Montag, 12. Juli 2021

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #6 (15. Woche im Jahreskreis)

Was bisher geschah: Der Montag verlief weitgehend ohne besondere Vorkommnisse, außer dass ich im Auftrag von "Maria 1.0" den Text eines Pathé-Wochenschau-Beitrags über die Heiligsprechung Maria Gorettis ins Deutsche übersetzte. Am Dienstag machten Frau und Kinder einen Ausflug zum Trampolinland, waren aber rechtzeitig zurück, um an der Lobpreisandacht teilzunehmen, die ebenfalls im Zeichen des Gedenktags der Hl. Maria Goretti stand und diesmal recht gut besucht war. Am selben Abend auch noch zur Baumhaus-Veranstaltung "Local Projects & Personal Sustainability" zu gehen, wäre uns dann aber doch ein bisschen viel Action für einen Tag gewesen. Ist aber im Grunde nicht so schlimm, da das nur der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe war, die bis Ende des Jahres jeden Dienstag stattfinden soll; und noch besser, ab Ende Juli soll im Baumhaus auch die "Community Networking Night" wieder stattfinden. Ich bin gespannt! 

Ein weiteres Ergebnis des Dienstags war, dass der eigentlich für Donnerstag geplante Arbeitseinsatz in Sachen Büchereiprojekt kurzfristig auf Mittwoch vorverlegt wurde; somit verbrachten "mein neuer Mitarbeiter" und ich am Mittwochnachmittag rund zweieinhalb Stunden damit, Bücher zu sortieren, und erreichten damit einen, wie ich finde, durchaus achtbaren Teilerfolg: Bei der alphabetischen Sortierung der Belletristik-Abteilung (nach Autoren) sind wir bis zum Buchstaben M gekommen, der Rest des Alphabets ist grob vorsortiert, und mit der Einteilung der Sachbuchabteilung in Themengebiete haben wir immerhin schon mal angefangen. -- Anschließend ging ich in die Kirche, betete um 18 Uhr den Angelus und danach die Vesper. Am Donnerstag durfte ich dann feststellen, dass irgend jemand das Büchertauschregal im Vorraum zur Besuchertoilette der Kirche schön übersichtlich sortiert und obendrein einen kleinen Fußschemel gespendet hatte, der es kleiner gewachsenen Menschen erleichtern soll, auch an die oberste Regalreihe heranzukommen. 

Symbolbild: So habe ich mich beim Büchereiprojekt-Arbeitseinsatz gefühlt. 
(Giuseppe Arcimboldo, Der Bibliothekar, ca. 1570; gemeinfrei

Und gestern war das Fest des Hl. Benedikt, das liturgisch allerdings durch den Sonntag verdrängt wurde. In der Messe übernahm ich kurzfristig den Lektorendienst; am Nachmittag hätte es theoretisch die Möglichkeit gegeben, zur "Praystation" der Charismatischen Erneuerung zu gehen, aber die Uhrzeit war irgendwie ungünstig: mitten am Nachmittag, das zerreißt einem den ganzen Tag und man hat vorher und nachher für nichts Zeit. Irgendwann will ich da aber doch mal wieder hin. 

Was ansteht: Diese Woche wird es einiges für die "Lebendigen Steine" zu tun geben, denn der Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist schon wieder nicht mehr fern  Wenn daneben noch Zeit bleibt, hoffe ich außerdem mit der "100-Bücher-Challenge" ein bisschen weiter voranzukommen. Am Dienstag steht erneut die Möglichkeit im Raum, nach dem Lobpreis noch zu "Local Projects & Personal Sustainability" zu gehen. Könnte sich lohnen, denn diesmal gibt's da ein "Teach-In" mit Baumhaus-Co-Initiator Scott Bolden zum Thema "Dynamic Balance and the Inner Commons". Klingt obskur? Mag sein, aber mal abgesehen davon, dass ich Scott rein menschlich gesehen einfach mag, habe ich ihn als einen Menschen kennengelernt, der sehr interessante Dinge zu sagen hat; interessant auch dann, wenn man nicht unbedingt mit allem übereinstimmt. 

Am Donnerstag, dem Gedenktag des Hl. Bonaventura, steht dann die Fortsetzung des Bücherei-Arbeitseinsatzes auf dem Programm. Und sonst so? In meinem Terminkalender steht für den Rest der Woche nichts Besonderes. Noch nicht. Aber lassen wir uns mal überraschen... 

