Willkommen zum 3. Wochenbriefing in dieser Adventszeit, Freunde (und andere Leser)! Es ist mal wieder ziemlich umfangreich geworden, obwohl ich mich im Bereich des Selbsterlebten fast vollständig auf das vorige Wochenende konzentriert habe. Zu eurer Beruhigung kann ich euch mitteilen, dass das dritte K in der Überschrift – Körperflüssigkeiten – sich nicht auf etwas Selbsterlebtes bezieht; da geht es vielmehr um einen fragwürdigen Schmucktrend, der neuerdings auch in der beschaulichen Wesermarsch angekommen ist. Was alles Weitere angeht: Lasst euch überraschen!
Der "Gedanke to go" der Woche
Infolge des "vorgezogenen Redaktionsschlusses" für das vorige Wochenbriefing habe ich zunächst noch die Ereignisse des vorletzten Freitags zu schildern, und da ist an erster Stelle der Besuch der Eltern-Kind-Gruppe auf dem "Rumpelberg" zu nennen. Vor ein paar Wochen hatte ich ja schon mal erwähnt, dass es in der Abschlussrunde der Gruppentreffen fast immer einen sogenannten "Gedanken to go" gibt ("manchmal ist das einfach ein durch eigene Alltagserlebnisse angeregter Denkanstoß zum Umgang mit den Herausforderungen des Elternseins, manchmal geht es eher in Richtung eines 'Geistlichen Impulses'); und diesmal hatte ich einen solchen Gedanken mitgebracht. Ich hatte das eigentlich nicht so geplant gehabt; dieser Gedanke war mir zwei Tage zuvor, als ich dank der Kollegiums-Weihnachtsfeier meiner Liebste buchstäblich von morgens bis abends allein für die Kinder verantwortlich gewesen war, ganz plötzlich zugeflogen, und etwas später hatte ich festgestellt, dass ich ihn gern teilen wollte. Und ich fand, in das "Gedanke to go"-Format bei der Rumpelberggruppe passe er ganz gut hinein. Ich erzählte in der Abschlussrunde also folgendes:
"In dieser Woche hatte ich einen ziemlich... anspruchsvollen Tag mit den Kindern. Es ist bei uns meistens so, dass meine Frau morgens schon zur Arbeit losgeht, während die Kinder noch schlafen; das heißt, dass das ganze Morgenprogramm – Frühstück vorbereiten, die Kinder wecken, die Große zur Schule bringen – normalerweise meine Aufgabe ist, darin habe ich also eine gewisse Routine. An diesem Mittwoch war es nun aber so, dass meine Frau einen langen Tag hatte und erst zu einer Zeit nach Hause kam, zu der die Kinder möglichst schon im Bett sein sollten. Das heißt, ich war für den ganzen Tagesablauf verantwortlich, und das beinhaltete, dass ich am Nachmittag mit den Kindern zu einer Veranstaltung ging, wo auch eine Schulfreundin meiner Großen mitkam, also war ich für diese Freundin auch noch verantwortlich. Tatsächlich klappte alles gut und es gab keine nennenswerten Probleme, aber trotzdem gab es an diesem Tag einen Punkt, an dem ich dachte: Ich fühl' mich überfordert. Und allein gelassen. Aber dann kam mir plötzlich der Gedanke: Meine Frau hat sich, als sie heute morgen zur Arbeit gegangen ist, offenbar keine Sorgen darum gemacht, ob ich das alles schaffe. Anstatt mich darüber zu ärgern, dass sie mich mit alledem allein lässt, könnte ich das als ein Zeichen sehr großen Vertrauens auffassen. Dieser Gedanke hat mir geholfen, durch den Tag zu kommen.
Und wenn wir das mal weiterdenken, dann ist es ja nicht nur unser Ehepartner, der es uns zutraut, gut für unsere Kinder zu sorgen; zu allererst sind uns unsere Kinder schließlich von Gott anvertraut, und das heißt ja, dass auch Er uns zutraut, gut für sie zu sorgen."
Ich freue mich, sagen zu können, dass dieser "Gedanke to go" in der Runde gut ankam; auch und gerade die Gruppenleiterinnen zeigten sich angetan. Und ich hoffe, auch du kannst etwas damit anfangen, Leser...
