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Donnerstag, 28. März 2019

Der Sound der #BenOp, Platz 15-11

Es ist wieder Donnerstag, und somit ist es Zeit für den zweiten Teil meiner persönlichen Hitliste von Songs, die für mein Empfinden den Spirit der Benedikt-Option einfangen! Die Plätze 20-16 habe ich letzte Woche vorgestellt; nun also ohne große Umschweife weiter im Text:  


Platz 15: Jimmy Page & Robert Plant feat. Najma Akhtar, "The Battle of Evermore" (1994) 


Wiederum ein Text, in dem es um nichts Geringeres geht als um den endzeitlichen Kampf zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis; und dabei fehlt es nicht an Tolkien-Anleihen, was ja wohl Grund genug sein dürfte, das Herz insbesondere des katholischen #BenOppers freudig hüpfen zu lassen. -- Gut und schön, wird nun Mancher sagen, aber warum diese Version und nicht das Original vom vierten Led Zeppelin-Album? Ahem. Mal ehrlich, Freunde: Habt Ihr die Originalversion in letzter Zeit mal gehört? Sie ist räudig bis an die Grenze des Unerträglichen. Das Musikmagazin SPIN platziert den Song in einem Ranking aller Led Zeppelin-Songs auf Platz 52 und nennt ihn den "schlechtesten Song des besten Albums der Band". Vertraut mir, die 1994er Version ist wesentlich besser. Sogar der Umstand, dass Robert Plant mit gut 20 Jahre älteren Stimmbändern nicht mehr so messerscharf intoniert wie dereinst, tut dem Song gut, und das Orchester-Arrangement und die orientalischen Instrumente tun ein Übriges. 



Platz 14: Creedence Clearwater Revival, "Proud Mary" (1969) 


An dieser Stelle sehe ich den Einwand - beispielsweise von meinem Stammleser Imrahil - voraus: "Wenn du schon einen Song von CCR auf diese Liste setzt, wieso dann nicht 'Bad Moon Rising'?" Nun ja: Ich hatte es erwogen. Allerdings dachte ich mir, man kann es mit den Songs mit apokalyptischer Thematik auch übertreiben. Okay, mag man einwenden, aber warum dann "Proud Mary"? Der Titel bezieht sich doch nur auf den Namen eines Mississippidampfers und hat somit höchstens ganz ganz indirekt etwas mit der Allerseligsten Jungfrau zu tun! -- Wohl wahr, aber mir geht es hier um etwas anderes. Nämlich, in erster Linie jedenfalls, um die Textstelle 
"You don’t have to worry ‘cause you have no money
people on the river are happy to give"
Gastfreundschaft, ein sehr großes #BenOp-Thema. Davon abgesehen: der Sound...! (Nebenbei bemerkt ist "Proud Mary" eins der Lieblingslieder meiner kleinen Tochter.) 



Platz 13: Tesla, "Signs" (1990) 


Der Song "Signs" wurde erstmals 1970 veröffentlicht, und zwar von einer außerhalb ihrer Heimat eher wenig bekannten kanadischen Gruppe namens Five Man Electrical Band; aber 20 Jahre später machte die kalifornische Band Tesla daraus einen Five Man Acoustical Jam (so der Titel des Live-Albums, auf dem die Nummer erschien). Und, ich kann es nicht leugnen: Das Hippie-Revival der frühen 90er war eine sehr prägende Zeit für mich. Allerdings dachte ich damals zunächst, der Song hieße "Science" (und war der Meinung, die Textstelle "Science says you’ve got to have a membership card to get inside" ergebe voll und ganz Sinn). 

Tatsächlich ist das "lyrische Ich" von "Signs" eine Art moderner Eulenspiegel, der durch eine Welt voller Ge- und Verbotsschilder spaziert und die auf diesen Schildern eingeforderten Verhaltensmaßregeln radikal infrage stellt. In der letzten Strophe bekommt hier auch die institutionalisierte Religion ihr Fett weg, aber man kann feststellen, dass sie im Vergleich zu anderen Repräsentanten von Autorität noch ziemlich gut wegkommt: Stein des Anstoßes ist hier lediglich der Umstand, dass der Protagonist kein Geld für die Kollekte hat. Dass er sich daraufhin ein Schild bastelt, auf dem er Gott dankt, dass Er sich quasi "trotzdem" um ihn kümmert, empfinde ich als eine ausgesprochen sympathische Wendung. 



Platz 12: Blind Melon, "Tones of Home" (1992) 


Das Debütalbum der kurzlebigen kalifornischen Band Blind Melon würde ich ebenfalls dem Hippie-Revival der frühen 90er zurechnen. Folgerichtig handelt es sich auch bei "Tones of Home" - eher noch mehr als bei dem großen Hit der Band, "No Rain" - um ein Bekenntnis zum Nonkonformismus, zum Ausstieg aus dem Hamsterrad der Zivilisation. Die zweite Strophe ("I always thought this would be the land of milk and honey / But I’ve come to find out that it's all hate and money") kann als explizite Absage an den "Amerikanischen Traum" bzw. an das Glücksversprechen des Kapitalismus interpretiert werden, und kontrastiert wird dieses mit einer Vision von "Zuhause", im Video repräsentiert durch ein kleines altes Farmhaus, komplett mit Veranda, Schaukelstuhl, Autoreifenschaukel und einer liebenswert exzentrischen Oma im Blümchenkleid -- die sich dem aufmerksamen Zuschauer am Ende übrigens als das alt gewordene Bienenmädchen aus dem "No Rain"-Video zu erkennen gibt. Schön. 



Platz 11: Canned Heat, "Goin' Up the Country" (1968) 


Nun aber vom Hippie-Revival zurück zur originalen Hippie-Generation! "Goin’ Up the Country" gilt als Hymne der Hippie-Landkommunenbewegung, was einerseits naheliegend erscheint, aber andererseits ist es wohl kein großes Geheimnis, dass es in dem Songtext zumindest auf einer Bedeutungsebene um die Flucht vor der Einberufung zum Wehrdienst geht. 

Nebenbei gilt der Song auch als inoffizielle Hymne des Woodstock-Festivals; er spielt auch eine prominente Rolle im Film zum Festival, wo im Anschluss an die Anmoderation von Bandmitglied Bob "The Bear" Hite (in der dieser den Songtitel "Goin’ Up the Country" scherzhaft darauf bezieht, sich zum Pinkeln in die Büsche zu schlagen) allerdings die Studioaufnahme des Songs eingespielt wird, und zwar zur Untermalung von Aufnahmen der Anreise von Festivalbesuchern. Und ich muss sagen: Ich find's entzückend, wie da die farbenprächtig gewandeten Hippies, einige mit Kindern, einige mit Wanderrucksäcken, einige mit bunt angemalten und mehr oder weniger klapprigen Autos, auf das Farmgelände strömen. Mir ist bewusst, dass manche konservativen Gemüter mein Wohlgefallen hieran wohl eher nicht teilen werden, aber die hätten bestimmt auch gemeckert, als König David nackt vor der Bundeslade tanzte. Hab ich Recht? -- Hervorzuheben ist übrigens, dass in dem Filmausschnitt auch drei Ordensschwestern zu sehen sind. Die Hintergrundgeschichte dazu gibt es hier


Soviel einstweilen für heute; nächste Woche steigen wir dann in die Top 10 ein! 




Mittwoch, 27. März 2019

Von Küstern und Buchsbaumzünslern

Meine Wohnortpfarrei gehört, wie ich bestimmt schon mal erwähnt habe, zu einem Pastoralverbund aus vier formal (noch) selbständigen Pfarreien mit insgesamt sieben Standorten (oder acht, wenn man die Krankenhauskapelle im Vivantes-Klinikum mitrechnet). Daraus soll zukünftig ein "Pastoraler Raum" werden, wie das im Erzbistum Berlin heißt; aber der ist offiziell noch nicht eröffnet. Jedenfalls gibt es Woche für Woche zwei volle DIN-A-4-Seiten Vermeldungen aus allen Gemeindeteilen (wobei die tabellarische Übersicht über die Gottesdienstzeiten noch nicht mitgezählt ist), und wenn man Pech hat, werden die am Ende der Sonntagsmesse auch komplett und ungekürzt verlesen. Man kann sie sich natürlich auch als PDF von der Homepage der Pfarrei runterladen. Das habe ich mit den Vermeldungen der laufenden Woche getan -- in erster Linie, um mich zu überzeugen, wie dort die Büchertreff-Eröffnung angekündigt wurde. Dann fielen mir allerdings zwischen den zahlreichen mehr oder weniger banalen Ankündigungen zwei Vermeldungen auf, die ich aus unterschiedlichen Gründen einigermaßen beunruhigend fand. Zunächst diese: 
"Für unseren Standort Allerheiligen suchen wir ab Ende April drei zuverlässige Gemeindemitglieder, die abwechselnd ehrenamtlich den Küsterdienst übernehmen. Selbstverständlich gibt es eine Einführung in den Dienst. Sollte sich niemand finden, können wir den Sonntagsgottesdienst nicht mehr gewährleisten." 
Die im letzten hier zitierten Satz enthaltene Information, die einem da so ganz nebenbei in den Vermeldungen untergejubelt wird (bei denen die meisten Gottesdienstbesucher schon aufgrund der Überfülle an Informationen ohnehin die Ohren auf Durchzug zu stellen gewohnt sein dürften), ist im Grunde ein ganz schöner Hammer. Die Kirche Allerheiligen im Ortsteil Borsigwalde ist tatsächlich die einzige des Pastoralverbunds, in der ich noch nie war; aber das hat wahrscheinlich nicht besonders viel zu sagen. Jedenfalls habe ich mich ein bisschen über ihre Geschichte informiert: Eine eigene Kuratie für den Ortsteil Borsigwalde wurde im Jahr 1938 eingerichtet, zunächst wurde dort nur ein Pfarrhaus gebaut, der geplante Bau einer Kirche wurde durch den Zweiten Weltkrieg vorerst verhindert und erst 1954/55 mit Hilfe von Spenden aus den USA verwirklicht. Bis 2004 war Allerheiligen Borsigwalde eine eigenständige Pfarrei, dann wurde sie mit St. Bernhard Tegel-Süd zusammengelegt

