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Freitag, 31. Januar 2025

Kommt nach dem Februar der Merz?

Stell dir vor, o Leser: Ich habe gerade Briefwahlunterlagen für die bevorstehende Bundestags-Neuwahl beantragt. Das heißt, ich habe durchaus die Absicht, an dieser Wahl teilzunehmen – auch wenn ich mich dabei erneut, wie schon bei der Bundestagswahl 2021, "ein bisschen schmutzig und schuldig" fühle; "so ähnlich wie jemand, der heimlich eine rauchen geht, obwohl er sich das Rauchen eigentlich erfolgreich abgewöhnt hatte". So ziemlich alles, was ich in den ersten sechs Absätzen meines damaligen Blogartikels "Bezüglich der Wahlen" dazu geschrieben habe, dass und warum ich eigentlich gern "stolzer und überzeugter Nichtwähler" wäre, dieses eine Mal aber doch wieder schwach geworden bin, könnte ich mit Bezug auf die anstehende Wahl so ähnlich noch einmal schreiben. Für den Rest des Artikels gilt das allerdings nicht, denn die CDU wähle ich nicht noch einmal. (Die AfD allerdings auch nicht, falls mir das jemand unterstellen möchte.)

Wird der Winter unseres Missvergnügens glorreicher Sommer durch die Sonne des Merz? Es bleibt abzuwarten. (Ein Hat Tip für den Hinweis auf dieses schöne Video gebührt Stammleser Imrahil!) 

Indes lege ich Wert auf die Feststellung, dass die Tatsache, dass meine Nichtteilnahme an der jüngsten Europawahl mir mehr und schärfere Kritik eingetragen hat als irgendetwas anderes, was ich in letzter Zeit auf meinem Blog geschrieben habe, durchaus nicht dazu beigetragen hat, meine grundsätzlichen Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Ratsamkeit der Teilnahme am "Hochamt der Demokratie" zu besiegen. Ebensowenig übrigens eine Kampagne, über die ich auf Instagram gestolpert bin und die unter dem Motto "Kreuz setzen!" gezielt Christen dazu motivieren möchte, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Okay, ehrlicher und genauer gesagt: gezielt linke Christen, also links im rotgrünen Sinne (dazu, dass "links" auch etwas ganz anderes bedeuten könnte, später). Ich muss ja gestehen, wenn ich mir die auf Instagram veröffentlichten Statements im Rahmen dieser Kampagne, einschließlich der Konterfeis der Leute, die diese Statements abgegeben haben, so ansehe, dann denke ich unwillkürlich: Ja, so seht ihr auch aus. Huch, das war jetzt wohl nicht sehr "nett" von mir. #Sorrynotsorry. – Die mit Verweisen auf Bibelstellen ausgestatteten Argumente der Kampagne "Kreuz setzen!" dafür, aus christlicher Verantwortung wählen zu gehen, sind aus meiner Sicht übrigens durchweg ein Fall für Cat Stevens: "If they were right, I'd agree". Die genannten Beweggründe sind an und für sich gut und richtig, als Argumente fürs Wählen taugen sie aber nur insoweit, wie man voraussetzt, dass der einzelne Wähler mit seinem Kreuz auf dem Stimmzettel einen tatsächlichen Einfluss auf die Politik nehmen kann – und genau das bestreite ich eben. 

Bestärkt werde ich in dieser Überzeugung ironischerweise durch ein Narrativ, das mir im aktuellen Wahlkampf so stark ins Auge sticht wie nie zuvor: Vertreter aller möglichen politischen Richtungen geben erstaunlich offen zu, dass im Prozess der Regierungsbildung nach der Wahl etwas ganz anderes herauskommen wird als das, was die Wähler gewollt haben. Die Linken (wie gesagt, im Sinne von "rotgrün") sagen, wer Merz wählt, bekommt die AfD; die Rechten hingegen sagen, wer Merz wählt, bekommt die Grünen. Die FDP wiederum meint, wer AfD wählt, bekommt die Grünen. Alles in allem scheint es darauf hinauszulaufen, dass jede Stimme für eine Partei einer ganz anderen Partei nützt, man weiß nur nicht so genau, welcher. Wenn das so ist, kann man das Wahlergebnis im Grunde genausogut gleich auswürfeln. 

Im Zusammenhang mit dem Stichwort "linke (i.S.v. rotgrüne) Christen" sei übrigens erwähnt, dass Tagespost-Online-Redakteur Jakob Ranke sich die Wahlempfehlungen des sogenannten "Zentralkomitees der deutschen Katholiken" ("ZdK") angesehen hat – "ein 16-seitiges Dokument im Stil eines eigenen Wahlprogramms und Weisungen von A wie Abtreibung bis Z wie Zivilgesellschaft, das von den Gläubigen zur Formung ihrer Wahlentscheidung lediglich noch mit real existierenden Programmen abgeglichen werden muss" – und dabei zu dem Schluss gekommen ist: "Wie es aussieht, ist politischer Katholizismus tendenziell grün." Möglicherweise war es dieser Artikel – vielleicht aber auch andere, ähnliche Stellungnahmen –, der einen Vertreter der von mir auf Bluesky beobachteten progressiven Theologenbubble zu der Feststellung veranlasste, es gebe "[v]on rechts [...] einiges an Mimimi dazu, dass das oberste Laiengremium des deutschen Katholizismus mehr Überschneidungen mit den Grünen als mit der Union habe"; das liege "aber nicht am ZdK, sondern an der Entchristlichung der Union", urteilt der Ersteller des Postings – der übrigens auf seinem Profilbild so wirkt wie jemand, mit dem ich privat durchaus mal ein Bier trinken würde, wenn auch in seinem Fall vielleicht ein glutenfreies. Andererseits schreibt er auf Bluesky aber auch Sachen wie "2020 Covid Pandemie fühlt sich gerade wie Good Old Times an, zumindest politisch"; und ich finde, das lässt tief blicken. 

Aber lassen wir das mal beiseite und fragen uns lieber: Wie steht es denn tatsächlich mit der "Entchristlichung der Union" und der Grünen-Nähe des "ZdK"? – Wenn es darum geht, der CDU vorzuwerfen, außer in ihrem Parteinamen sei bei ihr nicht sonderlich viel Christliches zu finden, bin ich gerne mit im Boot; aber zu unterstellen, das "ZdK" habe sich im Laufe der letzten Jahrzehnte politisch mehr und mehr von der CDU entfernt, weil diese immer weniger christlich geworden sei, ist offenkundiger Quatsch. – An dieser Stelle ein kleiner Blick zurück in die Geschichte der Bundesrepublik wie auch des bundesrepublikanischen Gremienkatholizismus: In welchem Maße das "ZdK" früher™️ – ich würde mal schätzen: bis in die 80er Jahre hinein – CDU-dominiert war, ist aus heutiger Sicht überhaupt nicht mehr vorstellbar. Ich habe ja, wie schon mal erwähnt, einiges an Zeit und Mühe darauf verwendet, den Dokumentationsband zum 82. Deutschen Katholikentag 1968 in Essen durchzuarbeiten; und wenn man da mal die Referenten und Podiumsteilnehmer der diversen "Forumsgespräche" nach ihrer Parteizugehörigkeit sortiert, ist das Ergebnis geradezu lächerlich: Man kann sagen, politische Diskussionen auf dem Katholikentag fanden im Wesentlichen nicht zwischen Vertretern verschiedener Parteien statt, sondern zwischen verschiedenen Flügeln der CDU/CSU. Ähnlich wie mein Freund Rod Dreher in der "Benedikt-Option" schreibt, allzu viele konservative Christen in den USA verstünden unter der Christenheit "die Republikanische Partei beim Gebet", könnte man sagen, der Katholikentag in der alten Bundesrepublik war "die CDU/CSU beim Gebet" – sofern auf dem Katholikentag überhaupt gebetet wurde. – Inzwischen ist nun aber die Neue Linke von 1968, deren parlamentarischer Arm nun mal vorrangig die Grünen sind, auf ihrem vielbeschworenen Langen Marsch durch die Institutionen eben auch im "ZdK" angekommen. Da nun aber zu argumentieren, das sei ja auch ganz richtig so, da die Grünen insgesamt mehr als die CDU für eine christliche Politik stünden, setzt allerdings eine ziemlich verzerrte Auffassung davon voraus, was "christlich" sei. Andererseits braucht man sich darüber bei der progressiven Theologenbubble wohl nicht zu wundern. (Dass deren Auffassungen nicht unbedingt repräsentativ für die Basis sind, kann man indes wohl u.a. daran ablesen, dass – wie Ranke in der Tagespost betont – noch bei der Europawahl 2024 üppige 43% der katholischen Wähler ihr Kreuz bei der CDU/CSU machten und nur 10% bei den Grünen.) 

Ein lautstarker Unterstützer der Grünen ist übrigens, was vielleicht nicht sehr überraschend ist, auch Thomas Halagan von Horse & Hound: Ich meine mich zu erinnern, in einer seiner Instagram-Storys gelesen zu haben, er sei erst kürzlich und als Reaktion auf die aktuelle politische Lage Parteimitglied geworden – da könnte ich mich aber irren, und nachprüfen lässt es sich ja dank der Vergänglichkeit von Instagram-Stories nicht mehr; auf jeden Fall hat er sich in den letzten Monaten wiederholt deutlich zu seiner Zugehörigkeit zum #TeamRobert (Habeck) bekannt und Friedrich Merz zu seinem politischen Hauptfeind erkoren. Darf er ja gerne machen, keine Frage. Aber: Horse & Hound-Halagan hat auch der oben schon erwähnten Kampagne "Kreuz setzen!" sein zerknautschtes Gesicht geliehen, und da erklärt er, er nehme "nicht nur" an der Wahl teil, weil es zu seiner "Pflicht als Demokrat gehört" – was schon mal Quatsch ist: Wie ich nicht müde werde zu betonen, gibt es eine solche Pflicht nicht, weder rechtlich noch moralisch; nicht zu wählen ist in einer Demokratie eine ebenso legitime (und, arguably, auch ebenso wirkungsvolle) Form politischer Willensbekundung, wie es eben doch zu tun –, sondern auch, weil er dazu beitragen will, dass "christliche Prinzipien [...] sich in unserer Politik niederschlagen"; und zu diesen Prinzipien zählt er auch den "Drang zum Frieden". Und dann unterstützt er die Grünen, die größten Kriegstreiber in der aktuellen deutschen Parteienlandschaft. Genau mein Humor. 

Nicht mehr bei den Grünen ist derweil "Porno-Rolf" Krüger: Der verkündete kurz vor Christkönig, er sei "grade bei den Grünen ausgetreten wegen mir-zu-träge-und-zu-sehr-Kleingärtnerverein"; stattdessen sei er "jetzt bei Volt eingetreten" – einer Partei, von der ich während des Wahlkampfs zur Europawahl den Eindruck hatte, ein guter Wahlwerbeslogan für sie wäre "Wie die Piraten. Nur in Lila." Krügers erste Eindrücke scheinen dies zu bestätigen: "Coole Leute, man kann sofort mitmachen, alles super digital und schnell, eine gute, pragmatische Politik für eine offene Gesellschaft und ein starkes Europa, und eine Frau als Spitzenkandidatin – ein gutes Gegengewicht in der aktuelle[n] testosterongeschwängerten Lage." Na, wer's mag. Zur Wahl zugelassen sind indes, laut Pressemitteilung der Bundeswahlleiterin vom 14. Januar, auch noch ganz andere Parteien, darunter die Gartenpartei, die Menschliche Welt, der Cannabis Social Club, Die LIEBE, die Partei für Verjüngungsforschung und die V-Partei³ – Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer. Ach ja, und die Piraten übrigens auch. Sollte also für jeden was dabei sein, der meint, Wählen sei in jedem Fall seliger denn Nichtwählen. 