Küsschen für den Nikolaus
Das Ironische an der Geschichte war natürlich, dass just dieser Freitag schon wieder ein Tag war, an dem meine Liebste erst spät am Abend nach Hause kommen würde: Diesmal war an der Schule, an der sie unterrichtet, Ehemaligentreffen, und das war fürs Kollegium eine Pflichtveranstaltung. Dass es innerhalb einer Woche zwei Abendveranstaltungen für die Lehrkräfte dieser Schule gab, von denen die eine verpflichtend ist, während man die andere ungern versäumen möchte, hatte durchaus für Unmut im Kollegium gesorgt, aber da mussten wir jetzt durch. Für mich kam gegenüber dem Mittwoch erschwerend hinzu, dass ich nicht einfach den halben Tag mit dem Junior zu Hause verbringen konnte – und vor allem, dass ich am späteren Nachmittag einen Auftritt als Nikolaus in St. Joseph Siemensstadt hatte.
Immerhin hatte sich für die Frage, wer eigentlich das Tochterkind von der Schule abholen sollte, eine elegante Lösung ergeben: Wie regelmäßige Leser schon mitbekommen haben werden, hat eine Schulfreundin unseres Tochterkindes in jüngster Zeit auffälliges Interesse an kirchlichen Veranstaltungen für Kinder gezeigt, daher hatten wir bei der Mutter dieser Freundin angefragt, ob sie vielleicht auch Lust hätte, zur Nikolausfeier zu kommen. Das Ergebnis war positiv, und so vereinbarten wir, dass diese Mutter unsere Tochter zusammen mit ihrer eigenen von der Schule abholte und mit ihnen direkt zur Nikolausfeier kam.
Den Jüngsten musste ich allerdings mitnehmen, als ich mich zu den letzten Vorbereitungen der Nikolausfeier im Pfarrsaal von St. Joseph Siemensstadt einfand; aber auch das erwies sich als weitgehend unproblematisch, der Knabe machte sich sogar nützlich, indem er Liederzettel auf den Stühlen verteilte. Nachdem ich das Nikolauskostüm angelegt und mich dabei für einen von zwei zur Auswahl stehenden falschen Bärten entschieden hatte (wobei mir durch den Kopf ging, dass "Bartanprobe" ein witziges Wort ist, das man wohl nicht allzu oft zu verwenden Gelegenheit hat), sollte ich mich nach nebenan in die Kirche verkrümeln, damit die Kinder mich nicht schon vor meinem großen Auftritt zu sehen bekamen; mein Junior hatte sich zunächst bereit erklärt, derweil beim Gemeindereferenten zu bleiben, den er ja kennt, aber dann entschied er sich doch spontan um und wollte partout bei mir bleiben. Ich nahm ihn also mit in die Kirche, wo ich zur spirituellen Einstimmung auf meine Aufgabe die Non aus dem Stundenbuch betete; als dann der Gemeindereferent kurz vorbeischaute, um mir bescheid zu geben, dass die Veranstaltung in Kürze beginnen, konnte er den Knaben aber doch überreden, mit ihm in den Saal zu gehen, wo inzwischen auch seine große Schwester und ihre Schulfreundin eingetroffen waren.
Übrigens war, wie ich inzwischen nachgelesen habe, die Nikolausfeier vor drei Jahren – die damals noch Nikolausandacht hieß und in der Kirche stattfand, allerdings unter "3G"-Bedingungen – gewissermaßen mein Erstkontakt zur Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus, die zu diesem Zeitpunkt noch eine eigenständige Pfarrei war: Im Anschluss an die damalige Veranstaltung "unterhielten wir uns noch mit ein paar (haupt- und ehrenamtlichen) Mitwirkenden" und vereinbarten mit dem Gemeindereferenten einen Gesprächstermin, um die Möglichkeiten zur Mitarbeit in dieser Pfarrei zu sondieren. Im Jahr darauf durfte ich schon selbst den Nikolaus spielen. Voriges Jahr waren wir hingegen nicht dabei, auch nicht als Zuschauer, da rund um den Nikolaustag alle Familienmitglieder reihum krank waren.