Laut aktueller Gottesdienstordnung gibt es in Allerheiligen derzeit noch jeden Sonntag sowie an zwei Werktagen pro Woche eine Heilige Messe; aber jetzt läuten wegen akuten Küstermangels die Alarmglocken. Zu der vielleicht naheliegenden Frage, wieso die Pfarrei sich eigentlich keinen hauptamtlichen Küster leistet, kann ich nicht viel sagen, da ich über die finanzielle Situation dieser Pfarrei nichts Genaues weiß; ich kann nur sagen, dass auch an "meinem" Gottesdienststandort der Küsterdienst ausschließlich von einer Gruppe Ehrenamtlicher versehen wird (und dass diese zuweilen ganz schön auf dem Zahnfleisch gehen, nicht zuletzt auch deshalb, weil es in dieser Kirche relativ viele Hochzeiten und Taufen außerhalb der regulären Gottesdienstzeiten gibt). Da ich, wie gesagt, in der Kirche Allerheiligen noch nie war, kann ich auch nichts darüber sagen, wie stark die Sonntagsmessen dort besucht sind, wie die Altersstruktur der Gemeinde ist, wie viele Leute es dort theoretisch gäbe, die geeignet wären, den Küsterdienst zu übernehmen, und was die womöglich für persönliche Gründe haben, dafür nicht zur Verfügung zu stehen. Kurz gesagt, ich kann mit so gut wie überhaupt keinen Details zu diesem speziellen Fall aufwarten; aber Fakt ist, wir sind hier mit der Aussicht konfrontiert, dass ein Gottesdienstort aufgegeben wird, weil es an Ehrenamtlichen fehlt. Wenn dieser Umstand nicht geeignet ist, der von mir hier schon mehrfach erhobenen Forderung Nachdruck zu verleihen, das gängige Verständnis von Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer Pfarrgemeinde grundsätzlich zu überdenken, dann weiß ich es aber auch nicht. 

Freilich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die drohende Abwicklung des Standorts Allerheiligen den Verantwortlichen des Pastoralverbunds im Grunde ganz recht ist und der Ehrenamtlichenmangel somit vielleicht sogar nur ein Vorwand ist. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der sogenannte "Pastorale Prozess 'Wo Glauben Raum gewinnt'" mittelfristig auf eine Reduzierung von Standorten hinauslaufen wird; und wie es aussieht, hat im Raum Reinickendorf-Süd die Kirche Allerheiligen soeben die Pole Position auf der Streichliste erobert. Man kann argumentieren, das sei halbwegs sozialverträglich: Die Pfarrkirche St. Bernhard ist nur 1,7 km entfernt und es gibt eine gute Busverbindung -- 5 Minuten Fahrzeit, weitere fünf Minuten Fußweg. Dennoch ist diese Vermeldung natürlich ein Warnschuss: Die Gemeindeteile an den anderen Standorten des Pastoralverbunds können sich schon mal Gedanken darüber machen, welche Kirche wohl als nächste dran ist. Von der Papierform her spricht wohl einiges für St. Joseph Tegel, aber andererseits: Die haben eine KiTa. Ob die aus Sicht der Pastoralplaner ein hinreichender Grund ist, die dortige Kirche auch als Gottesdienststandort zu erhalten, weiß ich zwar nicht, aber es könnte sein. Mit großer Sicherheit nicht geschlossen wird St. Marien Maternitas in Heiligensee, denn der dortige Gemeindeteil hat erstens Kohle und ist zweitens auch in den Gremien überrepräsentiert. Kurz und gut, mir scheint, "mein" Kirchenstandort sollte sich lieber mal warm anziehen. Ein Grund mehr, sich um eine Stärkung des Gemeindelebens zu bemühen

Und die andere Neuigkeit aus den Vermeldungen? 
"Ob am Palmsonntag Buchsbaumzweige und Weidenkätzchen von der Pfarrei bereit gestellt werden, können wir aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit und vermehrt aufgetretener Pflanzenkrankheiten noch nicht zusagen, Wer sich selbst etwas besorgten kann, möge dies im Blick behalten." 
Ich gestehe, meine erste spontane Reaktion darauf war "Die wollen uns doch wohl verarschen". Oder, eine Spur konzilianter ausgedrückt: Ich hatte den Verdacht, dass hier in Wirklichkeit wieder einmal mangelnde organisatorische Fähigkeiten den eigentlichen Kern des Problems darstellen. Die hauptamtlichen Mitarbeiter haben notorisch weder Zeit noch Lust, sich mit solchen Dingen zu befassen, diejenigen Ehrenamtlichen, an denen diese Art von Aufgaben seit Jahren hängen zu bleiben pflegt, haben langsam aber sicher den Kanal voll, und andere, die vielleicht Abhilfe schaffen könnten, wissen überhaupt nichts von der Existenz des Problems. (Okay, jetzt wissen sie's, vorausgesetzt sie lesen die Vermeldungen.) Und die Krönung des Ganzen ist die unverhohlene Indolenz, mit der den Gemeindemitgliedern mitgeteilt wird: Besorgt euch eure Palmzweige gefälligst selber.  

Eine kurze Recherche später muss ich allerdings einräumen, dass ich das Ausmaß des Problems unterschätzt habe. Genauer gesagt, ich habe den Buchsbaumzünsler unterschätzt. Wie Tante Wiki verrät, ist der Buchsbaumzünsler "ein ostasiatischer Kleinschmetterling", der "zu Beginn des 21. Jahrhunderts nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde und sich heute zur invasiven Spezies entwickelt hat. Die Raupen können Schäden durch Kahlfraß an Buchsbaum verursachen." 

Buchsbaumzünsler-Raupe bei Verzehr eines Buchsbaumsblattes (gemeinfrei, Bildquelle hier
Dass diese gefräßigen Raupen die traditionelle Anfertigung von Buchsbaumsträußen zu Palmsonntag bedrohen, war schon im vorigen Jahr Thema in den Kirchenzeitungen der Bistümer Fulda, Limburg und Mainz sowie im Neuen Ruhr-Wort. Aktuell berichtet die Presse über Buchsbaummangel beispielsweise in Emmerich (Bistum Münster), Hamm (dito) und im Kreis Viersen (Bistum Aachen). Es war also offenkundig voreilig, die Schuld am Buchsbaumdilemma bei der Unfähigkeit oder Gleichgültigkeit der hiesigen Pfarreimitarbeiter zu suchen. 

Indes hat es den Anschein, dass die Probleme mit dem Buchsbaumzünsler lokal sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. In manchen Gegenden Deutschlands gibt es offenbar noch Buchsbaum bis zum Abwinken. So viel, dass die Leute nicht wissen, wohin damit. Bei "eBay Kleinanzeigen" habe ich just heute noch stolze 119 Einträge zum Stichwort "Buchsbaum zu verschenken" (!) gefunden, darunter auffälligerweise mehrere aus meiner Heimatgegend, also Nordenham/Butjadingen/Stadland. Ich erwähne das nicht etwa, weil ich meine, die vom Buchsbaumzünsler geplagten Pfarreien sollten sich Buchsbaumzweige aus anderen Bundesländern zuschicken lassen. Es ist mir nur so aufgefallen. 

Was also bleibt zu tun? Nun, der erste Schritt wäre, zu prüfen, ob sich nicht doch noch Mittel und Wege finden, irgendwo größere Mengen an Buchsbaum aufzutreiben; Mittel und Wege, auf die die "Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht"-Fraktion schlichtweg nicht kommen würde. Ich habe mal meine Liebste auf das Problem angesetzt (als hätten wir nicht schon genug anderes zu tun). Und wenn nicht, dann gibt es natürlich noch Alternativen in Form anderer immergrüner Sträucher.  Die sind in der Regel allerdings etwas teurer. Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.

