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Samstag, 4. September 2021

Land unter im Erzbistum Hamburg

In der jüngsten Folge meiner "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" (Nr. 13) hatte ich in der Rubrik "Linktipps" einen Blick auf die Situation im Erzbistum Hamburg geworfen, dessen Oberhirte Stefan Heße derzeit quasi "beurlaubt" ist: Nach der Veröffentlichung eines Gutachtens, das ihm wiederholte und schwerwiegende Versäumnisse in der Handhabung von Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln vorwirft, wo Heße von 2006-2012 Leiter der Personalabteilung, und anschließend Generalvikar war, hat er am 18. März 2021 ein Rücktrittsgesuch an Papst Franziskus gerichtet, die Entscheidung darüber steht jedoch noch aus. Da ich anhand von Kommentaren auf der Facebook-Seite des Erzbistums Hamburg den Eindruck gewonnen hatte, unter den dortigen Diözesanen gebe es durchaus einige, die auf Erzbischof Heßes Verbleib im Amt hoffen, hatte ich angedeutet, "meine Leser im hohen Norden" könnten mir bezüglich der Frage, wie die Amtsführung des dortigen Oberhirten zu bewerten sei, vielleicht ein wenig "auf die Sprünge helfen".

Ein Echo auf diese Aufforderung hat nicht lange auf sich warten lassen. Allerdings - so viel sei gleich vorausgeschickt - ist dieses Feedback kaum geeignet, Erzbischof Heße oder seinen Generalvikar Ansgar Thim in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. 

Innenraum der Kathedrale St. Ansgar ("Kleiner Michel") in Hamburg mit einer Madonna von F.B. Schiller. Foto von Thomas Wagner, nachbearbeitet (Bildquelle und Lizenz hier

Ein Leser aus dem Erzbistum Hamburg hat mir recht umfangreiche Anmerkungen zur dortigen Situation zukommen lassen, gibt allerdings zu bedenken, das, was er schreibe, sei "alles weitgehend [s]ein persönlicher Eindruck aus der Sicht eines einfachen Gemeindemitglieds". Nun ja, gewiss -- aber genau das ist die Perspektive, die mich interessiert; Analysen vermeintlicher oder tatsächlicher "Experten" und offizielle Stellungnahmen von Funktionären könnte man schließlich auch woanders lesen. 

Womit also fangen wir an? Mit dem Geld natürlich. Jedwedes Urteil darüber, wie gut oder wie schlecht die Archidioecesis Hamburgensis von ihrem derzeitigen Spitzenpersonal verwaltet wird, muss den Umstand berücksichtigen, dass das Erzbistum "große Finanzprobleme" hat -- was, wie nicht nur mein Leser meint, zu einem wesentlichen Teil daran liegt, dass "es sich in Hamburg derzeit noch rd. 28 hochdefizitäre 'katholische' Schulen leistet" . -- Zu den Anführungszeichen bei "katholische" später mehr; dankbar bin ich meinem Leser jedenfalls für die Aufklärung darüber, dass bzw. warum diese Schulen "in Hamburg aus historischen Gründen eine Art heiliger Kühe" darstellen: 

"Nach der Reformation war es im besonders rigid-protestantischen Stadtstaat Hamburg jahrhundertelang den Katholiken untersagt, eigene Kirchen zu unterhalten. Die konfessionelle Apartheit ging so weit, dass Katholiken wie Juden eigene Schulen zu unterhalten hatten, damit ihre Kinder nicht mit den protestantischen zusammen lernten und quasi letztere konfessionell infizierten. In diesen Schulen hielten dann bis ins 19. Jahrhundert die wenigen Katholiken ihre sonn- und werktäglichen Messen ab. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts im Zuge der napoleonischen Besatzung gab es in Hamburg nach rd. 300 Jahren wieder eine echte römisch-katholische Kirche. Soviel also zum in der Öffentlichkeit gerne gepflegten Bild und Narrativ vom angeblich so weltoffenen und toleranten Hamburg." 

