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Samstag, 15. Februar 2025

Die 3 K der Woche (12): Kinder, Kirche, Käsespätzle

Der Alltag hat uns wieder, Freunde! Zwischen den Winter- und den Osterferien in Berlin und Brandenburg liegen neun Schul- und Arbeitswochen, davon haben wir die erste schon mal rum; und ich würde sagen, sie ist alles in allem recht gut gelaufen. Zudem gab's zur Freude der Kinder richtig schön viel Schnee (Beweisfotos weiter unten). Allerlei Neues gibt's derweil aus dem Bereich der Kinder-, Jugend- und "Junge-Erwachsenen"-Pastoral, und auch sonst könnt ihr euch auf ein thematisch abwechslungsreiches und reich bebildertes Wochenbriefing freuen... 

Ein unvollendetes Werk des Tochterkindes. Mal sehen, ob ich nächste Woche ein "Update" dazu präsentieren kann.

Und hier schon mal, wie angekündigt, ein schönes Schneelandschaftsbild.


Auf der Suche nach einer Sonntagabendmesse 

Ich hatte es schon kommen sehen: Nach der späten Rückreise aus dem Urlaub waren wir am Sonntagmorgen viel zu müde, um zu einer für uns sonst üblichen Zeit in die Messe zu gehen. Besonders die Kinder mussten dringend mal ausschlafen, nachdem sie praktisch den ganzen Samstag lang völlig überdreht gewesen waren. Wie im vorigen Wochenbriefing schon erwähnt, stand theoretisch die Möglichkeit im Raum, am Abend in Herz Jesu Tegel in die Messe zu gehen, aber das wollten wir nach Möglichkeit vermeiden, zumal diese vom leitenden Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd zelebriert wurde. Ich sah mich daher gleich morgens via Internet nach möglichen Alternativen um – und stellte fest, dass es deren durchaus einige gab, auch wenn man dafür ein bisschen weiter fahren musste. Eine Option, über die ich eher zufällig stolperte, musste ich sogleich meiner Liebsten mitteilen: 

"In Herz Jesu Prenzlauer Berg ist um 18 Uhr eine 'Worship-Messe für junge Erwachsene'." 
"Hm, könnte man ja mal probieren", erwiderte sie. "Klingt so, als wäre..." 
"...die Chance, dass es nicht total furchtbar ist, 50:50?" 
"Ja." 

Kurzum, wir ließen es darauf ankommen; der Weg dorthin erwies sich indes als nicht ganz komplikationsfrei – anscheinend warf der für Montag angekündigte Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr schon seine Schatten voraus, jedenfalls fuhr die Tramlinie M8 nicht oder nur sehr unregelmäßig. So gingen wir das letzte Stück des Weges – etwa einen Kilometer – zu Fuß und kamen gerade noch während des ersten Liedes an. Gemessen daran, dass – der Veranstaltungsankündigung auf der Website der Pfarrei nach zu urteilen – die Lobpreismusik so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal dieses Gottesdienstformats sein sollte, fand ich die Musik recht zahm, aber darauf komme ich noch zurück; zunächst einmal sei festgehalten, dass sich dieser Gottesdienst als eine im Großen und Ganzen ziemlich normale katholische Messe war. Das war natürlich insofern ganz begrüßenswert, als sich die Frage, ob wir mit der Teilnahme an dieser Veranstaltung unsere Sonntagspflicht erfüllten, damit wohl erübrigte; gleichzeitig muss man aber auch feststellen, dass die Veranstaltungsankündigung auf der Website der Pfarrei tendenziell etwas Spektakuläreres oder zumindest Unkonventionelleres erwarten lässt, und dann hat es eben doch etwas Tragikomisches und in gewissem Sinne Enttäuschendes, festzustellen, dass in Wirklichkeit alles viel normaler ist

Immerhin, wenn man davon ausgeht, dass die Kategorie "junge Erwachsene" im kirchlichen Kontext "bis Mitte 30" bedeutet, gehörte wohl tatsächlich die Mehrheit der Gottesdienstteilnehmer dieser Altersgruppe an, und das ist für eine katholische Messe hierzulande ja schon mal eher ungewöhnlich. Insgesamt, so würde ich schätzen, waren um die 80 Leute da – vielleicht waren es auch hundert, aber in einer so großen Kirche, die unschwer 400 Menschen Platz geboten hätte, verlor sich diese Personenzahl etwas. 

Zelebriert wurde die Messe von einem grauhaarigen Priester der Gemeinschaft Chemin Neuf, der mit französischem Akzent sprach; die 1. Lesung wurde auf Slowakisch vorgetragen, während der deutsche Text auf eine Leinwand projiziert wurde; es gab einen gesungenen Antwortpsalm, das "große" (nizäno-konstantinopolitanische) Glaubensbekenntnis und freie Fürbitten, zu denen auch meine Liebste etwas beitrug. Die Predigt war recht lang – über 15 Minuten –, und diese Länge schien mir in keinem besonders günstigen Verhältnis zu ihrem Aussagegehalt zu stehen. Das Evangelium dieses 5. Sonntags im Jahreskreis war Lukas 5,1-11, der wunderbare Fischzug und die Berufung des Petrus; dazu gab es als 1. Lesung Jesaja 6,1-2a.3-8, die Berufung Jesajas zum Propheten, und als 2. Lesung 1. Korinther 15,1-11, das Bekenntnis zu Tod und Auferweckung Christi. Als gemeinsamen Nenner dieser Texte könnte man demnach die Stichworte Berufung und Nachfolge betrachten, und was der Prediger dazu sagte, fand ich inhaltlich durchaus untadelig – hatte aber doch den Eindruck, man hätte es mit weniger Worten besser sagen können. 

Was nun die Musik anging, handelte es sich größtenteils um eigenes Liedgut der Gemeinschaft Chemin Neuf oder um solches der Gemeinschaft von Taizé, begleitet mit Akustik-Klampfe und Klavier; hinzu kamen ein paar Hillsong-Stücke: zur Kommunion "Oceans", zum Auszug "Hosanna (Ich seh den König kommen)", da kam dann auch mal ein bisschen Percussion zum Einsatz, in Gestalt einer mit einem Bass-Drum-Pedal gespielten Cajón und einer mit Besen gespielten Hi-Hat. Allemal besser als NGL, klar; aber ein bisschen lasch fand ich die musikalische Gestaltung dieses Gottesdienstes doch. Man kann allerdings sagen, dass sich die Musik gerade dadurch sehr stimmig in meinen Gesamteindruck von diesem Gottesdienst einfügte, den man etwa so zusammenfassen könnte: Geht alles prinzipiell in die richtige Richtung, aber mir fehlt da ein bisschen der Wumms

An die Messe schloss sich ein "Get together" in den Gemeinderäumen an, daran nahmen vielleicht noch 30 Leute teil, die in kleinen Gruppen zusammen saßen und sich angeregt unterhielten – überwiegend auf Englisch übrigens, weshalb ich annahm, dass es sich zu einem großen Teil um ausländische Studenten handelte; die allermeisten waren wohl so zwischen Mitte 20 und Anfang 30, da fielen wir natürlich ziemlich offenkundig aus dem Rahmen, aber etwas enttäuschend war es dennoch, dass wir mit niemandem so richtig ins Gespräch kamen (obwohl meine Liebste ein paar Versuche unternahm). Nur leicht zugespitzt gesagt: Auf einer Skala von "Kolping-Sonntagstreff in Herz Jesu Tegel vor Corona" bis "Community Networking Night im Baumhaus" rangierte dieses "Get together" erheblich näher am erstgenannten Ende, während ich mir unter dieser Bezeichnung eigentlich eher etwas wie Letzteres vorgestellt hätte. Was wohl wieder einmal unterstreicht, wie viel man vom Baumhaus lernen kann bzw. könnte. – Der Vergleich mit dem Baumhaus einerseits und einer normal-spießigen Kirchen-Kaffeetafel andererseits drängte sich übrigens auch beim Thema "Essen und Trinken" auf: Es gab Käsespätzle und Tee, gegen Spende; die Spende musste man aber direkt an der Essensausgabe abdrücken, wodurch sie gefühlt eher den Charakter einer regulären Bezahlung erhielt; das Prinzip "pay for the experience" scheint es in Kirchenkreisen schwer zu haben, sogar da, wo die Kirche sich gezielt als jung und hip zu präsentieren sucht. – Dass die (im Vergleich zum Publikum signifikant älteren) Damen, die das Essen ausgaben, ein gewisses Widerstreben zeigten, die Teller wirklich voll zu machen, kann man unschwer mit der Sorge erklären, das Essen könnte nicht für alle reichen; aber sie waren halt auch nicht nett dabei, zumindest nicht zu uns. Vielmehr vermittelten sie uns unterschwellig das Gefühl, wir gehörten eigentlich nicht hierher und würden dem regulären Publikum das Essen wegnehmen. Da half es auch nichts, dass ich für uns vier zusammen einen Betrag in die Spendenkasse legte, der leicht über den ausgehängten Spendenvorschlag hinausging; vielmehr erntete ich damit die kritische Nachfrage, wie viele Teller Nudeln wir davon denn wohl essen wollten. "Schauen wir mal", antwortete ich lediglich, und tatsächlich holte sich das Tochterkind nach der ersten Portion recht ungerührt noch einen Nachschlag. 

Wie man sich vorstellen kann, fand auch meine Liebste dieses "Get together" recht enttäuschend: Sie meinte hinterher, das Mindeste, was man hätte erwarten können, wäre gewesen, dass es von Veranstalterseite jemanden gegeben hätte, der gezielt auf Besucher zugeht, die offensichtlich "neu hier" sind und niemanden kennen, und ein Standard-Begrüßungsgespräch ("Hallo, schön dass ihr da seid! Seid ihr zum ersten Mal hier? Wie habt ihr von der Veranstaltung erfahren?" usw.) mit ihren führt. So kennen wir das z.B. aus freikirchlichen Gemeinden, und natürlich kommt das desto besser 'rüber, je mehr natürliche Herzlichkeit die dafür zuständige Person ausstrahlt, aber in jedem Fall ist es besser als nichts

Der Gottesdienst hatte meiner Liebsten hingegen ausgesprochen gut gefallen, und auch wenn das – wie meine Schilderung wohl deutlich genug zu erkennen gegeben hat – für mich nicht im selben Maße gilt, war am Ende doch ich derjenige, der sagte, ich könnte mir durchaus vorstellen, da in Zukunft vielleicht einmal im Monat (oder so) hinzugehen. Meine Liebste ist auch dafür. 


Preview: Urworte des Evangeliums 

Zu meinen ersten Amtshandlungen nach dem Urlaub gehörte es, dass ich am Montag bei der örtlichen Postfiliale ein Päckchen abholte, das, wie sich zeigte, ein Rezensionsexemplar des von Bernhard Meuser, Christiana Reemts und Martin Brüske herausgegebenen Buches "Urworte des Evangeliums" enthielt. Unter dieser Überschrift könnte man sich wohl so ziemlich alles Mögliche und Unmögliche vorstellen, aber in der Unterzeile des Buchtitels wird's schon konkreter – und programmatischer: "Für einen neuen Anfang in der Katholischen Kirche", lautet diese, und auf dem hinteren Buchdeckel liest man über die Entstehungsgeschichte des Buches: 

"Im Oktober 2023 versammelt sich eine bunte Truppe von Menschen in der Abtei Mariendonk am Niederrhein. Theologen, Philosophen, Priester, Ordensfrauen und andere teilen die Überzeugung, dass die Kirche ihre besten Tage noch vor sich hat. Begleitet vom Chorgebet der Schwestern suchen sie [...] nach den Urworten der Kirche – nach dem, was unbedingt gegeben sein muss, wenn die Kirche ihren institutionellen Zerfall überlebt und mit armen Mitteln neu startet." 