Der Ablauf der Feier ist jedenfalls seit Jahren im Großen und Ganzen derselbe: Bevor es losgeht, werden die Namen der anwesenden Kinder notiert; dann folgt eine "liturgische Eröffnung" und Begrüßung durch den Gemeinderefenten, es wird ein Lied gesungen ("Lasst uns froh und munter sein"), der Gemeindereferent spricht ein Gebet ("Guter Gott, Du hast uns den Heiligen Nikolaus geschenkt, der die Kinder lieb gehabt hat...") und leitet dann über zum Auftritt des Nikolausdarstellers, der, ausgestattet mit Bischofsstab und Geschenkesack, den Saal betritt, während ein weiteres Lied gesungen wird ("Sei gegrüßt, lieber Nikolaus"). Der Gemeindereferent führt eine Art "Interview" mit dem Nikolaus, dann erzählt der Nikolaus in Ich-Form eine Legende aus dem Leben des Heiligen – für diesmal hatte ich mir die Legende vom Kornwunder ausgesucht –; anschließend trägt eine andere Mitwirkende eine thematisch passende Evangelien-Perikope vor, in diesem Fall Lukas 6,35-38. Danach werden die Kinder namentlich aufgerufen und der Nikolaus überreicht jedem ein Geschenk aus dem großen Sack, ehe er mit der letzten Strophe des Liedes "Sei gegrüßt, lieber Nikolaus" verabschiedet wird und den Saal wieder verlässt. Zum Abschluss wird ein Vaterunser gebetet, und dann war's das so im Wesentlichen. – Ich würde sagen, im Großen und Ganzen ging dieser Ablauf wie geplant über die Bühne; für eine gewisse außerplanmäßige Auflockerung sorgte mein Jüngster, der, kaum dass ich mich auf meinem Stuhl niedergelassen hatte (der sich, ähnlich der neuen Kathedra in der St.-Hedwigs-Kathedrale, nur durch ein rotes Sitzpolster von den anderen Stühlen in der Runde unterschied), partout auf meinen Schoß wollte und mir, nachdem ich ihm diesen Wunsch erfüllt hatte, mehrere Küsschen auf die Nasenspitze gab. Das gefährdete zwar ein wenig mein Inkognito, aber süß fand ich es doch.
Ebenfalls einen Auftritt als Nikolaus hatte derweil der berüchtigte Vodkaster von "Horse & Hound", Thomas Halagan; und das, obwohl er einige prinzipielle Einwände gegen derartige Auftritte hat. Dazu könnte oder müsste man vielleicht auch etwas sagen, aber ich kann mich schließlich nicht um alles selber kümmern, Freunde. Vielleicht möchte sich ja jemand von euch des Themas annehmen. Erwähnen sollte ich in diesem Zusammenhang aber wohl, dass in dem Interview, das der Gemeindereferent mit mir als Nikolaus führte, auch die Frage vorkam, ob es eigentlich wahr sei, dass der Nikolaus nur den braven Kindern Geschenken bringt. Meine Antwort auf diese Frage war nicht im Voraus abgesprochen, aber ihr könnt ja mal raten, was ich dazu gesagt habe...
Neuzugang beim Krippenspiel
Zum Abschluss der Nikolausfeier gab es noch einen informellen "gemütlichen Teil" bei Kinderpunsch und Keksen, und in dieser Phase kam die Freundin meiner Tochter, mit ihrer Mutter als Rückendeckung, auf den Gemeindereferenten zu und fragte, ob sie beim Krippenspiel mitmachen dürfe. Der Gemeindereferent meinte, es sei allemal noch Platz für zusätzliche Engel oder Hirten, worauf das Mädchen sich dafür entschied, einen Engel spielen zu wollen, und tags darauf auch tatsächlich zur Probe erschien. Ich schätze, das ist so langsam Grund genug, ein paar mehr Worte darüber zu verlieren, was ich vorige Woche "mit und ohne Augenzwinkern" als "Evangelisierungserfolg" bezeichnet habe.
Es ist nämlich so: Die besagte Freundin unseres Tochterkindes hat "von Haus aus" eigentlich keinen besonderen Bezug zu Religion und Kirche, auch wenn ihre Mutter, wie ich gehört habe, mal Religion auf Lehramt studiert hat und ihrerseits in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem ein Mindestmaß an Kirchenbindung zur sozialen Normalität gehörte, was aber nicht unbedingt etwas mit persönlichem Glauben zu tun hatte. Über einen etwaigen religiösen Hintergrund des Vaters weiß ich nichts. Jedenfalls spielte das Thema in der Familie bisher keine nennenswerte Rolle, bis die siebenjährige Tochter vor einigen Wochen wie gesagt anfing, Interesse an kirchlichen Veranstaltungen für Kinder zu äußern. Nun weiß ich streng genommen nicht, welchen Anteil die Tatsache, dass unser Tochterkind ihre beste Schulfreundin ist, daran gehabt hat, dieses Interesse zu wecken; aber dass es da einen gewissen Zusammenhang gibt, halte ich doch für wahrscheinlich. Und ich würde mal sagen, der Umstand, dass dieses Mädchen inzwischen mit uns beim Martinsumzug, bei der Nikolausfeier und zweimal beim JAM gewesen ist und nun auch beim Krippenspiel mitmacht, spricht doch für sich.