Ein bemerkenswertes und, wie mir scheint, relativ wenig bekanntes Stück Kirchengeschichte! Damit nicht genug: 

"Erst in der politischen CDU-geführten Ära Ole von Beusts Anfang der 2000er Jahre gab es endlich einen Staatsvertrag der Freien und Hansestadt Hamburg mit der rk Kirche und u. a. in staatlichen Schulen die Einführung kath. Religionsunterrichts." 

Nun ist die Frage nach der Qualität konfessionellen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen natürlich ein Thema für sich, aber von der Papierform her könnte dieser Staatsvertrag durchaus als Argument dafür herhalten, dass Hamburg seither eigentlich gar nicht mehr unbedingt eigene katholische Schulen braucht. Demnach - so meint auch mein Leser - 

"sind die dortigen privat geführten katholischen Schulen an sich eine für das Erzbistum kostspielige Hamburgensie -- d. h. eine (liebenswerte aber teure) hamburgische Besonderheit, die man eigentlich als Auslaufmodell betrachten und bewerten sollte." 

Verkompliziert wird der Sachverhalt dadurch, dass die fraglichen Schulen einerseits "in der Bevölkerung einen guten fachlichen Ruf besitzen", andererseits "jedoch weitgehend ihr besonderes katholisches Profil verloren haben" -- daher weiter oben die Anführungszeichen bei "katholisch". Im Grunde ist das Dilemma mit "einerseits - andererseits" wohl nur unzureichend beschrieben: Zu einem gewissen Grad darf man wohl annehmen, dass die Schulen des Erzbistums sich in der breiteren Öffentlichkeit gerade darum eines so guten Rufs erfreuen, weil sie kein ausgeprägtes katholisches Profil mehr aufweisen. Ein Aspekt davon ist, dass auch die Schülerschaft nur noch zum Teil aus Katholiken besteht. 

Was also tun? Wie mein Leser referiert, hatte das Erzbistum 
"ein finanzielles Gutachten einer renommierten Unternehmensberatungsfirma [...] erstellen lassen, das [...] zu dem Schluss kam, dass man sich - sozialverträglich - von einem erheblichen Teil dieser Schulen trennen und diese als Auslaufmodell betreiben müsse. Als das allerdings in der Öffentlichkeit bekannt wurde, gab es medial einen großen Aufschrei und eine Pressekampagne vornehmlich gegen den Erzbischof und seinen Generalvikar. Hier wäre nun m. E. seitens dieser Verantwortlichen klares Feststehen in der Sache, unaufgeregte Argumentation und ruhige abgewogene Erläuterung des Für und Wider der notwendigen Maßnahmen geboten gewesen -- stattdessen eierten sie, soweit ich es aus der Presse wahrnehmen konnte, mit Ausflüchten herum, relativierten die an sich klaren Untersuchungsergebnisse, vertagten und drückten sich zeitweise um notwendige Entscheidungen und waren vornehmlich bestrebt, persönlich ein möglichst gutes Bild in der Öffentlichkeit abzugeben. Genutzt hat es nichts." 

Das faktische Ergebnis des ganzen Dramas sieht (vorläufig) aus wie folgt: 

"Statt der ursprünglich zweistelligen Anzahl katholischer Schulen werden nun nur noch sechs als Auslaufmodell bis zur endgültigen Schließung betrieben -- eine halbherzige Entscheidung, die wenig nützt und eher geeignet ist, weiteres Vertrauen zwischen Gläubigen und Führung im Erzbistum Hamburg zu zerstören." 

Auch ein weiterer Leser meines Blogs kommentiert, die "Debatte um die Hamburger Schulschließungen" müsse man "leider als ein PR-Desaster für das Bistum Hamburg bezeichnen": 

"Das Hauptproblem aus meiner Sicht ist, dass nicht erkennbar ist, wo die rk. Kirche hin bzw. in 30 Jahren stehen will. So wird mal hier, mal da gekürzt und Schmerz verursacht, ohne dass man sich wirklich gesundschrumpft im Sinne einer nachhaltigen Idee." 