Zusammenfassend gesagt könnte man aus beiden Meldungen - derjenigen über den Küstermangel wie auch derjenigen über den Buchsbaummangel - die Botschaft herauslesen, dass die "einfachen Gemeindemitglieder" (die "Kirchenbankdrücker", könnte man sagen) mehr Engagement, Eigeninitiative und Kreativität entwickeln müssen, wenn sie wollen, dass ihre Gemeinden am Leben bleiben. Und das wäre ja eine Botschaft, die mir durchaus aus der Seele spricht. Das Problem ist, dass das so klar nicht kommuniziert wird -- und schon gar nicht auf eine Art, die irgendwie motivierend oder ermutigend wäre. Kommuniziert wird stattdessen: Tja, Leute, alles geht den Bach runter; wir - die Verantwortlichen dieser Pfarrei bzw. dieses Verbunds von Pfarreien - können es nicht ändern, und ehrlich gesagt haben wir auch keinen Bock drauf. -- Und bei so einer Einstellung muss man sich natürlich über nichts wundern. Höchstens darüber, dass überhaupt noch irgendwas läuft.



Dienstag, 26. März 2019

Zeigen, dass es auch anders geht


Freut euch und jubelt: Eine neue Veranstaltungsreihe in meiner Wohnortpfarrei ist erfolgreich gestartet -- nämlich der "Offene Büchertreff". Wie hier erläutert, handelt es sich gewissermaßen um die erste Stufe zur Etablierung einer Tauschbibliothek mit Lesecafé. Zur Eröffnung gab's ein Büffet mit Kuchen und Salaten, Kaffee und Tee, eine Kinderspielecke, und es wurden auch schon Bücher ausgeliehen und getauscht. 


Ich habe in meiner jüngsten Wochenvorschau bereits angedeutet, dass man sich durchaus eine höhere Teilnehmerzahl hätte erhoffen können; aber nochmals drüber nachgedacht: Wir waren zehn Erwachsene und zwei Kinder, das finde ich für den Anfang nicht so schlecht. Zudem weiß ich persönlich von mindestens sechs weiteren Personen, die gern gekommen wären, aber teils krank, teils verreist und teils aufgrund anderer Termine verhindert waren. Wenn die beim nächsten Mal kommen, ist das schon eine ganz beachtlicher Zuwachs. Zweifellos richtig ist allerdings, dass wir uns mit Blick auf die künftigen Veranstaltungen überlegen müssen, wie wir gezielt und in größerem Umfang Leute erreichen, die (noch) nicht zur "Kerngemeinde" gehören; wobei das entscheidende Wort natürlich "(noch)" lautet.  

Ein bisschen schade fand ich es allerdings doch, dass nicht ein paar mehr von den Leuten, die vorher in der Messe waren, wenigstens aus Neugier mal kurz beim Büchertreff reingeschaut haben. Und sei es nur, um mal einen Eindruck davon zu bekommen, was drei Leutchen mit relativ überschaubarem Aufwand an Zeit und Geld auf die Beine gestellt bekommen. Das meine ich nicht als Eigenlob, sondern eigentlich eher im Gegenteil: Es geht darum, dass andere das auch könnten. Es ist nur eine Frage des Wie. Während des Aufbaus am Samstag sinnierte ich darüber, dass die Art, wie wir diese Veranstaltung organisierten, vollständig außerhalb der Vorstellungswelt der "Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht"-Fraktion lag. Wenn man mal den monatlichen Kolping-"Sonntagstreff" zum Vergleich heranzieht, kann man eine Reihe von jeweils für sich gesehen minimalen Unterschieden feststellen, die in der Summe einen vollkommen anderen Gesamteindruck ergeben. Statt einzelner Kleingruppentische hatten wir eine lange Tafel für alle, statt eines Verkaufs-"Tresens", hinter dem die Kolping-Damen einem jede Nudel einzeln auf den Suppenteller zählen und Preise verlangen wie in einem mittelprächtigen Bäckerei-Café, hatten wir einen Büffettisch zur Selbstbedienung und eine Spendendose. (Ob und wie viel jemand zur Unterstützung des Projekts spenden möchte, bleibt jedem selbst überlassen, unabhängig davon, was und wie viel er isst und trinkt.) Statt in Thermoskannen warmgehaltenen Filterkaffees gab's bei uns frisch aufgebrühten Kaffee aus "French Press"-Kannen. Ich hatte einen Kuchen gebacken, meine Frau einen Nudel- und einen Couscoussalat gemacht, dazu gab’s diverses Kleingebäck vom Foodsharing. Und dann die Kinderspielecke: Da die Pfarrei bisher noch keine Mittel für die Ausstattung einer Krabbelgruppe zur Verfügung gestellt hat, haben wir uns vorerst mit unseren eigenen Beständen beholfen. (Um hier nicht den Eindruck entstehen zu lassen, wir würden ein Vermögen für Kinderspielzeug ausgeben, sei angemerkt, dass wir den größten Teil dessen, was hier zu sehen ist, entweder gebraucht gekauft oder geschenkt bekommen haben.)


Nun ist mir durchaus bewusst, dass die oben so genannte "Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht"-Fraktion Veränderungen nicht unbedingt als Verbesserungen wahrnimmt. Oder präziser gesagt, ein bestimmter Typus von "Kerngemeindlern", wie es sie wahrscheinlich in so ziemlich jeder Pfarrei gibt, mag Veränderungen auch dann nicht, wenn es sich um Verbesserungen handelt. Möglicherweise sogar besonders dann nicht. Weil das, was sie kennen und gewohnt sind, dadurch infrage gestellt und womöglich sogar entwertet wird. Das ist ein Grund, weshalb ich der Meinung bin, wir sollten uns vor allem auf ein Publikum konzentrieren, das (noch) nicht zur Kerngemeinde gehört. Diejenigen, die beim Kolping-Sonntagstreff alles prima finden, können gerne weiterhin dort hingehen; aber diese Zielgruppe wird ausgestorben sein, bevor meine Tochter zur Firmung geht.

Übrigens ist die Neigung, das, was man gewohnt ist, so zu betrachten, als müsse es so sein, durchaus auch unter im Prinzip gutwilligen Leuten verbreitet. So kam im Gespräch darüber, wie man das Büchereiprojekt zukünftig weiterentwickeln könne, der Hinweis zur Sprache, die ebenfalls zu unserer Pfarrei gehörende Gemeinde in Heiligensee habe "eine richtige Bücherei" -- was wohl heißen sollte, diese könne man sich zum Vorbild nehmen. Sicherlich netter gemeint als es klingt, aber wo der Mittwochsklub seine Hände mit im Spiel hat, da geht es just darum, eingeschliffene Vorstellungen darüber, wie man Dinge "richtig" macht, radikal infrage zu stellen. Lebt damit, Freunde. 

Das betrifft übrigens auch und nicht zuletzt das Büffet. Für zukünftige Veranstaltungen sollten wir von vornherein mit kleineren Mengen kalkulieren, meinten einige. Aber ich sag mal: . Okay, es ist extrem viel übrig geblieben. So what? Diejenigen Teilnehmer, die bis zum Schluss da waren, nahmen alle etwas vom Büffet mit nach Hause, wir selbst ernährten uns noch ein paar Tage lang von Couscous und Nudelsalat, und die übriggebliebenen Backwaren spendeten wir dem Franziskanerkloster Pankow für seine Obdachlosenspeisung. Und, mal ganz davon abgesehen, dass man bei einer Foodsharing-Abholung die Mengen sowieso nicht planen kann, sondern alles nehmen muss, was man kriegt: Hast Du, geschätzter Leser, Dich schon mal gefragt, wieso es bei der Speisung der Fünftausend am Ende zwölf Körbe voller Reste gab? Hätte Jesus die Brote und Fische nicht so vermehren können, dass die Menge genau ausgereicht hätte, um alle Anwesenden satt zu kriegen? Hat er die Portionen schlecht kalkuliert? Nein: Die zwölf Körbe voller Reste sind ein Zeichen dafür, dass Gottes Wesen Überfluss ist. Und deshalb sollen auch wir nicht knausrig sein, wenn wir Zeugnis für diesen Gott geben wollen. 




Es geht hier nicht bloß um Essen. Sein Angebot an der erwarteten (geringen) Nachfrage auszurichten, ist eine self-fulfilling prophecy. Eine Gemeinde, die sich auf diese Logik einlässt, gerät in eine Abwärtsspirale: Wer eine Veranstaltung für zehn Teilnehmer plant, weil er nicht daran glaubt, dass er zwanzig erreichen könnte, wird tatsächlich nicht einmal zehn erreichen.

Ein Paradebeispiel für diese Einstellung ist leider unser Pfarrer, der sich kurz vor Schluss, als wir eigentlich schon mit dem Aufräumen anfangen wollten, bei der Büchertreff-Eröffnung sehen ließ. Sein Kommentar zur nicht allzu üppigen Publikumsresonanz lautete, es sei halt schwierig, die Gemeindemitglieder über den Gottesdienstbesuch hinaus für Aktivitäten im kirchlichen Rahmen zu interessieren; in ihrer Freizeit (!) hätten die Leute nun mal anderes zu tun. -- Da kam er aber bei meiner Liebsten an die falsche Adresse: Sie schnauzte ihn an, wenn er mit so einer Einstellung an die Dinge heranginge, dann könne er die Kirche auch gleich zusperren und stattdessen im Kino arbeiten gehen.

Eine harte Ansage, aber im Prinzip hat sie schon Recht damit. 