In "meine Sprache" übersetzt, könnte man also sagen, das Buch stellt die Frage "Was kommt nach der Volkskirche?", und das finde ich natürlich spannend. Weiter heißt es über die Urheber des Buches (ganze 30 Autoren!): 

"Statt zu lamentieren, verfolgen sie eine andere Spur: Sie bejahen das Ende falscher Verhältnisse und schauen auf Urfragen wie 'Was ist mit Jesus? Wie will ER die Gemeinschaft der Glaubenden?'" 

Eine ausführliche und umfassende Rezension wird noch ein wenig warten müssen – das Buch hat zwar "nur" 276 Seiten (einschließlich Inhaltsverzeichnis und Register), aber die sind ziemlich eng bedruckt, und man merkt schnell, dass der Text nicht nur vom Schriftbild her sehr "dicht" ist –, aber nachdem ich etwas mehr als die Hälfte gelesen habe, kann ich schon mal sagen, dass ich das Buch sehr inspirierend, ja im besten Sinne des Wortes be-geist-ernd finde. Auch wenn es nach einem etwas voreilig vorweggenommenen Gesamturteil aussehen mag, würde ich dieses Buch auf der Basis meiner bisherigen Leseeindrücke ohne Zögern jedem empfehlen, der sich für Neuevangelisierung und/oder Gemeindeerneuerung interessiert – darunter gerade auch solchen, die eher skeptisch bis ablehnend auf charismatische oder vermeintlich "fundamentalistische" Tendenzen im Katholizismus blicken: Für diese kann das Buch eine Einladung sein, Vorurteile zu überprüfen und Missverständnisse zu korrigieren. 

Was auch noch zu sagen ist: Wie schon in der Einleitung explizit gesagt wird und ja irgendwie auch schon im Buchtitel anklingt, setzt das Buch eher bei theologischen Grundfragen als bei Fragen der pastoralen Praxis an, aber das führt keineswegs dazu, dass es "rein theoretisch" oder "abgehoben" 'rüberkäme; was sich nicht zuletzt der Tatsache verdankt, dass immer wieder auch persönliche Glaubenszeugnisse der Beiträger darin zur Sprache kommen. – Alles Weitere dann zu gegebener Zeit in einem eigenständigen Artikel! 


Update in Sachen Februar/Merz 

Es ist vollbracht, Freunde: Ich habe meine Stimme für die anstehende Bundestags-Neuwahl bereits abgegeben. Am Dienstag, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, fand ich meine online beantragten Briefwahlunterlagen im Briefkasten vor, füllte sie am Abendbrottisch aus und warf den Wahlbrief tags darauf in den Briefkasten. Und damit ist das Thema für mich erledigt! – Äh nein, das kann man so wohl nicht sagen. Das Thema als solches wird mich wohl noch eine Weile begleiten, auch wenn das, was ich aktiv dazu beitragen konnte, bereits erledigt ist. – 

Durchaus erwartungsgemäß hat sich mein Artikel "Kommt nach dem Februar der Merz?" binnen Kurzem zu meinem meistgelesenen Artikel seit fast einem halben Jahr entwickelt, und zudem zum meist-kommentierten seit mehr als vier Jahren (!). Das Gros der Kommentare stammt indes von nur vier Lesern – sämtlich Stammleser und regelmäßige Kommentatoren meines Blogs, die sich bei diesem Thema sozusagen paarweise in die Haare kriegten. Eine Auseinandersetzung zwischen zwei Lesern über Fragen der Migrationspolitik gipfelte schließlich darin, dass der eine dem anderen "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" vorwarf; das führte dann wiederum dazu, dass sowohl der solcherart Angegriffene als auch mindestens ein weiterer Leser mich dafür kritisierten, diesen Kommentar zugelassen zu haben. Na, was soll man machen: Wenn man Kommentare nicht zulässt, bekommt man auch Beschwerden. Im vorliegenden Fall möchte ich klarstellen, dass ich den Vorwurf der "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" sachlich nicht gerechtfertigt fand, aber nicht in die Debatte eingegriffen habe, weil ich a) im Urlaub war und b) die Dynamik dieser Debatte als recht illustrativ für das derzeitige politische Klima im Lande empfinde. Ich finde, davon kann und soll sich ruhig jeder Leser sein eigenes Bild machen. 

Was ich im Zusammenhang mit der anstehenden Wahl auch noch erwähnen möchte: Als jemand, dem zuweilen mangelnder Realitätssinn attestiert wird, habe ich offen gestanden ein eigentümliches Vergnügen daran, zu sehen, wie völlig abgekoppelt von den politischen Realitäten im Land (und darüber hinaus) die "linkstheologische" Bubble auf Bluesky ist. Dazu nur mal zwei Beispiele: Als Altkanzlerin Merkel aus dem Ruhestand heraus ihren alten Intimfeind Friedrich Merz dafür tadelte, dass er parlamentarische Mehrheiten unter Einbeziehung der AfD suchte, wurde auf Bluesky prompt darüber phantasiert, der verbliebene Merkel-Flügel der CDU könnte, eventuell zusammen mit Teilen der FDP und idealerweise mit der Merkel als Galionsfigur, eine neue Volkspartei der Mitte gründen und damit der angeblich so stark nach rechts gedrifteten CDU wählerstimmenmäßig den Garaus machen. Und als eine Umfrage herauskam, in der die SPD gegenüber der vorigen Umfrage einen Punkt zugelegt und CDU/CSU einen verloren hatten, Union und AfD aber zusammen immer noch über 50% hatten, fand sich prompt jemand, der frohlockte: "Noch ein bisschen mehr, und es könnte für Rot-Rot-Grün reichen." Ich sag mal: How about no? 

Im Übrigen hätte ich im Zusammenhang mit der Wahl noch zwei Linktipps auf Lager: Auf Katholon nimmt Peter Winnemöller – eingebettet in eine historische Betrachtung der Entwicklung des Verhältnisses der katholischen Kirche zur Demokratie – die politische Positionierung der institutionellen Kirche in der aktuellen Wahlkampfsituation kritisch unter die Lupe und geht dabei auch der Frage nach, was an dem Narrativ dran ist, die Demokratie in Deutschland sei heute ähnlich gefährdet wie 1933. Seine provokante These: Da ist durchaus was dran – aber anders als das Narrativ suggeriert, geht die Gefahr für die Demokratie nicht in erster Linie von der AfD aus, und deshalb droht die Kirche in dem irrigen Bewusstsein, diesmal aber auf der richtigen Seite zu stehen, alte Fehler zu wiederholen. – Ein streitbarer, auf jeden Fall aber lesens- und bedenkenswerter Text, auch wenn er zum Ende hin für mein Empfinden ein bisschen zu CDU-freundlich wird. Aber okay: Es ist einigermaßen offensichtlich, dass die Sympathien des Verfassers weniger der real existierenden CDU gelten als vielmehr der Vorstellung davon, was bzw. wie eine christlich-demokratische Volkspartei idealerweise sein könnte – also sozusagen der platonischen Idee einer christdemokratischen Volkspartei. Und darauf, dass wir eine solche – eine, die diesem Namen wirklich gerecht würde – gut gebrauchen könnten, können wir uns wohl alle einigen. 

Wie wahrscheinlich es ist, dass sie real existierende CDU sich diesem Ideal auf kurze oder mittlere Sicht wenigstens annähert, ist indes eine ganz andere Frage; und diesbezüglich gibt mein zweiter Linktipp zur Wahl eher wenig Anlass zu Optimismus: Auf der Online-Plattform Substack ist vor gerade mal zwei Wochen ein Blog (pardon: Newsletter. Bei Substack sagt man "Newsletter") namens Aquinatum online gegangen, der sich "die Verwirklichung eines aristotelischen Bildungs- und Erziehungsprogramms im Geiste des hl. Thomas von Aquin" auf die Fahnen geschrieben hat; und gleich einer der ersten Aquinatum-Beiträge widmet sich einer Evaluation des CDU-Wahlprogramms "aus aristotelisch-thomistischer Sicht". Ausgesprochen interessant und allemal aufschlussreicher als der Wahl-O-Mat... 

Speaking of which, hier die Top 4 meines Wahl-O-Mat-Ergebnisses. Nein, dieses Ergebnis hat meine Wahlentscheidung nicht nennenswert beeinflusst.

Was nun den vermutlich naheliegenden Wunsch betrifft, Aquinatum möge sich auch die Wahlprogramme der anderen Parteien vorknöpfen, wäre noch zu sagen, dass inzwischen auch Artikel über die Programme der SPD, der AfD und der Linken erschienen sind. Die habe ich allerdings noch nicht gelesen. 


Vermischtes aus der religiösen Frühförderung 

An fast jedem Tag der zurückliegenden Schul- und Arbeitswoche hatte ich eigentlich die Absicht, mit meinem Jüngsten eine "Beten mit Musik"-Andacht in St. Joseph Tegel abzuhalten, und am Montag äußerte er auch selbst ausdrücklich diesen Wunsch; aber sowohl am Montag als auch am Dienstag schlief er auf dem Weg dorthin ein, und als er seinen Mittagsschlaf beendet hatte, blieb für eine Lobpreisandacht keine Zeit mehr; derselbe Ablauf wiederholte sich auch am Donnerstag. – Am Mittwoch gingen wir wie gewohnt in St. Marien Maternitas in Heiligensee in die Messe, die diesmal wieder von Pater Mephisto zelebriert wurde, und zum anschließenden Gemeindefrühstück; am Nachmittag gingen wir mit der ganzen Familie zum JAM, wo ich wieder ohne Diskussion und ohne Beanstandung der Katechese für die Altersgruppe der 6-12jährigen beiwohnte, ehe ich ins Elterncafé ging. Bei der Kinderkatechese ging es weiterhin um das Buch Daniel, diesmal um das 4. Kapitel (König Nebukadnezars Traum vom Baum, der bis an den Himmel wächst). 

Beim Elterncafé wurden, als ich mich dort einfand, gerade Themenvorschläge für die kommenden Veranstaltungen gesammelt; wie sich zeigte, bestand bei den Teilnehmerinnen großes Interesse an Erziehungsthemen, und das interessiert mich natürlich auch. So gesehen besteht also durchaus die Chance, dass meine Lust, am Elterncafé teilzunehmen, zunehmen könnte. Andererseits war aber auch die Rede davon, dass die Frau aus der Gemeinde, über die ich mich schon wiederholt eher kritisch geäußert habe (und die persönlich nicht anwesend war), angeboten habe, einen Vortrag über Evolution zu halten. Da dachte ich: Auweia. Ich erinnerte mich nur zu deutlich daran, wie dieselbe Frau mal den "Minis" erklärt hatte, die meisten Fossilien im Erdboden seien durch die Sintflut entstanden und die Menschen seien nach der Flut deshalb nicht mehr so alt geworden wie vorher, weil sich das Klima und die Zusammensetzung der Erdatmosphäre infolge der extremen Regenfälle verändert hätten. Zugleich sagte ich mir, wenn meine Liebste, die das Thema Evolutionsbiologie als ein Schwerpunktthema im Studium gehabt und seither immer wieder im Unterricht in der Gymnasialen Oberstufe behandelt hat, bei diesem Vortrag dabei wäre, dann könnte das vielleicht doch ganz interessant werden, wenn auch vielleicht auf eine eher tragikomische Weise. 