Diesen letztgenannten Aspekt, das Fehlen einer überzeugenden und auch überzeugend kommunizierten Vision, halte ich tatsächlich für einen ganz zentralen Mangel -- nicht nur was die Schulen betrifft, aber bleiben wir ruhig noch einen Moment bei diesen. Schon als ich erstmals von der prekären Finanzsituation der katholischen Schulen Hamburgs erfuhr - das dürfte so 2018 gewesen sein -, ging mir die in Rod Drehers "Benedikt-Option" geschilderte "Rettung" der St. Jerome Academy - einer katholischen Schule in Hyattsville/Maryland, einem Vorort von Washington, D.C. - nicht aus dem Kopf, und ich dachte: Stellen wir uns doch mal ganz dumm und sagen, einerseits unterhält das Erzbistum Hamburg mehr Schulen, als es sich leisten kann, andererseits haben diese Schulen kaum noch ein erkennbar katholisches Profil, was die Frage nach ihrer Existenzberechtigung als katholische Schulen nach sich zieht; wie wär's denn, wenn das Erzbistum sich von einem Teil seiner Schulen trennte, im Gegenzug aber mindestens eine der verbleibenden Schulen zu einem Modellprojekt machte -- mit einem klaren katholischen Profil, kombiniert mit einem alternativen Unterrichtskonzept? Vermutlich würde sich dafür nur eine eher überschaubare Zahl von Eltern interessieren, aber dafür wäre es ja eben auch nur eine Schule und nicht achtundzwanzig. Zudem wären die Eltern, die für ein solches Schulprojekt zugänglich wären, mit hoher Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich engagiert, würden sich zu ehrenamtlicher Mitarbeit heranziehen lassen und womöglich sogar Geld mitbringen. Natürlich würde ein solches Projekt total gegen den Trend gehen, aber das ist ja gerade das Gute daran: Wenn der Trend darin besteht, dass alles den Bach runter geht, dann könnte etwas, das gegen den Trend geht, tatsächlich funktionieren

Das Problem ist, dass ein solches Konzept nicht gewollt wird. Schon gar nicht der Teil mit dem klaren katholischen Profil. Man braucht sich nur mal die in den letzten 15-20 Jahren entstandenen, die Weisheit von Religionssoziologen wie Detlef Pollack reflektierenden Strategiepapiere zur Kirchenentwicklung anzusehen, da steht's mehr oder weniger wortwörtlich drin: Profil zu zeigen ist ganz schlecht, denn das verprellt die Lauen, und die braucht die Kirche doch, um als zivilgesellschaftliche Institution, als Akteurin im vorpolitischen Raum relevant zu bleiben. 

In letzter Konsequenz geht es hier also um nichts Geringeres als um die Frage nach dem Auftrag der Kirche in der Gesellschaft. Und das betrifft, wie wir gleich sehen werden, noch weit mehr als nur die Schulen. 

U.a. infolge der Pensionsansprüche der Lehrkräfte hat die Finanzmisere der katholischen Schulen ein so großes Loch in die Finanzen des Erzbistums gerissen, dass die Schließung der Schulen allein nicht ausreicht, um es wieder zu stopfen. Also muss noch mehr vom Familiensilber verscherbelt werden. "Vermögens- und Immobilienreform" (VIR) heißt das große Zauberwort, und mein Gewährsmann aus dem Erzbistum Hamburg berichtet in diesem Zusammenhang von einer "im Foyer der Kirche ausgelegten Broschüre", die "uns schmackhaft zu machen versucht, dass u. a. quasi alle kirchlichen Immobilien in Bezug auf Wirtschaftlichkeit auf den Prüfstand gestellt werden".  So so, hm hm. Worin aber besteht, beispielsweise, die Wirtschaftlichkeit eines Kirchengebäudes? 

Äh... genau

"Unser Erzbischof hat in der jüngeren Vergangenheit bereits einige Male Versuchsballons losgelassen dergestalt, dass er sich künftig u. a. vorstellen könne, ggf. Gottesdienste in Mehrzweckräumen statt in 'nur' und nahezu ausschließlich zu diesem Zweck vorgesehenen Kirchen stattfinden zu lassen." 