Es ist wohl ein typisches Volkskirchenphänomen, dass man sich daran gewöhnt, es als normal zu betrachten, wenn die Gemeinde zum größten Teil aus Leuten besteht, für die "Kirche" etwas ist, was rund eine Stunde lang am Sonntagvormittag stattfindet, und damit basta. Und gerade unser Pfarrer ist so einer, der - nicht nur in "informellen" Äußerungen wie hier, sondern selbst in seinen Predigten - immer mal wieder mehr oder weniger deutlich durchblicken lässt, dass er von seinen Schäfchen gar nicht mehr als das, ja im Grunde nicht einmal das erwartet. Aber so wird eine Pfarrei wie diese keine zehn Jahre mehr überleben. Sogar die aktiven, engagierten Gemeindemitglieder - die klassischen "Ehrenamtlichen" - machen oft den Eindruck, sie empfänden alles, was mit "Kirche" zu tun hat, in erster Linie als Belastung. Zum Teil kann man das verstehen, besonders bei denjenigen, an denen immer die undankbaren Aufgaben "hängen bleiben”. Aber in erster Linie scheint es mir tatsächlich ein Problem der grundsätzlichen Einstellung zu sein. In einem Artikel aus dem Sommer 2018 habe ich dieses Phänomen wie folgt beschrieben: 
"Man versuche mal, in einer stinknormalen Pfarrei einen Gemeindekreis zu etablieren, der sich einmal pro Woche trifft. Die meisten potentiell Interessierten werden sagen, das sei zu oft, man habe schließlich auch noch was anderes zu tun. Alle zwei Wochen ist schon anspruchsvoll, lieber nur einmal im Monat, aber auch das nur dann, wenn nicht erwartet wird, dass man jedesmal mit dabei ist. Ohne nun die jeweiligen individuellen Gründe dafür, dass jemand 'auch noch was anderes zu tun hat', geringschätzen zu wollen, möchte ich schon behaupten, das sagt etwas über Prioritäten aus. Zugespitzt formuliert: Die Zeit, die man in und mit der Kirchengemeinde verbringt, wird als etwas wahrgenommen, was von der persönlichen Lebenszeit abgeht, also nicht zum 'eigentlichen Leben' gehört. In Anlehnung an den marxistischen Begriff der 'entfremdeten Arbeit' könnte man hier von 'entfremdeter Kirchlichkeit' sprechen -- aber das wäre vielleicht mal ein Thema für sich." 
Okay, dann ist jetzt wohl der geeignete Zeitpunkt, darauf zurückzukommen. Laut Marx - und ich meine ausdrücklich Karl, nicht etwa Reinhard - führt die kapitalistische Wirtschaftsweise, in der der Arbeiter davon lebt, seine Arbeitskraft an den Unternehmer zu verkaufen, dazu, dass der Arbeiter nicht nur das Produkt seiner Arbeit als etwas erlebt, das ihm nicht gehört, sondern auch die Arbeit selbst -- bzw. die Zeit und Kraft, die er dafür aufwendet. So viel es sonst an der marxistischen Theorie zu kritisieren geben mag: Hier hat der alte Zauselbart wirklich mal einen Punkt, und das gilt heute nicht weniger als damals -- wie man ja auch an gruseligen Wortschöpfungen wie "Work-Life-Balance" sehen kann. So als gehörte die Arbeit nicht zum Leben, sondern sei geradezu etwas diesem Entgegengesetztes.

Analog dazu könnte man als "entfremdete Kirchlichkeit" das Phänomen bezeichnen, dass Kirchenmitglieder zwar mehr oder weniger verlässlich an der Sonntagsmesse und in gewissem Ausmaß vielleicht auch darüber hinaus am Gemeindeleben teilnehmen, möglicherweise sogar ehrenamtlich Dienste in der Gemeinde übernehmen, das alles aber als einen von ihrem sonstigen Leben, insbesondere von dem, was sie als ihr Privatleben und ihre Freizeit betrachten, abgetrennten Bereich empfinden und behandeln. Demgegenüber ist es ein zentrales Anliegen der #BenOp,  "die falsche Trennung zwischen Kirche und Leben so weitgehend wie möglich [zu] beseitigen" (S. 212, in der Paperback-Ausgabe S. 224), ja, die Kirchengemeinde zum "Zentrum des sozialen Lebens ihrer Mitglieder" zu machen (S. 218 bzw. 230). Es geht nicht - wie manche Kritiker der #BenOp meinen - um eine sektiererische Abschottung von der "Welt", in dem Sinne, dass man soziale Kontakte ausschließlich innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft suchen und pflegen sollte; das erschiene mir weder realisierbar noch auch wünschenswert. Sehr wohl für wünschenswert halte ich es hingegen, den Anteil sozialer Kontakte, der sich innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft abspielt, signifikant zu erhöhen. Sicherlich machen soziale und gesellige Aktivitäten in einer Kirchengemeinde die Leute nicht automatisch frömmer oder auch nur religiös interessierter; auf jeden Fall aber schafft ein reiches Gemeindeleben bessere Voraussetzungen dafür, dass die Gemeindemitglieder sich gegenseitig im Glauben stärken und befruchten, als es in einer Pfarrei der Fall ist, deren Mitglieder sich kaum kennen und auch kaum füreinander interessieren. In der "Benedikt-Option" heißt es, "das Geschenk der Gemeinschaft bestehe darin, eine Sozialstruktur auszubilden, in der es Christen leichter gemacht wird, Gottes Stimme zu hören und auf sie zu antworten" (S. 214 bzw. 226).

Die praktische Konsequenz aus alledem lautet: Wenn das Gemeindeleben schwächelt, muss man nicht weniger anbieten, sondern mehr. Aus diesem Grund hat meine Liebste beschlossen, schon möglichst bald - voraussichtlich im Mai - die nächste Stufe zu zünden, nämlich einen monatlichen "Krabbel-Brunch" am Samstagvormittag, als Angebot für Familien mit Kleinkindern. Der Witz daran ist, dass diese Veranstaltung von der organisatorischen Seite praktisch mit dem Büchertreff identisch ist: Man baut am einen Ende des Saales ein Büffet auf und am anderen Ende eine Kinderspielecke, dazwischen stellt man die Tische zu einer langen Tafel zusammen, badabäm. Nur der Zuschnitt der Zielgruppe ist ein tendenziell anderer. Das Projekt "Krabbel-Brunch" kann man sicherlich sehr gezielt in bereits bestehenden Krabbelgruppen und auf Spielplätzen bewerben -- und im "kindergartenfrei"-Netzwerk. Ich bin gespannt.

Trotzdem abschließend noch ein paar Gedanken zur angestrebten weiteren Entwicklung des Büchereiprojekts: Bisher haben wir nahezu unbesehen alles an Bücherspenden angenommen, was reinkam, und das hat dazu geführt, dass in dem Bücherregal derzeit so allerlei rumsteht, was ich persönlich lieber heute als morgen rausschmeißen würde, teils aus literarischem Snobismus (Wolfgang Hohlbein, bah!), teils wegen theologischer Bedenklichkeiten (Drewermann?!?); auf einige Bücher trifft beides zu (z.B. Donna Cross, "Die Päpstin"). Aber ich versuche meine Autodafé-Neigungen vorerst noch zu zügeln. Grob geschätzt würde ich mal sagen, wir haben jetzt einen Bestand von 400 Bänden; noch mal 200 dazu, und das Regal ist voll. Dann kann man mit dem "Ausmisten" anfangen. Dann wäre es auch sinnvoll, sich innerhalb des Büchereiteams über ein inhaltliches Konzept zu verständigen. Meine eigenen Vorstellungen hierzu sind durchaus noch nicht ausgereift, aber ich sehe schon kommen, dass es nicht unbedingt leicht werden wird, sie teamintern durchzusetzen. Na, zumindest meine Liebste werde ich wohl auf meiner Seite haben.


(Und, falls daran noch irgendwelche Zweifel bestehen sollten: Eine "richtige Bücherei" wie in Heiligensee - was immer man sich darunter vorzustellen hat - will ich definitiv nicht!)




Montag, 25. März 2019

Kaffee & Laudes - Die Wochenvorschau (3. Woche der Fastenzeit)

Was bisher geschah: In der vergangenen Woche war ich überwiegend mit Vaterpflichten und -freuden beschäftigt, und ich fand's prima. Wie sagte die Hl. Mutter Teresa? "Wenn du die Welt verändern willst, geh heim und liebe deine Familie". -- Am Dienstag war ich, wie geplant, anlässlich des Hochfests des Hl. Josef mit meiner kleinen Tochter in St. Joseph Tegel in der Messe, und nachdem das ganz wunderbar geklappt hatte, ging ich tags darauf gleich wieder mit ihr in die Kirche, diesmal in Heiligensee. Da sehr schönes Wetter war, fuhr ich anschließend kurz entschlossen mit meiner Tochter zum Botanischen Volkspark Blankenfelde-Pankow, auf den mich ein Beitrag im unlängst hier besprochenen Werkheft der Katholischen Landjugendbewegung aufmerksam gemacht hatte. Ergebnis: Da will ich unbedingt nochmal hin, möglichst mit Frau und Kind und wenn der Frühling etwas weiter vorangeschritten ist, also beispielsweise in den Osterferien. Dann werde ich auch ausführlicher darüber berichten. 

Am Wochenende standen dann die letzten Vorbereitungen für die Eröffnung des "Büchertreffs" auf dem Programm. Die Eröffnung selbst war sehr schön, wenngleich bei der Beteiligung seitens der Gemeinde durchaus noch Luft nach oben ist -- aber dazu folgt in Kürze noch ein eigener Artikel. 