Am Freitag war ich mit dem Jüngsten mal wieder bei der "Rumpelberggruppe", d.h. der Eltern-Kind-Gruppe der Gemeinde auf dem Weg; und da gab es gleich zur Begrüßung einen "Gedanken to go" zum Valentinstag – in Gestalt eines Satzes aus dem 1. Korintherbrief: "Liebe ist... langmütig" (1 Kor 13,4a). Visualisiert wurde dieser Satz durch ein Kissen in Form eines Herzens mit Händen dran, das im Kreis herumgereicht wurde, und dazu gab's die Anregung, wenn wir im Alltag mal wieder gestresst seien, weil die Kinder einen Wutanfall haben oder nicht essen wollen oder es Streit unter Geschwistern gibt "oder der Partner uns auf die Palme bringt", sollten wir uns "an dieses hässliche Ikea-Kissen erinnern" und versuchen, auf das, was uns ärgert, mit Liebe und Geduld zu reagieren. – Das war ja nun kaum ein besonders origineller oder anspruchsvoller Impuls, aber mich sprach er durchaus an; und ich könnte mir vorstellen, dass die Visualisierung mit dem Kissen wirklich hilfreich dafür ist, diesen Rat zu beherzigen. Ich werde das im Laufe der Woche mal beobachten. 


Hier übrigens ein Blick aus dem Fenster, so zum Thema "viel Schnee". 

Im Anschluss an die Rumpelberggruppe klappte es dann auch endlich mal mit dem "Beten mit Musik" in St. Joseph Tegel. Mit den Psalmabschnitten und der Kurzlesung aus der Terz, freien Fürbitten und vier Liedern. Nächste Woche gerne wieder mehr davon! 


Be my Youth Pastoral Valentine 

Über die eigentümliche Tatsache, dass der Gedenktag des Hl. Valentin zwar nach dem II. Vatikanischen Konzil aus dem Liturgischen Kalender gestrichen wurde, aber auf dem Umweg über seine säkulare Vermarktung als "Festtag der Verliebten" doch wieder seinen Weg zurück in die pastorale Praxis gefunden hat, habe ich mich im Laufe der Jahre ja schon wiederholt geäußert; in diesem Jahr könnte man da zum Beispiel erwähnen, dass die Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd, wie schon im letzten Jahr, eine "Segensfeier für Liebende" anbot, diesmal in der Allerheiligenkirche in Borsigwalde. Geleitet wurde sie erneut von Pater Mephisto und dem Diakon, also just den beiden für den Bereich Queerpastoral zuständigen Geistlichen der Pfarrei; ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Zu dieser Veranstaltung ging ich jedoch nicht, da ich gestern Abend bereits einen anderen Termin hatte: eine Informations- und Vernetzungsveranstaltung des neuen Jugendpastoral-Teams des Erzbistums Berlin unter dem Motto "Kickoff Jugendpastoral", die im Saal des Refugio Café, einer Einrichtung der Berliner Stadtmission in einem besonders finsteren Teil von Neukölln, stattfand. Meine Eindrücke von dieser Veranstaltung werde ich aus Zeit- und Platzgründen nicht zur Gänze in diesem Wochenbriefing unterbringen können, aber ich fange einfach schon mal an; den Rest nehme ich dann mit ins nächste Wochenbriefing oder vielleicht in einen eigenständigen Artikel zum Thema Jugendpastoral, oder vielleicht auch beides

Zunächst sei erwähnt, dass ich erst auf dem Weg zur Veranstaltung auf die Idee kam, mich zu fragen, ob ich wohl damit rechnen konnte, dort Bekannte zu treffen. Tatsächlich konnte man die Leute, die ich mit einigem Recht als mir persönlich bekannt bezeichnen konnte, an einer Hand abzählen; die meisten von diesen kannte ich vom Nightfever her. Eher überraschend war die Begegnung mit Pater Kalle Lenz SAC, der jovial auf mich zukam, weil er sich vage daran erinnerte, mich vom Sehen zu kennen. Tatsächlich datiert unsere Bekanntschaft so ungefähr aus der Zeit, als ich mit dem Bloggen anfing – was auch ungefähr die Zeit war, als ich nach längerer Zeit wieder damit anfing, regelmäßig in die Messe zu gehen, und zunächst ging ich in dieser Zeit hauptsächlich nach St. Christophorus in Neukölln, wo Pater Kalle Pfarrer war. Rückblickend würde ich sagen, dass Pater Kalles unkonventionelle und sehr liberale Art mir damals durchaus den "Wiedereinstieg" erleichtert hat, und auch wenn ich ziemlich bald darüber hinaus war, seinen Stil gut zu finden, war es wohl irgendwie doch eine wichtige Phase in meiner Glaubensbiographie. 

Zu den Teilnehmern der Veranstaltung, die ich zwar nicht persönlich, aber aus den Medien kannte, zählte Pater Max Cappabianca OP, der leider nicht in cappa bianca, sondern in anthrazitfarbenem Räuberzivil erschien. Ob er seinerseits auch wusste, wer ich bin, sei mal dahingestellt, aber jedenfalls schien mir, dass er mich etwas missbilligend anguckte. 

Eine Karte des Erzbistums, auf der die Teilnehmer markieren sollten, aus welcher Pfarrei bzw. Gemeinde sie kommen, erweckte den Eindruck, dass ein großer Teil der Anwesenden aus dem Süden Berlins kam; okay, die hatten natürlich den kürzesten Weg, aber das war wohl kaum der alleinige Grund, denn es waren durchaus auch ein paar Leute aus Brandenburg und sogar aus Vorpommern da. Der Norden Berlins war jedenfalls auffallend schwach vertreten, außer mir als Vertreter der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland waren noch ein paar Leute aus der an Siemensstadt angrenzenden Pfarrei Märtyrer von Berlin (der Name rockt, muss man sagen!) in Charlottenburg vertreten, und nachdem ich das obige Foto geschossen hatte, kamen auch noch ein paar Leute aus St. Klara Reinickendorf-Süd hinzu – einer davon war vor Jahren auch im "Team Instagram" gewesen, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er sich an mich erinnerte. 

Für Speise und Trank war reichlich gesorgt, womit der Besuch der Veranstaltung schon mal einen Zweck in befriedigendem Maße erfüllte, nämlich mir über das Büffet einen Teil meiner Kirchensteuer zurückzuholen. 


(Übrigens waren annähernd alle Speisen als vegan und viele obendrein als glutenfrei gekennzeichnet, was ich als durchaus bezeichnend für den Charakter der Veranstaltung empfand, aber ich will mich mal nicht beschweren, denn erstens war ja Freitag und zweitens war insbesondere die Kirchererbsen-Spinat-Suppe wirklich lecker.) 

Auch auf die Gefahr hin, dass dieses Wochenbriefing ein wenig Überlänge bekommt, muss ich hier nun mindestens noch den Anfang der Begrüßungsansprache durch die Teamleiterin der diözesanen Jugendpastoral dokumentieren, um dann gegebenenfalls in der unausbleiblichen Fortsetzung meines Berichts detaillierter darauf zurückzukommen: 

"Wir sind alle hier, weil wir in Jesus Christus verbunden sind. Er hat uns hierher geführt, und wir glauben, dass nur echte und erfüllte Gemeinschaft durch Ihn entstehen kann. Und wir erleben unser Miteinander durch Ihn und mit Ihm, und das ist uns ganz wichtig, um eine echte Achtsamkeit und ein wohlwollendes Miteinander hier für uns zu haben auch untereinander. [...] Und deswegen möchten wir euch auch nochmal ganz besonders darauf hinweisen, dass wir heute keine rassistischen oder sexistischen, queerfeindlichen oder anders diskriminierende Aussagen respektieren und auch nicht akzeptieren werden." 

Dazu könnte man sicherlich eine ganze Menge anmerken, aber hier und jetzt will ich mich mal auf zwei Punkte beschränken: Einerseits fällt es auf, dass bei einer Veranstaltung für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in der katholischen Jugendpastoral offenbar nicht davon ausgegangen wird, dass man es durchweg und ausnahmslos mit einem Publikum zu tun hat, für das sich der letztere Hinweis von selbst versteht. Andererseits hat man ja schon so seine Erfahrungen damit gemacht, was im heutigen Diskurs so alles als Hate Speech eingeordnet wird, auch und gerade im institutionellen Apparat der Kirche. Aus was für Gründen man etwa von den Social-Media-Präsenzen kirchlicher Einrichtungen ausgesperrt wird. Da erscheint es durchaus denkbar, dass ein Bekenntnis zur kirchlichen Lehre in Fragen von Sexualität und Gender bereits als queerfeindlich und diskriminierend eingestuft worden wäre. Zumindest sorgt eine solche Ansage bei der Begrüßung von vornherein für ein Klima, in dem es sich lieber zweimal überlegt, ob man eine Diskussion darüber vom Zaun bricht, inwieweit z.B. der von der für den Bereich Sexualpädagogik zuständigen Jugendpastoral-Mitarbeiterin verantwortete Infostand sich im Einklang mit der Lehre der katholischen Kirche befindet. 

So stellt sich das Jugendpastoral-Team des Erzbistums offenbar seine ideale Zielgruppe vor.

Oder eben so. (Es handelt sich übrigens um denselben Aufsteller, nur umgestaltet.)

