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Samstag, 30. Dezember 2023

Creative Minority Report Nr. 10

Frohe und gesegnete Weihnachten, Leser! Wie ich neulich auf Facebook las: Wenn du traurig bist, dass Weihnachten vorbei ist, komm zu uns Katholiken – bei uns hat die Weihnachtszeit gerade erst angefangen! – Wie meine Familie den Heiligabend und die Weihnachtstage verbracht hat, inklusive Pleiten, Pech und Pannen, wird naturgemäß das Hauptthema dieses Wochenbriefings sein; andere Themen müssen da mal zurückstehen oder bis nächste Woche warten. Auch nicht fehlen darf indes eine Jahresbilanz meines Blogs. Und nun aber genug der Vorrede! 


Nasse Weihnacht 

Vorweg sei eingestanden, dass der 24. Dezember bei uns ganz und gar nicht nach Plan lief. Dabei hatte ich mir alles so schön gedacht: Vormittags in eine Messe zum 4. Advent, dann zum Mittagessen entweder zu Würgerking oder wahlweise zu Köfte City und dann zur Krippenspielprobe, die um 14 Uhr beginnen sollte. Aufgeführt werden sollte das Krippenspiel ab 15:30 Uhr im Rahmen bzw. in Kombination mit einer Andacht, und danach, so dachte ich mir, hätten wir dann Zeit, uns zu Hause ein bisschen auszuruhen, die Kinder schon mal ein paar Geschenke auspacken zu lassen und ein bescheidenes Abendessen zu uns zu nehmen, bevor wir zur Christmette (22 Uhr in Siemensstadt) aufbrechen mussten. 

Soweit, wie gesagt, die Theorie

Dass in der Praxis alles ein wenig anders laufen würde, dämmerte und bereits, als wir kurz vor elf Uhr vor der Kirche St. Joseph in Siemensstadt standen und sie verschlossen vorfanden. – Ja, ich gebe zu, ich bin schon irgendwie selbst schuld: Ich hätte mich mal lieber vorher vergewissern sollen, ob die Sonntagsmesse zur gewohnten Zeit stattfand. Aber ich hatte mir einfach nicht vorstellen können, dass sie ausfiel. Gerade hatte ich mich noch darüber mokiert, dass es in St. Willehad in meinem Heimatstädtchen Nordenham keine Messe zum 4. Advent gab, und nun musste ich feststellen, dass die Verhältnisse in meiner so gern gelobten Berliner Wahl-Pfarrei in diesem Punkt sogar noch schlechter waren. Wie ich – unklugerweise erst im Nachhinein – im Pfarrbrief nachlas, gab es in der ganzen, von Siemensstadt bis Dallgow-Döberitz reichenden Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland am 4. Advent nur eine kroatischsprachige Messe in Siemensstadt (die war, als wir ankamen, schon vorbei), eine polnischsprachige in der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen, dazu eine Messe im Seniorenheim St. Elisabeth und eine in St. Lambertus, beide im Ortsteil Hakenfelde gelegen; und in Dallgow-Döberitz eine Wort-Gottes-Feier. 

Okay, zugegeben, wie gesagt: Hätten wir uns rechtzeitig informiert, hätten wir immerhin  die Wahl gehabt, eine Messe auf Kroatisch zu hören oder nach Hakenfelde zu fahren; beides wäre im Rahmen des Möglichen ubd Zumutbaren gewesen. Inzwischen war es aber wohl zu spät, noch woanders zur Messe zu gehen. Oder? In St. Clemens am Anhalter Bahnhof sollte es noch eine Messe um 13 Uhr geben, in englischer Sprache, und wir waren schon fast entschlossen, da hinzugehen, als uns einfiel, dass wir es dann nicht rechtzeitig zur Krippenspielprobe schaffen würden. Was also tun? – Erst mal frühstücken. Eigentlich wollten wir das im Café Familia in der Nonnendammallee tun; da waren wir schon mal gewesen, und nicht nur das Frühstück war lecker und nicht zu teuer gewesen, sondern es gab auch eine schöne Kinderspielecke, die es uns wohl erlaubt hätte, einige Zeit in diesem Lokal zu verbringen. Leider hatte es gerade Betriebsferien. Also landeten wir im Frühstückscafé Kosgeroglu auf der anderen Straßenseite. Da war das Essen zwar auch gut und die Bedienung sehr freundlich, aber eine Kinderspielecke gab es nicht; die Kinder waren arg unruhig und auch nur wenig daran interessiert, etwas zu essen, und so kamen wir recht bald zu dem Schluss, wir müssten mal wieder mit ihnen an die frische Luft. 

Ein weiteres Problem, eigentlich sogar das Hauptproblem, war das Wetter. Zwar war es für Ende Dezember gar nicht mal so kalt, aber dafür war die Luft erfüllt von einem unaufhörlichen feinen Nieselregen, der in alle Ritzen kroch und alles durchweichte. Lange draußen aufhalten konnte bzw. wollte man sich bei diesem Wetter jedenfalls nicht – was auch in Hinblick auf das Krippenspiel ein Problem darstellte, das im Garten von St. Stephanus Haselhorst stattfinden sollte; aber noch war ich nicht soweit, die Teilnahme am Krippenspiel in Frage zu stellen. Aus ebendiesem Grund schien es mir auch keine Option zu sein, "erst mal nach Hause" zu gehen: Ich befürchtete nämlich, von dort aus kämen wir nicht rechtzeitig wieder los. Stattdessen schlug ich vor, in die Hallen am Borsigturm zu gehen und uns da ein bisschen aufzuwärmen. Aber ach: Die Hallen am Borsigturm waren ebenfalls geschlossen. Ich glaube, das habe ich noch nie erlebt, nicht einmal zu Corona-Zeiten. Also, dass die einzelnen Geschäfte geschlossen waren, das natürlich schon, aber in die Hallen selbst kam man eigentlich trotzdem immer rein – wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, was ich ehrlicherweise nicht ausschließen kann. 

Das Ende vom Lied war jedenfalls, dass wir weiter durch den Nieselregen gurkten, und allmählich bekam ich doch Zweifel hinsichtlich des Krippenspiels. Okay, im Garten von St. Stephanus gibt es so ein großes Pavillonzelt, da konnten möglicherweise sowohl die Mitwirkenden als auch das Publikum drunter Platz finden; aber die Nässe kam ja trotzdem überall hin, da nützte ein Zeltdach auch nicht viel. War es wirklich zumutbar, eineinhalb Stunden Probenzeit und dann noch die Aufführung und Andacht in diesem nasskalten Klima zuzubringen? Wäre es nicht die vernünftigere Lösung, das Krippenspiel in die Kirche zu verlegen? (Nur nebenbei sei erwähnt, dass meine Schwiegermütter eigentlich interessiert gewesen wären, sich das Krippenspiel anzusehen, jedoch abgesagt hatten, als sie erfahren hatten, dass es im Freien stattfinden sollte.) 