Was ansteht: Heute ist das Hochfest der Verkündigung des Herrn, daher werde ich in Kürze das Kind einpacken und zur Kirche gehen. Unser nigerianischer Pfarrvikar zelebriert die Messe, man darf also davon ausgehen, dass es schön und würdig wird. Abends gibt's eine Veranstaltung des Bundes Katholischer Unternehmer Berlin-Brandenburg zum Thema "Der Deutsche Wald - Identität und Aufgabe"; das klingt durchaus interessant, aber ich muss mir noch gut überlegen, ob ich da wirklich hin will oder ob mir das doch zu viel wird. Auf meiner Liste zu schreibender Blogartikel stehen derzeit solche zu Themen aus der lokalen Basisarbeit ganz oben; die Blogstatistik zeigt zwar, dass solche Artikel tendenziell weniger gelesen werden als solche zu Aufregerthemen aus den Medien, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Übrigens möchte ich betonen, dass es auch in Blogartikeln über eine kleine Pfarrei im Norden Berlins immer um mehr geht als nur um eine kleine Pfarrei im Norden Berlins; will sagen, ich lege es stets darauf an, an meine Beobachtungen und Erfahrungen vor Ort Erwägungen zu knüpfen, die über den konkreten Einzelfall hinaus verallgemeinerbar sind. -- Am Donnerstag beabsichtige ich die nächste Folge von "Der Sound der #BenOp" - also Platz 15-11 - rauszuhauen. Und am Samstag will ich an einem Einkehrtag im Zisterzienserkloster Neuzelle teilnehmen, der von Pater Paulus-Maria Tautz von den Franziskanern der Erneuerung geleitet wird. Das kann spannend werden! 

aktuelle Lektüre: Sowohl "Crunchy Cons" (Rod Dreher) als auch "Gott ungezähmt" (Johannes Hartl) hätte ich in der vergangenen Woche eigentlich zu Ende lesen wollen, habe es aber bei beiden Büchern nicht ganz geschafft. Trotzdem denke ich von beiden genug gelesen zu haben, um einen Gesamteindruck zu Protokoll geben zu können. Zunächst zu "Gott ungezähmt". Ich wäre geneigt zu sagen, mein Gesamteindruck sei zwiespältig, aber das klingt vielleicht etwas zu negativ: Das, was an dem Buch gut ist, ist nämlich SEHR gut. Allerdings werde ich - ich deutete es bereits an - mit Hartls Stil nicht warm. Besonders die erzählenden Passagen, die er immer wieder einstreut, scheinen mir mit einem atmosphärisch sein wollenden Kolorit überladen, das allzu oft ins Phrasen- und Klischeehafte kippt wie in einer SPIEGEL-Reportage. Zudem fehlt mir streckenweise der Rote Faden, oder genauer gesagt: Das Buch hat zwar einen, aber zuweilen scheint der Autor ihn zu verlieren. Am Anfang scheint klar zu sein, worum es in dem Buch gehen soll: um eine Wiederentdeckung des vermeintlich unzeitgemäßen Konzepts "Gottesfurcht", ein Bekenntnis zur Größe, Heiligkeit und Anbetungswürdigkeit Gottes, verbunden mit einer klaren Absage an eine Pastoral, die Gott verharmlost und verniedlicht. Soweit das Buch bei diesem Thema bleibt, ist es großartig. Aber immer und immer wieder driftet Hartl ab zu allgemeiner Apologetik, zu biblischer Philologie, zur Theodizeefrage, zur Auseinandersetzung mit der Philosophie der Aufklärung und zu viel zu ausführlichen Goethe- oder Nietzsche-Zitaten. Sicher hat das alles irgendwo einen Bezug zum Thema, aber ich wage trotzdem zu behaupten: Mit einem etwas rigoroseren Lektorat hätte man das Buch um ein Drittel oder sogar auf ein Drittel kürzen können, und das hätte ihm gut getan. -- Wenn an dieser Stelle der eine oder andere meiner Blogleser die Lust verspürt, mir vielsagend zuzuzwinkern, dann sei diesen gesagt: Ja, mir ist sehr wohl bewusst, dass mir das auch eine Lehre für mein eigenes Schreiben sein sollte. 

Was "Crunchy Cons" angeht, muss ich zunächst sagen, dass ich mir von dem Kapitel zum Thema "Umwelt" mehr versprochen hätte; es weist allerlei inhaltliche Überschneidungen mit dem Ernährungs-Kapitel auf und konzentriert sich ansonsten über weite Strecken stark auf die Darstellung parteipolitischer Konstellationen in den USA. Es finden sich dennoch einige durchaus interessante Impulse in dem Kapitel, aber wie gesagt, ich finde, da hätte man mehr draus machen können. Umso mehr hat mich das Kapitel "Religion" (das mit 40 Seiten übrigens das längste des Buches ist) begeistert; dazu werde ich mich in absehbarer Zeit wohl mal in einem eigenen Artikel ausführlicher äußern müssen. Noch vor mir habe ich das Kapitel "Warten auf Benedikt"; da zeichnet sich also schon ein sehr deutlicher Brückenschlag zur #BenOp ab. 

Da ich, wie gesagt, mit beiden Büchern fast fertig bin, habe ich mir für diese Woche aber bereits neue Lektüre bereitgelegt. Wobei "neu" relativ ist, denn es handelt sich durchweg um Bücher, die ich - ganz oder zumindest teilweise - schon mal gelesen habe, mir aber nun noch einmal vornehmen möchte: 


Eine "Handreichung für Abenteurer", so heißt es im Klappentext; man könnte auch sagen: ein praktischer Leitfaden für gelebtes Christsein im Alltag. Dabei orientiert sich das Buch in seinem Aufbau an den "74 Werkzeugen der geistlichen Kunst" aus der Ordensregel des Hl. Benedikt, adaptiert für den individuellen Alltag von Laien in der (post-)modernen Welt. Die konzeptionellen Parallelen zur #BenOp dürften auf der Hand liegen. 


Eigentlich wollte ich "Die Kraft der Stille" vom selben Autor lesen, aber dann habe ich irgendwo gelesen oder gehört, dass dieses Buch zusammen mit "Gott oder nichts" und Kardinal Sarahs neuem, noch nicht auf Deutsch erschienenen Buch "Le soir approche et déjà le jour baisse" ("Der Abend naht und der Tag hat sich schon geneigt", vgl. Lukas 24,29) ein "Triptychon" bildet, und daraufhin habe ich mir gedacht, ich sollte lieber doch noch einmal mit "Gott oder nichts" anfangen, zumal ich das im ersten Anlauf nicht bis zum Ende gelesen habe. Ich hatte es, als es noch relativ neu war, in einem katholischen Buchladen gekauft, der zudem in einem Gebäude untergebracht ist, das entweder dem Erzbistum Berlin oder einer Berliner Pfarrei gehört -- ganz genau weiß ich das nicht. Und selbst da habe ich das Buch praktisch nur unter dem Ladentisch bekommen. Das ist ein bisschen übertrieben, aber nicht sehr: Die Verkäuferin deutete mir gegenüber an, in den Kreisen ihrer Stammkundschaft gelte das Buch als grenzwertig, weil sein Verfasser so erzkonservativ sei. 


Dieses Buch hat meine Liebste von meiner Mutter zum Geburtstag geschenkt bekommen, ein paar Monate vor der Geburt unserer Tochter. Zum ersten Mal von vorne bis hinten gelesen habe ich es, als meine Liebste in der Geburtsklinik lag und auf die Wehen wartete. Allerdings haben mich damals - was wohl einigermaßen begreiflich ist - in erster Linie  diejenigen Passagen des Buches interessiert, die sich auf den Umgang mit Neugeborenen beziehen. Erst kürzlich kam mir der Gedanke, ich sollte das Buch noch einmal zur Hand nehmen und speziell die Tipps für Eltern von Kindern im zweiten und dritten Lebensjahr studieren. 

Linktipps:


Ich gebe zu, diesen Linktipp kann man mehr oder weniger als "Werbung in eigener Sache" betrachten, denn die gute Claudia antwortet in diesem Blogbeitrag auf zwei Artikel von Gudrun und Martin Kugler in der Tagespost, in denen diese die "Benedikt-Option" scharf attackieren. Auf den ersten dieser beiden Artikel hatte ich noch selbst an selber Stelle - also ebenfalls in der Tagespost - geantwortet, aber als dann noch einer kam, fand ich: Nu isses aber auch mal gut. Claudias Anmerkungen zum von den Kuglers verflochtenen Konzept "kultureller Eliten" empfinde ich jedoch als einen wertvollen Debattenbeitrag, also schaut Euch den Artikel mal an! 