Fortsetzung folgt, wie gesagt... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Herr, mein Gott, du hast den Himmel ausgespannt und die Erde fest gemacht. Alles, was ist, hast du aus dem Nichtsein zum Sein gebracht. Du erhörst immer alle, die deinen Willen tun, dich ehren und deine Gebote halten. Erhöre mein Gebet und erhalte deine gläubige Herde. Befreie sie von der Bosheit der Menschen, die dich lästern. Mehre deine Kirche an Zahl und führe alle zur Einheit zusammen! Mache sie zu einem ausgezeichneten Volk, einmütig in deinem wahren Glauben und im rechten Bekenntnis. Hauche ihren Herzen das Wort der Lehre ein. Denn dein Geschenk ist es, dass du uns angenommen hast, das Evangelium Christi zu predigen, dass wir die Menschen zu guten Taten aneifern und das tun durften, was dir gefällt. Leite sie mit deiner starken Rechten, behüte sie unter dem Schutz deiner Fittiche, damit alle deinen Namen loben und verherrlichen, den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

(Gebet des Hl. Cyrill von Saloniki auf seinem Sterbebett) 


Ohrwurm der Woche 

Pharrell Williams: Happy 

Eigentlich habe ich aus dem Urlaub eine ganze Liste potentieller Ohrwürmer der Woche mitgebracht, und dieser Song stand nicht darauf; dass er sich sozusagen "vorgedrängelt" hat, hat wesentlich damit zu tun, dass wir in den letzten zwei Wochen den ersten Band der Buchreihe "Die geheime Drachenschule" von Emily Skye als Gutenachtlektüre gelesen haben. Um das zu erläutern, muss ich ein bisschen ausholen. "Emily Skye" ist ein Sammelpseudonym einer Gruppe von Verlagslektoren, die irgendwann mal beschlossen haben, die Sorte von Fantasyromanen für Kinder, die sie ständig auf den Schreibtisch bekommen, könnten sie auch selbst schreiben. Einigermaßen folgerichtig ist "Die geheime Drachenschule" ein mittelprächtiges "Harry Potter"-Plagiat, hat aber durchaus einen gewissen Charme und macht Spaß zu lesen. Im ersten Band steht der Protagonist vor der Aufgabe, sich mit einem griesgrämigen alten Drachen anzufreunden, dem er, weil ihm im entscheidenden Moment nichts Besseres einfällt, den unpassenden Namen "Happy" gibt. Irgendwann schlich sich bei mir dann die Vorstellung ein, wenn das Buch verfilmt würde, könnte man eine Szene einbauen, in der der Drache, nachdem er seinen Reiter und damit auch seinen neuen Namen endlich akzeptiert hat, mit diesem zu dem obigen Lied tanzt. Wahrscheinlich gäb's da aber rechtliche Probleme, da der Song schon für einen anderen Animationsfilm verwendet wurde, nämlich "Ich – einfach unverbesserlich 2"; dafür erhielt er seinerzeit sogar eine Oscar-Nominierung. 


Vorschau / Ausblick 

Ob ich meinen Bericht über den oder das "Kickoff Jugendpastoral" im nächsten Wochenbriefing oder lieber in einem eigenständigen Artikel fortsetze, habe ich noch nicht endgültig entschieden; morgen jedenfalls werden wir wohl "ganz normal" in St. Joseph Siemensstadt in die Messe gehen, und in den nächsten Tagen gedenke ich einen neuen Beitrag für die Familienseite der Tagespost fertigzustellen. Am Dienstag steht dann ein Vorbereitungstreffen für den in zwei Wochen anstehenden nächsten Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt an, von dem ich ja schon erwähnt hatte, dass er ein ziemlich harter Brocken zu werden verspricht. Am Mittwoch werde ich nach Möglichkeit wieder mit meinem Jüngsten in Heiligensee zur Messe gehen, am Nachmittag ist dann wieder JAM, am Freitag wieder Rumpelberggruppe; und nächsten Samstag ist schon wieder Community Networking Night im Baumhaus. Ob wir da hingehen, steht – wie eigentlich jedes Mal – noch nicht fest, aber wenn ja, wird der Bericht darüber wohl bis zum übernächsten Wochenbriefing warten müssen... 


Freitag, 14. Februar 2025

Die Frankfurter Rundschau kriegt die KiTa-Krise

Neulich ist mir mal wieder aufgefallen, wie sehr die digitalen Medien mit ihren Algorithmen darauf abzielen, jedem Nutzer seine eigene Filterblase zu bauen. Das grundlegende Prinzip, das dabei am Werk ist, ist denkbar simpel: Woran man Interesse zeigt, davon bekommt man mehr gezeigt. Das gilt auch und gerade für Nachrichten; und hier kann dieses Phänomen durchaus dazu führen, die gesamtgesellschaftliche Relevanz von Themen, für die man sich besonders interessiert, zu überschätzen: "Die Nachrichten sind voll davon!", denkt man, dabei sind in Wirklichkeit nur die für das eigene Nutzererlebnis optimierten Nachrichtenseiten im Internet voll davon. 

Aufgefallen ist mir das in jüngster Zeit besonders daran, dass ich auf meiner persönlichen Google News-Startseite vermehrt Nachrichten vorfinde, bei denen das Stichwort "KiTa" in der Überschrift auftaucht, seit ich für meinen "Lufthoheit über den Kinderbetten"-Blogartikel recherchiert habe. Nicht dass mich das stören würde, denn das Thema interessiert mich ja tatsächlich. Aber es wäre wohl voreilig, daraus den Schluss zu ziehen, das Thema habe derzeit tatsächlich Hochkonjunktur in den Medien

Zu den KiTa-Schlagzeilen, die mir in den letzten Tagen sozusagen auf dem Silbertablett serviert wurden, gehörten etwa die folgenden: "Kind 48-mal auf Warteliste – Kita-Planung ist hinfällig" (Hamburger Abendblatt); "Kinderbetreuung: Nur ein Bruchteil der Kitas hat noch nach 18.00 Uhr geöffnet" (Die Zeit); "Zweijähriger erstickt in Kita-Bett – Bewährungsstrafen für Tagesmütter" (FAZ). Okay, den letzteren Fall sollten wir uns wohl doch etwas genauer ansehen, auch wenn der in der Überschrift angesprochene Todesfall bereits rund dreieinhalb Jahre zurückliegt: Der Anlass für den FAZ-Bericht ist die Verurteilung der verantwortlichen Tagesmütter wegen fahrlässiger Tötung. – Was also war passiert? In einer von zwei Tagesmüttern betriebenen "Mini-Kita" in Gelsenkirchen hatte ein zweijähriger Junge "in einem Etagenbett eine als Lattenrost dienende Spanplatte des oberen Bettes angehoben und sie nicht halten können. Sein Hals wurde eingequetscht, er erstickte". Dass "die elf Kilogramm schwere Spanplatte nicht angeschraubt" gewesen sei, sei "Konstruktionsfehler" gewesen, "der den Angeklagten nicht bekannt gewesen sei", heißt es. "Ihre Sorgfaltspflicht hätten sie trotzdem verletzt" – und das in mehrfacher Hinsicht: 

"Im Prozess hatte sich herausgestellt, dass der Zweijährige bereits zuvor völlig unbemerkt aus der Kita ausgebüxt war. Er war aus einem Bett geklettert und barfuß über eine Straße zu einem nahen Spielplatz gelaufen. Von dort war er später von einer Passantin zurück in die Einrichtung gebracht worden. 'Durch diesen Vorfall hätten die Angeklagten gewarnt sein müssen', sagte Richterin Vanessa Bergmann bei der Urteilsbegründung. 'Von da an hätten sie dieses Kind nicht mehr unbeaufsichtigt lassen dürfen.'" 

An dieser Stelle fühle ich mich übrigens an einen selbst miterlebten, wenngleich weniger dramatischen Fall erinnert, aber ehe ich dazu komme, bleiben wir mal noch bei dem tödlich verunglückten Jungen aus Gelsenkirchen: Es wird hervorgehoben, "dass der Junge schon seit mehr als einem Jahr keinen Mittagsschlaf mehr gemacht habe"; dies sei "den Tagesmüttern bekannt gewesen", trotzdem hätten sie ihn ins Bett gesteckt, "ein seitliches Schutzgitter hochgezogen und die Tür des Schlafraums zugezogen. Als sie rund anderthalb Stunden später wiederkamen, war der Zweijährige tot". Ich sag's mal ganz direkt: Selbst wenn weiter nichts Schlimmes passiert wäre, fände ich es ganz schön krass, ein zweijähriges Kind, das bekanntermaßen keinen Mittagsschlaf hält, in ein Gitterbett zu stecken und es daraufhin eineinhalb Stunden lang allein zu lassen. 

Und wo ich gerade sagte "Selbst wenn weiter nichts Schlimmes passiert wäre": Genau das ist ja ein heikler Punkt. Es liegt nahe, anzunehmen, dass die Öffentlichkeit von Missständen in KiTas erst dann erfährt, wenn etwas Schlimmes passiert. Wenn das nicht der Fall ist, sind es aber trotzdem Missstände. 

Daher an dieser Stelle mal zu dem andeutungsweise bereits erwähnten selbst miterlebten Fall: Bei uns in der Nachbarschaft gibt es ebenfalls eine von zwei Tagesmüttern betriebene "Mini-Kita", und da die Tagesmütter mit den von ihnen betreuten Kindern sehr häufig auf denselben Spielplatz gehen, auf dem ich auch oft mit meinen Kindern bin (bzw., seit die Große zur Schule geht, hauptsächlich mit meinem Jüngsten), kennen wir die recht gut und einige der Kinder sind mit unseren befreundet. Irgendwann im letzten Sommer (vor den Ferien) begab es sich, dass die KiTa-Gruppe sich zum Verlassen des Spielplatzes bereit machte, als mein Jüngster und ich gerade erst ankamen; umso überraschter war ich, als mein Sohn mich einige Zeit später darauf hinwies, dass eins der Kinder aus der Gruppe immer noch da war. Es handelte sich um ein knapp vierjähriges Mädchen, das wir glücklicherweise ziemlich gut kannten, sie hat einen älteren Bruder im Alter meiner Tochter und wir kennen auch die Eltern. "Irgendwie haben die mich vergessen", stellte das Mädchen bemerkenswert gefasst fest. "Aber ich kann doch nicht alleine hier bleiben." – "Stimmt, das geht nicht", gab ich ihr Recht. Sie fragte mich daraufhin, ob ich in ihrer KiTa anrufen könne; ich erwiderte, ich hätte die Nummer nicht, könnte sie aber hinbringen. Wir wollten gerade losgehen, da kam eine der beiden Tagesmütter aufgeregt zurück – und meckerte erst mal das Mädchen an, weil es nicht mit der Gruppe mitgekommen sei. Das muss man auch erst mal bringen, dachte ich mir: ein Kind auf dem Spielplatz vergessen und dann dem Kind die Schuld daran geben. Mein zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alter Sohn empfand das offenbar genauso, denn etwas später sagte er aus heiterem Himmel zu mir: "Du sagst doch auch Entschuldigung zu uns." Ich wusste zuerst gar nicht, worauf er hinauswill, erwiderte aber: "Stimmt, wenn ich etwas Doofes gemacht habe oder mich euch Kindern gegenüber falsch verhalten habe, dann entschuldige ich mich bei euch." – "Dann hätte die Tagesmutter das doch auch machen können!", meinte mein Jüngster. Da hatte er wohl Recht. 

Eigentlich, also vorrangig, wollte ich mich hier aber zu einem Artikel äußern, den ich zuerst in der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau gesehen habe, der ursprünglich aber bei BuzzFeed erschienen ist (darüber, in welchem Verhältnis BuzzFeed und die Frankfurter Rundschau zueinander stehen, bin ich mir noch nicht ganz im Klaren, aber dazu später). "'So erleichtert': Vater geht drastischen Schritt und nimmt Tochter aus der Kita", lautet die Überschrift des Artikels, und zunächst mal musste ich ein bisschen darüber schmunzeln, dass die Frankfurter Rundschau, bzw. BuzzFeed, die Entscheidung, ein Kind lieber nicht in die KiTa gehen zu lassen, als einen "drastischen Schritt" betrachtet. Immerhin aber, so sagte ich mir, ließ das Thema des Artikels einen tendenziell wohlwollenderen Blick auf die Anliegen der #kindergartenfrei-Bewegung erwarten als vor Jahren in der Berliner Zeitung, wo – wir erinnern uns – diese Bewegung als "Sammelbecken für Alternative, Esoteriker, Impfgegner, konservative Christen" beschrieben und als antiemanzipatorisch und potentiell extremistisch angeschwärzt wurde. 

