Zunächst einmal freue ich mich, mitteilen zu dürfen: Die Liebste, das Kind und ich sind wohlauf und machen das Beste aus der Situation. Dazu gehört, dass meine Liebste, nachdem sie bereits vorletzten Freitag in unserem sehr kleinen, von einer niedrigen Mauer, einem schmiedeeisernen Zaun und einigen Sträuchern eingefassten und vom Balkon der Wohnung im ersten Stock quasi überdachten Vorgarten ein "Gartenzimmer" (so nennt es unsere Tochter) mit Tisch und Stuhl, Rutsche, Buddelkiste und Schaukel-Zebra eingerichtet hat, nun auch das Kinderzimmer gründlich aufgeräumt und neu gestaltet hat. Indessen muss ich gestehen, dass ich trotz der seit letztem Montag geltenden Ausgangsbeschränkungen fast jeden Tag - außer Donnerstag und Samstag - mindestens einmal "draußen" war; allerdings ausschließlich zu solchen Zwecken, die die derzeit geltende "Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus in Berlin" ausdrücklich erlaubt, wie zum Beispiel Einkaufen, ein bisschen Bewegung an der frischen Luft (zusammen mit dem Kind) und auch "idividuelle stille Einkehr in Kirchen, Moscheen, Synagogen und Häusern anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften" (§14, Abs. 3 p). Aber dazu später. -- Jedenfalls habe ich bei meinen Ausflügen den Eindruck gewonnen, dass die Straßen und Plätze zwar spürbar weniger belebt sind als vor der Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten, dass aber trotzdem noch eine ganze Menge Leute unterwegs sind -- so viele, dass Polizei und/oder Ordnungsamt heillos überfordert wären, wenn sie tatsächlich kontrollieren wollten, ob diese Leute wirklich alle einen legitimen Grund haben, ihre Behausung zu verlassen. Im Übrigen scheint es mir unter den Leuten, die man jetzt noch draußen antrifft, grob gesehen zwei Fraktionen zu geben. Die einen nehmen die ganze Krisensituation nicht so richtig ernst, befolgen aber trotzdem so einigermaßen die Regeln -- aber nicht ohne darüber zu meckern. (Das scheint mir geradezu klassisch Berlinerisch: sich aus staatsbürgerlichem Gehorsam an Vorschriften zu halten, dabei aber lautstark zu murren, das sei ja alles Schikane und Humbug.) Und die anderen schieben zwar total Panik, kriegen es aber trotzdem nicht hin, die grundlegendsten Schutzmaßnahmen zu beachten. Also zum Beispiel Leute, die sich beim Einkaufen einen Schal vors Gesicht binden, sich aber in der Kassenschlange vordrängeln, oder sich sogar Schutzmasken besorgen, diese dann aber so tragen, dass sie nicht die Nase bedecken. Nun gut, irgendwie muss man wohl Verständnis dafür haben, dass die Leut' mit der Gesamtsituation überfordert sind. Gerade das Einhalten von Abstandsregeln setzt schließlich voraus, andere Menschen überhaupt erst einmal wahrzunehmen, und im normalen Alltag ist der Berliner nun einmal darauf konditioniert, genau das nicht zu tun.
Okay, soweit die Außenwelt. Was das Leben innerhalb der eigenen vier Wände angeht, sehe ich derzeit keinen Grund zur Klage. Weder geht mir meine Familie auf den Keks - im Gegenteil, ich genieße es, dass wir alle drei so viel Zeit zusammen verbringen, und mir scheint, das Kind genießt es besonders -, noch verspüre ich die Notwendigkeit, die Zeit mit Binge-Watching oder Stadt-Land-Fluss-Spielen totzuschlagen. Mit Lesen, Schreiben, Papa-Sein und Gitarre-Üben habe ich schon mehr als genug zu tun.