Das Thema ist alles andere als neu, hat aber gerade "aus deutscher Sicht" (wie die Sportjournalisten sagen) in den gut vier Wochen seit dem Erscheinen dieses Artikels noch an Aktualität gewonnen: Immer lauter werden die Rufe nach Abschaffung des Priedterzölibats in der lateinischen Kirche sowie danach, bei der Gelegenheit auch gleich die katholische "Sexualmoral" (oder was man sich so darunter vorstellt) generalzuüberholen; und auch in den Reihen der kirchlichen Hierarchie selbst findet dieser Ruf mehr und mehr Widerhall. Demgegenüber betont Sohrab Ahmari, solche Forderungen fußten auf einer defizitären Anthropologie, der die Kirche in aller Schärfe widersprechen müsse: Die Gläubigen, Kleriker wie Laien, seien gefordert, sich entschieden zur traditionellen Lehre und Praxis der Kirche über diese Fragen zu bekennen, denn es gehe in dieser Debatte um "nichts Geringeres als die Kraft der göttlichen Gnade, die menschliche Natur zu transformieren". 

Heiliger der Woche:

Dienstag, 26. März: Hl. Liudger, Missionar, Klostergründer und von 805-809 erster Bischof von Münster. Ausgerechnet. Nein, im Ernst: Dieser Heilige hat eine durchaus beeindruckende Biographie, und sein Gedenktag mag ein passender Anlass sein, ihn um Fürsprache für sein Bistum anzurufen, oder überhaupt für die Kirche in Deutschland. 

Aus dem Stundenbuch:

In festlichem Glanz sollen die Frommen frohlocken, * auf ihren Lagern jauchzen: 
Loblieder auf Gott in ihrem Mund, * ein zweischneidiges Schwert in der Hand. (Psalm 149, 5f.)



Donnerstag, 21. März 2019

Der Sound der #BenOp, Platz 20-16

Schon seit einigen Wochen beschäftigt mich die Idee, eine Liste von Songs zusammenzustellen, von denen ich finde, dass sie den Spirit der Benedikt-Option einfangen -- oder jedenfalls das, was ich mir darunter vorstelle. Die Meinungen darüber, was unter diesem Begriff eigentlich zu verstehen sei, sind ja durchaus geteilt, und zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil führe ich das darauf zurück, dass die #BenOp - abermals gesagt: so wie ich sie verstehe - weniger ein präzise abgrenzbares inhaltliches Programm darstellt als vielmehr einen bestimmten Stil. Und um diesen zu kommunizieren, sagt ein Lied womöglich mehr als tausend Worte. 

Tausend Worte (oder mehr) werde ich indes - so kennen mich meine Leser - trotzdem machen, um meine Songauswahl zu kommentieren. Daher will ich mich wenigstens bei der Vorrede kurz fassen. Also, zur Sache: Zwanzig Songs habe ich zusammengetragen, das schien mir eine gute Zahl; ein internes Ranking habe ich ihnen, wo ich schon mal dabei war, auch gleich verpasst; und um es spannend zu machen, stelle ich die Songs hier in umgekehrter Reihenfolge vor, und das auch noch über einen Zeitraum von vier Wochen. Fangen wir also an mit den Plätzen 20-16: 


Platz 20: Jeff Beck & Rod Stewart, "People Get Ready" (1985) 


Der 1965 von dem großen Curtis Mayfield geschriebene Song steht, was den Text betrifft, ganz in der Tradition des Gospel-Genres, gewinnt aber erheblich an Brisanz durch den sozialen und politischen Kontext seiner Entstehungszeit. Martin Luther King bezeichnete "People Get Ready" als "inoffizielle Hymne der Bürgerrechtsbewegung" und ließ den Song häufig bei Demonstrationen singen. Die Originalaufnahme von Mayfields damaliger Band The Impressions ist mir allerdings, ehrlich gesagt, vom Arrangement her ein bisschen zu harmlos, daher habe ich nach einer Coverversion gesucht, die einen Zacken schärfer daherkommt. Fündig geworden bin ich bei Gitarrenlegende Jeff Beck und seinem alten Weggefährten Rod Stewart. Auch die Ästhetik des Videos finde ich sehr ansprechend -- der Briefkasten in der Prärie, die Farmhäuser, die Bahngleise, Beck als "Hobo" im offenen Güterwaggon (wo kriegt er da eigentlich den Strom für seine Gitarre her?), die Weite des Horizonts... Und das alles in diesem verträumten Orangebraun. Wer möchte da nicht sofort aufs Land ziehen?  


Platz 19: Aphrodite's Child, "The Four Horsemen" (1972) 


Die wohl bekannteste (und ziemlich sicher rockigste) Nummer des legendären Konzept-Doppelalbums "666" setzt einen angemessen apokalyptischen Grundton für diese Songliste. "Also mir kommt diese sogenannte Benedikt-Option ziemlich apokalyptisch vor." -- "Ja, natürlich ist sie das, was denn sonst?" Im Ernst: Wie kommt es eigentlich, dass der Begriff "apokalyptisch" so einen negativen Klang bekommen hat, sogar unter Christen? Haben die mal nachgeschaut, was in ihrer Bibel ganz hinten drinsteht? Wie sagte Johannes Hartl bei der MEHR 2018 so schön? "Leute, ich hab das Buch zu Ende gelesen. Es ist ein gutes Ende! Wir gewinnen!" (Vermutlich hat er dieses Bonmot nicht erfunden, eine ähnlich formulierte Aussage wird z.B. auch Billy Graham zugeschrieben, aber macht ja nichts.) 

Das Album "666" von Aphrodite's Child jedenfalls basiert weitgehend auf den Kapiteln 6-20 der Offenbarung des Johannes, und die Original-Plattenhülle trug den Hinweis "This album was recorded under the influence of SAHLEP", was seinerzeit allerlei Spekulationen darüber auslöste, was für ein Prophet, Philosoph, Guru oder Dämon sich wohl hinter diesem Namen verberge, aber tatsächlich ist Sahlep lediglich ein Heißgetränk auf der Basis von Milch, Zucker und pulverisierten Orchideenwurzeln. Klingt komisch, is' aber so. Zu "The Four Horsemen" kann man abtanzen wie bekloppt, oder aber man kann ausufernde Diskussionen darüber führen, wieso das vierte Pferd dem Liedtext zufolge grün ist und was das symbolisieren soll. Für Euch getestet, Freunde. Beides. 


Platz 18: Gil Scott-Heron, "The Revolution Will Not Be Televised" (1971) 


Ja, sicher: Wenn HipHop-Pionier Gil Scott-Heron "Revolution" sagt, denkt er dabei in erster Linie an ein Aufbegehren der afroamerikanischen Bevölkerung gegen rassistische Unterdrückung. Das kommt in einigen Details des Texts recht unmissverständlich zum Ausdruck. Aber in der Hauptsache geht es in diesem Song (bzw. vertonten Gedicht) um Medien- und Konsumkritik, das macht sowohl der Titel deutlich wie auch der Umstand, dass der Text zu großen Teilen auf zeitgenössische Werbeslogans anspielt. Medien- und Konsumkritik, das ist durchaus ein #BenOp-Thema; und noch deutlicher (hoffentlich) wird der Zusammenhang, wenn man berücksichtigt, was Scott-Heron in einem TV-Interview über sein wohl bekanntestes Werk sagte: 
"Du musst dein Bewusstsein ändern, ehe du deine Lebensweise ändern kannst. [...] Wenn wir also sagen, die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen, dann meinen wir damit, das, was die Menschen wirklich verändert, ist etwas, das nicht auf Film festgehalten werden kann." 
Noch 2005 erklärte der 2011 verstorbene Scott-Heron in der taz: "Revolution findet im Kopf statt. In dem Moment, in dem man bestimmte Erscheinungen nicht mehr akzeptiert und der Meinung ist, die Gesellschaft sollte sich in eine andere Richtung entwickeln, in dem Moment wird man zum Revolutionär." 

Right On, Brothers and Sisters! 


Platz 17: Emerson, Lake & Palmer, "Jerusalem" (1973) 


Ein Werk mit einer erstaunlichen Entstehungsgeschichte: Der Text ist dem Prolog eines zwischen 1804 und 1808 entstandenen Gedichtbands von William Blake entnommen und spielt auf eine Legende an, derzufolge Jesus von Nazaret als Kind oder Jugendlicher mit seinem Onkel Joseph von Arimathäa, einem Kaufmann, England besucht habe. Man beachte übrigens die in der Formulierung "these dark satanic mills" anklingende Industrialisierungskritik! Die Vertonung stammt von Hubert Parry aus dem Jahr 1916, aber natürlich haben Emerson, Lake & Palmer jede Menge ProgRock-Bombast darüber ausgegossen. Besonders der martialische Charakter der zweiten Strophe ("bring me my chariot of fire", allein schon!) wird dadurch sehr schön unterstrichen, wie ich finde. Letztlich stellt der Text aber doch klar, dass es einen geistigen Kampf gilt. "Denn", wie der Apostel Paulus betont, "wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen" (Epheser 6,12). 


Platz 16: Johnny Cash, "The Man Comes Around" (2002) 


Und es wird abermals apokalyptisch, diesmal aber mit erheblich größerem Ernst als bei der Orchideenwurzelpulver saufenden griechischen Hippie-Kapelle. "The Man Comes Around" ist einer von Johnny Cashs letzten Songs, der Titelsong seines letzten zu seinen Lebzeiten erschienenen Albums, und darf daher wohl ohne allzu übertriebenes Pathos als sein Vermächtnis gelten. Der Text ist rappelvoll mit Bibelzitaten und biblischen Motiven, überwiegend aus der Offenbarung des Johannes, aber auch aus verschiedenen anderen Büchern des Alten und Neuen Testaments; und es geht darin um nichts Geringeres als das Jüngste Gericht. Wahrscheinlich gab und gibt es niemanden, der über so ein Thema so eindringlich und mit einem solchen Ernst singen könnte wie der späte Johnny Cash. Hörbefehl! 


