Eins vorweg, Freunde: Wie ihr an der Tatsache ablesen könnt, dass dieses Wochenbriefing überhaupt erscheint, lebe ich noch und habe meine Hernien-OP so einigermaßen überstanden; Näheres dazu weiter unten. Im Übrigen bin ich in der zurückliegenden Woche ein Jahr älter geworden, wir sind vom roten zum grünen Stundenbuch gewechselt (d.h. die Zeit im Jahreskreis hat wieder begonnen), und auch wenn ich bis auf Weiteres ein bisschen mobilitätseingeschränkt und in meinem allgemeinen Tatendrang gebremst bin, gibt es doch wieder allerlei zu berichten. Seht selbst!
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Pedro de Campagna (1503-ca. 1580), Pfingsten. Ausgestellt im Kathedralmuseum in Burgos, eigene Aufnahme von 2016 |
Komm, Heiliger Geist!
Pfingsten, das Hochfest der Ausgießung des Heiligen Geistes, feierten wir in St. Joseph Siemensstadt; ermöglicht wurde das dadurch, dass der Ort und die Anfangszeit der Kindergeburtstagsfeier, zu der unsere Kinder (beide!) eingeladen waren, kurzfristig geändert worden war, andernfalls hätten wir wohl am Abend zuvor in eine Vorabendmesse gehen müssen. Das Schöne daran, dass wir an der Messe am Sonntagvormittag teilnehmen konnten, war, dass zwei Jugendliche aus dem aktuellen Firmkurs getauft wurden und zwei weitere zur katholischen Kirche konvertierten – ein freudiger Anlass, der sich in einer besonders feierlichen Gestaltung der Messe niederschlug. Man kann den Sachverhalt von zwei Seiten betrachten – man kann sagen, die Taufe wurde dadurch besonders feierlich, dass sie an Pfingsten stattfand, oder aber, die Pfingstmesse wurde dadurch besonders feierlich, dass in ihr eine Taufe (bzw. eben zwei Taufen) stattfand(en); aber wie man's auch drehen will, es war jedenfalls eine sehr schöne Messe.
"Pfingsten bedeutet, dass Gott die Kirche aus allen Völkern zusammenfügt", betonte der Pfarrvikar schon in seinen Begrüßungsworten. "Es gibt keine Barrieren der Welt mehr zwischen den Menschen, sondern der Heilige Geist ist immer der, der eint und verbindet." In der Predigt führte er aus: "Die Kirche ist nicht eine Struktur, sondern ein lebendiges Wesen. Dieses Wesen hat einen Kopf, das ist Christus, der den Leib liebt. Das heißt: Wir sind der Leib, wir sind von Christus geliebt, ganz." Und weiter:
"Wir haben die Apostelgeschichte gehört: Die Jünger haben zwar den Herrn gesehen – auferstanden –, haben mit ihm gegessen; das muss ein reales Ereignis gewesen sein, denn sonst wären sie nie auf die Idee gekommen. [...] Aber trotzdem sperren sie sich im Abendmahlssaal ein. Das heißt, sie haben noch Angst: Angst vor dem Leben, Angst zu sterben. Und sie begegnen Christus, der zu ihnen kommt, und der Heilige Geist holt sie heraus aus einem Leben, wo sie voller Fragen sind."
Direkt an die vier Jugendlichen gewandt, die durch Taufe bzw. Konversion in die Kirche aufgenommen wurden, fügte er hinzu:
"Ihr seid in einem Alter, wo es viele Fragen gibt im Leben. Wo ist der Platz in meinem Leben, wo gehöre ich hin, was passiert in meinem Leben. Vielleicht auch manche Ungewissheiten, manche Ängste. Das Christentum ist nicht eine Droge – das heißt, der Heilige Geist nimmt dir die Schwierigkeiten nicht weg. [...] Aber Er macht das Herz weit, Er schenkt dir Mut und Vertrauen. [...] Auch die Jünger sind genauso danach verfolgt worden. Aber Er gibt ihnen eine Freude, eine Freiheit und eine Kraft zu leben, und das ist ein Riesengeschenk. Damit wird das Unmögliche möglich. Petrus wird ins Gefängnis gesperrt, hat kein Problem, singt Loblieder, wird befreit von einem Engel und so weiter. Das heißt, ihr werdet die Gegenwart Gottes entdecken, und, wie gesagt, der Heilige Geist macht immer das Leben weit. Er ist immer großzügig, Er ist immer voller Zärtlichkeit für uns. Der Heilige Geist kommt im Sturm und im Feuer; [...] das Feuer hat eine Kraft zu zerstören, ja, das Feuer verbrennt in uns, der Heilige Geist verbrennt in uns den Egoismus, aber Er macht das mit einer sehr großen Zärtlichkeit."
