In der aktuellen Ausgabe der Tagespost (16.05.2017, S. 9) ist ein von mir verfasster Artikel mit dem Titel "Christen als 'kreative Minderheit'" erschienen, der sich mit Visionen für christliches Leben in einer post-christlichen Gesellschaft befasst. Darin nehme ich insbesondere auf ein Buch Bezug, das am 14. März in den USA erschien und dort - nach Einschätzung von Weihbischof Robert Barron (Los Angeles), dem Begründer der Medienapostolats-Plattform "Word On Fire" - "schon jetzt das meistdiskutierte religiöse Buch des Jahres" ist: "The Benedict Option" von Rod Dreher, einem konservativ-christlichen Publizisten und Blogger. In Deutschland ist die durch dieses Buch angestoßene Debatte noch nicht so richtig angekommen; mein Tagespost-Artikel soll ein erster Versuch sein, dies zu ändern, und hier auf meinem Blog möchte ich diesen Versuch gern fortsetzen. Wenn es gelingt, hierzulande ein gewisses Interesse an der "Benedict Option" zu generieren, erscheint das Buch ja vielleicht in absehbarer Zeit auch auf Deutsch. Schauen wir mal.
Neroccio de' Landi: Drei Episoden aus dem Leben des Hl. Benedikt (1475) |
Dass ich überhaupt auf die "Benedict Option" aufmerksam wurde, verdanke ich natürlich dem Umstand, dass ich über Facebook und Twitter allerlei katholische oder in weiterem Sinne christlich-konservative Online-Portale und Blogs beobachte. Und da war es schlechterdings unmöglich, die Debatte rund um Drehers Buch zu übersehen. Obwohl ich mir einige Wochen lang redliche Mühe gegeben habe, sie zu ignorieren. Ich weiß gar nicht, warum. Ständig las ich in Überschriften und Teaser-Texten von Artikeln, die in den Sozialen Medien verlinkt wurden, das Stichwort "Benedict Option" und dachte: Was ist das? Worum geht's? Hm, keine Ahnung. Weiß nicht, ob mich das interessieren sollte. Tja. Irgendwann öffnete ich dann - aus einer Laune heraus - aber doch mal einen Link, der mich zu einem Artikel des Online-Magazins The Federalist führte. Der von Luma Simms verfasste Artikel trug die Überschrift "The Benedict Option Can't Save Your Faith Or Family" - und dass ausgerechnet dieser Titel mich dazu veranlasste, mich doch endlich mal damit zu befassen, was es eigentlich mit der "Benedict Option" auf sich habe, ist wohl ein ziemlich klares Indiz dafür, dass ich, warum auch immer, von vornherein nichts Gutes hinter diesem Schlagwort vermutete.
Werch ein Illtum.
Der - vom Teaser-Absatz abgesehen - erste Satz von Luma Simms' ausgesprochen kritischer Rezension lautet, frei übersetzt: "Es gab mal eine Zeit, da habe ich mein eigenes Weizenmehl gemahlen". Und schon an dieser Stelle blickte ich von meinem Tablet auf und sagte laut: "Ach. Darum geht's? Christliche Landkommunen?" Nun habe ich zwar, zumindest bis auf Weiteres, nicht die Absicht, in eine windschiefe Kate am Rand einer ländlichen Siedlung zu ziehen und Mehl zu mahlen (meine Liebste, ein geborener Stadtmensch, würde mir was husten), aber ich war - wie der Angloamerikaner sagt - intrigued. Tatsächlich geht es in Drehers "Benedict Option" auch gar nicht so sehr, geschweige denn ausschließlich, um Landkommunen. Sondern worum? Kurz gesagt: um die Vision eines radikal christlichen Lebensstils in kleinen lokalen Basisgruppen. Man könnte auch sagen: um eine christliche Graswurzelrevolution. Und ich hatte sofort das Gefühl, dass das eine ganze Menge mit dem zu tun hat, was bisher unter dem Label "Punk-Pastoral" in meinem Hinterstübchen vor sich hin brütete. Und weiterhin brütet. Die Kritik von Luma Simms (und anderen) an Drehers Thesen ist natürlich ausgesprochen ernst zu nehmen; aber bevor man sich mit der Kritik auseinandersetzt, empfiehlt es sich wohl, erst einmal diese Thesen selbst zur Kenntnis zu nehmen. Also der Reihe nach.
Einmal neugierig geworden, verlor ich nicht mehr viel Zeit, selbst einen Blick ins Buch zu werfen. Die Einleitung beginnt mit einer Selbsteinschätzung des Autors:
Gegen Ende seines Vorworts verweist der Autor abermals auf Alasdair MacIntyre und dessen Vision eines "neuen - zweifellos ganz anderen - St. Benedikt":
[Fortsetzung folgt!]
Den größten Teil meines Erwachsenenlebens war ich ein gläubiger Christ und ein engagierter Konservativer.Gut, das würde ich über mich selbst nun nicht so sagen. Gläubiger Christ vielleicht - es gab Zeiten, da hätte ich mich selbst nicht so bezeichnet, aber tief im Innern war ich es wahrscheinlich doch; wenn auch nicht oder kaum praktizierend. Aber als konservativ hätte ich mich für den "größten Teil meines Erwachsenenlebens" sicher nicht bezeichnet und fremdle auch heute noch mit so manchen Assoziationen, die dieser Begriff hervorruft; konservativ im "bürgerlichen", im CDU-Sinne war ich jedenfalls nie, nicht mal als ich in der Jungen Union war. Aber schauen wir mal weiter:
Ich sah keinen Konflikt zwischen diesen beiden Dingen - bis meine Frau und ich im Jahr 1999 unser erstgeborenes Kind auf dieser Welt willkommen hießen. Nichts verändert die Sicht eines Mannes auf das Leben so sehr wie die Notwendigkeit, sich Gedanken darüber zu machen, was für eine Welt seine Kinder erben werden. Und so erging es mir.Und da hat er mich, der Mr. Dreher. Mein erstes Kind ist zwar noch nicht geboren, aber ich merke trotzdem schon jetzt, dass diese Aussage auch für mich gilt. - Im Folgenden führt Rod Dreher aus, wie seine Vaterschaft ihn dazu veranlasst hat, an der Vereinbarkeit seines christlichen Glaubens mit einer im gängigen politischen Sinne konservativen Positionierung zu zweifeln - und in diesem Zusammenhang fällt der bemerkenswerte Satz:
Obwohl von konservativen Christen gesagt wird, sie würden einen "Kulturkampf" betreiben, war für mich - mit Ausnahme der Themen Abtreibung und Homo-Ehe - nicht viel davon zu erkennen, dass meine Leute irgendwie kämpften.Zustimmendes Nicken beim Leser (also mir). Aber gleich darauf wird's noch schärfer:
Es schien, als wären wir zufrieden damit, lediglich die Seelsorgeabteilung für eine konsumistische Kultur zu spielen, die rapide das Verständnis dafür verlor, was es heißt, Christ zu sein.Bäm. Besser kann man meinen Gram - um nicht "Ärger" zu sagen - über die weichliche und banale Selbstdarstellung kirchlicher Einrichtungen in den Medien kaum zusammenfassen. Ich habe mich hier ja wiederholt exemplarisch an der Facebook-Seite des Bistums Münster abgearbeitet - wobei man einräumen muss, dass die Münsteraner in dieser Hinsicht noch lange nicht die Schlimmsten sind. Jedenfalls hatte ich spätestens an diesem Punkt der Lektüre das dringliche Gefühl, dass die Benedict Option mir eine ganze Menge zu sagen haben würde. -- Aber was hat es eigentlich mit dem Buchtitel auf sich? Dreher verweist auf den Philosophen Alasdair MacIntyre, der Parallelen zwischen der aktuellen Krise der westlichen Gesellschaften und dem Untergang des Römischen Imperiums zieht: MacIntyre verweist auf die Gestalt des Hl. Benedikt von Nursia, der auf den massiven Zivilisationsbruch seiner Zeit mit der Gründung einer monastischen Gemeinschaft reagiert und damit eine innere Erneuerung der Identität Europas eingeleitet habe,. Ebenso, so MacIntyre (und mit ihm Rod Dreher), brauche es auch heute wieder „gegenkulturelle“ Basis- bzw. Untergrundbewegungen inmitten einer orientierungslos gewordenen Gesellschaft:
Ich habe den von MacIntyre prophezeiten strategischen Rückzug "die Benedikt-Option" genannt. Der Grundgedanke ist, dass ernsthafte christliche Konservative in Amerika nicht länger ein Leben nach dem Motto "business as usual" führen können; dass wir kreative, gemeinschaftsorientierte Lösungen entwickeln müssen, die uns helfen, an unserem Glauben und unseren Werten festzuhalten in einer Welt, die ihnen immer feindseliger gegenübersteht. Entweder entscheiden wir uns für einen entschlossenen Sprung in eine wirklich gegenkulturelle Weise, das Christentum zu leben, oder wir verurteilen unsere Kinder und Kindeskinder zur Assimilation.Kreative, gemeinschaftsorientierte Lösungen? Entschlossener Sprung? Wundert es noch jemanden, dass ich mich angesprochen fühle?
Ich habe The Benedict Option geschrieben, um die Kirche wachzurütteln und dazu zu ermutigen, aktiv zu werden, um sich zu kräftigen, solange noch Zeit dazu ist. Wenn wir überleben wollen, müssen wir zu den Wurzeln unseres Glaubens zurückkehren, im Denken wie auch im Handeln. Wir werden unser Leben - und unsere Sicht auf das Leben - radikal verändern müssen. Kurz gesagt, wir werden die Kirche sein müssen, ohne Kompromisse, koste es was es wolle.Aber hallo.
Dieses Buch [...] erzählt die Geschichten konservativer Christen, die kreative Wege erkunden, den Glauben in diesen dunkler werdenden Zeiten freudig und gegenkulturell auszuleben. Meine Hoffnung ist, dass Du Dich von ihnen inspirieren lässt und Dich in Deinem lokalen Umfeld mit gleichgesinnten Christen zusammentust, um Antworten auf die Herausforderungen zu entwickeln, denen die Kirche sich in der realen Welt ausgesetzt sieht. Wenn das Salz nicht seine Würze verlieren soll, müssen wir handeln. Es ist höchste Zeit. Dies ist keine Übung.Hätten meine Liebste und ich die Idee zum Mittwochsklub nicht schon gehabt und auch schon - wenngleich vorläufig noch in sehr bescheidenem Maßstab - damit angefangen, dann wäre es wohl spätestens jetzt an der Zeit dazu gewesen. Dass das Buch allerlei Anregungen dazu verspricht, wie man das Konzept des Mittwochsklubs weiter ausbauen und konkretisieren kann, dürfte auf der Hand liegen.