Tatsächlich erinnere ich mich, dazu schon einmal etwas geschrieben zu haben, wenn auch eher als Randbemerkung in einem Artikel, der sich nicht um das Erzbistum Hamburg drehte, sondern um meine zum Bistum Münster gehörende Heimatpfarrei St. Willehad und ihren "brillanten" Entschluss, die Filialkirche St. Josef in Stadland-Rodenkirchen zu profanieren und die zuletzt nur noch wenigen Gottesdienste, die dort stattgefunden hatten, künftig in ein Altenheim zu verlegen. Auch da hatte man die Stirn gehabt, dies der Öffentlichkeit als eine positive Entwicklung verkaufen zu wollen, und Ähnliches blüht im Zuge der  "Vermögens- und Immobilienreform" (VIR) im Erzbistum Hamburg nun wohl einer ganzen Reihe von Gottesdienstorten. Mein Gewährsmann verweist in diesem Zusammenhang auch auf einen Artikel von Hinrich E. Bues in der Tagespost vom 08.08., der mit Blick auf die schon angesprochene VIR-Broschüre und Beobachtungen in verschiedenen Pfarreien des Erzbistums Hamburg die Frage aufwirft, ob "der Abriss katholischer Kirchen und die Fusion mit den 'evangelischen Nachbarn und Nachbarinnen'" etwa "zum Modell werden" solle. Man kann diesen Eindruck haben, wenn man sich die in der besagten Broschüre als Positivbeispiele angeführten Fälle anschaut; so etwa  "die Schließung der Stella-Maris-Kirche in Alt-Heikendorf", wo die Katholiken "nun in Zukunft in der evangelischen Kirche ihre Gottesdienste feiern" sollen und dürfen, "Weihnachten und Ostern allerdings ausgenommen". Als vorbildlich wird in der Broschüre auch die evangelisch-lutherische Kirche im Hamburger Stadtteil Barmbek-Süd dargestellt: 

"Dort wurden zunächst drei Gemeinden fusioniert, dann Kirchen verkauft, um gemeinsam mit der 'Arbeiterwohlfahrt' (AWO) und anderen staatlichen Einrichtungen ein 'Zentrum für Kirche, Kultur und Soziales' neu zu erbauen. Die evangelische Kirche kann in diesem Zentrum Räume nutzen und spart so Finanzen. Der evangelische Pastor Einfeldt behauptet, dass dieses Zentrum auch für seine Gemeinde 'ein Gewinn' sei." 

Traumhaft, nicht? Mein Leser fühlt sich an die Zeit "um die Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts bis kurz nach dem 2. Weltkrieg" erinnert, "mit mehrzweckgenutzten Saal- bzw. Kneipengottesdiensten". Will man es nun  ernsthaft als Fortschritt verkaufen, zu solchen Verhältnissen zurückzukehren? Mein Leser meint, das wäre "eine Schande" -- "jedoch leider im Bereich des Möglichen", "insbesondere bei gering frequentierten Gottesdiensten". 

Bei der Lektüre von Hinrich E. Bues' Bericht in der Tagespost drängt sich indes der Eindruck auf, dass es bei den "Reform"-Plänen des Erzbistums in letzter Konsequenz um noch mehr und Anderes geht als darum, unrentable Immobilien loszuwerden. So stellt Bues fest, dass "in zahlreichen Kirchen werktags gar keine Gottesdienste mehr" gefeiert werden -- was sich nicht allein durch Priestermangel erklären oder entschuldigen lasse: So gebe es im gesamten Pastoralen Raum Nordfriesland - der drei Pfarreien mit insgesamt zehn Kircgenstandorten umfasst - "von Montag bis Freitag [...] nur fünf heilige Messen", obwohl dort vier Priester tätig sind: 

"Würde jeder der vier Priester nur der üblichen Pflicht des täglich zu feiernden Messopfers nachgehen, müssten eigentlich zwanzig heilige Messen in der Gottesdienstordnung stehen. Sie würden sicher von katholischen Gläubigen, die als Touristen auf den Inseln Sylt, Amrum und Föhr sowie auf der Halbinsel Eiderstedt weilen, gut frequentiert werden." 