Ein erheblicher Fortschritt der zweiten Krippenspielprobe gegenüber ersten vor zwei Wochen bestand darin, dass wir jetzt eine Maria hatten – allerdings immer noch keinen Josef, weshalb der Vater der Mariendarstellerin, der eigentlich für die Rolle des 3. Herbergswirts sowie für Soundeffekte vorgesehen ist, bei der Probe Josefs Text las. Meine Tochter verdiente sich einmal mehr ein Fleißbienchen, indem sie als erste von allen Mitwirkenden ihren Text auswendig konnte. – Übrigens hatte ich mir im Laufe der Woche zusammen mit meinen Kindern mehrfach einzelne Lieder aus dem Musical "Simeon – Die unbekannte Weihnachtsgeschichte", das wir am Samstag davor in der Gemeinde auf dem Weg gesehen hatten, auf YouTube angehört und dabei festgestellt, dass meine Große sich teilweise auch die Choreographien zu den Liedern gemerkt hatte und sie nachmachen konnte. Das brachte mich auf die Idee, es wäre doch vielleicht schön, ein Stück aus dem Musical – "Der Himmel kommt zu uns" – als Schlussnummer bzw. Zugabe für unser Krippenspiel einzuüben. Das Tochterkind war sofort dafür. Aber bei der Probe kam ich dann doch nicht dazu, diesen Vorschlag zu unterbreiten, zum einen aus Zeitgründen, zum anderen aber auch, weil für genau diese Funktion bereits ein anderes Lied vorgesehen ist: Ursprünglich war dafür "O du fröhliche" angedacht, aber dann wurde es durch "Stern über Betlehem" ersetzt, da die Darstellerin des "2. Hirten" dieses Lied auf der Blockflöte spielen kann. Da werde ich mich hüten, noch mit irgendwelchen Änderungswünschen zu kommen. Nächstes Jahr vielleicht.
Predigtnotizen & Co. zum 2. Advent
Am 2. Adventssonntag gingen wir "ganz normal" in St. Joseph Siemensstadt in die Messe; wobei "ganz normal" wieder mal relativ ist: Besonders war diese Messe insofern, als sie musikalisch vom Spandauer Frauenchor mitgestaltet wurde. Das begann mit einem Kyrie, das etwas überraschend erst nach dem Tagesgebet gesungen wurde; anstelle des Antwortpsalms folgte dann eine mehrstimmige Fassung von "Maria durch ein Dornwald ging", und so schön diese auch war, ging mir an diesem Punkt der Gedanke durch den Kopf, liturgisch sei es offenbar ein Wagnis, einen Chor im Gottesdienst singen zu lassen, der kein Kirchenchor ist. Das war aber wohl etwas voreilig geurteilt, denn die weiteren Beiträge des Chores – darunter ein lateinisches Agnus Dei – waren nicht nur musikalisch ein Genuss, sondern ertönten auch an den richtigen Stellen der Liturgie.
Zelebriert wurde die Messe übrigens vom "örtlich zuständigen" Pfarrvikar, daher freute ich mich auf eine inspirierende Predigt – und wurde auch nicht enttäuscht. In der Hauptsache konzentrierte sich die Predigt – einschließlich des dezidiert an die Erstkommunionkinder gerichteten Teils, der einmal mehr ungefähr das erste Drittel der gesamten Predigt einnahm – auf die 1. Lesung, Baruch 5,1-9. Durch den Mund des Propheten Baruch fordert Gott Sein Volk auf, das Kleid der Trauer und des Elends abzulegen und sich mit dem Schmuck der Herrlichkeit zu bekleiden. Mit anderen Worten, Gott ruft Sein Volk als Seine Braut zu sich. Mit Blick auf die historische Situation, in die hinein dieses prophetische Wort gesprochen wurde, bemerkte der Pfarrvikar: "Israel war eine Braut, die war ziemlich desolat. Sie saß im Exil und hatte viele Probleme." Die Aufforderung, sich "mit dem Schmuck der Herrlichkeit zu bekleiden", bedeute indes "nicht nur ein bisschen Kosmetik an der Braut":
"Die Herrlichkeit bedeutet, dass unsere Geschichte, unsere Lebensgeschichte herrlich ist, weil wir darin die Liebe Gottes entdeckt haben. [...] Israel hat in dem Moment verstanden, als es nach Hause ging: Auch die Zeiten des Leidens, der Schwierigkeiten, des Exils hatten einen tiefen Sinn, denn das hat Israel von einer ziemlich bequemen, lauen, schwierigen Dame zu einer begeisterten Braut gemacht. Und das ist unsere Lebensgeschichte."
Weiterhin erklärte der Pfarrvikar, wenn in den Prophetenbüchern von Gerechtigkeit die Rede sei, bedeute das – im Unterschied zur westlichen Rechtstradition – nicht bloß "eine Wiedergutmachung eines Schadens" ist: "Sondern die Gerechtigkeit stellt die göttliche Ordnung wieder her. Das bedeutet: Eins zu sein mit Gott, in Kommunion mit Ihm zu sein, Seine Braut zu sein. Das ist viel mehr, als ein paar Flecken rauszuwaschen." Gerechtigkeit verwirkliche sich "in dem Maß, in dem man an Gott glaubt" – und in der "Treue zum Willen Gottes": "Deswegen war Abraham gerecht: Er hat seine Heimat verlassen, seine Sicherheiten verlassen und hat sich auf Gott gestützt, das war seine Gerechtigkeit."