Und wird der von BuzzFeed-Redakteurin Jana Stäbener verfasste Artikel dieser Erwartung gerecht? – Nun ja: tendenziell. Die Entscheidung eines Vaters aus Bielefeld, seine Tochter aus der KiTa zu nehmen, wird durchaus mit Sympathie geschildert, wenn auch nur deshalb, weil diese Entscheidung eine Reaktion auf die mangelhafte Betreuungssitiation in den KiTas ist. Es wird suggeriert, wenn die KiTas besser ausgestattet wären, wenn nicht "[b]esonders kleine Kitas [...] mit bürokratischen und finanziellen Hürden und mit Personalmangel" zu kämpfen hätten, dann wäre ein so "drastische[r] Schritt" nicht notwendig gewesen. Der betroffene Vater selbst wird mit der Einschätzung zitiert, "dass politische Entscheider und Entscheiderinnen einfach nicht verstehen, wo es konkret im Alltag hakt": "Das System versagt an der Stelle Kita komplett. Da gibt es nichts schönzureden." Weiter beklagt er, die Kita, in die seine Tochter gegangen sei, sei zuletzt "nur noch 'ein Sammelbecken für Kinder' gewesen": "Ich finde das super traurig. In meiner Idealvorstellung ist eine Kita ein Ort, an dem Kinder miteinander spielen, herumturnen" – was ja, wie ich finde, als "Idealvorstellung" noch recht bescheiden ist. "Dass das nicht mehr funktioniere, weil Kitas marode und das Personal überfordert seien, findet er 'total schade'" – und fragt: "Ist das unser Anspruch an Kita? Ganz ehrlich: Dann lieber gar keine Betreuung!" 

Die letztere Formulierung ist natürlich missverständlich (und zwar auf bezeichnende Weise, wie ich finde), denn die Alternative zur KiTa ist ja nicht, die Kinder gar nicht zu betreuen (und sie sich selbst zu überlassen, oder wie?), sondern dies im Kreis der Familie zu tun. Darauf wird, auch mit Blick auf den konkreten in diesem Artikel geschilderten Einzelfall, noch zurückzukommen sein. Zunächst aber gilt es nochmals zu unterstreichen, dass die Perspektive des FR- bzw. BuzzFeed-Artikels grundsätzlich "kitanormativ" ist, wie ich das zu nennen beschlossen habe: Es wird prinzipiell davon ausgegangen, dass Kinder im Vorschul-, wenn nicht sogar schon im Kleinkindalter in die KiTa gehen sollten. Der Umstand, dass "deutschlandweit [...] 306.000 Dreijährige [...] keinen Kitaplatz" haben – mithin "13,6 Prozent der Kinder in diesem Alter" – erscheint aus dieser Perspektive unhinterfragt als problematisch; diese Sichtweise wird offenbar als selbstverständlich und keiner Begründung bedürfend vorausgesetzt. 

Zur Einordnung des Artikels sei übrigens gesagt, dass die Autorin Jana Stäbener "soziale Gerechtigkeit" als ihr "Herzensthema" bezeichnet und unter diesem Begriff etwa die Fragen subsumiert, "wie viel uns das Leben kosten darf, wie wir wahre Gleichberechtigung schaffen (in Sachen Feminismus und Rente) und wie es gelingt, (Rechts)Extremismus zu verhindern". In jüngster Zeit schrieb sie u.a. über Bodyshaming in der Zeichentrickserie "Peppa Wutz" sowie darüber, dass laut Umfragen überdurchschnittlich viele Homosexuelle mit der AfD sympathisieren, obwohl "die in Teilen rechtsextreme Partei immer wieder auch durch Queer- und Homofeindlichkeit" auffalle. Aber das mal nur am Rande. Was die Frage nach dem Verhältnis zwischen BuzzFeed und Frankfurter Rundschau angeht, habe ich inzwischen immerhin herausgefunden, dass sowohl der deutsche Ableger des von Tante Wikipedia als "Mischung aus Blog, Nachrichtenticker und Online-Magazin" beschriebenen Medienportals BuzzFeed als auch die einstmals renommierte Frankfurter Tageszeitung, aus der mein stramm linker Sozialkundelehrer in der 10. und 11. Klasse gern politische Artikel kopierte und als Grundlage für das Unterrichtsgespräch nutzte, seit einigen Jahren zum Medienimperium von Dirk Ippen gehören. Das sagt allerdings nicht sonderlich viel aus, denn das gilt für zahlreiche andere Zeitungen auch, von der Allgemeinen Zeitung der Lüneburger Heide bis hin zum Oberbayerischen Volksblatt

Über den Vater, der im Mittelpunkt des hier besprochenen Artikels steht – Jannis Johannmeier, 36, aus Bielefeld – hat Jana Stäbener übrigens schon einmal einen Artikel für BuzzFeed und die Frankfurter Rundschau geschrieben, und auch da ging es schon um das Thema KiTa-Krise: "Personalmangel in der Kita: Vater nimmt seine Tochter mit ins Büro – 'im Winter ist es krass'" lautete da die Überschrift, und Johannmeier wurde da als "Co-Gründer und Geschäftsführer" einer PR-Agentur vorgestellt, für dem es "selbstverständlich" sei, "dass seine Angestellten ihre Kinder zur Arbeit mitbringen dürfen". "Kinder sind bei uns nicht nur geduldet, sondern es ist einfach normal", wird Johannmeier in dem Artikel von Anfang Dezember 2024 zitiert: "Kinder sind schließlich der zentrale Baustein im Leben aller Eltern." Das wirkt sehr sympathisch; und wenn Johannmeier es in dem neueren Artikel ausdrücklich als die beste Entscheidung" bezeichnet, "[d]as eigene Kind aus dem System Kita zu nehmen", scheint das die oben angesprochene "kitanormative" Grundeinstellung des Artikels doch einigermaßen zu unterlaufen: Geradezu wider Willen schleicht sich in den Text die Erkenntnis ein, dass kitafreie Kindererziehung nicht unbedingt nur eine Notlösung sein muss, sondern einen positiven Wert haben kann. – "Es hat uns so erleichtert, uns einzugestehen, dass es so nicht funktioniert", bekennt Johannmeier. Nun wird er seine Tochter aber sicherlich nicht jeden Tag mit in seine Agentur nehmen, oder? – Nein, durchaus nicht: "Die Großeltern betreuten seine zweieinhalbjährige Tochter jetzt dreimal die Woche fünf Stunden lang." In einer eigentümlichen Art von vorauseilendem Gehorsam beteuert Johannmeier aber sogleich, "er wisse, dass Großeltern als Betreuungsangebot ein Privileg seien, das nicht viele hätten". Tja. Da müsste man sich vielleicht mal fragen, warum das so ist – was da eigentlich in den letzten Generationen in unserer Gesellschaft schief gelaufen ist. 

Ein weiterer zum Thema passender Artikel, den mir meine persönliche Google News-Startseite kürzlich präsentierte und der auf dem ebenfalls zur Ippen-Gruppe gehörenden Portal HNA.de ("Hessische/Niedersächsische Allgemeine") erschien, trägt die Überschrift "Elternteil [!] lässt Kinder nicht in Kita gehen und erklärt, was sie 'fassungslos' macht". Dieser Artikel basiert im Wesentlichen auf einem anonym veröffentlichten Beitrag auf dem Blog "Echte Mamas" (den ich hier auch schon mal am Wickel hatte) sowie den Facebook-Kommentaren zu diesem; den (schon über ein Jahr alten) "Echte Mamas"-Artikel habe ich mir daraufhin mal selbst angesehen, er trägt die Überschrift "Ich erziehe kitafrei und werde dafür angefeindet", und einige der Anfeindungen, denen sich die Verfasserin ausgesetzt sieht, seien hier mal zitiert: 

"'Haha du Helikoptermama, kannst du deine Kinder nicht abgeben?', 'Spätestens in der Schule werden deine Kinder total verhaltensauffällig', 'Ihr seid ja solche Hippie-Eltern, musiziert ihr dann Zuhause auch immer wie die Kelly Family?', 'Du hast es ja gut, dass dein Mann so viel verdient, dass ihr euch das "leisten" könnt…'" 

Damit nicht genug: Die Verfasserin gibt an, sie sei sogar schon gefragt worden, "ob das Jugendamt dann schon einmal bei uns war. Wie bitte? Als ob eine akute Kindeswohlgefährdung vorliegt, nur weil ich als Mama meine Kinder zuhause betreue." 

HNA-Autor Thomas Peters stellt fest, auf Facebook hätten "[d]ie meisten Kommentare [...] Verständnis für die kitafreie Erziehung der Mutter" signalisiert; er verweist jedoch auch auf den Kommentar einer Mutter, die "ihr Kind halbtags in die Kita bringt" und dies als "ein gesundes Mittelmaß" einschätzt: "Kinder müssten sich nämlich auch an große Gruppen von 25 Kindern oder mehr gewöhnen, bevor sie in die Schule kommen" – ein Argument, das ich vollkommen bizarr finde, was ich auf Wunsch gern näher erläutern kann; gleichwohl erntete dieser Kommentar "viel Zuspruch im Netz", so Peters. 

Mag man den Eindruck haben, die Tatsache, dass die HNA dieses Thema überhaupt (wenn auch mit auffälliger Verspätung) aufgreife, spreche dafür, dass die Akzeptanz für kitafreie Erziehung in den Mainstream-Medien allmählich zunimmt, so relativiert sich dieser Eindruck zum Ende des Artikels hin sehr deutlich dadurch, dass unter Berufung auf das "Leibniz-Institut für Bildungsverläufe" betont wird, "dass Kitabesuche für Kinder förderlich sein können, weil sie dort Dinge lernen, die sie zu Hause oft nicht lernen können". Zudem "stärken Kitabesuche die sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder", heißt es weiter. Was immer man davon halten mag, ist es jedenfalls interessant, dass einerseits hervorgehoben wird, "Kinder aus sozial benachteiligten Familien" profitierten "am meisten von Kitabesuchen, weil ihre Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten eingeschränkter sind", zugleich aber eingeräumt wird, dass "[n]ur 35 Prozent der Kinder aus schlecht aufgestellten Familien" eine KiTa besuchen: "Bei besser gestellten Familien liegen die Kitabesuche ab zwei Jahren hingegen bei 60 Prozent." – Das scheint mir in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich: Zunächst einmal macht es deutlich, dass die Entscheidung für eine kindergartenfreie Erziehung nicht in erster Linie von der Frage abhängt, ob man sie sich "leisten kann". Und dann stellt sich natürlich die Frage, ob es nicht eigentlich Subventionsmissbrauch ist, wenn der Staat – also letztlich der Steuerzahler – die KiTa-Betreuung für Kinder finanziert, deren Eltern durchaus in der Lage wären, selbst dafür aufzukommen – während weniger begüterte Familien, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder selbst zu betreuen, dafür keine staatliche Förderung erhalten. 