Dass es sehr wohl auch anders geht, beweist "die katholische St. Sophiengemeinde in Barmbek-Süd [...], die von Mönchen und Priestern des Dominikanerordens betreut wird" und "ein reiches Angebot an heiligen Messen"  vorweisen kann: 

"In den zwei werktäglichen Messen finden sich zusammen 50 bis 60 Besucher ein. Die fünf Messen am Wochenende werden von mehreren Hundert Besuchern frequentiert". 

Aber genau das sieht das Erzbischöfliche Ordinariat offenkundig nicht als Positivbeispiel an -- im Gegenteil: Die Dominikaner wurden sogar dafür kritisiert, dass sie ihre Gemeinde "mit Messen überschwemmen". Da möchte ich mal den Apostel Paulus zitieren: "Was sollen wir nun hierzu sagen?" (Röm 6,1). Kann es sein - so fragt auch Bues - dass "Priester wie Gläubige gleichermaßen die Lust verloren" haben, "das Herzstück des katholischen Glaubens, die heilige Eucharistie zu feiern?" Man mag das bizarr finden, aber in letzter Konsequenz ist es, wie weiter oben schon angedeutet, schlichtweg eine Frage des Kirchenverständnisses. Wenn man daran glaubt, dass - wie der Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1324, unter Berufung auf das Konzilsdokument Lumen Gentium lehrt - die Eucharistie "Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens" ist, dann ist es selbstverständlich ein Unding, wenn die Leitung einer katholischen Diözese zu dem Schluss kommt, sie habe nicht nur zu viele Kirchen, sondern in diesen würden auch zu viele Messen gefeiert. Aber andererseits konsultieren die Ordinariate eben auch Unternehmensberater, die ihnen erklären, es sei unwirtschaftlich, so viele Ressourcen auf ein Produkt zu verwenden, das eine so geringe Nachfrage findet. Wenn über 90% der Kirchenmitglieder sich für das Angebot "Gottesdienst" nicht (oder höchstens zu besonderen Anlässen) interessieren, dann, so lautet die unternehmerische Logik, sollte die Kirche das Gottesfienstangebot reduzieren und stattdessen lieber was anderes machen. Und was sollte dieses Andere sein? Keine Ahnung, irgendwas halt. Wie ich vor längerer Zeit schon mal schrieb: Wenn die Nachfrage nach Brot sinkt, muss die Bäckerei eben Nudeln verkaufen. 

Wer schon mehr als einen Artikel von mir gelesen hat, wird sicher nicht im Zweifel darüber sein, was ich von der Anwendung einer solchen unternehmerischen Logik auf Belange der Kirche halte. Um es trotzdem noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Ich bin nicht nur der Auffassung, dass der Ansatz, Wirtschaftlichkeit zum Maßstab für kirchliches Handeln zu erheben, in offenem Widerspruch zum göttlichen Sendungsauftrag der Kirche steht; selbst unter dem Blickwinkel weltlicher Maßstäbe von "Erfolg" glaube ich noch nicht einmal, dass es funktioniert. Die Zusammenlegung von Pfarreien, nicht nur im Erzbistum Hamburg häufig gefolgt von Verkauf oder Abriss von Gebäuden, soll angeblich dazu dienen, die Kirche "zukunftsfähig" zu machen -- aber was für eine Zukunft soll das sein? Eine Zukunft ohne Gläubige?

