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Montag, 29. November 2021

Spandau oder Portugal #1 (1. Woche im Advent)

"Ist es dazu gekommen, dass wir nach Afrika reisen?", fragte unsere vierjährige Tochter neulich aus heiterem Himmel, und das fand ich schon von der Formulierung her ganz entzückend; aber die Antwort lautet trotzdem Nein, bis auf Weiteres jedenfalls. Was wir zu dem Zeitpunkt, als Bernadette diese Frage aufwarf, tatsächlich vorhatten, war, für ein paar Tage nach Altötting zu reisen, und das ist ja, von Berlin aus gesehen, fast schon Afrika; aber auch dazu ist es nicht gekommen. Na, erst mal der Reihe nach: 

Option Spandau (im engeren Sinne): Im Prinzip lag es auf der Hand, dass wir, um unsere Fühler in Richtung Spandau auszustrecken, erst mal dort zur Messe gehen sollten. Die erste Gelegenheit dazu wäre eigentlich am 32. Sonntag im Jahreskreis, dem 7. November, gewesen, aber da unsere Große am Tag zuvor ziemlich erkältet gewesen war, hielten wir es doch für besser, zu Hause zu bleiben. Am Sonntag darauf schafften wir es aber -- und zwar gingen wir nach Hakenfelde in die St.-Lambertus-Kirche, eigentlich "nur" ein "Gemeindezentrum mit Sakralraum" (ich habe schon mal was darüber geschrieben). Ich war ein bisschen angespannt, da ich die Befürchtung hatte, der Trip nach Hakenfelde werde uns lediglich demonstrieren, dass es woanders auch nicht besser sei als in unserer bisherigen Gemeinde. Diese Sorge erwies sich vom ersten Moment an als unbegründet. Die Frau am Einlass begrüßte uns freundlich, erkannte natürlich gleich, dass wir nicht zum festen "Stamm" der Gemeinde gehörten, und bot uns ein Exemplar des aktuellen Pfarrbriefs an; am Eingang zum Gottesdienstraum gab es nicht nur einen Handdesinfektionsmittel-, sondern auch einen (kontaktlosen) Weihwasserspender; von der Gemeinde ernteten wir, und besonders unsere Kinder, freundliche Blicke, und die Messfeier selbst war, von den drei Messdienern (zwei davon Mädchen) über Inhalt und Vortrag der Predigt bis hin zum feierlichen Ernst des Zelebranten beim Eucharistischen Hochgebet eine ganz andere Liga als das, was wir aus unserer Wohnortpfarrei gewohnt sind. 

Im Prinzip wären wir daher am nächsten Sonntag - Christkönig - gleich wieder dorthin gegangen, aber da unsere Große einen Erkältungs-Rückfall hatte und ich selbst mich gesundheitlich ebenfalls etwas angeschlagen fühlte, klappte es doch nicht. Was natürlich umso bedauerlicher war, als es bis auf Weiteres der letzte Sonntag ohne "2G"-Regel in den Kirchen war. In der Kirche "Maria, Hilfe der Christen" am Rande der Spandauer Altstadt war am Nachmittag des Christkönigssonntags Eucharistische Anbetung und Vesper, da wäre ich eigentlich auch gern hingegangen, aber auch das klappte leider nicht. 

Natürlich gibt es in Spandau noch mehr Kirchen, aber mein Hauptinteresse im Rahmen der "Option Spandau" gilt zum gegenwärtigen Zeitpunkt doch dem Gemeindezentrum in Hakenfelde. Das Gebäude sieht zwar, wie Rod Dreher sagen würde, ein bisschen aus wie "Unsere Liebe Frau von der Pizza Hut", aber irgendwie hat es was -- und es würde mich doch sehr interessieren,  was es da außer dem Gottesdienstraum noch so an Räumlichkeiten gibt. Ein großes Gartengelände gibt es obendrein. Ich könnte mir vorstellen, dass man da so allerlei Aktivitäten entfalten könnte -- wenn auch vielleicht erst im nächsten Frühjahr, wenn die Coronavirus-Saison vorbei ist. 

Ganz im Westen des Bezirks Spandau liegt der Ortsteil Staaken, und dort wurde Ende Januar die evangelische Zuversichtskirche - ein mit Ziegeln verblendeter Stahlbeton-Skelettbau aus dem Jahr 1966 - entwidmet. Wie bei vielen Betonkirchen aus den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ist die Bausubstanz marode, aber das ist wohl nicht der einzige Grund für den Beschluss, die Kirche abzureißen: "Auf dem Grundstück soll in den kommenden drei Jahren das neue Zentrum des Quartiers rund um die Louise-Schroeder-Siedlung entstehen", erfährt man im Tagesspiegel - "mit Kita (90 Plätze), Saal für 150 Leute, Andachtsraum und Stadtteil-Café." Pfarrer Cord Hasselblatt wird mit der Aussage zitiert: "Auch wenn diese Veränderung Trauer auslöst, so ist sie doch auch Zeichen für die Lebendigkeit unserer Gemeinde." Na sicher. "Vermutlich im Sommer 2021", so hieß es im Januar, solle "der Rückbau des bisherigen Ensembles beginnen und im Frühjahr 2022 der erste Spatenstich für den Neubau stattfinden". Darüber, wie weit die Arbeiten inzwischen tatsächlich sind, bin ich nicht auf dem neuesten Stand, zumal neuere Artikel des Tagesspiegels zu diesem Thema durchweg hinter der Bezahlschranke liegen. Aber ich werde mal versuchen, die Sache im Auge zu behalten. Die Kirchenglocken, so hört man, sollen in Tansania eine neue Heimat finden; und wie man auf der Website der ev. Kirchengemeinde Staaken erfahren kann, soll ein "Re-Use des Naturstein-Fußbodens in der Zuversichtskirche"  sogar "das Leben indischer Kindersklaven verbessern". Wie das? "In Kirche, Foyer und Sakristei am Brunsbütteler Damm sind auf 320 qm Naturstein aus Bayern verlegt. [...] Dieser ist für den Wiedereinbau im Neubau vorgesehen. Durch diese Maßnahme können wir einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und gleichzeitig verhindern, dass in unserem Neubau - ggfs. sogar unwissentlich - Bodenbelag verbaut wird, der mit Kinderarbeit geschlagen wurde. Wie es leider viel zu häufig der Fall ist." Kannste dir nicht ausdenken. 