Was mir in diesem Zusammenhang auch noch einfällt, ist, dass ich kürzlich einen Flyer von "Hedi Kitas", dem Zweckverband der katholischen Kindertagesstätten im Erzbistum Berlin, zu Gesicht bekommen habe, und der sah so aus: 

"Finde eine Kita in deiner Nähe. Für dein Kind. Und deine Karriere." Euer Ernst?, dachte ich. Klar, "Kind" und "Karriere", das ist so eine schön eingängige Alliteration; aber für mein Empfinden spricht aus der Anmutung, seine Kinder in die KiTa zu geben sei gut für die "Karriere", ein Zynismus, der gerade einer kirchlichen Einrichtung ausgesprochen schlecht zu Gesicht steht. Nicht nur, weil der Begriff "Karriere" für mich generell etwas Anrüchiges an sich hat (worin ich mich immerhin mit Theodor Storm einig weiß: "Was du immer kannst, zu werden, / Arbeit scheue nicht und Wachen; / Aber hüte deine Seele / Vor dem Karrieremachen"), sondern auch, weil es mir so realitätsfern erscheint: Wie viele Leute haben denn heutzutage ernsthaft Aussicht, Karriere zu machen? In dieser Wirtschaftslage? "Meine Kinder in die KiTa zu geben, hat es mir ermöglicht, mich voll auf meine Arbeit in der Systemgastronomie zu konzentrieren und den Aufstieg von der einfachen Kassiererin zur Schichtleiterin zu schaffen. Ich bin so froh, dafür darauf verzichtet zu haben, meine Kinder beim Laufen- und Sprechenlernen zu begleiten." – Also, ich hab da meine Zweifel. Wie ich immer sage, die wenigsten Menschen wünschen sich auf dem Sterbebett, sie hätten weniger Zeit mit ihren Kindern und dafür mehr auf der Arbeit verbracht. Und gerade eine kirchliche Einrichtung sollte sich dessen eigentlich bewusst sein. 


Samstag, 8. Februar 2025

Die 3 K der Woche (11): Kinder, Kirche, Küste

Entspannte Grüße aus dem Urlaub, Leser! Wenn man sowohl ein schulpflichtiges Kind als auch eine Lehrerin in der Familie hat, dann bieten sich Schulferien gleich doppelt dafür an, mal ein bisschen wegzufahren, und in der zurückliegenden Woche waren in Berlin und Brandenburg Winterferien. Dazu, wo wir waren und was wir gemacht haben, gibt's ein paar Sätze unter der Überschrift "Ein unbekannter Ort außerhalb der Zivilisation"; besonders viel Blogrelevantes unternommen oder erlebt haben wir in diesen Tagen allerdings nicht, weshalb die thematischen Schwerpunkte dieses Wochenbriefings eher woanders liegen. Aber seht selbst! 


Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst 

Wie geplant, standen wir am Sonntag eine Stunde früher auf als sonst, um zunächst in St. Stephanus Haselhorst die Messe zum Fest Darstellung des Herrn (a.k.a. Mariä Lichtmess) mitzufeiern und anschließend noch auf der anderen Straßenseite in der EFG The Rock Christuskirche zum freikirchlichen Gottesdienst zu gehen. Als wir die erstgenannte Kirche betraten, war Padre Ricardo aus Mexiko, noch nicht in Messkleidung, gerade dabei, mit der Gemeinde den Ablauf der Kerzenweihe im Rahmen der Messe zu besprechen; da wir noch mit dem Ankommen beschäftigt waren, bekam ich nicht genau mit, was er sagte, hatte aber den Eindruck, dass er innerhalb weniger Sätze mindestens dreimal seine Meinung darüber änderte, an welcher Stelle die Kerzenweihe in die Liturgie eingefügt werden sollte. Möglicherweise trug diese etwas übers Knie gebrochene Planung dazu bei, dass bei der Kerzenweihe – die dann tatsächlich vor dem Gloria stattfand – keine besonders feierliche oder würdevolle Atmosphäre aufkam; aber ich glaube, feierlich und würdevoll zu zelebrieren liegt ganz generell nicht in Padre Ricardos Naturell, dafür ist er insgesamt zu "fuzzy". (Ich denke, das kann man ruhig sagen, ohne es böse zu meinen; ich gehe auch davon aus, dass er das selber weiß.) 

Der Blasiussegen wird in den Kirchen dieser Pfarrei übrigens erst kommenden Sonntag (also morgen) gespendet; schade eigentlich, ich hätte ihn gut gebrauchen können, denn ich hatte seit Samstag Halsschmerzen. – In der EFG The Rock Christuskirche hatte der Gottesdienst bereits begonnen, als wir dort eintrafen; wir bekamen gerade noch ein paar Vermeldungen mit, bevor die Kinder zu ihren nach Altersgruppen gestaffelten Parallelveranstaltungen 'rausgeschickt wurden. An den Vermeldungen fand ich allerdings Verschiedenes interessant, d.h. bezeichnend für den Unterschied zwischen freikirchlichen und "post-volkskirchlichen" Gepflogenheiten. Zunächst einmal wurde mehreren Gemeindemitgliedern zum Geburtstag gratuliert; warum ich das bemerkenswert fand, magst du dir selbst zusammenreimen, Leser. Sodann wurde die Absicht kundgetan, einen neuen Gebetskreis für Männer zu etablieren – genauer gesagt, einen Online-Gebetskreis via Zoom. Mein erster Gedanke dazu war: Komisch, ich dachte, Corona ist vorbei. – Im Ernst: Mein Ding wäre so etwas ganz und gar nicht, aber es verlangt ja auch keiner, dass ich da mitmache. Interessant fand ich dieses Ansinnen einer Gebetskreisgründung aber doch, und zwar nicht zuletzt, weil angesagt wurde, der Gebetskreis solle alle zwei Wochen stattfinden – jeweils in den Wochen, in denen der Leitungskreis der Gemeinde sich nicht trifft. 

Halten wir das bitte mal fest: Der Leitungskreis der Gemeinde trifft sich alle zwei Wochen. Dabei handelt es sich, nach allem, was ich weiß, zum größten Teil um Leute, die im volkskirchlichen Verständnis als Ehrenamtliche bezeichnet werden würden. Vielleicht wird da mal in Umrissen deutlich, warum ich von dieser Begrifflichkeit und der damit einhergehenden Auffassung von Dienst in der Gemeinde gern mal wegkommen würde. In mir bekannten volkskirchlichen Gemeinden haben sogar die hauptamtlichen Mitarbeiter maximal einmal im Monat eine Dienstbesprechung, Pfarrgemeinderäte bzw. Pfarreiräte tagen vielleicht drei- bis viermal im Jahr. Da muss man sich wirklich nicht wundern, dass die Freikirchlicher mehr gebacken kriegen. (Obendrein steht zu vermuten, dass in so einem freikirchlichen Gemeinde-Leitungskreis erheblich mehr gebetet wird, als man es aus volkskirchlichen Gremien kennt; und das hat natürlich auch seine Auswirkungen.) 

Und übrigens, wo wir schon dabei sind: Das Stichwort "Leitungskreis" veranlasste mich auch, darüber nachzusinnen, wie in freikirchlichen Gemeinden eigentlich die Befugnis, Gottesdienste zu leiten, geregelt ist. Sowohl bei The Rock als auch in anderen freikirchlichen Gemeinden habe ich es schon oft, und so auch an diesem Sonntag, erlebt, dass ein Gemeindemitglied die Gottesdienstleitung, die eher eine Art Moderation war, innehatte und ein anderes predigte. Ich möchte mal annehmen, dass man, um im freikirchlichen Gottesdienst predigen zu dürfen, eine gewisse formale Qualifikation benötigen, also etwa einen von der jeweiligen Konfession bzw. dem jeweiligen Gemeindebund anerkannten Studienabschluss in Theologie; aber für die Leitung bzw. Moderation des Gottesdienstes gilt das wohl nicht unbedingt. Es liegt auf der Hand, dass das nicht so ohne Weiteres auf die katholische Kirche übertragbar ist, jedenfalls nicht soweit es die Heilige Messe betrifft, die von einem geweihten Priester geleitet werden muss und in der auch die Homilie Bestandteil des priesterlichen Dienstes ist. Und wer schon ein paar meiner Artikel gelesen hat, wird möglicherweise schon mal mitgekriegt haben, dass ich kein Freund davon bin, die Rolle des Weihepriestertums in der Kirche dadurch zu relativieren, dass man Messen durch "Wort-Gottes-Feiern" ersetzt. Aber denken wir doch mal an eine Gemeinde wie die von St. Marien Maternitas in Heiligensee. Da gibt es eine Sonntagsmesse und einmal in der Woche eine Werktagsmesse, und an fünf Tagen in der Woche ist die Kirche zugesperrt und da findet überhaupt nichts statt. Bei der einen Werktagsmesse in der Woche gibt es aber um die zehn Leute, die verlässlich jedesmal dort sind. Darüber hinaus gibt es natürlich noch einige, die mehr oder weniger regelmäßig kommen, aber reden wir mal nur von den zehn Verlässlichen. Würden die vielleicht auch noch an einem zweiten Wochentag in die Kirche kommen, wenn es da einen Gottesdienst gäbe? Und wenn das keine Heilige Messe sein kann, weil die Priester sagen, sie können keine zweite regelmäßige Werktagsmesse an diesem Standort gewährleisten, da sie schließlich noch sechs weitere Kirchenstandorte zu betreuen haben – könnte man dann nicht einmal in der Woche (oder alle zwei Wochen, oder einmal im Monat) ein gottesdienstliches Angebot in offener Form veranstalten, das man meinetwegen "Andacht" nennen könnte und das die zehn Verlässlichen idealerweise selbst leiten könnten, also reihum im Wechsel? Muss ja nichts Spektakuläres sein: die Lesungen vom Tag vortragen, ein paar Lieder singen, Fürbitten, Vaterunser, Tagesgebet, Segensbitte und Entlassung; oder derjenige, der jeweils gerade mit der Leitung "dran" ist, setzt seine eigenen Akzente, einer macht vielleicht eine Rosenkranzandacht, ein anderer zum Beispiel Bibelteilen. Das Problem dürfte sein, dass die Leut' so etwas nicht gewohnt sind und die meisten es sich wohl auch nicht zutrauen. Das heißt, man müsste sie erst einmal dazu motivieren, anleiten und befähigen, solche "Leitungsaufgaben im Kleinen" zu übernehmen. Und genau daran fehlt es im volkskirchlichen Normalbetrieb eklatant. 

Kommen wir nun zum nicht so erfreulichen Teil dieses Gottesdienstbesuchs: Als der Zeitpunkt gekommen war, die Kinder aus dem Hauptgottesdienst 'raus- und zu ihren altersgerechten Parallelangeboten zu schicken, ging meine Liebste mit dem Jüngsten nach oben in den "Mini-Raum" und ich wollte mit dem Tochterkind nach unten in den "Dino-Raum" zur "Kinderkirche" für die 6- bis 11-jährigen; allerdings wollte die junge Frau, die die Kinderkirche diesmal leitete, mich nicht 'reinlassen. Meine Tochter wäre doch wohl alt genug, auch ohne mich an der Kinderkirche teilzunehmen, meinte sie; worauf ich erwiderte, das habe sie nicht zu bestimmen und darum gehe es auch nicht. Ich erklärte, ich fände es inakzeptabel, wenn es Eltern verwehrt werde, bei der Kinderkirche dabei zu sein, und unter diesen Umständen würde ich auch meine Tochter nicht dort lassen. Die Mitarbeiterin blieb hart und meinte, dann müssten wir halt gehen

Da stand ich nun natürlich etwas doof da; nach kurzer Besinnung lieferte ich das Tochterkind erst einmal oben im "Mini-Raum" ab, berichtete meiner Liebsten in wenigen Worten, was vorgefallen war, und ging dann, um meine Wut im Bauch loszuwerden, eine Runde spazieren und trank an der Tanke einen Kaffee. Danach wusste ich immer noch nicht so richtig wohin mit mir; ich hätte mich vielleicht einfach ins Foyer der The Rock-Kirche gesetzt, bis der Gottesdienst vorbei war, aber da hätte ich mir die Predigt mitanhören müssen. Also landete ich schließlich wieder im Mini-Raum. Dort kam ich mit einer jungen Mutter (und Grundschullehrerin) ins Gespräch, die den Grund für meinen Ärger mitbekommen hatte und Verständnis für meine Position äußerte; auch sonst war das Gespräch sehr nett und besserte meine Laune ganz erheblich. 