Mittlerweile gefällt mir die schon vorige Woche angedeutete Idee, die Zeit der Ausgangsbeschränkung als eine Zeit der inneren Einkehr und geistig-geistlichen Vorbereitung auf künftige Großtaten zu betrachten und zu nutzen, immer besser, und unter diesem Blickwinkel habe ich es mit einer Rückkehr zur "Normalität" nicht unbedingt eilig. Ein wichtiger, vielleicht sogar der wichtigste Bestandteil einer solchen "Einkehrzeit" sollte bzw. müsste aber eigentlich auch eine Intensivierung des persönlichen Gebetslebens sein; und wie sieht es damit bei mir aus? -- Nun, ehrlich gesagt ist da noch Luft nach oben. Im Moment sieht das bei mir in etwa so aus: Montags #BenOp-Rosenkranz (habe ich den schon mal erwähnt? Ich glaube nicht. Okay, ich komme darauf zurück), dienstags Lobpreisandacht, freitags und sonntags Eucharistische Anbetung; davon abgesehen ein kurzes Tischgebet vor den Mahlzeiten, vor dem Einschlafen ein Nachtgebet, das ich noch aus meiner Kindheit kenne; und sonst so? Eigentlich wollte ich täglich wenigstens einmal, möglichst aber zweimal (um 12 und um 18 Uhr) den Angelus beten; und nun muss ich feststellen, dass ich das schon mal besser hingekriegt habe als in dieser Ausgangsbeschränkungs- und Kontaktverbots-Woche. Eigentlich wollte ich - mindestens in der Fastenzeit, aber dann möglichst auch noch darüber hinaus - jeden Tag die Lesehore aus dem Stundenbuch beten und die Tageslesungen aus dem Messlektionar lesen; aber tatsächlich musste ich am Freitag in der Anbetung das Pensum von drei Tagen "nachholen". Okay, ich bin guten Willens, mich zu bessern. Als hilfreich dafür könnte es sich erweisen, dass am gestrigen Sonntag eine Liebe Freundin aus unserer Pfarrgemeinde eine "Pilgernde Gottesmutter" aus Schönstatt, die sie rund eine Woche lang bei sich zu Hause beherbergt hatte, an uns weitergegeben hat.
Okay, soweit die Außenwelt. Was das Leben innerhalb der eigenen vier Wände angeht, sehe ich derzeit keinen Grund zur Klage. Weder geht mir meine Familie auf den Keks - im Gegenteil, ich genieße es, dass wir alle drei so viel Zeit zusammen verbringen, und mir scheint, das Kind genießt es besonders -, noch verspüre ich die Notwendigkeit, die Zeit mit Binge-Watching oder Stadt-Land-Fluss-Spielen totzuschlagen. Mit Lesen, Schreiben, Papa-Sein und Gitarre-Üben habe ich schon mehr als genug zu tun.
Mittlerweile gefällt mir die schon vorige Woche angedeutete Idee, die Zeit der Ausgangsbeschränkung als eine Zeit der inneren Einkehr und geistig-geistlichen Vorbereitung auf künftige Großtaten zu betrachten und zu nutzen, immer besser, und unter diesem Blickwinkel habe ich es mit einer Rückkehr zur "Normalität" nicht unbedingt eilig. Ein wichtiger, vielleicht sogar der wichtigste Bestandteil einer solchen "Einkehrzeit" sollte bzw. müsste aber eigentlich auch eine Intensivierung des persönlichen Gebetslebens sein; und wie sieht es damit bei mir aus? -- Nun, ehrlich gesagt ist da noch Luft nach oben. Im Moment sieht das bei mir in etwa so aus: Montags #BenOp-Rosenkranz (habe ich den schon mal erwähnt? Ich glaube nicht. Okay, ich komme darauf zurück), dienstags Lobpreisandacht, freitags und sonntags Eucharistische Anbetung; davon abgesehen ein kurzes Tischgebet vor den Mahlzeiten, vor dem Einschlafen ein Nachtgebet, das ich noch aus meiner Kindheit kenne; und sonst so? Eigentlich wollte ich täglich wenigstens einmal, möglichst aber zweimal (um 12 und um 18 Uhr) den Angelus beten; und nun muss ich feststellen, dass ich das schon mal besser hingekriegt habe als in dieser Ausgangsbeschränkungs- und Kontaktverbots-Woche. Eigentlich wollte ich - mindestens in der Fastenzeit, aber dann möglichst auch noch darüber hinaus - jeden Tag die Lesehore aus dem Stundenbuch beten und die Tageslesungen aus dem Messlektionar lesen; aber tatsächlich musste ich am Freitag in der Anbetung das Pensum von drei Tagen "nachholen". Okay, ich bin guten Willens, mich zu bessern. Als hilfreich dafür könnte es sich erweisen, dass am gestrigen Sonntag eine Liebe Freundin aus unserer Pfarrgemeinde eine "Pilgernde Gottesmutter" aus Schönstatt, die sie rund eine Woche lang bei sich zu Hause beherbergt hatte, an uns weitergegeben hat.