Ich muss sagen, ich freue mich für die vier Jugendlichen, dass ihnen anlässlich ihrer Aufnahme in die katholische Kirche diese Worte mit auf den Weg gegeben worden sind – anstatt dass sie etwa an einen Priester geraten wären, der ihnen nahelegt, sie sollten das alles™️ nicht so ernst nehmen. Und ja, solche Priester gibt es.
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Taufe Jesu, Buntglasfenster in der Kirche Santa María de la Asunción in Navarrete. Eigene Aufnahme von 2016. |
Unerwartete Vakanz in Eichstätt
Eine Nachricht, die mich am Pfingstsonntag recht unvorbereitet getroffen hat, lautet, dass es neben meinem allerzweitliebsten Bistum Münster nun noch eine zweite vakante Diözese in Deutschland gibt: Gregor Maria Hanke OSB, seit 2006 Bischof von Eichstätt, ist von diesem Amt zurückgetreten und will fortan wieder einfacher Seelsorger sein. Eingereicht hat er sein Rücktrittsgesuch noch bei Papst Franziskus, der es, wie die Diözese Eichstätt nun bekannt gegeben hat, noch kurz vor Ostern "nunc pro tunc", d.h. mit Wirkung zu einem später festzulegenden Termin, angenommen habe. Bischof Hanke wird in wenigen Wochen 71 Jahre alt, hätte also bis zu einem Rücktritt aus Altersgründen noch gut vier Jahre Zeit gehabt. Zu seinem vorzeitigen Rückzug gibt er an, dieser habe "eine längere Vorgeschichte" gehabt, die "von einem geistlichen Ringen begleitet" gewesen sei; er verweist auf "Herausforderungen und Krisen seiner Amtszeit", wozu neben Konflikten um die Leitung der Universität Eichstätt-Ingolstadt – der einzigen katholischen Universität Deutschlands – und einem Finanzskandal im Jahr 2018 vor allem die Konfrontation mit Missbrauchsfällen gehört habe.
Derweil hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing (Limburg), seinem zurückgetretenen Amtsbruder eine Würdigung nachgerufen, die für mein Empfinden so jovial-herablassend klingt, als gelte es, einen langjährigen verdienten Mitarbeiter mit einem Blumenstrauß und einer goldenen Uhr zu verabschieden. Es muss an dieser Stelle noch einmal daran erinnert werden, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz mitneffen bzw. –nichten der Vorgesetzte der anderen deutschen Bischöfe ist; insbesondere bei Bischof Bätzing erscheint es manchmal fraglich, ob ihm das bewusst ist. – Als eine ziemliche Unverfrorenheit darf man wohl die folgende Passage seines Schreibens bezeichnen:
"Bei allen Spannungen, die Du ja auch kürzlich wieder einmal benannt hast, möchte ich Dir für Dein Mitgehen auf dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland danken. Ich weiß, dass Du Dich damit zunehmend schwergetan hast, aber Deine aktive Präsenz bei den Synodalversammlungen möchte ich an dieser Stelle eigens benennen."