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(im erweiterten Sinne) Wie vorige Woche bereits angedeutet, muss sich die "Option Spandau" aber ja nicht zwingend in Spandau abspielen, oder zumindest nicht ausschließlich dort. Und auch wenn es, gerade nach den oben geschilderten ersten Eindrücken, in mehr als einem Sinne naheliegend erscheint, bis auf Weiteres (und soweit die Coronaregeln es erlauben) in Spandau, und zwar vorzugsweise in diesem Gemeindezentrum in Hakenfelde, zur Messe und zu Anbetung zu gehen, und es sicherlich wünschenswert wäre, auch unsere diversen Laienapostolats-Initiativen zumindest zum Teil dorthin zu verlegen, gibt es für Letzteres durchaus auch noch andere denkbare Anlaufstellen in Wohnortnähe. Sofern es "nur" - oder jedenfalls vorrangig - darum geht, einen Raum zur Verfügung gestellt zu bekommen, in dem wir beispielsweise den Krabbelbrunch bzw. kindergartenfrei-Spieltreff und/oder evtl. auch das Büchereiprojekt weiterführen könnten, bin ich durchaus gewillt, auch mal bei anderen christlichen Konfessionen anzuklopfen, von denen es allein in Tegel eine ganze Reihe gibt. Okay, zu den Adventisten würde ich nicht gehen - irgendwo gibt es ja doch Grenzen -, aber ganz in der Nähe gibt es auch noch eine neuapostolische und etwas weiter weg eine methodistische Gemeinde, und nicht zuletzt hat auch die (zur EKBO gehörende) Evangelische Kirchengemeinde Tegel-Borsigwalde ohne Zweifel mehr Räumlichkeiten als Leute, die diese nutzen wollen. Und zu guter Letzt gibt es in Borsigwalde noch die - ich sag' mal - "afro-charismatische" Akebulan-Gemeinde. Auf die bin ich ehrlich gesagt am neugierigsten. Wie dem auch sei, ich denke, dass von all diesen Gemeinden in den kommenden Wochen noch verschiedentlich die Rede sein wird. 

Auch da ist aber natürlich zu bedenken, dass es schwierig werden dürfte, mitten in der Coronasaison neue Initiativen zu starten. Schon vor der jüngsten Maßnahmenverschärfungswelle hatte ich mich mal auf den Websites der genannten Gemeinden umgesehen um festgestellt, dass die Corona-Regeln überall unterschiedlich sind, aber - womit ich nicht gerechnet hätte - anscheinend gerade bei den kleineren Konfessionen (sprich: Freikirchen) tendenziell strenger als (bis dahin) in den "Großkirchen". Wie mag das kommen? Ist man dort besorgter um die Mitgliederbasis, oder liegt es eher daran, dass im Verhältnis zur Größe der Räume mehr Leute zum Gottesdienst kommen und es deshalb schwieriger ist, Abstand zu halten? Wie auch immer, irgendwie hätte ich gerade den Freikirchen mehr Gottvertrauen zugetraut. 

Ein Indiz dafür, dass an der letzteren Einschätzung doch was dran sein könnte, stellt diese Website dar, auf die ich via Facebook aufmerksam gemacht wurde. Unter der Überschrift "Wir bekennen uns zur freien Ausübung des Gottesdienstes - für alle Menschen" heißt es kämpferisch, aus "theologischen und gewissensbedingten Gründen" sei es "unter keinen Umständen" zu akzeptieren, "dass ein G-2-Status (geimpft, genesen) oder ein G-3-Status (geimpft, genesen, getestet) zur Bedingung für die Teilnahme an unseren Gottesdiensten gemacht wird": "Eine solche Forderung würde sowohl dem biblischen Mandat als auch der jahrtausendealten kirchengeschichtlichen Erfahrung in Notzeiten diametral widersprechen und das jedem zustehende Grundrecht auf freie Religionsausübung massiv angreifen." Eine ausführliche Erklärung mit dem Titel "Gott schließt niemanden aus – wir auch nicht!" wird als PDF-Datei zum Download angeboten. Initiator der Aktion ist laut Impressum Peter Dridiger, Gemeindeältester der Freien evangelischen Bibelgemeinde Lage; angeschlossen haben sich dem Aufruf u.a. die Elia-Gemeinde Lippe, die Gemeinde "Treffpunkt Hoffnung" Golßen, die Deutsche Gemeinde-Mission e.V., die Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen e.V., die Evangelisch-Reformierten Baptisten Frankfurt, die Gemeinde "Licht und Leben" Hamburg, das Missionswerk "Voice of Hope" der Reformierten Baptistengemeinde Reichshof, die Bibelgemeinde Pforzheim, der Christliche Gemeinde-Dienst, die Lukas-Schriftenmission und die Evangeliums-Christengemeinde Heilbronn. Dass unsere öffentlich-rechtlichen Großkirchen in dieser Aufzählung mit Abwesenheit glänzen, ist durchaus erwartungsgemäß und spricht für sich; aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben: "Jede Kirche oder Gemeinde kann sich an dieser Aktion beteiligen", liest man in der Menüleiste. "Kontaktiere uns einfach und wir helfen dir weiter wie du es tun kannst." 
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Option Portugal (im engeren Sinne): Hier gibt es noch nicht viel Neues. Nein, wir haben derzeit keine konkreten Pläne für eine Auswanderung nach Portugal. Allerdings erzählte mir meine Liebste unlängst beim Frühstück, sie habe geträumt, wir würden als Selbstversorger in Portugal leben -- mit vier Kühen: "Kühe sind schließlich Herdentiere, und weniger als vier wären keine Herde." Sie habe sich allerdings, so erzählte sie weiter, schon im Traum gefragt, "was wir eigentlich mit der ganzen Milch machen, und ob ich wirklich den ganzen Tag damit beschäftigt sein will, Käse zu machen -- ich hab' schließlich auch noch was anderes zu tun." Was sie indes nicht davon anhielt, anschließend darüber zu sinnieren, dass man ja vielleicht auch Ponys halten und damit vielleicht über Reitbeteiligungen sogar Einnahmen generieren könnte. (Auf Twitter schrieb ich vor einiger Zeit mal, als Geschäftsmodell Reitbeteiligungen an das Zaunstreichen bei Tom Sawyer; die Reaktionen, die ich für diesen Tweet erntete, zeigten mir, dass ziemlich viele Leute intuitiv verstanden hatten, wie ich das meinte.) 