Zitat der Woche: 

Nur indem wir beständig die Werke der Liebe und des Friedens üben, können wir im Glauben, in der Hoffnung und in der Nächstenliebe wachsen. Nur indem wir uns so nähren, wie Christus es uns geboten hat - indem wie Seinen Leib essen und Sein Blut trinken -, können wir Christus werden und den neuen Menschen anziehen [vgl. Eph 4.24]

Dies sind große Mysterien. Meistens verstehen wir nicht das Geringste davon. Nur manchmal weht uns der Heilige Geist an, vertreibt ein wenig von dem Nebel und lässt uns ein bisschen klarer sehen. Unser Bedürfnis, anzubeten, zu preisen, Dank zu sagen, veranlasst uns, täglich zur Messe zu gehen, als einzig angemessene Form der Verehrung, die wir Gott darbringen können.

(Dorothy Day, "The Council and the Mass", in: The Catholic Worker September 1962. Übersetzung: T.K.) 

Linktipps: 

Winston Marshall, 33, bekannt geworden als Banjospieler in der britischen Folkrock-Gruppe Mumford & Sons, hat während des Lockdowns eine Menge Bücher gelesen -- und darüber getwittert. Warum auch nicht. Problematisch wurde es, als er ein enthusiastisches Urteil über das Buch "Unmasked" von Andy Ngo abgab. Was war da das Problem? -- "Unmasked" ist ein Enthüllungsbuch über die Antifa, und der Autor Andy Ngo gilt im mehr oder weniger ausgeprägt linken Teil der Öffentlichkeit als rechter Hetzer (auch wenn man denken könnte, als homosexueller Atheist mit Migrationshintergrund passe er nicht so ganz ins Profil eines typischen Rechtspopulisten). Und weil Marshall das Buch öffentlich gelobt hatte, stand er plötzlich - nach dem Prinzip guilt by association - selbst als rechter Hetzer da. Der Shitstorm traf Marshall hart: Dass er, weil er sich gegen die Antifa positioniert hatte, im Umkehrschluss nun ein Faschist sein sollte, erschütterte ihn nicht zuletzt auch deshalb, weil er mütterlicherseits aus einer Familie von Holocaust-Opfern stammt. Bald gerieten auch Marshalls Bandkollegen ins Kreuzfeuer, man verlangte von ihnen, sie sollten sich von ihrem Banjospieler distanzieren. 

(Wem diese ganze Geschichte irgendwie kölsch vorkommt, der hat nicht völlig Unrecht -- auch wenn ich De Höhner nun wirklich nicht mit Mumford & Sons vergleichen will; und auch sonst lief beim Rausschmiss des Höhner-Gitarristen Joost Vergoossen alles ein bisschen anders. Das nur am Rande.) 

Zunächst versuchte Winston Marshall die Wogen zu glätten, indem er sich entschuldigte. Wie man das halt heutzutage so macht, auch wenn man eigentlich nicht so genau weiß, wofür eigentlich. Ich meine: Sich dafür entschuldigen, dass man sich lobend über ein Buch geäußert hat -- was soll das eigentlich aussagen? "Ich habe meinen Irrtum eingesehen und finde das Buch jetzt doch nicht mehr gut"? Wie dem auch sei, die Entschuldigung nützte Marshall nicht viel. Für die Einen war er nun einmal als "Rechter" abgestempelt und kam aus dieser Ecke nicht mehr raus, während die Anderen ihm gerade seine Entschuldigung übel nahmen und ihm Rückgratlosigkeit vorwarfen. Marshall ging in sich und kam zu dem Schluss, dass an dem letzteren Vorwurf tatsächlich etwas dran war -- weil er nicht zu seiner Überzeugung gestanden hatte. Also wiederrief er seine Entschuldigung, und wie einst der Prophet Jona den Schiffern auf der Fahrt nach Tarschisch sagte, sie sollten ihn über Bord werfen, damit der Sturm ihr Schiff verschont, verließ er die Band. 

In einem auf dem Portal Medium veröffentlichten Essay erläutert Marshall seine Beweggründe für diesen Schritt; und ganz unabhängig davon, was man von Mumford & Sons, von Andy Ngo, dem Buch "Unmasked" oder von der Antifa halten mag, ist dieser Text ausgesprochen lesenswert. Marshall beklagt darin ein politisch polarisiertes, aggressiv aufgeheiztes Klima im öffentlichen Diskurs, das Menschen dazu verleite, ihre Überzeugungen zu verleugnen und zu verheimlichen und sich dadurch moralisch zu korrumpieren; er zitiert in diesem Zusammenhang u.a. einen Essay von Solschenizyn, und zwar just den Essay, dem auch Rod Dreher den Titel seines aktuellen Buches "Live Not By Lies" entlehnt hat. Kein Wunder also, dass auch Freund Rod auf seinem Blog auf Winston Marshalls Text hinweist und die darin zum Ausdruck kommende Haltung lobt. 