+++Special: Wie ist das jetzt genau mit dem #BenOp-Rosenkranz und der Lobpreisandacht?+++
Okay, ich wollte noch etwas zum #BenOp-Rosenkranz sagen. Das ist eine Initiative, die bereits im Oktober 2017 entstanden ist, und zwar daraus, dass Rod Dreher eine Kontaktliste mit den E-Mail-Adressen einiger Mitstreiter bzw. Gleich- und Ähnlichgesinnter in Sachen Benedikt-Option erstellte; hauptsächlich handelte es sich dabei um Personen, die er auf seinen Reisen nach Europa kennengelernt hatte. Ursprünglich waren (neben mir als einzigem Deutschen) hauptsächlich Franzosen und Italiener in dieser Gruppe vertreten, später kamen einige Tschechen, Slowaken und Ungarn dazu. Aus der naheliegenden Frage "So, und was machen wir jetzt mit dieser Adressenliste?" resultierte recht bald die Idee, Gebetsanliegen auszutauschen und einmal wöchentlich "gemeinsam"(d.h. ungefähr gleichzeitig, innerhalb eines verabredeten Zeitfensters) den Rosenkranz zu beten. Ich gebe zu, dass ich mich über die vergangenen zweieinhalb Jahre nicht absolut konsequent und verlässlich daran beteiligt habe, in den letzten Wochen dann aber doch, und ich hoffe das auch zukünftig beizubehalten.
Und über die wöchentliche Lobpreis-Andacht, die ich gemeinsam mit meiner Liebsten gestalte, wollte ich auch schon länger mal Genaueres schreiben. Wahrscheinlich wäre es sinnvoller, das erst dann zu tun, wenn die Ausgangsbeschränkungen so weit gelockert sind, dass man die Andacht wieder guten Gewissens öffentlich ankündigen bzw. dazu einladen kann. Noch vor drei Wochen hat unsere neue Pastoralreferentin mir geraten, zu diesem Veranstaltungsangebot einen Beitrag für den Pfarrbrief zu schreiben. Werde ich zum gegebenen Zeitpunkt wohl auch tun. Bisher war es nämlich auch dann, wenn diese Andacht im offiziellen Gottesdienstplan der Pfarrei stand, nicht unbedingt selten, dass außer uns selber (und Gott, natürlich) niemand dabei anwesend war oder einzelne Leute eher "zufällig" zur betreffenden Zeit in die offene Kirche kamen und je nachdem, ob sie mit dieser Form des Gebets etwas anfangen konnten oder eher nicht, dablieben oder eben nicht. Natürlich haben wir uns oft gewünscht, es würden mehr Leute teilnehmen, und natürlich haben wir uns immer gefreut, wenn das der Fall war; aber so richtig schlimm fanden wir es eigentlich auch nie, wenn außer uns keiner kam, denn einem "Publikum" zuliebe machten wir es ja letztlich nicht. Das war für uns auch ein wesentliches Argument, auch "unter Corona-Bedingungen" vorerst mit der Andacht weiterzumachen.