Und dann habe ich unlängst in der Pfarrhausküche unserer bisherigen Gemeinde diesen Teller entdeckt... 

...und frage mich nun, ob das womöglich ein Zeichen sein soll. 

Wenn man sich mit dem Gedanken an Auswanderung trägt, sollte man natürlich auch und nicht zuletzt an die Kinder denken; und wer meinen Blog schon länger verfolgt, für den wird es vielleicht keine gar so große Überraschung sein, dass ich es durchaus als einen Vorteil des Lebens im Ausland ansehen würde, dass meine Kinder nicht in in Deutschland zur Schule gehen müssten. Oder überhaupt zur Schule gehen. -- Auf Unverständnis gegenüber dieser Einstellung bin ich gefasst. Obwohl die Schulpflicht in Deutschland, wie ich nicht müde werde zu erwähnen, in ihrer bis heute gültigen strikten Form von den Nazis eingeführt wurde, und obwohl ihre praktische Durchsetzung zunächst unter Fridays for Future und dann vor allem unter den Corona-Lockdowns einigermaßen gelitten hat, gilt sie immer noch weithin als eine positive Errungenschaft, und diese Auffassung wird gern untermauert durch diffamierende Vorurteile gegen Homeschooling. Seine Kinder zu Hause unterrichten, statt sie zur Schule zu schicken, das würden - wenn es denn erlaubt wäre - doch nur Flache-Erde-Kreationisten und homophobe Nazis tun, und überhaupt würden die Kinder dadurch zu sozial inkompetenten, weltfremden Waldschraten erzogen. -- Solche Vorurteile gibt es freilich nicht nur in Deutschland, sondern durchaus auch in Ländern, in denen es Homeschooling sehr wohl gibt und wo folglich die Möglichkeit besteht, diese Vorurteile empirisch zu überprüfen. Tut man das, stellt sich heraus, dass sie (...Trommelwirbel...) NICHT den Tatsachen entsprechen. Im Gegenteil. Eine neue Studie der Harvard-Universität hat ergeben, dass aus Kindern, die zu Hause unterrichtet werden, überdurchschnittlich zufriedene und sozial gut integrierte Erwachsene werden, die sich gegenüber den Absolventen öffentlicher Schulen durch eine signifikant höhere Versöhnungsbereitschaft und höhere Bereitschaft zu gemeinnützigem Engagement auszeichnen. Dass sie zudem signifikant religiöser sind, passt in gewisser Weise eher zum gängigen Klischee, und nicht jeder wird das als etwas Gutes ansehen; aber ich schon. -- Aber ist Homeschooling in Portugal überhaupt möglich bzw. erlaubt? -- Die Antwort lautet Ja
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(im erweiterten Sinne) Andererseits haben meine Liebste und mich so einige Reaktionen auf meinen Preview-Artikel erreicht, die darauf hinwiesen, dass die Option "ganz woanders hingehen" ja nicht unbedingt gleich "Portugal" bedeuten müsse. Insbesondere mit Blick auf die Idee, am Camino Portugues eine Pilgerherberge zu eröffnen, regte eine befreundete #BenOpperin aus Norddeutschland an, es müsse ja nicht unbedingt der Jakobsweg sein: Alte Pilgerwege gebe es schließlich so ziemlich überall in Europa. Und das stimmt natürlich. Der aktuellen MediZini, die unsere Tochter neulich in der Apotheke geschenkt bekommen hat, liegt ein "Wissens-Poster Leben im Mittelalter" bei, dem man u.a. entnehmen kann: 

"Pilger [...] wandern zu einem der vielen Orte, wo es Reliquien gibt. Reliquien sind zum Beispiel die angeblichen Knochen von Heiligen oder Splitter aus dem Kreuz Christi." 

In unmittelbarer Nähe unseres derzeitigen Wohnorts etwa verlief einst ein Pilgerweg zu den Wunderbluthostien von Wilsnack. Leider sind die Wunderbluthostien im Zuge der Reformation zerstört worden, weshalb Versuche, den Pilgerweg nach Wilsnack wiederzubeleben, eher wenig aussichtsreich erscheinen. 

Aber auch jenseits der Pilgerherbergen-Idee wurden so einige Ideen und Anregungen an uns herangetragen, wo wir hingehen und was wir da machen könnten, und ich empfinde es als ausgesprochen ermutigend, innerhalb von nur einer Woche schon so viel interessantes Feedback bekommen zu haben. Teilweise beinhaltete das sogar konkrete Hinweise auf geeignete Immobilien. Ja, okay, in einer solchen Diskussion fiel irgendwann der Satz "Und wo bekommen wir jetzt die 1-2 Millionen her?". Das ist, zugegeben, keine ganz so leicht zu beantwortende Frage. Aber dann wiederum denke ich mir, na ja, sooo furchtbar viel Geld ist das ja nun auch wieder nicht. Das mag komisch klingen, besonders wenn es von jemandem kommt, der noch letzte Woche laut darüber nachdachte, wie er es anstellen könne, mit seinem Blog 500 € im Monat zu verdienen (eine Frage, die nach wie vor aktuell ist). Aber wie ich vor längerer Zeit schon mal schrieb: "Trotzdem bin ich der Meinung: Wären wir erst mal so weit, dass nur noch das Geld fehlt, dann würde das Geld schon irgendwo her kommen." Oder wie Peter Maurin, der Mitbegründer der Catholic Worker-Bewegung, zu sagen pflegte: "In der Geschichte der Heiligen wurde Kapital durch Gebet aufgebracht. Gott sendet dir, was du brauchst, zu der Zeit, wenn du es brauchst. Lies einfach die Lebensgeschichten der Heiligen." 

