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Sonntag, 29. November 2015

Schon wieder "Huhn meets Ei im Radio"!

Nachdem ich unlängst meinen Blog auf Radio Horeb vorstellen durfte, möchte ich abermals einen Programmhinweis in eigener Sache loswerden: 

Vom Montag, dem 30.11., bis zum Samstag, dem 05.12., bin ich täglich ab 7:55 Uhr für rund eine Viertelstunde beim Domradio zu Gast. Telefonisch allerdings nur. Im Gespräch mit dem jeweiligen Moderator der Morgensendung darf ich dort das jeweilige Tagesevangelium auslegen. Und zwar live! Das wird ziemlich aufregend... 

Auch wenn ich so etwas in dieser Form noch nie gemacht habe -, oder sogar besonders deswegen - freue ich mich darauf, im Radio über die Evangelientexte der ersten Adventswoche zu sprechen. Schöne, bewegende, spannende, herausfordernde Texte werden zu behandeln sein. Es wird um Berufung und Nachfolge gehen, um Heilung und Brotvermehrung, und natürlich - wir haben ja schließlich Advent - um das Kommen des Reiches Gottes. Ich muss sagen: Auch wenn ich mich natürlich auf die Sendungen vorbereite, mich also schon im Vorfeld mit den betreffenden Evangelienpassagen auseinandersetze, bin ich in gewissem Maße selber ganz neugierig, was mir so alles dazu einfallen wird - denn wie heißt es so schön in Lukas 12,11f.: 
"Macht euch keine Sorgen, [...] was ihr sagen sollt. Denn der Heilige Geist wird euch in der gleichen Stunde eingeben, was ihr sagen müsst." 
Na dann schauen (bzw. hören) wir mal! Die Sendungen beginnen jeweils um 7:55 Uhr, Wiederholungen gibt es abends um 22:40 Uhr. Und in der Domradio-Mediathek werden die Beiträge ebenfalls zum Nachhören zu finden sein. Sobald die einzelnen Sendemitschnitte online sind, werde ich die Links hier einfügen: 
Montag, 30.11.: Matthäus 4,18-22 (leider entfallen wegen eines technischen Defekts) 
Donnerstag, 03.12.: Matthäus 7,21.24-27
Samstag, 05.12.: Matthäus 9,35-10,1.6-8 
Alsdann, liebe Leser: Ihr hört von mir! -- Und übrigens: Für unterstützendes Gebet bin ich ausgesprochen dankbar. 




Donnerstag, 26. November 2015

St. Willehad: "In Wirklichkeit gibt es nur Verlierer"


Kaum mehr als eine Woche ist vergangen seit meinem letzten Bericht über die Situation in der Pfarrei St. Willehad; aber diese neun Tage hatten es in sich. Am Dienstag letzter Woche fand im Anschluss an die 17-Uhr-Messe eine Verabschiedungsfeier für Pfarrer Torsten Jortzick statt; und noch am selben Abend, gegen 20:30 Uhr, postete die Kreiszeitung Wesermarsch (deren Redaktionsleiter Christoph Heilscher bei der Verabschiedung anwesend gewesen war) ein Foto auf Facebook - mit dem Begleittext: "Pfarrer Jortzick möchte nun doch bleiben". Nanu - bahnte sich hier etwa eine Sensation an, nachdem bisher doch alles danach ausgesehen hatte, als sei Pfarrer Jortzicks Abschied von St. Willehad unwiderruflich? Den Kreiszeitungs-Artikel zum Thema, der am nächsten Tag erschien, bekam ich dankenswerterweise aus Nordenham zugeschickt, und da las sich der Sachverhalt schon um Nuancen anders: 
"Gestern Abend [...] geriet die Verabschiedung des Pfarrers zu einer großen Sympathiekundgebung für Torsten Jortzick. Die Kirche war voll. Anschließend versammelten sich weit mehr als hundert Gemeindemitglieder im Pfarrhaus. Mehrere Redner würdigten die Arbeit von Pfarrer Jortzick. Herzliches Händeschütteln und viele Alliterationen Umarmungen prägten die Atmosphäre. Unter dem Eindruck dieses Wohlwollens sagte der Pfarrer im Gespräch mit der Kreiszeitung, dass er nun doch gerne in St. Willehad bleiben würde." 
Nun gut: Wie bereits dokumentiert, hat Pfarrer Jortzick in den letzten Wochen eine beispiellose Welle der Solidarität und Sympathie erfahren. Dass er daraufhin am Abend seiner Verabschiedung etwas sagt wie "Eigentlich würde ich ja doch gern hierbleiben", ist wohl mehr als verständlich - umso mehr, als Nordenham ja zunächst Pfarrer Jortzicks "Wunschort" war. Allerdings ist die Aussage "Ich würde gern bleiben" nicht gleichbedeutend mit "Ich will bleiben" - sondern kann durchaus auch im Sinne von "aber es geht leider nicht" verstanden werden. -- Tags darauf legte die Nordwest-Zeitung nach. "Pfarrer Jortzick möchte doch bleiben", las man dort als Überschrift; und weiter hieß es: 
"Ob der 52-jährige Priester tatsächlich für immer der Gemeinde den Rücken kehrt, ist [...] fraglich. Er hat gegenüber der NWZ deutlich gemacht, dass er gerne in Nordenham bleiben würde. 
Torsten Jortzick spricht von einer 'positiven Entwicklung der Gemeinde' und freut sich über den 'großen Rückhalt', den er in den vergangenen Wochen verspürt habe. [...] 
Formell kann Torsten Jortzick seinen bereits beurkundeten Rücktritt [...] jedoch nicht mehr zurücknehmen. 'Ich habe im Oktober meinen Abschied eingereicht', sagt er, 'über alles, was jetzt kommt, entscheidet der Bischof von Münster.'" 
Hm. Sollte es da also doch noch einen Spielraum dafür geben, dass Pfarrer Jortzick in St. Willehad bleiben bzw. - da ein Pfarrverwalter für die Zeit ab dem 23.11. ja bereits benannt war - nach einer Übergangszeit dorthin zurückkehren könnte? Bisher hatte ich diese Möglichkeit eigentlich nicht ernsthaft in Betracht gezogen; aber immerhin gab es da ja nun die Petition der Initiative "Wir sind Willehad" an Bischof Genn - mit einer wahrhaft beeindruckenden Zahl von Unterzeichnern, die noch dazu in der Berichterstattung der Lokalpresse immer weiter anstieg: Mir war am Tag der Übergabe der Petition die Zahl von 319 Unterzeichnern genannt worden, die NWZ schrieb am 18.11. von 309, die Kreiszeitung dagegen von 350 Unterschriften; am 19.11. erhöhte die NWZ dann auf "um die 400". Sollte eine derart breite Unterstützung für den Pfarrer das Bistum nicht dazu veranlassen, die Situation in der Pfarrei neu zu bewerten? 

Die Berichte der Kreiszeitung und der Nordwest-Zeitung erweckten den Eindruck, dass das Bischöflich Münstersche Offizialat in Vechta sich in dieser Frage auffällig bedeckt hielt. "Wir gehen davon aus [!], dass es bei der getroffenen Entscheidung bleiben wird", zitierte die Kreiszeitung den Pressesprecher des Offizialats, Ludger Heuer; und in der NWZ hieß es: "Zu der neuen Entwicklung konnte sich der Pressesprecher [...] am Mittwoch noch nicht äußern. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge werde an dem bisherigen Plan festgehalten". 

Pfarrer Torsten Jortzick (rechts) und Diakon Christoph Richter (links) bei der Hl. Messe in St. Willehad am 17.11.2015 (Bildquelle hier.)

Ich wartete ein paar Tage ab, ehe ich meinerseits eine Anfrage ans Offizialat richtete. Es dauerte nicht lange, bis ich eine Antwort bekam - und zwar nicht von der Pressestelle, sondern vom für den Bereich Seelsorge zuständigen Offizialatsrat Monsignore Bernd Winter persönlich. Zunächst teilte er mir mit, im Offizialat in Vechta lese man meine Beiträge "seit längerer Zeit" - das hatte ich schon mal nicht unbedingt erwartet. Sodann stellte Monsignore Winter allerdings klar: 
"Die Amtszeit von Herrn Pfarrer Jortzick endet definitiv mit Ablauf des 22. November 2015. Und es wird für ihn ebenso definitiv keine weitere Amtszeit in Nordenham geben." 
Dasselbe meldet heute auch die NWZ, sodass ich mich denjenigen Gemeindemitgliedern gegenüber, die sich so vehement für Pfarrer Jortzick eingesetzt haben, wenigstens nicht in der unangenehmen Rolle des Überbringers schlechter Nachrichten sehen muss. Zudem ist es wohl nicht zu bestreiten, dass die Konflikte in der Pfarrei einen Neuanfang - und zwar mit einem neuen Pfarrer - zwingend erfordern. Was umgekehrt aber natürlich nicht heißt, dass diese Konflikte sich mit dem Abschied des Pfarrers plötzlich in Luft auflösen. Monsignore Winter schrieb mir: 
"Entgegen manchen Beteuerungen ist die Gemeinde längst gespalten, und ich nehme ein gehöriges Maß an Zerrüttung wahr. [...] Es gibt heftigste Vorwürfe aus ganz unterschiedlichen Richtungen an ganz unterschiedliche Adressaten. Es gibt Intrigen und Unlauterkeiten, es gibt verstecktes Taktieren, es gibt ganz ehrliche Sorgen und erschütterte Anteilnahme. Es gibt Aggressionen und Ratlosigkeit. Es gibt bitterböses Schweigen und lautes Fordern. [...] Es gibt Legendenbildungen, es gibt Halbwahrheiten und Wissensdefizite. Es gibt aber auch Menschen, die einfach Kirche sein möchten, und es gibt solche, die sich für 'die' Gemeinde in Nordenham halten. [...] 
Manche Menschen in Nordenham glauben, es gebe Gewinner und Verlierer. In Wirklichkeit aber gibt es nur Verlierer." 
Das sind ernste und zum Teil recht harte Worte, aber sie zeigen, dass die Konflikte in der Pfarrei weitaus tiefer gehen und weitaus mehr betreffen als die Personalie Torsten Jortzick. Was in der Pfarrei im Einzelnen alles vorgefallen ist, kann wohl keine einzelne Person komplett überblicken, und ich kann es schon gar nicht; es steht jedoch zu vermuten, dass die Ursachen für die von Monsignore Winter beschriebene "Zerrüttung" zum Teil schon weit zurückreichen - mindestens bis zur Fusion der Pfarrgemeinden Herz Jesu/Herz Mariae und St. Willehad/St. Josef im Jahr 2010. Manche Kontroversen blieben wohl noch weitgehend im Verborgenen, solange Pfarrer Kordecki und Pfarrer Bögershausen gemeinsam im Amt waren und jeder von ihnen weiterhin "seinen" Teil der fusionierten Pfarrei betreute. Ich habe schon in den letzten Jahren mehrfach davon gehört, dass Gemeindemitglieder, die mit Pfarrer Bögershausens Amtsführung unzufrieden waren, nach Einswarden zu Pfarrer Kordecki "ausgewichen" sind, und den umgekehrten Fall mag es ebenso gegeben haben; aber in dem Moment, als Pfarrer Jortzick als einziger Priester die fusionierte Pfarrei übernommen hat, gab es solche Ausweichmöglichkeiten eben nicht mehr. 

