Ich
will mich ja nicht selber loben – oder will ich das doch? –, aber
ich möchte meinen Lesern doch nicht die Information vorenthalten,
dass meine unlängst hier veröffentlichte Analyse eines umstrittenen Stadtentwicklungskonzepts für den Nordenhamer Stadtteil Einswarden
von mehreren Personen, die sich mit der Situation vor Ort sehr gut
auskennen, in nahezu allen wesentlichen Punkten – selbst in
solchen, die eingestandenermaßen zu einem gewissen Grad auf
Spekulation beruhten – bestätigt worden ist. Derweil gibt es
allerlei neue Entwicklungen. Nach der schon erwähnten Bürgerversammlung und einer Sitzung des Bauausschusses am folgenden Tag, bei der das Sanierungskonzept "kurzfristig – quasi über Nacht" auf die Tagesordnung gesetzt worden war, was zu kontroversen Diskussionen und schließlich zur Vertagung der Sitzung auf den 22. Januar führte, schrieben engagierte Einswarder Leserbriefe an die Lokalpresse, führten Unterredungen mit Stadtratsmitgliedern und diskutierten eifrig in sozialen Netzwerken. Dabei stieß offenbar
vor allem der Plan zur Bebauung des Marktplatzes auf Kritik; dieser
ist durch einen einstimmigen Beschluss des Bauausschusses nun vom Tisch. Weiterhin
geplant ist hingegen der Abriss der vieldiskutierten "Schrottimmobilien" an der Niedersachsenstraße 52-62. Ich habe
ein paar Fotos von Häusern in dieser Straße geschickt bekommen:
"Broken-Window-Effekt" in Aktion. |
Wenn man sich die Häuser
nur von außen ansieht (und weitere Standortfaktoren unberücksichtigt
lässt), könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass das geeignete
Objekte für eine Luxussanierung wären. Im Inneren sollen sie zum
Teil allerdings völlig marode sein. Unbestätigten Gerüchten
zufolge sollen in den Häusern Niedersachsenstraße 52-62 sämtliche
Wasser- und Stromleitungen sowie Heizkörper von Einbrechern
ausgebaut und stellenweise sogar die Fußböden entfernt worden sein.
Zur
Vorgeschichte dieser und weiterer "Schrottimmobilien" ist zu
sagen, dass Einswarden – noch 1860 ein kleines Fischerdörfchen mit
gerade mal 107 Einwohnern – in der Zeit der Industrialisierung sehr
schnell gewachsen ist und dass viele dort noch heute stehende
Wohnhäuser zwischen 1908 und 1912 sowie zwischen 1936 und 1938 als
billige Arbeiterquartiere gebaut wurden. Anstatt sie zu modernisieren
und an gestiegene Ansprüche in Sachen Wohnkomfort anzupassen, wurden
sie über Jahrzehnte hinweg gezielt an Personengruppen vermietet, die
bezüglich ihrer Wohnsituation nicht wählerisch sein konnten: in den
70ern an damals so genannte "Gastarbeiter" aus der Türkei, in
den 90ern an Spätaussiedler aus Polen und Russland, und wie es
heißt, "setzte das Sozialamt der Stadt dann noch gerne
Alkoholiker in günstige Wohnungen in Einswarden". Klar, dass sich
so etwas auf die Sozialstruktur eines Stadtteils auswirkt.
Wobei die soziale Situation im Stadtteil insgesamt wohl nicht annähernd so schlimm ist, wie man sich das
vorstellen könnte. Kriminalität soll es, wie mir versichert wurde,
in Einswarden in keinem größeren Ausmaß geben als in anderen
Stadtteilen Nordenhams. "Frauen können hier nachts auch durch
unbeleuchtete Straßen gehen ohne Angst". In mehreren Facebook-Diskussionen wurde hervorgehoben, dass Einswarden immerhin
einen Kindergarten, zwei Schulen, ein Schwimmbad,
Einkaufsmöglichkeiten, eine Apotheke, ein Ärztehaus und ein Kinder-und Jugendzentrum habe und somit von der Infrastruktur gar nicht mal
schlecht aufgestellt sei. Also doch ein Ort, an dem Familien sich
niederlassen könnten, um "Stadtteilentwicklung von unten" zu
betreiben – vorausgesetzt, es gibt ausreichende Möglichkeiten zum
Geldverdienen? Anders gefragt: Wäre Einswarden ein geeigneter Ort
für ein BenOp-Projekt?