Um nun aber noch einmal auf die Aussage zurückzukommen, "links" könne auch noch etwas ganz anderes bedeuten als "rotgrün" – und vielleicht auch zur Einordnung der möglicherweise kontroversen Einschätzung, die Grünen seien die größten Kriegstreiber in der deutschen Parteienlandschaft –, möchte ich noch auf ein YouTube-Video hinweisen, das mir kürzlich zu Augen gekommen ist und dem man füglich die Überschrift "Zwei Altlinke diskutieren die aktuelle politische Lage" geben könnte. Der Herr in der rechten Bildhafte ist übrigens derjenige alte Freund von mir, bei dem wir an Weihnachten zum Gänseessen eingeladen waren; sein Gesprächspartner in diesem Video war auch da, den kenne ich aber nur oberflächlich. Aber persönliche Bekanntschaft hin oder her: Was ich an diesem Video so bemerkenswert finde, ist, dass hier politische Debatte auf einem Niveau stattfindet, das man heutzutage überhaupt nicht mehr gewohnt ist. Wenn man diese beiden Herren so diskutieren hört, könnte man den Eindruck haben, nicht nur der Wahlkampf, sondern die ganze Außendarstellung unserer Parteien und ihrer prominenten Köpfe, einschließlich der Themen und Positionen, für die sie vorgeblich stehen, sei letztlich nur eine Soap Opera, die aufgeführt wird, um von den tatsächlichen politischen Entscheidungsprozessen und deren Beweggründen abzulenken. Diesen Eindruck gilt es natürlich etwas zu relativieren: Die beiden Gesprächsteilnehmer betrachten das weltpolitische Geschehen aus dem Blickwinkel marxistischer Geschichtsphilosophie, und dazu gehört sehr wesentlich die Grundannahme, dass die internationale Politik von den Interessen des Großkapitals gelenkt wird. Dieser Grundannahme muss man nicht zustimmen, und wenn man es nicht tut, wird man auch vielen Schlussfolgerungen widersprechen wollen und können. Auch so bleibt es aber immerhin beeindruckend, wie kenntnisreich, scharfsichtig und völlig frei von wokem pearl-clutching diese Debatte geführt wird. Um's mal auf den Punkt zu bringen: Die Nüchternheit der Diskussion überrascht, und zwar umso mehr, als es sich im Prinzip um ein abgefilmtes Kneipengespräch handelt. 

Jedenfalls habe ich für mich persönlich zwei Schlüsse aus diesem Video gezogen: 

  • Politische Richtungsentscheidungen hängen weniger davon ab, welche Parteien an der Regierung beteiligt sind, als davon, welche Flügel bzw. Strömungen innerhalb der Parteien jeweils gerade den Ton angeben; und: 
  • Die große Mehrheit derer, die hierzulande über Politik reden – und das beinhaltet einen nicht unwesentlichen Teil der vermeintlichen Spitzenpolitiker, und der Medien sowieso – versteht nicht einmal in den Grundbegriffen, was weltpolitisch tatsächlich abläuft (und das ist nicht im verschwörungstheoretischen Sinne gemeint). 

Beide Gedanken sind natürlich nicht unbedingt dazu geeignet, die Motivation zum Wählen zu erhöhen. Warum tue ich es also trotzdem? Nun, sagen wir so: Täte ich's nicht, hätte ich doch irgendwie das Gefühl, etwas zu verpassen. Der Vergleich mit Fußballwelt- und Europameisterschaften, den ich in meinem Artikel von 2021 bemüht habe, erscheint mir immer noch recht treffend. Und auch wenn man davon ausgeht, dass der Großteil dessen, was einem hierzulande als "Politik" verkauft wird, eigentlich nur eine Soap Opera ist, muss man doch zugeben, dass diese seit dem Ende der bleiernen Merkel-Ära wieder spannender geworden ist. Das Scheitern der Ampelkoalition war aus meiner Sicht ein echtes Highlight; und die Vorstellung, die Bundestags-Neuwahl biete die Gelegenheit, selbst darüber mitzuentscheiden, wie es jetzt weitergeht, hat auch dann einen gewissen Reiz, wenn man sich bewusst ist, dass sie größtenteils illusorisch ist. 

Und schließlich – um kurz vor Schluss nochmal etwas richtig Kontroverses zu sagen – ist es zu einem gewissen Grad wohl auch Donald Trump zu verdanken, dass mein Glaube daran, dass Wahlen tatsächlich etwas verändern können, wieder ein wenig Nahrung bekommen hat. Man verstehe mich nicht falsch: Mögen tue ich Trump immer noch nicht, und ich bin auch keineswegs überzeugt, dass seine Präsidentschaft unter dem Strich mehr Gutes als Schlechtes bewirken wird. Aber man muss doch zugeben, dass es, seit er im Amt ist, zumindest ab und zu auch mal gute Nachrichten gibt. Ob man hierzulande dasselbe wird sagen können, wenn nach dem Februar der Merz kommt, bezweifle ich noch (täte ich das nicht, würde ich mit zusammengebissenen Zähnen und zugehaltener Nase CDU wählen), aber warten wir's mal ab... 



Samstag, 25. Januar 2025

Die 3 K der Woche (9): Kinder, Kirche, Katastrophenstimmung

Schon wieder Samstag, schon wieder Wochenbriefing-Zeit! Zu eurer Beruhigung, Leser, eins gleich vorweg: Die als drittes K in der Überschrift angesprochene Katastrophenstimmung herrscht nicht etwa bei uns zu Hause; dieses Stichwort bezieht sich vielmehr auf die allgemeine Stimmungslage in Teilen der Öffentlichkeit nach den ersten Tagen der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps. Aber dazu später; erst mal sind einige ganz andere Themen dran. Tatsächlich freue ich mich, sagen zu können, dass dieses Wochenbriefing eine deutlich größere Themenvielfalt zu bieten hat als die vorangegangenen... aber seht selbst! 

Unser Jüngster möchte zu Protokoll geben, er hätte dieses Luce-Bild ja gern in den Originalfarben ausgemalt, "aber es gab nur Blau". 

Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Das erste Treffen des Arbeitskreises Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt im Kalenderjahr 2025 fand vorletzten Freitag statt, hätte also eigentlich noch in den Berichtszeitraum des vorigen Wochenbriefings gehört – aber das war sozusagen "schon voll". Zu berichten gibt es jedenfalls einiges von diesem Treffen, denn wir hatten ein straffes Programm: Der gesamte Zeitraum bis Ostern war zu planen, mit drei Kinderwortgottesdiensten und einen Kinderkreuzweg. Der erste KiWoGo des Jahres soll bereits morgen, am 3. Sonntag im Jahreskreis, stattfinden, und ob man's glaubt oder nicht, ungefähr eine Stunde bevor ich zum Arbeitskreistreffen aufbrach, hatte ich eine zündende Idee für die Gestaltung – allerdings nicht zum Evangelium (Lukas 1,1-4; 4,14-21), sondern zur 2. Lesung: 1. Korinther 12,12-31a, der eine Leib und die vielen Glieder. Die Idee, die ich dazu hatte, war vom JAM inspiriert – vom JAM lernen heißt siegen lernen, sagte ich mir. Kurz gesagt lief meine Idee darauf hinaus, mit den Kindern Spiele wie Schubkarrenrennen oder Slalomlauf mit verbundenen Augen zu spielen, um den Gedanken zu verdeutlichen, dass jedes Glied des Leibes seine eigene Aufgabe hat, die nicht ohne Weiteres von einem anderen Glied übernommen werden kann. Anschließend, so dachte ich mir, könnte man noch mit den Kindern darüber sprechen, was ihre besonderen Fähigkeiten sind, und davon ausgehend müsste man dann dazu überleiten, was Paulus über die verschiedenen Gnadengaben in der christlichen Gemeinde sagt. – Ich war beinahe überrascht, dass dieser Vorschlag im Arbeitskreis recht problemlos akzeptiert wurde; ich hätte mit skeptischeren Reaktionen gerechnet, da es im volkskirchlichen Normalbetrieb wohl nicht gerade üblich ist, Bewegungsspiele in die Kinderkatechese zu integrieren. Aber dafür bin ich ja in diesem Arbeitskreis: um Dinge anders zu machen, als man es gewohnt wird. Ich bin gespannt, wie sich die Idee in der Praxis bewährt, und werde natürlich berichten. 

Als weitere KiWoGo-Termine im Zeitraum bis Ostern sind der 8. Sonntag im Jahreskreis und der 4. Sonntag der Fastenzeit angesetzt; an letzterem Termin ist das Evangelium vom Verlorenen Sohn (Lukas 15,1-3.11-32) dran, das ist natürlich ein Klassiker der Kinderkatechese und daher mehr oder weniger ein Selbstläufer, aber immerhin konnte ich einen Liedvorschlag in die Planung einbringen: Auf den drei Kinder-Lobpreis-CDs, die ich beim Advents-Flohmarkt in der Gemeinde auf dem Weg erstanden habe, finden sich nämlich ganze drei Lieder (also eins pro CD), die zu diesem Evangelium passen. "Offene Arme" von Johannes Falk erzählt praktisch das gesamte Gleichnis vom Verlorenen Sohn nach, "Schnell, schnell, schnell" von Armin Knothe konzentriert sich auf den Schluss, präziser gesagt auf die Reaktion des Vaters auf die Heimkehr des Sohnes, und "Der Himmel feiert" von Peter Menger bezieht sich gar nicht explizit auf diese biblische Erzählung, passt aber assoziativ zum Thema. Nachdem ich meinen Teamkollegen alle drei Lieder kurz vorgespielt hatte, einigten wir uns auf das letztgenannte – unter anderem, weil der Gemeindereferent fand, es eigne sich gut als Übergang zum Eucharistischen Teil der Messe, aber auch, weil es das kürzeste der drei Lieder ist. 

Als ein härterer Brocken erwies sich das Evangelium vom 8. Sonntag im Jahreskreis, Lukas 6,39-45: Dabei handelt es sich um einen Ausschnitt aus der "Feldrede", dem Lukas-Pendant zur Bergpredigt, der mehrere kurze Gleichnisse umfasst. Relativ leicht einig wurden wir uns darüber, dass die Verse 43-45 (Stichwort: Jeden Baum erkennt man an seinen Früchten) am besten für eine kindgerechte Gestaltung eignen: Meine spontane Idee dazu war, man könnte zum Einstieg ein Spiel spielen, bei dem es darum geht, Bäume und Früchte einander zuzuordnen – da gibt es doch bestimmt naturkundliche Lernspiele, die man z.B. in der Bücherei finden könnte. Aber natürlich bliebe da immer noch die Frage, wie man die Kurve zur katechetischen Ausdeutung kriegt. Wir hatten zwar allerlei Ideen dazu, aber im Zuge der Diskussion darüber wurde schnell deutlich, wie sehr gerade die Passage über gute und schlechte Früchte die Gefahr einer moralisierenden Auslegung birgt. Mein Standpunkt, moralisierende Tendenzen seien in der Kinderkatechese unbedingt zu vermeiden, fand teamintern keine ungeteilte Zustimmung, und ich muss gestehen, dass es mir auch nicht in befriedigendem Maße gelang, diesen Standpunkt argumentativ zu vertreten, gerade gegen den Einwand, der christliche Glaube stelle doch unbestreitbar auch moralische Ansprüche an uns. Das nehme ich mir aus diesem Teamtreffen also mal als Hausaufgabe mit: besser und differenzierter darlegen zu können, was ich unter moralisierenden Tendenzen in der Kinderkatechese verstehe und warum ich meine, dass man sie unbedingt vermeiden sollte. 

Das Konzept für den KiWoGo zum 8. Sonntag im Jahreskreis blieb also einigermaßen unfertig, aber es ist ja zum Glück noch etwas Zeit bis dahin. Was den Kinderkreuzweg angeht, einigten wir uns zunächst einmal darauf, ihn von dem ursprünglich angepeilten Termin – am Dienstag in der Karwoche – um eine Woche vorzuverlegen, weil dann noch keine Ferien sind und wir nicht befürchten müssen, dass uns ein großer Teil unser Zielgruppe entgeht, weil er über Ostern zu den Großeltern nach Polen fährt. Ja, auch sowas muss man in der Gemeindearbeit bedenken...


Trommeln in der Nacht 

Am Samstag gab im Kulturzentrum WABE im Ernst-Thälmann-Park die Trommelgruppe FriedDrums ein Jubiläumskonzert anlässlich ihres 25jährigen Bestehens. Hervorgegangen ist diese Gruppe aus einem Trommelkurs, den ein Lehrer am Erich-Fried-Gymnasium in Berlin-Friedrichshain angeboten hatte; daher auch der Name der Gruppe, die also mitnichten "frittierte Trommeln" bedeutet. Meine Liebste war damals Schülerin an diesem Gymnasium und spielte ungefähr ein Schulhalbjahr lang in der Trommelgruppe, danach passte es nicht mehr in ihren Stundenplan. Man könnte sagen, das ist eins von zahlreichen Fallbeispielen dafür, dass meine Liebste und ich uns, bevor wir uns kennenlernten, jahrelang ständig mehr oder weniger "knapp verpasst" haben, denn ein paar Jahre später lernte ich einige Mitglieder der Band, die sich inzwischen über den Status eines Schulprojekts hinausentwickelt hatte (das Fried-Gymnasium wurde zum Ende des Schuljahres 2005/06 geschlossen), in einer Kneipe kennen und freundete mich mit ihnen an – besonders mit einem von ihnen, der, wie sich zeigte, gewissermaßen mein Nachbar war: Er wohnte an der schräg gegenüberliegenden Straßenecke, und manchmal klingelte ich einfach aufs Geratewohl bei ihm – oder er rief, wenn er mich die Straße entlang gehen sah, aus dem Fenster: 

"Tobi! Was machst du gerade?" 
"Öh, nichts Besonderes." 
"Dann komm rauf!" 