Beim an den Gottesdienst anschließenden geselligen Teil traf ich am Büffet die Gemeindemitarbeiterin, die die Gesamtleitung für den Bereich Kinderkatechese (inklusive JAM) innehat und bei deren Hochzeit wir gewesen waren. Eigentlich hätte ich gern mit ihr über das Problem der Elternanwesenheit in der Kinderkirche gesprochen, und dass sie mich ausgesprochen freundlich begrüßte ("Hallo Tobias, schön dich zu sehen"), hätte mich vielleicht dazu ermutigen sollen, aber tatsächlich trug es nur dazu bei, dass ich schlicht keine Lust hatte, dieses Fass noch einmal aufzumachen. Letzteres blieb mir dann aber doch nicht erspart, denn etwas später kam die Mitarbeiterin, die mich bei der Kinderkirche quasi 'rausgeschmissen hatte, auf mich zu, um "noch einmal in Ruhe darüber zu reden". Darauf hätte ich nun wirklich gut verzichten können, denn ich empfand meine Gesprächspartnerin als sehr uneinsichtig – und habe keinen Zweifel, dass sie dasselbe über mich sagen würde. Sie ließ durchblicken, sie habe nicht nur Theologie, sondern auch Psychologie studiert und habe vor diesem Hintergrund ein ungutes Gefühl, wenn Eltern offenbar Probleme damit haben, ihre Kinder mal allein zu lassen. Gegen solche "Argumente" ist man natürlich machtlos: Hätte ich darauf hingewiesen, dass meine Tochter gut 30 Stunden pro Woche in der Schule verbringt, hätte es vermutlich geheißen "Na also, dann geht das hier doch wohl auch mal für 'ne halbe Stunde". Worauf ich dann ehrlicherweise hätte entgegnen müssen, natürlich würde es "gehen", aber das ist meine Entscheidung und die meiner Tochter – und nicht die der Mitarbeiterin. Worauf sie sich persönlich angegriffen fühlen würde und das ganze "Gespräch" nur dazu gedient hätte, den Graben zu vertiefen. 

Was ich indes sagte, war, dass ich selbst Kinderwortgottesdienste für diese Altersgruppe mache und dass ich da, wenn ich verlangen würde, dass Eltern nicht dabei sein dürfen, im hohen Bogen 'rausfliegen würde – und mit Recht. Das hat ja schließlich auch einen Präventionsaspekt, wobei ich in diesem speziellen Fall eher an Prävention geistlichen Missbrauchs denke. Ja, zugegeben, diesen Begriff empfinde ich im Grunde selbst als ein bisschen arg hoch gegriffen und habe ihn in dem besagten Gespräch daher bewusst vermieden; aber dass die religiöse Bildung der Kinder in besonderem Maße das Erziehungsprivileg der Eltern berührt und dass die Eltern daher das Recht haben müssen, da eine gewisse Kontrolle auszuüben – und wenn diese Kontrolle nur darin besteht, sich mit anzuhören, was den Kindern erzählt wird, damit man gegebenenfalls hinterher nochmal mit ihnen drüber reden kann –, das ist ein Hügel, auf dem ich zu sterben bereit bin. 

Meine Liebste ging dann übrigens – während die Kinder im Garten spielten – noch zu einem offenen Bibelkreis, in dem es um die Abrahams-Erzählungen aus dem Buch Genesis ging. War wohl ganz gut. 


Ein unbekannter Ort außerhalb der Zivilisation


Am Montag brachen wir in aller Früh, gefühlt quasi mitten in der Nacht, auf in den Urlaub – den wir, wie schon in den Winterferien 2020, '23 und '24, erneut in einer Ferienanlage in Butjadingen verbrachten – ungefähr 12 km entfernt von dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Diesmal waren wir wieder in einer Ferienwohnung statt in einem Hotelzimmer; das machen wir nächstes Mal wieder anders, schon allein wegen des Frühstücksbüffets und des Barfußgangs vom Hotel ins Schwimmbad. Schön war aber, dass – wie schon angekündigt – eine Schulfreundin unseres Tochterkindes mit ihrer Familie in derselben Ferienhaussiedlung, nur ein paar Häuser weiter, Urlaub machte. Und obwohl die ganze Gegend eigentlich hauptsächlich auf Sommerurlauber eingestellt ist und nicht nur viele Veranstaltungsangebote ausschließlich in den Sommermonaten stattfinden, sondern auch zahlreiche Lokale und Geschäfte von November bis April schlichtweg geschlossen sind, gab es buchstäblich mehr als genug zu tun und zu erleben: So waren wir einmal in der Spielscheune, einmal im Nationalparkhaus-Museum Fedderwardersiel (ein absolutes Highlight auch und gerade für die Kinder, ich kann das gar nicht warm genug empfehlen), einmal Ponyreiten auf Hof Seeverns (wie ich schon letztes Jahr schrieb: Wenn die Kinder nicht wenigstens einmal reiten gehen, ist es dann überhaupt Urlaub?), einmal Tiere füttern und streicheln auf Hof Iggewarden, zweimal Drachen steigen lassen, zweimal bei der Kinderdisco und auch nur zweimal im Schwimmbad, und dann war der Urlaub auch schon wieder rum. Wattwandern gehen wollten wir eigentlich auch, aber die bereits gebuchte Tour wurde wegen mangelnder Nachfrage abgesagt, woran wohl auch die recht strengen Temperaturen ihren Anteil hatten. – Na ja, im Sommer werden wir, so Gott will und wir noch leben, wieder hier in der Gegend sein, und dann haben wir mehr Zeit. 


Währenddessen in St. Willehad 

In der Vorschau auf diese Urlaubswoche hatte ich bereits angemerkt, dass es unsicher sei, ob und in welchem Maße ich überhaupt Zeit finden würde, mich um die Situation in der notorischen Problempfarrei St. Willehad zu kümmern; aber für alle Fälle studierte ich schon vor unserer Abreise gründlich die aktuelle Ausgabe der Pfarrnachrichten. Abgesehen von den Terminen für die aktuelle Woche – auf die komme ich später zu sprechen – fand ich da vor allem zwei Beiträge interessant; der eine davon prangte direkt auf der Titelseite: "Neues aus der Prozessgruppe des Pastoralen Raums Wilhelmshaven". Darin geht es um eine zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser "Willehad aktuell"-Ausgabe gerade eine Woche zurückliegende Klausurtagung der in der Überschrift genannten "Prozessgruppe", die in Wilhelmshaven stattfand (wo die örtliche katholische Kirche, nebenbei bemerkt, ebenfalls St. Willehad heißt). Die Nordenhamer Pfarrei wird in dieser "Prozessgruppe" durch den Diakon Christoph Richter vertreten, der berichtet: "Bei diesem Treffen wurden aus einer Bestandsaufnahme, die alle Pfarreien des Pastoralen Raums eingereicht hatten, mögliche Themen, Projekte und Ideen für Kooperationen zwischen den Pfarreien entwickelt und gesichert. So können sich die Teilnehmer der Gruppe vorstellen, Teile der Firmvorbereitung im Pastoralen Raum gemeinsam anzugehen." Damit nicht genug: Zu den pastoralen Aktivitäten, die nach Auffassung der Prozessgruppe innerhalb des von der Insel Wangerooge bis an die Stadtgrenze Bremens reichenden Pastoralen Raums "gemeinsam gestaltet werden" könnten, werden auch "Glaubenskurse wie Alpha, Gruppenleiterausbildungen, Präventionsschulungen, die Urlauberseelsorge oder auch die 'Queerpastoral'" gezählt. Zu dem letzteren Stichwort wäre sicherlich noch etwas zu sagen, aber konzentrieren wir uns erst mal auf einen anderen Aspekt: Wie praktikabel kann eine Kooperation auf den genannten Gebieten in einem derart weitläufigen Pastoralen Raum überhaupt sein? Symptomatisch scheint es mir, dass am Ende des Artikels auf eine Informationsveranstaltung zum "Stand der Arbeit der Prozessgruppe" hingewiesen wird, die Ende März in Varel stattfinden soll. Wer fährt denn für sowas von Nordenham nach Varel? Das sind 34 Kilometer! Mal zum Vergleich: Von Siemensstadt nach Falkensee sind es "nur" 15 Kilometer, und das finde ich schon weit, obwohl man ab Spandau mit der Regionalbahn fahren kann. Von Nordenham nach Varel bräuchte man mit öffentlichen Verkehrsmitteln fast drei Stunden, inklusive zweimal umsteigen. Sehr viel schneller wäre man in Delmenhorst oder sogar in Oldenburg, aber diese Orte gehören schon zu einem anderen Pastoralen Raum. Das Beispiel zeigt, dass der Zuschnitt des Pastoralen Raums Wilhelmshaven – ebenso wie auch sonst so ziemlich die gesamte Infrastruktur in diesem Landstrich – auf der Erwartung aufbaut, dass sowieso jeder Haushalt mindestens ein Auto hat. Nachhaltig finde ich das nicht gerade – und das meine ich nicht nur im ökologischen Sinne, sondern auch und gerade unter dem Aspekt des Community Building. Gemeinschaft braucht räumliche Nähe, daran ändert auch die Allgegenwart digitaler Kommunikationsmittel nichts Grundlegendes. Wenn beispielsweise im Firmkurs Jugendliche zusammensitzen, die sich ansonsten nie sehen, nicht in der Schule, nicht auf dem Bolzplatz und nicht im Skate-Park, wird das nur dazu beitragen, dass der Firmkurs als etwas vom sonstigen Leben Abgetrenntes erlebt wird, und das ist nicht gut. – Natürlich könnte man die Pläne der "Prozessgruppe" auch dahingehend verstehen, dass lediglich die (haupt- wie ehrenamtlichen) Mitarbeiter der einzelnen Pfarreien miteinander kooperieren und gemeinsame Konzepte entwickeln sollen. Aber auch da sehe ich die Gefahr einer Standardisierung, die zu Lasten einer gesunden Vielfalt ginge