Gegen Ende seines Vorworts verweist der Autor abermals auf Alasdair MacIntyre und dessen Vision eines "neuen - zweifellos ganz anderen - St. Benedikt":
Der Philosoph meinte damit einen inspirierten, kreativen Anführer, der einen Weg erkundet, die Tradition in Gemeinschaft zu leben, damit sie in einer Zeit großer Prüfungen überleben kann. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. sagt eine Welt voraus, in der die Kirche in Zirkeln von engagierten Gläubigen leben wird, die den Glauben intensiv leben und die in gewissem Sinne vom gesellschaftlichen Mainstream abgekoppelt sein müssen, um an der Wahrheit festzuhalten. Lies dieses Buch, lerne von den Menschen, die Dir darin begegnen, und lass Dich inspirieren vom Zeugnis der Mönche. Lass sie alle zu Deinem Herzen und Deinem Geist sprechen - und dann werde vor Ort aktiv, um Dich selbst, Deine Familie, Deine Kirche, Deine Schule und Deine Gemeinschaft zu kräftigen.Okay. Bin dabei.
Zu guter Letzt, so hoffe ich, wirst Du mir zustimmen, dass Christen heute in einer Zeit der Entscheidung leben. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, haben Auswirkungen auf das Leben unserer Nachkommen, auf unsere Nation und unsere Zivilisation. Jesus Christus hat versprochen, dass die Pforten der Hölle Seine Kirche nicht überwinden werden - aber er hat nicht versprochen, dass die Hölle Seine Kirche im Westen nicht überwinden wird. Das hängt von uns ab - und von den Entscheidungen, die wir hier und jetzt treffen.Na, Leser: IST das motivierend? -- Wie Dreher die hier skizzierte Vision in den weiteren Kapiteln seines Buches näher ausführt, damit werde ich mich hier noch eingehend befassen; fürs Erste mache ich aber mal einen Punkt.
Ich lade Dich, Leser, ein, auf Deiner Reise durch die Seiten dieses Buches eines im Hinterkopf zu behalten: Vielleicht, nur vielleicht, könntest der neue und ganz andere Benedikt, den Gott beruft, Seine Kirche neu zu beleben und zu stärken... Du sein.
[Fortsetzung folgt!]
Ein paar kritische Anfragen an Drehers Idee (bin übrigens auf den zweiten Teil des Artikels gespannt!) :
AntwortenLöschen1) "Strategischer Rückzug"? Und was genau heißt das jetzt konkret? Die westliche Kultur ist so verloren, dass man nichts mehr dagegen machen, sie nicht mehr beeinflussen, sondern sich nur noch selber in seiner abgeschotteten Wagenburg ("Arche") vor der Ansteckung mit ihr bewahren kann? Mein Gott, Rod, studier Geschichte! Johann Michael Sailer, Wilhelm Emmanuel von Ketteler, Adolph Kolping oder Konrad Adenauer hätten zu ihrer Zeit mindestens ebenso viel, oder noch viel mehr, Grund zur Resignation in Bezug auf ihre Kultur gehabt. Sie haben nicht resigniert, und haben diese Kultur beeinflusst, und dafür können wir ihnen heute dankbar sein. "Früher" war keine goldene Zeit des Christentums.
Ach ja: Und wer hat eigentlich gesagt, dass jedes Engagement in der / für die Kultur "KulturKAMPF" sein muss?
2) Ich zitere aus dem Tagespost-Artikel: "Die praktischen Konsequenzen aus dieser Forderung reichen von der Etablierung christlich orientierter Berufs- und Konsumnetzwerke, Wohn- und Gebetsgemeinschaften bis hin zum Projekt religiöser Landkommunen mit eigenen Schulen, eigenen Kirchen und landwirtschaftlicher Selbstversorgung." Christliche Berufsnetzwerke? Man soll nur noch beim katholischen Bäcker kaufen und nicht mehr für den agnostischen Automechaniker arbeiten, oder was? Und Wohngemeinschaften? Landkommunen? Sind wir bei den Zwölf Stämmen hier? Ne danke. Aber die Landkommunen wurden ja oben im Artikel schon kritisch erwähnt...
Und was ist zum Beispiel mit den Christen, die brav die Vorgaben der ach so laschen Hierarchie (Sonntagspflicht etc.) erfüllen, aber keine Lust an weiterer Gemeinschaftsbeteiligung haben? Der gute Katholik, der wochentags im staatlichen Finanzamt arbeitet, samstags im örtlichen Schachklub zu sehen ist und sonntags dann in der katholischen Messe, ist der in einer Benedict-Option-Gemeinschaft-Welt ein schlechter Christ?
3) Apropos ach so lasche Hierarchie. Wieder aus der Tagespost: "Diesen Aufruf richtet Dreher nicht so sehr an die kirchliche Hierarchie, die er in weiten Teilen als angepasst, saturiert und profillos wahrnimmt; vielmehr plädiert er für die Bildung lokaler christlicher Basisgruppen, die als Keimzellen für eine christlich orientierte 'Gegenkultur' fungieren sollen." Sorry, aber das klingt mir einfach zu sehr nach Sektierertum und Aufruf zum Ungehorsam gegenüber den Nachfolgern der Apostel, denen wir Gehorsam schulden. Ne, nicht sorry.
4) Was genau versteht Dreher eigentlich unter einem radikal christlichen Lebensstil? Woran zeigt sich das bei den Christen? Was genau machen sie anders als der Rest der Welt? Würde mich nur interessieren. Ist es kein "radikal christliches" Leben, wenn man ein "ganz normales" Leben mit seiner Familie führt, dabei betet und die Sakramente empfängt und sich an die Gebote hält? Was *ist* ein radikal christlicher Lebensstil?
5) Hier übrigens noch ein interessanter Link ("Die Pfarrei als Antwort auf die Benedict Option") : http://www.patheos.com/blogs/elflandletters/2017/05/06/parish-response-benedict-option/
- Crescentia.
Liebe Crescentia,
Löschendanke für Deinen ausführlichen Kommentar und die kritischen Anfragen! Ich schätze, die meisten der von Dir angesprochenen Punkte werden mehr oder weniger "automatisch" zur Sprache kommen, wenn ich mich weiter kapitelweise mit Drehers Buch auseinandersetze. Ein Punkt - der bei Dir unter 2) und 4) anklingt und den ich mal als "Und was ist mit den 'normalen' Christen?" zusammenfassen möchte - erscheint mir aber so wesentlich, dass ich denke, ich sollte in einem separaten Artikel darauf antworten. Ich hoffe, ich komme übers Wochenende dazu.
Beste Grüße!
Lieber KingBear,
LöschenVielen Dank für diese Antwort :) Freue mich auf den Artikel.
Ich habe nur einfach den Eindruck, Dreher sagt abwechselnd Selbstverständliches und Schwachsinn. Katholische Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, geistliche Bewegungen, oder vielleicht auch Künstler- oder Ärztevereinigungen - alles gute Sachen, *die wir auch schon haben* bzw. die man an seinem jeweiligen Ort neu gründen kann (und für die man gerne Verbesserungsvorschläge machen darf). Aber dieses ganze Kommunenleben - also, ich muss sagen, da klingeln bei mir einfach sämtliche bürgerlich-konservativ-volkskirchlichen Alarmglocken ;) Da habe ich auch nicht so viel für die linken Vorbilder übrig wie Sie.
Und was den radikal christlichen Lebensstil angeht, mein Eindruck ist einfach, dass das in der Praxis wahrscheinlich darauf hinauslaufen soll, möglichst wenig Kontakt zu Nichtgläubigen zu haben und den Kindern zu verbieten, "Pocahontas", "Harry Potter" oder "Bibi Blocksberg" anzuschauen (meiner Meinung nach eine ganz schlechte Erziehungsmethode, die böse nach hinten losgehen kann).
- Liebe Grüße, Crescentia.
Ich würde bei Bibi Blocksberg allerdings, zumindest, wenn ich könnte, wie ich wollte, meinem erbitterten Konservativmus freien Lauf lassen und alles, was nach einem bestimmten Datum erschienen ist oder das (für uns nicht, aber zur Zeit) aktuelle Lied hat, unter Generalverdacht stellen...
Löschen*Kinder* sollten Harry Potter aber tatsächlich nicht lesen. Und überhaupt niemand sollte Harry Potter anschauen, bevor er ihn gelesen hat. Howgh, und so.
Wenn ich könnte, wie ich wollte. Aber wahrscheinlich kann ich das eh nicht.
@ Imrahil: Das mit Harry Potter stimmt :) Aber "die Kinder" war in meinem Kommentar auch nicht altersspezifisch, sondern im Sinne von "der Nachwuchs" gemeint.
LöschenAch, komm. Alt ist nicht gleich gut. Es stimmt, dass "Bibi Blocksberg" (vielleicht war das Beispiel schlecht gewählt) qualitätsmäßig schlechter ist als z. B. "Die kleine Hexe". Aber ich hab auch schon neuere Sachen gelesen, die deutlich besser waren als ältere. Ich fand zum Beispiel als Kind die Lola-Bücher (von Isabel Abedi) viel besser als "Försters Pucki".
- Crescentia.
Nachtrag zum Thema Konservatismus:
LöschenOder, um mal Beispiele zu nehmen, die nicht für Kinder gedacht sind: Bei allem, was irgendwie mit Zukunftsszenarien/Dystopien/Science-Fiction zu tun hat, sehe ich geradezu eine *Verbesserung* in den letzten Jahren. Die Protagonisten in Filmen, die in der Zukunft spielen, laufen jetzt jedenfalls nicht mehr in Gummianzügen herum und fliegen die ganze Zeit mit Autos durch die Gegend wie in Filmen aus den 80ern. Lies nur mal "Die Tribute von Panem" (oder schau's dir an, die Verfilmungen sind für Verfilmungen vergleichsweise gelungen), "Seelen", "The 100" (in dem Fall kenne ich allerdings nur die ersten beiden Staffeln der Serie, nicht das Buch), oder, um mal ein Buch einer wenig bekannten katholischen Autorin (Corinna Turner) zu nennen, "I am Margaret"; sicher, man wird vielleicht an allen diesen Beispielen auch noch irgendwelche Kritikpunkte zu finden wissen, aber ich finde solche Werke allgemein viel besser gemacht als viele ältere, in denen die Zukunft völlig anders dargestellt als die Gegenwart - entweder total futuristisch-utopisch oder total ganz furchtbar schrecklich grauenvoll; neuere Sachen sind da viel realistischer gemacht. Die Leute sind normal angezogen, die Politik funktioniert auf normale Weise (natürlich meistens auf korrupte, aber eben auch nicht wesentlich *anders* korrupt als meinetwegen in Diktaturen des 20. Jahrhunderts oder der Antike), die Charaktere sind *einigermaßen* realistisch, sogar Religion existiert in verschiedenen Formen, anstatt völlig vom Erdboden verschwunden zu sein.