Während nun einige Gemeindemitglieder Pfarrer Jortzick vorwerfen, er habe die Gemeinde gespalten, erklären viele andere, er habe ganz im Gegenteil viel dafür getan, bestehende Spaltungen zu überwinden. Wo meine persönlichen Sympathien liegen, ist aus meinen bisherigen Beiträgen zum Thema wohl deutlich genug geworden, und daran hat sich im Grundsatz auch nichts geändert. Dennoch ist es, so absurd das auf den ersten Blick scheinen mag, nicht zu leugnen, dass zu einem gewissen Grad beide Seiten mit ihrer Einschätzung Recht haben. Wenn Gemeindemitglieder, die sich zuvor ausgegrenzt und an den Rand gedrängt gefühlt haben, heute von sich sagen "Wir sind Willehad" und erklären, sie hätten dies wesentlich Pfarrer Jortzick zu verdanken - wie es aus diversen Stellungnahmen in der Presse, aus Rückmeldungen, die ich auf meine Blogartikel erhalten habe, und nicht zuletzt aus der oben erwähnten Petition an den Bischof hervorgeht -, dann hat Pfarrer Jortzick offensichtlich Einiges richtig gemacht; solange es aber umgekehrt andere Gemeindemitglieder gibt, die sich nun ihrerseits ausgegrenzt und an den Rand gedrängt fühlen, ist de facto eine Spaltung vorhanden - und damit kann man sich nicht zufrieden geben. Auch diese Personen müssen ihren Platz in der Gemeinde (wieder)finden - wo sollten sie schließlich sonst hin? -- Gleichzeitig hoffe ich und wünsche ich mir aber auch, dass diejenigen Gemeindemitglieder, die Pfarrer Jortzick gern behalten hätten, sich jetzt nicht entmutigen lassen, sondern die Energie, die sie in den letzten Wochen entwickelt haben, auch weiterhin ins Gemeindeleben einbringen.

Monsignore Winter schreibt: 
"Es wird einen Prozess brauchen, der Versöhnungsarbeit leistet und Gemeindebildung ganz neu auf den Weg bringt. [...] Und das wollen wir [...] bewusst fördern und begleiten. […] Und wir brauchen in Nordenham für die Zukunft einen neuen Pfarrer, der Erfahrung mitbringt, der fachlich und persönlich fähig und bereit ist, sich mitten in diese schwierige Situation zu stellen, und der für einen solchen Prozess der Versöhnung, der neuen Gemeindebildung und der pastoralen Konzeption in Geduld und mit Ausdauer und Kraft werben kann." 
Bis ein solcher Pfarrer gefunden wird, hat erst einmal Pfarrer Manfred Janßen aus Varel die Pfarrverwaltung inne; den priesterlichen Dienst vor Ort wird jedoch, wie ich schon vermutet habe, zur Gänze Kaplan Alex Mathew übernehmen, der zukünftig auch in Nordenham wohnen wird - das meldete die Pfarrei St. Willehad am 23. November auf ihrer Facebook-Seite. Ich denke mir, ein junger indischer Ordenspriester, der bislang an einem Marienwallfahrtsort tätig war, dürfte im Gemeindeleben interessante Akzente setzen. Die NWZ hebt zudem hervor, an seinem bisherigen Wirkungsort sei er besonders für "sein freundliches und verbindliches Wesen im Umgang mit den Mitmenschen" geschätzt worden. "Zudem sei sein fröhliches Lachen ansteckend." Angesichts der schwierigen Situation in St. Willehad kann dies zweifellos nur von Vorteil sein. Ich wünsche ihm jedenfalls viel Glück und Gottes Beistand für seine neue Aufgabe und freue mich darauf, ihn persönlich kennenzulernen, wenn ich bei Gelegenheit mal wieder in Nordenham bin... 

Für den Moment bleibt mir eigentlich nur noch, diejenige Passage aus Monsignore Winters Mail zu zitieren, die mich am meisten bewegt und beeindruckt hat: 
"In all dem hoffe, ich, dass Gottes guter Geist uns und alle Beteiligten und Betroffenen nicht verlassen, sondern uns alle im Guten stärken und allem Ungeist wehren wird. Vielleicht ist der kommende Advent eine Chance abzurüsten, still zu werden, zu er-hören, was Gott uns sagen will mit dem Wort, das er uns schenkt, und das Fleisch wird als unser Bruder. Vielleicht können wir gerade im kommenden Advent durch den häufigen und innigen Empfang der Sakramente wieder innerlich geschmeidiger werden in der ehrlichen Absicht, in den Spuren unseres menschgewordenen Gottes zu gehen – bewusst nicht nur neben, sondern gemeinsam mit allen unseren Schwestern und Brüdern, die uns ganz konkret in unserem Lebensumfeld geschenkt sind. Ich wünsche unseren Glaubensgeschwistern in Nordenham so sehr, dass das in Zukunft neu gelingt!"
Diesem Wunsch kann ich mich nur anschließen. Und natürlich werde ich die Entwicklung in St. Willehad weiterhin aufmerksam verfolgen - und meine Leser weiter auf dem Laufenden halten! 


Mittwoch, 25. November 2015

Was würde Jesus tun?

Kaum hat der Große Vorsitzende Kardinal Marx den vieldiskutierten Dialogprozess der Bischofskonferenz in Pofallascher Manier (nein, nicht wirklich - war nur Spaß) für beendet erklärt, da zündet die Pfarrei St. Ursula im hessischen Oberursel die nächste Stufe: Einen "Visionsprozess" soll es dort geben. Der kürzlich heiliggespro verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt pflegte zwar zu sagen, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen, aber man wird ja wohl noch anderer Ansicht den dürfen. Zumal Pfarrer Andreas Unfried und Pastoralreferentin Susanne Degen die Idee zum "Visionsprozess", so typisch deutsch-bürokratisch der Begriff auch klingt, von den Philippinen mitgebracht haben. Da waren sie nämlich auf einer Studienreise. (So so, Studienreise auf die Philippinen. Die müssen es ja dicke haben. Protzbistum Limburg eben.) Und da gibt es solche Prozesse schon länger, heißt es. Allerdings hat man auf den Philippinen vermutlich andere Visionen als in Oberursel. In der dortigen Pfarrei hat sich jedenfalls erst einmal eine 16köpfige Projektgruppe gebildet, der auch fünf evangelische Christen angehören - so viel Ökumene muss sein, scheint's. Und diese Projektgruppe stellt sich und ihrem persönlichen Umfeld nun Fragen wie zum Beispiel, "worum sich Jesus kümmern würde, wenn er heute in Oberursel oder Steinfeld leben würde".

Nun ist es ja eigentlich ein Gemeinplatz der Dogmatik, dass Sätze, die mit "Jesus würde heute..." beginnen, immer falsch sind. Da derartige Anmutungen bzw. -maßungen aber offenkundig schier nicht totzukriegen sind, erscheint es ratsam, einmal der Frage nachzugehen, warum solche Aussagen eigentlich immer falsch sind.

Fangen wir mal mit diesen Armbändern an. Diesen 'WWJD'-Armbändern. 'WWJD' steht für "What Would Jesus Do?", und der Blick auf das Armband mit diesem Kürzel soll in Entscheidungssituationen dabei helfen, die im Sinne christlicher Ethik richtige Entscheidung zu fällen. Diese Armbänder erfreuen sich seit den 1990er Jahren große Beliebtheit vor allem bei evangelikalen Jugendlichen und Justin-Bieber-Fans. Letzteres ist übrigens kein Scherz. Nun ist es freilich nicht auszuschließen, dass manch ein Belieber (wie sich die Bieber-Fans bezeichnenderweise selbst nennen) glaubt, das J stünde für Justin; und ebenso ist es denkbar, dass manche Fans sich überhaupt keine Gedanken über den Sinn der Abkürzung machen und das Armband nur tragen, weil ihr Idol das auch tut. Der inzwischen 21jährige Berufsteenager Bieber selbst weiß hingegen sehr wohl, was die vier Buchstaben auf dem Armband ihm sagen wollen. In einem Interview erklärte er jüngst, er wolle "einfach nur wie Jesus leben": Dieser sei "ein ziemlich geniales Vorbild, wenn es darum geht, Leute zu lieben, gütig und freundlich zu sein". Das hört sich - nach diversen Skandalen um Vandalismus, illegale Autorennen und Medikamentenmissbrauch - nach einer ziemlich radikalen Kehrtwende an; allerdings hat Justin Bieber sich auch früher schon öffentlich zu seinem christlichen Glauben bekannt

Aber das nur am Rande. Ein offenkundiges Problem bei dem Lebensmotto "Was würde Jesus tun?" ist natürlich, dass das zunächst nur eine Frage ist. Woher aber die Antworten nehmen? Nun, das Internet hat sich da etwas ausgedacht: den What Would Jesus Do Generator. Auf einen schlichten Mausklick hin erhält man dort Beispiele dafür, was Jesus, den Evangelien zufolge, in der Zeit seines irdischen Wirkens tatsächlich getan hat. Ich habe das mal für euch getestet, liebe Leser. Einige Antworten lauteten: 
- direkten Fragen über das Fasten ausweichen
- mit Fischern abhängen
- in Versuchung geführt werden
- Tote auferwecken. 
Und da haben wir schon den Salat: Der letztgenannte Punkt dürfte die meisten von uns in Schwierigkeiten bringen, wenn wir versuchen, Jesus nachzueifern. Und sollte der What Would Jesus Do Generator gar ausspucken "die Sünden der Welt auf sich nehmen", dann wäre es ganz vorbei mit der Nachahmbarkeit. 