Aus dem Teil der Predigt, der sich auf das Evangelium – Lukas 3,1-6, das Auftreten Johannes des Täufers – bezog, fand ich besonders zwei Punkte bemerkenswert. Zim einen zitiert der Evangelist Lukas da einen Vers des Propheten Jesaja: "Alles, was krumm ist, werde gerade" – wozu der Pfarrvikar anmerkte, krumm sei man beispielsweise, wenn man den Blick "auf den eigenen Nabel" richte. Zum zweiten beginnt Lukas seinen Bericht über das Auftreten Johannes des Täufers mit einem Überblick über die politischen Machtverhältnisse der Zeit und verankert so seine Erzählung in der Historie. Dazu führte der Pfarrvikar aus:
"Als Herodes Tetrarch war, Philippus und so weiter, das war politisch gesehen keine günstige Zeit. Das heißt, es gibt äußere Umstände in der Welt, wo wir sagen könnten: Wir haben wichtigere Probleme. Aber die Welt wartet darauf, diese Braut in der Sänfte zu sehen und zu entdecken, dass nichts anderes Sinn macht. Viele unserer weltpolitischen Probleme drehen sich am Ende um Geld und Macht. Aber das ist nicht der Sinn des Lebens. Deswegen ist es so wichtig, dass die Braut schön ist – um zu zeigen, es gibt etwas viel Größeres, viel Besseres, viel Erfüllenderes als nur ein bisschen Geld und Macht."
Nach der Messe gab's im Pfarrsaal Waffeln, Schmalzbrötchen sowie Glühwein und Kinderpunsch, aufgetischt vom Sozialdienst Katholischer Männer. Was wir im Anschluss daran noch so erlebten, habe ich in meiner Kolumne in der aktuellen Tagespost-Ausgabe geschildert; aus Platzgründen ist der Reflexionsanteil dieses Berichts etwas knapper ausgefallen, als mir lieb gewesen wäre, aber was ich über den mir in der Kolumne zur Verfügung stehenden Platz hinaus gern noch gesagt hätte, steht im Wesentlichen auch schon in einem fast sieben Jahre alten Blogartikel von mir, auf den ich aus diesem Anlass mal wieder hinweisen möchte.
Blutmagie in Butjadingen
Das Kirchdorf Blexen, seit 1933 ein Stadtteil von Nordenham, ist der älteste urkundlich belegte Ort auf der Halbinsel Butjadingen, weil dort im Jahre 789 der Hl. Willehad starb. Ohne das Verdienst des großen Friesenmissionars schmälern zu wollen, muss man allerdings wohl konstatieren, dass es ihm nicht gelungen ist, das Heidentum in diesem Landstrich nachhaltig zu besiegen.
Am Nikolaustag brachte die Nordwest-Zeitung einen Artikel über eine Goldschmiedin in Blexen, die u.a. Blut, Muttermilch und Tierhaare in Schmuckstücken verarbeitet. Meine spontane Reaktion war: Da kann mir doch keiner erzählen, dass das nicht etwas mit Schwarzer Magie zu tun hat. – Wie ich inzwischen nachrecherchiert habe, war in der konkurrierenden Kreiszeitung Wesermarsch schon am Gründonnerstag ein Artikel über diese Goldschmiedin und ihre ausgefallenen Arbeitsmaterialien erschienen. Die Nähe zu den höchsten Festen der Christenheit ist hier schon auffällig; ich möchte mal daran erinnern, wie die Nordwest-Zeitung am Gründonnerstag 2019 unter der Überschrift "So unterschiedlich feiern Heiden und Christen Ostern" ein Doppel-Interview mit dem evangelischen Pfarrer von Blexen und der "Naturschamanin" Minerva Winter veröffentlichte.
