Dienstag, 6. Februar 2018

Was habe ich eigentlich gegen das "Wort zum Sonntag"?

Gestern veröffentlichte das Erzbistum Berlin auf seiner Facebook-Seite einen Link zur aktuellen "Wort zum Sonntag"-Folge - weil eine Pastoralreferentin aus Neukölln, gegen die ich persönlich übrigens überhaupt nichts habe, die Sprecherin war. Zunächst ohne mir das Video angesehen zu haben (das habe ich später nachgeholt, und zum Inhalt dieser konkreten Folge ließe sich auch so Manches sagen, aber darum geht es mir hier eigentlich nicht), ließ ich mich zu dem Kommentar hinreißen: 
"Niemand, wirklich niemand braucht das 'Wort zum Sonntag'." 
Damit handelte ich mir natürlich wieder mal Ärger ein. "Einseitig" sei diese Stellungnahme, wurde mir vorgehalten. Ja, sorry. Wenn eine Sichtweise "einseitig" ist, ist sie darum falsch? Wenn jemand der Meinung ist, dass ich mit meiner Einschätzung Unrecht habe, dann soll er doch bitte versuchen, mich zu überzeugen, dass es auch etwas Gutes am "Wort zum Sonntag" gibt, und nicht von mir erwarten, die Gegenargumente gegen meine These gleich selber mitzuliefern. 

Aber okay, Argumente für meine These habe ich zunächst auch nicht geliefert. Dann reiche ich die jetzt mal nach. 

Was also ist, unabhängig von der Qualität der einzelnen Folgen, an der Sendereihe "Das Wort zum Sonntag" so Kacke? Nicht mehr und nicht weniger als der Umstand, dass diese Sendereihe das (konfessionsübergreifende) Flaggschiff und Paradebeispiel einer dominierenden medialen Selbstdarstellungsstrategie der Großkirchen in Deutschland ist, die ich für fatal halte. Es ist eine Selbstdarstellungsstrategie, die auf die - zugegebenermaßen sehr große - Zielgruppe der "Distanzierten" abzielt; also derer, die zwar Kirchensteuer zahlen, aber ansonsten "mit der Kirche nicht viel am Hut haben". Na, das ist aber doch eigentlich gut, dass man die erreichen will, oder? 

Nun ja: Das kommt darauf an, warum und wozu man sie erreichen will. 

Wir alle - das setze ich einfach mal voraus - kennen von Kindesbeinen an das pastoraltheologische Mantra, man müsse "die Leute da abholen, wo sie stehen". Klingt erst mal plausibel: Wo sollte man sie denn sonst abholen? In Wirklichkeit will die kirchliche PR-Strategie, für die das "Wort zum Sonntag" so unschön typisch ist, aber gar niemanden irgendwo abholen; die sollen schön da stehenbleiben, wo sie stehen, denn genau da will man sie haben. Das einzige, was man von diesen Leuten haben will, ist ihr Geld

Symbolbild, Quelle: Pixabay 

Das klingt jetzt nach einer bösen Unterstellung, und bis vor kurzem hätte ich selber nicht geglaubt, dass es gar so arg ist. Die Lektüre eines Bündels religionssoziologischer Analysen und daraus abgeleiteter Handlungsempfehlungen an die Kirche(n) hat mich diesbezüglich eines Besseren bzw. Schlimmeren belehrt. Einflussreiche Kirchenberater wie z.B. Detlef Pollack argumentieren ganz offen, die Kirche müsse sich vor allem um die Distanzierten bemühen, da diese für die institutionelle Stabilität notwendig seien. Sich um die Distanzierten zu bemühen, heißt aber gerade nicht, zu versuchen, sie aus ihrer Distanziertheit herauszuholen. Das Risiko, sie bei diesem Versuch ganz zu verlieren, ist viel zu groß, denn offenbar wollen die Leute ja distanziert sein. Also muss man sie darin bestärken. Klingt komisch, is' aber so - auch wenn es in offiziellen Verlautbarungen wie dem EKD-Impulspapier "Kirche der Freiheit" (2006) notdürftig mit wohlklingendem Pastoraltheologen-Sprech  ("Treue in Distanz", "Kirche bei Gelegenheit" u. dergl.) verbrämt wird. Polemisch könnte man sagen, der Unterschied zwischen einem Pastoraltheologen und einem für die Kirche tätigen Unternehmensberater liege nur darin, dass der letztere nicht einmal so tut, als ginge es ihm um etwas anderes als die Unternehmensbilanz. 