Als wir – etwas früher als 14 Uhr, da wir ja sowieso nicht wussten, wohin mit uns – beim Gemeindezentrum St. Stephanus ankamen, waren die Organisatoren des Krippenspiels gerade dabei, die Kulissen aufzubauen, und zwar natürlich im Garten unter dem Zeltdach. Mein Einwand, ich hielte es bei diesem Wetter sowohl für die Mitwirkenden als auch für die Zuschauer im Grunde nicht für zumutbar, das Krippenspiel draußen stattfinden zu lassen, und man solle es lieber nach drinnen verlegen, stieß auf kein nennenswertes Echo. Man habe das die letzten Jahre immer so gemacht, sogar bei noch schlechterem Wetter. Schließlich hieß es, man könne das ja entscheiden, wenn alle Mitwirkenden da seien; aber in der Zwischenzeit wurden die Aufbautätigkeiten fortgesetzt und somit Fakten geschaffen. Am Rande schnappte ich zu allem Überfluss das Argument auf, bei einer Veranstaltung habe man "wenigstens keine Corona-Gefahr". Ja nee, is' klar. Stundenlang im Nieselregen 'rumzustehen und sich nasse Füße zu holen ist bestimmt total gesund

Da also offenkundig wenig Aussicht auf Einsicht bestand, traten wir schließlich noch vor Beginn der Probe den Rückzug an – in einigermaßen verdrossener Stimmung. Ich hatte mich wirklich auf dieses Krippenspiel gefreut, gerade auch auf die Aussicht, dass meine Kinder da mitmachten – umso mehr, nachdem die Große sich ja nicht fürs Sternsingen hatte begeistern lassen. Aber ehe ich mich jetzt in meinen Ärger hineinsteigere, sage ich lieber noch ein paar Worte dazu, wie dieses Krippenspiel eigentlich hätte ablaufen sollen; denn der eine oder andere Leser fragt sich wahrscheinlich schon, wie es überhaupt möglich sein soll, ein Krippenspiel aufzuführen, das zuvor nur einmal, und zwar unmittelbar vor der Aufführung, geprobt wurde. Dazu kann ich nur sagen: Voriges Jahr hat das prima funktioniert. Der Trick ist, es simpel zu halten: Es gibt eine Erzählerin, sodass die Kinder keinen Text lernen müssen; der Großteil der mitwirkenden Kinder wird in zwei Gruppen eingeteilt, eine Hirten- und eine Engelgruppe, und im Prinzip müssen nur der "Oberhirte" und der "Oberengel" wirklich wissen, was wann zu tun ist – die anderen machen einfach mit. Ein sehr praktikables Konzept gerade für kleinere Kinder; wenn meine Kinder etwas größer sind, würde ich mir durchaus wünschen, dass sie bei einem etwas anspruchsvolleren Krippenspiel mitmachen, aber da kann ich dann ja vielleicht selbst Regie führen. Ich hab ja nicht umsonst mal Theaterwissenschaft studiert. 

Ob das Krippenspiel dieses Jahr überhaupt stattgefunden hat – sprich: ob sich trotz des miesen Wetters noch genug Mitwirkende eingefunden haben –, weiß ich nicht, aber ich muss schon sagen, dass die "Das haben wir schon immer so gemacht"-Einstellung, mit der der Vorschlag, das Krippenspiel nach drinnen zu verlegen, abgeschmettert wurde, mich ziemlich verstimmt hat. Am liebsten wäre ich nun spontan auf ein anderes Krippenspiel ausgewichen, wenigstens als Zuschauer; in St. Joseph Tegel gab's zum Beispiel eins, von dem ich vermutete, dass es von der benachbarten KiTa (mit-)gestaltet werden würde. Aber mit dieser Idee konnte ich bei Frau und Kindern nicht landen, die wollten einfach nur nach Hause. Also traten wir geschlagen den Rückzug an, und als wir zu Hause ankamen, durften die Kinder schon mal ihre ersten Geschenke auspacken. (Die Bescherung fiel bei uns dieses Jahr übrigens auch etwas schmaler aus als geplant, da drei DHL-Pakete mit im Internet bestellten Sachen auf dem Versandweg spurlos verschwunden waren.) Meine Laune besserte sich, als wir am Nachmittag alle zusammen ein Brettspiel spielten, das meine Liebste – nach dem Vorbild eines Spiels, das sie bei einem Besuch bei einer Freundin und deren kleinem Sohn kennengelernt hatte – mit ein bisschen Mitarbeit der Kinder selbst gebastelt hatte. 

Wir schafften es auch, unsere Wohnung rechtzeitig wieder zu verlassen, um es ohne Hast zur Christmette zu schaffen; und als wir im Dunkeln von der U-Bahn-Station Siemensdamm zur Kirche St. Joseph gingen, ging mir unwillkürlich durch den Kopf, wie ich erst kürzlich denselben Weg schon einmal im Dunkeln zurückgelegt hatte, zusammen mit dem Tochterkind – nämlich auf dem Weg zum Sternsinger-Vorbereitungstreffen. Plötzlich verspürte ich den Drang, auf dem Absatz kehrt zu machen. Das war natürlich ein völlig irrationaler Impuls, den ich schnell überwand, aber in gewissem Sinne betrachte ich diese Erfahrung als lehrreich: Sie macht deutlich, wie sich im eigenen Gehirn negative Erlebnisse mit bestimmten Orten (oder auch Personen) verknüpfen und dadurch verfestigen können. Verknüpft sich auf diese Weise eine Reihe negativer Erlebnisse mit einem Ort, kann es passieren, dass man da plötzlich instinktiv nicht mehr hin will. Das ist, wie gesagt, irrational und vielleicht – besonders, wenn für diese negativen Erlebnisse letztlich niemand etwas kann – ein bisschen albern, aber so funktioniert das menschliche Gehirn nun mal. Und genau deshalb war es wichtig, dass wir nach der Erfahrung mit der verschlossenen Tür am Vormittag dennoch hier zur Christmette gingen – denn die war gut. Sehr gut sogar. Eine richtig schöne, feierliche Messe, bei der erstmals so etwas wie Weihnachtsfreude bei mir aufkam. Der örtlich zuständige Pfarrvikar zelebrierte – ein paar Impulse aus seiner Predigt folgen weiter unten –, die Liedauswahl war geschmackvoll, und dass die Kinder – beide! – einen nicht ganz kleinen Teil der Messe verschliefen, trug in gewissem Sinne auch zur harmonischen Stimmung bei. 

"Wie Sie sehen, ist die Heilige Familie obdachlos. Ist aber ganz gut, weil: Der Himmel kommt in dieser Nacht herunter über die Heilige Familie."

Kaum hatten wir allerdings die Kirche verlassen, da fing es richtig an zu regnen – so sehr, dass wir auf dem kurzen Weg bis zur U-Bahn-Station Siemensdamm komplett bis auf die Haut durchnässt wurden... ein irgendwie passender Abschluss für diesen chaotischen Tag. 