Kaum verwunderlich dürfte indes sein, dass nicht Jeder diese Haltung lobenswert findet. So veröffentlichte das linksliberale Magazin Slate einen bemerkenswert hämischen Kommentar zur causa Marshall, in dem der "wahrscheinlich erfolgreichste Banjospieler aller Zeiten" einerseits dafür verspottet wird, dass er seine Rockstar-Karriere weggeworfen habe, um ungestört rechte Propaganda twittern zu können, und andererseits hervorhebt, Anzeichen für eine "Radikalisierung" Marshalls habe es schon früher gegeben -- so etwa, dass er im August 2018 den umstrittenen Psychologen Jordan Peterson ins Tonstudio eingeladen und seinen Bandkollegen vorgestellt habe. Schlimm? Schon irgendwie, meint "Slate"-Autor Luke Winkie; schließlich vertrete Peterson "fragwürdige Ansichten über die Heiligkeit der Männlichkeit". -- Alles in allem, würde ich sagen, bildet dieser Slate-Artikel eine interessante Ergänzung zu Marshalls Essay, insofern, als er just jenes vergiftete Debattenklima illustriert, von dem Marshall spricht. 

Abschließend noch ein paar Randbemerkungen meinerseits: Dass Marshalls liebevolle Erinnerungen an seine Zeit bei Mumford & Sons sich schwerpunktmäßig auf die Zeit beziehen, bevor die Band richtig bekannt und erfolgreich wurde, mag man für klischeehaft halten, aber ich empfinde seine Schilderungen als durchaus eindrucksvoll -- und sympathisch. Humor hat der Mann auch: Mein Lieblingssatz aus seinem Essay lautet "Ich bin es gewohnt, beschimpft zu werden, schließlich spiele ich Banjo". Nicht diesem Artikel, sondern dem englischsprachigen Wikipedia-Eintrag über Winston Marshall habe ich übrigens die interessante Tatsache entnommen, dass er und Marcus Mumford sich als Teenager in der Kirche kennengelernt und zusammen in einer Lobpreis-Band gespielt haben. 

Im subtropischen Süden Floridas gibt es eine noch im Aufbau befindliche Stadt namens Ave Maria, deren Gründung wesentlich von dem katholischen Unternehmer Tom Monahan, dem Gründer der Restaurantkette "Domino's Pizza", initiiert und mitfinanziert wurde. Monaghan verfolgte den Plan einer solchen Gründung bereits seit seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben im Jahr 1998, also lange bevor jemals irgendwer das Schlagwort "Benedikt-Option" gehört hatte; 2007 war die Universität von Ave Maria fertiggestellt, die man gewissermaßen als das Kernstück des Stadtgründungsprojekts betrachten kann. Heute hat das Städtchen rund 10.000 Einwohner, außer der Uni gibt es "ein paar Restaurants, Geschäfte, Ärzte und Schulen" -- und natürlich eine Kirche, die "rund 1.100 Gläubigen Platz" bietet. 

-- Der Artikel auf häretisch.de behandelt dieses Siedlungsprojekt als reine Kuriosität: Ja ja, die Amis. Land der unbegrenzten Möglichkeiten und so. Da gibt's ja nichts, was es nicht gibt, warum also nicht auch einen Katholizismus-Themenpark, höhö. Dass dem Autor des Artikels nicht viel mehr zu seinem Thema einfällt, als es mit mehr oder weniger freundlicher Herablassung zu belächeln, ist in mehrfacher Hinsicht bezeichnend: Dass das umstrittene Portal der Firma APG die erklärte Absicht des Gründers Monaghan, seinen Mitmenschen zu helfen, "in den Himmel zu kommen und die Hölle zu vermeiden", nicht so richtig ernst nehmen kann, überrascht nicht, ebensowenig die Frotzelei darüber, dass "Ladeninhaber dazu angehalten [werden], keine Verhütungsmittel oder Pornografie zu verkaufen", oder darüber, dass an der Uni von Ave Maria eine "Kleiderordnung" gibt, die allzu aufreizende Kleidung verbietet, dass die "Wohnheime [...] nach Geschlechtern getrennt" sind und "feste Besuchszeiten" haben ("doch viele Studenten nehmen besonders am Wochenende Reißaus und fahren dorthin, wo es mehr Freiheit und vor allem mehr Nachtleben gibt"). Tendenziell überraschender ist, dass - abgesehen von leisen Andeutungen ("Die Mehrheit der Ave-Marianer ist katholisch und weiß, die Stadt wird jedoch nicht müde zu betonen, dass in ihr grundsätzlich jedermann willkommen ist") - kaum grundsätzliche Kritik an dem Projekt geäußert wird; konkreter gesagt: dass in dem Artikel keine Rede ist von "sektenartigen Strukturen", "Wagenburgmentalität", "apokalyptischen Vorstellungen" oder was man sonst so alles hätte erwarten können. Kann es sein, dass es über ein bisschen Spöttelei hinaus tatsächlich nichts Schlechtes über Ave Maria, Florida zu sagen gibt? Wäre ja fast ein bisschen langweilig. (Ein Beispiel dafür, wie anders ein solcher Artikel hätte aussehen können, gibt's im nächsten Linktipp.) 