Was will ich damit sagen? - Sich Jesus zum Vorbild für ethisch gutes Handeln zu nehmen, ist vom Ansatz her eine gute Sache, stößt aber an Grenzen. Wir können gar nicht immer und in Allem das tun, was Jesus getan hat oder getan hätte oder täte. Weil wir nicht so sind wie Er. Das Konzil von Chalkedon stellte im Jahr 451 bezüglich der menschlichen Natur Jesu fest, diese sei "in allem uns gleich außer der Sünde". Diese Formulierung mag den Eindruck erwecken, der Unterschied wäre marginal, aber tatsächlich handelt es sich um einen ganz entscheidenden Unterschied. Hinzu kommt, dass Jesus eben nicht nur eine menschliche, sondern auch eine göttliche Natur hat. Wie das besagte Konzil von Chalkedon in Abgrenzung vom Monophysitismus einerseits und vom Nestorianismus andererseits betont, sind diese zwei Naturen Jesu "unvermischt und ungetrennt", aber wir brauchen gar nicht so sehr ins Detail zu gehen, das wird sonst zu kompliziert. Bleiben wir lieber erst einmal bei dem Punkt mit der Sünde - genauer gesagt: der Erbsünde.

Anknüpfend an den Apostel Paulus (Römer 5,12-17) lehrt der Hl. Augustinus, durch den Sündenfall Adams sei die ursprünglich gut geschaffene menschliche Natur korrumpiert, mit Sünde infiziert gewissermaßen. Zwar "reinigt" das Sakrament der Taufe den einzelnen Menschen von der Erbsünde, aber seine Natur bleibt dennoch zum Bösen geneigt (und wer wollte das bestreiten, wenn man sich ansieht, was Menschen, seien sie getauft oder nicht, so alles Böses tun?). Damit der Mensch sich für das Gute entscheidet, bedarf es laut Augustinus der Einwirkung göttlicher Gnade. Kurz und salopp gesagt: Ein bloßes Vorbild genügt da nicht.

Es ist an dieser Stelle nicht unwichtig zu erwähnen, dass Augustinus - und in der Folge auch die Lehre der Katholischen Kirche bis heute - nichtsdestoweniger daran festhält, dass der Mensch einen freien Willen hat, auch wenn dieser allein, ohne die Einwirkung der Gnade, nicht genügt, um der Neigung zur Sünde zu widerstehen. Die Reformatoren waren da radikaler. Martin Luther etwa bestritt in seinem gegen Erasmus von Rotterdam gerichteten Schreiben De servo arbitrio (1525) rundheraus eine Entscheidungsfreiheit des Menschen gegenüber dem Willen Gottes; Heil oder Verdammnis des Menschen hinge demnach allein von der Gnade Gottes ab. Diese Auffassung prägte auch Johannes Calvins Lehre von der doppelten Prädestination (die Einen seien zum Heil vorherbestimmt, die Anderen zur Verdammnis). So gesehen ist es eigentlich erstaunlich, dass die Maxime "Was würde Jesus tun?" - die doch schließlich an die Fähigkeit des Menschen appelliert, sich so oder anders zu entscheiden - sich gerade in protestantischen Konfessionen so großer Beliebtheit erfreut.

Dem deutschsprachigen Wikipedia-Artikel zum Kürzel 'WWJD' zufolge geht der Siegeszug dieses Slogans auf die Initiative eines Jugendpastors der Wesleyan Church of Holland im US-Bundesstaat Michigan, Jamie Tinklenberg, zurück, der im Januar 1989 Anstecker mit dem Schriftzug "What Would Jesus Do?" produzieren ließ. Die damit beauftragte Firma stellte in der Folge dann auch die seither so beliebten Armbänder her. Dass die Idee vom Pastor einer Kirche stammt, die sich auf die Lehren John Wesleys (1703-1791) beruft, ist durchaus aussagekräftig: Wesley hatte das reformatorische Konzept der Rechtfertigung durch den Glauben zur Idee der Heiligung durch den Glauben ausgebaut, die calvinistische Prädestinationslehre verworfen und ihr eine Lehre entgegengestellt, derzufolge Gottes Gnade allen Menschen gelte, es aber dem Einzelnen überlassen bleibe, diese Gnade anzunehmen. Die Wirkung der Gnade zeige sich laut Wesley in guten Werken und einer insgesamt moralisch untadeligen Lebensführung. Mit anderen Worten: Wer im Stand der Gnade ist, kann nicht bloß gut handeln, sondern ist geradezu verpflichtet dazu.

Soweit, so gut. Halten wir fest: Auch für Wesley ist Gottes Gnade die Voraussetzung für das Gutsein des Menschen, nicht etwa die Folge davon. Dennoch richtet die von Wesley wesentlich initiierte Heiligungsbewegung, ganz anders als etwa die Theologie Luthers ("Sündige tapfer, doch tapferer glaube") ein auffallendes Augenmerk auf das moralische Handeln des Menschen; zugespitzt könnte man sagen, durch sein Gutsein beweist der Mensch, dass er im Stand der Gnade ist. Und da lauert nun in der Tat die Gefahr, dass das Kausalverhältnis zwischen Gnade und Gutsein, wie Wesley es verstand, aus dem Blickfeld gerät oder sogar in sein Gegenteil verkehrt wird - dergestalt, dass das moralisch gute Handeln des Menschen eben doch als Voraussetzung dafür verstanden wird, das Heil zu erlangen. Und das ist dann - man höre und staune - Pelagianismus. Eine Irrlehre des 5. Jahrhunderts, die - maßgeblich auf Betreiben des Hl. Augustinus - 431 auf dem Konzil von Ephesus verurteilt wurde. So richtig totzukriegen ist die Vorstellung, der Mensch müsse aus eigener Kraft und eigenem Entschluss zum Guten fähig sein und sich sein Heil also "erarbeiten" bzw. "verdienen" können, aber offenkundig bis heute nicht; nicht umsonst warnt Papst Franziskus mit auffallender Regelmäßigkeit vor den Versuchungen eines "neuen Pelagianismus".

Die Erfolgsgeschichte des Slogans "What Would Jesus Do?" hat jedoch noch einen weiteren bemerkenswerten Aspekt. Dieser Satz bildet nämlich das Leitmotiv eines im Jahre 1896 erschienenen Romans mit dem Titel In His Steps, dessen Verfasser Charles Sheldon ein Anhänger des Christlichen Sozialismus war und die Nachfolge Christi in erster Linie als ein sozialethisches Programm auffasste. Seine Ideen hatten maßgeblichen Einfluss auf die Social Gospel-Bewegung, die die Auffassung vertrat, die Wiederkunft Christi könne erst und nur dann eintreten, wenn die Menschheit zuvor aus eigener Kraft eine gerechte Sozialordnung geschaffen hätte. Die gedankliche Nähe zum Pelagianismus ist evident, neu ist jedoch die starke soziale Komponente: Es geht nicht mehr nur darum, dass der Einzelne sein persönliches Heil durch eigene Anstrengung erreicht, sondern die ganze Welt soll auf sozialpolitischem Wege erlöst werden. Man könnte die Frage aufwerfen, wozu Jesus am Ende der Zeiten überhaupt noch wiederkommen soll, wenn die Menschen bis dahin doch schon selbst ein Paradies auf Erden erschaffen haben. Anders und noch schärfer ausgedrückt: Wozu braucht das Social Gospel eigentlich noch Gott?

Hier zeigt sich die Gefahr einer unzulässigen Verengung der christlichen Botschaft, wenn die Rolle Jesu allzu sehr auf die eines Vorbilds für ethisch richtiges Handeln reduziert wird. Keine Frage: Das ist Er auch. Aber das könnten ebensogut auch Buddha, Sokrates oder Mahatma Gandhi sein. Jesus Christus ist weit mehr als das: Er ist, wie Simon Petrus in Caesarea Philippi schlagartig erkannte, "der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes". Er ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er hat uns mit Seinem Blut erlöst, und Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich will durchaus nicht behaupten, dass all Jene, die gern Aussagen wie "Wenn Jesus heute lebte, würde er..." im Munde führen, ausdrücklich die Gottheit Christi leugnen. Spräche man sie darauf an, würden Viele vermutlich erklären, sie glaubten daran. Aber zuweilen beschleicht einen doch der Eindruck, dass für die, die sich auf Jesus nur als auf ein Vorbild in ethischer Hinsicht berufen, Seine göttliche Natur praktisch keine Rolle spielt. Und so schleicht sich durch die Hintertür die Irrlehre des Arianismus in das Denken und Reden von Menschen ein, die sich selbst ganz aufrichtig und überzeugt als engagierte Christen betrachten. Deshalb - genauer gesagt: unter Anderem deshalb - reagiere ich immer so empfindlich, wenn in so manchen Diskussionen unter Christen "der Wanderprediger aus Nazaret" hervorgezogen und gegen die Lehre und Praxis der Kirche ausgespielt wird. Denn damit wird - ob bewusst oder nicht - zugleich der Mensch Jesus (beziehungsweise das vermeintlich historisch-kritische, in Wirklichkeit aber in aller Regel ahistorisch-unkritische Bild, das man sich von diesem zurechtlegt) gegen den Gottessohn ausgespielt. Kurz: So fortschrittlich sich solche Konstrukte auch dünken, tatsächlich sind sie ein Rückfall hinter die christologischen Auseinandersetzungen des 4. und 5. Jahrhunderts. Mindestens.

Aus durchaus ähnlichen Gründen erregt es auch mein Missfallen, wenn - was aus begreiflichen Gründen derzeit Hochkonjunktur hat - das Weihnachtsevangelium als Flüchtlingsdrama nacherzählt wird. (Eine solche Erzählung, aus der Feder einer evangelischen Pastorin aus meiner Heimatstadt, habe ich bereits in einem Beitrag von vor fast drei Jahren erwähnt - und kommentierte damals: "Oh Mann, das ist so 90er!". Damals ahnte ich ja noch nicht, welche drängende Aktualität die Flüchtlingsthematik nur wenige Jahre später gewinnen würde.) Dieses Missfallen rührt nicht etwa daher, dass ich mit der intendierten Aussage, Christen seien in besonderem Maße dazu aufgerufen, Notleidenden zu helfen und Verfolgten Asyl zu gewähren, nicht einverstanden wäre. Aber dafür, diese Aussage biblisch zu belegen und zu begründen, gibt es weit bessere Möglichkeiten, als die Weihnachtsgeschichte zu verballhornen -- und sie damit um ihren wesentlichsten Aspekt, die heilsgeschichtliche Bedeutung der Menschwerdung Gottes, zu verkürzen. Vielleicht (vielleicht!) werde ich bis Weihnachten noch einmal auf dieses Thema zurückkommen; einstweilen begnüge ich mich damit, auf diesen Artikel des lutherischen Pastors Hans Fiene im Federalist zu verweisen...