Bei den "Spannungen", auf die Bätzing hier anspielt, handelt es sich darum, dass Bischof Hanke zu den entschiedensten und konsequentesten Kritikern des Synodalen Weges im deutschen Episkopat gehört hat. Bei der fünften und letzten Synodalversammlung am 9.-10.03.2023 in Frankfurt am Main stimmte er gegen den Grundtext "Priesterliche Existenz heute", den Handlungstext zum Zölibat, den Handlungstext "Frauen in sakramentalen Ämtern" und den Handlungstext "Segensfeiern für Paare, die sich lieben"; beim Handlungstext "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" enthielt er sich, an der Abstimmung zum Handlungstext "Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt" nahm er nicht teil. Und was Bätzings süffisante Formulierung "kürzlich wieder einmal" angeht, so bezieht sich diese offenkundig darauf, dass Bischof Hanke unlängst gemeinsam mit Kardinal Woelki und den Bischöfen von Regensburg und Passau, Voderholzer und Oster, erklärt hat, sich am Synodalen Ausschuss und auch an einem zukünftigen Synodalen Rat nicht beteiligen zu wollen. Angesichts dieser klaren Haltung muss man sich schon fragen, was Kollege Bätzing eigentlich mit dem Versuch bezweckt, seinen scheidenden Amtsbruder noch in seiner Abschieds-Würdigung für das Anliegen des Synodalen Weges zu vereinnahmen; aber wahrscheinlich ist das dieselbe Art von Realitätsverlust, mit der er päpstliche Einsprüche gegen den Synodalen Weg stets als Ausdruck von Zuspruch und Ermutigung zu verkaufen versucht hat.
Was die Modalitäten der Neubesetzung der beiden derzeit vakanten bischöflichen Stühle in Deutschland betrifft, gibt es übrigens einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Münster und Eichstätt: In Münster gilt das Preußenkonkordat von 1929, demnach hat das Domkapitel das Recht, aus einer ihm vom Papst vorgelegten Liste von drei Kandidaten den neuen Bischof zu wählen. Bei der Ernennung eines neuen Bischofs von Eichstätt hat der Papst hingegen laut dem bayerischen Konkordat von 1924 völlig freie Hand, das Domkapitel macht lediglich Vorschläge, die der Papst "würdigen" soll, an die er aber nicht gebunden ist. Man darf gespannt sein, wie Papst Leo die Gelegenheit nutzen wird, die Karten im deutschen Episkopat neu zu mischen.
When I'm 49
Wie letzte Woche schon angekündigt, hatte ich am Pfingstmontag Geburtstag. Mir scheint – überprüft habe ich es allerdings nicht –, es kommt so ungefähr alle drei bis vier Jahre vor, dass mein Geburtstag so ungefähr um Pfingsten herum liegt, auch meine Geburt fiel in die Pfingstoktav, die damals allerdings offiziell schon abgeschafft war. – In der Theorie ist es ja durchaus ganz schön, an einem Feiertag Geburtstag zu haben, niemand muss zur Arbeit oder zur Schule und es kommen einem keine lästigen Termine in die Quere; andererseits ist der Pfingstmontag typischerweise so ein Tag, an dem man nicht viel Besonderes unternehmen kann, weil alles zu hat. Zudem waren die Kinder schon morgens in ziemlich krawalliger Stimmung und deutlich weniger darauf aus, ihrem Herrn Papa einen schönen Tag zu bereiten, als ich mir das gewünscht haben würde; und ich selbst war angesichts meiner bevorstehenden Bauchfell-OP unterschwellig wohl doch angespannter, als ich es mir eingestehen mochte, und daher auch nicht so recht in Feierlaune. – Als eine gute Idee erwies es sich allerdings, im All Seasons, einem chinesischen Restaurant in Spandau, das wir bisher nur vom Hörensagen gekannt hatten, zum Wochenend-Büffet zu gehen: Neben einer breiten Auswahl an wirklich leckerem Essen gab es dort auch einen Indoor-Spielplatz und ein Kinderkino. Außerdem sang mir ein Servierroboter mit Katzengesicht ("BellaBot") ein Geburtstagsständchen und brachte mir ein Geschenk: ein Essstäbchen-Set in einer schön gestalteten Holzkiste (und dazu einen Glückskeks). Die Kinder waren natürlich begeistert von dem Servierroboter, und ich fand das mit dem Geburtstagsständchen schon auch süß.
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Und über das Geschenk auf Kosten des Hauses habe ich mich durchaus auch gefreut. |
Meine Liebste, deren Geburtstag ebenfalls nicht mehr fern ist, hat jedenfalls beschlossen, am selben Ort feiern zu wollen – dann in etwas größerer Runde. Und ich bin mal gespannt, ob meine Kinder mir nächstes Jahr – also zum 50.! – ein Bild malen, einen Blumenstrauß pflücken und/oder ein Lied singen...