Die seit dem 23.03. in Berlin gültigen verschärften Kontaktverbots-Vorschriften werfen nun natürlich durchaus Fragen auf. Ist eine Andacht, wenn sie in der offenen Kirche stattfindet, per definitionem eine öffentliche Veranstaltung, auch wenn außer den Vorbetern niemand daran teilnimmt (oder allenfalls noch 1-2 weitere Personen, die aber nur zufällig zur selben Zeit in der Kirche sind)? Inwieweit ist eine solche Andacht im Sinne der Berliner Corona-Verordnung anders zu beurteilen als etwa die in derselben Kirche stattfindende Eucharistische Anbetung? Spielt es eine entscheidende Rolle, ob die Andacht "still" ist oder ob dabei Musik abgespielt wird und hörbar Gebete gesprochen werden? Ist es überhaupt Sache der staatlichen Behörden, solche Unterscheidungen zu treffen? -- Fragen über Fragen! Da wir dienstags ohnehin zum Kirchenschließdienst eingeteilt sind, könnten wir, um ganz auf der sicheren Seite zu sein, den Beginn der Andacht auch um eine halbe Stunde nach hinten verlegen und die Kirche vorher abschließen statt hinterher; und sollte irgendwann auch die "offene Kirche" weiteren Verschärfungen der Ausgangsregeln zum Opfer fallen, könnten wir immer noch zu Hause lobpreisen. Das wäre aber wirklich nur eine Notlösung, denn unser Anliegen ist es ja gerade, dem Kirchenraum auch in diesen schwierigen Zeiten seinen Charakter als Ort des Gebets zu erhalten. Wie der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. im Jahr 1978 in einer Predigt sagte:
"Wir alle wissen, welch ein Unterschied ist zwischen einer durchbeteten Kirche und einer solchen, die zum Museum geworden ist. Wir stehen heute sehr in Gefahr, daß unsere Kirchen Museen werden und daß es ihnen dann geht wie Museen: Wenn sie nicht verschlossen sind, werden sie ausgeraubt. Sie leben nicht mehr. Das Maß der Lebendigkeit der Kirche, das Maß ihrer inneren Offenheit wird sich darin zeigen, daß sie ihre Türen offen halten kann, weil sie durchbetete Kirche ist."
(Joseph Kardinal Ratzinger: "Eucharistie – Mitte der Kirche. Vier Predigten". München 1978, S. 62f)Aber wie dem auch sei: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir es noch erleben, dass das Verbot gottesdienstartiger Zusammenkünfte irgendwann wieder aufgehoben oder zumindest gelockert wird; vielleicht wird es dann eine erhöhte Nachfrage nach so etwas geben, und vielleicht freut sich auch der eine oder andere meiner Leser über Anregungen, in der jeweils eigenen Ortsgemeinde Andachten zu gestalten, sofern und sobald das möglich und erlaubt ist. Also: Nachdem unsere wöchentlichen Lobpreis-Andachten anfangs (und das ist nun bald schon zwei Jahre her) komplett improvisiert waren, hat sich nach und nach ein recht fester Ablauf etabliert, bestehend aus einem frei formulierten Eröffnungsgebet, den Psalmen aus der Vesper vom jeweiligen Tag, einer Lesung (i.d.R. entweder die Kurzlesung aus der Vesper oder die 1. Lesung vom Tag), freien Fürbitten, Tagesgebet und Segensbitte, und dazwischen Lieder von der Lobpreis-Playlist auf meinem Handy (da meine Gitarren-Fertigkeiten noch nicht weit genug gediehen sind, um eine Andacht mit Livemusik zu bestreiten, aber ich arbeite daran). Um 18 Uhr beschließen wir die Andacht mit dem Angelus. Es handelt sich also um eine Mischung aus traditionellen und charismatisch-poppigen Elementen; was indes die freien Gebete betrifft, überlasse ich diese nach Möglichkeit gern meiner Liebsten, denn die kann so etwas einfach besser als ich. Dafür konzentriere ich mich auf die Musikauswahl. Aus der Playlist spontan Lieder auszuwählen, die zu den Psalmen, der Lesung und den aktuellen Gebetsanliegen des jeweiligen Tages passen, ist eine Herausforderung, der ich mich mit einigem Ehrgeiz widme; ich sehe das als eine Möglichkeit, Fertigkeiten, die ich im Zuge meiner Tätigkeit als DJ erworben habe, zur Ehre Gottes einzusetzen.
