Neulich in der Sonntagsmesse stand bei der Kommunion ein kleines Mädchen neben mir. Es waren auch einige noch kleinere Kinder mit an die Altarstufen vorgetreten; der Pfarrer legte ihnen die Hand auf und segnete sie. Dieses kleine Mädchen jedoch streckte ihm die offenen Hände entgegen und zeigte somit an, dass es kommunizieren wolle. Der Pfarrer stutzte.
Pfarrer (irritiert): Warst du schon zur Erstkommunion?
Mädchen (stolz): Jaaa...!
Pfarrer (lächelnd): Ach, Mensch!
Irgendwie, ich weiß selbst nicht warum, fand ich diese kleine Szene ganz reizend. Gleichzeitig erinnerte sie mich daran, dass ich unlängst angekündigt hatte, mal etwas Persönliches zum Thema "Mund- oder Handkommunion" schreiben zu wollen - angeregt durch den von Blogger-Kollegin Huppicke geprägten Begriff "mundkommunionmäßig" (mit dem sie, wenn ich sie richtig verstanden habe, augenzwinkernd einen Typus besonders konservativer Katholiken kennzeichnen wollte).
Es ist gut fünfeinhalb Jahre her, dass ich mich erstmals bewusst mit dem Thema "Mund- oder Handkommunion?" befasst habe, und der konkrete Anlass dafür war recht ungewöhnlich. Ich habe wohl schon einmal angedeutet, dass ich als bekennender Katholik im mehrheitlich von religionslosen Menschen bevölkerten Ostteil Berlins in den Augen vieler meiner Bekannten eine Art Kuriosum darstelle - was in seinem praktischen Auswirkungen durchaus nicht immer unangenehm ist. Gelegentliche Spötteleien bleiben zwar nicht aus, aber andererseits kommt es immer wieder vor, dass Bekannte in mir den quasi "zuständigen Ansprechpartner" sehen, wenn sie Fragen oder Anmerkungen zu religiösen oder auch kirchenpolitischen Themen haben. Dadurch ergeben sich oft interessante Diskussionen - vor allem mit den Kollegen vom Dienstagabend-Domino-Stammtisch, die mich anfangs mit Spitznamen wie "der Christ mit dem Bart" beehrten, bei denen ich aber bald zum "Lieblingskatholiken" avancierte.
Eines Abends im Januar 2007 sprach mich einer meiner Dominokumpels auf den "Wiesbadener Hostienfrevel" an - ob ich davon schon gehört hätte. Hatte ich nicht, also referierte er kurz und sachlich die Fakten des Falles:
Laut einer dpa-Meldung hatte während einer Messe in der Wiesbadener Kirche St. Bonifatius ein konfessionsloser Besucher namens Thomas R. an der Kommunion teilgenommen, aber nur ein kleines Stück von der Hostie abgebissen und den Rest in die Tasche gesteckt. Von einigen Gemeindemitgliedern darauf aufmerksam gemacht, wollte der zelebrierende Geistliche, der damalige Wiesbadener Stadtdekan Johannes zu Eltz (heute in gleicher Funktion in Frankfurt am Main tätig), einschreiten; es kam zu einem Handgemenge, in dem der dem Dekan körperlich unterlegene Thomas R. den Kürzeren zog und daraufhin den Priester wegen Körperverletzung anzeigte. Er selbst hingegen kassierte eine Anzeige wegen Störung der Religionsausübung. (Wie der Fall damals juristisch "ausgegangen" ist, weiß ich nicht; vielleicht kann einer meiner Leser hier für Aufklärung sorgen.)
Mein Gesprächspartner wollte nun von mir wissen, wie ich "als Katholik" den Fall beurteile, und auch die anderen Teilnehmer der Dominorunde waren gespannt auf meine Antwort. Ich setzte ihnen also auseinander, dass eine konsekrierte Hostie nach katholischer Auffassung substantiell nicht (mehr) einfach ein Stück pappigen Gebäcks, sondern wahrhaftiger Leib Christi ist und dass ein Umgang mit einer Hostie, wie Herr R. ihn praktiziert hat, daher ein schwerwiegendes Sakrileg darstellt, und argumentierte, die Anzeige wegen Störung der Religionsausübung sei somit sachlich voll und ganz gerechtfertigt. (Dass der tätliche Angriff des Dekans auf Herrn R. unter diesen Umständen gewissermaßen als Notwehr zu betrachten sei, hob ich nicht eigens hervor.)