Vor einigen Monaten war in den Linktipps meiner "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" ein paarmal von einem ambitionierten Siedlungsprojekt in Texas die Rede, wo unter dem schönen Namen "Veritatis Splendor" ein eigenes Städtchen für glaubenstreue Katholiken entstehen soll. Nun gibt es Neuigkeiten, allerdings keine guten. Die bisherige Leiterin des Projekts, Kari Beckman, ist von ihrem Posten zurückgetreten, nachdem bekannt geworden ist, dass sie eine außereheliche Affäre gehabt hat -- mit dem Leiter der Anti-Abtreibungs-Organisation "Texas Right to Life", Jim Graham, der dem Verwaltungsrat der von Beckman geleiteten Regina Caeli Academy angehörte und nun nicht mehr angehört. Sowohl Beckman als auch Graham sind verheiratet, nur eben nicht miteinander. Dass das Ganze keine gute Werbung für ein Projekt ist, das sich ausdrücklich als Refugium vor dem sittlichen Verfall der säkularen Gesellschaft präsentiert, liegt auf der Hand. Womöglich noch gravierender ist indes der Vorwurf, Beckman habe finanzielle Mittel ihrer Regina Caeli Academy für das Projekt Veritatis Splendor und/oder sogar für private Zwecke zweckentfremdet.

Der Artikel ist sehr lang, und ich habe ihn nicht zu Ende gelesen, unter anderem auch deshalb nicht, weil ich irgendwann den Eindruck gewann, dass die Verfasser in ihrem Bemühen, die Initiatoren von Veritatis Splendor in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken, eine etwas übertriebene Akribie an den Tag legen; weniger wäre da mehr gewesen, ganz zu schweigen von einem gewissen Aroma von Häme und Böswilligkeit, das das Ganze durchweht. Was das angeht, sehe ich insgesamt schon seit einiger Zeit bedenkliche Tendenzen in Simcha Fishers von mir früher sehr geschätztem Blog. Aber das ändert natürlich nichts daran, dass man Hinweise auf finanzielle und spirituelle Missbräuche in "frommen Kreisen" ausgesprochen ernst nehmen sollte. 

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Was es sonst Neues gibt: Ein beherrschendes Thema der zurückliegenden Wochen war natürlich die Frage "Wie lassen wir unser bisheriges Engagement in der örtlichen Pfarrgemeinde geordnet auslaufen, statt einfach alles stehen und liegen zu lassen?" Diese Frage stellte sich bereits an Allerseelen -- das war ein Dienstag, da hätten wir also normalerweise Lobpreis in der Pfarrkirche gehabt, aber andererseits war eben auch Allerseelen, und da war für 18 Uhr ein Requiem angesetzt -- weshalb unsere Lobpreisandacht, die regulär um 17:30 Uhr begonnen hätte, kurzerhand aus dem Wochenplan gestrichen worden war, und zwar ohne Rücksprache mit uns. Auch ein aussagekräftiges Indiz für die Wertschätzung, die unserer Arbeit in dieser Gemeinde entgegengebracht wird bzw. wurde. Wir erwogen zunächst, die Lobpreisandacht kurzerhand nach St. Joseph oder, passend zu Allerseelen, auf einen der umliegenden Friedhöfe zu verlegen, aber letztlich erwies sich das alles als nicht praktikabel, und wir hielten die Andacht zu Hause ab. War schön und so intensiv wie schon lange nicht mehr. Tags darauf - am Gedenktag des Hl. Martin von Porres (des "anderen St. Martin", wie ich ihn in einem für die November-Ausgabe der "Lebendigen Steine" geplanten Artikel hätte nennen wollen, der nun aber wohl bis nächstes Jahr wird warten müssen) - wäre eigentlich Vesper dran gewesen, aber trotz eines Beschlusses des Lokalausschusses vom 27. August (!) stand auch dies nicht im Zelebrationsplan. Unter normalen Bedingungen hätte ich die Vesper wohl trotzdem gehalten, aber da an diesem Tag meine Schwiegermütter zu Besuch kamen und uns zum Essen einluden, verzichtete ich darauf. 

Ebenfalls an Allerseelen hatte ich übrigens per E-Mail meinen Rücktritt aus dem Pfarrgemeinderat erklärt. Abgesehen davon, dass ich später am selben Tag auf dem Kirchengrundstück flüchtig dem Pfarrer begegnete, der mir knapp mitteilte, er habe das zur Kenntnis genommen, erreichten mich vorerst keinerlei Reaktionen auf diesen Schritt. Oder doch: Nach rund zweieinhalb Tagen erhielt ich eine Mail von einem Gemeindemitglied, das bemerkenswerterweise gar nicht auf der Adressatenliste meiner Mail gestanden hatte. (Wie die Informationskanäle in dieser Gemeinde funktionieren, habe ich nach fünf Jahren immer noch nicht herausgefunden.) Jedenfalls war es eine recht wohlwollende und verständnisvolle Antwortmail: Der Verfasser teilte mir mit, er sei vor Jahren auch mal im Pfarrgemeinderat gewesen und habe sich da ebenfalls über Vieles geärgert. 