Darüber, was die Zerstörung gewachsener Gemeindestrukturen unter dem Kirchenvolk anrichtet, sollte man sich keine Illusionen machen. Mein Leser aus dem Erzbistum Hamburg berichtet von einer ehemals "sehr engagierten und aktiven Gemeinde", deren Kirche im Zuge einer Pfarreienfusion "profaniert und platt gemacht" wurde; die Gemeinde 

"hat man erst mal ruhig gestellt, indem man anfangs Sonntagsmessen in der evangelischen Kirche des Ortes anbot. Inzwischen ist das eingestellt -- die Gemeinde hat sich zerstreut." 

Im biblischen Griechisch heißt "Zerstreuung" übrigens "Diaspora".  Aufgabe der Kirche in der Diaspora sollte es eigentlich sein, zu sammeln, was zerstreut war (vgl. Ez 11,17). In der norddeutschen Diaspora tut die Kirche derzeit explizit das Gegenteil. Nicht nur Hinrich E. Bues denkt in diesem Zusammenhang an das Jesuswort aus Lk 11, 23: 

"Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut."



4 Kommentare:

  1. Als einfacher Katholik im Erzbistum Hamburg bete ich unverdrossen auch weiter regelmäßig jeweils ein Gebet aus dem Alten Gotteslob für unseren derzeit beurlaubten Erzbischof aber auch insbesondere überhaupt für gute Bischöfe in unserem Erzbistum.

    Ich nehme es, wie es auch kommen mag, alles demütig und auf jeden Fall vertrauensvoll aus Gottes Hand an.

    Wer weiß denn, was z. B. gerade auch die jetzige Auszeit und eben unsere Laien Gebete vielleicht bei EB Heße bewirken mag?

    Vielleicht kriegen wir aber auch einen ganz anderen Erzbischof - wer weiß?

    Jedenfalls hat nicht etwa dieser derzeitige Erzbischof allein die derzeitige finanzielle Misere zu verantworten - diese finanziellen Probleme existierten schon zumindest bei seinem Vorgänger EB Werner Thissen und waren diesem gewiss bekannt.

    Gestern brachte übrigens das Hamburger Abendblatt eine interessante Meldung:

    Für einige derzeit noch im Besitz des Erzbistums Hamburg befindliche katholische Kliniken in ebenfalls beträchtlicher finanzieller Schieflage, hat sich mit der evangelischen und renommierten Hamburger Albertinen-Krankenhausgruppe ein offenbar potenter möglicher Kauf-Interessent gemeldet.

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  2. Klar ist: Defizitäre Schulen UND defizitäre Gebäude UND defizitäre Diakonie funktioniert auf Dauer nicht. Darüber, was wichtiger ist, oder wie der ideale Mix aussieht, kann man nun trefflich streiten. Die Botschaft, die hier aber ausgesendet wurde, lautete: Wir geben die junge Generation auf zu Gunsten der alten. Und das ist nun wirklich fatal.
    Neben dem allgemeinen Aufschrei gab es zahlreiche Unterstützungsangebote aus der Gesellschaft, eine regelrechte Welle der Solidarität. Wann erlebt die Kirche so etwas mal? Wurde aber alles abgetan mit einem "Haben wir nun mal so entschieden, basta".
    Dass konfessionelle Schulen defizitär sein müssen, ist ja nun auch kein Naturgesetz. Die nichtkatholisch-überkonfessionell-christlichen August-Hermann-Francke-Schulen in Hamburg wachsen und gedeihen. (Dort trifft man übrigens erstaunlich viele Katholiken in Schüler- und Lehrerschaft, aber das nur am Rande.) Und das liegt nicht nicht an potenten Sponsoren oder einem Goldesel im Keller, sondern daran, dass vernünftig gerechnet und ein auskömmliches Schulgeld erhoben wird. Ich werte das nicht, beschreibe nur, wie es funktionieren KANN.
    Wenn man also der Meinung ist, dass die Schulen einen wichtigen Beitrag zur Evangelisierung der jungen Generation leisten, lassen sich nachweislich auch Wegen finden, diese zu finanzieren. Wenn man sie dagegen als mehr oder weniger nutzlosen Klotz am Bein empfindet, möge man das doch bitte ehrlich sagen und sich konsequenterweise gleich von allen trennen. Das wäre allemal hilfreicher als dieses Herumgeeiere.