Predigtnotizen 

"Heute ist der Himmel offen für jeden von uns. Das bedeutet, dass die Liebe Gottes Platz finden möchte, wohnen möchte in unseren Herzen." 

"Der Christ ist wie ein Kind, wie ein Säugling, der ein absolutes Vertrauen hat, dass der Himmel für ihn offen ist, das heißt, dass die Liebe des Vaters in jedem Moment für ihn da ist." 

"Man lernt zu lieben, wenn man Kinder hat. Kinder sind die besten Erzieher in der Liebe. Man braucht Geduld, man braucht Zärtlichkeit, man braucht Verständnis, man braucht viel Fürsorge." 

"Gott ist Kind geworden. Gott hat uns nicht von oben angeschaut, sondern zu Weihnachten legt Er sich in unsere Arme und blickt uns an und fragt uns: Liebst du schon? Liebst du mich schon?"

"Die Krippe ist ein Bild des christlichen Lebens. Wir brauchen nicht perfekt zu sein. Oft haben wir eine Vorstellung von Christentum, dass wir alles richtig machen müssen. Der Stall ist nicht perfekt. Unser Leben muss nicht perfekt sein. Aber echt." 


Was sonst noch so los war 

Den 1. Weihnachtstag verbrachten wir ab Mittag bei meinen Schwiegermüttern, das war schön und entspannend; am 2. Weihnachtstag gingen wir in den Zirkus. Den "Ostfrieslands Weihnachtscircus", um genau zu sein, auch wenn ich mir nicht recht erklären kann, was daran ostfriesisch sein sollte. Dieser Zirkus gastierte auf einer Wiese neben dem Schönfließer Pflanzenmarkt im Mühlenbecker Land, also "j.w.d.", wie der Berliner sagt; hin kam man mit dem Bus noch einigermaßen, nur zurück wurd's schwierig. Aber erst mal der Reihe nach: Nachdem ich buchstäblich jahrzehntelang in keinem Zirkus gewesen war, war dies mein zweiter Zirkusbesuch innerhalb von sieben Wochen, was natürlich zu Vergleichen einlädt. Die Manege war nicht größer als beim Circus Hopplahopp, vielleicht sogar kleiner; die Zahl der Mitwirkenden war allerdings erheblich größer (mindestens drei Männer, zwei Frauen und ein Kind). Ein Familienbetrieb schien indes auch dieser Zirkus zu sein, und ich muss sagen, dass dieser Aspekt – die spezifische Lebensweise von Zirkusfamilien – mich am Zirkusgewerbe besonders fasziniert. Was das Programm angeht, hatten insbesondere die Tiernummern erhebliche Ähnlichkeit mit denen des Circus Hopplahopp – da scheint es im Zirkusgewerbe gewisse "Standard"-Nummern zu geben –; aber in Sachen Akrobatik wurde hier erheblich mehr geboten, so gesehen ging auch der deutlich höhere Eintrittspreis in Ordnung. Am Circus Hopplahopp hatte ich es gerade reizvoll gefunden, dass alles so klein, überschaubar, schlicht und altmodisch gewesen war; hier im "Ostfriesland Circus" wirkte alles um einige Grade polierter und ausgefeilter, aber ein gewisses "Zirkus wie in alten Zeiten"-Flair fehlte dennoch auch hier nicht. 

Erwähnt sei übrigens noch, dass während der Wartezeit auf den Beginn der Vorstellung mindestens zehnmal "Last Christmas" lief, in der Originalversion und verschiedenen Coverversionen. Wozu ich anmerken möchte, dass ich den Hass, der diesem Lied alle Jahre wieder entgegenschlägt, zwar nachvollziehen, aber nicht ganz teilen kann. Ja, das Lied ist doof, aber doch auf eine nette und harmlose Art doof. Was, wie mir scheint, eine Aussage ist, die auch das Gesamtwerk der Gruppe Wham! ganz gut beschreibt. 

Die Buslinie, mit der wir gekommen waren, fuhr schon nicht mehr, als die Vorstellung zu Ende war; daher mussten wir bis Glienicke (Nordbahn) zu Fuß gehen – ca. 2 Kilometer –, um von dort aus einen anderen Bus zu nehmen. Fand ich aber gar nicht so schlimm, zumal das Wetter gut war. Die nächsten Tage verbrachten wir aber beschaulich zu Hause... 


Was ansteht 

Nach Neujahr mag zwar "weltlich" gesehen der Alltag und somit der Ernst des Lebens wieder losgehen, aber es ist immer noch Weihnachtszeit, unser Schulkind hat noch eine Woche Ferien und auch meine Liebste hat die Woche noch frei. Termine stehen trotzdem an: Am Donnerstag trifft sich der KiWoGo-Arbeitskreis in St. Joseph Siemensstadt, da der nächste Kinderwortgottesdienst, der ursprünglich auf den 28. Januar angesetzt gewesen war, spontan um zwei Wochen vorverlegt worden ist und nun natürlich noch vorbereitet werden muss. Und am nächsten Samstag findet in der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen der erste Neujahrsempfang der Pfarrei Heilige Familie statt, da muss man sich wohl mal blicken lassen. Davon abgesehen steht noch die Idee einer selbstgemachten Wohnungstürsegnungs-Andacht zum Dreikönigstag im Raum (dafür müsste ich dringend noch etwas mehr Gitarre üben), und um neue Termine für die Wichtelgruppe muss ich mich auch mal kümmern. Langweilig wird es also bestimmt nicht...! 


"Huhn meets Ei"-Jahresrückblick 

Tja, Freunde: Wenn dieses Wochenbriefing pünktlich zum regulären Termin online geht, dann sind es noch 30 Stunden, bis das Kalenderjahr 2023 vorbei ist. In 30 Stunden könnte natürlich theoretisch noch allerlei Weltbewegendes passieren. Muss aber ja nicht unbedingt. Also schauen wir uns doch mal an, was das zu Ende gehende Jahr meinem Blog gebracht hat – oder umgekehrt. 

Zunächst: Dieses Wochenbriefing mitgerechnet, habe ich im Jahr 2023 ganze 81 Artikel veröffentlicht; das ist etwas weniger als 2015 und deutlich weniger als in den Jahren 2016, 2017 und 2019, aber mehr als in allen anderen Jahren seit Bestehen meines Blogs. Und das, obwohl ich in diesem Jahr erst am 11. März (wieder) mit dem Bloggen angefangen habe! Das würde ich mal als uneingeschränkten Erfolg bezeichnen; ebenso, dass ich die Wochenbriefing-Reihe "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim", die es bis dahin in mehreren Anläufen nur auf 20 Folgen gebracht hatte, mit 32 weiteren Folgen zum Abschluss gebracht habe und die Nachfolger-Reihe "Creative Minority Report" nun auch schon zum zehnten Mal in Folge pünktlich erscheint. Auf der anderen Seite ist festzustellen, dass ich mit dem Abarbeiten schon längst angekündigter Artikelthemen ziemlich stark im Rückstand bin. Na, da haben wir ja gleich einen guten Vorsatz dafür, was im neuen Jahr besser werden kann und soll. 