Auch die Darstellung von Außerirdischen zum Beispiel hat sich verbessert - weg von simplen Monstern hin zu eigenständig handelnden, auch mal guten, Figuren. (Ich habe dazu interessanterweise auch mal bei C. S. Lewis was gelesen, da erwähnt er in einem Essay nebenbei, er sei einer der ersten Autoren gewesen, die Außerirdische nicht als Monster darstellten, anders als z. B. vorher H. G. Wells in "Der Krieg der Welten" (wo die Marsianer bekanntlich bloß eine Art bedrohliche intelligente Rieseninsekten sind), und inzwischen habe sich diese Tendenz offenbar einigermaßen durchgesetzt, und er sei froh drum, wenn er dazu beigetragen habe.) Nimm zum Beispiel wieder "Seelen" (Originaltitel "The Host", also eigentlich "Der Wirtskörper"), wo die Geschichte aus der Sicht einer Außerirdischen erzählt wird, oder meinetwegen auch "Avatar", und vergleich das mit irgendwelchen klassischen Alien-Horrorfilmen. Sicher, man kann bei beiden Werken noch irgendwelche Kritikpunkte anbringen (besonders bei Avatar), aber insgesamt sind sie schon lesens- bzw. sehenswert. [NB: Ja, ich lese Stephenie Meyer. Und ja, "Seelen" ist deutlich besser als Twilight. Wobei es bei Twilight noch so ist, dass ich sagen würde, die Bücher kann man lesen, muss man aber nicht; aber die Filme sind dann wirklich zum Davonlaufen. Da reicht allein schon, wie bekifft die Hauptfigur die ganze Zeit schaut. Exkurs Ende.]
(wird fortgesetzt, 4096 Zeichen)
- Crescentia.
(Fortsetzung)
LöschenUnd, wie gesagt, auch bei den Kinder- und Jugendbüchern gibt es einiges gutes Neues, z. B. von Angie Sage, Antonia Michaelis, Susan Fletcher, Eva Ibbotson etc. Ich sehe nicht ganz, wieso "Britta" oder "Hanni und Nanni" so viel besser sein sollten als "Septimus Heap" oder "Alphabet der Träume".
Das gleiche Bild bietet sich doch auch, wenn man in den Bereich der Kinderfilme schaut: Ich finde zum Beispiel "Frozen" (zu Deutsch: "Die Eiskönigin") viel besser als Disneys kitschige Verfilmungen von "Dornröschen" (1959) oder "Schneewittchen" (1937). Da wird auch dieser ganze romantische Liebe-auf-den-ersten-Blick-Mythos mal schön kritisch in den Blick genommen ;) (Anna, eine der beiden Protagonistinnen in "Frozen", fällt erst auf den netten, gutaussehenden Prinz Hans herein und merkt dann erst am Ende, dass das mit der wahren Liebe doch keine so einfache Sache ist, ganz kurz gesagt.)
Das fällt mir allgemein auch positiv bei neueren Sachen auf: Die sind nicht mehr ganz so lächerlich romantisiert wie ältere. Das ist mir das letzte Mal zum Beispiel auch aufgefallen, als ich "Sissi" angeschaut habe. Ich hatte die Filme irgendwie positiv in Erinnerung, fand sie dann aber kaum zum Aushalten, so süßlich und langweilig waren sie.
Nur, um noch ein paar zusätzliche Beispiele zu bringen ;) Sind alles keine besonders "hochkulturellen" Beispiele, natürlich, aber darum ging es ja jetzt auch nicht.
- Crescentia.
Bevor ich unten weiterschreibe, vielleicht einmal hierzu:
LöschenBei "Bibi Blocksberg" war ich strikt serienintern (ist das mit dem "neuen Lied" nicht rübergekommen?) - aber den *krassen* Qualitätsunterschied zwischen "Papa ist weg" oder "Karla gibt nicht auf" oder gar der wunderbaren "Zauberlimonade" einerseits und irgendwas von goldhörnigen Einhörnern, Elfen und unlogischen Hexeninternaten andererseits muß man einfach zur Kenntnis nehmen. Wenigstens hier läuft die Romantisierung nämlich umgekehrt. Und von dem Rumgezicke in der Nebenfolge war da noch gar nicht die Rede.
Ich kenn allerdings weder Lola noch Försters Pucki noch irgendwas von den Autoren, die Du erwähnt hast, außer "Hanni und Nanni" vom Namen her, da kenn ich mich nur mit den Fünf Freunden und den Sechs Spürnasen und ein bißchen mit der Schwarzen Sieben und den Verwegenen Vier aus. Und die schlagen etwa ein TKKG auch wieder um längen.
Science Fiction mag sein, aber Religion hast Du auch in Do Androids Dream of Electric Sheep (aber nicht im Film, den sie übrigens *wirklich* den Film auch so nennen hätten können) und eine *noch* viel realistischere Darstellung als in Brave New World und Fahrenheit 451 (oder, eine Adaption des letzteren für Kinder, The Giver) kann ich mir auch nicht vorstellen...
Als kanonischen Dornröschenfilm lass' ich sowieso nur die tschechische Variante gelten ("Blumen, Blumen, könnten ruhig mal mit ner Leberwurst werfen"). Zur Liebe auf den ersten Blick denke ich, daß es da durchaus nicht schadet, wenn die wenigstens in Märchen nochmal vorkommt, aber das ist ein eigenes Thema und müßte zu weit führen. Was will man denn später auf die Schippe nehmen, wenn die Leute nie daran geglaubt haben?^^
"Sissi" ist natürlich Kitsch in Reinkultur, und auch immer gewesen. Insofern aber auch nicht wirklich repräsentativ. Lief bei uns übrigens im Wechsel mit "Die oberen Zehntausend" mit Bing Crosby, Frank Sinatra und der wunderbaren Grace Kelly, was wirklich viel, viel schöner ist. Aber ich schweife ab...
Aber wie gesagt, das bei Bibi Blocksberg war strikt serienintern gemeint: ich würde alle Folgen mit einer höheren Folgennummer unter Generalverdacht stellen. Nicht weil alles Neue schlechter sein muß, sondern weil bei dieser speziellen Serie das meiste vom neueren schlechter ist. Bei Benjamin Blümchen soll das übrigens *noch* krasser sein.
Ach so, serienintern :) Da muss ich dir zustimmen. (Das mit dem neuen Lied hab ich tatsächlich nicht verstanden.) Aber das ist ja eigentlich bei allen solchen Endlosserien so - genauso wie bei Filmen, zu denen nur deshalb eine Fortsetzung gedreht wird, weil der erste Teil ein Erfolg war. Vergleich mal die Fortsetzungen von "Der Glöckner von Notre Dame" oder "Das Dschungelbuch" mit den ersten Teilen. Da ist das spätere bis auf ganz wenige Ausnahmen immer schlechter.
Löschen- Crescentia.
Der Glöckner von Notre Dame hab ich weder gesehen noch bisher gelesen, und bei "Das Dschungelbuch" bin ich wiedermal unverbesserlich der Ansicht, daß es da nur einen Film gibt, der ungefähr eineinhalb Stunden dauert und keine Fortsetzung hat und aus den Sechzigern ist und von Walt Disney. Ich hab ihn selber übrigens noch im Kino gesehen.
Löschen(Nein, nicht in den Sechzigern. Wiederaufnahme in den Ferien. Es stand aber offiziell ein vierstelliges "x.te Woche" im Kinoprogramm.)
In diesem Sinne: Was soll ich mit was anders, was mir nicht gefällt?
Aber klar, das ist generell öfters so.
Ich meinte in beiden Fällen die Filme von Walt Disney :) Das Dschungelbuch war für mich als Kind der erste längere Film, den ich gesehen habe, und ich habe ihn geliebt. Aber doch, zu diesem Film wurde irgendwann noch eine Fortsetzung gedreht, die hab ich später auch gesehen, und die ist so ein typischer Fall von "Hey, der erste kam doch gut an, nutzen wir den Titel noch mal und denken uns irgendeine Fortsetzungs-Story aus".
Löschen- Crescentia.
Ach so, ich glaub, es gibt da nämlich auch eine Kika-Serie oder so was...
Löschendagegen wußte ich nichts von einer Fortsetzung als Film.
"Jesus Christus hat versprochen, dass die Pforten der Hölle Seine Kirche nicht überwinden werden - aber er hat nicht versprochen, dass die Hölle Seine Kirche im Westen nicht überwinden wird."
AntwortenLöschenDas verstehe ich nicht. Was genau meint Dreher mit der "Kirche im Westen"? Hat Jesus seine Kirche in Himmelsrichtungen eingeteilt? Und wann gilt eine Kirche vom Satan als erobert? Wenn die Christen nicht mehr zur Messe kommen oder ihre Bekenntnisse, laut Dreher, nur auf Teilbereiche ihres täglichen Lebens beschränken? Wenn wir Christen wenigsten das mal schaffen würden. Das Bekenntnis auf Teilbereichen des alltäglichen Lebens zu beschränken. Denn genau da, im alltäglichen Leben ist die Kirche lebendig oder tot. Sie ist nicht von der Hölle überwunden sondern schlichtweg nicht da. Wenn Jesus davon spricht, dass Himmel und Erde vergehen, seine Worte allerdings nicht vergehen werden, dann ist das die definitive Zusage, dass seine Kirche in allen Himmelsrichtungen Bestand für die Ewigkeit hat. So ist auch das Statement von Bischof Bode, dass die Kirche etwas von den Menschen zu lernen hätte vollkommener Unsinn. Können wir Gott etwas beibringen? Kann Gott etwas von uns lernen? Von seinen Geschöpfen? Von jemanden den er schon geformt hat, noch ehe die Mutter ihn empfing? Bischof Bode kann ja gerne was lernen, die Kirche allerdings braucht keinen Unterricht. Und wenn Kardinal Schönborn über ein "Identität-Relevanz-Dilemma" trauert, sollte er nicht vergessen, dass es genau genommen kein Dilemma ist, sondern die Folgen der Voraussage des Herrn, dass die Seinen verfolgt werden, so wie sie ihn verfolgt haben. Für einen Christen der Jesus nachfolgt, ist die Verfolgung durch die Welt, die Jesus ja nicht erkennt, eine logische Konsequenz.
Vielleicht noch dieser Gedanke zum religiösen Bekenntnis auf isolierte Teilbereiche des täglichen Lebens. Jesus spricht vom Leuchter den niemand unter dem Scheffel stellen soll, damit er allen leuchtet die im Hause(!) sind. Im Hause! Im täglichen Leben und im Teilbereich. So verstehe ich zumindest den Herrn. Was dann kommen kann, nicht nur vielleicht sondern ganz sicher, hängt dann vom Glauben eines Senfkornes ab.
Noch ein Nachtrag zum Thema Kulturkampf: Z. B. im Kontext des Erstarkens der Lebensschutzbewegung hierzulande (über das auf diesem Blog ja auch schon berichtet wurde, dass es auch die Gegner schon deutlich bemerken, z. B. hier: http://mightymightykingbear.blogspot.de/2016/09/der-countdown-lauft.html) ist Drehers Bestandsaufnahme bzgl. eh schon verlorenem Kulturkampf ja auch falsch. Wieso sollten wir uns zurückziehen, wenn sich gerade schon zumindest gewisse Verbesserungen abzeichnen?
AntwortenLöschen- Crescentia.
Allgemein: Je mehr ich von der „Benedict Option“ höre, desto weniger gefällt mir der Ansatz.
AntwortenLöschenZunächst klingt das ja sehr sympathisch: Catholicism Wow faßt nett zusammen:
>>In seinem Buch „The Benedict Option“ argumentiert der konservative Autor Rod Dreher, dass das Christentum den in den Sechzigern ausgebrochenen Kulturkampf verloren habe, und sieht als einzige angemessene Reaktion auf die vom ignoranten Relativismus geprägte Mehrheitsgesellschaft den Rückzug in homogene christliche Gemeinschaften, also das, was man hierzulande gemeinhin „Wagenburgmentalität“ und „Rückzug ins religiöse Ghetto“ nennen würde.