Also, nochmals: Man braucht die Mitgliedsbeiträge der Distanzierten, und deshalb will man ihnen vermitteln, dass sie, indem sie die Kirche weiter mitfinanzieren, etwas Gutes tun. Um dieses Ziel zu erreichen, muss man ihnen vorführen, dass die Kirche sich für Dinge einsetzt, die sie - die Zuschauer - gut und richtig finden. Keinesfalls darf man ihnen mit etwas kommen, was sie in irgendeiner Weise herausfordert bzw. ihre Auffassungen über Gut und Schlecht, Richtig und Falsch in Frage stellt. Und genau deswegen ist dem institutionellen Apparat der Kirche(n) nichts so suspekt wie missionarischer Eifer und/oder ein Bekenntnis zum Glauben, das über wohlklingende Gemeinplätze hinausgeht und womöglich gar "unpopuläre" Glaubenslehren einschließt. Wenn man sich das einmal klargemacht hat, wundert man sich über so Manches in der medialen Selbstrepräsentation der Kirche(n) nicht mehr. 



13 Kommentare:

  1. Hm, die Aussage, "Niemand, wirklich niemand braucht das 'Wort zum Sonntag'", ist riskant, denn es ist eine (negative) Allaussage. Also: Wenn man auch nur eine Person findet, die von sich sagt oder von der anhand objektive Kriterien festzustellen ist, daß sie das 'Wort zum Sonntag' braucht, wäre die Aussage widerlegt. Mit dem Von-sich-selbst-Sagen ist das so eine Sache, also nehmen wir, was objektive überprüfbar ist: das Geld. Wenn der Sprecher des Worts zum Sonntag dafür Geld bekommt, hätten wird schonmal jemanden, der es "braucht". Daraus ließen sich vielfältige Folgerungen und Kritik ableiten. Aber ich will das mal beiseitelassen. Jedoch: "Man braucht die Mitgliedsbeiträge der Distanzierten, und deshalb will man ihnen vermitteln, dass sie, indem sie die Kirche weiter mitfinanzieren, etwas Gutes tun. Um dieses Ziel zu erreichen, muss man ihnen vorführen, dass die Kirche sich für Dinge einsetzt, die sie - die Zuschauer - gut und richtig finden." Und ihnen also z.B. ein 'Wort zum Sonntag' vortragen. Daran ließen sich Erwägungen anknüpfen, wie unehrlich das 'Wort zum Sonntag' doch eigentlich ist, wenn es "Gutes Tun" Man beachte den Unterschied, ob man hier das erste oder das zweite Wort groß schreibt!) vorredet, aber eigentlich die Spende meint (Womit ich nicht gesagt haben will. daß die Spende etwas Schlechtes sei.).

    AntwortenLöschen
  2. >>Polemisch könnte man sagen, der Unterschied zwischen einem Pastoraltheologen und einem für die Kirche tätigen Unternehmensberater liege nur darin, dass der letztere nicht einmal so tut, als ginge es ihm um etwas anderes als die Unternehmensbilanz.

    Aber hallo, da gibt es doch noch einen Unterschied!

    Nämlich den, daß ein Unternehmensberater auf dem (naturgemäß begrenzten) Feld, auf dem er behauptet, Ahnung zu haben, in der Regel auch tatsächlich Ahnung hat.

    AntwortenLöschen
  3. Ich habe erlebt, wie mein Vater vor laufendem Fernseher beim Wort zum Sonntag (ARD) eingeschlafen ist. Dabei wollte er noch die Sportreportage (ZDF) sehen. Er hatte zu spät umgeschaltet.

    AntwortenLöschen
  4. Da drüben auf Facebook beim Bistum jemand schrieb, niemand brauche die hiesigen Blogbeiträge hier ein:

    Doch, ich.

    Tun als Erholung ganz gut, wenn man z.b. grade die Motivation verloren hat aus den Äußerungen kirchlicher Würdenträger oder gar einigen katholischen Blogs (gute Posts bei Pater Hagenkord bezüglich Ben Op; haben immerhin eine Diskussion bewirkt) schlau zu werden.