Betrachtet man die Zugriffszahlen der einzelnen Blogartikel, dann liegt "Ein neuer Priester für St. Willehad" (erschienen am 20. November) sehr deutlich vorn; auf Platz 2 liegt "Havels Gemüsehändler ist jetzt Tierarzt in Butjadingen" vom 11. März, also mein erster Artikel nach fast einem Jahr "Blogpause". Bronze geht an "Eine Klarstellung aus Vechta" vom 23. November – dem Update zum erstplatzierten Artikel. Auf Platz 4 haben wir dann erstmals einen Artikel, in dem es nicht um die Pfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland geht, nämlich "Auf einer Skala von Bischof Oster bis Maria 1.0: Wie dunkelkatholisch bist du?"(erschienen am 27. März), gefolgt von "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #28" vom 4. Mai. Dass dieser Artikel ein so deutlich über das übliche Niveau meiner Wochenbriefings hinausragende Resonanz gefunden hat, dürfte vor allem der darin enthaltenen Schilderung einer Diskussionsveranstaltung in Falkensee zu verdanken sein, bei der der Berliner Generalvikar P. Manfred Kollig über den Synodalen Weg sprach. Auf Platz 6 dann wieder ein Willehad-Artikel, "Einige Anfragen an die Pfarrei St. Willehad. Und ein Gebet" (erschienen am 12. März); Platz 7 geht an "Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus" vom 23. Juli, auf Platz 8 und 9 folgen, ziemlich Kopf an Kopf, "Bloß keine Fragen stellen!" (1. April) und "Hol dir deine Kirche zurück!" (3. Juni). Den letzten Platz in den Jahres-Top-10 hat sich, einigermaßen knapp vor einem weiteren Willehad-Artikel, "Der Traum von der erneuerten Gemeinde (Teil 1)" gesichert. 

Was lernen wir nun daraus? Vielleicht, dass ich, wenn's mir nur oder in erster Linie um Klicks ginge, noch mehr über Themen aus Nordenham und/oder Butjadingen schreiben sollte. Da habe ich offenbar ein dankbares Publikum, und an Stoff fehlt's auch nicht. Aber letztendlich verfolge ich mit meinem Blog eben doch (auch) andere Interessen. Was das angeht, würde ich schon sagen, dass die sechs Top-10-Artikel, in denen es um "andere Themen als St. Willehad" geht, einen recht guten Eindruck von dem Themenspektrum vermitteln, um das es auf meinem Blog vorrangig geht. Okay, um ein wirklich stimmiges Gesamtbild zu ergeben, fehlen eigentlich noch ein Artikel zum Thema Familienalltag, einer über Kinder- und Jugendliteratur und einer über Popmusik, aber mir ist schon klar, dass das Themen sind, mit denen ich – ebenso wie übrigens mit der Serie über die "eingekerkerte Nonne"! – jeweils nur eine Minderheit meines Publikums erreiche. Ich darf jedoch versichern, dass es sich dabei um Minderheiten handelt, die mir am Herzen liegen

Unabhängig davon möchte ich es in diesem Jahresrückblick aber, wie schon in der 100-Tage-Bilanz meines Blogger-Comebacks, erneut nicht unterlassen, einige Artikel zu benennen, von denen ich finde, sie hätten mehr Aufmerksamkeit verdient, als ihnen bisher zuteil geworden ist. Ab erster Stelle möchte ich da den Artikel "Auf der Werft der Erneuerung?" vom 9. Mai nennen; der hat es nämlich nur auf Platz 28 der Jahrescharts geschafft, dabei ist er, da muss ich mich jetzt mal selber loben, sehr informativ und gut recherchiert. Mit anderen Worten, da steckt richtig Arbeit drin. Ähnliches gilt für "Der Traum von der erneuerten Gemeinde (Teil 2)", der sogar nur Platz 54 in der Jahreswertung erreicht hat. Abgesehen davon, dass zweite Teile von Artikelserien es erfahrungsgemäß  immer schwer haben, sehe ich eigentlich keinen plausiblen Grund, warum er in der Piblikumsresonanz so deutlich hinter dem ersten Teil zurückgeblieben ist. Etwas besser ist es dem Artikel "Der Geist und die Synodalen" ergangen – immerhin Platz 23 in den Jahrescharts –, aber auch da sehe ich noch reichlich Luft nach oben. Nicht ausgezählt habe ich, auf welchen Plätzen in der Jahreswertung die Artikel "Komm, lass uns kleben" und "Neues aus Synodalien: KMU steht für 'Kann meinetwegen untergehen'" gelandet sind, aber auch da finde ich, die könnten gern noch mehr gelesen werden. 

Was mich abschließend noch auf die Patreon-Seite Mittwochsklub bringt, die ich im November gemeinsam mit meiner Liebsten vom Stapel gelassen habe. Die läuft auch (noch) nicht so gut, wie wir uns das wünschen würden. Braucht's mehr Premium-Content? Zugegeben, in der zweiten Dezemberhälfte hat es auf der Seite nichts Neues gegeben – wir sind schlicht nicht dazu gekommen, erst waren wir reihum alle krank, dann kamen die Feiertage. Das wird im Januar wieder besser, versprochen; aber davon abgesehen werde ich ja nicht müde zu betonen, dass das Abonnement einer Patreon-Seite grundsätzlich und in erster Linie ein solidarischer Akt sein soll: Wer für die Patreon-Seite zahlt – und wir reden hier nicht von großen Summen, sondern von 5 bis 15 € im Monat –, der unterstützt damit indirekt diejenigen unserer Aktivitäten und Initiativen, mit denen wir kein Geld verdienen – wozu nicht zuletzt dieser Blog zählt. Der Premium-Content für die Abonnenten ist sozusagen nicht der eigentliche Gegenwert für den monatlichen Beitrag, sondern eher ein Dankeschön für die Unterstützer. Das habe ich mir nicht so ausgedacht, sondern das ist das Konzept von Patreon. Finde ich eigentlich ziemlich sympathisch, es müssten nur mehr Leute mitmachen. 