Lassen wir das mit dem verlorenen Kulturkampf zunächst auf sich beruhen; der Rückzug in homogene christliche Gemeinschaften, das Schaffen einer Wagenburg, eines mit einer von Torposten bewachten Schranke begrenztes Ghetto, worin dann aber auch die christliche Religion wirklich praktiziert wird und regelmäßig „Wohl tobet um die Mauern der Sturm in wilder Wut, das Haus wird’s überdauern, auf festem Grund es ruht“ gesungen wird – wessen von der dreimal beklagten Weltanpasserei gebeuteltes Herz würde sich denn nicht innig danach sehnen? Wer nicht sich danach verzehren, zu sagen „wenn die Welt auf uns pfeift: wir pfeifen auf die Welt, Himmelherrschaft nach einmal!“, wobei letzterer Ausruf durchaus wörtlich gemeint ist und statt „pfeifen“ natürlich auch ein noch verschärfter Ausdruck gebraucht werden kann – wer nicht?
Nur, soweit das jemand sagen kann, der Rod Drehers Werk nur aus Zusammenfassungen kennt, ist scheint gerade das mit „Benedict Option“ nicht gemeint zu sein. Oder nur nebenher. So unter „ferner liefen“.
Beginnen wir mit der banalen Replik, damit die auch erledigt ist: für das englische „strategic retreat“ scheint sich das deutsche „strategischer Rückzug“ als Übersetzung wörtlich anzubieten, evoziert beim, auch notdürftigen, Kenner der Fachsprache aber eine Replik, die hier stilgerecht in die Kommentarebene nicht paßt und auf katholisch übersetzt vielleicht so lauten würde: „Zurückziehen könn'n Sie nur eine Sache, und das is ne Sünde!“ Die fachsprachliche Übersetzung heißt „Ausweichen“ beziehungsweise eigentlich sogar eher banal „Verteidigung“, wobei dann daran zu denken wäre, ob statt der Verteidigung nicht eher die sogenannte „Verzögerung“ angebracht wäre. Gut, dann Schwamm drüber.
Dann ist da diese Bemerkung von Leah Libresco gemäß dem zitierten Artikel von Luma Simms, die „Benedict Option“ sei nur ein neuer Name für das, was eigentlich „Christsein“ heiße; man brauche nur einen neuen Namen, um moderne Leute dafür zu begeistern… bei allen Kindheitserinnerungen, die das weckt („sie schenkten ihr neue und herrliche Namen, doch ist es schon lange her, daß Menschen zu uns nach Phantásien kamen: sie wissen den Weg nicht mehr; sie haben vergessen, wie wirklich wir sind, und glauben nicht mehr daran – ach käme ein einziges Menschenkind, dann wäre schon alles getan! Ach wäre nur eines zu glauben bereit und hätte den Ruf nur vernommen: für sie ist es nah, doch für uns ist es weit, zu weit, um zu ihnen zu kommen“, Uyulála, Stimme der Stille) – bei aller Liebe, es kann doch nicht die Lösung sein, einfach das moderne Originalitätsgetue, so berechtigt es im Reich von Phantasie und Literatur sein mag, unhinterfragt auch im Gebiete der Ideologie zu übernehmen, wo es dann früher oder später notwendig ein mehr oder minder „böses“ Erwachen geben muß, daß das ganze doch so original nicht ist, weil das Gemeinte ja immerhin seit dem Tod des letzten Apostels essentiell das Gleiche geblieben ist.
(wird fortgesetzt)
(Fortsetzung)
AntwortenLöschenZumal, ich komme noch drauf, im Grunde genommen die ganze Idee schon einmal da war, nur hieß sie (wie gesagt, ich komme noch drauf, warum anscheinend doch eher „mehr als Christsein“ gemeint war) damals „Catholic Land Movement“ und ging einher mit so großen Persönlichkeiten wie Father Vincent McNabb, Hilaire Belloc (und, wie in so einer Gesellschaft zu erwarten, natürlich irgendwo Chesterton) und Slogans wie „Flee to the Fields“ (man google „Flee to the Fields“ beim „Distributist Review“). Das ist an und für sich, man verstehe mich recht, kein Minus-, sondern ein Pluspunkt – ich sage hier nur, daß man sich auf solche Vorbilder dann auch berufen könnte.
Aber gut, von solchen Schönheitserwägungen abgesehen ist gegen „Einfach nur Christsein“ ja wirklich nichts zu sagen – wenn es das wäre.
Etwas anderes, was bedenklich stimmt, ist etwas, daß Luma Simms Rod Dreher ausgerechnet positiv anrechnet, die Aussage:
>>Ideology is the enemy of joyful community life, and the most destructive ideology is the belief that creating utopia is possible.
Hier spricht, und zwar ganz offensichtlich, nicht der Christ, speziell nicht der katholische (darauf, daß Dreher östlich-orthodox ist, komme ich noch), sondern der Amerikaner. Nun wird er sicher sagen, daß er mit „Ideologie“ natürlich nur „falsche Ideologie“ meint, aber erstens, wie in aller Welt will er das so einfach voneinander scheiden, und zweitens, was um alles in der Welt soll das heißen, daß man ein Wort wie „Ideologie“ hernimmt, um nur die falsche damit zu bezeichnen? Letztlich läuft es doch wieder auf ein amerikanistisches „quadratisch, pragmatisch, gut“ hinaus bzw. darauf, daß Ideologie von vornherein verdächtig, der richtige Amerikaner „anpackt“ und sich um solche Fragen am besten gar nicht schert. Wir können hier übrigens gerne offenlassen, ob diese amerikanische (und wohl englische) Charaktereigenschaft nun negativ oder nur neutral zu bewerten ist, sie war jedenfalls historisch – bezeichnenderweise? - sowohl bei den Deutschen, als auch bei den katholischen Völkern (hier geradezu an der Spitze die Franzosen) niemals vertreten. Nationalcharaktére lassen sie in jedem Fall nur schwer ändern; und soweit sie nicht sündhaft sind, wäre es nicht das Katholischere, sie zu erhalten? „Franzosen und Russen beherrschen das Land, das Meer gehört den Britten, Dir aber [, Deutscher,] bleibt im Reiche des Traums die Herrschaft unbestritten.“
Und was bitte soll eine Bewegung schon bringen, wenn sie *nicht* von der Möglichkeit ausgeht, eine gewisse Form von Utopie zu errichten sei möglich? Wer nicht weiß, wo er hinwill, wie kann sich der auf den Weg machen? (Luma Simms spricht ja dann auch davon, daß Dreher das nicht ernstnimmt, was sie ihm dann wieder negativ anrechnet…)
(wird später fortgesetzt)
@ Imrahil: Über die Wortwahl "Ideologie" kann man wohl streiten, aber welcher Christ würde denn behaupten wollen, eine richtige utopische Gemeinschaft, in der die Auserwählten, der heilige Rest, ganz toll und wunderbar und froh und sündenfrei und so viel besser als die Heiden da draußen zusammenleben, könnte existieren? Ich meine, *gute* Gemeinschaften gibt es offensichtlich, und man kann daran arbeiten, *gute* Gemeinschaften aufzubauen (wenn es auch meiner Meinung nach nicht unbedingt selbstversorgende Landkommunen sein müssen, in denen das ganze Leben innerhalb der Gemeinschaft stattzufinden hat), aber ein Utopia in dem Sinne, wie es gemeinhin verstanden wird? Da steht wohl noch die Erbsünde im Weg.
AntwortenLöschen- Crescentia.
Wie wird denn Utopia "gemeinhin verstanden"?
LöschenNatürlich, "sündenfrei" wird's nicht geben. Aber so wird auch "Utopia" nicht "gemeinhin verstanden". St. Thomas Morus war sogar in seiner Utopie (!) so realistisch, den Leuten, die sich anständig aufgeführt haben, Prämien zu zahlen...
Eine weitgehend selbständige, teilautarke, sonst handelstreibende Landkommune, in der die Gesamtheit der Bevölkerung zu den christlichen Ge- und Verboten so steht, wie bei uns die Gesamtheit der Bevölkerung zu den Staatsgesetzen steht, und die die übrigen Eigenschaften hat, die Rod Dreher aufzählt - wo es *natürlich*, und zwar eigentlich nicht als Bug, sondern als Feature, dazu kommen wird, daß sich die Leute gegenseitig mit Glaubenseifer und Unabhängigkeit hervortun (und dafür, daß wir uns ja nicht falsch verstehen, natürlich auch Lorbeeren einheimsen wollen - nach verdientem Lob zu streben ist eine Tugend und keine Sünde), nicht unähnlich dem, was hierzulande mit dem eigenen Vermögen geschieht... in der die Waffen, die Gesellschaften immer gegen Dissidenten bereithalten, ausnahmsweise nicht wegen zu viel, sondern eher wegen zu wenig Christentum eingesetzt werden...
mag wünschenswert sein oder nicht, an und für sich unmöglich ist sie jedenfalls nicht. (Gibt es nicht sogar geschichtliche Beispiele dafür?)
Unmöglich ist sie natürlich nicht, aber ob sie eben in der Praxis immer so gut funktioniert? Das heißt, ob die Leute dann da so glücklich werden? Natürlich wird das noch auf die einzelne Gemeinschaft ankommen, wie sie organisiert ist, was die Leute draus machen. Aber hast du konkrete, positive Beispiele solcher Gemeinschaften?(Als geschichtliche Beispiele fallen mir nur die Amischen ein.)
Löschen- Crescentia.
Von "positiven" Beispielen oder davon, daß die Leute "glücklich" werden, hab ich nichts gesagt, sondern von erstmal "funktionierenden".
LöschenWobei auch "funktionierend" noch nicht heißen muß, daß die Kinder dableiben und nicht schreiend davonlaufen und vielleicht ihren Glauben sogar ganz verlieren müssen. Speziell letzteres ist natürlich ein ganz großes Problem, aber ich finde es hier sinnvoller, es ein Problem von funktionierenden solchen Gemeinschaften zu nennen als es zum Nichtfunktionieren zu erklären.
Ansonsten würde ich aber als Beispiel einmal ein (gewiß von Stereotypen geprägtes) bayrisches Bauerndorf unter der Herrschaft Ludwigs I. nennen. Einschließlich Raufereien der Dorfjugend und Ausflüge in die Kammerfenster der Dienstmägde: ich habe ja wie gesagt nur gefordert, daß die Leute dort die christliche Moral für so selbstverständlich annehmen wie die staatlichen Gesetze, nicht, daß sie sich auch daran halten.
Es ging aber hier gerade um den Begriff "utopisch" und der schließt ein gewisses Maß an allgemeinem Glück und Zufriedenheit usw. schon mit ein.
LöschenBesagtes Bauerndorf wäre mir durchaus sympathisch. Aber "utopisch" würde ich es nicht nennen.
- Crescentia.