Am vergangenen Dienstag hatten wir, wie schon in der Woche zuvor, wieder eine sehr schöne, bewegende Tageslesung -- diesmal aus Ezechiel 47. Diese Bibelstelle spielt eine zentrale Rolle im letzten Kapitel der "Benedikt-Option", und Johannes Hartl zitiert sie gegen Ende seines Vortrags "Ökologie des Herzens". Hier ein Auszug:
"Und er maß noch einmal tausend Ellen ab. Da war es ein Fluss, den ich nicht mehr durchschreiten konnte; denn das Wasser war tief, ein Wasser, durch das man schwimmen musste, ein Fluss, den man nicht mehr durchschreiten konnte. Dann fragte er mich: Hast du es gesehen, Menschensohn? Darauf führte er mich zurück, am Ufer des Flusses entlang. Als ich zurückging, siehe, da waren an beiden Ufern des Flusses sehr viele Bäume. Er sagte zu mir: Diese Wasser fließen hinaus in den östlichen Bezirk, sie strömen in die Araba hinab und münden in das Meer. Sobald sie aber in das Meer gelangt sind, werden die Wasser gesund. Wohin der Fluss gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können und sehr viele Fische wird es geben. Weil dieses Wasser dort hinkommt, werden sie gesund; wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben." (Ez 47,5-9)
Das lasse ich mal ohne weiteren Kommentar so stehen.
+++Zitat der Woche+++
"Dreimal, nicht nur einmal, fällt Christus [unter dem Kreuz], als wollte Er uns damit zeigen, was es heißt, den Weg des Kreuzes zu gehen -- öffentlich, in Schande. Es muss notwendigerweise zu überwältigend für unsere körperlichen Kräfte sein, wenn es überwältigend genug sein soll, unsere Seelen zu Gott zu erheben."
(Dorothy Day, Tagebucheintrag vom 18.09.1952. In: dies., The Duty of Delight. New York 2011, S. 194. Eigene Übersetzung.)
+++extra viele Linktipps+++
Julia Knop ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, und wie so viele Menschen dieser Tage macht auch sie sich Gedanken über die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Bemerkenswert ist indes, an was für Auswirkungen sie dabei in erster Linie denkt: Sie sieht in den Reaktionen der Kirche auf die Krise "problematische Entwicklungen" -- wie zum Beispiel: "täglicher Blasiussegen, Einzelkommunionen außerhalb der privatim zelebrierten Messe, priesterliche Sakramentsprozessionen durch leere Straßen, die Weihe ganzer Bistümer an das Herz der Gottesmutter, Generalabsolutionen und Ablässe". Können diese Praktiken "im Jahr 2020 angemessene und tragfähige kirchliche Reaktionen auf die Corona-Krise" sein?, fragt sie. Angesichts des charakteristischen Manövers denkfauler "Progressiver", die aktuelle Jahreszahl als Argument zu verwenden, möchte man ihr gern mit Chesterton antworten:
"Genausogut könnte man sagen, eine bestimmte Ansicht sei am Montag vertretbar, am Dienstag dagegen nicht. Ebensogut könnte man von einer bestimmten These über die Welt sagen, sie sei um halb vier angebracht, um halb fünf indes fehl am Platze."Aber lassen wir das ruhig mal beiseite. Ginge es bloß um Vorbehalte gegenüber einer "Präsentation" von Frömmigkeit, deren "Ästhetik" allzu eindeutig auf vergangene Zeiten verweist und dadurch museal und unauthentisch wirkt, dann könnte ich das zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Aber es ist recht offensichtlich, dass diese Stänkerei aus derselben Richtung kommt, aus der beispielsweise gegen Eucharistische Anbetung auch und gerade dann polemisiert wird, wenn sie in modern-poppigem Gewand daherkommt wie etwa beim Nightfever. Da erzittern einfach die nachkonziliar-"progressiven" Bilderstürmer und ihre (un-)geistigen Erben vor der Wiederkehr von Dingen, die sie "überwunden" geglaubt haben. Und das ist in erster Linie keine Frage der Ästhetik, sondern des Gottesbildes. Frau Prof. Knop ist da erfreulich klar: Es gehe darum, den "fatalen Trost", den traditionelle Frömmigkeitsformen versprechen, "theologisch zu dekonstruieren". Als Alternative empfiehlt sie "neue Formen von Gebet und Solidarität", "eine andere, deinstitutionalisierte und überkonfessionelle Weise, Christ*in und Kirche oder einfach ein gottgläubiger Mensch zu sein", "Mensch vor Gott zu sein, wie auch immer dieses Drama ausgeht". Man tut gut daran, all dies im Zusammenhang damit zu betrachten, dass Frau Prof. Knop "die Frage der Verortung und Begründung dogmatischer Theologie angesichts der zunehmenden Irrelevanz und Implausibilität der Gottesfrage" zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählt. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren. -- Warum empfehle ich diesen Artikel? Weil ich der Meinung bin, dass man die Existenz solcher Positionen zur Kenntnis nehmen sollte. Okay, und warum das? Weil ich der Meinung bin, der Umstand, dass eine Theologin (!) sich nicht bloß privatim solche Gedanken macht (was schon schlimm genug wäre), sondern damit an die Öffentlichkeit treten und offenkundig damit rechnen kann, damit ernst genommen zu werden und sogar Zustimmung zu ernten, ein solches Ausmaß von Glaubensabfall im Bereich der akademischen Theologie dokumentiert, wie ihn sich der normale Gläubige nicht einmal träumen lassen würde. (Dietrich von Hildebrand hat das freilich schon 1967 kommen sehen.) Wenig überraschend ist indes, dass Frau Prof. Knops Thesen im Umfeld von "Reform"-Initiativen wie Maria Zwonull viel Anklang finden; das beweist im Grunde nur einmal mehr, dass es in den Reihen der Kirche Leute gibt, die so wenig wissen, was eigentlich der Glaube der Kirche ist, dass sie ihn buchstäblich nicht einmal erkennen, wenn sie mit der Nase draufgestoßen werden. In der Haut derjenigen Theologen, die diese Verwirrung in den Köpfen der Laien angerichtet haben, möchte ich beim Jüngsten Gericht nicht stecken.
Wem die Vorstellung, das Problematischste an der Coronakrise sei die Wiederkehr traditioneller Frömmigkeitsformen, noch nicht bizarr genug ist, für den geht's noch bizarrer: Ein sogenanntes "Bündnis Pro Choice" befürchtet, die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus könnten den straffreien Zugang zu Abtreibungen erschweren, und fordert deshalb beispielsweise die Aussetzung der Beratungspflicht und der dreitägigen Wartefrist zwischen Beratungs- und Abtreibungstermin; außerdem solle es Schwangeren ermöglicht werden, Abtreibungen mittels eines Medikaments namens Mifegyne oder RU487 allein und zu Hause vorzunehmen. Man könnte den Eindruck haben, die Moloch-Anhänger fürchteten um den ungehinderten Fortgang ihres blutigen Menschenopferkultes, aber das ist nur meine Assoziation und steht nicht in diesem Artikel. Hier dokumentiert mein Freund Rudolf lediglich die Kritik der Lebensrechts-Initiativen "Aktion Lebensrecht für Alle" (ALfA) und "Christdemokraten für das Leben" (CDL) an den Forderungen des Pro-Choice-Bündnisses: "Dass in Zeiten, in denen das Gesundheitssystem um das Leben besonders gefährdeter Personen ringt, vorgeburtliche Kindstötungen künftig Priorität genießen sollen, zeigt, wessen Geistes Kind diejenigen sind, die solche Forderungen erheben", wird eine Pressemitteilung von ALfA zitiert.
Leah Libresco gehört, seit ich angefangen habe, mich in Fragen der praktischen Umsetzung des Konzepts "Benedikt-Option" zu vertiefen, zu meinen Lieblingsautorinnen. Sie gehört außerdem auch zu meiner oben erwähnten montäglichen Rosenkranzgruppe, aber das nur nebenbei. Jedenfalls dachte ich mir, wenn Leah einen Artikel zu - wenn man das so nennen kann - spirituellen Aspekten der Corona-Krise schreibt, dann kann der eigentlich nur gut sein. Und ich wurde nicht enttäuscht. Tatsächlich weisen die Impulse, die dieser Text bietet, weit über den konkreten Anlass von Corona-Pandemie und social distancing hinaus: Ausgangspunkt von Leahs Überlegungen ist das Dilemma, dass social distancing in der aktuellen Situation zwar (möglicherweise) Leben retten kann, aber äußerlich betrachtet einfach nicht besonders heldenhaft wirkt und daher dem verständlichen Drang widerstreitet, zur Bewältigung einer Krisensituation große, dramatische Taten zu vollbringen. Aber gerade Christen, so argumentiert Leah, sollten mit dem Gedanken vertraut sein, "die Ökonomie der Gnade höher zu veranschlagen als weltliche Maßstäbe von Leistung und Erfolg: "Wir sind Leute, die daran glauben, dass klausurierte Nonnen mit ihrem privaten Gebet einen machtvollen Einfluss auf die Welt ausüben. Wir sind Leute, die daran glauben, dass Gebet, Fasten und Demut ebensosehr Teil einer Antwort auf die Pandemie sind wie die Forschung nach antiviralen Mitteln." Und schließlich: "Wenn wir uns mühen, Gott in kleinen Dingen zu dienen, wird Er uns vielleicht würdigen, uns zu großen und dramatischen Aufgaben zu berufen" (vgl. übrigens Matthäus 25,21/23!). Na, wenn das nicht motivierend ist! -- Übrigens verweist Leah in diesem Artikel fortlaufend auf den Roman "Kristin Lavransdatter" von Nobelpreisträgerin Sigrid Undset, und bei mir verfestigt sich der Eindruck, ich würde ständig, quasi auf Schritt und Tritt, über lobende Erwähnungen oder explizite Empfehlungen dieses Romans stolpern. Ich schätze, ich werde ihn mal lesen müssen.