    Außerdem immer ganz nett zu sehen, dass man als das, was aus Bayern betrachtet eine "linke Socke" in Berlin sein könnte (aber durch den Maßkrug sieht man immer so unscharf, also ist die Realität vermutlich anders), trotzdem engagierter Katholik sein kann.

    carn

    AntwortenLöschen
  5. In diesem Blog wurden bisher alle meine Kommentare veröffentlicht. Bei Hakenkord war nach dem dritten Kommentar Schluss. Natürlich ohne Angabe von Gründen. Es sei denn "Sie sind ein Erbsenzähler" würde als Grund durchgehen.

    AntwortenLöschen
  6. "war nach dem dritten Kommentar Schluss."

    Also echt, so schnell aufgeben.

    Ich habe eine Quote von 30-50%; also der Anteil meiner Kommentare, die dann auch freigegeben werden.

    Pater Hagenkord findet wohl meine Art der Wahrheitssuche wenig ansprechend, was dann dazu führt; kann ich in gewissem Maße verstehen.

    Denn die Methode, wie ich am ehesten etwas verstehen kann, ist es mir ganz genau betrachten, einen oder mehrere argumentativen Schwachpunkte idenfizieren und dann mit aller argumentativen Kraft - am ehesten in Form einer binären Frage - zuschlagen und beobachten, ob und wie es zerbricht.

    Gerne mache ich sowas höflich, aber es wird dann trotzdem oft seltsamerweise als unhöflich aufgefasst (als ob ich das etwas zerstören wollte); und aufgrund der Schwierigkeiten von Online Kommunikation und Löschgewohnheiten von Mods allgemein, mache ich es eben auch öfters mal direkt, denn dann gibt es auch mal Ergebnisse und ich bin danach schlauer.


    Als weitere Beispiel, meine bevorzugte Methode zur Klärung der innerkirchlichen Debatte bzgk. Dubia/Kommunion wäre es jeweils ein paar "Kontrahenten" der jeweiligen Seiten (z.b. Kasper, Schönborn vs Burke, Schneider; Müller vielleicht auch noch, wenn er denn versichert alle 30 Minuten die seite zu wechseln) bei Wasser, Brot, Schlafsack und Internet-/Bibliothekszugang für Recherchezwecke in einem Kamera überwachten Burgverlies einzusperren (mit nicht Kameraüberwachten Rückzugs- und Schlafräumen) und die dürfen alle erst wieder raus, wenn sie jeweils so begründen können, warum die Gegenseite recht hat, dass die Gegenseite diese Begründung als die ihrige akzeptiert.

    Dann schaue ich mir das ganze mit ausreichend Popcorn und Bierversorgung an; und danach würde ich ziemlich sicher die ganze Sache kapieren.

    Mit anderen Methoden komme ich irgendwie nur langsamer zu echtem Verständnis.

    AntwortenLöschen
  7. >>weitere Beispiel, meine bevorzugte Methode zur Klärung der innerkirchlichen Debatte bzgk. Dubia/Kommunion wäre es jeweils ein paar "Kontrahenten" der jeweiligen Seiten bei Wasser, Brot, Schlafsack und Internet-/Bibliothekszugang für Recherchezwecke in einem Kamera überwachten Burgverlies einzusperren (mit nicht Kameraüberwachten Rückzugs- und Schlafräumen) und die dürfen alle erst wieder raus, wenn sie jeweils so begründen können, warum die Gegenseite recht hat, dass die Gegenseite diese Begründung als die ihrige akzeptiert.

    Die Methode ist ungeeignet, weil es nicht nur sinnvolle falsche und sinnvolle richtige, sondern auch unsinnige Positionen gibt (sogar von an sich ganz gescheiten Leuten) und letztere dadurch notwendig schwer bevorzugt werden.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. "Die Methode ist ungeeignet,"

      Es wäre für mich die Methode der Wahl; ich würde dabei vermutlich auch merken, wenn die eine Seite eine unsinnige Position vertreten sollte; wie kommt man darauf, dass bei der Dubia-Debatte eine Seite eine unsinnige Position vertritt?