So, und für wessen Geschmack da jetzt noch nicht das Richtige dabei war, der darf sich damit trösten, dass dies ja nur das untere Viertel der Hitliste war. Nächste Woche gibt's hier die Plätze 15-11. Stay tuned! 



Dienstag, 19. März 2019

Herein in die Bücherstube!

Am Anfang der Idee stand ein leeres Regal. 

Wobei, ganz so stimmt das eigentlich nicht. Eine Vorstufe zu dieser Idee hatte ich bereits in einem meiner Notizbücher festgehalten, ehe ich das leere Regal im Georgsaal der Pfarrei Herz Jesu Tegel zum ersten Mal sah. Aber darauf komme ich noch. Beginnen wir erst einmal so: Als meine Liebste und ich im Herbst 2016, nach der Rückkehr von unserem gemeinsamen Jakobsweg, anfingen, in Tegel zur Kirche zu gehen und nach Wegen zu suchen, uns aktiv in die dortige Gemeinde einzubringen - noch ehe wir auf dem Gebiet dieser Pfarrei wohnten, aber wir hatten bereits vor, uns dort eine Wohnung zu suchen -, gingen wir selbstverständlich auch zum "Sonntagstreff", dem einmal im Monat im Anschluss an die Sonntagsmesse von der Kolping-Ortsgruppe veranstalteten Gemeinde-Brunch. Und was uns dort unter anderem ins Auge fiel, war ein großes und allem Anschein nach völlig ungenutztes Regal. Ich bin notorisch schlecht im Schätzen, aber ich würde trotzdem mal sagen, 30 Regalmeter hatte das Ding alles in allem bestimmt, wenn nicht mehr. "Das schreit eigentlich danach, eine Gemeindebibliothek einzurichten", waren wir uns einig. 

Rückblende: Einige Monate zuvor hatten wir, inspiriert durch einige hier geschilderte Eindrücke von einem "Straßenfest-Crawl", angefangen, Ideen für ein missionarisches Gemeindeerneuerungs-Projekt zu sammeln, dem ich den vorläufigen Arbeitstitel "Der Donnerstagsclub" (sic!) verpasste. Und in dem Notizbuch, in dem ich diverse Ideen für dieses Projekt skizzenhaft festhielt, findet sich unter dem Datum vom 05.07.2016 der folgende Eintrag:
"Wir brauchen eine BÜCHEREI! Mit guten religiösen Büchern, ggf. aber auch anderen -- im Zweifel lieber was cooles Nichtreligiöses als Anselm Grün (um nur mal ein Beispiel zu nennen). 
Hier wie überhaupt gilt: Man muss den Leuten einfach vertrauen, das spart u.a. auch Verwaltungsaufwand (Leihfristen, Mahngebühren etc.). Darf man halt keine Bücher einstellen, die auf keinen Fall abhanden kommen dürfen. Man kann es auch direkt 'Leih- und Tauschbücherei' nennen. Regelmäßig zu Bücherspenden aufrufen. Wenn Bücher gespendet werden, die nicht ins Profil passen: versuchen, sie bei anderen gemeinnützigen Bücherei-/Tauschladenprojekten gegen Passendes einzutauschen. 
Für den Anfang reicht ein unsortiertes Ikea-Regal. Wenn's größer wird, muss man sich auch mal Gedanken um Sortierung machen. 
Aus eigenen Beständen könnte ich bestimmt so 20-30 Bände beisteuern, vielleicht noch mehr. Und Suse -- mal sehen, was sie rauszurücken bereit ist... :) 
Mit Hilfe von Flohmärkten und Büchertrödel dürfte ein Anfangsbestand von 100-150 Bänden recht schnell zu erreichen sein."

Soweit, wie gesagt, die erste Ideenskizze. Und nun starrte uns da dieses leere Regal an und forderte uns auf, etwas draus zu machen. Zunächst einmal mussten wir aber überhaupt einen Fuß in die Tür dieser Gemeinde bekommen, und dass das kein Selbstläufer werden würde, zeigte sich nirgends so deutlich wie eben beim Kolping-"Sonntagstreff", bei dem wir zunächst einmal Mühe hatten, Leute zu finden, die uns erlaubten, uns zu ihnen an den Tisch zu setzen. Wären wir nicht so entschlossen gewesen, diese Gemeinde zu "unserer" Gemeinde zu machen, hätten wir vermutlich innerhalb der ersten zwei Monate aufgegeben. (Sorry, muss einfach mal gesagt werden.) 

Kurz und gut, wir gaben nicht auf, knüpften unverdrossen Kontakte innerhalb der Gemeinde, starteten im März 2017 unser "Dinner mit Gott"-Projekt, und irgendwann stellten wir dann mal die Bücherei-Idee zur Diskussion. Die Resonanz war bemerkenswert positiv - die Gemeindereferentin war dafür, der Lokalausschuss war dafür -, aber so richtig Schwung kam erst in die Sache, als ein neues Gemeindemitglied (kürzlich hergezogen, seit ein paar Monaten im Ruhestand und voller Tatendrang) davon hörte und Interesse zeigte, eine führende Rolle bei dem Projekt zu übernehmen. Probleme gab's mit den Kolping-Leuten, die meinten, es würde ihren monatlichen "Sonntagstreff" stören, wenn da Bücher im Regal stünden; aber davon ließen wir uns nicht groß beeindrucken. Ein paar Änderungen am Konzept hat es gegenüber meinen oben skizzierten ersten Ideen inzwischen auch gegeben -- dazu gleich mehr; und wir haben bereits erheblich mehr Bücherspenden bekommen, als ich erwartet hätte. 

Schon nicht schlecht für den Anfang, oder? 

Der aktuelle Planungsstand jedenfalls sieht so aus:
  • Um das Büchereiprojekt erst mal angeschoben zu kriegen und in der Gemeinde (und möglichst darüber hinaus) bekannt zu machen, wird es künftig einmal im Monat, nämlich jeweils am vierten Sonntag des Monats im Anschluss an die 9:30-Uhr-Messe, einen "Offenen Büchertreff" geben (erstmals also am kommenden Sonntag, dem 24. März). Dabei sind alle, die sich für das Büchereiprojekt interessieren, eingeladen, ihre eigenen Ideen, Wünsche und Vorstellungen einzubringen; nicht zuletzt soll dieser Büchertreff aber auch einfach ein geselliges Angebot sein, nicht in direkter Konkurrenz zum Kolping-"Sonntagstreff", sondern mit dem Ziel, ein anderes Publikum anzusprechen als dieser. Wir stellen Tee, Kaffee und Gebäck zur Verfügung (gegen Spende) und richten auch eine Spielecke für Kinder ein (die gewissermaßen schon die Keimzelle der künftigen Krabbelgruppe bilden könnte). 
  • Bei der Annahme von Bücherspenden machen wir erst einmal keine thematischen Vorgaben; Bücher aussortieren kann man, wenn das Regal voll ist (was, wie's aussieht, schon relativ bald der Fall sein könnte). Aussortierte Bücher sollen dann bei einem regelmäßigen Büchertrödel gegen Spende abgegeben werden; die Einnahmen kommen (wie auch alle sonstigen Spendeneinnahmen, sofern sie über die reine Kostendeckung hinausgehen) einem von unserem aus Nigeria stammenden Pfarrvikar initiierten Projekt zum Aufbau einer Schule in seiner Heimat zugute kommen.

Und dann muss man mal sehen, wie die Dinge sich weiter entwickeln! Idealerweise sollte sich aus dem "Büchertreff" ein "Lesecafé" entwickeln, das öfter als nur einmal im Monat seine Pforten öffnet und in dem auch Veranstaltungen wie etwa Lesungen, Vorträge und evtl. auch Konzerte stattfinden können; und vor allem soll es eine Anlaufstelle sein, um auch für andere Aktivitäten in der Gemeinde neue Leute zu rekrutieren. 

Ich persönlich würde ja außerdem auf längere Sicht auch dem Bücherbestand gern einen gewissen inhaltlichen "Spin" geben, mit einem Schwerpunkt auf Themen, die für das Thema Gemeindeentwicklung "nützlich" sein oder werden könnten. Womit ich nicht nur religiöse Literatur meine - die natürlich auch -, sondern auch so allerlei DIY-Literatur zu Themen wie Einkochen, Backen, Gärtnern, Imkerei, Musikinstrumente spielen lernen, Möbel selber bauen... Guerilla Gardening 4 Jesus eben. Ihr kennt mich ja. Schauen wir mal, inwieweit meine Vorstellungen sich auf längere Sicht realisieren lassen. 