Geistlicher Impuls der Woche 
Freude war es, was mich zum Glauben gebracht hat, Freude über die Geburt meines Kindes vor 35 Jahren, und diese Freude wird beständig erneuert dadurch, dass ich täglich unseren Herrn in der Messe empfange. Anfangs dachte ich, den Gebeten der Messe zu folgen, würde, wenn man es Tag für Tag täte, eintönig werden und wäre nur etwas für die Priester, und das wäre der Grund, weshalb die Leute still und ohne Buch dasäßen. Ein Quäker, der mit mir zur Messe ging, sagte einmal zu mir: "Jetzt weiß ich, was die Messe ist – sie ist eine Meditation." Aber sie ist eine Handlung, ein Opfer, begleitet von Gebeten, und diese täglich wiederholten Gebete – der Anbetung, der Buße, der Danksagung, der Bitte – sind immer da. Das eine oder andere dieser Gefühle mag überwiegen, aber die Handlung, die vollzogen wird, ruft das Empfinden hervor, dass darin "das Werk unserer Erlösung" ereignet. 
(Dorothy Day, Weihnachten 1961; eigene Übersetzung) 

Ohrwurm der Woche

Veronika Lohmer & Band: Jesus ist kommen 


Man nehme den Text eines Kirchenliedes aus dem 18. Jahrhundert (gedichtet von Johann Ludwig Konrad Allendorf, 1693-1773), wähle aus den ursprünglich neun Strophen sechs aus, belasse diese aber weitgehend in ihrer spätbarocken Sperrigkeit; dann schreibe man einen Refrain und eine neue, rockige Melodie dazu – und fertig ist der Weihnachts-Lobpreis-Hit! Das Stück ist auch auf dem Studio-Album "So hoch der Himmel ist" von Johannes Hartl & Friends zu hören, aber ich finde, live kommt die Nummer erheblich besser rüber – erst recht in so einer All-Star-Besetzung wie hier! – Übrigens muss ich sagen, dass ich Veronika Lohmer am besten finde, wenn sie am letzten Abend der MEHR schon total erschöpft und ihre Stimme etwas kratzig ist. Und nebenbei, Leser: Hast du erkannt, wer die 2. und 3. Strophe singt? Das ist Thomas Enns, der einer breiteren Öffentlichkeit 2007 als Kandidat in der 4. Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" bekannt wurde. 

Ein bisschen wehmütig stimmt mich diese Live-Aufnahme indes angesichts der Tatsache, dass wir es aus verschiedenen Gründen diesmal nicht zur MEHR-Konferenz in der kommenden Woche schaffen werden. Online mitverfolgen kann man die Konferenz diesmal, soweit ich gehört habe, auch nur, wenn man ein Streaming-Ticket kauft. Da gibt es verschiedene Tarife: Tickets für 1-2 Personen, Kleingruppentickets für bis zu 10 Personen und dann noch welche für größere Gruppen – bis zu 50 Personen oder so. Tatsächlich gab es, wie mir zugetragen wurde, in Herz Jesu Tegel ein paar Leute, die ein gemeinsames MEHR-Gucken mit Beamer im Pfarrsaal organisieren wollten, aber das ist, was kaum sehr überraschen kann, an mangelnder Kooperationsbereitschaft des Pfarrers gescheitert. Eventuell komme ich darauf nächste Woche noch zurück... 


Samstag, 23. Dezember 2023

Creative Minority Report Nr. 9

Es weihnachtet sehr in Siemensstadt und Haselhorst – und in Tegel natürlich auch! Aus diesem Anlass soll es im aktuellen Wochenbriefing wieder mehr um lokale Impressionen gehen, nachdem diese in den letzten Wochen etwas kurz gekommen sind; aber Leser von weiter her können beruhigt sein: Natürlich bin ich wie stets bestrebt, das, was ich vor Ort sehe und erlebe, als Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für Betrachtungen zu nehmen, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung sind... 


Was bisher geschah 

Am 3. Advent war endlich wieder die ganze Familie gesund genug, dass wir zusammen in St. Joseph Siemensstadt zur Messe gehen konnten. Die Messe wurde zelebriert vom leitenden Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie, der die Predigt dazu nutzte, über die Erfindung der Weihnachtskrippe durch den Hl. Franz von Assisi vor 800 Jahren zu sprechen – passend dazu, dass es am Ende der Messe eine Krippensegnung gab (s. Abb. oben). Anschließend gab es noch Waffeln und Heißgetränke im Pfarrsaal. Am Montag hatten wir dann mal wieder "Omatag", nachdem der mehrere Wochen nacheinander aus unterschiedlichen Gründen ausgefallen war. Im Übrigen war die letzte Schulwoche vor den Ferien zu bewältigen, Weihnachtskarten an ferne Verwandte waren zu verschicken, und was der Festvorbereitungen mehr ist, weißte selber, Leser. Jetzt kann Weihnachten aber auch kommen! 


Was ansteht 

Am morgigen Sonntag ist volles Programm: erst 4. Advent, dann Heiligabend! Am Nachmittag ist Krippenspiel im Garten von St. Stephanus in Haselhorst; unser Tochterkind hat letztes Jahr einen Engel gespielt und möchte das auch diesmal wieder tun, und für unseren Jüngsten gibt es eventuell eine Rolle als Schaf – bei seinem Temperament dürfte die hauptsächliche Herausforderung allerdings darin bestehen, zu verhindern, dass er allen anderen die Schau spielt. Mir wurde bereits angekündigt, dass ich vielleicht den Part eines abweisenden Gastwirts übernehmen dürfe oder solle. Seien wir gespannt! Zur Christmette werden wir dann voraussichtlich wohl in St. Joseph Siemensstadt gehen. Am Weihnachtstag sind wir bei meinen Schwiegermüttern eingeladen, und an den folgenden Tagen stehen dann noch einige Besuche von Patentanten usw. an. Und dann ist das Kalenderjahr 2023 auch schon so gut wie rum! Termine nicht-privater und nicht-geselliger Art stehen erst nach Neujahr wieder an; hoffen wir mal, dass das so bleibt...! 


Sternsinger-Probleme zwischen Tegel und Siemensstadt 

Auf das Sternsinger-Vorbereitungstreffen in Siemensstadt, das ich vorige Woche nur kurz erwähnt habe, wollte ich noch ausführlicher eingehen. Dazu muss ich vorausschicken, dass mein Tochterkind hinsichtlich der Frage, ob sie bei den Sternsingern mitmachen wolle, von vornherein eine Skepsis an den Tag legte, die ich unverständlich und etwas verdrießlich fand. Schon dazu, zu dem Vorbereitungstreffen zu gehen, konnte ich sie nur überreden, indem ich ihr versicherte, das bedeute noch keine verbindliche Zusage, bei der Aktion mitmachen, sondern vielmehr eine Gelegenheit, sich zu entscheiden, ob sie Lust darauf habe. Auf dem Weg zu dem Treffen teilte sie mir mit, sie mache nur mit, wenn ich auch mitmache; das fand ich schmeichelhaft und erklärte, das könne man sicherlich so einrichten, dass ich als erwachsene Aufsichts- bzw. Begleitperson mit einer Sternsingergruppe mitginge. 

Dass der Verlauf des Vorbereitungstreffens sie dann aber darin bestärkte, nicht mitmachen zu wollen, kann ich ihr, wenn ich ehrlich bin, nicht verübeln. – Wie erkläre ich das, ohne den Verantwortlichen allzu schmerzhaft auf die Füße zu treten? 