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. – Besagter Nachbar spielte außer bei den FriedDrums auch in einer Ska-/Dancehall-Band namens Ragga Gagga Gang und hatte noch diverse weitere musikalische Projekte, ein paarmal traten er und ich auch zusammen – unter dem Namen "Tobi und dieser andere da, der mit dem Hut" (das war nicht meine Idee!) – mit einem Kleinkunstprogramm auf. Später, als er schon nicht mehr an der besagten Straßenecke wohnte, vermittelte er mir gelegentliche DJ-Einsätze in einer Bar, in der er kellnerte. All dies trug dazu bei, dass ich in dieser Zeit auch die meisten anderen Mitglieder der FriedDrums mehr oder weniger gut kannte und mir einige ihrer Auftritte anhörte. Das war zwar nun schon über ein Jahrzehnt her, aber jedenfalls fanden meine Liebste und ich, zusammen hätten wir mehr als genug Gründe, uns das 25jährige Jubiläumskonzert der FriedDrums nicht entgehen zu lassen. Und wir sagten uns, den Kindern würde es bestimmt auch gefallen. 

Letztere Einschätzung erwies sich schon bald als richtig: Außer unseren fanden sich noch etliche weitere Kinder in der WABE ein – einige davon waren offenbar Kinder von Bandmitgliedern –, und bevor das Konzert losging, spielten sie ausgelassen im Zuschauerraum Fangen und/oder Verstecken. Als das Konzert dann losging, versammelten sich die Kinder am Bühnenrand; zum Stillsitzen oder –stehen war die Musik indes kaum geeignet, und so legte insbesondere unser Jüngster einige beeindruckende Tanzeinlagen aufs Parkett. 

Kurz und gut, das Konzert war klasse, wenn auch sehr laut; was den geselligen Aspekt anging, stellte ich fest, dass ich sowohl in der Band (deren Besetzung von Stück zu Stück variierte; meist standen so 10-12 Leute auf der Bühne, wieviele Bandmitglieder es insgesamt waren, könnte ich nicht sagen) als auch im Publikum so einige Leute "von früher" wiedererkannte, wenngleich ich mich nur ungefähr bei der Hälfte davon an ihre Namen erinnerte; nicht wenige von ihnen erkannten mich auch ihrerseits nach so langer Zeit wieder und begrüßten mich zum Teil ausgesprochen herzlich. Ein bisschen war das ja wie eine Reise in die Vergangenheit, aber gleichzeitig habe ich auch Lust bekommen, öfter zu solchen Veranstaltungen zu gehen. Gerade auch mit den Kindern. 


Predigtnotizen 

Obwohl wir nach dem FriedDrums-Konzert außerordentlich spät ins Bett gekommen waren, schafften wir es am Sonntag recht problemlos, rechtzeitig aufzustehen, um in Ruhe zu frühstücken und dann nach Siemensstadt zur Messe zu fahren. Diese wurde vom Spandauer Krankenhausseelsorger zelebriert, sodass ich gleich mal den Guten Vorsatz zum neuen (Kirchen-)Jahr einüben konnte, diesem Geistlichen mehr Wohlwollen entgegenzubringen als bisher. Fangen wir daher mal damit an, was mir an seiner Predigt gut gefallen hat: Es war, soweit ich mich erinnere, das erste Mal, dass ich eine Predigt von ihm gehört habe, die tatsächlich die Auslegung eines Schrifttexts vom jeweiligen Sonntag als Ausgangspunkt hatte – in diesem Fall die 2. Lesung: 1. Korinther 12,4-11, der eine Geist und die verschiedenen Gnadengaben. Das fand ich nicht zuletzt auch deshalb interessant, weil die 2. Lesung vom nächsten Sonntag, um die es in unserem Kinderwortgottesdienst gehen soll, direkt daran anknüpft. "Wir alle sind begabt", stellte der Priester einleitend fest. "Wir alle sind talentiert. Es gibt keinen unter uns und keine unter uns, die kein Talent hätte, die nichts könnte. Wir alle können etwas, daran dürfen wir glauben, das ist die gute Nachricht, die uns Paulus heute deutlich macht." Dass Paulus nicht von irgendwelchen Fähigkeiten und Begabungen spricht, sondern von Charismen, die dem geistlichen Auftrag der Gemeinde dienen sollen, hätte man ruhig etwas deutlicher herausstellen können, aber es ist durchaus nicht so, dass er das gar nicht angesprochen hätte: "In der Kirche geht es nicht darum, dass ich die Nase vorn habe oder dass es mir besonders gut geht, sondern die Gabe, die ich bekommen habe von Gott, die darf anderen zur Freude und zum Heil werden." Sodann ordnete er die Lesung in den Gesamtzusammenhang der Korintherbriefe ein, hob hervor, dass der Apostel die Gemeinde in Korinth immer wieder zur Einheit ermahnen und Spaltungstendenzen bekämpfen musste. Vor diesem Hintergrund interpretierte der Prediger die Worte des Apostels über die verschiedenen Gnadengaben, die alle aus demselben Geist hervorgehen, als ein Bekenntnis zu "Einheit in Vielfalt", um's mal schlagwortartig zu formulieren. Gut gefiel mir dabei insbesondere der Satz "Die Kirche ist kein Ort vordergründiger Nützlichkeit und schon gar kein Ort weltlichen Erfolgs". 

Was ich aber doch kritisieren muss: Ich betrachte es als eine absolute Unsitte, wenn ein Zelebrant meint, der Messe einen thematischen "roten Faden" geben zu können oder zu müssen, indem er bestimmte Kernbegriffe, die zum Inhalt seiner Predigt in Beziehung stehen, in die liturgischen Texte einfügt. Also zum Beispiel im Postsanctus: "Du bist der Quell aller Heiligkeit, aller guten Begabungen und Fähigkeiten"; im Anamnesegebet: "Wir danken Dir, dass Du uns alle berufen hast, vor Dir zu stehen und Dir mit unseren Begabungen und Talenten zu dienen"; im Embolismus: "Gib Frieden und Eintracht in unseren Tagen [...] und bewahre uns vor Verwirrung, Spaltung und Sünde"; und in der Überleitung vom Vaterunser zum Friedensgruß: "Herr Jesus Christus, starker Gott, Friedensfürst, du Garant unserer Einheit, schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Lebendigkeit, Begabungen, Einheit und Frieden." In dieser geballten Penetranz kenne ich das nicht einmal vom Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd, der so etwas in der Art durchaus auch gern mal macht. Für mich ist das ein Indiz dafür, dass leider allzu viele Priester mehr oder weniger bewusst der Auffassung sind, das wichtigste an der Heiligen Messe sei das, was sie der Gemeinde zu sagen haben. 

Zum Ausgleich dafür, dass das Evangelium vom Tag – die Hochzeit zu Kana (Johannes 2,1-11) – in der Predigt überhaupt nicht erwähnt wurde, möchte ich hier übrigens noch einen kleinen Impuls von Dorothy Day anfügen. In der November-Ausgabe 1947 der Zeitung "Catholic Worker" schrieb sie, in Zeiten, in denen das Geld vorn und hinten nicht reiche, füge sie ihren Gebeten gern den Satz hinzu "Maria, unsere Mutter, sie haben keinen Wein." Das sei eines ihrer liebsten Gebete, erläuterte sie: "unsere Mutter zu bitten, den Herrn zu erinnern, dass wir es nötig haben, vom Geist erwärmt, aufgemuntert, getröstet und ermutigt zu werden." 


K wie Klara: Neues aus Reinickendorf-Süd 

Am Dienstag hielt der leitende Pfarrer der Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd bei der Kolpingsfamilie von St. Rita einen Vortrag über die Hölle. Da wäre ich eigentlich gern hingegangen, um drüber zu bloggen, aber meine Liebste meinte, Stoff zum Bloggen hätte ich doch wohl auch so genug, und irgendwie hatte sie damit ja Recht. So richtig Zeit hatte ich außerdem auch nicht dafür. Dafür ging ich aber am Mittwoch mit dem Jüngsten in St. Marien Maternitas in die Messe, die von demselben Geistlichen zelebriert wurde. Sowohl während der Messe als auch beim anschließenden Frühstück ließ dieser mal wieder einige Äußerungen fallen, die im Prinzip kommentarwürdig wären, aber die hebe ich mir lieber für ein andermal auf; viel erwähnenswerter finde ich es nämlich, dass mein Jüngster nach der Messe schnurstracks auf den Pfarrer, der, noch im Messgewand, vor der Tür die Gemeindemitglieder einzeln begrüßte, zumarschierte und verkündete: "Ich will neben dir sitzen!" Und siehe da, beim Frühstück setzte sich der Pfarrer, nachdem er sich umgezogen hatte, tatsächlich neben meinen Sohn, der zeitweilig recht angeregt mit ihm plauderte. 

Im Übrigen habe ich am Dienstag mal wieder in Herz Jesu Tegel nach dem Rechten geschaut, die heruntergebrannten Opferlichter an den Statuen des Hl. Josef und des Hl. Antonius (beides Heilige, die mir sehr am Herzen liegen) durch neue ersetzt und mir einen Überblick über die im Windfang ausgelegten Schriften verschafft. Ich erwähne es immer wieder gern: Da hängt immer noch ein Zettel an der Wand, der es untersagt, dort ohne Absprache mit dem Pfarrer oder dem Pfarrbüro Schriften auszulegen, und auf diesem Zettel werde ich namentlich erwähnt...! Jedenfalls war ich einigermaßen amüsiert, dort trotz dieser Mahnung einen Stapel Faltblätter vorzufinden, die – vermutlich mit Absicht – falschherum gefaltet waren, mit der Innenseite nach außen, sodass man sie erst öffnen musste, um festzustellen, dass es sich um Flyer des Arbeitskreises "Christen in der AfD" (kurz "ChrAfD""sie möchten gerne 'Kraft' ausgesprochen werden", habe ich mal eine Referentin des "Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrums" Apabiz e.V. sagen hören) handelt. Wer der Pfarrei wohl dieses Ei ins Nest gelegt hat...? – Zwei Tage später waren die Flyer jedenfalls verschwunden, was mich nicht besonders wunderte, aber ich hatte mir rechtzeitig ein Exemplar mitgenommen. Was da zur christlichen Identität Europas drinsteht, ist mir teilweise etwas zu martialisch (etwa wenn an Tours und Poitiers, Lepanto und Wien erinnert wird) und zu sehr von Freund-Feind-Rhetorik geprägt, aber ganz und gar verkehrt finde ich die Aussagen des Flyers nun auch nicht gerade. Was da zum Unterschied zwischen "dem christlichen Auftrag von der Bewahrung der Schöpfung" und dem Katastrophismus radikaler Klimaaktivisten gesagt wird, ist sogar nicht allzu weit entfernt von Dingen, die ich selbst mal zu diesem Thema geschrieben habe. – Das veranlasst mich nun allerdings nicht etwa dazu, die AfD zu wählen oder anderen dazu zu raten, das zu tun. Man muss wohl auch davon ausgehen, dass die "Christen in der AfD" parteiintern eine ziemliche Randgruppe sind; im Ganzen hat die AfD mit dem christlichen Glauben wohl nicht mehr am Hut als, sagen wir mal, die FDP. 