Neues von der KiTa-Eingewöhnung
Am Dienstag war in Berlin und Brandenburg schulfrei, daher hatten sowohl meine Liebste als auch das Tochterkind frei; ich ging derweil aber wieder mit dem Jüngsten zur KiTa-Eingewöhnung, um die sich gerade erst etablierende Routine nicht länger als nötig zu unterbrechen. Diesmal brachte ich ihn nur hin und holte ihn nach einer Stunde wieder ab, und eigentlich wäre er sogar lieber noch länger geblieben. Am Mittwoch nahm der Jüngste dann erstmals am Morgenkreis und am gemeinsamen Frühstück in der KiTa teil und war dadurch insgesamt fast zwei Stunden dort, am Donnerstag, als meine Liebste ihn hinbrachte umd wieder abholte, während ich bei meinem OP-Termin war, waren es schon fast drei Stunden, und am Freitag blieb er erstmals zum Mittagessen dort. Die Eingewöhnung macht also rapide Fortschritte, unser Sohn hat schon Freunde gefunden, und ein Highlight der Woche war, dass am Donnerstag der Großvater eines der Kinder in die KiTa kam, um einen interaktiven Vortrag über Imkerei zu halten.
Insgesamt muss man allerdings feststellen: Obwohl der Knabe auf eigenen Wunsch in die KiTa geht, obwohl alles prima läuft und er sich jeden Tag schon wieder auf den nächsten freut, ist ihm doch anzumerken, dass die KiTa-Eingewöhnung für ihn mit psychischem und emotionalem Stress verbunden ist. Die KiTa-Mitarbeiter loben ihn in den höchsten Tönen, aber man tut gut daran, nicht zu verkennen, dass es für ein Kind auch Arbeit ist, neue Tagesabläufe und Regeln zu erlernen und sich in eine Gruppe zu integrieren. Und wenn der KiTa-Tag dann für ihn vorbei ist, will der Knabe eben auch seinen Feierabend haben. Dann sollen bitte alle mal Rücksicht auf seine Bedürfnisse nehmen, und zu diesen Bedürfnissen kann es eben auch gehören, Emotionen rauszulassen, für die in der KiTa kein Platz war. Die kriegen dann vor allem seine Mami und/oder seine große Schwester ab, ich tendenziell weniger, was ich mir aber nicht unbedingt als Verdienst anrechne. – Ich will damit nicht sagen, dass das gegen die KiTa spricht, denn wie gesagt, er geht ja gern hin; aber es ist eben etwas, worauf man sich als Familie einstellen muss. Insofern ist die KiTa-Eingewöhnung durchaus eine Aufgabe und Herausforderung für die ganze Familie und nicht nur für das angehende KiTa-Kind selbst.
Was ich noch zum Elterncafé beim JAM sagen wollte
Am Mittwoch war wieder JAM, und da gingen wir wieder alle vier hin; der Jüngste schlief allerdings auf dem Weg dorthin ein und verschlief die freie Spielzeit, und als er dann wieder aufwachte, bestand er darauf, dass seine Mami mit ihm zum Programm für die Vorschulkinder ("Minis") ging. Ich blieb derweil mit unserer Großen beim Programm für die 6-12Jährigen ("Kids"), wo es, wie schon letzte Woche, um Samuel und König Saul ging. Am Elterncafé nahm somit diesmal niemand von uns teil – was mich allerdings nicht davon abhalten soll, mal etwas Grundsätzliches zu diesem Teil des JAM-Programms zu sagen, denn das hatte ich ja eigentlich sowieso schon länger vor.
Bekanntlich bin ich früher™️, also so ungefähr bis Anfang des laufenden Kalenderjahres, selten bis nie zum Elterncafé gegangen und versuche dies auch weiterhin nach Möglichkeit zu vermeiden; allerdings habe ich, nachdem ich jetzt mehr oder weniger notgedrungen doch öfter mal da war, festgestellt, dass es in der Regel deutlich anders abläuft, als ich es mir früher™️ vorgestellt habe. Das Ironische daran ist, ich glaube, es würde mir tendenziell besser gefallen, wenn es ein bisschen mehr so wäre, wie ich es mir vorgestellt habe, als ich noch nicht hinging. – Nämlich wie? Nun, ich schätze, ich fände es besser, wenn das Elterncafé stärker darauf ausgerichtet wäre, dass die Teilnehmer miteinander ins Gespräch kommen, sich kennenlernen, Erfahrungen austauschen, persönliche Anliegen zur Sprache bringen. Tatsächlich wird solchen offenen Formen sozialer Interaktion mal mehr, mal weniger Raum gegeben, aber oft habe ich den Eindruck, die Leiterinnen des Elterncafés sind eher bestrebt, sie einzudämmen, als sie etwa zu fördern. Ich bin mir nicht ganz sicher, warum sie das tun; ich gehe aber auch nicht zwingend davon aus, dass mehr dahintersteckt als ein gewisser Mangel an Leitungskompetenz – oder sagen wir: an Souveränität –, der sich darin äußert, dass man sich an sein vorbereitetes Konzept klammert und jede Abweichung davon als Störung und Kontrollverlust empfindet.
