Ich weiß, es ist Wahlabend, und da bleibt für andere Themen wenig Platz; aber morgen ist es exakt zehn Jahre her, dass mein Blog "Huhn meets Ei" online ging und mein erster Blogartikel erschien -- und dieses Jubiläum gilt es heute zu würdigen, denn morgen ist Montag, da ist das Wochenbriefing dran.
Zehn Jahre Blogger - ein Grund zum Feiern? Gewiss! Ein Anlass, um ein wenig innere Einkehr zu halten? Auch. Nun habe ich in den letzten zehn Jahren zwar nicht ganz konsequent zu jedem Jahrestag meiner Blogger-Premiere einen Jubiläumsartikel 'rausgehauen, aber fünf Stück sind es, den aktuellen noch nicht mitgezählt, immerhin geworden; und ich muss ja jetzt und hier nicht alles wiederholen, was ich da schon geschrieben habe. Zumal ich's ja auch einfach verlinken kann.
Mein Artikel zum ersten Blogger-Jahrestag (2012) ist naturgemäß besonders aufschlussreich in Hinblick darauf, wie und warum ich mit dem Bloggen angefangen habe. Interessant ist dieser erste Jubiläumsartikel im Rückblick auch und nicht zuletzt deshalb, weil ich mich damals noch als the New Kid on the Blogoezese sah und mir über meinen Standpunkt innerhalb des Spektrums der katholischen Bloggerwelt noch nicht recht im Klaren war. Einige Monate später erlangte ich als "Rosa Parks des Katholizismus" eine gewisse Prominenz in einschlägig interessierten Kreisen, nachdem ich in einer Punk-Kneipe (in der ich zuvor jahrelang recht regelmäßig zu Gast gewesen war) Hausverbot bekam, weil man mich beim "Marsch für das Leben" mit einem Kreuz in der Hand gesehen hatte.
Der nächste große Einschnitt war der Rücktritt Papst Benedikts XVI., und das war ein massiver Einschnitt für die gesamte katholische Bloggerwelt, jedenfalls (zumindest) in Deutschland: Man kann wohl behaupten, dass die "Blogoezese" im Wesentlichen ein Kind der Ära Benedikt war, daher ist es wohl kein Wunder, dass zumindest Teile der katholischen Bloggerwelt mit "dem Neuen im Vatikan" eher fremdelten. Man hätte vielleicht denken können, dadurch, dass sich einige der bis dahin "führenden" Blogger in der Folgezeit mehr oder weniger konsequent zurückzogen, hätte sich für mich "eine Lücke auftun" können, und zu einem gewissen Grad war das vielleicht auch so; aber andererseits war und bin eben auch ich, schon von meiner "Glaubensbiographie" her, entschieden "Team Benedikt" und musste mich in den veränderten gesamtkirchlichen Verhältnissen erst einmal zurechtfinden -- was aus meiner Sicht weniger an Papst Franziskus persönlich lag als daran, dass die postchristlichen Liberalen, die sich unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. als innerkirchliche Opposition geriert hatten, sich plötzlich "an der Macht" wähnten. (Die Folgen dieses neu erwachten Machtgefühls sehen wir heute beispielsweise im Katholischen Reformprozess Synodaler Weg. [KRSW].) Dass ich in den Jahren 2013 und 2014 keine neuen Jubiläumsartikel veröffentlichte, mag man auch als Indiz dafür sehen, dass meine Bestrebungen, meinem Blog ein unverwechselbares Profil und "Image" zu verschaffen, nur schleppend vorangingen. Es gab auch immer mal wieder Phasen, in denen ich monatelang gar nicht - so etwa von September bis November 2013 - oder nur sehr wenig bloggte, wie praktisch in der gesamten ersten Jahreshälfte 2014.