Dienstag, 17. November 2015

"Brandbeschleuniger" und "Latrinengerüchte": Das Neueste aus St. Willehad

In der katholischen Pfarrei meiner Heimatstadt, über die ich in den letzten Wochen schon mehrfach berichtet habe, findet heute im Anschluss an die 17-Uhr-Messe eine Art Verabschiedungsfeier für den scheidenden Pfarrer Torsten Jortzick statt. Seine letzte Amtshandlung in St. Willehad ist das allerdings noch nicht: Zum voraussichtlich letzten Mal in Nordenham die Messe zelebrieren wird er am kommenden Sonntag - am Christkönigsfest. 

St. Willehad im Regen. Was es mit dem Bus im Vordergrund auf sich hat, erfahren meine geschätzten Leser weiter unten. (Foto: Initiative "Wir sind Willehad") 

Derweil sind noch nicht ganz zwei Wochen vergangen, seit ich zuletzt über die Situation in St. Willehad gebloggt habe; in dieser Zeit hat sich eine ganze Menge getan, folglich wird es Zeit, dass ich die neuesten Entwicklungen hier zusammentrage. Dabei gehe ich mal grob in chronologischer Reihenfolge vor. 


I. Kindermund tut Wahrheit kund 

Am Samstag, dem 7. November, erschien in beiden Nordenhamer Lokalzeitungen - der Kreiszeitung Wesermarsch und der Nordwest-Zeitung - ein weiterer Leserbrief zum bevorstehenden Abschied von Pfarrer Torsten Jortzick. Das Besondere an diesem Leserbrief: Sein Verfasser ist zehn Jahre alt. "Ich bin seit 2012 Sternsinger und anderthalb Jahre Messdiener in der Gemeinde St.-Willehad", erklärt er stolz. "Das heißt, ich habe einige Pfarrer in der St. Willehad-Gemeinde kennengelernt. Pfarrer Jortzick ist der Beste." Nun aber hätten "einige Leute" dafür gesorgt, "dass der beste Pfarrer, den ich bisher kennengelernt habe, auch wie die anderen weggeht": "Pfarrer Torsten Jortzick will jetzt gehen. Und das kann ich sehr gut verstehen, wenn einem immer gesagt wird, dass man alles falsch macht. Dabei will er doch nur das Beste für die Gemeinde." Den Kritikern des Pfarrers schreibt der junge Messdiener ins Stammbuch: "Die Erwachsenen sagen zu uns Kindern, wir sollen gut miteinander umgehen und uns, wenn wir uns streiten, vertragen, aber sie führen sich selber wie Kinder auf." 

Diesem starken Statement eines Zehnjährigen ist eigentlich kaum noch etwas hinzuzufügen - außer vielleicht, dass sich die zuletzt zitierte Einschätzung kurz darauf aus meiner Sicht eindrucksvoll bestätigte. 


II. Audiatur et altera pars - oder auch nicht 

Am selben Tag ereilte mich nämlich endlich das, was ich schon lange erwartet hatte: Ich bekam für meine Blog-Berichterstattung über die Vorgänge in St. Willehad so richtig Zunder von den Gegnern des Pfarrers. Genauer gesagt: von einem - der hier aber ungenannt bleiben mag. Dieser hinterließ unter meinem wenige Tage zuvor erschienenen Artikel über die zunehmenden Solidaritätsbekundungen für Pfarrer Jortzick den folgenden Kommentar: 
"Du brichst den Stab über Menschen, die Du nicht kennst. Du maßt Dir aus der Distanz ein Urteil an, obwohl Du über das was vorgefallen ist auch nicht ansatzweise Bescheid weißt. Die Gemeinde muss nach Christkönig irgendwie wieder zusammen finden. Dazu sind besserwisserische Beobachter aus der Ferne, die nicht hier leben müssen und vom hohen Kommentatorenross Brandbeschleuniger in eine desaströse Situation gießen nicht hilfreich." 
Ich antwortete darauf, indem ich betonte, ich bräche über niemanden "den Stab"; zudem verwies ich darauf, dass ich in dem kritisierten Artikel hauptsächlich Stellungnahmen von Gemeindemitgliedern zusammengetragen und mich mit eigenen Einschätzungen weitgehend zurückgehalten hätte. -- Zum Stichwort "Brandbeschleuniger" fiel mir zudem ein Bibelzitat ein, das ich jedoch nicht zu bringen wagte, da ich fürchtete, es könne mir als Hybris ausgelegt werden - das dann aber einer meiner Leser in einem Facebook-Kommentar anführte: "Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen" (Lk 12,49). Der Leser fügte hinzu: "Nun, wenn eine umfassende sachliche, wenn auch nicht leidenschaftslose Darstellung der Situation schon als Brandbeschleuniger wirkt, dann sollte man sich echt Sorgen machen - oder es muß dann eben auch sein ..." 

Tags darauf antwortete mir mein Kritiker, indem er seine Vorwürfe bekräftigte: 
"Du erzählst eine Fantasiegeschichte von Lichtgestalten (einem offenen, sympathischen Pfarrer, der endlich nach dem Messbuch zelebriert) und dunklen Mächten (den Erzlaien, die im Untergrund wühlen, weil es nicht nach ihrem Kopf geht). Das hat mit den tatsächlichen Vorgängen nichts zu tun" - 
worauf ich erwiderte: 
"wenn das eine "Fantasiegeschichte" ist, dann haben offenbar eine ganze Menge Leute vor Ort dieselbe Phantasie. Kommt Dir das nicht merkwürdig vor? Die Leserbriefschreiber, mehrere Mitglieder des Kirchenausschusses, die polnische Gemeinde, die Kolpingsfamilie, Gemeindemitglieder, die mich über Facebook kontaktieren... die haben ALLE keine Ahnung von den 'tatsächlichen Vorgängen'? Und die, die es besser wissen, ziehen es vor, sich nicht zu äußern? Tut mir leid, aber das alles trägt eher dazu bei, meinen ursprünglichen Eindruck zu verfestigen." 
Zudem äußerte ich "erhebliche Zweifel" an der Behauptung meines Kontrahenten, die Kritiker des Pfarrers hätten "auch die Bistumsleitung" auf ihrer Seite. Nun platzte dem Kommentarschreiber endgültig der Kragen: 
"Es ärgert mich jetzt, dass ich in der Hoffnung auf ein wenig 'audiatur et altera pars' dieses Gespräch überhaupt begonnen habe. Du wirst mir nicht glauben, weil du es einfach nicht willst. [...] Du kannst dir zwar offensichtlich jede Bösartigkeit vorstellen, aber anscheinend nicht, dass man aus Rücksicht auf die Person und das AMT schweigt? [...] Wir sind gebeten worden, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen und wir haben uns daran gehalten. Das rächt sich jetzt, weil wir damit eine wunderbare Projektionsfläche für Latrinengerüchte und Dolchstoßlegenden darstellen, aber wir werden das aushalten." 
Nun gut: "Audiatur et altera pars" - für Nichtlateiner: "Man höre auch die andere Seite" - setzt allerdings voraus, dass diese Andere Seite auch etwas zur Sache zu sagen hat - und sich nicht darauf beschränkt, mit diffusen Anschuldigungen und Beschimpfungen um sich zu werfen. Ungefähr dies antwortete ich auch auf den obigen Kommentar - worauf der Verfasser reagierte, indem er alle seine Kommentare von meinem Blog löschte. Bloggerkollege Admiral merkte dazu treffend an: 
"Da versuchte wohl jemand eine Verschwörungstheorie zu etablieren. 'Ich weiß viel mehr als ihr und darf aber nicht drüber reden.'
Hat nicht geklappt. Schon gar nicht nach dem Löschen der Kommentare..." 
Aber okay. Nehmt zur Kenntnis, liebe Leser: Was Ihr hier lest, sind Latrinengerüchte. Niemand soll sagen können, man hätte ihn nicht gewarnt. 


III. Solidaritätsbekundungen gehen weiter 

Währenddessen erfuhr ich - nicht aus der Presse, sondern direkt von einem Gemeindemitglied vor Ort -, dass zur Sonntagsmesse am 08.11. erneut, wie schon an Allerheiligen, viele Kirchgänger Rückenschilder mit Aufschriften wie "Wir wollen Pfarrer Jortzick" getragen hätten. Außerdem sei eine Unterschriftensammlung im Gange. Am 11.11. erschien in der NWZ ein Bericht über die Jahreshauptversammlung der Nordenhamer Kolpingsfamilie, in dem es u.a. hieß: 
"In einem kurzen Jahresrückblick wurde festgestellt, dass sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kolpingsfamilien Einswarden und Nordenham seit dem Amtsantritt von Pfarrer Torsten Jortzick erheblich verbessert hat und auch die Integration in die Gemeindearbeit wieder funktioniert. […] Der Rücktritt des Pfarrers hat daher sehr großes Bedauern unter den Mitgliedern ausgelöst. Dennoch wird versucht werden, den überaus positiven Weg weiter fortzuführen." 

IV. Ein Pfarrverwalter aus Varel und ein Kaplan aus Indien 

Ebenfalls am 11.11. wurde auf der Kirchensite des Bistums Münster die Ernennung eines Pfarrverwalters für St. Willehad bekanntgegeben: Pfarrer Manfred Janßen von der Pfarrei St. Bonifatius Varel soll "bis zur Amtseinführung eines neuen Pfarrers in Nordenham" die Amtsgeschäfte übernehmen. Diese Meldung erschien am 12.11. auch in der Lokalpresse. "Hieß das früher nicht 'Pfarrverweser'?", witzelte Bloggerkollege Admiral auf Facebook, und ich hatte schon die Antwort auf der Zunge, "Verweser" wäre wohl eher eine passende Bezeichnung für den früheren Pfarrer Bö... aber lassen wir das. Darüber, was der künftige Pfarrverwalter "für einer ist", weiß ich buchstäblich nichts, allerdings fällt es mir auf, dass Pfarrer Janßen auf den diversen Fotos, die man im Internet so von ihm findet, nirgends priesterliche Kleidung trägt. Ich gebe zu, ich bin in dem Punkt etwas empfindlich. Wie Wachtmeister Dipflmoser im Räuber Hotzenplotz so treffend sagt: "Im Dienst trägt man Uniform, und ich bin, wie man weiß, immer im Dienst." Gleichzeitig bin ich mir allerdings bewusst, dass es im Einzelfall durchaus irrig sein kann, von der Kleidung eines Priesters auf seine Einstellung zu seinem Amt zu schließen, daher bin ich in Bezug auf Pfarrer Janßen gern bereit, mich eines Besseren belehren zu lassen. 