      Ob das für mich hilfreiche im Sinne der öffentlichen Debatte hilfreich wäre, ist eine andere Frage.

      Löschen
  8. Ziemlich zynisch die Analyse; aber manchmal braucht es so eine Perspektive.

    Zu Bedenken ist aber, dass der Eindruck eines für Distanzierte optimiertes Reden auch ohne Schielen auf Kirchensteuer möglich ist.

    Angenommen Bischof X tritt irgendwo mit weiter Wirkung auf; er sagt was, was bei Distanzierten nicht gut ankommt; dann gehen 10 Schreiben bei ihm ein ala "Das hat jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht, ich bin raus."

    Passiert zwei dreimal; und schon witzelt man im Bischofssekretariat, wenn mal wieder ein Termin ansteht, dass man ja dann gleich schon mit größeren Postaufkommen rechnen muss, weil halt wieder 10-20 solcher Schreiben aufgrund des öffentlichen Auftritts eingehen.

    Wird das den Bischof X belasten? Sicher, er will ja eigentlich nicht erreichen, dass die Leute austreten, sondern das Gegenteil.

    Also wird er in Zukunft seine Worte auch mit Blick auf die Distanzierten wählen.

    Womit dann der Zyniker den Eindruck bekommen kann, Bischof X würde vor allem kirchensteueroptimiert reden.

    AntwortenLöschen
  9. Bischof X hat eben das Problem, dass er jeden in der Kirche halten will. Wenn er das als seine Grundsorge ansieht hat er schon verloren. Der Auftrag der Kirche besteht nicht darin, Menschen in dieselbe zu locken und zu halten. Und man braucht wirklich kein Zyniker zu sein um den Zusammenhang von sprudelnden Kirchensteuern und Mitgliedschaft in derselben zu sehen. Dazu bedarf es ausschließlich Realisten.

    AntwortenLöschen
  10. "Der Auftrag der Kirche besteht nicht darin, Menschen in dieselbe zu locken und zu halten."

    Dafür, dass der Auftrag eines Bischofs auch unfasst, Menschen in die Kirche zu "locken", ließen sich allerdings Argumente finden:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bischof#R%C3%B6misch-katholische_Kirche

    "Nach katholischer Lehre setzt sich in den Bischöfen die Lehr- und Leitungsvollmacht fort, die Jesus den zwölf Aposteln übertrug."

    https://www.bibleserver.com/text/EU/Matth%C3%A4us28

    "Der Auftrag des Auferstandenen
    16 Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte.
    17 Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel.
    18 Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde.
    19 Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
    20 und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt."

    Ein Bischof, der einmal die Woche an der Ecke auf dem Rathausplatz steht, um zu predigen und ggf. zu taufen, würde nicht per se seinem Auftrag zu wieder handeln (wie wohl die Zeugen Jehovas reagieren würden auf die Konkurrenz?).

    AntwortenLöschen
  11. "Dafür, dass der Auftrag eines Bischofs auch unfasst, Menschen in die Kirche zu "locken", ließen sich allerdings Argumente finden:"

    Das stimmt teilweise. Wenn die Aposteln allerdings ihren Auftrag so verstehen, dass sie die Gelockten unbedingt halten müssen, (und das sogar auf Kosten der Lehre, aktuell Bischof Bode und Kardinal Marx) sieht die Sache allerdings anders aus. Davon hat Jesus nichts gesagt. Es sei denn die Stelle wird nachgereicht......

    AntwortenLöschen
  12. Naja, aber mein Ansatz war ja, dass ein Bischof Austreten als das Gegenteil von dem empfindet, was sein eigentlicher Job ist, nämlich dass die Leute eintreten.

    Daraus entsteht dann eventuell die Neigung zur Verrenkung, womit dann in fehlerhafter Weise die Aufgabe emotional als die Leute halten wahrgenommen wird.

    Womit dann für Außenstehende der Eindruck entstehen kann, es gehe dem Bischof um die Einnahmen; obwohl das reinrutschen in das entsprechende Verhalten auch anders erklärbar sein könnte.

    Ich gehe lieber von anderen Motiven als schnöden Starren aufs Geld aus, selbst wenn das Verhalten auch zum Motiv des schnöden Starrens aufs Geld passt.

    AntwortenLöschen