(Fortsetzung)
AntwortenLöschen>>Was als frommer Wunsch beginnt, entpuppt sich als Maßschnur. Die Familien fangen an, sich miteinander und mit der Außenwelt zu vergleichen. Wer kann rigoroser, und damit gläubiger sein? Bald schon errichten diese Einschätzungen eine Mauer, die die innerhalb der Gemeinschaft von der Außenwelt abschirmt. Man sieht autoritäres Benehmen, Paranoia und Ghettomentalität zunehmen. Sie distanziert sogar Familien innerhalb der Gemeinschaft von Verwandtschaft außerhalb.
>>Die, die sich anschließen, müssen in Kürze beweisen, daß sie die Rechtschaffenheitskästchen abhaken können. Gewiß, jeder kann bereuen und an das Evangelium glauben, aber könnt ihr ohne Fernsehkabel *und* Netflix leben? Könnt ihr eure acht Kinder zu Hause unterrichten, ohne institutionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, einschließlich des zehnjährigen Behinderten? Könnt ihr jede Woche zweimal zur Chorprobe antanzen?
>>Könnt ihr das Einkommen für euren Haushalt erwerben ohne den Makel großer unmoralischer Konzerne oder gar (o Schreck!) Staatsstellung? Könnt ihr wenigstens die Hälfte der Familienmahlzeiten aus dem eigenen Garten, der eigenen Weide und dem eigenen Hühnerstall beziehen?
>>Die Schmidts könnens aber. Und die Meiers. Und die Müllers. Und sie sind rechtschaffen. Ob ihr es seit, wissen wir noch nicht. Willkommen in der Gemeinschaft.
Nun kann man sich ganz sicher trefflich streiten, ob derartige Gemeinschaften denn so wünschenswert sind. Insbesondere scheint hier wieder einmal ganz entschieden etwas durchzuschlagen, was ganz banal Irrtümer in einzelnen Fragen sind. Hier wäre zum einen der (weit verbreitete) Glaube an die Sündhaftigkeit des Fernsehens zu nennen, andererseits der (wohl spezifisch amerikanische – aber Amerika ist ja im ganzen Westen kulturbildend) Glaube daran, daß die staatliche Obrigkeit nicht etwa, wie der Katholik glaubt, als Dienerin Gottes das Schwert trägt (und dabei gewiß wie andere Diener Gottes auch bisweilen versagt oder amtsmißbraucht), sondern direkt der Feind ist; ähnlich der an die Verwerflichkeit alles Institutionellen (weswegen bei den Amischen der Sonntagsgottesdienst, da für ein institutionelles Gebäude zu heilig, in Familienhäusern abgehalten werden muß) -
aber wenn wir die Einzelirrtümer mal als solche abhaken, ist eine solche Gesellschaft zwar sicher nicht jedermanns Sache (was ein sehr wichtiger Bestandteil der echten Kritik werden wird), aber doch ganz sicher nicht unsympathisch.
*Natürlich* besteht eine solche Gemeinschaft nicht aus solchen Leuten, die alle Eigenschaften, welche das Volk kanonisierten Heiligen zuschreibt, zu gleicher Zeit erfüllen. *Natürlich* wird es einen Wettstreit darum geben, wer am tugendsamsten ist – sowie es hierzulande einen gibt, wer am erfolgreichsten ist. *Natürlich* wird es einen Wettstreit darum geben, wer die Partikularkennzeichen der bestimmten Gemeinschaft am beflissensten erfüllt – so wie es hierzulande einen gibt, wer up to date ist. *Natürlich* werden die Leute dazu, daß sie dafür Lob erhalten, nicht unbedingt Nein sagen, ebensowenig wie sie es hierzulande zun (zu wünschen, gelobt zu werden, ist, sofern das Lob verdient ist, übrigens entgegen anderslautenden Gerüchten keine Sünde, sondern eine Tugend). *Natürlich* werden die Außenstehenden jede Menge Gelegenheit haben, das vorzuwerfen, was ihrer Ansicht nach das schlimmste von allem ist, nämlich die Heuchelei; und natürlich wird es auch, wenn auch in bedeutend geringerem, so doch in für sich genommen immer noch gehörigem Ausmaße auch zu echter Heuchelei kommen („die Verbeugung der Tugend vor dem Laster“, Chesterton).
Das alles ist wie schon gesagt nicht unbedingt jedermanns Sache, aber noch nicht so das Problem.
(wird fortgesetzt)
Heuchelei: "die Verbeugung des Lasters vor der Tugend", natürlich, nicht umgekehrt.
Löschen*Vor* diesem Teil hätte noch der folgende Absatz stehen sollen, den ich beim Kommentieren ausgelassen habe:
LöschenAuf den Kern von Luma Simms' Kritik gehe ich noch ein, einstweilen aber so viel: Auch das, was hier an und für sich so unangenehm beschrieben wird, ist in so einem Umfelde einerseits natürlich zu erwarten, muß aber andererseits nicht derart schlimm sein. Ich zitiere einmal ausführlich (und auf deutsch), weil das oben im Artikel anscheinend noch nicht geschehen ist:
Schon eher wird ein Problem daraus, wenn Leute beginnen, diese partikuläre Lebensweise als nicht nur eine, die man um der Gemeinschaft willen, in die man sich eingliedert, gegebenenfalls in Kauf nimmt, vielleicht weil man zu faul ist immer zu wiedersprechen, vielleicht als die persönliche Auslegung des Christlichen, vielleicht als supererogatorisches Werk etc., mit der christlichen zu verwechseln. Die Lektüre von „On American Morals“ und „The Sin of Prohibition“ von Chesterton ist in der Beziehung nach wie vor einschlägig. Moral ist im Christentum zum einen, Erbsünde hin oder her, „eigentlich“ selbstverständlich (die natürliche) und wird natürlich (auch die natürliche) auch um Gottes willen geübt. Weil Er es so haben will. Weil Er sich freut darüber. Weil wir Seinen Worten zufolge daran erkennen können, daß wir Ihn tatsächlich lieben – aber im *Kern* stehen bitteschön nicht die Einhaltung irgendwelcher Regeln, auch nicht der richtigen, auch nicht der tatsächlich gültig, sondern die Begegnung mit dem lebendigen Gott, Er s. gepr. i. E. A. Ebenso steht auch im Kern jeder interessanteren Sünde etwas derart Existenzielles und *nicht* einfach der Verstoß gegen irgendeine Regel, die genauso auch anders lauten könnte (wenngleich zugegeben werden muß, daß es sich an der ausgefransten Peripherie des Sündhaften, die man vor dem Gebrauch der Waschanlage Bußsakrament durchforstet, bisweilen so anfühlt).
AntwortenLöschenUnd genau hier – genau hier – ist der vom Verfasser dieses Artikels empfohlene Artikel des New Yorkers über Rod Dreher und seine persönliche Motivation sehr bezeichnend. Jedenfalls so weit, daß jeder psychologische Determinist sagen müßte, daß der dafür mit Verlaub gerade nicht geeignet ist.
Er befindet sich hier: http://www.newyorker.com/magazine/2017/05/01/rod-drehers-monastic-vision
- An dieser Stelle der Einschub, den ich hier eigentlich gar nicht meine: es ist die Rede von einer „monastischen“ Vision. Ich stelle nur fest: Jedenfalls bisher hat die Kirche ein Leben in freiwilliger Armut, Gehorsam und klösterlicher Kommunität nur im Zusammenhang mit Zölibat angeboten. Ob das nur ein Zufall ist? Ob dahinter der Gedanke steckt, so hochstehend dieses Ziel für einen Freiwilligen ist, so unpassend sei es, eine Familie da mit hineinzuziehen? Einschub Ende. -
(Fortsetzung)
AntwortenLöschenAlso: Rod Dreher wächst auf in Louisiana, im amerikanischen Süden, auf dem Land. (Einschub: also genau dem Süden, dessen Hypothek die Seite der Wahrheit noch heute zurückzahlen muß, weil der ideologische Gegner natürlich bei „Ehe ist nur gemischtgeschlechtlich“ genüßlich darauf verweist, daß die jeweiligen Väter und Mütter „Ehe ist nur gleichrassisch“ gesagt haben. Einschub Ende.) Er zieht in die Stadt – und bekehrt sich nebenbei bemerkt eigener Aussage nach *dort* zum katholischen Glauben (welcher Konfession er vorher angehörte, wird nicht gesagt, Southern Baptist?) und auch zu einem praktizierenden Glauben irgendeiner Art überhaupt. Daß er später (mit Verlaub) wenig Stehvermögen beweist und über Skandale innerhalb der katholischen Kirche, die er bei seinem Beitritt schon gekannt haben muß und deren grundsätzliche Möglichkeit (also daß so etwas zwar nirgendwo vorkommen soll, aber eine Kirche nicht aufhört, wahre Kirche zu sein, wenn es das tut) das katholische Glaubensbekenntnis nicht nur einräumt, sondern geradezu fordert, sich in die östliche Orthodoxie flüchtet, tut hier noch nicht so viel zur Sache, da diese in Moral und Lebenseinstellung ja ähnlich sind. (Das täte es erst, wenn einer tatsächlich eine Benedictine Community mit Rod Dreher als Führer errichtete – glaubt jemand, gerade jemand vom Konzept Überzeugter, ernsthaft, daß der Gegner diese *nicht* unter vollen Beschuß nehmen und dazu sicherlich mit ausreichend Lupen und Mikroskopen auch tatsächliche Anhaltspunkte finden wird?)
Und was tut seine in Drehers Ideal einer christlichen Landkommune lebende Familie? Freut sie sich, daß er zum Glauben gefunden hat? Geht sie, was objektiv natürlich falsch wäre, aber von ihrem Standpunkt aus verständlich, auf die Gründe ein, die die Southern Baptists von den Katholiken und Orthodoxen scheiden, und hält sie ihm das als Verrat vor?
Nichts dergleichen.
Sie stößt ihn aus, weil er das Verbrechen begangen hat, in die Stadt zu gehen und dort Erfolg zu haben.
Keine Bohne die Rede davon, daß er da seinen Glauben (zumindest vereinfacht gesagt) nicht nur bewahrt, sondern geradezu erst gefunden hat. Ja, im Gesamtzusammenhang würde es mich nicht einmal wundern, wenn das den Vorwurf für die Familie sogar noch verschärft: Geht der Bub in die Stadt und bildet sich auch noch ein, er könne dort am Glauben festhalten! Etc.
Das steigert sich bis zu solchen geradezu körperlich abstoßenden Szenen, wenn er seine Familie einlädt, ihnen mit einigem Aufwand ein Essen kocht und serviert und diese ihn dabei gewähren läßt (von „kann ich für Dich die Zwiebeln schneiden“ - kommen in eine Bouillabaisse Zwiebeln rein? - ist nicht die Rede), und dann am gedeckten Eßtisch sagt, nö dankrechtschön, aber wir essen lieber was Ländliches.
Gutes Benehmen hat man in St. Francisville nicht gelernt. Wobei ich mit „gutes Benehmen“ nicht die Feinheiten der Etikette meine, über die man sicher trefflich streiten und der man eventuell die bäurische Direktheit auch legitim vorziehen kann; sondern nur, sich nicht direkt wie ein vorsätzliches (s.v.v.) Arschloch aufzuführen.