Auf der anderen Straßenseite 

Zu den Themen, für die im vorigen Wochenbriefing kein Platz war, gehört es, dass die "Jungschar am Mittwoch", kurz JAM, in der EFG The Rock Christuskirche in Haselhorst aus der Weihnachts- bzw. Neujahrspause zurück ist; und es gibt dort eine Neuerung im Ablauf, über die ich ein paar kritische Worte verlieren möchte. Nach einer gleitenden Ankunftszeit von ca. einer halben Stunde, während der die Kinder spielen, malen oder basteln können, gibt es jetzt eine gemeinsame Begrüßung für alle, einschließlich der Eltern; das finde ich soweit gut, zumal dieser Begrüßungsteil auch zwei bis drei Lobpreislieder enthält. Danach folgt die Einteilung nach Altersgruppen ("Kids" von ca. 6-12 Jahren; "Minis" unter 6 Jahren; Eltern). Vom Prinzip her ähnelt dieser Ablauf dem der Sonntagsgottesdienste in dieser Gemeinde, mit dem Unterschied, dass beim JAM nicht die Erwachsenen, sondern die "Kids" im großen Saal bleiben und dass es ausdrücklich nicht erwünscht ist, dass Eltern mit nach oben in den "Mini-Raum" gehen; die sollen vielmehr ins Elterncafé gehen. – Dass es beim JAM ein Programm für Grundschulkinder, eins für Vorschulkinder und dann eben das Elterncafé gibt, ist an sich natürlich nicht neu; allerdings hatte ich, als vorige Woche der neue Ablauf erläutert wurde, den Eindruck, dieser ziele vor allem auf eine konsequentere Trennung von Kindern und Eltern ab, und das finde ich natürlich nicht so nett. Andeutungsweise war zu vernehmen, diese Maßnahme solle nicht zuletzt den Eltern zugute kommen, die dadurch ungestört am Elterncafé teilnehmen könnten; aber #sorrynotsorry, das Elterncafé ist einfach nicht so mein Ding, das Programm für die "Kids" interessiert mich wesentlich mehr – vor allem, weil ich dort etwas für meine eigene Tätigkeit im Bereich Kinderkatechese lernen kann, ehrlich gesagt aber auch, weil ich eine gewisse Kontrolle darüber haben möchte, was meiner Tochter da vermittelt wird. Unter anderem – aber nicht nur – deshalb, weil wir nun mal einer anderen Glaubensrichtung angehören. Und wenn ich das Gefühl bekomme, diese Kontrolle solle mir verwehrt werden, werde ich misstrauisch. 

Ob sich das Konzept in der Praxis bewährt, bleibt ohnehin noch abzuwarten. Beim ersten JAM in diesem Jahr – bei dem ich mit den Kindern allein war, weil meine Liebste noch krank war – musste ich erst mal den Jüngsten nach oben zu den "Minis" begleiten, blieb dann zwar nicht dort, aber zurück in den Saal, wo inzwischen das "Kids"-Programm begonnen hatte, traute ich mich auch nicht mehr und aufs Elterncafé hatte ich, wie gesagt, keine Lust; also blieb ich bis zum Abendessen im Foyer und schrieb an meinen diversen Artikeln. Am Mittwoch darauf herrschte beim JAM Mitarbeitermangel, was dazu führte, dass es einen gemeinsamen katechetischen Teil für "Kids" und "Minis" gab. Unser Jüngster wollte nun aber, dass seine Mami bei ihm blieb und nicht zum Elterncafé ging, und ich blieb kurzerhand ebenfalls im Saal, ohne dass jemand Einspruch erhob. So kam ich in den Genuss einer Nacherzählung des 2. Kapitels des Buches Daniel, leider dargeboten von der schon mehrfach erwähnten älteren Frau, von deren Eignung für diese Aufgabe ich nicht so recht überzeugt bin. (So alt, wie sie 'rüberkommt, ist sie übrigens gar nicht, aber jedenfalls deutlich älter als die anderen JAM-Mitarbeiter.) – Nächste Woche wird dann wohl Daniel 3 drankommen, die Jünglinge im Feuerofen; bin mal gespannt, wer das macht und ob es methodisch etwas interessanter sein wird als eine reine Nacherzählung. 


Bluesky-Update: Wehklagen in Wokistan 

Also, Freunde: Mein im vorigen Wochenbriefing artikulierter Aufruf "Kommt vorbei bei Bluesky" hat, wie mir scheint, keine besonders üppigen Früchte getragen – jedenfalls ist meine Followerzahl seither kaum gewachsen (von 8 auf 10), und persönlich oder virtuell Bekannte habe ich in diesem Netzwerk auch noch keine entdeckt, die nicht auch schon vor einer Woche dort gewesen wären. Zugegeben, ich finde es durchaus verständlich, wenn man sich dem Klima, das auf Bluesky herrscht, nicht aussetzen möchte; aber genau darum ging's mir ja bei meinem Aufruf: dass ich durchaus Chancen sehe, dieses Klima zu verändern, da ja, wie gesagt, bislang insgesamt noch nicht so richtig viel los ist auf dieser Plattform. 

Ich jedenfalls habe auf dem Bildschirm meines Mobilgeräts die App formerly known as Twitter und die Bluesky-App direkt nebeneinander abgelegt und wechsle gern und oft zwischen ihnen hin und her; und ich darf sagen, unter dem Aspekt von audiatur et altera pars ist das schon sehr erhellend. Gerade jetzt in den ersten Tagen der zweiten Trump-Präsidentschaft. Während auf X – d.h. bei den Accounts, denen ich dort folge – die positiven oder jedenfalls einigermaßen wohlwollenden Reaktionen auf Trumps Amtseinführung und erste Amtshandlungen tendenziell überwiegen, herrscht auf Bluesky Weltuntergangsstimmung. Und zwar volles Rohr. Von Elon Musks angeblichem Hitlergruß will ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst anfangen, das ist mir zu albern; aber die Vorstellung, man erlebe gerade live den Beginn einer neuen Ära des Faschismus mit, findet auch in vielfältigen anderen Formen Ausdruck: Da liest man Äußerungen wie "Aus dem Herz der Demokratie in den USA ist das Herz der Finsternis geworden" oder "Wir werden den Rest unseres Lebens damit verbringen aktiv & ohne Unterlass gegen Faschismus zu kämpfen. [...] Bildet Banden, engagiert Euch, spendet, falls ihr könnt!". Und es wird gemahnt: "Ihr müsst euch eure Aufmerksamkeit und eure Wut und Verzweiflung gut einteilen in den nächsten Jahren, sonst werdet ihr aufgerieben." (Zur Einordnung sel gesagt, dass ich auf Bluesky bislang fast ausschließlich Accounts aus dem kirchlichen bzw. theologischen Bereich folge; die schreiben so etwas nicht unbedingt selber, verbreiten es aber weiter.) – Aufschlussreich scheint mir übrigens, bei welchen Themen bzw. Politikfeldern die Wellen der Trump-Panik am höchsten aufbranden. Man könnte ja denken, Migration läge da ganz vorn, zumal die Ankündigung eines knallharten Durchgreifens gegen illegale Einwanderung Trumps eigener Einschätzung zufolge sein wichtigstes Wahlkampfthema war. Das rangiert aber, soweit ich sehe, bei der progressiven Theologenbubble auf Bluesky nur unter "ferner liefen"; auch das Klima ist nicht annähernd so ein großes Thema, wie man hätte denken sollen; mit weitem Abstand vorne liegt hingegen die Gender- und vor allem die Transgender-Politik. An zweiter Stelle liegt, meiner Wahrnehmung zufolge, die Verflechtung der Trump-Regierung mit Technologie-Magnaten wie v.a. natürlich Elon Musk, aber auch Jeff Bezos und, zur Überraschung Vieler, neuerdings auch Mark Zuckerberg; und dann kommt erst mal eine ganze Weile gar nichts. Da mag nun jeder seine eigenen Schlüsse draus ziehen. 

Übrigens habe ich den Erlass mit dem Titel "Defending Women from Gender Ideology Extremism and Restoring Biological Truth to the Federal Government" im Wortlaut gelesen und, da lehne ich mich jetzt mal weit aus dem Fenster, ich finde ihn durch und durch vernünftig. Aber nein, schallt es mir auf Bluesky entgegen, das ist menschenverachtend, reaktionär und brandgefährlich, deswegen werden Menschen sterben! – Auf diese Einschätzung komme ich noch zurück; werfen wir aber zunächst noch einen Blick auf Wortmeldungen, die von der Befürchtung geprägt sind, in Deutschland erwarteten uns ähnliche Zustände, wenn nach dem Februar der Merz kommt (seid gewarnt, Leser: Den Spruch werde ich in den kommenden Wochen noch öfter bringen). "[D]ie USA treiben die staatliche Auslöschung von trans* Personen voran, und ihr könnt sicher sein, dass dieselben Kräfte schon längst hier am Werk sind", liest man da zum Beispiel; und: "Für queere, besonders trans* Personen, geht es bei der #Bundestagswahl2025 um alles – um Leben und Tod". – Was ist von dieser "Leben und Tod"-Rhetorik zu halten? Nun, ganz grundsätzlich sind die Ängste von Menschen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Angst kann tatsächlich tödlich sein, damit ist nicht zu spaßen. Aber sind dann nicht eher die Leute das Problem, die solche grotesk überzogenen Ängste schüren und verbreiten? Befürchtet wird z.B., die nächste Bundesregierung könnte Pubertätsblocker verbieten. Das als eine Frage von "Leben und Tod" darzustellen, bedeutet nichts Geringeres, als Minderjährigen einzureden, wenn sie keine Pubertätsblocker bekommen könnten, wäre das ein Grund, sich umzubringen. Ich möchte hinzufügen: Mir ist es völlig unbegreiflich, wie ein vernünftiger, klar denkender Mensch nicht für ein Verbot von Pubertätsblockern sein könnte. 

Das geht nun aber natürlich eigentlich weit über den Rahmen der Fragestellung "Was ist denn so bei Bluesky los?" hinaus, daher mal was anderes: Mit welcher Selbstverständlichkeit die Bluesky-Bubble davon ausgeht, es sei in der derzeitigen Situation "the right thing to do", bei X (vormals Twitter) auszusteigen, zeigt sich exemplarisch in einem Beitrag von Philipp Greifenstein, der die Deutsche Bischofskonferenz dafür kritisiert, dass sie diesen Schritt noch nicht vollzogen hat. Greifenstein rechnet vor, zuletzt habe der X-Account der DBK mit zehn Beiträgen nur insgesamt 1.947 Accounts erreicht, also im Durchschnitt 195 Accounts pro Beitrag, und folgert: "Wenn man schon kein Rückgrat hat, dann vielleicht mal mit einfacher Mathematik versuchen?" – Nun, sagen wir so: Darin, dass es nicht gerade zu den Stärken der Deutschen Bischofskonferenz gehört, Rückgrat zu zeigen, würde ich dem Greifenstein ja durchaus zustimmen, aber die Vorstellung, es würde Rückgrat beweisen, sich aus einem bedeutenden Segment der digitalen Öffentlichkeit zurückzuziehen, finde ich dann ja doch eher tragikomisch. – Auf das Argument, von der Reichweite her lohne sich ein X-Account für die DBK ja ohnehin nicht, erwidert indes ein anderer Vertreter der progressiven Theologenbubble: "Hast du deren youtube gesehen? 100 views sind für die quasi gute Zahlen ;). Ich finds abgefahren wie man Geld für PR kriegen kann und so versagt." Und das zumindest ist ja nun mal wirklich fein beobachtet


Geistlicher Impuls der Woche 

Um Zions willen werde ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit und sein Heil wie eine brennende Fackel.

Dann sehen die Nationen deine Gerechtigkeit und alle Könige deine Herrlichkeit. Man ruft dich mit einem neuen Namen, den der Mund des Herrn für dich bestimmt. Du wirst zu einer prächtigen Krone in der Hand des Herrn, zu einem königlichen Kopfschmuck in der Hand deines Gottes.

Nicht länger nennt man dich "Verlassene" und dein Land nicht mehr "Verwüstung", sondern du wirst heißen: "Ich habe Gefallen an dir" und dein Land wird "Vermählte" genannt. Denn der Herr hat an dir Gefallen und dein Land wird vermählt.

Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.

(Jesaja 62,1-5; 1. Lesung vom vergangenen Sonntag) 


Ohrwurm der Woche 

Take That: Back for Good 

Dieser Ohrwurm verdankt sich in erster Linie der Erinnerung an das im Abschnitt "Trommeln in der Nacht" beiläufig erwähnte Kleinkunstprogramm, das ich vor Jahren mit meinem damaligen Nachbarn ausgeheckt habe – denn dieses enthielt auch eine Parodie auf ebendieses Lied: In unserer Textversion, die wir ungefähr in der Zeitspanne dichteten, die das Lied dauert, ging es um einen Kneipengast, der kurz vor Feierabend die Barkeeperin zu überreden versucht, ihm noch ein letztes Bier zu geben, und der Titel lautete "Beck's und gut"

Aber Parodie hin oder her: Aus heutiger Sicht bin ich durchaus der Meinung, dass Take That, innerhalb der Grenzen ihres Genres natürlich, wirklich gute Musik gemacht haben. Jedenfalls spielten sie in einer ganz anderen Liga als die anderen Boygroups, die es damals so gab. Etwas später kamen dann die Backstreet Boys, und ja, die waren ebenfalls besser, als man es damals hätte zugeben mögen.


