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Montag, 28. November 2016

Gemeindezentrum mit Sakralraum

Katholisches Leben in Berlin ist eigentlich wunderbar bunt und facettenreich. So gut und wichtig es für das persönliche Glaubensleben ist, eine Ortsgemeinde als Fixpunkt und Anlaufstelle zu haben, so interessant und bereichernd kann es sein, hin und wieder auch mal andere Pfarreien zu besuchen. Ich selbst kenne - bedingt durch Wohnungs- und Arbeitsplatzwechsel und natürlich auch durch persönliche Kontakte - in Berlin ohnehin mehrere Pfarrgemeinden, denen ich mich in besonderem Maße verbunden fühle und die ich immer mal wieder gern besuche; aber hin und wieder verschlägt es mich dann auch mal wieder ganz woanders hin, und das ist dann oft besonders interessant. Über einige Erfahrungen, die ich damit beispielsweise in der Fastenzeit 2015 und während des Triduum Sacrum 2016 gemacht habe, habe ich ja schon mal geschrieben. Nun, am 1. Advent, war ich mit meiner Liebsten - aus einem besonderen Anlass persönlicher Art - in St. Lambertus im Spandauer Ortsteil Hakenfelde zur Messe. Da war ich vorher noch nie gewesen. Nicht einmal in der Nähe. Daher war es gut, dass ich mir im Vorfeld des Besuchs schon mal im Internet angeschaut hatte, wie das Gebäude von außen aussieht, denn ohne dieses Vorwissen wären wir womöglich daran vorbeigelatscht. Das Gebäude ist geformt wie ein Schuhkarton. Mit Deckel. "Weihnachten im Schuhkarton" gewinnt da eine ganz neue Bedeutung. 

Streng genommen ist St. Lambertus keine Kirche, sondern ein Gemeindezentrum mit Sakralraum. So lautet - das wurde mir jedenfalls gesagt - die offizielle Bezeichnung. Außerdem wurde ich unmittelbar vor dem Betreten des Sakralraums augenzwinkernd darauf hingewiesen, es gebe eine "streng nach kirchenpolitischem Standpunkt getrennte Sitzordnung". Nun ja: "Kirchenpolitischer Standpunkt" ist vielleicht nicht exakt die Formulierung, die ich gewählt hätte, aber als ich eintrat, sah ich auf den ersten Blick, wie diese Aussage gemeint war. 

Das muss ich jetzt wohl erklären. 


Die Orgel steht im Altarraum? - Jo. Aber das ist nicht das einzige Originelle an diesem Raumkonzept. 
Das obige Bild, das den Altarraum von St. Lambertus zeigt, ist aus der Kirchenbank heraus aufgenommen. Was man darauf nicht erkennen kann, ist, dass sich rechts an den Altarraum ein weiterer Raum für die Gemeinde anschließt - und da gibt es keine Kirchenbänke, sondern Stühle. Ohne Kniebänke. Der bestuhlte Bereich ist größer als der mit den Bänken, und ein signifikanter Teil der Messbesucher setzte sich von vornherein dorthin, obwohl in den Bänken noch Plätze frei waren. 

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der bestuhlte Bereich durch eine Faltwand abgetrennt werden kann und allem Anschein nach nur zu Sonn- und Feiertagsmessen geöffnet wird. Für Werktagsmessen reichen die Bänke aus. Umso mehr, als diejenigen Gläubigen, die Werktagsmessen besuchen, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Wert auf die Möglichkeit zum Knien legen. Denn was macht man während der Wandlung, wenn man keine Kniebank hat? Richtig: Man muss stehen. Schön ist das nicht. 

Die beschriebene Erweiterung des Raumes um den bestuhlten Bereich verlangt es vom Priester, gewissermaßen in zwei Richtungen zu zelebrieren. Die nahezu quadratische Form des Altarraums wie auch des Altars selbst macht's möglich. Man beachte im obigen Bild auch die diagonale Ausrichtung des Ambos.

Tabernakel

Muttergottesstatue, für mein Empfinden etwas hinduistisch anmutend 
Die künstlerische Ausgestaltung des Sakralraums - von Egino Weinert - gefiel mir übrigens alles in allem durchaus gut. Dass ich mit der "nach kirchenpolitischem Standpunkt getrennten Sitzordnung" nicht ganz glücklich war, ist wohl schon deutlich geworden, aber dass die Sonntagsmessen hier so gut besucht sind, dass es diese Erweiterung des Raumes braucht (und an diesem ersten Adventssonntag waren beide Abteilungen annähernd voll besetzt), kann man auch einfach erfreulich finden. 