Ich war ein bisschen erstaunt, dass meine Dominokumpels - durchweg Atheisten, überwiegend mit protestantischem, zum Teil aber auch mit islamischem Hintergrund - meine Erklärung widerspruchslos akzeptierten; einige äußerten sogar ausdrücklich Respekt gegenüber Gläubigen, die ihren Glauben "so ernst nehmen". - Nachdem ich nun solcherart auf den Fall aufmerksam gemacht worden war, recherchierte ich in den nächsten Tagen ein wenig im Internet - und stellte fest: Atheistische oder einfach "religionsferne" Kommentatoren ergriffen entschieden die Partei des Thomas R.; einige fundamentalistische Protestanten nahmen den Fall zum Anlass, gegen das in ihren Augen "heidnische" katholische Eucharistieverständnis zu polemisieren; auf katholischer Seite hingegen löste der Fall hauptsächlich Diskussionen über die Praxis der Handkommunion aus. Verschiedentlich wurde argumentiert, "mit Mundkommunion wäre das nicht passiert". Ganz überzeugend fand und finde ich das nicht - auch bei Mundkommunion wäre es ja nicht völlig auszuschließen, dass jemand die Hostie erst einmal auf der Zunge liegen lässt, um sie in einem unbeobachteten Moment etwa in ein Taschentuch zu spucken und sie dann, zu welchen Zwecken auch immer, nach Hause mitzunehmen -, aber dennoch blieb die Diskussion nicht ohne Eindruck auf mich.
Ich bin Mitte der 80er Jahre zur Erstkommunion gegangen; zumindest in meiner Heimatgemeinde war die Handkommunion damals eine Selbstverständlichkeit. Zwar zählten zu den regelmäßigsten Kirchgängern dieser Gemeinde einige betagte Damen, die ganz überwiegend aus Schlesien stammten und von denen man schon allein des Lebensalters wegen annehmen sollte, dass sie mit der Mundkommunion aufgewachsen waren - aber ich kann mich aus meiner Kindheit und Jugend nicht daran erinnern, dass mir jemals aufgefallen wäre, dass diese Seniorinnen auf andere Art kommunizierten, als ich es gelernt hatte. Dass die Liturgie der Katholischen Kirche eigentlich die Mundkommunion vorschreibt und die Handkommunion erst 1969 von Papst Paul VI. zugelassen wurde - und das nicht etwa als Regelfall, sondern nur in Form eines Indults, also gewissermaßen als Ausnahmegenehmigung -, wurde weder in der Erstkommunionvorbereitung noch im Firmunterricht oder gar im schulischen Religionsunterricht jemals zur Sprache gebracht; es war einfach kein Thema. Kommunikanten, die vor dem Altar knieten und die Hostie direkt auf die Zunge gelegt bekamen, kannte ich parktisch nur aus Filmen - Mafiafilmen zumeist, oder auch solchen, deren Handlung sich ganz oder teilweise in katholischen Internaten abspielte (wie z.B. Louis Malles Au revoir les enfants - den sahen wir sogar im Religionsunterricht!); jedenfalls schien das nichts zu sein, was der Gegenwart angehörte. Auch als ich nach Berlin zog, sah ich in den verschiedenen Kirchen, in denen ich dort die Messe besuchte, nur sehr vereinzelt mal jemanden die Mundkommunion praktizieren - und wenn, dann fast ausnahmslos im Stehen, obwohl einige Berliner Kirchen mit Kniebänken für den Kommunionempfang ausgestattet sind und in einigen anderen zum Niederkenieen einladende Polster auf den Altarstufen liegen.