Sagen wir mal so: Es fing damit an, dass die Idee, ein Kind zu diesem Vorbereitungstreffen zu bringen, das sich noch nicht entschieden hat, ob es mitmachen will, offensichtlich nicht eingeplant war. Wahrscheinlich ist das nicht nur – aber tendenziell schon auch – ein Kirchending: Ich habe in letzter Zeit häufiger festgestellt, dass die Auffassung, man könne (oder solle!) ein sechsjähriges Kind selbst entscheiden lassen, was es will und was nicht, gar nicht so verbreitet ist. Im vorliegenden Fall kam erschwerend hinzu, dass alle anderen anwesenden Kinder schon mindestens einmal beim Sternsingen mitgemacht hatten. Diese Konstellation war in mehrfacher Hinsicht ungünstig, aber bleiben wir vorläufig mal bei dem Punkt, dass mit einer gewissen Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wurde, alle Kinder, die zum Vorbereitungstreffen antraten, würden auch bei der Sternsingeraktion dabei sein. Durch diese Erwartung fühlte sich meine Tochter – verständlicherweise, wie ich finde – unter Druck gesetzt, und für mich als Vater war es auch eine blöde Situation, da es nun so aussehen konnte, als hätte ich sie unter falschen Voraussetzungen hierher gelockt. 

Nun gut, letztendlich muss ich wohl einräumen, dass ich mich über den Charakter dieser Veranstaltung geirrt hatte: Es handelte sich definitiv nicht um eine Werbe- und Informationsveranstaltung für die Teilnahme an der Sternsingeraktion. Zu diesem Zweck war sie offenkundig nicht nur nicht geeignet, sondern auch gar nicht gedacht. Was mich jedoch wundert, ist, dass es eine solche nicht gab – meinetwegen eine oder zwei Wochen vor diesem Termin, bei dem es offenbar nur noch darum gehen sollte, mit denen, die sich bereits zum Mitmachen entschieden hatten, organisatorische Fragen zu klären. Okay, es waren ungefähr fünf Kinder da, die schon Erfahrung im Sternsingen hatten und wieder mitmachen wollten, und es war die Rede davon, dass es wohl noch zwei oder drei weitere Kinder in der Gemeinde gäbe, die mitmachen würden, auch wenn sie nicht zum Vorbereitungstreffen erschienen waren. Andererseits war aber auch die Rede davon, dass man eigentlich mehr Kinder gebrauchen könnte. Da frage ich mich nun: Was stellen sich die Organisatoren vor, wo diese zusätzlichen Kinder herkommen sollen? 

Meine persönliche Einschätzung ist, dass es sich hier um ein typisch "post-volkskirchliches" Problem handelt. Das System Volkskirche hat sich allzu lange darauf verlassen, dass die Leute, wenn man sie braucht, einfach "da sind" bzw. von allein kommen und ihre Motivation selbst mitbringen. Nun sehen die Mitarbeiter zwar schon seit Jahrzehnten, dass das so nicht (mehr) funktioniert, aber es vollzieht offenbar kaum mal jemand den Schritt von dieser Erfahrung zu der Konsequenz, dass man etwas anders machen müsste. Vielfach fehlt es da wohl auch einfach an Kreativität und Experimentierfreude. Man lässt in den Vermeldungen ansagen, dass für diese oder jene Aufgabe Helfer benötigt werden, und wenn sich darauf niemand meldet, wirft man die Hände in die Luft und fragt rhetorisch: "Ja, was sollen wir denn sonst machen?" 

Gerade beim Thema Sternsingen denke ich, es dürfte eigentlich gar nicht so schwierig sein, auf eine Art für diese Aktion zu werben, die Kindern, die da noch nie mitgemacht haben und keine genaue Vorstellung davon haben, wie das abläuft, den Eindruck vermitteln würde: Das macht bestimmt Spaß, da will ich mitmachen. Man müsste es halt nur erst mal wollen. Ich finde es ziemlich schade bis ärgerlich, dass diese Chance verpasst wurde. 

Derweil hat meine Familie, was das Thema Sternsinger angeht, noch ein ganz anderes Problem: Wenn wir nicht zu den Sternsingern gehen, wie kommen die Sternsinger dann zu uns? Die Sternsinger aus Siemensstadt machen natürlicherweise keine Hausbesuche in Tegel, und ich sehe ehrlich gesagt nicht kommen, dass wir eine Sternsingergruppe der Tegeler Pfarrei zu uns nach Hause "bestellen". Wenn unsere Kinder aber nicht erleben, wie die Sternsinger zu uns an die Tür kommen, wie sollen sie dann dazu angeregt und ermutigt werden, in Zukunft selbst bei so einer Aktion mitzumachen? – Ich denke, das mindeste, was wir tun können und sollten, ist, uns so einen von einem Geistlichen unseres Vertrauens "vor-gesegneten" Türaufkleber zu besorgen und im Hausflur unsere eigene Wohnungstür-Segnungs-Andacht zu veranstalten. Auf mittlere Sicht hätte ich aber nicht übel Lust, mit unseren eigenen und noch ein paar Kindern befreundeter Familien eine eigene, guerillamäßige Sternsingertruppe aufzubauen, die nach guter alter Sitte um die Häuser zieht, wie andere Kinder es zu Halloween tun. 

Ja, ja, ich weiß: Das kann man nicht machen™️, weil das Kindermissionswerk sich das Sternsingen hat urheberrechtlich schützen lassen. Da habe ich mich schon vor Jahren drüber aufgeregt. Ehrlich gesagt habe ich erhebliche Zweifel an der Legitimität dieses Urheberrechtsanspruchs. Das Sternsingen ist ein seit Jahrhunderten belegter Brauch, der übrigens zum Weltkulturerbe gehört; hingegen wurde die "Aktion Dreikönigssingen" des Päpstlichen Missionswerkes der Kinder (wie es damals noch hieß) erst 1959 ins Leben gerufen. Überhaupt ist mir schleierhaft, wie jemand auf die Idee kommen kann, ein Urheberrecht für traditionelles Brauchtum zu beanspruchen, und damit auch noch durchkommen kann. Meines Wissens hat noch nicht einmal Coca Cola den Versuch unternommen, Urheberrechtsansprüche für den Weihnachtsmann geltend zu machen.  – Das ist, so hoffe ich, nicht bloß ein "pet peeve" von mir. Gerade unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" sollte man sich als gläubiger Katholik mehr denn je ernsthafte Gedanken darüber machen, ob man dem Kindermissionswerk – von dem man wohl behaupten darf, dass es tendenziell für die Idee einer postreligiösen NGO-Kirche steht – die Monopolisierung und Instrumentalisierung des Sternsingens durchgehen lassen will und kann. 

Dieser Türaufkleber hat seine Dienstzeit 
offenkundig übererfüllt und sollte dringend mal – im doppelten Wortsinne – "abgelöst" werden.


Aus meinem Wichtelbuch 

Aber mal zurück zur chronologischen Reihenfolge: Am Tag nach dem Sternsinger-Vorbereitungstreffen stand nämlich die Weihnachtsfeier der Katholischen Pfadfinder Haselhorst an, und da sollte auch die Wichtelgruppe mit dabei sein, die den Pfadfindern ja gewissermaßen lose assoziiert ist. Meine Co-Leiterin teilte mir indes am Samstagmorgen mit, ihre Tochter sei krank und sie werde daher nicht kommen, aber ich machte mich mit meinen Kindern trotzdem auf den Weg – während meine Liebste sich, obwohl krankgeschrieben, darum kümmern musste, rechtzeitig zum Notenschluss des Abiturjahrgangs noch einen Stoß Klausuren zu korrigieren. 