Ich könnte mir auch vorstellen – aber da bewege ich mich nun wirklich auf dünnem Eis –, dass diese mangelnde Souveränität in der Gesprächsleitung auch eine inhaltliche Seite hat, die mit einem typisch evangelikalen Glaubensverständnis zu tun hat. Damit meine ich, dass ein sehr starker Fokus auf Glaubenswissen gelegt wird und dieses wiederum als praktisch gleichbedeutend mit Bibelkenntnis betrachtet wird. Die als unanfechtbar vorausgesetzte Grundannahme, dass die Bibel unter allen Umständen Recht habe, führt – so jedenfalls meine Wahrnehmung – zu einer Scheu, etwas Falsches zu sagen, wie ich sie aus Glaubensgesprächskreisen im großkirchlichen Kontext in dieser Ausprägung eher nicht kenne. Im Zweifel bringt man dann eben eher ein Bibelzitat, statt einen eigenen Gedanken zu formulieren.
Dass vor einigen Wochen damit begonnen wurde, beim JAM-Elterncafé – allerdings im Wechsel mit anderen thematischen Einheiten – das Markusevangelium in einer speziellen Studienausgabe "für Anfänger" durchzuarbeiten, finde ich tendenziell besser, als wenn ein Thema wie z.B. "Christsein und Politik" oder "Christliche Kindererziehung" angekündigt wird und einem dazu dann im Wesentlichen nur ein Potpourri kontextfreier Bibelverse aufgetischt wird; ironischerweise zeigen sich allerdings gerade bei dieser tendenziell systematischeren Form der Bibelarbeit gewisse Unzulänglichkeiten im radikal evangelikalen Verständnis des Prinzips "sola scriptura". Vor ein paar Wochen zum Beispiel referierte eine der Elterncafé-Leiterinnen über den Verfasser des Markusevangeliums: Bei diesem handle es sich um den in der Apostelgeschichte und in einigen Briefen des Neuen Testaments erwähnten Johannes Markus, und was er in seinem Evangelium über das Leben und Wirken Jesu mitteile, wisse er aus Erzählungen des Petrus. Interessanterweise kam niemand auf die Idee, sie zu fragen, woher sie das denn wisse; in der Bibel selbst steht das schließlich nicht, da stößt das Prinzip "sola scriptura" also offenkundig an seine Grenzen. Okay, stellen wir uns mal nicht dümmer als nötig und sagen, diese Informationen über die Identität des Verfassers des Markusevangeliums stammen aus der apostolischen Tradition; präziser gesagt gehen sie auf die fragmentarisch überlieferten "Fünf Bücher der Darstellung der Herrnworte" des Apostelschülers Papias von Hierapolis zurück. Ich finde ja, das legt die Frage nahe, nach was für Kriterien evangelikale Christen eigentlich entscheiden, wann es legitim ist, sich auf die apostolische Tradition zu berufen, und wann nicht.