Bei dem oben eingebetteten Link handelt es sich übrigens um einen Archiv-Link, d.h. man kann ihn unbesorgt anklicken, ohne befürchten zu müssen, der ollen Schismatiker-Postille dadurch "Traffic" (und somit das Gefühl von "Relevanz") zu verschaffen. 

Wie bereits angedeutet, habe ich diesen schon vor ein paar Monaten erschienenen Artikel über ein anderes katholisches Stadtgründungsprojekt in erster Linie um der Kontrastwirkung willen herangezogen; interessant ist er aber auch unabhängig davon. Im Nordosten von Texas soll eine katholische Niederlassung mit dem schönen Namen Veritatis Splendor (="Glanz der Wahrheit", nach dem Titel einer Enzyklika des Hl. Johannes Paul II.) entstehen, mit einem Oratorium in der Tradition des Hl. Philipp Neri, Bildungseinrichtungen, Sportstätten und Wohnvierteln, das alles auf einer Fläche von rund 2.500 km². 

Der kritische Blick, mit dem Bloggerin Simcha Fisher das Projekt "Veritatis Splendor" unter die Lupe nimmt, ist zweifellos zu einem gewissen Grad dadurch motiviert, dass die Gründungsinitiative sich in ihrer medialen Selbstdarstellung als betont konservativ präsentiert -- nicht nur theologisch konservativ, auch nicht in einem strikt politischen Sinne, aber/sondern auch auf eine spezifisch amerikanische, ja vielleicht sogar spezifisch texanische - eine waffentragende, flaggenhissende, Steaks über offenem Feuer grillende Art - konservativ; ein Konservatismus in Cowboyhut und Sporenstiefeln. Kurz, die Zielgruppe des Projekts gehört ziemlich eindeutig zu jenen 52% der US-Katholiken, die 2016 Trump gewählt haben, und auf die ist Simcha Fisher aus einer Reihe von Gründen nicht gut zu sprechen. 

Wenn da also eine gewisse negative Voreingenommenheit im Spiel sein mag, heißt das freilich noch nicht, dass ihre kritischen Anfragen an das Unternehmen "Veritatis Splendor" nicht valide wären. So bemängelt sie vor allem einen Mangel an Transparenz: Die mediale Selbstdarstellung des Projekts setze vor allem auf stimmungsvolle Bilder, lasse aber konkrete Informationen vermissen -- etwa darüber, wer das Projekt eigentlich leitet, wie die Finanzen (also zum Beispiel die Spenden, um die eindringlich geworben wird) verwaltet werden, und wem die Priester unterstellt sind, die dauerhaft an diesem Ort ansässig sein und wirken sollen. Auch erfährt man, dass den zukünftigen Einwohnern von Veritatis Splendor, Texas eine Selbstverpflichtung abverlangt werden soll, ihr Leben an der Lehre der katholischen Kirche auszurichten; man erfährt hingegen nicht, auf welche Weise die Einhaltung dieser Selbstverpflichtung überprüft oder sichergestellt werden soll. 