Außer uns waren schätzungsweise fünf Kinder und eine entsprechende Anzahl Erwachsener bei dieser Weihnachtsfeier, und es mag sein, dass ich vom Sternsinger-Vorbereitungstreffen am Vortag her noch etwas übellaubig war, aber jedenfalls stellte ich schon wieder fest, dass diese Veranstaltung nicht so ganz das war, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Okay, ganz ehrlich gesagt hatte ich keine genaue Vorstellung gehabt, was mich und meine Kinder da erwartete. Aber um einen großen Tisch herumzusitzen, Tee zu trinken und Plätzchen zu mümmeln, dabei einen Jahresrückblick in Film- bzw. Diaschau-Format anschauen, Aktivitäten fürs kommende Jahr zu besprechen und zwischendurch ein paar Lieder zu singen, ist dann wohl doch ein Veranstaltungsformat, das ich eher bei einer Vereinsfeier für Erwachsene erwartet hätte. Noch ehrlicher gesagt glaube ich, dass das selbst für Erwachsene langweilig ist, nur sind Erwachsene es in der Regel eher gewohnt, sich zu langweilen, und tolerieren so etwas daher leichter. Für Kinder ist so etwas jedenfalls gar nichts, und ich muss sagen, ich bin nicht wenig stolz auf meine Kinder, dass sie dabei so brav blieben. 

Auch hier gilt wohlgemerkt wieder: Ich will eigentlich niemandem auf die Füße treten. Mir ist klar, wie schwierig es ist, in der Vorweihnachtszeit, in der so gut wie jeder ohnehin schon viel zu viele Termine zu haben scheint, überhaupt eine Veranstaltung auf die Beine stellen, zu der dann tatsächlich ein paar Leute kommen; und allein unter diesem Aspekt kann man die Weihnachtsfeier der Haselhorster Pfadfinder schon als Erfolg bezeichnen. Dennoch, und gerade in dem Wissen, wie schwer es die kirchliche Jugendarbeit angesichts der Konkurrenz von Ganztagsschule, Sportvereinen und elektronischen Medien hat, denke ich, es wäre ratsam, ein bisschen mehr Wert darauf zu legen, dass die paar Leute, die zu den Veranstaltungen kommen, da dann auch Spaß haben. Dann kommen sie nämlich beim nächsten Mal wieder und bringen im günstigsten Fall sogar noch jemanden mit. – Ich glaube auch gar nicht, dass das unbedingt so viel mehr Aufwand erfordern würde; sondern, siehe oben, vor allem mehr Kreativität und Experimentierfreude. – Aber ich habe gut reden; schließlich habe ich mich auch nicht an der Vorbereitung und Gestaltung dieser Weihnachtsfeier beteiligt, was man angesichts meiner Position als Wichtelgruppenleiter durchaus von mir hätte erwarten können. Okay, ich habe die bequeme Ausrede, dass ich krank war. Immerhin, fürs nächste Jahr habe ich schon ein paar Ideen. 

Wenn hier nun insgesamt der Eindruck entsteht, ich hätte ganz schön viel zu meckern, möchte ich betonen, dass meine Kritik nicht einzelnen Personen und ihrem Engagement gilt, sondern der Unbeweglichkeit volkskirchlicher Strukturen und Gewohnheiten. Erst kürzlich habe ich hervorgehoben, dass die Situation in der Gemeinde St. Joseph Siemensstadt/St. Stephanus Haselhorst in dieser Hinsicht bedeutend besser sei als in anderen Gemeinden, die ich kenne; und dabei bleibe ich auch. Mag es, wie oben beklagt, so sein, dass man, wenn man sich in der Gemeinde engagieren will, seine Motivation selbst mitbringen muss; aber das ist wenigstens erwünscht, anders als in gewissen anderen Gemeinden, wo es als Vorwurf und Belästigung aufgefasst wird, wenn jemand zu viel Motivation mitbringt

Symbolbild: Wenn die Volkskirche eine Bäckerei wäre. 

Währenddessen in Tegel: Weihnachtsgrüße aus St. Klara 

Als ich einen an mich adressierten Brief der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd im Briefkasten vorfand, war mein erster Gedanke, die Pfarrei wolle mir Hausverbot in ihren Kirchen erteilen oder mir zumindest das Abhalten spontaner Lobpreisandachten ("Beten mit Musik") untersagen. Mein nächster Gedanke war, das Pfarrbüro sei der Meinung, ich hätte noch einen Schlüssel für Gemeinderäume, den ich langsam mal zurückgeben solle (habe ich aber nicht), oder wolle mich daran erinnern, dass noch irgendwelche Sachen von mir in Schränken oder Pappkartons im Gemeindehaus von Herz Jesu herumstehen, die ich da mal wegschaffen solle (das könnte durchaus sein). Tatsächlich war's aber nicht dergleichen: Der Briefumschlag enthielt bloß das Faltblatt mit Weihnachtsgrüßen, das alljährlich an alle Gemeindemitglieder versandt wird. Und Gemeindemitglied bin ich wohl noch, auch wenn ich mich anlässlich der jüngsten Pfarrei- und Gemeinderatswahlen ins Wählerverzeichnis von St. Joseph Siemensstadt/St. Stephanus Haselhorst habe eintragen lassen. 

Im Hintergrund andere (erfreulichere) Weihnachtspost. 

Und was steht nun also drin in diesem Weihnachtsgruß-Faltblatt? Fangen wir mal an mit einem Satz, der da seit Jahren im Wesentlichen unverändert drinsteht und über den ich mich schon aufgeregt habe, als ich selbst noch in dieser Pfarrei aktiv war

"Wir grüßen besonders alle, die wenig Kontakt zu uns haben, unseren Dienst aber nicht zuletzt durch ihre Kirchensteuer regelmäßig unterstützen". 

IM. ERNST. Sorry, aber das ist dermaßen armselig, da kann ich nicht mal Witze drüber machen. Man kann von Glück sagen, dass wohl bei den meisten der so angesprochenen Adressaten der Flyer ungelesen im Altpapier landen wird, denn sonst müsste man damit rechnen, dass ein nicht gerade kleiner Teil der Leser angesichts dieses Satzes denken würde: "Ach, stimmt ja, ich sollte endlich mal aus der Kirche austreten." --- 

Und was hat der Flyer sonst noch so zu bieten? Zunächst einmal wird der geneigte Leser darüber informiert, dass die vier Pfarreien, die letztes Jahr um diese Zeit noch den "Pastoralen Raum Reinickendorf-Süd" bildeten, "[s]eit dem 1.1.2023 [...] eine neue Großpfarrei" bilden, "für die wir die heilige Klara von Assisi (1193/94-1253), eine Gefährtin des hl. Franziskus und selbstbewusste Frau, als Patronin gewählt haben". Das mit der selbstbewussten Frau ist natürlich ganz doll wichtig. Die Namensfindungsdebatte für die neue Großpfarrei fiel noch in die Zeit, als ich in Herz Jesu Tegel im Pfarrgemeinderat war (und ich weiß noch, dass ich mich damals einigermaßen befremdet fragte, ob es im Zusammenhang mit der Pfarreienfusion keine dringlicheren Fragen zu diskutieren gebe als diese), und da wurde in den Gremien großer Wert darauf gelegt, dass die Pfarrei nach einer weiblichen Heiligen benannt werden solle, schließlich gelte es, Frauen in der Kirche sichtbar zu machen. Na ja, das Übliche halt. 