Vorschau / Ausblick 

Heute Nachmittag hatten die Haselhorster Pfadfinder ihr erstes Stammestreffen in diesem Kalenderjahr, und bei Redaktionsschluss stand noch nicht fest, ob ich da mit unserer Großen hingehen würde: Andererseits hatten nämlich meine Schwiegermütter eigentlich schon seit Wochen geplant, mal am Wochenende mit den Kindern ins Museum zu gehen, was schon mehrmals aus verschiedenen Gründen verschoben werden musste. Heute Abend ist jedenfalls Community Networking Night im Baumhaus, und ich hoffe, dass wir es dorthin schaffen, unabhängig davon, was wir vorher machen. Morgen ist dann wie gesagt KiWoGo, und dann folgt die letzte Schul- und Arbeitswoche vor den Winterferien. Schauen wir mal, was uns die so bringt... 


Freitag, 24. Januar 2025

Lufthoheit über den Kinderbetten – jetzt auch mit der CDU

Ab und zu ist es ja doch ganz gut, dass ich im Presseverteiler des Erzbistums Berlin bin. Zwar erhalte ich dadurch häufig Nachrichten, die mich nicht interessieren, und nicht selten auch solche, bei denen ich es vorgezogen hätte, sie nicht zu erfahren; aber zuweilen ist es doch praktisch für einen Nachrichtenmuffel wie mich. Manche Nachrichten, besonders aus der Berliner Landespolitik, bekomme ich erst dadurch mit, dass irgendeine kirchliche Einrichtung eine Stellungnahme dazu abgibt, die dann über den Presseverteiler des Erzbistums geht. 

So zum Beispiel neulich: "Hedi Kitas positioniert sich zur Debatte um Vorschulpflicht ab drei Jahren". Vorweg: "Hedi Kitas" heißt der noch vergleichsweise neue, nämlich Anfang 2024 gegründete Zweckverband der katholischen Kindertagesstätten im Erzbistum Berlin; davon hatte ich schon gehört. Aber was für eine "Debatte um Vorschulpflicht ab drei Jahren"? Tja: Diese Debatte hat die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch angestoßen. Genauer gesagt hat sie bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer Berlin erklärt, sie würde am liebsten "sofort" eine dreijährige Vorschule einführen: "Ich unterstütze das komplett." – Man beachte übrigens, dass die Senatorin, obwohl hier von Kindern ab drei Jahren die Rede ist, explizit nicht von einer Kindergarten- oder KiTa-Pflicht, sondern von einer Vorschulpflicht spricht – weil es ihr bei diesem Vorstoß, wie sie betont, schwerpunktmäßig nicht um Betreuung, sondern um frühkindliche Bildung geht. Bei mir als Schulpflicht-Skeptiker und entschiedenem Anhänger der #kindergartenfrei-Bewegung gehen da jedenfalls gleich doppelt die Alarmlichter an. 

Angemerkt sei in diesem Zusammenhang übrigens, dass ich schon recht häufig – auf Spielplätzen, in Krabbelgruppen oder bei ähnlichen Gelegenheiten – mit Eltern ins Gespräch gekommen bin, die glaubten, in Berlin gäbe es bereits eine KiTa-Pflicht. Die einen meinten, ab drei Jahren, andere ab vier, wieder andere, mindestens ein Jahr vor der Einschulung. Nichts davon stimmt. Noch nicht. 

Zur politischen Einordnung der Vorschulpflicht-Forderung sei außerdem angemerkt, dass Berlin von einer Großen Koalition aus CDU und SPD regiert wird – nominell unter Führung der CDU, aber das heißt ja nichts: In der Geschichte der Bundesrepublik war es eigentlich immer so, dass Koalitionen aus CDU und SPD, auch wenn die SPD der "kleinere" Koalitionspartner war, SPD-Politik gemacht haben. Und dass die SPD eine staatliche "Lufthoheit über den Kinderbetten" anstrebt, ist ja nichts Neues; das hat der heutige Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz schon 2002, damals noch als SPD-Generalsekretär, in bemerkenswerter Offenheit verkündet. Bildungssenatorin Günther-Wünsch ist allerdings tatsächlich bei der CDU (und außerdem die Lebensabschnittsgefährtin des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner, ebenfalls CDU; das Bekanntwerden dieser Liaison hatte Anfang 2024 einen kleinen Skandal ausgelöst, der aber praktisch folgenlos geblieben ist – Landespolitik als Soap Opera, aber das gehört hier eigentlich nicht zum Thema, oder allenfalls am Rande). – Wer mich kennt, der weiß, dass ich der CDU ausgesprochen kritisch gegenüberstehe, seit ich vor über 30 Jahren aus der Jungen Union ausgetreten bin; wie ich schon anlässlich der vorigen Bundestagswahl schrieb: "Wertkonservativ und wirtschaftsliberal", das heißt doch im Prinzip nichts anderes als "Du sollst die Witwen und die Waisen / nur dann, wenn es sich lohnt, bescheißen". Der vorliegende Fall demonstriert wohl recht deutlich, welche Hälfte dieses Begriffspaars die höhere Priorität hat: Als wertkonservativ kann man es wohl beim besten Willen nicht verkaufen, die Kindererziehung noch mehr als sowieso schon aus dem Elternhaus auszulagern und staatlichen Einrichtungen zu übertragen. Eher schon steht zu vermuten, dass die Förderung der frühkindlichen Bildung gut für die Wirtschaft sein soll – in dem Sinne, dass sie dazu verhelfen soll, dass aus den Kindern, wie es im Politikerjargon so unschön heißt, eher Leistungsträger als Leistungsempfänger werden. 

Dies dürfte, neben wahlkampftaktischen Erwägungen (wie sähe das denn aus, mitten im Wahlkampf einer CDU-Forderung zuzustimmen?), ein wesentlicher Grund dafür sein, dass gerade die Parteien, die sich sonst am stärksten für den Ausbau der KiTa-Betreuung, Ganztagsschulen usw. einsetzen, dem Vorschulpflicht-Vorstoß eher kritisch gegenüberstehen. Während mehrere CDU-Bildungspolitiker Unterstützung für den Vorstoß aus Berlin signalisierten, bezeichnete die noch amtierende Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) die "Forderung [...] nach einer dreijährigen Pflicht-Vorschulzeit" als einen "Griff in die Mottenkiste pädagogischer Ideen aus dem letzten Jahrhundert"; ablehnend äußerten sich auch die Bildungsministerinnen von Rheinland-Pfalz, Stefanie Hubig (SPD), und von Mecklenburg-Vorpommern, Simone Oldenburg (Die Linke). 

In den ablehnenden bzw. kritischen Stellungnahmen zum Vorstoß von Senatorin Günther-Wünsch – auch in derjenigen der "Hedi Kitas", auf die noch zurückzukommen sein wird – wird gern darauf hingewiesen, dass die allermeisten Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren ohnehin schon eine KiTa gehen; in Berlin sind es ganze 92,3%. Bei dieser Zahl musste ich erst mal schlucken: Gerade mal eins von 13 Kindern der genannten Altersgruppe wächst in Berlin #kindergartenfrei auf, das finde ich ganz schön krass. Aber immerhin, mein Sohn ist einer davon, und das erfüllt mich dann ja doch mit einer Art von Stolz. 

Symbolbild, Quelle: Pixabay

Und – wo ich gerade beim Angeben bin – mal kurz aus dem Nähkästchen geplaudert: Neulich war meine Liebste mit unserem Jüngsten in der S-Bahn unterwegs und wurde dort von einer Grundschullehrerin angesprochen, der das sehr gute sprachliche Ausdrucksvermögen des Knaben aufgefallen war; sie meinte, mit seinen noch nicht ganz vier Jahren spreche er besser als viele ihre Erstklässler. Meine Liebste erklärte, er gehe nicht in die KiTa und habe daher im Alltag mehr Kontakt zu Erwachsenen als zu Gleichaltrigen; wozu die Lehrerin anmerkte, würde der Knabe jetzt in die KiTa kommen, wäre das für seine Sprachentwicklung – im Sinne einer "Angleichung nach unten", sofern es legitim ist, das so zu nennen – wohl eher hinderlich als förderlich. Was diese Anekdote zeigt, ist, dass eine allgemeine Vorschulpflicht für alle Kinder ab drei Jahren womöglich selbst für die Ziele, die ihre Befürworter damit zu erreichen hoffen, der falsche Weg wäre: Wenn schon jetzt zwölf von dreizehn Kindern ab drei Jahren eine KiTa besuchen und trotzdem viele von ihnen in der ersten Klasse noch nicht richtig sprechen können, sollte man, statt auch noch das dreizehnte Kind zum Besuch einer Bildungseinrichtung zu verpflichten, vielleicht lieber die Qualität der Bildungsarbeit in den KiTas in den Blick nehmen. 

Und da kommt nun die Stellungnahme der "Hedi Kitas" ins Spiel. Die Pressemitteilung des katholischen KiTa-Verbands lobt die Berliner Bildungssenatorin erst einmal dafür, dass sie "wichtige Themen der frühkindlichen Bildung" aufgreife: "Hedi Kitas begrüßt die Aufmerksamkeit für die Bedeutung früher Bildungsphasen." Die Distanzierung folgt indes sogleich: Es wird kritisiert, die "Fokussierung auf eine Vorschulpflicht" stelle "eine Verkürzung der Debatte dar, die der tatsächlichen Vielschichtigkeit der Herausforderungen in der frühkindlichen Bildung nicht gerecht wird." Unter Berufung auf die "wissenschaftlichen Empfehlungen etwa [...] der Bertelsmann Stiftung" wird betont, "dass Kitas dann die besten Bildungschancen eröffnen, wenn sie über angemessene Rahmenbedingungen verfügen" – was ja erst mal nach einer Binsenweisheit klingt, für die es wohl kaum wissenschaftlicher Expertise bedurft hätte. Was aber sind denn nun "angemessene Rahmenbedingungen"? Die Antwort auf diese Frage muss man wohl in der Forderung nach "strukturelle[n] Verbesserungen" suchen: Gefordert werden "[k]leine Gruppen, differenzierte Teamprofile und ausreichend Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit", was auch immer das nun wieder sein soll, "[v]erpflichtende Fachberatung und Fortbildungsangebote für Mitarbeitende[!]" sowie "[m]odernisierte Einrichtungen, digitale Infrastruktur und KI-gestützte Tools", auweia, auch das noch. "Kitas", so heißt es weiter, "müssen Orte sein, [...] die Demokratie, Nachhaltigkeit und Inklusion in den Mittelpunkt stellen und damit auch in die Gesellschaft wirken." Alles in allem wird "der Politik" also signalisiert, man habe im Prinzip dieselben Ziele wie sie und sei lediglich über die Wahl der Mittel anderer Ansicht. "Kitas müssen nicht nur Inseln der Bildung, sondern auch Orte des demokratischen Miteinanders sein", wird die "Hedi Kitas"-Geschäftsführerin Mirja Wolfs zitiert. "Mit bedarfsgerechten Strukturen und einer konsequenten Ausrichtung auf Qualität können wir allen Kindern die besten Startchancen ermöglichen – ganz ohne Zwang." 

Soweit, so schwach. Im Prinzip würde ich mir von einer katholischen Einrichtung ja wünschen, dass sie das verfassungsmäßig garantierte Erziehungsprivileg der Eltern verteidigt und aus dieser Perspektive das Streben nach einer staatlichen Lufthoheit über den Kinderbetten kritisiert; aber das hat wohl seit Bischof Mixa keiner mehr gewagt, und es würde wohl auch nicht recht glaubwürdig wirken, wenn es von einem Verband käme, der "[i]n 72 Einrichtungen [...] mehr als 4.500 Plätze für Kinder im Alter von vier Monaten [!] bis zum Schuleintritt" anbietet, wie in der Pressemitteilung betont wird. Da biedert man sich lieber bei "der Politik" an, hebt hervor, wieviel man für die Erreichung staatlich vorgegebener Bildungsziele tue, und präsentiert Papa Staat dabei ganz nonchalant noch seinen Weihnachtswunschzettel – nach dem Motto "Wir könnten noch mehr für dich tun, aber dafür brauchen wir noch dies und das und jenes". Dass man im Hause "Hedi Kitas" auf das Stichwort "Vorschulpflicht" eher mit Abwehrreflexen reagiert, hat möglicherweise auch damit zu tun, dass man um die Zukunft der eigenen Einrichtungen fürchtet, falls diese keine Zulassung als "Vorschulen" erhalten sollten. 