Hans Memling: Der Hl. Johannes auf Patmos (1479, gemeinfrei) |
Deutlich bergauf ging es dann - aus Gründen - ab Mitte 2015. Als Dokumente für die Entwicklung meines Blogs und nicht zuletzt auch meines Selbstverständnisses als Blogger in dieser Zeit sind die Jubiläumsartikel von 2015, 2016 und 2017 nicht uninteressant, aber zum Nachlesen empfehlen möchte ich hier vor allem den von 2019. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt darauf, auf wie vielfältige und durchgreifende Weise das Bloggen mein Leben verändert hat -- wozu an herausragender Stelle natürlich gehört, dass ich durch das Bloggen meine Frau kennengelernt habe. (Insofern könnte man von meinen Kindern sagen, dass sie dem Blog "Huhn meets Ei" geradezu ihr Leben verdanken!) Wenn ich's recht bedenke, fällt mir eigentlich kaum eine bedeutende Wendung oder Entwicklung in meinem Leben in den letzten Jahren ein, die nicht direkt oder indirekt mit meiner Tätigkeit als Blogger zusammenhinge.
Nachdem mein Jubiläumsartikel von 2019 sich diesem Thema also bereits recht umfassend gewidmet hat, bleibt mir nun im Grunde nicht mehr viel anderes zu tun, als nachzuzeichnen, was sich in den seitdem vergangenen zwei Jahren so getan hat -- mal abgesehen von der Geburt eines zweiten Kindes.
Allgemein kann man sagen, dass ich die inhaltliche Konzentration auf das Thema Neuevangelisierung und Gemeindeerneuerung als Graswurzelbewegung, die sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet hatte, weiter vorangetrieben habe; in der Hoffnung, meine Vorstellungen hierzu in meiner Wohnortpfarrei stärker zur Geltung bringen zu können, entschied ich mich relativ kurz nach meinem achtjährigen Bloggerjubiläum, für den Pfarrgemeinderat zu kandidieren, und wurde auch tatsächlich in dieses erlauchte Gremium gewählt, wenn auch vielleicht nur deshalb, weil es gar nicht genügend Kandidaten für die zu vergebenden Sitze gab. Wenig überraschend führte dies praktisch von Anfang an zu Konflikten -- zum Teil bedingt durch die offenkundige Unvereinbarkeit meiner konzeptionellen Vorstellungen mit dem Geist des "business as usual", zum Teil aber auch schon allein deshalb, weil ich eben blogge (was in gewissen Kreisen offenkundig immer noch als irgendwie ehrenrührig, jedenfalls nicht als legitime Form von Journalismus gilt).
Ins Jahr 2020 startete ich optimistisch und ambitioniert mit meinem dritten Besuch der MEHR-Konferenz in Augsburg, dem neuen Rezensions-Großprojekt "100-Bücher-Challenge" und Plänen für ein eigenes Buch; dann kam Corona und ließ mir so ziemlich die Luft raus. Von Anfang April bis Anfang August lag mein Blog völlig brach, und auch in der zweiten Jahreshälfte tauchte ich nur sporadisch aus der Versenkung auf. Immerhin, mein Artikel "Horrendum est -- oder: Wer hat Angst vorm Retrokatholizismus" aus dem August 2020, der sich anlässlich der Weihe des Erzbistums Berlin an das Heiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens mit Warnungen vor einer Renaissance traditioneller Frömmigkeitsformen im Zeichen der Corona-Krise auseinandersetzte konnte von der Leserresonanz her durchaus an frühere Erfolge anknüpfen, nicht zuletzt, weil der offizielle Twitter-Account des Erzbistums Berlin den Artikel enpfahl.