Von Hexe Minerva unterscheidet sich die Goldschmiedin Constanze Kuschel indes auffallend dadurch, dass sie selbst – zumindest im NWZ-Artikel vom Nikolaustag; den aus der Kreiszeitung konnte ich wg. Paywall nicht lesen – ihrem Kunsthandwerk keinerlei magischen oder okkulten Hintergrund zuschreibt; sie finde lediglich das "Rumtüfteln und [A]usprobieren mit neuen Dingen [...] herausfordernd und spannend", sagt sie. Etwas anders sieht das auf der Kundenseite aus. "Blut symbolisiert für viele wohl eine besonders starke Verbindung zu einer anderen Person", erklärt sich die Goldschmiedin die Nachfrage nach Schmuckstücken aus Blut; als "Erklärung dafür, dass Schmuckstücke mit Muttermilch [...] häufig angefragt werden, wird angegeben, "[e]s sei die Erinnerung an die Zweisamkeit und die Stillzeit, die Frauen für immer festhalten wollen". Bei all diesen Schmuckkreationen stehe letztlich "der Gedanke" im Mittelpunkt, "einen geliebten Menschen – oder bei Tierhaaren geliebte Vierbeiner – am Körper zu spüren": "Wenn man es als Kette am Hals trägt, ist es so, als ob die Person dich umarmt." Bei allem Bemühen, es möglichst harmlos klingen zu lassen, wird hier doch deutlich genug, dass der Reiz solcher Schmuckstücke letztlich auf der Vorstellung beruht, Haaren und Körperflüssigkeiten wohne eine geheimnisvolle Kraft inne, die eine quasi-magische Verbindung zu dem Menschen (oder Tier) herstelle, von dem sie stammen. Das ist zum mindesten heidnischer Aberglaube, und wenn die christlichen Kirchen nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt wären und damit, sich nach außen hin als anspruchslos, undogmatisch und für alles offen darzustellen, müssten sie eigentlich etwas zu diesem Trend sagen. Zumal es von heidnischem Aberglauben zu manifestem Okkultismus oft nur ein kleiner Schritt ist. Man könnte indes argwöhnen, das eigentliche Problem liege darin, dass der Glaube an eine übersinnliche, übernatürliche Realität innerhalb der christlichen Kirchen seit Jahrzehnten im Schwinden begriffen ist, während derselbe Glaube in der vermeintlich so säkularisierten, "religiös nicht ansprechbaren" Gesellschaft immer neue Ausdrucksformen findet.
Das erinnert mich übrigens daran, dass ich mir mal Zeit nehmen muss, das neue Buch meines Freundes Rod Dreher, "Living in Wonder", weiterzulesen, in dem genau dieser Sachverhalt ein ganz großes Thema ist. Rod hat mich gewarnt, das Buch könne womöglich zu "weird" für mich sein; ich schätze, wenn er das zu mir sagt, will das schon was heißen...
(Und ja, eigentlich bin ich euch noch einen Bericht über meine jüngste Begegnung mit Rod schuldig, Freunde; auch wenn die schon wieder über ein Vierteljahr her ist. Ich hoffe, ich komme noch in diesem Kalenderjahr dazu...)
Neues aus Synodalien: Planlos am Andersort
Wie schon letzte Woche muss ich an dieser Stelle erneut auf einen Beitrag aus der "Standpunkt"-Rubrik von häretisch.de eingehen, der mir auf meiner persönlichen Google-Startseite präsentiert wurde: "Kirche muss an 'Andersorte' der Gegenwart gehen" von P. Max Cappabianca OP, dem Leiter der Katholischen Studierenden[sic]gemeinde Hl. Edith Stein in Berlin. Mal abgesehen davon, dass mir jedesmal, wenn ich diesen Namen lese, von neuem auffällt, was für ein toller Name "Cappabianca" für einen Dominikaner ist, hatte ich mit diesem Ordensmann zuletzt im Sommer 2020 zu tun – im Zusammenhang mit der Weihe des Erzbistums Berlin an das Heiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens angesichts der Corona-Krise. Damals beschwerte Pater Max sich via Twitter darüber, dass der Account des Erzbistums Berlin einen Artikel von mir empfohlen hatte, in dem er nicht besonders gut wegkommt. Hach, good times.
Jetzt aber mal zurück in die Gegenwart: In seinem vor gut einer Woche erschienenen "Standpunkt" spricht Pater Max sich für "missionarisches Kirchesein" aus – was zwar eine pastoraltheologietypisch grausige Formulierung ist, aber die positiv konnotierte Verwendung des Begriffs "missionarisch" lässt ja durchaus aufhorchen. Jedenfalls solange, bis man zur Kenntnis nimmt, was Pater Max unter "Mission" versteht bzw. was er nicht darunter versteht: "Natürlich", so meint er, dürfe es "nicht darum" gehen, "dass Kirche ihre fertigen Antworten wie trocken Brot unter die Leute bringt"; an den "'Andersorte[n]' der Gegenwart, an denen spirituelle Fragen aufbrechen", müsse die Kirche vielmehr "selbst Teil dieser Suchbewegung" werden, indem sie "ganz eintaucht in das Leben, das sich dort zeigt". Ächz.