Alles in allem scheint die Stellungnahme der "Hedi Kitas" somit wesentlich von dem Interesse der katholischen KiTas geprägt, ihre eigene Lufthoheit über den Kinderbetten zu verteidigen. Man könnte aus christlicher Sicht geneigt sein, das positiv zu bewerten – wenn man davon ausgehen könnte, dass KiTas in kirchlicher Trägerschaft eine genuin christlich orientierte Erziehung der Kinder gewährleisten. Daran ist aber nicht nur wegen der bekannten Tendenz großkirchlicher Institutionen zur Selbstsäkularisierung zu zweifeln, sondern auch und vor allem, weil staatliche Vorgaben sicherstellen, dass die Erziehungsstandards an KiTas in freier Trägerschaft sich nicht allzu deutlich von denen an KiTas in staatlicher Trägerschaft unterscheiden. Sehr deutlich war das unlängst in Köln zu beobachten: Dort warb eine katholische KiTa für eine Abendveranstaltung zum Thema "Kindliche Sexualität und Doktorspiele", und auf kritische Anfragen reagierte das Erzbistum Köln mit dem Hinweis auf "staatliche Vorschriften"

"Zur Erlangung einer Betriebserlaubnis für Kindertageseinrichtungen in NRW ist u.a. ein inklusionspädagogisches Konzept Voraussetzung. Teil dieses Konzeptes ist u.a. die Auseinandersetzung bzw. die Verankerung sexualpädagogischer Bausteine im Rahmen sexueller Bildung als pädagogischer Auftrag einer Kindertagesstätte." 

Und das, wohlgemerkt, im CDU-regierten Nordrhein-Westfalen. In Berlin sieht es in dieser Hinsicht übrigens nicht anders aus. 

Um aber noch einmal auf das Thema Vorschulpflicht zurückzukommen: Dass eine solche tatsächlich eingeführt wird, darf man wohl als unwahrscheinlich betrachten, denn dafür müsste das Grundgesetz geändert werden, und eine Mehrheit dafür ist offenkundig weit und breit nicht in Sicht. Derweil steht es kaum zu bezweifeln, dass "die Politik" andere Mittel und Wege suchen und finden wird, die staatliche Lufthoheit über den Kinderbetten auszubauen: Wenn ein verpflichtendes Vorschuljahr nicht verfassungskonform ist, dann nennt man es eben "KiTa-Chancenjahr". – Es ist traurig, dass die Kirche in einer solchen Situation mehr daran interessiert ist, ihren Status als einer der größten freien Träger von Kindertageseinrichtungen in Deutschland zu behaupten, als auf Ermutigung und praktische Unterstützung für Eltern zu setzen, die ihre Kinder #kindergartenfrei erziehen möchten. – An dieser Stelle habe ich anschließend noch eine Botschaft an diejenigen, die meinen, die ganze #kindergartenfrei-Bewegung sei elitär und nur etwas für eine privilegierte Minderheit, die es sich leisten kann, dass mindestens ein Elternteil nicht voll berufstätig ist: Selbst wenn das so wäre – was übrigens nicht so sein müsste, wenn "die Politik" sich dazu durchringen könnte, als Alternative zur Inanspruchnahme eines staatlich finanzierten KiTa-Platzes ein Erziehungsgehalt einzuführen –, wäre es trotzdem sinnvoll, diejenigen Eltern, die sich das leisten können, zu dieser Entscheidung zu ermutigen bzw. darin zu unterstützen. Dann blieben nämlich mehr – und besser ausgestattete! – KiTa-Plätze für die Kinder derjenigen Eltern, die wirklich darauf angewiesen sind. 


Samstag, 18. Januar 2025

Die 3 K der Woche (8): Kinder, Kirche, Kanapées

Willkommen zum dritten Wochenbriefing in diesem Kalenderjahr, liebe Freunde und Hate-Reader! Wieder einmal gibt es über einige wenige Themen so viel zu sagen, dass ich in Sachen Themenvielfalt einige Abstriche machen muss; konkret heißt das, dass das, was es zum JAM, zum "Beten mit Musik" und zum KiWoGo-Arbeitskreis zu sagen gäbe, bis nächste Woche warten muss. – Das dritte K in der Überschrift bezieht sich diesmal auf das Büffet beim Neujahrsempfang der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland, der einen von drei Themenschwerpunkten dieser Wochenbriefing-Ausgabe bildet; ich darf aber schon mal ankündigen, dass meine Auseinandersetzung mit diesem Event um einige Grade weniger polemisch ausgefallen ist als im vorigen Jahr. Aber seht selbst, liebe Leser!

Symbolbild: Heilige Familie, hier als Skulpturengruppe in der Kapelle von St. Elisabeth Hakenfelde 

Endspurt beim Krippenpilgern 

Ich hatte es schon angedeutet: Für das vorige Wochenende hatte ich mir einen Masterplan zurechtgelegt, um sozusagen auf den letzten Metern, bevor die Weihnachtszeit zu Ende ging, die Aktion "Krippenpilgerweg" der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland erfolgreich abzuschließen und dabei gleichzeitig der Liebsten, die immer noch krank war, möglichst viel Ruhe und Erholung zu verschaffen. Der Schlüssel zum Erfolg bestand darin, dass die Organisatoren des "Krippenpilgerwegs" für den letzten Samstag der Weihnachtszeit die Möglichkeit zum gemeinsamen Pilgern von der Kapelle des Seniorenheims St. Elisabeth in Hakenfelde zur Spandauer Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen vorgesehen hatten, mit Zwischenstationen in St. Lambertus, ebenfalls in Hakenfelde, und St. Marien am Behnitz in der Spandauer Altstadt. Den Stempel aus St. Marien am Behnitz hatten wir aber ja nun schon, und in Maria, Hilfe der Christen wollten wir ohnehin zur Vorabendmesse, die den Auftakt zum Neujahrsempfang (s.u.) bildete. Daher sah mein Masterplan vor, mit den Kindern pünktlich zum Beginn des gemeinsamen Pilgerwegs mit dem Bus nach Hakenfelde zu fahren und den Weg von St. Elisabeth bis St. Lambertus (gut eineinhalb Kilometer) zu Fuß zurückzulegen; dann wollten wir uns aber ausklinken, mit dem Bus zu den Spandau Arcaden fahren und dort erst mal Pommes essen gehen. 

Abgesehen davon, dass dies die letzte Gelegenheit war, die Stempel der beiden Kirchenstandorte in Hakenfelde einzuheimsen, war ich auch gespannt, wie viele Leute wohl an dem gemeinsamen Pilgerweg teilnehmen würden und was für Leute das wohl sein würden. – Eine erste Teilantwort auf diese Frage erhielten wir bereits, als wir in Hakenfelde aus dem Bus stiegen: Mit uns zusammen stieg eine ältere Frau mit tiefrot gefärbten Haaren aus und fragte uns, ob wir auch auf dem Weg zur Kirche seien. Wie sich zeigte, gehörte sie zur Gemeinde von St. Stephanus Haselhorst und wusste auch nicht so genau, wo es nun nach St. Elisabeth langging; aber noch ehe ich mit Hilfe von Google Maps ermittelt hatte, in welche Richtung wir uns von der Bushaltestelle aus wenden mussten, trafen wir auf zwei weitere wohl auch schon im Rentenalter stehende Personen, die dasselbe Ziel hatten wie wir und anders als wir den Weg kannten. Die rothaarige Frau aus Haselhorst unterhielt sich unterwegs mit meinen Kindern und fand sie offenbar ganz entzückend, was natürlich umgekehrt auch dazu beitrug, mir die Dame sympathisch zu machen. 

Insgesamt fanden sich, mich selbst und meine Kinder nicht mitgerechnet, zehn oder zwölf Leute zum Krippenpilgern ein; die meisten von ihnen waren schätzungsweise zwischen 60 und 70 (für kirchliche Verhältnisse also "mittleren Alters"), ein Teenager war aber auch dabei, zusammen mit seinem Vater. Was ich mir eigentlich hätte denken können, worüber ich mir im Vorfeld aber keine großen Gedanken gemacht hatte, war, dass es an jeder Station des Krippenpilgerwegs eine kleine Andacht gab, jeweils bestehend aus ein paar Strophen eines Weihnachtslieds aus dem Gotteslob, einer kurzen biblischen Lesung und einem Impuls – oder wie man diese Textsorte sonst nennen soll, die mir so charakteristisch dafür erscheint, was liberale Boomer Catholics sich unter Spiritualität und Kontemplation vorstellen: nebelhaftes Assoziationsgeklingel, das durch willkürliche Zeilenumbrüche den Anschein von Tiefsinn zu erwecken versucht. An den zwei Stationen, die wir "mitmachten", stammten die Impulstexte von Gisela Baltes – einer Autorin, die mir bislang kein Begriff gewesen war und von der ich auch nicht glaube, dass man sie sich merken muss. Hier mal exemplarisch ein paar Zeilen aus dem Impuls für die 2. Station: 

Es ist bewiesen, 
dass uns Eigenschaften unserer Eltern 
durch die Vererbung ihrer Gene 
mit auf den Weg gegeben wurden. 

Ich glaube, 
dass uns unser Schöpfer 
ebenso einen Teil von sich 
mitgegeben hat, 
den Teil, den wir Seele nennen[.] 

Also #sorrynotsorry, was für ein Bullshit. – Ich schätze, es ist ziemlich evident, dass diese Art von Pseudo-Lyrik ihren Ursprung in derselben Ära und demselben innerkirchlichen "Lager" hat wie das "Neue Geistliche Lied" (NGL); und für beides würde ich mit wünschen, dass es mal "ad experimentum" für zehn oder vielleicht 15 Jahre aus der kirchlichen Praxis verbannt würde. Um die Infektionskette zu durchbrechen, sozusagen. Ich bezweifle stark, dass danach noch in nennenswertem Umfang Forderungen nach ihrer Wiedereinführung laut werden würden. 

Was die Stempel für den Krippenpilgerpass anging, gab es in St. Elisabeth ein Schaf und in St. Lambertus einen Hirten; als Bonus, exklusiv für die Teilnehmer des gemeinsamen Pilgerwegs, gab es in St. Elisabeth noch einen weiteren Stempel, der einen Heiligen Dreikönig darstellte. In St. Lambertus gab es im Anschluss an die kleine Andacht Kaffee und Kuchen; das war nett, aber danach gingen wir trotzdem zur nächsten Bushaltestelle und fuhren zu den Spandau Arcaden

(Zu erwähnen wäre vielleicht noch, dass ich in St. Elisabeth zuvor erst einmal und in St. Lambertus zweimal gewesen war, und beides war schon über drei Jahre her.) 

Krippe in St. Elisabeth 

Krippe in St. Lambertus 

In der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen kamen wir gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Vorabendmesse an. Dass der dortige Krippenpilgerstempel Maria zeigte, hatte ja durchaus eine gewisse Logik; aber das bedeutete nun eben auch, dass der letzte Stempel, der uns noch fehlte, ausgerechnet der mit dem Jesuskind war. Das hieß dann wohl, dass wir doch noch nach Falkensee mussten – worauf ich wohl eher verzichtet haben würde, wenn der fehlende Stempel z.B. ein Schaf oder ein Kamel gezeigt hätte, aber eine Krippenszene ohne Jesuskind in der Krippe ist nun mal einfach nicht vollständig, das sahen auch die Kinder so. 

Krippe in Maria, Hilfe der Christen 

Am nächsten Morgen hatte das Tochterkind dann aber doch keine Lust auf einen Ausflug nach Falkensee; der Jüngste hingegen ließ sich nach einigem Schwanken dazu überreden, also brachen wir beiden nach dem Frühstück auf und ließen die Mädels zu Hause. In der Messe gewesen waren wir ja schon am Vorabend in Spandau, unter diesem Aspekt war es also kein Problem, dass wir die Kirche St. Konrad erst einige Minuten nach dem Beginn der dortigen Sonntagsmesse erreichten. Allerdings war die Kirche rappelvoll – und in den ersten Reihen saßen Kinder in Sternsingerkostümen. Das Tischchen mit dem Krippenpilgerstempel samt Stempelkissen war vom Eingang aus unschwer zu erreichen, aber nachdem wir den langen Weg nach Falkensee auf uns genommen hatten, wollte ich eigentlich nicht gleich wieder gehen, ohne wenigstens noch ein Foto von der in dieser Kirche aufgebauten Krippe zu machen. Leider war die, solange die Messe nicht vorbei war, völlig unerreichbar – sofern man nicht riskieren wollte, den Ablauf oder zumindest die Andacht der anderen Messbesucher empfindlich zu stören. 