Davon abgesehen liebäugelte ich ein bisschen mit der Vorstellung, den Corona-"Lockdown" dazu zu nutzen, mich wie einst der Hl. Benedikt für eine Weile in eine Höhle zurückzuziehen, um anschließend die Welt aus den Angeln zu heben. Keine buchstäbliche Höhle natürlich, aber eine metaphorische. Ich hatte wohl etwas übertrieben romantische Vorstellungen vom Lockdown, denn im Großen und Ganzen ging das Leben ja doch relativ normal weiter. Dennoch waren die Rahmenbedingungen dafür, die Corona-Zeit als eine Form spiritueller Exerzitien zu nutzen, im Grunde gar nicht so schlecht: Die örtliche Pfarrkirche blieb tagsüber für persönliches Gebet geöffnet, und in der Phase, in der öffentliche Gottesdienste verboten waren (es ist noch gar nicht so lange her, aber es kommt mir trotzdem so vor, als müsse man die Erinnerung daran wachhalten, dass es dieses Verbot tatsächlich gab), wurde zu den sonst üblichen Gottesdienstzeiten Eucharistische Anbetung gehalten; dabei war stets ein Priester in der Kirche anwesend, und auf Wunsch konnte man auch die Kommunion empfangen. Ich möchte betonen, dass ich unserem Pfarrer - mit dem ich ja ansonsten bekanntlich so meine Differenzen habe - seinen Einsatz dafür, im Rahmen des Möglichen und Erlaubten das Beste aus der Lockdown-Situation zu machen, ausgesprochen hoch anrechne.
Ein Meditationsbild, das meine Liebste während der Aktion "Deutschland betet gemeinsam" am 08.04.2020 malte. Die darauf genannten Anliegen haben seither nichts an Aktualität verloren. |
Umso betrüblicher fand ich es, dass sich nach der Aufhebung des Gottesdienstverbots nur allzu bald der Geist des "business as usual" mit den Einschränkungen durch die Corona-Verordnungen zu einer "neuen Normalität" verschmolz, die man als "wie die alte Normalität, nur schlechter" beschreiben könnte. Aber das ist eigentlich nicht das Thema dieses Artikels, oder höchstens indirekt.
Jedenfalls habe ich mich, während mein Blog auf Sparflamme lief und auch die Aktivitäten in der Kirchengemeinde coronabedingt größtenteils ruhten, bemüht, umso gründlicher konzeptionell zu arbeiten, und ein Ergebnis davon war ein 16-seitiges Thesenpapier zur Gemeindeerneuerung, das ich zu Weihnachten 2020 an die hauptamtlichen Mitarbeiter der Pfarrei und die Mitglieder des Pfarrgemeinderats verschickte. Die Mehrzahl der Adressaten reagierte darauf zwar überhaupt nicht und die meisten anderen eher reserviert, aber ein greifbares Ergebnis dieser Aktion war, dass die Arbeitsgruppen des Pastoralausschusses für den Pastoralen Raum Reinickendorf-Süd um eine AG Neuevangelisierung ergänzt wurden, in der ich seither mitarbeite. Im Februar 2021 kam es dann im Zuge der Endredaktion der neuen Ausgabe des nur alle drei Monate erscheinenden Pfarrbriefs zu heftigen Auseinandersetzungen, die u.a. dazu führten, dass ich aus dem Redaktionsteam ausstieg und stattdessen zusammen mit meiner Liebsten eine unabhängige Monatszeitschrift konzipierte -- die "Lebendigen Steine". Von dieser Zeitschrift sind bisher sieben Ausgaben erschienen, die achte ist in Vorbereitung, und ich bin sehr stolz auf dieses Projekt, auch wenn ich denke, mit mehr Mitarbeitern und einem halbwegs angemessenen Budget könnte die Zeitschrift noch erheblich besser werden.