Aber kommen wir mal zum zweiten interessanten Artikel in den Pfarrnachrichten: "Neue Jugendgruppe in der Pfarrei"! "Nach den Weihnachtsferien bildete sich aus eigenen Stücken der jungen Leute eine neue Jugendgruppe von 15- bis 18-jährigen Jugendlichen", liest man da. "Den Jugendlichen geht es vor allem um geistliche Inhalte, um Glaubensgespräche, um das Erlernen von Gebetsformen wie Kreuzweg oder Rosenkranz, aber auch um allgemein religiöse Themen wie der Jahreskreis der Kirche, Inhalte der Hochfeste und mehr. Das Ganze soll ergänzt werden um gemeinschaftsstiftende Inhalte wie Pizza backen, Filme gucken und gemeinsame Spielezeit im Jugendraum über der Sakristei." Ich finde, das klingt ausgesprochen vielversprechend – angefangen davon, dass die Initiative zur Gründung dieser Gruppe von den Jugendlichen selbst ausging, bis hin dazu, was über die Schwerpunktsetzung bei den Gruppenaktivitäten gesagt wird: Gemeinschaftsstiftende Veranstaltungen ja, gerne auch mit Pizza, Film- und Spieleabenden, aber vorrangig soll's um geistliche Inhalte gehen, einschließlich solcher Sachen wie Rosenkranzgebet. Find' ich prima. Aber hat die Sache auch einen Haken? Durchaus: "Begleitet wird diese Gruppe dabei von Diakon Christoph Richter." – Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich ursprünglich mal einen durchaus positiven Eindruck von Diakon Richter hatte, wenn auch hauptsächlich aufgrund der Beobachtung, dass er in der Krisensituation nach dem Rücktritt bzw. Rauswurf von Pfarrer Jortzick nahezu die einzige Person in St. Willehad schien, die von der ganzen Gemeinde einhellig geschätzt und gemocht wurde. Nun weiß ich nicht, wie es heute um sein Ansehen in der Gemeinde steht, aber bei mir hat er diesen Vertrauensvorschuss in den seither vergangenenen neun Jahren restlos aufgebraucht; sein Agieren in der Regenbogenflaggen-Affäre war da nur der letzte Tropfen, wenn auch ein ziemlich dicker. Kurzum, wenn dieser Typ die Leitung der Jugendgruppe übernimmt, dann steht zu befürchten, dass der hoffnungsvolle geistliche Aufbruch, der sich sozusagen im "Gründungsprogramm" der Gruppe niederschlägt, gleich wieder im Keim erstickt wird. Aber hoffen und beten wir mal, dass es dazu nicht kommt. 

Heiliger Aloysius von Gonzaga, bitte für uns! 
Heiliger Karl Lwanga und Gefährten, bittet für uns! 
Heiliger Johannes Bosco, bitte für uns! 
Heilige Maria Goretti, bitte für uns!

Was die in den Pfarrnachrichten angekündigten Termine in unserer Urlaubswoche anging, war an unserem Anreisetag, also am Montag, im Rat-Schinke-Haus in Burhave Gitarrenkreis; da hinzugehen war aber keine realistische Option, obwohl ich meine Gitarre in den Urlaub mitgenommen hatte. (Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass am Montagmorgen, während wir noch in der Regionalbahn von Bremen nach Nordenham saßen, am selben Ort ein morgens ökumenisches Friedensgebet stattfand.) Am Dienstag stand als einzige Veranstaltung Knobeln mit Kolping im Wochenplan, das reizte mich ja nun gar nicht. Spannender sah der Mittwoch aus, denn da war morgens Heilige Messe in Nordenham und abends Alpha-Kurs in Burhave. Mittwochs morgens zur Messe zu gehen, sind zumindest der Jüngste und ich ja eigentlich gewöhnt, allerdings hätten wir dafür eben auch so früh aufstehen und so kurz und schnell frühstücken müssen wie an einem Schultag, von daher war mir schon relativ klar, dass das nicht klappen würde. Mal auf gut Glück beim Alpha-Kurs 'reinschneien hätten wir hingegen eigentlich machen können, aber aufgrund innerfamiliärer Abstimmungsschwierigkeiten kam es dann doch nicht dazu, womit ich recht unzufrieden war. – Am Donnerstag war um 15 Uhr Heilige Messe in Burhave, anschließend traf sich die Gruppe 60+ im Rat-Schinke-Haus und Pfarrer Jasbinschek hielt einen Vortrag zum Thema "Schweizer Exerzitien mit Wandern in Gottes Natur". Demnach war wohl davon auszugehen, dass Pfarrer Jasbinschek auch die Messe hielt, und darauf hatte ich nun keine besondere Lust – zumal wir am Donnerstag schon mehr als genug anderes zu tun hatten. Am Freitag schließlich fand in St. Willehad Nordenham um 17 Uhr eine "Eucharistiefeier zum Fest der Dankbarkeit [sic]" statt, gefolgt von "gemütliche[m] Beisammensein im Pfarrheim mit Imbiss", aber da gingen wir dann doch lieber zur Kinderdisco mit anschließender Gutenachtgeschichte und aßen Burger mit Pommes. Unter dem Strich blieb also als einzige kirchenbezogene Aktivität während des Urlaubs, dass ich am Dienstag, während Frau und Kinder noch in der Spielscheune waren, der Kirche Herz Mariä Burhave einen Besuch abstattete und dort erst die Sext und dann mein selbstgestricktes "Gebet für die Pfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland" betete. Aber auch hier gilt, wie oben schon angemerkt: Wenn wir im Sommer wieder hier in der Gegend sind, haben wir mehr Zeit... 


Kurz notiert: Ein paar Themen "für später" 

  • Die Frankfurter Rundschau kriegt die KiTa-Krise: In einem von BuzzFeed übernommenen Artikel lässt die Frankfurter Rundschau einen Vater aus Bielefeld zu Wort kommen, der seine Tochter aus der KiTa genommen hat, "weil dort quasi dauerhaft Notbetrieb wegen Personalmangel war". Die Überschrift des Artikels bezeichnet dies als "drastischen Schritt", was mir recht bezeichnend für die "kitanormative" Einstellung ist, von der hier ausgegangen wird. So wird beklagt, "deutschlandweit" hätten "306.000 Dreijährige [...] keinen Kitaplatz" – das seien "13,6 Prozent der Kinder in diesem Alter". Derweil müssten "[d]ie Eltern, deren Kinder einen Betreuungsplatz haben, [...] immer wieder Schließungen und ungeschultes Personal in Kitas hinnehmen. Oder auch nicht, dachte sich Jannis Johannmeier aus Bielefeld" – der erklärt: "Wir konnten uns auf nichts einstellen, hatten null Planungssicherheit. Das ist doch kein Zustand". Und: "Dann lieber gar keine Betreuung!" – Ich könnte mir gut vorstellen, dieses Thema im Laufe der nächsten Woche noch genauer unter die Lupe zu nehmen. 
  • Schweizerischer Katholischer Frauenbund will nicht mehr "katholisch" heißen: Wie mehrere katholische Nachrichtenportale berichten, soll auf einer Ende Mai anstehenden Delegiertenkonferenz über eine Umbenennung des rd. 100.000 Mitglieder zählenden Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) in "Frauenbund Schweiz" entschieden werden. Spitzenfunktionärinnen des Verbandes begründen den Änderungswunsch damit, dass der Namensbestandteil "katholisch" weithin "mit Klerikalismus, Homophobie und Frauenunterdrückung assoziiert" werde. "Mit dem K im Namen müssen wir erklären, was wir alles nicht sind", wird eine Vertreterin des Verbandes zitiert. Also, ich persönlich begrüße diesen Vorstoß und finde, er sollte auch in Deutschland Schule machen. Zum Beispiel beim BDKJ. Gleichzeitig stellt sich natürlich die Frage, ob die betreffenden Verbände trotzdem weiterhin aus Kirchensteuermitteln finanziert werden möchten. Ich schätze, auch das gäbe Stoff für einen eigenständigen Artikel ab... 


Neues vom Schulkind 

(Diesmal nicht von unserem Schulkind, denn bei uns waren ja, wie gesagt, gerade Ferien

"Die Schule unserer Kinder hat eine Schulwährung eingeführt, die die Kinder durch gutes Benehmen und gute Leistungen verdienen können und für die sie dann z.B. T-Shirts oder Eiswaffeln kaufen können. Innerhalb von 24 Stunden gab es Diebstahl, Erpressung und die Organisation eines Fälscherrings – und das alles nur in der 1. und 2. Klasse. Im Endergebnis war es eine ziemlich gute Lektion darüber, wie Geld funktioniert." 

(Simcha Fisher auf Facebook; Übersetzung von mir) 


Geistlicher Impuls der Woche 

Weil Gott ein unbestechliches Gericht in uns hineingelegt hat, das nie und nimmer zerstört werden kann, verurteilen sogar die Bösen sich selbst. Bezeichnet jemand sie mit ihrem richtigen Namen, dann schämen sie sich und werden ärgerlich und nennen es Frechheit. So verdammen sie selbst, was sie tun, wenn auch nicht durch ihre Werke, so doch durch Worte, in ihrem Gewissen, oder vielmehr auch durch ihre Werke. Denn weil sie ihre Werke heimlich und im Verborgenen tun, erbringen sie den Beweis, was für eine Meinung sie davon haben. Das Laster ist ja so offenkundig, dass selbst jene es verdammen, die ihm frönen. Und die Tugend ist so, dass sie auch bei denen in Bewunderung steht, die sie verfolgen. Auch der Unzüchtige lobt die Keuschheit, der Habsüchtige verdammt die Ungerechtigkeit, der Zornmütige bewundert die Geduld und tadelt den Kleinmut und der Ausgelassene die Ausschweifung. So mächtig ist in uns das Zeugnis der Ehrbarkeit und Sitte. So ist also das Gute strahlender als die Sonne und das Gegenteil hässlicher als alles. 

(Johannes Chrysostomus, Homilien zum Hebräerbrief) 


Ohrwurm der Woche 

Bill Withers: Lovely Day 

Ein Song, der die Urlaubsstimmung hervorragend einfängt. Tatsächlich lief "Lovely Day" während unseres Aufenthalts auch mal im "Market Dome" unserer Ferienanlage, allerdings in einer eher verzichtbaren Coverversion. Wozu ich sagen möchte: Davon, einen derart perfekt arrangierten Song zu covern, kann ich nur abraten. Man kann dabei eigentlich nur verlieren. 


Vorschau / Ausblick 

Wenn dieser Artikel online geht, sind wir irgendwo zwischen Nordenham und Hannover unterwegs, da unsere Rückreise sich dank Streckenunterbrechungen mit Schienenersatzverkehr etwas komplizierter gestaltet als die Hinfahrt; erst spät in der Nacht werden wir zurück in Berlin sein, und dann steht zu erwarten, dass wir morgen erst mal gründlich ausschlafen müssen. Zur Erfüllung der Sonntagspflicht böte sich unter diesen Umständen die Abendmesse in Herz Jesu Tegel an, aber wenn sich irgendeine andere praktikable Option abzeichnet, würde ich die wohl vorziehen. Am Montag beginnen Schule und Arbeit wieder, am Mittwoch ist wieder JAM – da wird man sehen, wie es mit dem Thema "Elternanwesenheit in der Kinderkatechese" weitergeht –, und am Freitag gibt es eine Veranstaltung des Erzbistums Berlin für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter in der kirchlichen Jugendarbeit, da habe ich mich aufs Geratewohl einfach mal angemeldet. "Kickoff Jugendpastoral" nennt sich das Ganze, der Flyer verspricht Kennenlernen, Buffet, Austausch und Gebet. Schauen wir mal...