Auch darüber hinaus macht Simcha Fisher auf allerlei Unstimmigkeiten aufmerksam. So wird auf der Veritatis Splendor-Website zwar betont, es handle sich um eine private Initiative von Laien und nicht um ein offizielles Projekt der Diözese Tyler; gleichwohl wird der Bischof von Tyler, Joseph Strickland, als "Mitbegründer" bezeichnet. Die offizielle Trägerin des Projekts Veritatis Splendor ist eine Firma namens Regina Caeli, Inc., die in Nashville, Tennessee, eine christliche Privatschule mit Homeschool-Elementen betreibt -- und im Jahr 2016 einen Rechtsstreit gegen ehemalige Mitarbeiter führte, die dem Unternehmen u.a. Betrug, Steuerhinterziehung und Verstöße gegen das Arbeitsrecht vorwarfen. Klingt alles nicht so richtig nett, muss man zugeben. Als fragwürdig hebt Simcha Fisher auch das ausgeklügelte "Belohnungssystem" für Spender hervor: Förderer des Projekts Veritatis Splendor dürfen sich je nach Höhe ihrer Spende über bestimmte Gratifikationen freuen, ab 10.000 $ erhält man eine Führung über das Gelände, einschließlich Kostenübernahme für Anreise und Übernachtung, zudem ein Abendessen mit den Gründern, und man darf an einer von Bischof Strickland zelebrierten Messe teilnehmen. Könnte das nicht - fragt Simcha Fisher - den Eindruck erwecken, der Bischof verkaufe seine Messen, und riecht das somit, kirchenrechtlich ausgedrückt, nicht irgendwie nach Simonie

Schaut man sich die Leserkommentare unter dem Artikel an, gewinnt man indes schnell den Eindruck, die konkreten Kritikpunkte, die die Autorin zusammengetragen hat, interessierten ihre Leserschaft nur am Rande: Vielmehr dominiert hier die Auffassung, die Idee einer "Planstadt für Katholiken" sei schon vom Ansatz her gruselig. Hier findet sich das ganze Standardrepertoire der Pauschal(vor)verurteilungen, wie ich sie eigentlich bei häretisch.de erwartet hätte: Sekte, Wagenburgmentalität, Fanatismus. Ewiggestrige, die sich eine stockkonservative Gegen- bzw. Ersatzkirche bauen wollen, weil ihnen der Kurs der Weltkirche unter Papst Franziskus zu liberal ist. Die Franziskus womöglich gar nicht als legitimen Papst anerkennen, und Coronaleugner sind sie vermutlich obendrein auch noch. (Nebenbei bemerkt: Besonders lustig finde ich es immer, wenn liberale Katholiken sich über Leute echauffieren, die "sich für besonders fromm/besonders katholisch halten". In aller Regel kommt dieser Vorwurf nämlich von Leuten, die selbst sehr genau wissen, dass sie weniger fromm und katholisch sind als die Leute, über die sie sich aufregen, und dies auf eine verschrobene Weise zu rechtfertigen versuchen.) 

Um's mal auf den Punkt zu bringen: Wenn ich von einem Projekt dieser Art höre, dann habe ich zunächst einmal die Hoffnung oder auch den Wunsch, das möge eine gute Sache sein, und finde es daher betrüblich oder ärgerlich, wenn sich bei näherem Hinsehen zeigt, dass da nicht alles Gold ist, was glänzt. Und dann gibt es Leute, denen die Grundidee von vornherein so suspekt ist, dass sie es womöglich noch schlimmer fänden, wenn sich an der ganzen Sache nichts rechtlich oder moralisch Fragwürdiges finden ließe. 

Ich will nicht endlos auf diesem Punkt herumreiten (oder will ich das vielleicht doch?), aber ich finde, im direkten Vergleich mit diesem Artikel und den Leserkommentaren dazu wirkt die harmlos-oberflächliche Art, wie häretisch.de über Ave Maria, Florida berichtet, umso erstaunlicher. Ich möchte mal die These wagen, daran zeige sich, dass man in Bonn schlichtweg gar nicht auf dem Schirm hat, was für Entwicklungen es in der Weltkirche jenseits der biederen, sozialverträglichen Zivilreligion des Schismatischen Weges so gibt. 

Zu Veritatis Splendor, Texas hat Rod Dreher übrigens auf Twitter angemerkt, die Idee einer solchen Stadtgründung liege durchaus im Rahmen dessen, was man unter dem Konzept "Benedikt-Option" verstehen könne; er wisse aber zu wenig Spezifisches über dieses Projekt, um sagen zu können, ob er es gutheißt oder nicht. Eventuell komme ich in den Linktipps der kommenden Wochen noch gelegentlich auf dieses Thema zurück. 