Eine ganz andere Frage ist allerdings, inwieweit Pfarrer Janßen überhaupt noch Kapazitäten frei hat, sich um St. Willehad zu kümmern - wo er doch jetzt schon eine Pfarrei mit vier Standorten (Varel, Bockhorn, Zetel, Jaderberg) zu betreuen hat. Umso wichtiger ist die Information, dass ab dem 1. Advent auch ein neuer Kaplan nach St. Willehad kommt: Pater Alex Mathew von der Kongregation der Missionare Unserer Lieben Frau von la Salette. Der aus dem indischen Bundesstaat Kerala stammende Pater Alex, von dem die Pressemitteilung ausdrücklich hervorhebt, dass er "gut deutsch spricht", ist derzeit noch Kaplan im Marienwallfahrtsort Cloppenburg-Bethen. Angesichts der erwähnten Auslastung des Pfarrverwalters steht es zu vermuten, dass Pater Alex einen Großteil der priesterlichen Aufgaben in Nordenham und Umgebung übernehmen wird, und das würde ich grundsätzlich erst einmal als positiv betrachten - nur dass, wie ein befreundeter Priester aus Münster mir via Facebook zu bedenken gab, der Kaplan nun eben in der Pfarrei fehlt, in der er bisher eingesetzt war. Dort wird daher wohl ein "Notfallmessplan" eingeführt werden müssen - was auch wieder "großen Ärger mit sich bringt": Es steht zu befürchten, dass in Bethen eine Sonntagsmesse gestrichen werden muss - "eine heikle Entscheidung, die viel Frust auslösen kann". Kurz, eine ideale Lösung gibt es schlichtweg nicht, solange die Pfarrerstelle in St. Willehad nicht regulär neu besetzt ist. (Hier daher noch einmal der Link zur Stellenausschreibung.) 


V. St. Martin reit' durch Nacht und Wind, St. Willehad fährt nach Münster 

Auf den ersten Blick scheinbar unbeeindruckt von der angespannten Situation in der Pfarrei fanden derweil die Feierlichkeiten zum Fest des Hl. Martin statt - allerdings erst am Wochenende (14./15.11.), da der Martinstag auf einen Mittwoch fiel. Am Samstagnachmittag wurde auf dem Hof der St.-Willehad-Grundschule ein Martinsspiel aufgeführt, an das sich ein Laternenumzug und eine kleine Feier in der Kirche anschloss - typisch katholisches Brauchtum also. Am Rande dieser Veranstaltung wurden außerdem Sachspenden für Schulkinder in Mali gesammelt. Parallel dazu fand am Samstag und am Sonntag im Pfarrhaus ein Basar statt, mit dessen Erlös ein Projekt des Bischöflichen Hilfswerks MISEREOR unterstützt werden soll - ein Traumazentrum für jesidische Frauen und Mädchen aus dem Nordirak. Das schon seit 2002 bestehende Team des Martinsbasars hat sogar - anders als die Pfarrei selbst! - eine eigene Homepage

Nun mochte vielleicht die Tatsache, dass der Basar am Samstag bis 18 Uhr ging, obwohl bereits um 17 Uhr das Martinsspiel begann, ebenso wie die unterschiedlichen Spendenziele der Veranstaltungen den Verdacht aufkommen lassen, dass Martinsspiel und Laternenumzug einerseits und der Basar andererseits von unterschiedlichen Gruppen innerhalb der Pfarrgemeinde verantwortet wurden, um deren Kooperation untereinander es nicht zum Besten steht; aber darüber würde ich mich auf gar keine Spekulationen einlassen, wenn nicht eine Wortmeldung auf Facebook diesen Eindruck verstärkt hätte. Am Samstagabend teilte die FB-Seite der Pfarrei einige Fotos vom Martinsspiel: ein mit Helm und rotem Umhang als St. Martin ausstaffiertes Kind auf einem zotteligen Pony, viele Erwachsene und Kinder mit Laternen rundherum. Am Montagvormittag erschien unter diesem Beitrag der folgende Kommentar: 
"Interessant. Kein Wort auf dieser Seite zum gleichzeitig stattfindenden Martins-Basar, für den Gemeindemitglieder fast ein Jahr gearbeitet haben, zu dem immerhin 500 Menschen kamen und mit dem fast 12000 Euro für ein MISEREOR-Projekt gesammelt wurden? Nicht auch St. Willehad?" 
Die Seitenbetreiber reagierten auf diesen Anwurf mit der Bitte um ein Foto, dann werde man gern auch einen Beitrag zum Basar veröffentlichen. Etwa eine Stunde später postete die FB-Präsenz der Pfarrei dann in Ermangelung eines Fotos den am selben Tag erschienenen, fast ganzseitigen NWZ-Artikel über den Basar. Umgekehrt berichtete die Zeitung über Martinsspiel und Laternenumzug erst einen Tag später und ziemlich knapp. So unterschiedlich sind die Interessen. Der empfindliche Tonfall des oben zitierten FB-Kommentars - und besonders der letzte Satz - lässt jedenfalls erahnen, wo hier die Konfliktlinien verlaufen. 

Derweil hatte die Initiative "Wir sind Willehad" die stolze Zahl von 319 Unterschriften für eine Petition an den Münsteraner Bischof Felix Genn gesammelt: 

"Wir appellieren eindringlich:
Geben Sie uns unseren Pfarrer Torsten Jortzick zurück!
Lassen Sie die außerordentlich gute Entwicklung in unseren Gemeinde mit unserem Pfarrer Torsten Jortzick eine Zukunft haben!!!
Lassen Sie bitte nicht zu, dass eine kleine Gruppe Unzufriedener so überaus viel Positives und Gutes untergraben kann!!!"
(Foto: Initiative "Wir sind Willehad") 

319 Unterschriften aus einer Pfarrei, der insgesamt rund 3300 Menschen angehören - das sind knapp 10%, und wenn man berücksichtigt, dass im bundesweiten Durchschnitt knapp 10% der Katholiken regelmäßig die Hl. Messe besuchen, dann ist das schon eine recht aussagekräftige Zahl! Um die Petition mit den Unterschriften zu übergeben, wurde ein Bus gechartert, der am vergangenen Sonntag im Anschluss an die Messe nach Münster aufbrach - annähernd voll besetzt mit Gemeindemitgliedern. 

(Foto: Initiative "Wir sind Willehad") 
(Foto: Initiative "Wir sind Willehad") 


Wie aus einer Pressemitteilung der Initiative "Wir sind Willehad" hervorgeht, die mir soeben zuging, nahm die Abordnung aus Nordenham im Dom zu Münster an einem Pontifikalamt anlässlich des Pilgertreffens teil, erhielt außerdem eine Führung durch den Dom und wurde von Dompropst Kurt Schulte zu einem persönlichen Gespräch empfangen. "Wie bei einer katholischen Wallfahrt üblich, war auch die Nordenhamer Gruppe bunt gemischt, wie die ganze St. Willehad Gemeinde", heißt es in der Pressemitteilung. "Der jüngste Teilnehmer war 6, die älteste 84 Jahre alt und die Teilnehmer kamen aus allen Gemeindeteilen und Gruppen der fusionierten Gemeinde." 

(Foto: Initiative "Wir sind Willehad") 

(Foto: Initiative "Wir sind Willehad") 

Der Pressemitteilung zufolge zeigte Dompropst Schulte sich "von dem Engagement der Nordenhamer Gruppe äußerst beeindruckt". -- Und jetzt? Bei allen lobenswerten Bemühungen gehe ich - wie ich schon in meinen beiden vorangegangenen Artikeln zum Thema geschrieben habe - weiterhin eher nicht davon aus, dass die Entscheidung, Pfarrer Jortzick auf eigenen Wunsch von seinen Aufgaben in St. Willehad zu entbinden, noch einmal revidiert werden kann - so sehr ich das auch bedaure. Dennoch ist diese Petition ein starkes Zeichen, das nicht folgenlos bleiben sollte. Es gilt dafür zu sorgen, dass die positiven Entwicklungen, die in der kurzen Amtszeit von Pfarrer Jortzick angestoßen wurden, weitergehen. Das Engagement, das so viele Gemeindemitglieder an den Tag legen, um für ihren Pfarrer zu kämpfen, gilt es zu würdigen und zu bestärken - auch dann, wenn es in diesem konkreten Fall nicht zu dem erwünschten Ergebnis führt. Es ist wichtig, dass diese Gemeindemitglieder sich auch weiterhin in die Belange der Pfarrei einbringen, ja einmischen. Auch unter der Pfarrverwaltung, auch unter einem neuen Pfarrer, wann immer der kommen mag. Denn schließlich stellen sie - anders als manche andere Laieninitiativen - keine abwegigen, unorthodoxen Forderungen, ganz im Gegenteil: Sie wollen einfach nur katholisch sein. 

Man kann nur wünschen, dass das Bistum Münster bzw. das Offizialat in Vechta ihnen das ermöglicht. 


Randnotiz: Es weihnachtet sehr 

Nicht unerwähnt lassen möchte ich zum Schluss noch etwas, über das ich bei meinen Recherchen gestolpert bin und was mich beträchtlich überrascht hat: Patricia Kelly, bekannt als drittältestes Mitglied der in meinern frühen Erwachsenenjahren extrem erfolgreichen (wenn auch vielfach belächelten) Kelly Family, unternimmt im Dezember eine Weihnachtslieder-Tournee - und eröffnet wird diese Tournee, man höre und staune, in Nordenham! Mit einem Konzert in der St.-Willehad-Kirche! Ich wüsste ja zu gern, wer das eingefädelt hat und wie. Jedenfalls geht ein Teil des Erlöses an den Förderverein des katholischen St.-Willehad-Kindergartens. Wie Patricia Kelly am 04.11. auf ihrer Facebook-Seite mitteilte (und drei Tage später auch in der NWZ zu lesen war), ist das Konzert am 04.12. bereits ausverkauft. Gut für den Förderverein, würde ich mal sagen! Die Presse wird berichten... 