Niklas Schleicher gehört zu der Theologenblase auf Twitter, mit der ich mich hin und wieder herumstreite, und so bin ich auch mit ihm schon das eine oder andere Mal heftig aneinandergeraten. Persönlich ist er mir aber nicht direkt unsympathisch, daher dachte ich mir, als ich (dito auf Twitter) über den obigen Link stolperte: Schauste doch mal rein, könnte ja interessant sein. Und ist es auch. "Unzusammenhängende Notizen" verspricht die Überschrift, der Verfasser legt also keine stringente, geschlossene Argumentation vor, stellt auch nicht so sehr Thesen auf, als dass er Fragen aufwirft und Denkanstöße bietet. Das ist eine Form, die mir liegt, und gleichzeitig bedingt es das "Unzusammenhängende" daran, dass ich einige seiner Überlegungen zustimmungsfähiger finde als andere. So erklärt Niklas Schleicher zwar mit Entschiedenheit "Ja, dass wir keine Gottesdienste mehr feiern dürfen, ist schwer. Aber es ist richtig. Und dass viele Pfarrer und Pfarrerinnen nochmal vehement dafür eintreten, sich an dieses Verbot auch zu halten, ist gut"; aber gleichzeitig stellt er auch kritische Anfragen an diejenigen, die Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote - auch und gerade im kirchlichen Bereich - allzu unkritisch bejubeln und jene, die dabei nicht mitmachen wollen, als "Pestratten" (!) diffamieren. "Ja, die Ausgangssperren und die Einschränkung des öffentlichen Lebens sind wichtig und richtig", betont er sicherheitshalber nochmals. "Aber: Sie sind eben auch eine Güterabwägung. Eine Güterabwägung, bei der ein paar auf der Strecke bleiben werden. Das sollten wir schon so benennen." Diese Ehrlichkeit, das zu benennen, fehlt tatsächlich auch mir in vielen anderen Stellungnahmen zur Lage. -- Konkret auf den kirchlichen Kontext bezogen merkt Niklas Schleicher beispielsweise an, "wenn Menschen bestattet werden müssen und bei der Trauerfeier von vornherein nicht mehr als 10 Menschen dabei sein dürfen", finde er es "schon ein bisschen verstörend", dass sich "dagegen nicht Widerstand erhebt, sondern, dass das sogar begrüßt wird, auch von uns Kirchenmenschen". D'accord. Und was ist mit der "Bedeutung von menschlichen Beziehungen für das Person-Sein"? "Haben wir eigentlich darüber nachgedacht, was wir tun, wenn wir widerspruchslos hinnehmen, dass wir nun einige Menschen von Beziehungen abschneiden?" Schließlich gibt es jenseits der Social-Media-Bubble auch immer noch "diejenigen, deren Kontakt darin besteht, samstags auf den Markt zu gehen, oder mittwochs ins Wirtshaus. Und es wäre vermessen und dumm, anzunehmen, dass man die schon irgendwie anders erreicht."