Aber auch sonst drängt sich mir immer wieder der Eindruck auf, dass die Evangelikalen durchaus nicht so voraussetzungslos an den Bibeltext herangehen, wie sie es dem Anspruch nach eigentlich "müssten"; dass da vielmehr eine Reihe von Grundannahmen im Spiel sind, die sie eben nicht aus dem Wortlaut der Bibel entnommen haben, sondern umgekehrt in diesen hineinlesen. Ich möchte betonen, dass das an und für sich nichts ist, was ich ihnen zum Vorwurf machen würde: Tatsächlich bezweifle ich, dass eine völlig voraussetzungslose Bibellektüre überhaupt möglich, geschweige denn theologisch sinnvoll wäre. Das Problem bei den Evangelikalen ist, dass ihre Auffassung von "sola scriptura" sie daran hindert, sich diese impliziten Voraussetzungen ihres Glaubensverständnisses einzugestehen und darüber zu reflektieren. Hinzu kommt, dass das unterschiedliche Maß an Bibelkenntnis unter den Teilnehmern zu einer Art informellem Autoritätsgefälle führt, das sich darin äußert, dass die, die sich "nicht so gut auskennen", sich kaum trauen, etwas beizutragen.
Diese kritischen Anmerkungen meine ich den Leiterinnen des Elterncafés gegenüber wohlgemerkt "nicht böse": Ich zweifle durchaus nicht an ihrem guten Willen und mag sie überwiegend auch persönlich recht gern. Gleichwohl halte ich es für sinnvoll, meine Beobachtungen und meine Kritik hier festzuhalten, denn ich glaube, dass man daraus etwas für Aktivitäten im Bereich der Evangelisierung und der Erwachsenenkatechese lernen kann. Zum Beispiel, dass man zunächst bemüht sein sollte, die Hürden für "Neulinge", sich zu beteiligen – ihre Fragen, aber auch ihre eigenen Ideen, Anliegen und Erfahrungen einzubringen, ohne befürchten zu müssen, etwas "Falsches" zu sagen –, möglichst niedrig zu halten. Und dann natürlich, dass es "erst einmal" – also sozusagen auf dem Einsteiger-Level – nicht vorrangig um Wissensvermittlung gehen sollte, und also auch nicht darum, auf jede Frage unbedingt eine fertige Antwort zu haben.
Es ist daher wohl nur folgerichtig, dass der Teil des JAM-Elterncafés, den ich am wertvollsten finde und bei dem ich dann doch hin und wieder ganz gern dabei bin, das Sammeln von Gebetsanliegen und das gemeinsame Beten für diese ist. Da öffnen sich die Leute, da erfährt man etwas darüber, wie ihnen ums Herz ist, und wenn reihum ein Teilnehmer für das Anliegen eines anderen betet, stärkt das die Gemeinschaft untereinander und vor Gott. Aber für diese "Gebetsanliegen-Runde" wird günstigstenfalls eine Viertelstunde am Ende der Veranstaltung freigehalten, oft weniger, manchmal bleibt überhaupt keine Zeit dafür. Ich persönlich hätte ja lieber mehr davon – und glaube, dass auch die anderen Teilnehmer, einige von ihnen jedenfalls, davon profitieren könnten, wenn dieser Anteil ausgebaut würde. – Wenn ich es mir recht überlege, drängt sich mir übrigens selbst der Eindruck auf, diese Ausführungen legen es nahe, dass ich doch öfter zum JAM-Elterncafé gehen sollte; zum einen, weil ich Manches daran eben doch gut finde, zum anderen aber eben auch, weil das, was ich daran nicht gut finde, in gewissem Sinne ziemlich lehrreich ist... Na, ich werde es erwägen.
Nach der Narkose
Zu der Operation, der ich mich am vergangenen Donnerstag unterziehen musste, möchte ich zu Protokoll geben, dass der Eingriff als solcher mir erheblich weniger Sorgen bereitet hat als die Tatsache, dass er unter Vollnarkose durchgeführt werden musste. Und auch darüber hätte ich mir wahrscheinlich weniger Sorgen gemacht, wenn ich mehr Erfahrung damit hätte. Aber ich bin tatsächlich 49 Jahre alt geworden, ohne ein einziges Mal unter Vollnarkose operiert zu werden – wobei, ich glaube, ganz so stimmt das nicht: Da war mal was mit Nasenpolypen, da muss ich so ungefähr fünf Jahre alt gewesen sein; ich erinnere mich, dass ich damals zur Betäubung einen Lappen mit einer scharf riechenden Flüssigkeit aufs Gesicht gelegt bekam, und dann war mir, als würde ein blau-rot gestreifter Vorhang vor meinen Augen zugezogen, und ich war weg. Als ich wieder aufwachte, schlug ich erst mal mit meinen kleinen Fäusten auf den Arzt ein. Meiner Mutter war das peinlich, aber der Arzt lachte.