Und eine Kommunität, die den ausgesprochenen und unausgesprochenen Idealen, Standards und Vorlieben dieser Familie entspricht, ist nun also Rod Drehers Ideal. Man geht glaube-ich nicht zu weit zu sagen: daß er selber so ist, wie seine Familie ihn haben will, ist nun also sein Ideal – nur hält er es für das allgemeine Ideals des Christen oder zumindest des amerikanischen Christen.
Seriously?
(wird vielleicht noch fortgesetzt)
(und weiter)
AntwortenLöschenNun, dann zu Mr. Dreher as quoted selbst.
>>Nichts verändert die Sicht eines Mannes auf das Leben so sehr wie die Notwendigkeit, sich Gedanken darüber zu machen, was für eine Welt seine Kinder erben werden.
Das mag durchaus so sein. Allerdings sollte zumindest in einer idealen Welt es sich auf dasselbe herauskommen, ob man nun die Notwendigkeit spürt, sich solche Gedanken zu machen, oder ob man sich die Gedanken bloß so macht.
>>Obwohl von konservativen Christen gesagt wird, sie würden einen "Kulturkampf" betreiben, war für mich - mit Ausnahme der Themen Abtreibung und Homo-Ehe - nicht viel davon zu erkennen, dass meine Leute irgendwie *kämpften*.
„Mit Ausnahme der Themen Abtreibung und Homo-Ehe“. Ist das nichts?
Ohnehin: Auch im Idealzustand kämpfen wir immer nur „ausnahmsweise mit bezug auf ein paar Themen“. Das liegt daran, daß die Welt gut ist; die Sünde ist die Ausnahme und die sündhafte Struktur ist auch die Ausnahme. Und hier gilt selbstverständlich, daß man sich seine Kräfte einteilen muß. Man wird die Kultur in das Hervorragende, das Akzeptable und das An-sich-nicht-Akzeptable trennen und letzteres in das, wo es klüger ist, einstweilen zu tolerieren und das, wo es klüger ist, wie auch immer dagegen vorzugehen. Sturmangriff auf befestigte Stellungen über die ganze Frontlinie hinweg ist selten eine gute Strategie. Und wenn auch der Anlaß zu bedauern ist, strategisch gesehen ist ein derart allgemein-einsichtigerweise notwendiger Kampf wie der gegen die Abtreibung eigentlich fast schon ideal – zumal es, wie Crescentia richtig bemerkt hat, einer ist, wo es leichte Anzeichen eines möglichen Erfolges gibt, allerdings, was sie nicht gesagt hat, vermutlich der einzige solche, worin sich nebenbei-bemerkt die von Abtreibungsbefürworterseite immer bestrittene Tatsache, daß es sich dabei eigentlich nicht um einen religiösen handelt, übrigens auch deutlich zeigt.
>>Es schien, als wären wir zufrieden damit, lediglich die Seelsorgeabteilung für eine konsumistische Kultur zu spielen, die rapide das Verständnis dafür verlor, was es heißt, Christ zu sein.
Dazu hätte ich zu fragen: Wer ist „wir“? Und wer ist „zufrieden“? Und while we're at it, wie würde ein richtiges Verständnis dafür, Christ zu sein, denn ausschauen? Und schließlich ganz ketzerisch, was ist denn „unsere konsumistische Kultur“?
Den Seelsorger oder gläubigen Christen, der „zufrieden“ damit ist, „die Seelsorgeabteilung für eine konsumistische Kultur zu spielen“, möchte ich übrigens mal sehen. Übrigens unabhängig davon, wie viele Häresien so jemand vertritt (ich habe nicht „recht“-gläubiger Christ gesagt). Nur das wäre zu berücksichtigen: daß jemand so etwas *sagt*, wie es in gewissen Pastoralblättchen moderner Art durchaus vorkommen mag, ist nicht ausschlaggebend. Man sagt immer alles Mögliche. Aber jemanden, der wirklich damit zufrieden ist? Kann ich mir kaum vorstellen. - Richtig ist freilich, daß Teile der kirchlichen Seelsorge, hinter die sich nicht selten im Gespräch auch der Laie aus „auch katholisch“ stellt bzw. gestellt wird (das ist wohl das „wir“) von der Gesellschaft gerade diese, aber keine andere Aufgabe zugewiesen bekommt, außer bei einigen; aber daß man eine Aufgabe aus christlicher Pflicht und auch, weil man sein Vaterland immer noch liebt und „sie haben ja keinen anderen“, und schließlich in der Hoffnung, bei ein paar wenigen wenigstens den Weg für irgendwas zu bereiten, übernimmt, obwohl sie eigentlich nicht genug ist, heißt nicht, daß man damit zufrieden ist.
(Fortsetzung)
AntwortenLöschenWenn Mr. Dreher vorschlägt, daß wir uns dazu positiv weigern sollten, steht das auf einem völlig anderen Papier. An und für sich kann der Vorschlag auch debattiert werden, dabei ist aber zu bedenken, daß das bisher wirklich niemals das kirchliche Programm war. - Daß natürlich die Kirche das „eigentlich gehört da mehr dazu“ zumindest *sagen* soll, sicher, voll dabei: nur liegt, daß das nicht selten unterlassen wird, weder an bösem Willen noch an Zufriedenheit mit dem bissel Herumseelsorgen in einer unchristlichen Welt, sondern bloß an so etwas Banalem wie falschen Kommunikationsstrategien und eventuell einem Mißtrauen gegenüber der kirchlichen Gesinnungsethik: Das einfache sture Nicht-Lügen-Dürfen, Gott-nicht-verleugnen-Dürfen, auf-Fragen-antworten-Müssen – *komme was da wolle*; man darf nichts böses tun, auch nicht wenn man so die ganze Welt retten könnte – würde hier das meiste schon beheben, wenn man es nur einhielte.
Und unsere konsumistische Kultur? Die konsumiert doch nur, weil sie durch die Entwicklung der Wirtschaft, den technischen Fortschritt usw. und die lange Friedensperiode (Günther Oettinger, zitiert ohne Zustimmung: „das blöde ist, es kommt kein Krieg mehr“) das Geld dazu hat. Dabei wird, selbstverständlich, bisweilen eines materiellen Genusses willen eine Sünde begangen – *dabei* allerdings handelt es sich („ausnahmsweise“) *nicht* um eine Erscheinung moderner Dekadenz, sondern eine allgemeine Folge der Erbsünde. Es sind auch, soweit es da Abstufungen gibt, in der Regel weder die schlimmeren noch die problematischeren Sünden. Es ist zum Beispiel nicht wahr, daß die jungen Leute gegen das sechste Gebot verstoßen „weil sie sich nicht beherrschen können [bekommen sie doch in der Konsumwelt auch immer sofort, was sie wollen etc.]“. Unsinn. Daß die jungen Leute gegen das sechste Gebot (manchmal) verstoßen, weil sie sich nicht beherrschen können, war in den seligen katholischen Zeiten so, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann: heute wird deswegen dagegen verstoßen, weil man nicht daran glaubt, daß es gilt, und wenn man nicht daran glaubt, daß es gilt, warum sollte man es denn einhalten. Allgemein: Der Hauptstrom läuft in die andere Richtung: weil die Menschen die Religion verlieren, flüchten sie in den Konsum als Ersatzdroge und genießen ihn nicht einmal. „I don't enjoy this joyriding and jazzing of the Bright Young Things. - The Bright Young Things don't enjoy it, that is the real tragedy, said Father Brown.“
>>Kreative, gemeinschaftsorientierte Lösungen? Entschlossener Sprung? Wundert es noch jemanden, dass ich mich angesprochen fühle?
Ja, mich. Nichts für ungut, was da drinsteckt, mag ja interessant sein, aber daß Du Dich ausgerechnet von, und zwar sogar speziell von, nichts für ungut, Phrasen aus dem Baukasten der Motivationstalks und Unternehmenspräsentationen angesprochen fühlst… muß… *wirklich* nix für ungut… wohl doch der Ex-JUler in Dir sein… nicht böse gemeint…
Scherz beiseite: Das Interessante ist natürlich dann, wie diese „kreativen gemeinschaftsorientierten“ Lösungen im einzelnen ausschauen, und ich gehe einmal davon aus, daß das in den Folgebeiträgen auch noch kommen wird. Mr. Dreher wäre zwar sicher nicht der erste, der „wir brauchen Lösungen“ sagt und das schon für die Lösung hält, ich glaube aber in diesem Fall nicht, daß das *stimmt*. Wohl schon eher habe ich meine Zweifel, ob er das, was er strikt fordert, auch beweist, und das, was er unter „jemand sollte“ sagt, auch deutlich davon trennt. Was aber nötig wäre. Überforderung führt dazu, sich allerlei Ausreden (darunter eventuell sogar richtige) zu überlegen, gar nicht mitzumachen.
>>Wenn wir überleben wollen, müssen wir zu den Wurzeln unseres Glaubens zurückkehren, im Denken wie auch im Handeln. Wir werden unser Leben - und unsere Sicht auf das Leben - radikal verändern müssen. Kurz gesagt, wir werden die Kirche sein müssen, ohne Kompromisse, koste es was es wolle.
Wie sagte Loriot: Ach was.
(wird fortgesetzt)
(Fortsetzung)
AntwortenLöschenUnd das sind wir, salvis erroribus peccatis omissionibusque, *jetzt nicht*? Und was ist denn an unserem Leben und unserer Sicht auf das Leben, salvis peccatis erroriculisque, den jetzt falsch, und nicht nur falsch, sondern *so* falsch, daß wir es *radikal* ändern müßten? Und wenn wir es dann wie auch immer radikal geändert haben, und es klappt wieder nicht, soll heißen, es bekehrt sich erwartungsgemäß trotzdem nicht die ganze westliche Kultur in einem Sprung zum bekennenden und praktizierenden Christentum – denn ohne das können auch die Christen nicht überleben, oder wie soll ich ihn sonst verstehen -, was sollen wir denn *dann* machen?
Er redet doch von „wir“, also den Christen.
Wenn es aber fürs Überleben der Christen die ganz große Bekehrung (so wünschenswert sie sonst ist) doch nicht braucht, würde es dann bei denen, die schon bekehrt und schon im großen und ganzen auf Linie sind, nicht ohne diese ganz große Radikalität abgehen – einfach einen halbwegs anständigen Mann stehen, den Glauben bewahren, die Kirchengebote halten, an der eigenen Moral arbeiten, ggf. für konkrete Aktionen zum Kampf bereitstehen?
(Sorry, aber wenn er eine wörtlich radikale Änderung verlangt, dann verstehe ich das wörtlich, und damit ist etwas, das es im Prinzip jetzt schon gibt – wenn auch, was jederzeit zugegeben werden kann, gegenwärtig nicht genügend kommuniziert, von einzelnen noch zu verwirklichen usw. ist, eben als offenkundig nicht gemeint.
>>Wenn das Salz nicht seine Würze verlieren soll, müssen wir handeln. Es ist höchste Zeit. Dies ist keine Übung.
An der Stelle muß es einmal gesagt werden: es ginge auch eine Nummer kleiner. Und man könnte auch ein bißchen Gottvertrauen haben, wenn schon in jedem Fall, so doch besonders bei einer Geschichte, der, wenn sie von den Menschen geschafft werden müßte, das Kraut ohnehin schon ausgeschüttet, bei der Hopfen und Malz ohnehin schon verloren, die ohnehin schon gänzlich gescheitert wäre.