Die Lobpreisandacht am 9. November (Weihetag der Lateranbasilika) hätte ich an sich ganz gern gehalten, aber irgendwie fügte es sich nicht recht in die Organisation des Tagesablaufs mit Kindern, Einkaufen, Kochen usw. ein, und wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich auch schlicht keinen Bock, bei der Andacht Leute zu treffen, die womöglich anschließend noch zum Bibelteilen wollten (bzw. zu dem, was der volkskirchlich geprägte deutsche Christ fälschlicherweise unter Bibelteilen versteht, aber dazu vielleicht ein andermal mehr). Ersatzweise hielt ich am Mittwochnachmittag, während Frau und Kinder beim "Omatag" waren, eine kleine Solo-Andacht in St. Joseph. Eigentlich hatte ich das in Herz Jesu machen wollen, aber da waren, als ich um 15 Uhr die Kirche betrat, irgendwelche Leute auf der Orgelempore und unterhielten sich in recht ungedämpfter Lautstärke miteinander, also trollte ich mich wieder. -- Die Solo-Andacht in St. Joseph war jedenfalls ausgesprochen wohltuend; so sehr, dass ich auch an den nächsten beiden Oma-Tagen wieder eine abhielt. Aber auch den Dienstags-Lobpreis in Herz Jesu hielt ich schließlich doch noch zweimal ab, am 16. und am 23. November, und beide Termine waren sogar vergleichsweise gut besucht. Aber kehren wir zurück zur chronologischen Reihenfolge: 

Am 11.11. fand in Tegel ein ökumenischer St.-Martins-Umzug statt, da gingen wir mit den Kindern natürlich hin; die Veranstaltung war ausgesprochen gut besucht, und natürlich trafen wir dabei einige Leute aus der Pfarrgemeinde, aber auch einige andere Bekannte, und insgesamt war es eigentlich ziemlich nett. Am darauffolgenden Samstag gingen wir noch zu einem weiteren St.-Martins-Umzug, im benachbarten Statdtteil Borsigwalde; die besondere Attraktion dort war, dass der von einem Mädchen dargestellte St. Martin auf einem echten Pferd ritt. Unsere Große schlief auf dem Weg zum Ort des Geschehens im Bollerwagen ein, aber ich weckte sie, als ich eine Gelegenheit ergab, das Pferd zu streicheln. -- Zwischen diesen Terminen fand eine Vorstandssitzung des Vereins "Freunde der katholischen Kirche Herz Jesu Tegel e.V." statt, dessen Vorsitzende meine Liebste (noch) ist; sie gab in dieser Sitzung ihre Absicht kund, den Vorsitz abzugeben, ließ sich aber dazu überreden, noch solange im Amt zu bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist -- damit der Verein geschäftsfähig bleibt. Da kann man mal sehen, dass meine Liebste in manchen Dingen doch kompromissbereiter ist. Ich hätte mich darauf nicht eingelassen. 

Und dann noch das Altötting-Drama. Eigentlich hätte ja am Christkönig-Wochenende in Altötting der Adoratio-Kongress stattfinden sollen, und unsere Pastoralreferentin hatte schon vor Monaten die Idee gehabt, eine gemeinsame Fahrt dorthin zu organisieren. Es gab in den Reihen der Pfarrei auch einige Interessierte, von denen rund die Hälfte aus unterschiedlichen Gründen aber nach und nach wieder absprang; schließlich waren außer der Pastoralreferentin selbst wie meine Familie übrig. Und dann wurde der Adoratio-Kongress abgesagt. -- Ich weiß, ich weiß: Offiziell fiel der Kongress nicht aus, sondern "fand online statt". Aber mal ehrlich, dieses ganze Gerede von "Online-Veranstaltungen" anstelle von "Präsenzveranstaltungen" ist doch Bullshit.  Sich ein paar Vorträge im Livestream anzusehen oder zu -hören, ist keine Teilnahme an einer Veranstaltung. Lasst euch nicht verarschen, Leute. Also, der Kongress fiel aus. Nun schlug unsere Pastoralreferentin vor, man könne ja trotzdem wie geplant nach Altötting fahren, und damit waren auch alle Beteiligten einverstanden; aber wenige Tage bevor es losgehen sollte bekam die Pastoralreferentin doch Bedenken wegen der frisch aktualisierten Corona-Vorschriften des Erzbistums für von Hauptamtlichen verantwortete Gemeindeveranstaltungen, und das Ende vom Lied war, dass die "Wallfahrt" nur unter 2G stattfinden durfte. Und damit waren wir raus. Wir hätten zwar - zumal wir das Bahnticket sowieso selbst gekauft hatten - "privat" nach Altötting fahren können, hätten dort dann aber keine Unterkunft gehabt. Na, schönen Dank auch. 

Und am vergangenen Freitag waren wir dann zum wohl letzten Mal bei einer Sitzung des Lokalausschusses. Aber das hätten wir uns im Grunde sparen können. Unser Anliegen war eigentlich gewesen, in der Sitzung zur Diskussion zu stellen, ob und inwieweit die von uns angestoßenen Projekte und Veranstaltungsreihen in der Gemeinde auch ohne uns weitergeführt werden könnten. Aber das Interesse daran, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, war erkennbar begrenzt. Man hatte Wichtigeres zu tun, z.B. den Aufbau der Weihnachtsdekoration zu planen. Davon abgesehen ist es in den letzten Tagen immer deutlicher geworden, dass die tonangebenden Leute in der Gemeinde, Haupt- wie Ehrenamtliche, sich durch unseren Rückzug aus der Gemeindearbeit persönlich angegriffen und ungerecht behandelt fühlen. Aber auch das ist ja charakteristisch für Mobbing: Wenn die Opfer nicht mehr mitmachen wollen, gelten sie als Spielverderber. Na ja, ein Andermal mehr dazu. 