Ausnehmend gut war die Predigt. Der Kaplan, der die Messe zelebrierte, ging auf beide Lesungen und das Evangelium des Tages ein und hob die Bedeutung der Adventszeit im Kirchenjahr hervor, die nicht einfach eine Vorweihnachtszeit sei, sondern eine Zeit der geistlichen Besinnung und Reinigung, eine Zeit zur Vertiefung des Glaubens und der Hingabe an Gott. "Wir erwarten einen hohen Gast - den König der Welt." Auch ganz praktische Anregungen dazu, wie jeder Einzelne die Adventszeit in diesem Sinne gestalten könne, fehlten nicht. Einen inspirierenderen und motivierenderen Einstieg in diese Zeit des Kirchenjahres hätte ich mir nicht wünschen können; schon allein dafür hat der Ausflug nach Hakenfelde sich gelohnt. 

Überrascht war ich, als zu Beginn der Gabenbereitung eine große Schar kleiner Kinder, zum Teil in Begleitung ihrer Eltern, in den Sakralraum strömte. Wie ich erfuhr, gibt es in dieser Gemeinde üblicherweise einmal im Monat parallel zum Wortgottesdienst ein separates Kinderprogramm ("Mini-Kirche"), im Advent jedoch jede Woche. Grundsätzlich stehe ich solchen Kindergottesdienst-Modellen eher kritisch gegenüber; zu den Gründen vergleiche man dieses Video: 


Vergessen wir an dieser Stelle nicht, dass das II. Vatikanische Konzil in seiner Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium, Nr. 56, die enge Zusammengehörigkeit von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier betont hat und daher "die Seelsorger eindringlich [ermahnt hat], sie sollen in der religiösen Unterweisung die Gläubigen mit Eifer belehren, an der ganzen Messe teilzunehmen, vor allem an Sonntagen und gebotenen Feiertagen". Und gerade an diesem speziellen Sonntag hätte ich mir eigentlich besonders gewünscht, dass die Kinder - und ihre Eltern! - auch den Wortgottesdienst mitbekommen hätten: die Segnung des Adventskranzes und Entzündung der ersten Kerze, die liturgischen Texte zum ersten Advent und nicht zuletzt auch die Predigt. Na ja. Andererseits war es aber einfach schön zu sehen, wie viele Kinder bei der "Mini-Kirche" gewesen waren und nun zur Eucharistiefeier kamen. Das freute auch den Zelebranten sichtlich. Nach der Kommunion, vor den Vermeldungen, wurde darüber gesprochen, was das Thema der "Mini-Kirche" gewesen war: Die Kinder hatten etwas über die Hl. Elisabeth von Thüringen gelernt und verteilten nun Rosen an ältere Gemeindemitglieder. Das war sehr süß. 

An den kommenden Sonntagen werden meine Liebste und ich wohl "ganz normal" in Tegel in die Messe gehen, aber da wir in dieser Gemeinde auch erst seit September beheimatet sind, wird auch das eine neue Advent-Erfahrung sein. Davon abgesehen hoffe ich, dass ich es in der diesjährigen Adventszeit auch in die eine oder andere Werktagsmesse schaffe. Nach Möglichkeit auch mal in eine Rorate-Messe. Je nachdem, wie die Messzeiten in den einigermaßen wohnortnahen Kirchengemeinden gestaltet sind, wird es wohl auch dabei wieder einige neue Orte zu entdecken geben. Seien wir gespannt! 


2 Kommentare:

  1. Die Wortschöpfung "Mini Kirche" drückt passend aus, was in den "sakralen Räumen" hierzulande geschieht. Und das ist nicht auf die Körpergröße der minimalistisch versammelten Gläubigen gemünzt. Das kann süß sein, wird aber auf Dauer nicht schmecken.

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  2. Fairerweise gehört zu dem oben geschriebenen die Information, dass der "Sakralraum" beim Bau als Übergangslösung gedacht war. Neben dem Gemeindezentrum liegt eine große Freifläche, auf der die rege und vitale Lambertus-Gemeinde eine Kirche bauen wollte. Diese Planung ist inzwischen nicht mehr aktuell, aus verschiedenen Gründen wie anderswo auch. In absehbarer Zeit errichtet diue Pfarrei dort den Neubau für ihr Altenheim St. Elisabeth, bis jetzt in der nahen Waldsiedlung.

    Die "nach kirchenpolitischem Standpunkt getrennten Sitzordnung" ist leider krude Polemik. Der Gemeindesaal als Erweiterungsmöglichkeit des Gottesdienstraumes war nicht programmatisch, sondern pragmatisch für die Zeit bis zum Kirchbau gedacht. Und über die für den Raum gut passende Orgel mit vielen Spiel- und Klangmöglichkeiten auf begrenztem Raum ist die Gemeinde übrigens sehr glücklich.

    Der fremde Blick von Newcomern kann erfrischend sein. Er kann aber auch verletzend sein, wenn er so vom hohen Ross herabkommt wie das oben zu Lesende.

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