Gewiss: Dass die Kirche den Leuten nicht mit fertigen Antworten kommen dürfe, haben wir schon öfter gehört. Schon vor Jahren stellte ich – damals veranlasst durch die akademische Kritik am Mission Manifest – fest, "dass es irgendwo da draußen, in 'theologischen Feuilletons', an Hochschulen, in kirchlichen Gremien und pastoraltheologischen 'Think Tanks', einen Diskurs gibt, in dem es bereits als anrüchig gilt, sich zu der Auffassung zu bekennen, eine zentrale Aufgabe der Kirche sei Glaubensverkündigung"; zumindest "[w]enn man damit dann [...] einen überindividuell verbindlichen, in seiner Substanz unverfügbar vorgegebenen Glauben meint". – Was könnte man sonst damit meinen? Nun ja, wenn man beispielsweise Erik Flügge fragt, dann müsste die Kirche sich – auch hier zitiere ich mich wieder selbst, aus demselben Blogartikel, den ich gerade schon verlinkt habe – "weniger in der Rolle der Trägerin und Botin einer göttlichen Offenbarung, sondern eher als Dienstleisterin für die religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder" sehen und "erst wieder neu lernen [...], was die religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder eigentlich sind, um sich dann darauf einzustellen".
Wahrscheinlich würden Pater Max und andere, die sich ähnlich äußern, auf kritische Nachfragen hin beteuern, sie meinten damit ja nur, die kirchliche Verkündigung müsse es vermeiden, den Menschen von oben herab, in einer belehrenden Haltung, zu begegnen, und müsse vielmehr bestrebt sein, den Suchenden entgegenzugehen, um sie von dem Punkt ihrer persönlichen spirituellen Reise, an dem sie sich jeweils gerade befinden, "abholen" zu können. Und das ist ja – je nachdem, wie man diese Maxime konkret umzusetzen gedenkt – nicht unbedingt verkehrt. Aber wenn sich jemandem in Hinblick auf die Verkündigung des Evangeliums Vergleiche mit "trocken Brot" aufdrängen, dann liegt doch der Gedanke nahe, die Probleme bei der Verkündigung des Glaubens könnten nicht selten eher auf der Sender- als auf der Empfängerseite zu verorten sein. Wie der Hl. Augustinus sagte: In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.
Der eigentliche Witz an dem Artikel ist aber, was Pater Max mit den sogenannten "Andersorten der Gegenwart" meint, an die die Kirche gehen müsse. Halte dich fest, o Leser: Er meint Festivals. Und zwar, wie er ausdrücklich betont, "nicht Schützenfeste und andere traditionelle Volksfeste [...], sondern Veranstaltungen, die jeden Sommer Zehntausende junge Teilnehmende anziehen und eher für exzessiven Drogenkonsum stehen als für landpastorale Idyllen. Was hat die Kirche da verloren, wird sich manche Person fragen!" – Also, ich gehöre ja eher nicht zu den Personen, die sich das fragen; dafür habe ich aber herzlich gelacht über diesen eindrucksvollen Beleg dafür, wie out of touch gerade die vermeintlich "Progressiven" in der Kirche sind. Wie sehr gerade die Leute, die ständig warnen und mahnen, die Kirche dürfe sich nicht "in ein Ghetto zurückziehen", selbst in einem Ghetto festsitzen, nur leider nicht in einem Ghetto der Rechtgläubigkeit, sondern der spießbürgerlichen Milieuverengung. Manch einer wird nun meinen, gerade deshalb sei es doch ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung, dass – was nämlich den Anlass und Aufhänger für diesen "Standpunkt"-Beitrag bildet – im Februar 2025 an meiner alma mater, der Berliner Humboldt-Uni, eine "Fachtagung Festivalseelsorge" stattfinden soll; aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dabei etwas herauskommt, was nicht tragikomisch und peinlich wäre (oder "cringe", wie die jungen Leute angeblich sagen).
Den künftigen Pionieren der großkirchlichen Festivalseelsorge – die, wie Pater Max meint, "den Mut haben, hier nach Gott zu suchen" – wünsche ich viel Spaß dabei, möchte ihnen aber zugleich den Rat mitgeben: Nehmt euch in Acht, denn die Leute, die ihr als Fundamentalisten diffamiert, sind schon längst da – und bringen etwas mit, was ihr ausdrücklich nicht im Gepäck habt, nämlich Antworten. Und nicht nur das, sie veranstalten sogar ihre eigenen Festivals. Aber da ist ja, wie Regina Nagel, Vorsitzende des Bundesverbands der Gemeindereferent*innen [sic], beteuert, "nichts Positives dran, von dem man lernen könnte". Und damit hat sie von ihrer Warte aus wohl auch Recht: Wenn Verfechter eines postdogmatisch-dienstleistungsorientierten Kirchenmodells versuchen, von "Bewegungen, die vermehrt auf Frömmigkeit setzen" – wie häretisch.de-Redakteurin Gabriele Höfling es mal formulierte –, zu lernen, kommt dabei bestenfalls etwas heraus wie "Wir sollten auch mal sowas wie Nightfever machen, aber ohne diese Sache mit der Hostie".