Auf den Gedanken, die Praxis der Handkommunion in Frage zu stellen, kam ich somit tatsächlich erst durch die Diskussionen, die auf den "Wiesbadener Hostienfrevel" folgten. Ausschlaggebend war dabei für mich - wie schon angedeutet - nicht das Argument, dass die Mundkommunion größere "Sicherheit" vor missbräublichem Umgang mit der Hostie bietet; vielmehr machte diese Debatte mich darauf aufmerksam, dass der Unterschied zwischen Mund- und Handkommunion kein bloß konventioneller ist (nach dem Schema "Früher hat man's so gemacht, heute macht man's eben so"). Mir schien, den Leib Christi in die Hand zu nehmen (und dann folgerichtig selbst zum Mund zu führen), bedinge eine nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich signifikant andere Haltung gegenüber dem Sakrament als die rein empfangende Haltung der Mundkommunion. Seither bewegte mich der Gedanke, ob die Mundkommunion, möglichst knieend, nicht die bessere, richtigere, weil ehrfürchtigere und der Würde des Sakraments angemessenere Form des Kommunizierens sei. Das Problem war nur, ich hatte es nun mal "anders gelernt"; und solche Gewohnheiten sitzen tief, besonders wenn man allsonntäglich sieht, dass (fast) "alle anderen es genauso machen". Ich möchte mal unterstellen, dass es Vielen so geht, die ihre religiöse Sozialisation in "nachkonziliarer" Zeit erhalten haben und von Kindesbeinen an, nämlich seit der Erstkommunion, nichts anderes als die Handkommunion gewöhnt sind. Hat man keine Erfahrung mit der Mundkommunion, stellen sich gern auch noch ganz praktische Unsicherheiten ein: Wie weit muss ich den Mund öffnen? Muss ich die Zunge ein Stück vorstrecken? Sieht das nicht irgendwie blöd aus?
Ich blieb also vorerst bei der Handkommunion und tröstete mich damit, dass diese ja immerhin erlaubt sei. Aber "erlaubt" ist unter Umständen eben etwas Anderes als "erwünscht" oder "empfohlen". Interessant fand ich, was in dem Interview-Buch Gott und die Welt (Joseph Ratzinger im Gespräch mit Peter Seewald, München 2000) zu diesem Thema zu lesen ist. Zunächst äußert sich der damalige Kardinal Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., zur Frage des Knieens oder Stehens bei der Kommunion:
Von Seewald direkt auf die Frage "Hand- oder Mundkommunion?" angesprochen, erklärt der Kardinal:
Es ist noch nicht lange her, da besuchte ich - in der realistischen Einschätzung, dass ich es, auch bedingt durch meine nächtliche DJ-Tätigkeit, am nächsten Morgen nicht in die Sonntagsmesse schaffen würde - die Vorabendmesse in der St. Hedwigs-Kathedrale; bei der Kommunion kam kurz vor mir ein mit mir ungefähr gleichaltriger Mann an die Reihe, kniete sich, ohne dafür irgendwelche Bänke oder Polster zur Verfügung zu haben, auf die Altarstufen und empfing die Mundkommunion. So, sagte ich mir, jetzt hab' ich keine Ausrede mehr. Jetzt mach' ich das auch so. Ich kniete nieder und empfing die Hostie auf meine Zunge; das ging ganz einfach, und nicht nur das: Es war ein überraschend großartiges Erlebnis. Ich fühlte mich so erfüllt vom Leib Christi, den ich auf für mich so ungewohnte Weise empfing, wie nie zuvor. Damit stand für mich fest, dass dies für mich in Zukunft die einzig wahre Art des Kommunizierens sein und bleiben würde. In "meiner" Gemeinde (St.Antonius-St. Pius in Berlin-Friedrichshain) bin ich da zwar oft - jedoch nicht immer - der Einzige, aber die Besorgnis, durch diese Eigenwilligkeit unangemessenes Aufsehen zu erregen, habe ich recht schnell abgelegt. Ich kann die Mundkommunion nur Jedem Empfehlen. Auch wenn es erst einmal Überwindung kosten mag.