Was das Bloggen betrifft, habe ich Ende Juni das Format der "Wochen-Briefings" wieder aufgenommen, das ich im März 2019 unter dem Titel "Kaffee & Laudes" begonnen, ab März 2020 zunächst als "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" und dann für ein paar Wochen als "Grüße aus dem Corona-Park" weitergeführt habe. Jetzt heißt diese wöchentliche Reihe jedenfalls wieder "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim", und so wie das Format seit der Wiederaufnahme entwickelt hat - nämlich derart, dass sowohl die Schilderungen der Ereignisse der jeweils zurückliegenden und der Pläne für die jeweils bevorstehenden Woche als auch die Linktipps als Anknüpfungspunkte für programmatische und strategische Überlegungen in Sachen Neuevangelisierung/Gemeindeerneuerung/#BenOp/Punkpastoral dienen -, empfinde ich das Wochenbriefing als die für mich geradezu ideale Form des Bloggens. Zu wünschen wäre durchaus, dass dieses Format noch mehr Leser findet, aber ich würde sagen, auch diesbezüglich ist die Tendenz positiv.
Gleichzeitig ist nicht zu leugnen, dass der Versuch, innerhalb der offiziellen "amtskirchlichen" Strukturen zu arbeiten (durch die Mitgliedschaft im Pfarrgemeinderat, in verschiedenen Arbeitsgruppen des Pastoralrats usw.) und parallel dazu auch außerhalb dieser Strukturen (z.B. eben in Gestalt meines Blogs und der "Lebendigen Steine"), einiges an Konfliktpotential mit sich bringt. Konflikte haben wir - d.h. meine Liebste und ich, vor allem aber ich, weil ich zumeist mehr "an der Front stehe" - in der Pfarrei bzw. im Pastoralen Raum allerdings so oder so genug. Dabei spielen sicherlich persönliche Animositäten eine Rolle - mir ist sehr wohl bewusst, dass ich nicht der einfachste und umgänglichste Charakter bin -, und eine wahrscheinlich noch größere Rolle dürfte der Umstand spielen, dass der Ruf nach Veränderungen von Denjenigen, die für den Status quo (mit-)verantwortlich sind, leicht als persönlicher Angriff aufgefasst wird. Daneben und darüber hinaus ist aber auf der "Funktionärsebene" - im allerbreitesten Sinne, also einschließlich der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Gremienmitglieder - auch eine ganz grundsätzliche Abwehrhaltung gegenüber dem Thema Neuevangelisierung oder allgemein gegenüber allem explizit Religiösen in der Kirche, gegenüber dem, was man früher Frömmigkeit genannt hätte, weit verbreitet. Wäre das nicht so, stünde es um die Kirche in Deutschland insgesamt erheblich anders; das ist also nichts, was für unsere Pfarrei spezifisch wäre. Im Gegenteil, ich bin sogar überzeugt, dass es zumindest an unserem Gemeindestandort in dieser Hinsicht noch deutlich besser aussieht als an vielen anderen Orten. Und es gibt ja durchaus positive Entwicklungen, wie man ja zum Beispiel an den Aktivitäten der AG Neuevangelisierung sieht. Trotzdem ist es auf die Dauer natürlich frustrierend, immer wieder gegen dieselben Wände zu laufen.
Daher denken meine Liebste und ich in jüngster Zeit verstärkt darüber nach, ob es nicht allmählich an der Zeit wäre, den nächsten Schritt zu tun und mit dem schon wiederholt angedachten Projekt Ernst zu machen, mit Hilfe von Crowdfunding ein geistliches Zentrum in einem ehemaligen Pfarrhaus - oder gegebenenfalls auch in einem Resthof oder einem alten Wasserturm - aufzubauen. Das wäre natürlich ein großer und gewagter Schritt; aber wenn tatsächlich etwas daraus wird, dann kannst du sicher sein, lieber Leser: Hier erfährst du es zuerst!
Recht herzlichen Dank für diesen Blog und die freiwillige Arbeit die hier geleistet wird. Ich weiß nicht genau, wann mein erster Kommentar auf "Huhn Meets Ei" erschienen ist, allerdings lese ich seid gefühlten 10 Jahren hier schon mit. Danke noch mal für die Arbeit und die Mühe. Grüsse vom Niederhein!
AntwortenLöschenGibt es die Piratenpartei in irgendeiner Form noch?