Nun, für mich persönlich
kommt es aus familiären Gründen zumindest für die nächsten fünf
Jahre nicht in Frage, da hinzuziehen. Auf längere Sicht würde ich
es nicht ausschließen, und in der Zwischenzeit interessiert sich ja
vielleicht der eine oder andere meiner Leser dafür. Denn irgendwie
scheint mir die Sache doch ein gewisses Potential zu haben.
Natürlich ist für das
Thema "BenOp-Community" die kirchliche Situation vor Ort nicht
unerheblich, und was das angeht, wurde mir mitgeteilt, dass nicht nur
die 1928 geweihte katholische Herz-Jesu-Kirche in Einswarden seit
Anfang 2015 geschlossen ist, sondern dass die evangelischeFriedenskirche bereits 2013 entwidmet wurde. Die "großen" Konfessionen sind also beide nicht mehr im Stadtteil präsent,
dagegen finden im Mehrzweckhaus Gottesdienste einer Freikirche statt,
und in der Niedersachsenstraße gibt es eine Moschee, in deren Räumen
auch eine Teestube betrieben wird – einer der wenigen
verbleibenden geselligen Orte Einswardens nach dem (auch im
Stadtentwicklungskonzept beklagten) weitgehenden Niedergang des
Vereinslebens. Die in meinem vorigen Einswarden-Artikel indirekt
aufgeworfene Frage, ob die einstmals sehr aktive katholische Gemeinde
womöglich, trotz der Aufgabe des Gottesdienststandorts Herz Jesu, im
Stadtteil noch sozial aktiv sei, kann man nach den Informationen, die
ich in der Zwischenzeit erhalten habe, wohl weitgehend verneinen,
auch wenn die örtliche Kolpingsfamilie (die 1983 von dem damaligen Kaplan Carl Trenkamp, heute Pfarrer in Westerstede, mit der bemerkenswert vorausschauenden Begründung "Wenn ihr selbständig bleiben wollt, müsst ihr eine Kolpinggruppe gründen" ins Lebengerufen wurde) sich ihre Selbständigkeit gegen allerlei
Widerstände bewahrt hat. Das "Witten-Huus",
zu "meiner Zeit" noch ein schönes und gut ausgestattetes
Gemeindehaus, wird offenbar nur noch als Lager für die Litauen-Hilfe
genutzt.
Und eine cool aussehende
Blockhütte, genannt "Der Frilling", gibt es auf dem Kirchengrundstück auch. Die habe
ich allerdings noch nie von innen gesehen.
Das sicherlich nicht
uninteressanteste Ergebnis meiner Beschäftigung mit dem Stadtteil
Einswarden ist übrigens, dass mir gestern ein Exemplar einer im Jahr
2010 vom damaligen Pfarrer Alfons Kordecki herausgegebenen Chronik
der Kirchengemeinde Herz Jesu Einswarden sowie der katholischen
Gemeinden in den Butjadinger Ortsteilen Burhave und Stollhamm und der
OASE in Tossens ins Haus geflattert ist. Dieses Büchlein werde ich
hier demnächst mal ausführlich würdigen müssen...
Zu den Luxussanierungen.
AntwortenLöschenNoch auf einer Versammlung der Initiative Ortsgemeinschaft Einswarden am 12. Juni 2017 hatte ein Bevollmächtigter der Eigentümer berichtet, er habe mit einem Bausachverständigen die besagten Schrottimmobilien begutachtet.
Die seien trotz ihres Alters noch in einem bemerkenswert guten Zustand. Die Bausubstanz sei noch recht gut und sie ließen sich durchaus noch sanieren.
Zitat: „Stünden diese Häuser in Hamburg, wäre es kein Problem sie nach einer, zwar aufwendigen, Sanierung wieder zu vermieten.“
Am 8. September 2017 hieß es dann plötzlich von einem Bevollmächtigten der Immobilienverwaltungsgesellschaft, das vereinzelt sogar in die Häuser eingebrochen und noch Heizkörper abgebaut worden wären. Auch Fußboden wären aufgebrochen und zerstört worden.
Im persönlichen Gespräch versicherte mir der Bevollmächtigte der Eigentümer: „Um solche Gebäude in Einswarden für Mieter wieder attraktiv zu machen und zu einem angemessenen Mietzins zu vermieten, müsste das gesamte Umfeld im Stadtteil aufgewertet werden.“
Wobei mit „angemessenem Mietzins“ ein Quadratmeterpreis gemeint ist, der weit über dem durchschnittlichen örtlichen Immobilienpreis liegen würde.
D.h. sanieren ließen sich die Schrottimmobilien, aber auf dem hiesigen Wohnungsmarkt ließen sie sich nicht zu einem angemessenen Mietzins bzw. Kaufpreis vermarkten.