Viele meiner Leser werden Claudia Sperlich vermutlich als Bloggerin kennen. Falls nicht: Ändert dies! Auf dem Wordpress-Blog Katholisch? Logisch! gibt es immer wieder Interessantes zu lesen: über die Schönheit des katholischen Glaubens, über Heilige und Festtage, über Lebensrecht und Bioethik und zuweilen auch über Blumen und Eichhörnchen. Aber Claudia bloggt nicht nur, sie schreibt auch Bücher - und hat auf diesem Gebiet einen Output, für den ich sie nur bewundern kann: In den letzten zwei Jahren hat sie nicht weniger als sechs Bände herausgebracht. Darunter ist viel Lyrisches - so etwa ein Band mit Übersetzungen lateinischer (und ein paar anderssprachiger) Hymnen, ein Band mit "Zyklischen Sonetten" und unlängst eine Sammlung heiterer "Gut Nacht"-Gedichte, die in Versmaß und Strophenform Matthias Claudius' Abendlied ("Der Mond ist aufgegangen") nachempfunden sind. Demgegenüber fällt ihre neueste Veröffentlichung auf den ersten Blick etwas aus den Rahmen: Diesmal ist es eine Sammlung von Kurzgeschichten, zum Teil mit phantastischen Elementen, zum Teil mit Zügen dystopischer Science Fiction, meist angereichert mit einer beträchtlichen Portion schwarzen Humors. Und siehe da: Das kann sie auch!
(Was für mich persönlich zugegebenermaßen keine so große Überraschung war, zumal ich einen Teil der Geschichten bereits bei Lesungen in einer Bar in einem ehemals besetzten Haus in Friedrichshain hören durfte. Sie passten gut ins Ambiente und kamen beim Publikum ausgezeichnet an.)
"Die Befreier - 13 Geschichten von Verwandten, Nachbarn und anderen Dämonen" hat Claudia ihr neues Buch genannt; und gerade der Untertitel ist ausgesprochen treffend gewählt. Dämonisch geht es in vielen der Geschichten zu. Mal sitzt der Dämon leibhaftig, komplett mit schwarzem Pelz und Spalthuf, auf dem Schreibtisch und versucht einer um Fassung bemühten Briefschreiberin Bosheiten in die Feder zu diktieren; mal tarnt er sich als Sachbearbeiter einer obskuren Behörde oder als Gastgeberin einer Wohltätigkeitsveranstaltung; und manchmal steckt er auch in den Objekten selbst, sei es in einem Fahrrad, das, mit genmanipuliertem Pflanzenöl geschmiert, ein unberechenbares und höchst aggressives Eigenleben entwickelt, oder in einem antiken Füllfederhalter, den die Ich-Erzählerin als Erbstück von einem exzentrischen Verwandten erhalten hat.
Im Vergleich zu solcher Phantastik kommen andere Geschichten des Bandes ganz realistisch und zum Teil sogar fast alltäglich daher; aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Auch hier gibt es praktisch immer einen doppelten Boden. Man kann sagen, das verbindende Element aller dreizehn Texte ist eine gewisse Abgründigkeit. Die Hauptcharaktere der zum überwiegenden Teil in Ich-Form erzählten Geschichten befinden sich - teils mehr, teils weniger offensichtlich - in Grenzsituationen. Es geht immer um Alles. Und extreme Situationen erfordern eben auch extreme Maßnahmen. Dass eine Ich-Erzählerin darüber phantasiert, einem unangenehm jovialen Onkel vor versammelter Verwandtschaft eine volle Kaffeekanne an den Kopf zu werfen, ist da vergleichsweise noch der leichteste Fall.
Einen Teil der Geschichten siedelt die Autorin in einer möglichen nahen Zukunft an - und die sieht nicht rosig aus: Da soll nach der Wiedereinführung der Todesstrafe eine arbeitslose Metzgerin zur Henkerin umgeschult werden; da wandeln sexuell gehemmte Wissenschaftler auf Frankensteins Spuren, um sich durch Genmanipulation die perfekte Partnerin zu "erschaffen"; da bringen militante Tierbefreier, ohne selbst die Konsequenzen ihres Handelns zu überschauen, die Zivilisation zu einem mindestens partiellen Zusammenbruch. In diesen Zukunftsvisionen, ebenso aber auch in einigen der anderen Texte der Sammlung artikuliert sich ein starkes Interesse der Autorin an ethischen Fragen - gepaart mit einem nicht geringen Maß an Skepsis gegenüber gewissen Erscheinungsformen des wissenschaftlich-technologischen und gesellschaftlichen "Fortschritts". Nicht nur in diesem Zusammenhang spielt auch der katholische Glaube der Autorin immer wieder eine Rolle in ihren Geschichten - mal ganz offen, mal eher durch die Hintertür.
Nicht zuletzt dank ihrer präzisen, Klischees und Plattitüden gekonnt vermeidenden Sprache gelingt Claudia Sperlich die Balance zwischen Unterhaltung und Tiefsinn. Der 108 Seiten umfassende Band liest sich schnell und leicht, hinterlässt aber Eindruck.
Bibliographische Angaben:
Die Befreier. 13 Geschichten von Verwandten, Nachbarn und anderen Dämonen. 108 Seiten, tredition 2017
Paperback 7,99 € – ISBN 978-3-7345-8121-2
Hardcover 14,99 € – ISBN 978-3-7345-8122-9
e-book 2,99 € – ISBN 978-3-7345-8123-6
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