>> Der emeritierte Papst Benedikt XVI. sagt eine Welt voraus
Von Mr. Dreher kann man das hier nicht verlangen, bei Mr. MacIntyre steht's vielleicht, aber kennt jemand zufällig das genaue Zitat?
Ich meine, das irgendwo bei Papst Benedikt selbst gelesen zu haben, und möchte nur mal anmerken, daß es sich hier um die Vermutung eines gescheiten Mannes und nicht die Prophetie eines kirchlichen Amtsträgers gehandelt hat. Ich weiß jetzt auch nicht, ob so ein Zustand seiner Meinung nach wünschenswert oder bloß alternativlos ist, oder ob er sich dazu nicht geäußert hat, aber die Methode des Ausschlusses der Nicht-ganz-so-Engagierten hat er für die Zirkelbildung ganz sicher nicht empfohlen.
Daß natürlich eine Vernetzung sehr zweckmäßig – und davon abgesehen: schön und Spaß machend – ist, ist klar.
>>Zu guter Letzt, so hoffe ich, wirst Du mir zustimmen, dass Christen heute in einer Zeit der Entscheidung leben. Jesus Christus hat versprochen, dass die Pforten der Hölle Seine Kirche nicht überwinden werden - aber er hat nicht versprochen, dass die Hölle Seine Kirche im Westen nicht überwinden wird. Das hängt von uns ab - und von den Entscheidungen, die wir hier und jetzt treffen.
Mit der Selbstverständlichkeit, daß jede Zeit irgendwie Entscheidungszeit ist, wollen wir uns hier nicht aufhalten. Ob wir heute in besonderem und darüber essentiell hinausgehenden Maße in einer Zeit der Entscheidung leben, ist durchaus nicht so *ganz* klar; einiges spricht dafür, aber wenn Mr. Dreher nicht zutreffende Privatoffenbarungen hat, ist es jedenfalls keine Selbstverständlichkeit.
(wird fortgesetzt)
>>Jesus Christus hat versprochen, dass die Pforten der Hölle Seine Kirche nicht überwinden werden - aber er hat nicht versprochen, dass die Hölle Seine Kirche im Westen nicht überwinden wird. Das hängt von uns ab - und von den Entscheidungen, die wir hier und jetzt treffen.
AntwortenLöschenErsteres ist so. Letzteres – mei, wenn der Herrgott nur *das* schenken würde, was er in der Bibel ausdrücklich versprochen hat, bitte, dann schauen wir so oder so ziemlich arm aus. Und nein, auch das hängt vom Herrgott ab. Wir können allenfalls ein bissel was machen und hoffen, daß der Herrgott unsere natürlichen Grundlagen wohlwollend entgegennimmt und uns vielleicht nicht nur nicht ganz so straft, wie wir es verdient haben, denn das tut Er sowieso nicht, sondern sogar noch ein bissel weniger, als Er es in seinem unergründlichen Ratschluß sonst vorgenommen hätte.
Läge es wirklich primär an unseren Entscheidungen (was zugegeben Mr. Dreher nicht ausdrücklich sagt), dann wären wir sowieso verratzt. Insofern ist das ganz gut so.
@ Imrahil:
AntwortenLöschenIch denke, du sprichst in deinen oberen Kommentaren die wichtigsten möglichen Probleme, die ich bei Benedict-Option-Gemeinschaften sehe, schon irgendwo an:
1) Schlicht falsche Maßstäbe dafür zu setzen, was wahre Frömmigkeit ist (Fernsehen und Alkohol als angebliche Sünden, etc.). Das ist aber natürlich was, was man umgehen kann, wie du sagst.
2) Die mögliche Tendenz, die Gemeinschaft nicht für *eine* legitime Möglichkeit unter anderen zu halten, christlich zu leben, ohne dabei zu meinen, stärker isolierte Christen in "der Stadt" oder überhaupt alle außerhalb der Gemeinschaft könnten gar keine richtigen Christen sein. An sich ist dieses Problem auch zu umgehen oder zumindest in Grenzen zu halten, wenn man sich dessen bewusst ist.
(wird fortgesetzt)
3) Stärker grundsätzlich wird es hier: Du schreibst an einer anderen Stelle: "Ich stelle nur fest: Jedenfalls bisher hat die Kirche ein Leben in freiwilliger Armut, Gehorsam und klösterlicher Kommunität nur im Zusammenhang mit Zölibat angeboten. Ob das nur ein Zufall ist? Ob dahinter der Gedanke steckt, so hochstehend dieses Ziel für einen Freiwilligen ist, so unpassend sei es, eine Familie da mit hineinzuziehen?"
AntwortenLöschenIch finde, das ist ein *sehr* wichtiger Einwand. Wenn man sich nämlich anschaut, was es konkret schon so für Benedict-Option-artige Gemeinschaften gegeben hat, dann sieht man, dass manche davon (ich weiß nicht, wie repräsentativ die sind, aber das ist eben, was ich so gelesen habe – wenn jemand dem positive Beispiele entgegenhalten kann, gern) zur Selbstradikalisierung und überbordenden Kontrolle neigen und dazu, ihre Kinder eher zu vergraulen, sich mit den Teilen der Familie/Verwandtschaft, die draußen bleiben, zu überwerfen, und irgendwann dann über irgendwelchen Skandalen auseinanderzufallen - ich meine hier jetzt nicht gute Dorfgemeinschaften, sondern solche Beispiele wie die „Mother of God Community“ in Gaithersburg, Maryland (http://www.washingtonpost.com/wp-srv/local/longterm/library/mog/mogmain.htm; dort wurde so ziemlich die gesamte Privatsphäre der Mitglieder kontrolliert, finanzielle Fragwürdigkeiten gab es wohl auch, und irgendwann in den 90ern hat sich dann die Diözese eingeschaltet und die meisten Mitglieder haben die Gemeinschaft verlassen). Die funktionieren oft nicht so, wie man sich das gedacht hat; Klöster dagegen funktionieren - bis auf Ausnahmefälle, die es immer geben wird - im Großen und Ganzen sehr gut.
Es ist natürlich ein wichtiger Punkt, dass es etwas anderes ist, ob man sich als Erwachsener freiwillig für eine „supererogatorische“, wie du schreibst, Form der Frömmigkeit entscheidet, oder ob man da von Anfang an mitmachen muss (und sie einem vielleicht noch als einzig wahre Form der Frömmigkeit verkauft wird). Es ist aber auch noch allgemein so, dass ich bei einer Gemeinschaft, die aus Familien besteht, irgendwie grundsätzlich schon mal Vorbehalte hätte – eine Familie ist selber schon eine Gemeinschaft, und wenn dann die Identität als Mitglieder einer übergreifenden Gemeinschaft im Mittelpunkt des Familienlebens steht, kann das die Gemeinschaft der Familie selber stören. Familien, die in Vereinen oder Pfarreien oder Verbänden oder Schulen beteiligt sind – sehr schön. Aber die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft als hauptsächliche Identität, das ist schwierig.
Dann sind da noch andere Sachen – z. B. die Tatsache, dass speziell *Mütter* stärker dazu neigen, ihre Familien gegenüber anderen vorbildhaft dastehen sehen zu wollen, und damit für Konkurrenzdruck und gegenseitiges Lästern in einer Gemeinschaft zu sorgen. (Der ihre Kinder kommen in der Schule nicht mit, der ihre Kinder wissen sich in der Messe überhaupt nicht zu benehmen, wie lässt die da ihre Töchter herumlaufen, wie sieht der ihre Wohnung denn aus…) Das ist tendenziell dann natürlich schlimmer, je enger die Gemeinschaft ist. Ich denke mir, dass das bei Mönchen, die in einer Gemeinschaft zusammenleben, weniger ein Problem wäre als bei einer Gemeinschaft von Familien. Und ja, du hast Recht, dass es an sich nichts Schlechtes ist, gelobt werden zu wollen, und auch damit, dass es immer Gerede über die geben wird, die den allgemein anerkannten Vorstellungen und Standards nicht entsprechen, egal, was das für Standards sind, aber trotzdem wird es in einer sehr stark zusammengehörigen Gemeinschaft mehr davon geben, und das ist ein Problem mit zu engen, zu stark das Leben ihrer Mitglieder kontrollierenden Gemeinschaften im Allgemeinen, finde ich – nicht speziell mit christlichen Gemeinschaften.
(wird fortgesetzt)
4) Noch ein anderes Problem könnte, glaube ich, das Fehlen von klaren Regeln in solchen Benedict-Option-ähnlichen Gemeinschaften sein, jedenfalls dann, wenn es sich um kirchlich nicht anerkannte, lose Verbindungen handelt, vielleicht noch mit einem charismatischen Anführer. In einem Orden (oder meinetwegen beim Opus Dei oder anderen anerkannten Gemeinschaften) sind die Regeln ganz klar, der Tagesablauf ist geregelt, Rechte, Pflichten, Ansprüche, Autorität - alles ist klar, man kann sein Recht durchsetzen und weiß auch, was man anderen schuldet. Es gibt keinen unausgesprochenen Wettbewerb, wer noch strenger sein kann, und kein schleichendes Sich-Verstärken überzogener Ansprüche, weil die Ansprüche, die gestellt werden, schon von Anfang an geregelt sind. Es ist auch geregelt, wer das Sagen hat und wie derjenige kontrolliert wird oder wem er noch verantwortlich ist (in Bezug auf die Finanzen der Gemeinschaft, zum Beispiel). Charismatische Quasi-Anführer, deren Befugnisse und Grenzen nie genau festgelegt wurden, können leichter Autorität missbrauchen als ein Abt oder eine Äbtissin.
AntwortenLöschenIn einem Orden wird außerdem auch zuerst geschaut, wen man aufnimmt. Rebecca Bratten Weiss, die als Jugendliche in so einer Gemeinschaft gelebt hat, schreibt zum Beispiel hier in einem Artikel über die Benedict Option (http://www.patheos.com/blogs/suspendedinherjar/2017/04/family-benedict-option-cool-heres-doesnt-work/) : „Gemeinschaften wie diese neigen dazu, die anzuziehen, die nicht in der Lage sind, in der normalen Welt zurechtzukommen, und was auch immer es war, dass es ihnen unmöglich gemacht hat, zurechtzukommen, sie werden es mit sich hinein bringen.“ Das ist ein berechtigter Einwand, finde ich.
Wenn, dann sollte eine Benedict-Option-Gemeinschaft also wenigstens von der Kirchenobrigkeit anerkannte Statuten haben.
(wird fortgesetzt)
Nun müssen wir freilich an und für sich auch die, die in der Welt nicht zurechtkommen, irgendwie unterbringen, nicht?
Löschen"fuga mundi" war durchaus von alters her ein legitimer Grund, ins Kloster zu gehen. Das soll heute anders gehandhabt werden, aber, wo sollens denn hin?
Über Deinen Link bin ich übrigens hierauf gekommen, also der Vollständigkeit halber:
Löschenhttp://www.patheos.com/blogs/samrocha/2017/04/benedict-option-critical-review/
[wobei ich, for the record, dem Rezensenten hinsichtlich der Gleichsetzung von klassischer (heidnischer) Antike und moderner (unchristlicher) Popkultur - außer vielleicht es handelt sich um Tolkien, der aber andererseits natürlich wieder nicht unchristlich ist - nicht zustimme.]