Montag, 16. November 2015

Warum Spaß so wichtig ist - ein Nachtrag zum #kbt15

Die Blogoezese - verstanden als die Gesamtheit der deutschsprachigen katholischen Blogger - ist keine geschlossene Gruppe, geschweige denn ein monolithischer Block. Das habe ich in meinem Gespräch mit Radio Horeb betont, und das wurde auch im Zuge des jüngst zu Ende gegangenen 4. Katholischen Bloggertreffens in Essen (#kbt15) wiederholt deutlich. Es gibt unter den katholischen Bloggern ganz unterschiedliche Charaktere mit ganz unterschiedlichen Interessenschwerpunkten, weshalb die diversen Blogs eine große Bandbreite von Inhalten abdecken und durchaus nicht in allen Themenbereichen Einigkeit herrscht. Zudem gibt es keine verbindliche Festlegung, wer zur "Blogoezese" gehört und wer nicht. Auffällig ist jedoch - wie Peter Winnemöller in seiner Eröffnungsansprache zum #kbt15 anmerkte -, dass der Begriff "Blogoezese" von denen, die sich ihr zugehörig fühlen, eher mit Augenzwinkern verwendet wird; während er besonders von jenen übermäßig ernst genommen wird, die meinen, sich davon distanzieren zu müssen. 

Daran zeigt sich natürlich auch, dass die Blogoezese "von außen" teilweise sehr wohl als geschlossene Gruppe oder monolithischer Block wahrgenommen wird - in größerem Maße jedenfalls, als dies tatsächlich der Fall ist. Und dieser Wahrnehmung zufolge ist die Blogoezese, in den Kategorien des vielfach beklagten innerkirchlichen Lagerdenkens gesprochen, eindeutig "konservativ". Diese Einschätzung trifft naturgemäß auf manche Blogger mehr zu als auf andere, und zudem ist sie natürlich vom jeweils eigenen Standpunkt abhängig. Wie ein Teilnehmer des Bloggertreffens sagte: Aus Sicht eines Bischof Williamson ist die Piusbruderschaft liberal. Aus Sicht der Piusbruderschaft ist die Petrusbruderschaft liberal. Die Reihe ließe sich fortsetzen oder auch vom anderen Ende her aufziehen ("Aus Sicht von 'Wir sind Kirche' ist Kardinal Kasper konservativ", beispielsweise). Wenn die Teilnehmer des #kbt15 als halbwegs repräsentativ für "die Blogoezese" gelten könnten (was sie, wie oben ausgeführt, natürlich nicht können, weil es "die Blogoezese" so nicht gibt), dann würde ich sie "im Schnitt" wohl als "moderat konservativ" einstufen - wohl wissend, dass es auch Kreise gibt, aus deren Sicht ebendiese Blogger, einschließlich meiner Person, erzreaktionäre Dunkelkatholiken, Katholiban und Fundamentalisten sind. Ob die berühmt-berüchtigte "Verblödungs"-Äußerung des Bischofskonferenz-Vorsitzenden Kardinal Marx bei der Pressekonferenz zur DBK-Herbstvollversammlung diese Wahrnehmung lediglich abgebildet oder noch verstärkt hat, sei mal dahingestellt. 

Nicht zu leugnen ist jedenfalls: Die Blogoezese - oder das, was von außen als "die Blogoezese" wahrgenommen wird - hat Gegner, innerhalb wie außerhalb der Kirche. Ob sie das will oder nicht. Von diesen Gegnern war beim Bloggertreffen immer mal wieder die Rede - nicht zuletzt, weil die Abstempelung als "fundamentalistisch" reale Gefahren birgt: In linksgerichteten Kreisen wird zwischen den Begriffen christlicher Fundamentalist" und "Nazi" vielfach kaum oder gar nicht unterschieden, und so kann man als katholischer Blogger ganz schnell ins Visier "antifaschistischer Kämpfer" geraten. Diesem Problem widmete sich am Samstagvormittag einer der sechs Barcamp-Workshops des Bloggertreffens. 

Im Ganzen war das Bloggertreffen jedoch eine ausgesprochen heitere Veranstaltung; es gab viel zu lachen, in den Workshops und Diskussionsrunden, besonders aber natürlich im geselligen Teil. Und das ist auch gut so. In einer Pause merkte einer der Teilnehmer scharfsichtig an: "Nichts irritiert unsere Gegner so sehr wie unser Humor. Damit können sie nicht umgehen." In der Tat: Unser Humor irritiert - nicht weil es eine spezifische Art von Humor wäre, sondern schon allein die Tatsache, dass wir überhaupt welchen haben. Wer die katholische Bloggerszene für eine Ansammlung reaktionärer Finsterlinge hält, der muss wohl annehmen, dass ein echter Katholiban-Blogger nicht nur zum Lachen in den Keller geht, sondern auch nach dem Lachen zur Beichte muss. Dass Jene, die solches annehmen, damit im Grunde nur ihre eigene Humorlosigkeit auf uns projizieren, liegt auf der Hand. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns unsere Heiterkeit bewahren und uns das Lachen nicht vergehen lassen. Denn dass wir auf Anfeindungen und Verleumdungen sauertöpfisch und verkrampft reagieren, das wollen die ja nur

Und außerdem würde das ja auch gar keinen Spaß machen. 


#kbt15 - Ich war dabei!

Zurück in Berlin nach einem Wochenende in Essen! Und was habe ich da gemacht? Am 4. Katholischen Bloggertreffen - kurz #kbt15 - teilgenommen, das vom 13.-15. November im Kardinal-Hengsbach-Haus stattfand. Nachdem die bisherigen Treffen - 2012 in Freiburg, 2013 in Bonn und 2014 in Erfurt - vom Referat Medienpastoral der Erzdiözese Freiburg und der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Patoral (KAMP) ausgerichtet worden waren, ist das diesjährige Treffen komplett in Privatinitiative aus der Blogoezese selbst organisiert worden - unter Federführung von Peter Winnemöller alias Cicero vom Blog katholon. Und ich war, obwohl ich ja nun schon seit vier Jahren katholisch blogge, zum ersten Mal dabei. Folglich hatte ich keine klare Vorstellung davon, was mich erwartete, sagte mir aber zunächst: Das Programm der Tagung ist eigentlich zweitrangig, in erster Linie will ich da hin, um mal die ganzen Leute kennenzulernen. Insofern, könnte man sagen, versprach ich mir eigentlich mehr von den Pausen als vom Programm

Ganz wichtig: Kaffee! 
In dieser Hinsicht, das will ich mal gleich zu Anfang betonen, war das Bloggertreffen aus meiner Sicht ein Bombenerfolg. Rund ein Drittel der Teilnehmer hatte ich zwar schon vor diesem Treffen auch in der Offline-Welt kennengelernt, die meisten (aber nicht alle) anderen kannte ich immerhin aus den Sozialen Netzwerken und natürlich vom Lesen ihrer Blogs. Tatsächlich waren gerade diejenigen Blogger (m/w), deren Beiträge ich besonders gern und regelmäßig lese, ausgesprochen stark vertreten, auch wenn es durchaus den einen oder anderen gab, den ich vermisste. Aber wie dem auch sei, der gesellige Aspekt des Treffens war eine reine Freude, und als erstmaliger Teilnehmer fühlte ich mich ausgesprochen gut aufgenommen. Besonders erfreulich, weil völlig unerwartet, war es, dass Thomas aus dem Abendland ("Wieso, ist hier etwa nicht das Abendland?" - Thomas: "Hier ist schon Westfalen."), der noch kurz zuvor erklärt hatte, er könne nicht kommen, am Samstag zu einem Überraschungsbesuch vorbeikam. - A propos Abendland: Man könnte ja manchmal auf die Idee kommen, in Hinblick auf die Zusammensetzung der Blogoezese frei nach den Blues Brothers zu sagen: "Bei uns gibt es beides - Rheinländer und Westfalen". Tatsächlich kamen beim Bloggertreffen aber auch Teilnehmer aus ganz anderen Regionen zusammen - aus Bayern, Sachsen, Thüringen, Hessen - und auch Berlin war stark vertreten. 

Gleichzeitig mit uns tagte im Kardinal-Hengsbach-Haus der "Landesverband Seniorentanz NRW", was zu einigen Kämpfen am Kaffee-und-Kuchen-Büffet und um das Öffnen von Türen geheizter Räume führte.

Nun ist so ein Bloggertreffen aber natürlich nicht nur eine gesellige Angelegenheit, und im Rückblick kann ich sagen, dass auch die inhaltliche Arbeit ausgesprochen anregend war und gute Ergebnisse erbracht hat - nicht zuletzt auch das Barcamp am Samstagvormittag, unter dem ich mir nun wirklich gar nichts hatte vorstellen können. Barcamp, hatte ich gedacht, das klingt ja total nerdig. Tatsächlich wurden hier in sechs Workshops verschiedenste Themen behandelt, die den Teilnehmern besonders wichtig waren - und ich konnte darin auch das Thema unterbringen, das mich angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Pfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland derzeit besonders bewegt: Wie können Blogger in die Pfarrgemeinden hinein wirken? Zur "Belohnung" werde ich wohl auch den Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe schreiben "dürfen", aber dafür habe ich zum Glück noch etwas Zeit. Außerdem nahm ich an einem Workshop teil, der sich - veranlasst u.a. durch die jüngsten Drohungen gegen Josef Bordat - mit dem Umgang mit Anfeindungen befasste, denen man sich als katholischer Blogger aussetzt; und an einem weiteren, der sich darum drehte, wie die Blogoezese ihre Relevanz in der öffentlichen Wahrnehumg stärken könne. 

Highlights des Samstagnachmittags waren ein Vortrag des missio-Pressesprechers Johannes Seibel über den Blog "Bedrängte Christen" sowie ein Impulsreferat des Journalisten und Medienunternehmers Klaus Kelle zum Thema "Wie professionalisiere ich mein Schreiben?". Nun bin ich zwar arrogant genug, mir zu sagen "Ich schreibe doch nicht aus Versehen so, wie ich es tue, sondern weil ich das so richtig finde!", aber Klaus Kelles Vortrag enthielt dennoch allerlei bedenkenswerte Impulse - und ging folgerichtig in eine angeregte Diskussion über. 