Zum Schluss ein nicht mehr ganz taufrischer Twitter-Fund: ein Kummerkasten-Beitrag aus dem linksliberalen Magazin Slate, von dem man eigentlich hoffen würde, es handle sich um Satire, aber ich befürchte, der ist echt. Worum geht's? -- Die Vertrauensbasis zwischen einer Mutter und ihrer elfjährigen Tochter ist schwer belastet, nachdem das Mädchen an einem Abend, an dem beide Eltern (die Mutter schreibt wörtlich "her other parent and I") aus dem Haus waren, eine Freundin zu sich eingeladen hat. Als die Eltern nach Hause kamen, saßen die Tochter und ihre Freundin zusammen auf der Couch - ohne Abstand, ohne Maske!! - und aßen Chips aus derselben Schüssel. Horror! Die Freundin wurde natürlich sofort nach Hause geschickt, die Tochter musste zwei Wochen lang in ihrem Zimmer bleiben, das Haus wurde gründlich geputzt und gelüftet, und so ist glücklicherweise niemandem etwas zugestoßen - auch den Eltern nicht, die, wie nebenbei erwähnt wird, beide geimpft sind und trotzdem andere Leute nur mit Abstand und Maske treffen -, aber die Frage bleibt: WIE KONNTE DAS MÄDCHEN ETWAS SO FURCHTBARES TUN??!!?? -- Man muss anerkennen, dass die Kummerkasten-Mitarbeiterin Stacia L. Brown sich bemüht, die verstörte Mutter zu besänftigen; allerdings nur in Hinblick auf die Frage, ob die Mutter ihrer Tochter nach diesem Fehltritt jemals wieder vertrauen könne. Die Berechtigung und Angemessenheit der Maßnahme, das Kind nach diesem Couch-und-Chips-Vorfall zu zwei Wochen Stubenarrest (pardon, ich meine natürlich "Quarantäne") zu verdonnern, wird nicht im Geringsten in Frage gestellt. -- In gewisser Weise scheint es mir recht bezeichnend, dass es vorrangig eine sich selbst als liberal, aufgeklärt und antiautoritär verstehende Klientel ist, die in der aktuellen Lage komplett die Nerven und das Maß verliert. Aber diesen Gedanken näher auszuführen, überlasse ich meinen Lesern gern selbst. 
(Nicht ganz ausschließen kann ich, dass die Zuschrift satirisch gemeint ist und die Kummerkastenredaktion das schlicht nicht gemerkt hat. Was aber ja auch schon einiges aussagen würde.) 

Ohrwurm der Woche: Beautiful South, "Rotterdam (or Anywhere)" (1996) 


Den Song für die erste Folge von "Spandau oder Portugal" auszuwählen, fiel nicht schwer, denn der Songtitel klingt schon von der Sprachmelodie her einigermaßen ähnlich wie der neue Wochenbriefing-Reihentitel, und von der Stimmung her passt's auch irgendwie. Typisch für den Stil von The Beautiful South ist ja die Kombination von bitter-sarkastischen Texten und schwungvoller, fast heiterer Musik, aber dieser Text ist lange nicht so finster wie manch ein anderer von dieser Band und erscheint mir daher noch vertretbar. 

Aus der Lesehore: 

Jesus kam, weihte die Wüste durch sein vierzigtägiges Fasten und bestimmte sie für die Buße. Dort wurde er versucht und besiegte die Bosheit des Versuchers. Wer seitdem in die Wüste flieht, braucht nicht mehr die Nachstellungen des Feindes zu fürchten, sondern hat am Ort des Schreckens eine sichere Zuflucht und findet in der Einsamkeit eine wohnliche Stadt. Jesus, der in der Wüste fastete, speiste dort die Volksscharen und spendete freigebig das Manna, das Brot der Engel. So sollen sie das Erbarmen des Herrn preisen, und die Menschen, die Christus in die Wüste folgen, sollen nicht länger verzweifeln und fragen: "Was sollen wir essen, was sollen wir trinken?". Er, der die erschöpfte und hungernde Seele mit Gütern sättigt, der "dem Vieh seine Nahrung gibt und den jungen Raben, die zu ihm schreien", er wird auch die Seele, die sich Christus durch die Verpflichtung des Gelübdes und durch das Band der Profeß verlobt hat, in der Einsamkeit nicht einsam lassen. 

(Peter von Blois, Predigt zum Advent)  


Montag, 22. November 2021

Preview: Das neue Wochenbriefing kommt...

...und zwar kommt es pünktlich zum Advent, also ab nächster Woche. Dies hier ist also quasi die "Nullnummer" der neuen Serie -- ein Vorschauartikel, um meine geschätzten Leser darauf einzustimmen, was sie hier zukünftig erwartet und was sich gegenüber der bisherigen wöchentlichen Reihe "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" ändert. Und dazu gehört es natürlich auch und sogar vorrangig, die Umstände zu erläutern, die mich zur Eröffnung einer neuen Wochenbriefing-Reihe veranlasst haben. Beginne wir also mit der altbewährten Rubrik...

Was bisher geschah: Am 28. Oktober, dem Fest der Apostel Simon und Judas, fassten meine Liebste und ich einhellig den Entschluss, die Mitarbeit in unserer Wohnortpfarrei zu beenden. Auf die Ereignisse des vorangegangenen Abends, die den unmittelbaren Auslöser für diese Entscheidung darstellten, will ich hier nicht näher eingehen, denn die waren für sich betrachtet eigentlich ziemlich banal -- und kaum der Rede wert im Verhältnis dazu, was wir in den vergangenen fünf Jahren in dieser Gemeinde an Feindseligkeit, Ablehnung und übler Nachrede haben einstecken müssen, an Be- und Verhinderung unserer Initiativen, sei es aus Desinteresse, Konkurrenzdenken, Bosheit oder auch aus purer Inkompetenz. Also, relativ gesehen ist an dem besagten Abend gar nichts Besonderes vorgefallen, aber es war eben der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es geht mir nicht um persönliche Schuldzuweisungen. Wir haben in den zurückliegenden Jahren oft gedacht, unser größtes Problem in dieser Gemeinde wäre der Pfarrer, aber das war offenbar zu kurz und zu schlicht gedacht. Zu optimistisch wohl auch, denn mit einem einzelnen Gegner, selbst wenn's der leitende Pfarrer der Gemeinde ist, kann man noch irgendwie fertig werden. Gegen ein toxisches, kodependentes Beziehungsgeflecht, das das gesamte Gemeindeleben prägt (und von dem leider zu vermuten steht, dass es weniger spezifisch für diese eine Pfarrgemeinde als vielmehr typisch für durch Mitgliederschwund und Nachwuchsmangel ausgezehrte und überalterte Strukturen ist), ist man machtlos. 