Zu ersterem: Kommt wohl darauf an, aus welchen Gründen die Leute in der Welt nicht zurechtkommen. Wäre ein paranoider Verschwörungstheoretiker zum Beispiel wirklich im Kloster gut aufgehoben?
Löschen- Crescentia.
Nô, dem paranoiden Verschwörungstheoretiker gibt der Abt den Befehl, über seine Verschwörungstheorien zu schweigen. Bei Zuwiderhandlung. Handelt er auch dem zuwider, werden die üblichen klösterlichen Strafen der Reihe nach durcheskaliert. Der hl. Benedikt war schließlich ein Realist. (Unter anderem sind in der Benediktsregel auch Rutenschläge vorgesehen.)
LöschenAber trotzdem generell: wo will man den paranoiden Verschwörungstheoretiker denn hintun? Die christliche Gesellschaft muß eigentlich für jeden irgendwo einen Platz haben. Für manche ist das das Gefängnis; aber für niemanden "scher dich und schau wo'st du bleibst"...
Da hast du grundsätzlich wieder Recht.
Löschen- Crescentia.
Deshalb kann ich solchen Gemeinschaften also ganz allgemein nicht viel abgewinnen; ich halte sie eher für kontraproduktiv; sie versuchen, in gewissem Sinne Orden zu imitieren, aber ihnen fehlen dabei entscheidende Vorteile der Orden. Und deshalb finde ich es, aufs Ganze gesehen, tatsächlich interessant und sympathisch, dass Dreher in dem New-Yorker-Artikel als Vorbild für seine Benedict Option keine solche Gemeinschaft wie die Mother-of-God-Community nimmt, sondern eine von selber gewachsene Dorf- oder Pfarrgemeinde. Da kann ich mehr mit anfangen, ehrlich gesagt.
AntwortenLöschenWas das konkrete Aussehen *dieser* „Vorbild“gemeinschaft/-familie im Artikel angeht, hast du natürlich völlig Recht – das Benehmen der Familie ist einfach nur grässlich. (Sogar, wo Dreher noch zurück nach St. Francisville kommt und ganz brav in den Schoß der Familie zurückfinden will, ist er einfach nicht Southern country man genug, und deswegen gehört er nicht dazu – scheußlich.)
Noch etwas Grundsätzliches zu dem ganzen Thema „In der Welt – nicht von der Welt“: Ich finde eine Sache interessant, die Paulus im 1. Korintherbrief schreibt: „Ich habe euch in meinem Brief ermahnt, dass ihr nichts mit Unzüchtigen zu schaffen haben sollt. Gemeint waren damit nicht alle Unzüchtigen dieser Welt oder alle Habgierigen und Räuber und Götzendiener; sonst müsstet ihr ja aus der Welt auswandern. In Wirklichkeit meinte ich damit: Habt nichts zu schaffen mit einem, der sich Bruder nennt und dennoch Unzucht treibt, habgierig ist, Götzen verehrt, lästert, trinkt oder raubt; mit einem solchen Menschen sollt ihr nicht einmal zusammen essen. Ich will also nicht Außenstehende richten - ihr richtet ja auch nur solche, die zu euch gehören -, die Außenstehenden wird Gott richten. Schafft den Übeltäter weg aus eurer Mitte!“ (1 Korinther 5,9-13) Er sieht also das Problem nicht so sehr in zu viel Kontakt mit der bösen Außenwelt, sondern in Sünde innerhalb der Kirche.
Das ist auch mein Problem mit dem „strategical retreat“ aus dem Kulturkampf: Mit der Außenwelt sollen wir Kontakt haben, das nennt sich Evangelisierung (oder, mit dem älteren Wort, Mission). Und man kann sich übrigens auch dann in der Kultur engagieren, wenn man sich in irgendwelchen Basisgemeindschaften organisiert hat; Gemeinschaft und strategischer Rückzug hängen nicht zwingend zusammen. Der Rückzug ist strategisch nicht notwendig.
- Crescentia.
Wobei hier allerdings die Frage ist, wenn wir die Anweisung des hl. Paulus nach dem Sinn betrachten:
Löschen1. inwieweit sind auf die nichtpraktizierenden Kirchenmitglieder ohnehin die Bestimmungen über die Draußenstehenden anzuwenden - und inwieweit wäre eventuell daran zu denken, sie über das bisher mögliche Maß exkommuniziert zu bekommen?
2. geht man so falsch, wenn man auslegt, daß der hl. Paulus hier von dem redet, der seine Sünden in der Meinung begeht, er dürfe das, und darin auch unbelehrbar ist, oder mit der erhobenen Faust etc., und nicht unbedingt von den anderen? Daß Christen auch sündigen, wissen wir ja schließlich. (Da meine ich jetzt naturgemäß das Götzendienen und Rauben eher weniger...)
[Daß man da in Amerika auf Probleme stößt, weil sie "oh my God!" eine Lästerung und nennen und sicher wieder einige hier beim Trinken nicht wie die katholische Moraltheologie den wirklich besinnungslosen Vollrausch, sondern teilweise jeden Alkoholgebrauch sehen... eh klar. Ist zwar Unsinn, ist aber so.]
Zu 1.: Was die Nichtpraktizierenden angeht, viele von denen sind ja wahrscheinlich "Noch-nie-Praktizierende" - also praktisch dasselbe wie Draußenstehende...
LöschenZu 2.: Ja, denke ich auch. Christen, die Sünden nicht nur begehen, sondern als gut darstellen, sind schlimmer als Christen, die sie nur begehen, oder als Nichtpraktizierende oder Ungetaufte, die sie begehen und als gut darstellen.
- Crescentia.
Ja praktisch ist es immer so und so, der entscheidende Punkt ist, als was sind sie zu behandeln :-)
LöschenEs geht ja hier ganz konkret darum, über wen die Kirche Gerichtsgewalt hat, und die hat sie über alle Getauften...
Zu allen Getauften zählen ja auch in protestantischen Gemeinden Aufgewachsene, die überhaupt keine Ahnung vom Katholizismus haben. Über die hat die Kirche also theoretisch auch Gerichtsgewalt - aber man kann ihnen keinen Vorwurf draus machen, wenn sie sich nicht an ihre Gesetze halten, also ist es wohl sinnvoller, sie wie Außenstehende zu behandeln... Dasselbe gilt dann doch für in der katholischen Kirche Getaufte, die dann nie mehr Kontakt zu ihr hatten und nichts über sie wissen. Das ist was anderes als Abgefallene. (Halbpraktizierende sind nochmal wesentlich komplizierter.)
Löschen- Crescentia.
Ob man allerdings sagen kann: "Mit der Außenwelt sollen wir Kontakt haben, *das nennt sich* Evangelisierung*?"
LöschenWir brauchen ja weder Rod Dreher noch sonstwen über Formalia in Scheinwidersprüche zu verwickeln.
In der Regel handelt es sich bei dem Wandel in der Außenwelt doch teilweise um "Standespflichten", die man mit mehr oder minder viel Spaß, aber nicht unbedingt aus spezieller religiösem Grund als eben "Erfüllung der Standespflichten" - sowie wie natürlich um "Vergnügen", das man natürlich als guter Christ ohne schlechtes Gewissen und mit Dank an Gott genießt. Daß man dabei Gelegenheiten haben wird, seinen Glauben zu bekennen, ist durchaus so; daß das einfache Christ-sein einen missionarischen Wert hat, mag durchaus so sein; aber was zumindest die Aktivitäten als einzelne betrifft, so sind sie doch ausgelöst primär als unser hoffentlich sündenfreies Privatvergnügen.
Zumindest für den Nicht-Charismatiker ist das auch nicht schlimm. Nur wie eine Ausrede klingen sollte es auch nicht. Dafür gibt es auch gar keinen Grund. Man braucht sich als Christ nur für die Sünde zu genieren. (Jaja, sag ich immer und halte mich nicht dran.)
Ich kann mir aber durchaus jemanden vorstellen, der sagt - *meine* Meinung wäre es nicht, aber der aus nachvollziehbaren Gründen sagt: "Diese ganze Mission-durch-Alltagsleben ist doch Kokolores. Also wir machen unsere Schriftenstände und wir machen unsere Demonstrationszüge und wir machen unsere Prozessionen und wir machen vielleicht sogar Straßenmission und pp. pp. pp., aber außerhalb solcher formeller Aktionen (und die am besten fernab der Heimat, weil wir so demütig sind einzusehen, daß wir viel freier auftreten, wenn uns die Leut nicht kennen) wollen wir mit den Leuten nichts zu tun haben.
Und ich bin mir relativ sicher, derartige Aktivitäten wollte ein Mr. Dreher oder Vertreter ähnlicher Richtungen *nicht* ausschließen, wenn sie vom "Rückzug" bzw. Ausweichen sprechen.
Was den Kampf gegen Abtreibung und Homo-Ehe angeht, muss man allerdings *tatsächlich* sagen, dass die *amerikanischen* Christen andere Themen zu sehr vernachlässigen, was auch diesem Kampf selber mal schaden kann - wenn etwa manche amerikanischen Christen es zur moralischen Pflicht erklären, die republikanische Partei zu wählen, weil die sich meistens als offiziell "pro-life" deklariert, obwohl demokratische Sozialpolitik (die Republikaner sind in der Hinsicht schließlich das, was wir hierzulande nicht als "konservativ", sondern als "libertär" bezeichnen würden) helfen könnte, die Abtreibungszahlen in der Praxis zu senken. Aber ob Dreher jetzt auf einer Linie mit den "Democrats for life" und ähnlichen Vereinigungen steht oder noch mal andere Vorstellungen von einem ordentlichen Kulturkampf hat, ist auch wieder die Frage, da kenne ich mich nicht genügend mit ihm aus, um das sagen zu können.
AntwortenLöschenHierzulande sieht die Kulturkampf-Situation anders aus - bei uns gibt es schließlich allgemeine Krankenversicherung, Kindergeld, Elternzeit, guten Kündigungsschutz und solche Sachen, da können wir uns tatsächlich eher auf das Thema Abtreibung (oder Sterbehilfe, oder Suizidbeihilfe, oder Homoehe, o. Ä.) an sich konzentrieren.
- Crescentia.
Guter Punkt.
LöschenAch ja, wie immer: Man darf nichts Böses tun, auch nicht auf daß etwas Gutes daraus entstehe und erst recht nicht in der bloß vagen Hoffnung, daß etwas Gutes daraus entstehe. Die Inverhaftnahme der rechtgläubigen Christen für die Parteitreue zu einem vulgären Egoisten stellt eigentlich einen Super-GAU dar.
@ Imrahil & Crescentia: Interessante und aspektenreiche Diskussion, aber ich gebe zwischendurch mal zu bedenken, dass der obige Artikel lediglich auf dem VORWORT des Buches basiert.
AntwortenLöschenIhr werdet Euch noch wundern.
I wonder (wie die Amerikaner sagen).
LöschenDann hör ich das Kommentieren hier mal auf und bin gespannt auf die weiteren Artikel...
Löschen- Viele Grüße, Crescentia.