Nicht zuletzt gehören zu einem katholischen Bloggertreffen aber natürlich nicht nur Geselligkeit und Diskussion, sondern auch Gottesdienst und Gebet. Die Vesper am Freitagabend verpasste ich infolge verspäteter Ankunft; am Samstagmorgen zelebrierte der am Bloggertreffen teilnehmende Pater Engelbert Recktenwald FSSP eine Heilige Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus - in der hauseigenenen Franziskus-Kapelle, die mit ihrer geradezu ikonoklastischen Ästhetik einen... äh... interessanten Kontrast zur Liturgie bildete. Am selben Ort beteten wir am Samstagabend auch die Vesper und gedachten dabei besonders der Opfer der Terroranschläge von Paris. Am Sonntag nahmen wir dann an der Hl. Messe in der Seminarkirche teil. Was wäre schließlich ein dunkelkatholisches bloggertreffen ohne eine zünftige NGL-Messe? Aber hey, ich will gar nicht meckern. Der Organist war wirklich gut und begleitete beispielsweise das Gloria von Kathi Stimmer-Salzeder so gekonnt, wie ich es noch nie gehört hatte. Und auch die Predigt, die die apokalyptischen Texte dieses Sonntags zu den Terroranschlägen vom Freitag in Beziehung setzte, war hörenswert. Ein gemeinsames Gebet bildete am Sonntag gegen Mittag auch den Abschluss des Bloggertreffens. 

Der Namenspatron des Tagungshauses. Franz Kardinal Hengsbach, von 1958-1991 erster Bischof von Essen. Der Wikipedia-Artikel über ihn führt unter "Wirken" genau zwei  Ereignisse an: seine Lösegeldübergabe im Zuge der Entführung des Aldi-Miteigentümers Theo Albrecht 1971 und die Entziehung der Lehrerlaubnis für Uta Ranke-Heinemann 1987.
 
Übrigens sind auch schon die nächsten Bloggertreffen geplant: 2016 soll Hildesheim der Ort des Geschehens sein, 2017 der Marienwallfahrtsort Kevelaer. -- Da Klaus Kelle in seinem Vortrag u.a. hervorgehoben hat, je länger ein Text sei, umso weniger würde er gelesen (oha...), will ich meinen Bericht jetzt auch langsam mal schließen - und tue dies mit einer Sammlung von Sätzen, die im Laufe der Tagung geäußert wurden und die ich mir als bemerkenswert notiert habe: 
"Wir bilden riesige Strukturen, um Dialog zu führen, dabei könnten wir einfach miteinander reden."
"Wir müssen uns als Gottes Zeugen verstehen, nicht als Gottes Anwälte."
"Von uns Männern erwartet man, dass wir Cowboys und Soldaten sind."
"Das Beste erreiche ich immer, wenn ich meine Umgebung überrasche."
"Die Erkenntnis Gottes kann niemals zugunsten einer Sozialstruktur aufgegeben werden." 
Weitere Berichte zum Bloggertreffen gibt es hier (ich nehme mal an, in den nächsten Tagen werden es noch ein paar mehr werden): 

"Zukunftssicher!" (Pulchra ut Luna
"Sonntagsfreude. Bloggertreffen" (5 Brote 2 Fische) 
"Essener Bloggertreffen 2015" (Katholisch? Logisch!) 

Und hier geht es demnächst weiter mit Neuigkeiten aus St. Willehad - es gibt einige...

Die Konferenzmappe enthielt auch das Magazin "Idea Spektrum" vom 15.04.2015 mit einem Artikel von Peter Winnemöller über christliches Bloggen. Man beachte den Screenshot ganz oben rechts auf der Seite... :D 




Freitag, 13. November 2015

Wenn es "Wir sind Kirche" nicht schon gäbe...

...dann wäre es vielleicht mal an der Zeit, eine Initiative ins Leben zu rufen, die diesen Namen wirklich verdient. Eine Initiative für die 'einfachen Gemeindemitglieder' der vielen Pfarrgemeinden landauf und landab, die sich zwar einerseits nicht als betont konservativ oder traditionalistisch positionieren, andererseits aber auch nichts mit einer radikal-"reformkatholischen" Agenda am Hut haben; Gemeindemitglieder also, die gar nichts Anderes sein wollen als 'ganz normale Katholiken' -- und die sich gerade darin von niemandem repräsentiert fühlen.

Dass es diese Zielgruppe gibt, ja geben muss, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Rechenfreundlich gerundet, hat die Römisch-Katholische Kirche in Deutschland 25 Millionen Mitglieder; etwa 10% davon nehmen regelmäßig an der Heiligen Messe teil. Schwache Quote, aber in absoluten Zahlen immer noch zweieinhalb Millionen Menschen. Nun wird einem zwar gerne mal der Eindruck vermittelt, diese gehörten mehrheitlich dem liberalen Lager an, das innigst darauf hofft, die Lehre der Una Sancta möge sich endlich mal ihrer "Lebenswirklichkeit" anpassen. Aber denken wir doch mal logisch. Man kann natürlicherweise voraussetzen, dass es unter den 25 Millionen deutscher Katholiken solche gibt, die mehr, und solche, die weniger Wert auf die Lehre ihrer Kirche legen. Ebendiese Lehre schreibt u.a. auch - außer im Falle von Verhinderung durch triftige Gründe - den allsonntäglichen Besuch der Heiligen Messe vor. Daraus folgt: Je ernster jemand die Lehre der Heiligen Katholischen Kirche nimmt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man diesen Jemand sonntags in der Kirche antrifft.

Was nun aber, wenn solche lehramtstreuen Katholiken in ihrer Ortspfarrei ständig mit Gottesdiensten konfrontiert werden, in denen die katholische Messliturgie durch Ringelpiez mit oder ohne Anfassen ersetzt wird, wo weder das ordinarium noch das proprium zu seinem Recht kommt, sondern stattdessen die Werke Astrid Lindgrens (gegen die ich im Übrigen überhaupt nichts sagen will) oder Janoschs in den Rang Heiliger Schriften erhoben werden und bei denen unter freien Assoziationen über das Eucharistische Hochgebet Pita-Brot und Fruchtsaft "konsekriert" werden? (Ich wähle hier bewusst Extrembeispiele, die ich so selbst noch nicht erlebt habe, die es aber, wie man so hört, nichtdestoweniger geben soll.) Spekulieren wir: Angesichts solcher liturgischer Missbräuche werden die 'ganz normalen Katholiken' womöglich auf eine andere Pfarrei ausweichen - wenn sie können. Was aber, wenn es eine solche in erreichbarer Entfernung nicht gibt? Tja - dann werden sie entweder ganz wegbleiben und somit Teil der ca. 22,5 Millionen nicht-ausgetretener katholisch Getaufter in Deutschland werden, die nicht regelmäßig die Heilige Messe besuchen; oder sie werden trotzdem hingehen. Und leiden.

Aber dieses Leiden der 'ganz normalen Katholiken' an den Zuständen in ihrer jeweiligen Pfarrei muss sich nicht allein auf die Liturgie beziehen. Es kann auch die Katechese sein, die im Argen liegt. Es kann sein, dass Gemeindemitglieder sich wünschen würden, ihr Pfarrer hätte mehr Zeit für Beichte, Seelsorgegespräche oder z.B. Krankensalbungen, anstatt dauernd in Aktivitäten eingespannt zu sein, die mit dem priesterlichen Dienst bestenfalls am Rande zu tun haben. Es könnte sein, dass sie den Wunsch verspüren, die räumlichen, zeitlichen und personellen Kapazitäten ihrer Pfarrgemeinde würden tendenziell etwas mehr für Gebet, Andacht, Exerzitien etc. genutzt als für links und/oder grün orientierten Agitprop, Yoga-Kurse und Fair-Trade-Basare mit veganem Kuchenbüffet. Oder dass zu Diskussionsveranstaltungen Referenten eingeladen werden, die den Glauben der Kirche bejahen, und nicht (oder nicht nur) solche, die ihn in Zweifel ziehen.

Genauso können es aber auch unterschiedlichste ortsspezifische Konflikte sein, die sich einer Einordnung in das gute alte böse alte innerkirchliche Lagerdenken völlig entziehen, die aber nichtsdestoweniger dazu führen, dass zahlreiche 'ganz normale Katholiken' sich aus dem kirchlichen Leben ihrer Pfarrgemeinden herausgedrängt fühlen, weil kleine Gruppen von großkopferten 'Erzlaien' alles unter ihre Kontrolle bringen. Und diese zählen ja - so jedenfalls mein Eindruck - tatsächlich meist zu den super-liberalen 'Reformkatholiken'. Aus dem einfachen Grund, dass die nun mal ein besonderes Talent dafür haben, als erste "Hier!" zu schreien, wenn es ein Ehrenamt zu verteilen gibt, und daher auf allen Ebenen, vom Pfarrgemeinderat bis rauf zum "ZdK", jene Gremien dominieren, die für sich beanspruchen, das Laienapostolat zu verkörpern.

Wie gesagt: Von der Theorie her liegt es auf der Hand, dass es diese Zielgruppe der enttäuschten, marginalisierten 'ganz normalen Katholiken' geben muss. Dass es sie auch in der Praxis tatsächlich gibt und darauf wartet, zur Kenntnis genommen zu werden, das hat mir zuvörderst mein Engagement in Sachen "Pfarrervergrämung in St. Willehad" vor Augen geführt. Ich sage offen, ich hatte mit dem Echo, das ich darauf bekam, nicht gerechnet. Es hätte mich weit weniger überrascht, wenn ich von den Einheimischen mehrheitlich oder ausschließlich Reaktionen à la "Was mischt dieser Berliner Dunkelkatholik sich da ein, der hat ja gar keine Ahnung" geerntet hätte. (Solche Reaktionen gab es auch, aber sie waren insgesamt deutlich in der Minderheit.) Tatsächlich ging die große Mehrzahl der Reaktionen, die ich von Gemeindemitgliedern von St. Willehad bekommen habe (und das waren nicht wenige), in die Richtung "Endlich sagt's mal einer".