Also warteten wir erst mal ab. Zelebriert wurde die Messe übrigens vom Spandauer Krankenhausseelsorger; als jedoch nach dem Evangelium eine Frau das Wort ergriff, dachte ich im ersten Moment: Nanu, was'n hier los? Lai*innenpredigt? – Tatsächlich handelte es sich "nur" um den obligatorischen Vortrag zur Sternsingeraktion des Kindermissionswerks, der hier allerdings sehr viel umfangreicher geriet als am Sonntag zuvor in St. Joseph Siemensstadt. Erst ging es um die Geschichte der Sternsingeraktion, dann um das diesjährige Motto; dann wurde erklärt, was Kinderrechte sind; dann wurde exemplarisch von einigen Kindern in verschiedenen Ländern der Welt erzählt, denen das Kindermissionswerk geholfen hat; und als absehbar wurde, dass das noch lange nicht alles war, beschloss ich, mit meinem Jüngsten lieber einen Spaziergang zu machen. – Um es mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Eine Präsentation zur Arbeit des Kindermissionswerks, die gefühlt ungefähr eine halbe Stunde dauert, anstelle der Predigt in eine Sonntagsmesse einzubauen, empfinde ich nicht nur als unverschämt, sondern als liturgischen Missbrauch, Missbrauch der Liturgie zu ihr fremden Zwecken. Es ist ja gut und schön, dass das Kindermissionswerk über seine Arbeit informieren will, aber kann so eine Informationsveranstaltung nicht im Anschluss an die Messe im Pfarrsaal stattfinden? – Natürlich ahne ich, warum man das nicht macht: weil man davon ausgeht, dass die meisten Leute nach der Messe direkt nach Hause wollen. Würde man den Vortrag über die Sternsingeraktion weiter ans Ende der Liturgie verschieben – also etwa dahin, wo meist die Vermeldungen untergebracht werden, zwischen Dankgebet und Entlassungssegen –, müsste man immer noch damit rechnen, dass die Leute einfach gehen, wenn's ihnen zu lange dauert. Also setzt man ihn an die Stelle der Predigt, damit die Leute sich das anhören müssen (es sei denn, sie gingen halt zwischendurch raus, aber das macht ja so gut wie nie jemand). 

Als ich mit meinem Jüngsten von unserem kleinen Spaziergang zurückkam, trafen wir vor der Kirche eine junge Frau mit zwei Kindern, die wir zuvor drinnen gesehen hatten. Sie fragte mich, ob die Gottesdienste hier immer so lange dauerten – worauf ich wahrheitsgemäß antworten musste, streng genommen wisse ich das nicht, ich ginge aber davon aus, dass die ausufernde Sternsinger-Präsentation daran schuld sei. Wir kamen daraufhin recht gut miteinander ins Gespräch; die Frau erzählte, sie sei mit ihrer Familie gerade erst nach Falkensee gezogen, bisher hätten sie im Wedding gewohnt, und da seien sie kaum in die Kirche gegangen, deshalb sei ihr fünfjähriger Sohn "das nicht gewohnt" (das zweite Kind ist erst maximal ein Jahr alt, würde ich schätzen). – Wenn eine Familie, die bisher kaum in die Kirche gegangen ist, "plötzlich" – möglicherweise veranlasst durch eine allgemeine Veränderung der Lebenssituation wie z.B. eben einen Wechsel des Wohnorts – beschließt, das ändern zu wollen, auch und gerade im Interesse der Kinder, dann finde ich das natürlich spannend und unterstützenswert; gleichzeitig kann ich den Gedanken nicht ganz unterdrücken, dass es schon irgendwie schade ist, wenn die dann in so einer gutbürgerlich-liberalen Gemeinde landen. Vielleicht ist das aber auch vorschnell geurteilt: Man kann im Grunde nicht wissen, ob diese Familie das, was sie für ihren persönlichen Glaubensweg gerade braucht, nicht gerade in dieser Gemeinde finden könnte. Trotzdem habe ich der Mutter vorsichtshalber die Kinderwortgottesdienste in St. Joseph Siemensstadt empfohlen – für den Fall, dass sie mal Lust hat, etwas weiter zu fahren. 

Zu meinen Krippenfotos kam ich schließlich auch noch: 



Zur anschließenden Kaffetafel blieben wir aber nicht, u.a. deshalb, weil meine Kinder am Nachmittag eine Spielverabredung hatten. Aber mit dem Gesamtergebnis unserer Teilnahme an der Krippenpilger-Aktion bin ich doch sehr zufrieden. Es war ein spannendes Erlebnis, gerade für die Kinder; und der komplett vollgestempelte Pilgerpass kann sich sehen lassen: 



Too Big to Fail? Der Neujahrsempfang und das (d.h. mein) Unbehagen an der Institution 

"Warum sind in dieser Messe eigentlich drei Priester?", fragte mich meine Tochter zu Beginn der Vorabendmesse in der Spandauer Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen; und ich stellte fest, dass es gar nicht so leicht war, diese Frage kurz, wahrheitsgemäß und kindgerecht verständlich zu beantworten. Schließlich war der besonders feierliche Charakter dieser Messe, realistisch betrachtet, wohl weniger dem liturgischen Rang des Fests Taufe des Herrn geschuldet als vielmehr dem Umstand, dass sie den Auftakt zum Neujahrsempfang der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland bildete. Der leitende Pfarrer zelebrierte, zwei Pfarrvikare konzelebrierten; darunter der für Siemensstadt und Haselhorst zuständige Pfarrvikar, der auch das Evangelium vortrug, aber leider nicht predigte. Wobei dieses "leider" sich womöglich dadurch relativiert, dass auch die Predigt mehr auf den Anlass des Neujahrsempfangs zugeschnitten war als auf die Auslegung der biblischen Lesungen vom Tag, und das wäre wohl eher nicht so sein Ding gewesen. 

Der Pfarrer, der die Predigt hielt, schlug einen thematischen Bogen von der Neugestaltung der Hedwigskathedrale über das Sakrament der Taufe als "einigendes Band" zwischen den christlichen Konfessionen, das Motto des Heiligen Jahres 2025 ("Pilger der Hoffnung") und das 1700jährige Jubiläum des Konzils von Nizäa hin zu politisch-gesellschaftlichen Themen, vermied dabei aber, wohl aus Rücksicht auf das gemischte Publikum, allzu deutliche Positionierungen. Bezeichnend für das Anliegen des Neujahrsempfangs, die Kirche innerhalb der Gesellschaft zu repräsentieren, war die Frage "Wie können wir unserer Gesellschaft, wie können wir unserem Land, wie können wir unserer Stadt Berlin helfen, sie unterstützen?" – eine Frage, zu der mir durchaus auch so allerlei einfiele; so schrieb ich z.B. im Creative Minority Report Nr. 29, ich sei "sehr wohl der Überzeugung, dass es einer Gesellschaft nützt, wenn es in ihr Christen gibt – auch dann, wenn es sich nur um eine Minderheit handelt –, und zwar einfach deshalb, weil es zum Weltauftrag der Christen gehört, 'der Stadt Bestes' zu suchen (vgl. Jeremia 29,7)"; jedoch: 

"Je weniger christlich eine Gesellschaft als ganze ist, desto mehr wird sich allerdings die Vorstellung der Christen davon, was denn konkret 'der Stadt Bestes' sei, von der der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden. Daraus folgt, dass die kirchlichen Institutionen der säkularen Gesellschaft gerade dann am wenigsten nützen, wenn sie sich deren Vorstellungen darüber anbequemen, was ihr angeblich nütze." 

Ich glaube, dass das auch der Spandauer Pfarrer nicht grundsätzlich anders sieht, auch wenn er das, erst recht bei dieser Gelegenheit, nicht so deutlich sagen konnte. Was er indes sehr wohl sagte, war, dass "unsere Zahl offensichtlich geringer wird" und "unsere Stimme in dieser Welt auch nicht mehr von Vielen gehört wird", dass die Kirche aber dennoch nicht darauf verzichten könne, ihre Antwort auf die Fragen der Zeit zu artikulieren, weil es "die Antwort der Liebe" sei. 

Im Anschluss an die Messe ging's direkt 'rüber in den Pfarrsaal, wo der eigentliche Empfang begann. Dass ich mich bei dieser Veranstaltung insgesamt wohler fühlte als vor einem Jahr, hatte zum Teil sicher damit zu tun, dass ich inzwischen doch deutlich besser in dieser Pfarrei "angekommen" bin, in dem Sinne, dass ich da deutlich mehr Leute kenne und mehr Leute mich kennen; und dass die Kinder ein Jahr älter geworden sind, macht die Teilnahme an derartigen halb formellen, halb geselligen Veranstaltungen ebenfalls einfacher: Ich hatte zwischenzeitlich durchaus die Befürchtung, bei ihnen würde schon die Luft raus sein, ehe das wie schon im letzten Jahr sehr attraktive Fingerfood-Büffet eröffnet würde, aber tatsächlich hielten sie sehr gut durch. Nette Begegnungen hatte ich u.a. mit meinem kritischen Leser Egidius, mit der Leiterin der Trommelgruppe von St. Stephanus und ihrem Mann, der in der dortigen Gemeinde küstert, sowie mit einer Küsterin aus St. Joseph und ihrem Sohn, der dort ministriert. Als der Spandauer Krankenhausseelsorger an unserem Tisch vorbeikam und die in unserer Nähe sitzenden Seniorinnen explizit als "unsere Treuen" begrüßte und bekräftigend hinzufügte "Wir sind doch treu!", dachte ich im Stillen: Das macht der doch mit Absicht! Aber sehen wir's mal so: Wenn das Absicht war, spricht das immerhin dafür, dass er meinen Blog liest, und das ist ja schließlich auch was wert. Als wir gegen 20 Uhr zum Aufbruch schritten, da die Kinder nun doch deutliche Anzeichen dafür zeigten, ins Bett zu müssen, sagte der Geistliche mir, er habe sich gefreut, dass die Kinder zu dieser Veranstaltung mitgekommen seien, und das klang sehr herzlich. 

Zur anwesenden Lokalprominenz sei übrigens gesagt, dass zeitweilig der Spandauer Bezirksbürgermeister und der Superintendent der Evangelischen Kirche Spandau mit uns an einem Tisch saßen. Der letztere hatte – so viel mal zum Thema "gute ökumenische Beziehungen in Spandau" – in Talar und Beffchen an der Messe teilgenommen und die 1. Lesung vorgetragen. Ein Vertreter der Neuapostolischen Gemeinde soll ebenfalls anwesend gewesen sein, außerdem – der Begrüßungsansprache des Pfarreiratsvorsitzenden zufolge – auch Vertreter der Landespolitik, der Caritas und der Orte kirchlichen Lebens der Pfarrei, unter denen er besonders die KiTas (es sind deren drei) hervorhob. 

Mein grundsätzliches Unbehagen an der Art von Selbstrepräsentation der Pfarrei, die dieses Neujahrsempfang-Format nun einmal mit sich bringt (im Unterschied zu früher™️, als die Neujahrsempfänge der einzelnen Gemeinden eher im Zeichen des "Ehrenamtsdanks" standen – was auch seine Tücken hat, aber das ist ein Thema für sich), hat derweil nicht abgenommen, aber ich muss hier ja nicht alles wiederholen, was ich schon letztes Jahr zu diesem Thema geschrieben habe. Was mir an den Ansprachen zum diesjährigen Neujahrsempfang besonders aufgefallen ist, ist die an sich gar nicht so originelle Erkenntnis, was für ein riesiger Apparat an so einer Großpfarrei dranhängt. Von den drei KiTas war bereits die Rede, dazu kommt das Seniorenheim St. Elisabeth, dessen Träger ebenfalls die Pfarrei ist; und die Liste der hauptamtlichen Mitarbeiter, denen der Pfarrer in seiner Ansprache persönlich dankte – Hausmeister, Sekretärinnen, weitere Verwaltungsfachkräfte – tat ein Übriges. Da kann leicht der Eindruck entstehen, ein Großteil der Ressourcen einer Pfarrei werde dafür aufgewendet, die Institution als solche am Laufen zu halten; und genau dieser Eindruck wird durch das Veranstaltungsformat "Neujahrsempfang" gefördert, da die Pfarrei sich hier eben als eine zivilgesellschaftliche Institution unter anderen präsentiert. 

In diesem Zusammenhang fühle ich mich daran erinnert, was ich vor Jahren in einem Blogartikel mit dem programmatischen Titel "Was kommt nach der Volkskirche?" über ein Problem schrieb, "das der Religionssoziologe Mark Chaves mit dem Begriff 'dual structure' beschreibt"

"Dass religiöse Körperschaften ab einer gewissen Größe einen professionell geführten Verwaltungsapparat benötigen, kann man einleuchtend finden; dieser birgt jedoch die Gefahr, zur Parallelstruktur und zum Selbstzweck zu werden, wenn er nach rein 'weltlichen' Professionalitäts- und Effizienzmaßstäben arbeitet und sich nicht um den geistlichen 'Unternehmenszweck' kümmert, weil dieser angeblich nicht in seinen Aufgabenbereich falle. Das kann nur vermieden werden, wenn die Mitarbeiter sich als Diener des geistlichen Auftrags der Kirche begreifen." 