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    1. Die ach so tollen "Unterstützungsangebote aus der Gesellschaft" reichten finanziell hinten und vorne nicht, um die hochverschuldeten kath. Schulen in HH zu retten und auskömmlich weiter zu betreiben - that's it.

      Der sog. ehemalige kath. Schulverband mit zuletzt einem Priester an der Spitze, der heute Dompfarrer ist, war bereits vor Jahren bankrott und hätte nicht mal mehr die Gehälter und Pensionen der aktiven und ehemaligen Lehrenden zahlen können.

      Da ist dann das Erzbistum Hamburg eingesprungen und hat die Trägerschaft übernommen.

      Eine noble und auch sehr christliche Geste - gewiß. Aber spätestens da hätte sofort und klar umgesteuert werden müssen, denn die Schulden wachsen sonst nur immer weiter.

      Ich möchte doch mal aufmerksam machen und in Erinnerung rufen, dass das Erzbistum HH zwar die (Katholiken der) Stadt Hamburg im Namen trägt, aber eben neben der Freien und Hansestadt Hamburg eben auch noch die Flächenländer Schleswig-Holstein (SH) mit übrigens fast genauso vielen Katholiken wie Hamburg und das extreme Diasporaland Mecklenburg-Vorpommern (MV) mit aber insgesamt der Hälfte an Katholiken wie HH oder SH umfasst und eben auch für diese verstreut lebenden Katholiken Verantwortung trägt.

      Unsere Enkelin in Plön in SH hat schon seit einigen Jahren keinen kath. Religionsunterricht mehr am Gymnasium.

      Wo ist denn da konkret die Sorge des EB HH für die junge Generation?

      Ich zahle als Pensionär noch knapp 550€ Kirchensteuer jährlich - das Wenigste davon kommt hier vor Ort an, sondern geht und verbleibt im teuren Apparat der Diözese in HH - u.a. auch bei den Hamburger "kath." Privatschulen.

      Einer meiner ehemaligen Mitarbeiter, selbst konfessionslos, schickte vor Jahren seine Söhne auf kath. Schulen in HH, weil's ihn nix kostete und diese Schulen einen besseren fachl. Ruf als die staatl. Schulen hatten.

      Können wir gerne alles so weiter machen und hoffen, dass da dann doch irgendwann gute Katholiken generiert werden - aber man muss sich's halt auch finanziell leisten können.

      Ich weiß eigentlich nicht, was daran unzumutbar sein soll, wenn ein großer Teil der "kath." Schulen sozialverträglich als Auslaufmodell abgewickelt würde und in Zukunft Schülern aus best. Hamburger Stadtteilen dann zugemutet würde, mit dem sehr guten ÖPNV innerhalb der Stadt zu einer etwas weiter entfernten kath. Schule fahren zu müssen, wenn sie diese unbedingt besuchen wollen?

      Die Kinder in den beiden Flächenländer SH und MV müssen das für ihre staatl. Schulen allenthalben machen.

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  3. Wie kath. net gerade meldet, hat Rom das Rücktrittsangebot Erzbischof Heßes NICHT angenommen, so dass der Erzbischof nun sofort wieder in sein Amt zurückkehrt und damit den schweren und unpopulären Weg notwendiger Entscheidungen fortsetzen muss:

    https://kath.net/news/76287

    Seitens des Bistums scheint ein solcher Ausgang der Angelegenheit nicht unbedingt erwartet worden zu sein, wie ich noch vor 2 Tagen auf der Homepage des Erzbistums Hamburg las.

    Ich persönlich bin jedenfalls ganz froh über den Verbleib Stefan Heßes in seinem Amtund werde weiterhin regelmäßig für unseren Erzbischof beten - das ist m. E. das Beste, was ich als Laie ohne Amt und Posten in der Kirche für ihn tun kann.

    Denn:

    "Beten ist die radikalste Art, si h einzumischen" wie schon Rudolf Gehrig bereits von vielen Jahren sagte und schrieb.

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