Die mehr oder weniger konsequent durchgehaltene häusliche Isolation gibt uns allen reichlich Gelegenheit zum Nachdenken, aber wie so oft denkt Peter Winnemöller weiter als die meisten anderen. Was macht diese im Namen der Seuchenbekämpfung verordnete Isolation mit uns als Gesellschaft -- sozial, ökonomisch, psychisch? Was macht sie mit uns als Kirche? Gerade diese letztere Frage beleuchtet er aus einer Reihe verschiedener Blickwinkel -- kirchengeschichtlich, liturgiewissenschaftlich, sakramententheologisch und nicht zuletzt auch mit Blick auf die Machtfrage innerhalb der Kirche, die gerade den Schismatischen Weg so sehr umtreibt bzw. umgetrieben hat; und was er zu alledem anmerkt, gibt dem Zuschauer/Zuhörer eine Menge zu denken auf. Und das alles in achteinhalb Minuten! Lieber Leser, wenn Du Dir diese Woche nur einen einzigen Beitrag zum Thema "Die Kirche in der Coronakrise" ansiehst, dann möge es dieser sein. I mean it.
Ich gestehe, ich habe mir diese vom Heiligen Vater geleitete Andacht nicht live angesehen und bedaure das nun ein bisschen. Gleichzeitig empfinde ich die Reaktionen auf diese Andacht, die ich seit Freitagabend in den Sozialen Medien beobachtet habe, bemerkenswert und bewegend: Offenbar ist es Franziskus gelungen, so ziemlich alle Katholiken - abgesehen vielleicht von solchen, die man nur mit Abstrichen als katholisch bezeichnen kann, wie ultra-traditionalistische Kryptosedisvakantisten auf der einen und modernistische Kryptoprotestanten auf der anderen Seite - zusammenzubringen, trotz aller Meinungsverschiedenheiten über das richtige Verhalten angesichts der Coronakrise und auch sonst über annähernd alles. Gut, man könnte sage, genau dafür ist ein Papst im Grunde da; aber wenn man das so sieht, dann heißt das eben auch, dass Franziskus seine Aufgabe in diesem Moment vorbildlich erfüllt hat. -- Nun, immerhin habe ich inzwischen die Predigt nachgelesen, die der Heilige Vater zu diesem Anlass gehalten hat, und sie ist wirklich exzellent. Er legt darin das Evangelium vom Sturm auf dem See, bei dem der Herr im Boot schläft (Markus 4,35-41), mit Blick auf die aktuelle Krise aus; hier meine Lieblingspassage:
"Der Sturm legt unsere Verwundbarkeit bloß und deckt jene falschen und unnötigen Gewissheiten auf, auf die wir bei unseren Plänen, Projekten, Gewohnheiten und Prioritäten gebaut haben. Er macht sichtbar, wie wir die Dinge vernachlässigt und aufgegeben haben, die unser Leben und unsere Gemeinschaft nähren, erhalten und stark machen. Der Sturm entlarvt all unsere Vorhaben, was die Seele unserer Völker ernährt hat, 'wegzupacken' und zu vergessen; all die Betäubungsversuche mit scheinbar 'heilbringenden' Angewohnheiten, die jedoch nicht in der Lage sind, sich auf unsere Wurzeln zu berufen und die Erinnerung unserer älteren Generation wachzurufen, und uns so der Immunität berauben, die notwendig ist, um den Schwierigkeiten zu trotzen."
Sehr starke, sehr notwendige Worte. Danke, Heiliger Vater.
+++Ohrwurm der Woche+++
David Bowie, "Thru These Architect's Eyes", 1995
"It's difficult, you see, to give up / to leave a job when you know the money's from day to day."
+++Aus der Lesehore+++
"Sie erzählten Mose: Wir kamen in das Land, in das du uns geschickt hast: Es ist wirklich ein Land, in dem Milch und Honig fließen; das hier sind seine Früchte. Aber das Volk, das im Land wohnt, ist stark und die Städte sind befestigt und sehr groß. Auch haben wir die Söhne des Anak dort gesehen. [...] Kaleb beruhigte das Volk, das über Mose aufgebracht war, und sagte: Wir können trotzdem hinaufziehen und das Land in Besitz nehmen; wir werden es gewiss bezwingen." (Numeri 13,27-30)