Nun, am vergangenen Donnerstag lief das Ganze ein bisschen anders ab. Ich erschien früh morgens in der Praxis, hatte noch ein vertrauensbildendes Gespräch mit dem Narkosearzt, ehe ich auf dem OP-Tisch platz nehmen durfte und eine Kanüle in den Handrücken und eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht bekam. Man riet mir, ich solle beim Einschlafen "an etwas Schönes denken", also dachte ich an meine Kinder. Kurz vor dem Aufwachen träumte ich hingegen von König Franz II. von Neapel, was vermutlich meiner Retcliffe-Lektüre zu verdanken war (mehr dazu in der nächsten Folge der Saga um die eingekerkerte Nonne; sie kommt bald!). Aus der Narkose aufzuwachen, fühlte sich nicht wesentlich anders an, als aus einem normalen Schlaf aufzuwachen, außer dass ich mich zunächst noch etwas benommen fühlte und etwas länger keine Lust hatte, aufzustehen. Musste ich aber ja auch nicht.
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Erkennt jemand von meinen Lesern diese Straßenkreuzung? |
Ich kann übrigens zu Protokoll geben, dass meine Angst vor irgendwelchen (prinzipiell möglichen, aber statistisch unwahrscheinlichen) Komplikationen, die unter der Narkose hätten auftreten können, unmittelbar vor dem Termin eher ab- als zunahm. Ich denke schon, dass das etwas damit zu tun hatte, dass ich auf dem Weg zum Termin Rosenkranz gebetet habe; davon abgesehen hatte es aber wohl auch mit einem Phänomen zu tun, das man "normalcy bias" nennt (den Begriff habe ich erst vor Kurzem gelernt): Der Mensch neigt in allen Lebenslagen zu der Annahme, dass die Welt und das Leben im Großen und Ganzen morgen noch genauso sein werden wie gestern und heute. Und zwar unabhängig davon, was alles möglicherweise gegen die Annahme spricht. Simpelstes Beispiel: Man kann nie ganz sicher sein, dass man nicht über Nacht stirbt, stellt sich aber trotzdem einen Wecker, um am nächsten Morgen pünktlich zur Arbeit zu kommen. Ich würde sagen, das ist eine durchaus gesunde Einstellung: Sich ständig Gedanken darüber zu machen, dass das Leben, wie man es kennt, plötzlich vorbei sein könnte, wäre einfach zu belastend. Dass plötzlich kein Strom mehr aus der Steckdose oder kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn kommt, dass die öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr fahren und es im Supermarkt keine Lebensmittel mehr zu kaufen gibt, das sind alles Dinge, die passieren können, aber in der Regel verlassen wir uns darauf, dass das (uns) nicht passiert. Selbst die "Lockdowns" in der Corona-Zeit haben diese Grundhaltung nicht nachhaltig erschüttern können: Diese stellten zwar durchaus einen stärkeren Einschnitt in die "gefühlte Normalität" dar, als die meisten Menschen hierzulande es bisher erlebt hatten oder zu erleben erwartet hätten, aber ich würde behaupten, im Großen und Ganzen blieb doch noch ein relativ großes Maß an Normalität intakt.
Man könnte, wenn man denn wollte, diese "normalcy bias" als eine Art "säkularisiertes Gottvertrauen" auffassen, aber ich würde sagen, es gibt dabei auch eine Schattenseite: nämlich die Tendenz bzw. Gefahr, Dinge als selbstverständlich hinzunehmen, die das in Wirklichkeit ganz und gar nicht sind – was man durchaus als einen Mangel an Dankbarkeit betrachten kann. Ich jedenfalls habe es mir in den letzten Wochen zur Gewohnheit gemacht, Gott jeden Tag dafür zu danken, dass ich noch am Leben bin und meine Kinder aufwachsen sehen kann; und jetzt, nach der so unproblematisch verlaufenen Operation, merke ich schon, dass ich aufpassen muss, mir das nicht wieder abzugewöhnen.
Geistlicher Impuls der Woche
Ich bin niemals irgendwo gewesen außer krank. In gewissem Sinne ist Krankheit tatsächlich ein Ort, lehrreicher als eine lange Reise durch Europa, und sie ist stets ein Ort, an den einem niemand folgen kann. Krankheit vor dem Tod ist etwas sehr Angemessenes, und ich glaube, wer das nicht hat, dem entgeht eine Gnade Gottes.