Ich blieb also vorerst bei der Handkommunion und tröstete mich damit, dass diese ja immerhin erlaubt sei. Aber "erlaubt" ist unter Umständen eben etwas Anderes als "erwünscht" oder "empfohlen". Interessant fand ich, was in dem Interview-Buch Gott und die Welt (Joseph Ratzinger im Gespräch mit Peter Seewald, München 2000) zu diesem Thema zu lesen ist. Zunächst äußert sich der damalige Kardinal Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., zur Frage des Knieens oder Stehens bei der Kommunion:
"Früher wurde Kommunion, was durchaus sinnvoll war, kniend empfangen. Heute geschieht es stehend. Aber dann soll auch dieses Stehen ein ehrfürchtiges Stehen vor dem Herrn sein.Peter Seewald zitiert an dieser Stelle Papst Johannes XXIII. mit dem Ausspruch: "Nie ist der Mensch so groß, als wenn er kniet."
Die Haltung des Kniens darf auf keinen Fall aus der Kirche verschwinden. Es ist die eindringlichste körperliche Darstellung der christlichen Frömmigkeit, durch die wir einerseits aufrecht bleiben, hinschauend, hinaufschauend auf ihn, und uns andererseits doch beugen."
Von Seewald direkt auf die Frage "Hand- oder Mundkommunion?" angesprochen, erklärt der Kardinal:
"Da würde ich nicht kleinlich sein wollen. Das gab es ja auch in der alten Kirche. An sich ist eine ehrfürchtige Form der Handkommunion durchaus eine sinnvolle Weise des Kommunion-Empfangs." (S. 392)Man merkt der Formulierung - mit ihrem "an sich" und "durchaus" - allerdings doch gewisse Vorbehalte gegenüber der Handkommunion an. Dieser Beobachtung entspricht es, dass Papst Benedikt XVI. bei der Abschlussmesse des Weltjugendtages 2008 in Sydney darum bat, dass alle, denen er selbst die Kommunion spende, diese kniend und in der Form der Mundkommunion empfangen sollten, und am 24. Dezember 2010 setzte Papst Benedikt XVI. den Indult für die Handkommunion für liturgische Feiern im Petersdom außer Kraft. Man sieht: Der Papst toleriert die Handkommunion zwar - sonst hätte er den oder das Indult Pauls VI. ja auch ganz aufheben können -, betrachtet die Mundkommunion aber als die zu bevorzugende Form. Was im Übrigen auch dem Wortlaut und der offenkundigen Intention des besagten Indults selbst entspricht.
Es ist noch nicht lange her, da besuchte ich - in der realistischen Einschätzung, dass ich es, auch bedingt durch meine nächtliche DJ-Tätigkeit, am nächsten Morgen nicht in die Sonntagsmesse schaffen würde - die Vorabendmesse in der St. Hedwigs-Kathedrale; bei der Kommunion kam kurz vor mir ein mit mir ungefähr gleichaltriger Mann an die Reihe, kniete sich, ohne dafür irgendwelche Bänke oder Polster zur Verfügung zu haben, auf die Altarstufen und empfing die Mundkommunion. So, sagte ich mir, jetzt hab' ich keine Ausrede mehr. Jetzt mach' ich das auch so. Ich kniete nieder und empfing die Hostie auf meine Zunge; das ging ganz einfach, und nicht nur das: Es war ein überraschend großartiges Erlebnis. Ich fühlte mich so erfüllt vom Leib Christi, den ich auf für mich so ungewohnte Weise empfing, wie nie zuvor. Damit stand für mich fest, dass dies für mich in Zukunft die einzig wahre Art des Kommunizierens sein und bleiben würde. In "meiner" Gemeinde (St.Antonius-St. Pius in Berlin-Friedrichshain) bin ich da zwar oft - jedoch nicht immer - der Einzige, aber die Besorgnis, durch diese Eigenwilligkeit unangemessenes Aufsehen zu erregen, habe ich recht schnell abgelegt. Ich kann die Mundkommunion nur Jedem Empfehlen. Auch wenn es erst einmal Überwindung kosten mag.