Dass eine Gruppe von Gläubigen aus "meiner" Kirchengemeinde schon seit Jahren ein kleines Blättchen mit dem Titel "Kraft und Schönheit der Glaubenslehre" herausbringt, hatte ich schon einmal erwähnt; diese Publikation erscheint in der Regel alle zwei Monate in Form eines einmal gefalteten, beidseitig bedruckten A4-Blattes, was also vier Seiten ergibt. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt, wie der Titel schon nahelegt, auf der Glaubenslehre der Kirche: Auszüge aus dem Katechismus und anderen lehramtlichen Dokumenten, liturgische Texte und/oder traditionelle Gebets- und Andachtstexte machen den Löwenanteil einer jeden Ausgabe aus. Aber dann gibt es da noch die Rubrik "Zeitgeist", und die hat es in sich. Oft spielt in diesem Teil des Blattes das Thema Lebensschutz eine prominente Rolle; in der aktuellen Ausgabe sind es jedoch andere Themen: Da wird scharfe Kritik am "Synodalen Weg", am Verschweigen von Sünde und an der Segnung homosexueller Lebensgemeinschaften geübt. Na hoppla, dachte ich, dieses Blatt ist ja kontroverser und konfrontativer als die "Lebendigen Steine"! 

-- Im Ernst gesagt hat das natürlich seinen Grund. Ganz gegen mein Naturell bin ich in meiner Eigenschaft als Chefredakteur der "Lebendigen Steine" bemüht, allzu polarisierende Inhalte zu vermeiden -- einmal, weil diese Zeitschrift durch ihre bloße Existenz ohnehin schon polarisiert und ich es ihren Gegnern nicht zu einfach machen will, sie in eine bestimmte Ecke zu stellen; darüber hinaus aber auch, weil mir, wie ich schon verschiedentlich ausgeführt habe, das "Lagerdenken" innerhalb der Kirche grundsätzlich zuwider ist und ich mit den "Lebendigen Steinen" möglichst viele unterschiedliche Interessengruppen innerhalb der Gemeinde anzusprechen hoffe. Solche Erwägungen hindern mich jedoch keineswegs daran, die klare Positionierung der "Kraft und Schönheit der Glaubenslehre" ausgesprochen respektabel und unterstützenswert zu finden! 

Ohrwurm der Woche: Mumford & Sons, "Little Lion Man" (2009) 


Es wäre wohl ziemlich albern, wenn ich behaupten wollte, die Tatsache, dass dieser Song mein "Ohrwurm der Woche" ist, hätte nichts mit der weiter oben in den Linktipps gewürdigten Kontroverse um den Banjospieler Winston Marshall zu tun. Tatsächlich hat es schon allein insofern damit zu tun, als die Gruppe "Mumford & Sons" mir allein dank dieses einen Songs überhaupt ein Begriff ist. Ich erinnere mich, dass er ca. 2012/13 - zu einer Zeit also, als er schon nicht mehr so ganz taufrisch war - ziemlich häufig in einer Bar in Prenzlauer Berg lief, in die "man" (d.h. Leute aus meinem Bekanntenkreis und folgerichtig auch ich selbst) zumeist erst und nur dann ging, wenn die Kneipen, in die man sonst so ging, schon zu hatten und man eigentlich besser daran getan hätte, mal nach Hause zu gehen und sich schlafen zu legen. War 'ne wilde Zeit damals. Aber wie dem auch sei, ich mag den Song irgendwie. Man kann gut dazu tanzen. Findet meine Tochter auch.  

Aus der Lesehore: 

Wer Christus, der am Kreuz hängt, anschaut mit Glaube, Hoffnung, Liebe, Hingabe, Bewunderung und Freude, Wertschätzung, Lob und Jubel, der begeht mit ihm das Pascha, den Übergang: Er durchschreitet mit dem Stab des Kreuzes das Rote Meer. Er betritt von Ägypten aus die Wüste, wo er das verborgene Manna genießt und mit Christus im Grabe ruht. 

Soll dieser Übergang vollkommen sein, so muss der Geist alle Denktätigkeit einstellen und mit der höchsten Stufe seiner Liebe ganz zu Gott hinübergehen und in ihn verwandelt werden. Doch das ist das Geheimnis der Geheimnisse, das niemand kennt, der es nicht empfangen hat; das keiner empfängt, der sich nicht nach ihm sehnt; nach dem sich niemand sehnt, den das Feuer des Heiligen Geistes, das Christus auf die Erde gebracht hat, nicht bis ins Mark hinein entflammt. Darum sagt der Apostel, diese geheimnisvolle Weisheit sei durch den Heiligen Geist geoffenbart. 

(Hl. Bonaventura)


 

 

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