(Flannery O'Connor, Brief an Betty Hester, 1956; eigene Übersetzung)
– Dieses Briefzitat habe ich auf meinem Blog schon einmal gebracht, vor gut neun Jahren (und somit noch in der "Vor-Punkpastoral-Ära" dieses Blogs) in einem Artikel, in dem es ohne konkreten persönlichen Anlass um die spirituelle Dimension des Krankseins ging. Diesen Artikel habe ich nun aus aktuellem Anlass selbst mal wieder nachgelesen und kann ihn als Ergänzung dazu, was ich oben im Abschnitt "Nach der Narkose" geschrieben habe, durchaus empfehlen – auf diese Weise muss ich das, was ich da schon geschrieben habe, hier nämlich nicht unbedingt wiederholen...
Ohrwurm der Woche
Sara Lorenz: Neu geboren
Als ich vor mittlerweile sechs Jahren erstmals eine Pfingstnovene mit Lobpreismusik zusammenstellte, wählte ich diesen Song für den letzten Tag aus; ich fand es irgendwie passend zur Ausgießung des Heiligen Geistes – besonders den Text der zweiten Strophe –, und deshalb behielt ich es auch in späteren Versionen "meiner" Pfingstnovene an derselben Stelle bei. Und ehrlich gesagt: Zu dem Gefühl, eine Operation (auch wenn sie an und für sich harmlos war) gut überstanden zu haben, passt der Text auch ganz gut...
Vorschau/Ausblick
Ein eindeutiger Nachteil der Tatsache, dass ich kürzlich operiert wurde und mich davon erst mal erholen muss, ist, dass ich dadurch das Emergent Berlin Festival verpasse, das seit gestern (und noch bis morgen Abend) im Baumhaus, im Panke-Club, dem Studio Blink Blink, der Druckbar und dem Himmelbeet stattfindet. Hatte ja gehofft, es würde vielleicht einen Livestream geben, habe jedoch trotz intensiver Suche nur Videoschnipsel aus früheren Jahren gefunden. Die sind allerdings auch schön.
Aber à propos Livestream: Am morgigen Dreifaltigkeitssonntag werde ich mir wohl wieder die Messe aus St. Joseph Siemensstadt auf YouTube ansehen. Ab Montag hoffe ich dann wieder fit genug zu sein, die Kinder selbst zur Schule und zur KiTa zu bringen, werde aber weiterhin dankbar sein, das Abholen meiner Liebsten oder von Fall zu Fall auch mal den Omas überlassen zu können. – Donnerstag ist das Hochfest des Leibes und Blutes Christi (kurz: Fronleichnam), und ich bin geneigt zu sagen, ich kann mich glücklich schätzen, eine Ausrede zu haben, nicht zur zentralen Fronleichnamsfeier des Erzbistums Berlin zu gehen; denn erfahrungsgemäß ist die ja eher unerfreulich. Wobei, letztes Jahr war's eigentlich gar nicht so schlecht, zumal es im Anschluss leckeres Essen gab; das soll es auch dieses Jahr wieder geben, aber ich denke, ich werde es verschmerzen können, darauf zu verzichten. – Im Übrigen fühle ich mich nach der überstandenen Operation wieder sehr viel mehr als zuvor dazu bereit, weiter als ein paar Tage in die Zukunft zu denken; daher bin ich einerseits gewillt, mich in nächster Zeit wieder stärker um das Projekt "Pfarrhausfamilie" zu kümmern – da zeichnen sich nämlich neue Perspektiven ab, aber vorläufig will ich diesbezüglich mal noch nicht zu viel verraten. Gleichzeitig und andererseits habe ich aber auch ein paar Ideen, wie ich mein Engagement in St. Joseph Siemensstadt/St. Stephanus Haselhorst verstärken bzw. ausbauen könnte, solange wir noch hier sind; und drittens will ich in absehbarer Zeit mal mit meiner Großen zu den "Royal Rangers". Zu bedenken ist bei alledem aber natürlich auch, dass ich wohl erst in ungefähr vier Wochen wieder voll belastbar sein werde – und dann sind schon bald Sommerferien...