Ist das ein realistischer Anspruch an eine Pfarrei, noch dazu an eine so große, in der es eine solche Fülle an Verwaltungsaufgaben gibt? In der Ansprache des Pfarreiratsvorsitzenden war zwar wiederholt die Rede davon, Gottes Willen zu entsprechen, vom Vertrauen auf Gott und davon, Gott und den Menschen nahe zu sein; aber das wirkte oberflächlich, konventionell, wie aufgeklebte Etiketten. Was ich wohlgemerkt nicht dem Redner persönlich ankreiden will; vielmehr wäre ich überrascht gewesen, wenn es nicht so gewesen wäre. – Nun könnte man sagen, eine gewisse "Entweltlichung" der Kirche wird sich durch das absehbare Wegbrechen der Kirchensteuereinnahmen über kurz oder lang quasi von selbst einstellen; aber gerade in Zeiten schrumpfender Ressourcen kann es umso fataler sein, wenn ein quasi-betriebswirtschaftliches Effizienz- und Funktionalitätsdenken den Blick für die eigentlichen Prioritäten verstellt. Der Trend, die Ortspfarreien zu immer größeren Verwaltungseinheiten zusammenzufassen, ist in meinen Augen ein Symptom dieses irregeleiteten Funktionalitätsdenkens. Meine Idealvorstellung wäre es dagegen, dass die Kirche sich in so kleinen lokalen Einheiten organisiert, dass die Mitglieder einer Gemeinde sich untereinander alle wenigstens vom Sehen kennen – und zwar, um's mal auf den Punkt zu bringen, möglichst vom Sehen im Gottesdienst. Wer das für eine unrealistische Vorstellung hält, dem möchte ich entgegnen: Ich halte das nicht nur für realistisch, sondern auf mittlere Sicht sogar für den einzig möglichen Weg für den Fortbestand der Kirche. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kirche sich auf Gebet und Sakramente als Quelle und Mittelpunkt ihres Handelns besinnt und den Fokus ihrer Aktivität auf Evangelisierung und Katechese legt. Als "Sozialpartner" für Politik und zivilgesellschaftliche Institutionen wäre eine solche "pusilla grex" natürlich nicht besonders interessant, aber ich bin überzeugt, dass auch und gerade das zum Vorteil der Kirche wäre. 


Huhn meets Ei jetzt auch bei Bluesky – und was sich reimt, ist gut, oder? 

Vor ein paar Wochen habe ich hier berichtet, dass die Social-Media-Abteilung des Erzbistums Hamburg sich mit großem moralischen Pathos von der Plattform X (ehemals Twitter) zurückzieht – weil sich da zu viele Leute mit falschen Meinungen tummeln und Elon Musk das auch noch unterstützt bzw. fördert, statt etwas dagegen zu unternehmen. Dieser Schritt fand in der amtskirchlichen Medienlandschaft viel Zustimmung und wurde als vorbildlich für andere Bistümer und kirchliche Einrichtungen betrachtet. Aus Hamburg verlautete dazu, man wolle im Gegenzug die Aktivität auf Facebook und Instagram ausbauen und erwäge zudem die "Implementierung weiterer Kanäle" – etwa bei dem noch relativ jungen Twitter-Klon Threads "oder einem News-Kanal auf WhatsApp". Tja, und nun – Ironie des Schicksals – hat auch die Firma Meta, zu der sämtliche genannten Dienste gehören, angekündigt, nicht mehr gegen falsche Meinungen vorgehen zu wollen. Ein Dilemma! Die Social-Media-Abteilung des Bistums Aachen reagiert vorerst mit Galgenhumor und verkündet, wenn es bei Facebook fortan keine Faktenchecks mehr gebe, könne man ja getrost behaupten, Jesus habe wirklich auf dem Wasser gehen können. Wozu ich anmerken möchte: Dass ein solcher "Witz" auf der offiziellen Facebook-Präsenz eines katholischen Bistums erscheint, sagt mehr darüber aus, was für Leute in der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt werden und was für ein Publikum man damit erreichen möchte, als den Verantwortlichen lieb sein dürfte. Nun gut, wenn die deutschen Bistümer und sonstigen kirchlichen Institutionen ihren einmal eingeschlagenen Selbst-Deplatforming-Kurs konsequent fortsetzen, dann wird es dort im Bereich Digitale Öffentlichkeitsarbeit wohl bald nicht mehr viel zu tun geben, was über kurz oder lang dazu führen dürfte, dass einige Leute sich nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen müssen; fair enough, wie der Angloamerikaner sagt. 

Derweil beschränkt sich der Trend zum Rückzug von den führenden Social-Media-Plattformen jedoch nicht auf professionelle virtue signaller aus Kirche, Gesellschaft und Politik, sondern es machen auch ganz normale Leute mit, darunter auch solche, die ich persönlich kenne. Das gibt zu denken, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Einerseits drängt sich mir der Gedanke auf: Das hat ja nicht mal die DDR geschafft, die Leute dazu zu bringen, aus Angst vor "Desinformation" freiwillig das Westfernsehen zu meiden. Andererseits stellt sich natürlich die Frage, wie man die Leute, die jetzt aus einer Art moralischer Panik heraus nach der App formerly known as Twitter nun auch noch Facebook und womöglich auch Instagram verlassen, zukünftig noch erreichen kann – und nicht am Ende selbst in einer Filterblase steckenbleibt. Aus diesem Grund habe ich mich darauf besonnen, dass ich – wie neulich schon mal erwähnt – bereits seit längerer Zeit einen Account bei Bluesky habe, und habe angefangen, diesen tatsächlich zu benutzen

– Und wie sind da so meine ersten Eindrücke nach rund einer Woche? Zunächst einmal habe ich im Großen und Ganzen nicht den Eindruck, dass die Leute da zivilisierter und freundlicher miteinander umgehen – obwohl die links-"woke" Blase da sehr viel mehr unter sich ist als in anderen mir bekannten Sozialen Netzwerken. Aber vielleicht ist "obwohl" hier auch die falsche Konjunktion: Dass das Bewusstsein, von lauter Gleichgesinnten umgeben zu sein, nicht unbedingt dazu führt, dass man sich besser benimmt, hat ja eine gewisse Logik. Richtig ist, dass man auf Bluesky erheblich weniger rechte Pöbeleien und Verschwörungstheorien antrifft als auf X; dafür aber umso mehr linke Pöbeleien und Verschwörungstheorien, und ich bin nun mal nicht der Meinung, dass das eine grundsätzlich besser ist als das andere. Aber okay, was solche Dinge angeht, kann man ja – wie in anderen Sozialen Netzwerken auch – sein "Nutzererlebnis" dadurch regulieren, wem man folgt, wem man nicht folgt und wen man stummschaltet oder schlimmstenfalls blockiert. Das größere Problem ist, dass bei Bluesky außerhalb eng umrissener Filterblasen insgesamt sehr wenig los ist. Damit meine ich gar nicht so sehr den Umstand, dass ich nach einer Woche auf Bluesky erst acht Follower habe – ich glaube mich zu erinnern, dass ich, als ich vor 13 Jahren bei Twitter einstieg, sogar länger gebraucht habe, um diese Zahl zu erreichen. Umgekehrt habe ich, obwohl ich die Messlatte schon bewusst niedrig gelegt hatte, erst rund 50 Accounts gefunden, denen zu folgen mir interessant erscheint; und von diesen sind viele, gelinde gesagt, nicht sehr aktiv: Der Account des Erzbistums Freiburg hatte, als ich das letzte Mal nachgesehen habe, erst einen Beitrag gepostet, ebenso EWTN News; "News und Tratsch aus Nordenham" und die VCP-Pfadfinder kommen auf jeweils zwei Beiträge, missio Aachen auf zehn, die Pallottiner auf 22, die Katholische Nachrichtenagentur KNA auf 51, das Domradio auf 71. Persönliche Bekannte – also solche aus dem "realen Leben" – habe ich bei Bluesky überhaupt erst vier entdeckt (dreien folge ich, dem vierten, "aus Gründen", nicht); nicht einmal mein Bruder, mit dem ich ziemlich fest gerechnet hatte, ist in diesem Netzwerk. 

Das alles kann sich natürlich noch ändern, und möglicherweise schon bald: Angeblich gewinnt Bluesky derzeit täglich eine Million Nutzer hinzu. So habe ich's jedenfalls in einem von Philipp Greifenstein vom Eule-Magazin (dem "Zentralorgan der im Sitzen pinkelnden Föhnfrisurträger", wie ich gern sage) verfassten "Bluesky-Guide" gelesen – einem Text, der Bluesky-Neulingen den Einstieg erleichtern bzw. dabei helfen soll, sich auf der Plattform zurechtzufinden. Das ist natürlich eine dankenswerte Serviceleistung – die zugleich aber auch deutlich macht, wie sehr der postchristlichen Linken daran gelegen ist, dass Bluesky sich als Alternative zu den größeren und etablierteren Sozialen Netzwerken bewähren möge. Mehr noch: Dass ein solcher "Bluesky-Guide" als "Eule-Newsletter" durch den digitalen Äther flattert, verrät die Absicht, dafür zu sorgen bzw. dazu zu verhelfen, dass sich möglichst viele Gleichgesinnte in diesem Netzwerk einfinden. Okay, denke ich mir: Das kann ich auch! Daher hier mein Aufruf an euch, Freunde: Kommt vorbei bei Bluesky, denn was sich reimt, ist gut, und dann ist es da bald hoffentlich nicht mehr so einsam... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Was geschieht im Augenblick der Taufe Jesu durch Johannes? Angesichts dieser demütigen Geste der Liebe von seiten des Gottessohnes öffnet sich der Himmel, und der Heilige Geist offenbart sich sichtbar im Bild der Taube, während eine Stimme aus der Höhe das Wohlgefallen des Vaters zum Ausdruck bringt, der den eingeborenen, geliebten Sohn anerkennt. Es handelt sich um eine wirkliche Offenbarung der allerheiligsten Dreifaltigkeit, die die Gottheit Jesu bezeugt und daß er der verheißene Messias ist, von Gott gesandt, um sein Volk zu befreien, damit es gerettet wird (vgl. Jes 40,2). So wird die Prophetie Jesajas Wirklichkeit, die wir in der ersten Lesung gehört haben: Gott, der Herr, kommt mit Macht, um die Werke der Sünde zu vernichten, und er herrscht mit starkem Arm, um den Bösen zu entwaffnen. Aber denken wir daran, daß dieser Arm der am Kreuz ausgestreckte Arm ist und daß die Macht Christi die Macht dessen ist, der für uns leidet: das ist die Macht Gottes, die anders ist als die Macht der Welt; so kommt Gott mit Macht, um die Sünde zu vernichten.

(Benedikt XVI., Predigt zum Fest Taufe des Herrn, 13.01.2013


Ohrwurm der Woche

Thin Lizzy: Dancing in the Moonlight 

Diese Woche mal keine besondere Geschichte und keine popkulturellen Trivia, sondern einfach ein schönes Lied mit einem süßen Text – auch wenn ich bei der Zeile "I should have took that last bus home" jedesmal zusammenzucke und denke "Das muss doch 'taken' heißen!". Aber wahrscheinlich ist das irischer Slang, was weiß ich. Nicht zu verwechseln ist dieses Stück übrigens mit dem gleichnamigen Song von King Harvest, der im Jahr 2000 von der Gruppe Toploader gecovert wurde. Der ist auch schön, aber anders


Vorschau / Ausblick 

Im nächsten Wochenbriefing wird es zunächst einmal Neues zum Thema Schwarzer Gürtel in KiWoGo geben – gestern war nämlich das erste Arbeitskreistreffen in diesem Kalenderjahr, aber aus Zeit- und Platzgründen konnte ich darauf noch nicht näher eingehen. Heute Abend findet ein Konzert anlässlich des 25jährigen Bestehens einer Trommelgruppe statt, in der meine Liebste vor langer Zeit mal ca. ein halbes Jahr lang mitgespielt hat; ich hoffe, wir schaffen es, da zusammen hinzugehen. Am Sonntag werden wir wohl "ganz normal" in Siemensstadt in die Messe gehen; davon abgesehen steht noch nicht viel Besonderes im Kalender, aber ich gehe davon aus, dass wir am Mittwoch zum JAM gehen und dass ich im nächsten Wochenbriefing dann auch dazu kommen werde, zu berichten, was es bei diesem Veranstaltungsformat Neues gibt. Außerdem ist nächste Woche eine neue Ausgabe meiner Tagespost-Kolumne fällig, und alles Weitere bleibt abzuwarten...