Die Entscheidung ist mir dennoch nicht leicht gefallen. Im ersten Moment dominierte das Gefühl, vor einem Trümmerhaufen zu stehen: Fünf Jahre Aufbauarbeit, oft über die Grenze der Erschöpfung hinaus, gegen allerlei Widerstände -- sollte das nun wirklich alles umsonst gewesen sein? Aber so nach und nach dämmerte mir, dass das durchaus nicht der Fall war. Wie es in der Rap-Strophe von Miriam Buthmanns "Beschützer der Welt" heißt: 

"Du bist bis hier gekommen und gewachsen mit jedem Schritt 
Und manchmal führt der Weg eben ins Nichts -- 
sagen die Andern, doch du weißt: 
Es war nur das Gegenlicht."

Meine Liebste und ich haben schließlich eine Menge gelernt in diesen fünf Jahren, haben Erfahrungen gesammelt, Fertigkeiten erworben, Ideen und Konzepte entwickelt -- auch wenn deren Umsetzung in unserer Gemeinde meist schon im Ansatz stecken blieb. Der Gedanke daran, was wir hier alles hätten bewegen können, wenn wir mal ein bisschen mehr Unterstützung bekommen hätten statt immer nur aufs Maul, führte wie von selbst zu der Erkenntnis: Wir können mehr. Wir verschwenden in dieser Gemeinde nur unser Potential. Am nächsten Tag, Freitag, kamen wir auf einem ausgedehnten Spaziergang (mit dem großen Kind im Bollerwagen und dem Baby im Tragetuch) an der Kirche St. Joseph vorbei, und da meine Liebste sowieso gerade festgestellt hatte, sie müsse unseren Jüngsten mal aus dem Tragetuch herausnehmen und stillen, gingen wir in die Kirche hinein und hielten eine spontane, improvisierte Andacht. Danach hatte ich meinen Frieden mit der Entscheidung zum Rückzug aus der Gemeindearbeit gemacht. 

Symbolbild: St. Joseph und sein treuer Luchs hüten eine Herde Rosenkohl. 

Aber wie jetzt weiter? Erst kürzlich, anlässlich meines zehnjährigen Bloggerjubiläums, hatte ich geschrieben,  meine Liebste und ich dächten

"in jüngster Zeit verstärkt darüber nach, ob es nicht allmählich an der Zeit wäre, den nächsten Schritt zu tun und mit dem schon wiederholt angedachten Projekt Ernst zu machen, mit Hilfe von Crowdfunding ein geistliches Zentrum in einem ehemaligen Pfarrhaus - oder gegebenenfalls auch in einem Resthof oder einem alten Wasserturm - aufzubauen."

Das mag nach einem etwas hoch gegriffenen Ziel aussehen, aber im Prinzip ist es das, was jetzt auf unserer Agenda steht. -- Nun haben wir allerdings den präzisen Plan, inklusive Location, Finanzierungskonzept und allen möglichen sonstigen organisatorischen Details, nicht einfach so fertig in der Schublade. Und ich bin sogar geneigt zu sagen: Das ist auch gut so. Es ist in diesem Stadium der Entscheidungsfindung wichtig, offen für die Führung des Heiligen Geistes zu bleiben -- und dafür, dass sich "etwas ergibt". Wir haben daher vorläufig zwei alternative strategische Ansätze für das weitere Vorgehen ausgeheckt, die wir, soweit möglich,  vorerst parallel verfolgen wollen, bis sich herauskristallisiert, welcher Weg der richtige ist. Schlagwortartig zusammengefasst, gibt diese Doppelstrategie auch gleich den Titel für die neue Wochenbriefing-Reihe ab, nämlich (...Trommelwirbel...): 

Spandau oder Portugal.

Was ich an diesem Begriffspaar - abgesehen von seinem reinen Klang - so mag, ist, dass beide Bestandteile gewissermaßen metaphorisch gemeint sind, aber zu einem gewissen Grad auch wortwörtlich verstanden werden können. Das muss ich jetzt wohl erklären. 

Spandau ist einfach der nächste Stadtbezirk, man kommt mit dem Bus recht unkompliziert hin und wir kennen da einen Priester. Es könnte also eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Lösung sein, bis auf Weiteres erst mal dort in die Messe zu gehen, zu sondieren, ob und inwieweit wir unsere bisherigen Gemeindeaktivitäten oder zumindest Teile davon - Lobpreisandacht, Krabbelbrunch bzw. kindergartenfrei-Spieltreff, evtl. auch das Büchereiprojekt? - in die dortige Pfarrei verlegen könnten. Zur "Option Spandau" im wortwörtlichen Sinne gehört auch, dass es dort eine sympathische freikirchliche Gemeinde gibt, die wir vor einigen Monaten eher zufällig kennengelernt haben und mit der wohl auch eine Kooperation denkbar wäre. 

Die Option, einigermaßen "wohnortnah" nach einer neuen Location (oder mehreren) für unsere Aktivitäten zu suchen, ist natürlich nicht auf den Bezirk Spandau beschränkt; wir hätten da durchaus schon ein paar Ideen, wo man diesbezüglich anfragen könnte, und zum Teil liegen die sogar diesseits der Havel, will sagen: in Tegel, Borsigwalde oder jedenfalls im Bezirk Reinickendorf. Aber im erweiterten oder "metaphorischen" Sinne gehört auch das zur "Option Spandau" -- die man folglich beschreiben könnte als: 

"Erst mal hierbleiben und so ähnlich weitermachen wie bisher, nur nicht mehr unter dem (physischen und institutionellen) Dach unserer bisherigen Pfarrei; und dann mal ganz in Ruhe schauen, was sich daraus noch so ergibt und entwickelt." 