Und, nun ja: Ist es nicht irgendwo auch Aufgabe von uns Bloggern, "endlich zu sagen", was Andere nicht zu sagen wagen? Aussagen wie "Das scheint es überall zu geben" erreichten mich auch aus anderen Orten. Da scheint es also erhebliches Potential zu geben, Veränderungen in den Pfarrgemeinden anzustoßen - einfach dadurch, dass man den an den Rand gedrängten 'ganz normalen Katholiken' eine Stimme gibt, ihnen das Bewusstsein vermittelt, nicht allein zu sein. Ich bin ja auch nicht der Erste, der so etwas macht. Der Blog Pulchra ut Luna etwa hat über Jahre hinweg Missstände in der katholischen Gemeinde in Weimar dokumentiert und zur Diskussion gestellt - ich gestehe gern, das hat mich inspiriert. Im Blog katholon wurde ausführlich über Konflikte in der saarländischen Gemeinde Beckingen berichtet.  Ich würde mal behaupten, das ist noch ausbaufähig.

Jedenfalls nehme ich diesen Gedanken mal mit zum heute Abend beginnenden Bloggertreffen... 


Freitag, 6. November 2015

Der Teufel steht unter Artenschutz

Das Bistum Limburg "hat ein neues Logo für Kinder entwickelt und wird damit künftig auf Veranstaltungen für Kinder hinweisen". Soweit, so schön. Dieses Logo, entworfen vom Limburger Illustrator Michi Schmitt, "zeigt einen kleinen Ritter mit einem lustigen Drachen. Der Ritter heißt Georg, benannt nach dem Patron des Limburger Doms und des Bistums". Aha. Soso. Hm hm. "Sein liebenswerter Begleiter, der Drache, hat allerdings noch keinen Namen. Deshalb wird jetzt nach einem Namen für das Fabeltier gesucht: Alle Kinder, Messdienergruppen, Pfadfinder, Jugendverbände, Schulen und Kindergärten sind eingeladen, dabei mitzumachen." Na fein. 

Zur Erinnerung: Der Heilige Georg, der Legende nach ein Märtyrer der Christenverfolgungen unter dem römischen Kaiser Diokletian ( 284-305), war seit dem Mittelalter einer der populärsten Heiligen und wurde zu den Vierzehn Nothelfern gezählt. Da seine Historizität jedoch zweifelhaft ist, wurde er 1969 aus dem Heiligenkalender der Katholischen Kirche gestrichen, aber bereits 1974 wieder aufgenommen. Bekannt ist vor allem die Legende von St. Georg als Drachentöter: Dieser Erzählung zufolge lebte damals in einem See in Libyen (oder im Libanon) ein Drache, der die Gegend mit seinem giftigen Atem verpestete und dem die Einwohner der nahe gelegenen Stadt regelmäßig Lämmer opfern mussten. Als es keine Lämmer mehr gab, opferten die Stadtbewohner dem Drachen ihre Söhne und Töchter. Schließlich fiel das Los auf die Königstochter; nun erschien Georg, besiegte den Drachen, ließ ihn am Gürtel der Königstochter in die Stadt schleppen und versprach den Bewohnern, das Untier zu töten, wenn sich die ganze Stadt zum Christentum bekehrte. 

Da ich aus Urheberrechtsgründen auf ein Bild des Limburger Drachen verzichten möchte bzw. muss, hier ein anderer Drache - aus der Feder von Peter Esser. Diesem Drachen würde ich allerdings auch kein Leid zufügen wollen... ;)  
Dass aus dem menschenfressenden, Gift schnaubenden Ungeheuer der Legende, das in der christlichen Ikonographie zudem traditionell als Symbol für den Teufel verstanden wird, im neuen Kinderlogo des Bistums Limburg nun ein "liebenswerter Begleiter" des Heiligen wird, fand nicht nur ich irritierend. Hier eine Auswahl der schönsten Reaktionen auf Facebook
Wahrscheinlich hat Georg die persönlichen Differenzen mit dem Drachen bei einer Tasse Fencheltee besprochen.

.. und seine Agressionen im Stuhlkreis bei den "Anonymen Drachtentötern" gelernt im Zaum zu halten......

Genau betrachtet, scheint es da nicht beim Fencheltee geblieben zu sein.

Kaum ist der Bischof weg, versöhnen sich in Limburg aber auch wirklich alle miteinander.

Ritter Georg und sein Kumpel testen die Limburger Weinheuyser. 
Nun ja. Lachen ist die beste Medizin, und Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Man könnte ja durchaus der Meinung sein, gar so lustig sei es im Grunde nicht, was das Bistum Limburg sich da leistet. Mein spontaner Impuls angesichts dieses Logos lautete: Dass die Limburger Inkarnation des Hl. Georg sich mit dem Drachen anfreundet, statt ihn zu töten, erscheint mir bezeichnender für den Zustand der Kirche in Deutschland, als vermutlich beabsichtigt war. Zumindest dann, wenn man, wie oben angesprochen, den Drachen als Sinnbild für den Teufel auffasst. Oder, abstrakter und allgemeiner gesprochen, als Inbegriff des Gottwidrigen. So könnte man das Limburger Kinderlogo als Signum einer Kirche interpretieren, die das Böse nicht bekämpfen, sondern lieber mit ihm kuscheln möchte - wozu einem so die eine oder andere Assoziation in den Sinn kommen könnte, aber im Einzelnen überlasse ich das lieber meinen Lesern. Auch hierzu kamen auf Facebook allerlei Stellungnahmen zusammen. So wurde ich etwa auf eine Bronzeskulptur von Ad Wouters aufmerksam gemacht, die, in einer Kirche im belgischen Leuven aufgestellt, den anderen berühmten Drachentöter der christlichen Ikonographie - den Hl. Erzengel Michael - in etwas, nun ja, eigenwilliger Weise darstellt: Wouters' St. Michael, zu dessen Füßen sich der Lindwurm über die Erdkugel krümmt, zerbricht nämlich sein Schwert. Zu diesem Kunstwerk findet sich im Netz auch eine "Interpretationshilfe", die ich hier mal schnell und schludrig aus dem Englischen übersetze: 
"St. Michael wird dargestellt als junger Mann in dem Moment, in dem er einsieht, dass Töten keine Lösung ist. Indem er darüber reflektiert, steht er an einem Wendepunkt seines Lebens. Er steht nackt da, weil Nacktheit Verletzlichkeit und einen möglichen Wendepunkt ausdrückt. Es dämmert St. Michael, dass er einen neuen Weg in seinem Leben einschlagen muss. Jeder hat Schwächen, aber jeder kann seinem Lebensweg eine neue Richtung geben. Deshalb zerbricht er sein Schwert. Er will nicht mehr töten. Töten ist keine Lösung. Das Schwert muss umgeschmiedet werden zu Werkzeugen, die der Menschheit nützen und insbesondere die Armut ausrotten. St. Michael will Frieden und keinen Kampf." 
Gut, dass wir das geklärt haben: Kämpfen is' nich'. Nicht mal gegen den Teufel. Der wird wahrscheinlich auch lieb, wenn man ihn füttert, oder er verwandelt sich womöglich gar in einen Goldenen Drachen der Weisheit wie Frau Mahlzahn in Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Im Kontrast dazu fällt es auf, dass Papst Franziskus erst kürzlich via Twitter zum Gebet zum Heiligen Erzengel Michael um Beistand "gegen die Nachstellungen und Fallen des Teufels" aufgerufen hat. Verschiedene Kommentatoren beklagten diesem Zusammenhang, dass das St. Michaels-Lied "Unüberwindlich starker Held" in der Neuausgabe des Gotteslobs nicht mehr enthalten ist. Damit nicht genug: Im Zuge einer Facebook-Diskussion wurde zudem hervorgehoben, dass im neuen Gotteslob auch aus Angeli Silesii "Mir nach, spricht Christus, unser Held" (GL 461) die besonders kämpferische 4. Strophe (mit Textpassagen wie "Ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn" und "Ein böser Knecht, der still mag steh'n, / sieht er voran den Feldherrn geh'n") getilgt worden sei: "Kampf fällt aus, nicht nur beim Erzengel." 

Ist also neben all den anderen genannten Indizien auch der putzige Drache des neuen Limburger Kinderlogos symptomatisch für eine Kirche, die vom Geist der 'ecclesia militans' nichts mehr wissen will, sondern lieber mit Allem und Jedem gut Freund sein und bloß nirgends anecken will? - Nun, ganz so eng muss man es wohl nicht sehen. Ist ja schließlich ein Logo für Kinder. Und Kinder mögen Drachen. Dass diese Großechsen in der abendländischen und nahöstlichen Tradition (anders als im fernöstlichen Kontext) eigentlich die Bösen sind, ist spätestens seit Dragonheart, Eragon und Drachenzähmen leicht gemacht wohl etwas aus dem Bewusstsein geschwunden. Dass aus dem Jungfrauenfresser mit dem Giftatem, den die Legende des Hl. Georg schildert, in Limburg nun "Ritter Georgs" bester Kumpel geworden ist, bedeutet also nicht zwangsläufig, dass das Bistum an der Lahn nun endgültig von allen guten Geistern verlassen wurde und ins Lager des Satans übergelaufen ist. Aber irgendwie doof finde ich das schon. Diese zwanghafte Verniedlichung, die ja auch kein Einzelfall ist (vgl. z.B. "Vamos a Nicaragua! – Die neue Reisegeschichte von Gans Auguste"). Als könnte man die altehrwürdigen Überlieferungen der Kirche Kindern nicht mehr zumuten ohne eine dicke Schicht Zuckerguss mit Liebesperlen. Und das betrifft ja nicht allein die kirchlichen Angebote für Kinder. In der Erwachsenenpastoral sieht's ja nicht so viel anders aus: Auch da ist kaum einmal von Märtyrertum und Heroismus, vom Kampf gegen das Böse, ja vom Bösen überhaupt, von den Verlockungen des Satans oder von Hölle und Verdammnis die Rede - dafür umso mehr von Friede, Freude und Eierkuchen. Wenn man sich beispielsweise die Facebook-Seiten mancher deutscher Bistümer ansieht...

Ach, ich wiederhole mich. Aber wie schon der Apostel Paulus an die Philipper schrieb: "Euch immer das Gleiche zu schreiben wird mir nicht lästig". 

Ich glaube, das zitiere ich in Zukunft öfter. :D

Und noch ein paar Essersche Drachen. Was die wohl kochen?


[Anmerkung des Verfassers: Die Überschrift "Der Teufel steht unter Artenschutz" verdanke ich, ebenso wie einige andere inhaltliche Aspekte dieses Artikels, meinem Leser Roland Högner.]