch dem Tagesheiligen in "seiner" Kirche in Haselhorst die Ehre geben werden. Und dann werden wir uns wohl erst mal von den Feiertagen erholen müssen...