Demgegenüber wäre die "Option Portugal" natürlich die erheblich radikalere Variante: 

"Sachen packen, Staub von den Füßen schütteln und irgendwo weit weg ein Exerzitienhaus aufmachen, oder so." 

Das müsste natürlich nicht zwingend in Portugal sein. Vor längerer Zeit haben wir auch schon mal über Costa Rica gesprochen; das ist auch ein schönes Land, die Hauptstadt heißt San José, und der Hl. Josef ist doch ein prima Schutzpatron für eine Familie, die als Familie Gott dienen will (s. Bild). Also, wenn meine Liebste eine Stelle als Lehrerin am Colegio Humboldt in San José bekäme, würde ich das auf jeden Fall gutheißen. Aber Portugal hat auch einiges für sich. Unter anderem, dass dort eine der traditionellen Hauptrouten den Jakobswegs verläuft. Da könnte man eine Pilgerherberge aufmachen und jeden Abend (zumindest in den Sommermonaten) ein Dinner mit Gott mit Gästen aus aller Welt veranstalten. 

Im Grundsatz geht die "Option Portugal" jedenfalls von der Überlegung aus, ob es überhaupt sinnvoll bzw. erfolgversprechend ist, innerhalb Deutschlands "woanders hinzugehen" -- ob man nicht damit rechnen muss, überall auf dieselben kranken und dysfunktionalen Strukturen in den Pfarrgemeinden zu stoßen, allenfalls teils mehr, teils weniger stark ausgeprägt; und ob man nicht darüber hinaus damit rechnen muss, dass im Zeichen von Schismatischem Weg, Coronapolitik und demnächst wahrscheinlich auch noch Ampelkoalition zumindest auf kurze Sicht alles noch viel schlimmer wird. Im Zuge solcher Überlegungen stieß meine Liebste vor einiger Zeit auf Twitter auf eine Diskussion darüber, wo man denn hingehen könne, wenn man's in Deutschland nicht mehr aushielte, und da gab es einige Argumente für Portugal als attraktives Auswanderungsziel. Das ist bei meiner Liebsten hängen geblieben, und deshalb heißt dieser Aspekt unserer Zukunftsplanung nun eben "Option Portugal". Obwohl meine Liebste neulich meinte: "Wir könnten natürlich auch sagen Spandau oder Spanien, Pankow oder Portugal, Costa Rica oder Charlottenburg, Ungarn oder... äh..." -- "Oder vielleicht Limburg!", warf unsere kürzlich vier Jahre alt gewordene Tochter fröhlich ein. Na ja. Kindermund tut ja manchmal überraschende Einsichten kund, aber ich denke, wenn das eine Option sein soll, dann wohl eher das Limburg mit dem Käse als das an der Lahn

Und wenn unsere jetzige Pfarrkirche mitsamt Pfarrhaus dann irgendwann für einen symbolischen Euro zum Verkauf steht, dann kommen wir zurück und kaufen sie. Vielleicht. 

Soweit, so gut. Das wesentliche Strukturprinzip für die kommende Artikelreihe "Spandau oder Portugal" stelle ich mir daher in etwa vor wie folgt: Von Woche zu Woche protokollieren, was es in Hinblick auf die "Option Spandau" und auf die "Option Portugal", jeweils im engeren und im weiteren Sinne, Neues gibt. Und daran dann jeweils weiterführende Reflexionen anschließen. Mir schwebt vor, auch die Linktipps nach diesen Kategorien zu ordnen, aber da muss ich erst noch schauen, ob sich das als praktikabel erweist. Eine Rubrik "Was es sonst noch Neues gibt" dürfte sich so oder so als unerlässlich erweisen, und auf jeden Fall erhalten bleiben die Rubriken "Ohrwurm der Woche" und "Aus der Lesehore"; da geht mir der Stoff so schnell nicht aus. 

Was auch noch erwähnt werden muss: Ich hatte diesen Vorschauartikel - und das Konzept für die neue Artikelserie mithin erst recht - schon größtenteils fertig, als mich die Mitteilung ereilte, das Erzbistum Berlin habe beschlossen, in der Advents- und Weihnachtszeit für alle Veranstaltungen, einschließlich der Gottesdienste, die "2G"-Regel einzuführen. Das hat mir erst mal ziemlich die Luft rausgelassen, und ich habe daraufhin kurz geschwankt, ob ich nicht doch lieber die Reihe "Grüße aus dem Corona-Park" wiederaufnehmen oder meine Blogpause lieber gleich bis April oder so (wenn die Coronavirus-Saison vorbei ist) verlängern sollte. Habe mich dann aber doch entschieden, bei dem oben ausgeführten Konzept zu bleiben. Sollte es in nächster Zeit wenig bis nichts im Sinne praktischer Basisarbeit zu beschicken geben, so gibt es umso mehr zu planen und Konzepte zu entwickeln. Und ich schätze mal, meine Familie und ich werden schon dafür zu sorgen wissen, dass das auch aus der Leserperspektive nicht langweilig wird. 

Und noch etwas kann an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Weiter oben fiel schon mal das Stichwort "Finanzierung", und das ist natürlich ein ernstes Thema. Dieser Blog ist kostenlos und werbefrei und soll es auch bleiben, aber ich denke dennoch verstärkt darüber nach, ob es nicht möglich sein sollte, über das Bloggen ein kleines Zubrot zu erwirtschaften. So etwa 500 Euro im Monat (über mehr würde ich mich natürlich auch nicht beschweren) würden meiner Familie schon gelegen kommen, gerade jetzt in der Elternzeit. Vielleicht hat der eine oder andere Leser ja Ideen oder sachdienliche Hinweise zu diesem Thema... Einstweilen möchte ich aber nicht vergessen zu sagen: Danke für die Gebete und die Schokolade! 

(Beispielbild.)