Jedenfalls: Wenn Ihr in Berlin oder in der Nähe seid, dann kommt am Sonntag gern um 9:30 Uhr zur Messe in Herz Jesu Tegel und anschließend zum Büchertreff,  und probiert meinen selbstgebackenen Kuchen




Montag, 18. März 2019

Kaffee & Laudes - Die Wochenvorschau (2. Woche der Fastenzeit)

Was bisher geschah: Ist es mir gelungen, die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zu ignorieren? Leider nicht ganz. Theoretisch bin ich, auch wenn ich dem praktisch nicht ganz gerecht werde, tatsächlich der Meinung, je weniger man das, was von diesem Gremium kommt, auch nur zur Kenntnis nimmt, desto besser. Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen. Christus hat Seiner Kirche zugesagt, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden, aber das gilt nicht unbedingt für die Organisationsstruktur der Kirche in einem bestimmten Land zu einer bestimmten Zeit. Wir sollten darauf gefasst sein, dass die äußere Erscheinungsform der Kirche hierzulande sich noch innerhalb unserer Lebenszeit viel radikaler verändern wird, als diejenigen Kirchenfunktionäre es sich träumen lassen, die derzeit nach Art der "bewährten" Vietnamkriegs-Strategie "Wir mussten das Dorf zerstören, um es zu retten" versuchen, sie aufrecht zu erhalten. Unsere Aufgabe ist es, an der Basis die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Glaube in den kommenden Wirren bewahrt und weitergegeben werden kann. Das ist geradezu die Quintessenz der #BenOp (die - so die gute Nachricht der letzten Woche - jetzt auch als Paperback und mit einem exzellenten Vorwort von Erzbischof Gänswein vorliegt). 

Hier wird nun wohl der "Keine-Sorge-ich-bin-immer-noch-katholisch"-Disclaimer fällig: Selbstverständlich brauchen wir die Bischöfe. Als Garanten der Apostolischen Sukzession, als Hüter der Sakramente, als Hirten des Gottesvolkes. Umso mehr wäre zu wünschen, dass sie sich auf diese Aufgaben konzentrierten, anstatt sich zu gerieren wie Regionaldirektoren eines krisengeschüttelten Franchise-Unternehmens. 

Davon abgesehen war ich trotz Männergrippe ziemlich produktiv und habe mein mir selbst gesetztes Blog-Pensum für die Woche leicht übererfüllt. Schauen wir mal, wie das weitergeht. 



Was ansteht: Meine Liebste geht, nachdem sie zwei Wochen krankgeschrieben war, wieder arbeiten, daraus folgt, dass ich wieder vollumfänglich als "Stay-at-Home-Dad" im Einsatz bin. Es bleibt abzuwarten, was ich daneben sonst noch so geschafft kriege. Nach wie vor denke ich darüber nach, etwas über die Aktion "Klimafasten" zu bloggen; wobei sich da - u.a. veranlasst durch heftige Diskussionen in katholischen Facebook-Gruppen, an denen ich mich nur lesend beteiligt habe - der Schwerpunkt in eine andere Richtung verlagern könnte, als ich zunächst gedacht hätte. Oder ich lasse es einfach bleiben. Schließlich will ich auch noch was über das Ernährungs-Kapitel von "Crunchy Cons" schreiben, und manch ein Leser könnte den Eindruck haben, es nähme etwas überhand mit den "Öko-Themen"

(Wobei ich nicht ausschließen kann, das ich, auch vor dem Hintergrund der oben angesprochenen Diskussionen, einfach mal Lust bekommen könnte, genau diese Leser zu provozieren.) 

Am morgigen Dienstag ist das Hochfest des Hl. Josef (s.u.), und ich denke, ich werde das zum Anlass nehmen, mit meiner Tochter in einer Kirche unseres Pastoralverbunds zur Messe zu gehen, die den Namen "St. Josef" trägt (aber dennoch nicht an diesem Tag ihr Patronatsfest feiert, sondern am 1. Mai, dem Fest "St. Josef der Arbeiter"). Und natürlich sind meine Gedanken an diesem Tag auch bei einer anderen St.-Josefs-Kirche, nämlich derjenigen in Stadland-Rodenkirchen, die schon in zwei Wochen profaniert werden soll (und, insofern wenig überraschend, ebenfalls kein Patronatsfest mehr feiert). 

Gegen Ende der Woche gilt es dann wieder Kuchen zu backen und vielleicht, wenn ich mich traue, auch ein Brot; die Ergebnisse dieser Backaktion nehme ich dann am Sonntag mit zur Eröffnung des "Büchertreffs" in unserer Pfarrei. Zu diesem Projekt folgt in Kürze noch ein eigenständiger Artikel...


aktuelle Lektüre:

Ja, ich bin immer noch dabei. Ich sagte ja, ich lese es bewusst langsam. Habe gerade das Kapitel zum Thema "Wohnen" durch, das sich als interessanter herausgestellt hat, als ich zunächst dachte. Da der Autor seine Ausführungen zu Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt, zu Stadtentwicklung, Gentrifizierung und zu den sozialen Auswirkungen verschiedener Bau- und Siedlungsformen zu einem großen Teil auf eigene Erfahrungen seiner Familie stützt, sind viele Details recht spezifisch für US-amerikanische Verhältnisse, aber mit ein bisschen Bereitschaft zu eigenständigen Transferleistungen kann man daraus durchaus auch Schlüsse auf die Situation hierzulande ziehen, beispielsweise hinsichtlich des Phänomens, dass Altbauten, die in den 1880er- bis 1910er-Jahren als billige Arbeiterquartiere errichtet wurden, heutzutage als chic gelten und entsprechend begehrt sind. Zudem enthält das Kapitel eine Reihe von Literaturhinweisen für die vertiefende Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten des Themas, etwa mit dem "Arts & Crafts Movement" oder dem "New Urbanism". Als nächstes kommt das Thema "Bildung" an die Reihe, da zeichnen sich größere inhaltliche Überschneidungen mit der #BenOp ab.


Ich dachte mir, es wird Zeit für etwas im engeren Sinne "geistliche Lektüre" für die Fastenzeit. Meine Liebste hat mir das Buch empfohlen. Ich habe gerade erst angefangen. Der Prolog, der das Erlebnis eines heftigen Sturms auf der Felseninsel Athos schildert, ist durchaus eindrucksvoll, wenn auch für meinen Geschmack ein bisschen zu weitschweifig und detailverliebt. Vielleicht bin ich einfach zu norddeutsch für diesen Stil. Die "Take-Home-Message" des Kapitels - Schönheit, Schrecklichkeit und Unberechenbarkeit des Meeres als Bilder für das Wesen Gottes - kommt trotzdem an. 

Mit dem "Herrn der Ringe" bin ich in der letzten Woche übrigens nicht viel weiter gekommen. Dafür werde ich mir also auch mal wieder Zeit nehmen müssen.


Linktipps:
Was es über meine einleitenden Zeilen hinaus noch über die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zu sagen gibt, sagt Bloggerkollege kephas und wägt seine Worte dabei nicht mit der Zuckerzange ab. Eine befreiende Lektüre: kurz, knackig, voll auf die Zwölf. 

Sehr schöner Text über Urban Gardening (bzw., genauer gesagt, Urban Farming) und ein unerwartetes Problem, das dabei auftreten kann: Was, wenn man mehr erntet, als man selbst verbrauchen kann? -- Die naheliegende Antwort lautet: Man gibt den Nachbarn was ab. Diese Kurzzusammenfassung verrät nun natürlich noch nicht unbedingt, was an diesem Text so wunderschön ist. Lest ihn einfach selber, Leute. Ihr werdet es nicht bereuen. (Empfehlung von Leah Libresco via Twitter.


Heilige der Woche: 

Heute, Montag, 18.03.: Hl. Cyrill von Jerusalem, Kirchenlehrer. Von 350 bis zu seinem Tod 386 Patriarch von Jerusalem; im Zusammenhang mit dem Arianismusstreit sowie wegen des Vorwurfs der unbefugten Veräußerung von Kirchengütern zugunsten  der Armen mehrfach verbannt. Verfasser bedeutender Katechesen für Taufbewerber und Neugetaufte. 

Dienstag, 19.03.: Hl. Josef, Bräutigam der Allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria und Ziehvater Jesu (Hochfest). Tommy und Karen Tighe ("How to Catholic Family") schreiben über diesen Feiertag: 
"Der Hl. Josef, das oft am wenigsten gewürdigte Mitglied der Heiligen Familie, hat auf jeden Fall etwas Liebe von Seiten unserer Familien verdient, wenn sein Festtag im Kalender steht. Als Ziehvater Jesu und Bräutigam Mariens ist er in einer Welt, die dem Glauben und der Famikue vielfach feindlich gegenübersteht, ein gutes Vorbild dafür, was es heißt, ein guter Ehegatte, Vater und Mann zu sein.
Als Schutzpatron der gesamten Kirche, der Väter, Tischler und Reisenden, als Fürsprecher für soziale Gerechtigkeit und einen guten Tod hat der Hl. Josef sicherlich eine besondere Verbindung zu jedem von uns."

Samstag, 23.03.: Hl. Toribio de Mogrovejo (1538-1606). Gebürtiger Spanier, 1581 zum 3. Erzbischof von Lima (Perú) ernannt. Wird als "Beschütze der Indios" verehrt. Visitierte dreimal das gesamte Territorium seiner Diözese, überwiegend zu Fuß oder auf einem Maultier reitend; starb an einem Gründonnerstag während einer Missionsreise zu den Indios. 


Aus dem Stundenbuch:

Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, * vom Werk seiner Hände kündet das Firmament.