Geistlicher Impuls der Woche
Die unglücklichen Kinder Adams haben es aufgegeben, nach Wahrheit und Heil zu forschen. Sie suchen nach hinfälligen und vergänglichen Dingen. Mit wem sollen wir die Menschen dieser Generation vergleichen, die sich nicht von irdischem und leiblichem Trost losmachen und trennen können? Wahrhaftig, sie gleichen Menschen, die in Gefahr sind zu ertrinken. Man sieht, wie sie sich zu halten versuchen und um keinen Preis das Erste und Beste loslassen wollen, das ihnen in die Hände geraten ist, was immer es ist und wenn es auch in keiner Weise helfen kann, wie Wurzeln von Pflanzen und ähnliches. Kommt ihnen jemand zu Hilfe, so packen sie ihn manchmal und klammern sich an ihn, so dass er weder sich noch sie retten kann. So gehen diese Unglücklichen auf dem großen und weiten Meer zugrunde. Sie sind hinter dem Vergänglichen her und verlieren das Unvergängliche, das sie ergreifen müssten, um auftauchen und ihr Leben retten zu können.
(Bernhard von Clairvaux, Predigt zum Advent)
Ohrwurm der Woche
Morcheeba: Rome Wasn't Built in a Day
Der Gruppe Morcheeba, von der ich vor rund 20 Jahren ein Best-of-Album geschenkt bekommen habe, tut man insgesamt wohl nicht Unrecht, wenn man sagt, dass sie im Spektrum der TripHop-Welle der späten 90er gewissermaßen die Grenze zum Mainstream-Pop markierte: Musik für Leute, denen Portishead oder Massive Attack zu intellektuell, zu abgehoben oder auch zu düster waren. So eine Gruppe muss es in jedem neuen Musikgenre geben. Als Faustregel zumindest für die auf dem besagten Best-of-Album vertretenen Stücke kann man festhalten: Die früheren Sachen sind trippiger, die späteren poppiger. Die hier ausgewählte Nummer stammt von ihrem dritten Album und klingt kaum noch nach TripHop, war jedoch die kommerziell erfolgreichste Single der Gruppe. Das ist aber nicht der Grund, weshalb gerade dieser Song hier als Ohrwurm der Woche erscheint: Das hat vielmehr mit der ermutigenden Message des Titels zu tun. Präzise gesagt kam mir diese Zeile in den Sinn, nachdem ich die Tatsache, dass am Montag der Omatag ausfiel, zum Anlass genommen hatte, einen "Haushaltstag" einzulegen, und am Abend feststellte, dass, wiewohl ich einige schon lange überfällige Haushaltsarbeiten erfolgreich bewältigt hatte, immer noch eine Menge zu tun bleibt. – Das Video ist übrigens auch süß.
Vorschau / Ausblick
Gestern wäre in St. Joseph Siemensstadt eigentlich das Infotreffen für die Sternsingeraktion gewesen, bzw. das Treffen war auch, wir waren bloß nicht dabei – ich habe es schlicht verpeilt. Das heißt wohl noch nicht zwingend, dass das Thema Sternsingen für diesmal vom Tisch ist, aber ich bezweifle eher, dass das was wird. Heute ist bzw. war die dritte und zugleich vorletzte Krippenspielprobe; darüber, wie's gelaufen ist, wird in der nächsten Wochenbriefing-Ausgabe also sicherlich Manches zu sagen sein. Am 3. Advent ist in der Messe in St. Joseph Siemensstadt Krippensegnung und anschließend ein vom Sozialdienst Katholischer Männer gekochtes Mittagessen im Pfarrsaal – da werden wir diesmal wohl den Rat beherzigen, Transportboxen für eventuelle Reste mitzunehmen. Und dann beginnt schon die letzte Schul- und Arbeitswoche vor den Weihnachtsferien. Am Mittwoch hat das Tochterkind Schulweihnachtsfeier, da trifft es sich günstig, dass beim JAM bereits Winterpause ist. Im Gespräch ist derzeit, ob sich am Mittwoch oder Donnerstag das KiWoGo-Team noch einmal trifft, um den Gottesdienst am 4. Advent vorzubereiten und evtl. auf dem Spandauer Weihnachtsmarkt zusammen einen Glühwein zu trinken. Und dann neigt die Adventszeit sich auch schon rapide dem Ende zu...