Im Übrigen weist der Flyer auf die Termine der Weihnachtsgottesdienste in allen Kirchen der Pfarrei hin, wirbt für die Sternsingeraktion und führt die Adressen der Kirchen und des Pfarrbüros sowie die Kontaktdaten der "Mitarbeiter/innen der Pfarrei" auf. "In allen kirchlichen Fragen von Taufe, Trauung und Beerdigung über Erstkommunion und Firmung bis zum Einzelgespräch sind wir gerne ihre Ansprechpartner", heißt es in vollendeter Dienstleistungsmentalität. Und sonst? Vielleicht noch sowas wie ein geistlicher Impuls zum Weihnachtsfest? Ja, doch, den gibt's: 

"Viele Menschen sehnen sich gerade an diesem Fest nach Frieden und Geborgenheit. 

Gott will in Jesus in unsere zerstrittene Welt kommen und uns zum Frieden ermutigen." 

Das, geschätzter und verehrter Leser, ist alles. Man kann diesen Flyer drehen und wenden wie man will, es flattert keine andere Botschaft zum Weihnachtsfest heraus. Mehr als eine vage Ermutigung zum Frieden fällt den "Mitarbeiter/innen der Pfarrei" zum Festmysterium der Geburt des Herrn nicht ein. Ich fürchte indes, das ist weniger charakteristisch für diese eine Pfarrei als vielmehr typisch für den post-volkskirchlichen Mainstream der Kirche in Deutschland. Es ist das Bild einer Kirche, die ihre Botschaft und ihren Auftrag komplett vergessen hat und die infolgedessen auch kein Mensch mehr braucht. Diese Gestalt "von Kirche", wie es oft so unschön heißt, hat fertig


Neues aus Synodalien: Erlaubt der Vatikan jetzt doch "Segensfeiern für Paare, die sich lieben"? 

Nein. 

Okay, das ist jetzt vielleicht doch eine zu knappe Antwort. Wer's genauer wissen will, dem empfehle ich die Pressemitteilung der Initiative Neuer Anfang vom 18.12.; und wem die nun wiederum zu lang ist, dem ist vielleicht mit ein paar komprimierten Kernaussagen geholfen: 

Das Schreiben "Fiducia supplicans" der Glaubenskongregation revidiert oder relativiert die Lehre der katholischen Kirche zum Ehesakrament und zur Bewertung von Homosexualität nicht, im Gegenteil, es bestätigt sie ausdrücklich. Es ergänzt die doktrinäre Perspektive jedoch um eine pastorale: Der Arzt ist für die Kranken da und nicht für die Gesunden (vgl. Mk 2,17), die Kirche hat die Aufgabe und Pflicht, auch und gerade den Menschen, die in irregulären Verhältnissen (oder, altmodisch ausgedrückt "in Sünde") leben, Zuwendung und Beistand zu bieten, und diese Zuwendung und dieser Beistand kann unter Umständen auch die Form eines Segens annehmen, vorausgesetzt, es herrscht Klarheit darüber, dass damit nicht die Sünde gutgeheißen bzw. die betreffende Person in ihrer Sünde bestärkt wird. Das, was der Schismatische Weg unter dem Schlagwort "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" verfochten und gefordert hat, wird in "Fiducia supplicans" explizit abgelehnt: Wie man unter Nr. 38 lesen kann, "soll man die Segnung von Paaren, die sich in einer irregulären Situation befinden, weder fördern noch ein Ritual dafür vorsehen". 

Dass nun die einschlägigen Qualitätsmedien, aber z.B. auch Irme Stetter-Karp und das Erzbistum Hamburg bezüglich der Aussagen des Schreibens der Glaubenskongregation das glatte Gegenteil von dem behaupten, was tatsächlich drinsteht, lässt nur zwei mögliche Schlüsse zu: Entweder diese Leute haben eine Lesekompetenz, mit der sie nicht einmal die MSA-Prüfung im Fach Deutsch bestehen würden, oder sie lügen. Was von beidem die wahrscheinlichere Erklärung ist, mag jeder selbst erwägen. 

Nun sagen viele glaubenstreue Katholiken, es sei doch absehbar gewesen, dass dieses Schreiben öffentlich lautstark fehlinterpretiert werden würde, von den einen absichtlich, von den anderen aus purer Doofheit; und weil das vorauszusehen gewesen sei, sei es unklug gewesen, ein solches Schreiben zu verfassen und zu veröffentlichen. Aber wie man meinem Blog zweifellos vielfach anmerkt, halte ich grundsätzlich nicht sehr viel von der Auffassung, man dürfe etwas Richtiges nicht sagen, weil es jemand in den falschen Hals kriegen könnte. 

Ich gebe zu, ich habe "Fiducia supplicans" im Wortlaut noch nicht vollständig gelesen, aber die Abschnitte, die ich gelesen habe, fand ich gut. Ja, okay, ich fand auch "Amoris Laetitia" im Großen und Ganzen gut, mit Einschränkungen, wozu z.B. diese eine Fußnote da gehörte. Ich bin gewiss nicht Papst Franziskus' größter Fan, aber erst recht bin ich kein Fan von Leuten, die partout und bei jeder Gelegenheit päpstlicher als der Papst sein wollen. – In einer öffentlichen Diskussion auf Facebook habe ich eine Einschätzung zu "Fiducia supplicans" gelesen, die ich zur Einordnung wertvoll finde und darum gern hier zitiere: 
"Es ist eigentlich die ausgewogene Pastoral, die ich mir wünsche. Sie sagt klipp und klar: Eine Ehe kann es nur zwischen Mann und Frau geben. Sie ist unauflöslich und unersetzbar. Somit darf kein Segen den Anschein erwecken, dass es sich um eine Quasi-Anerkennung einer Verbindung außerhalb das Sakramentes handelt. Gleichzeitig wird jedoch anerkannt, dass es Lebenslagen gibt, die das Kirchenrecht gar nicht individuell berücksichtigen kann, dass es den Wunsch nach göttlichem Segen gibt, und dass es auch in irregulären Verbindungen Aspekte gibt, die allein eine Ehe zwar nicht rechtfertigen, jedoch als Elemente, die auch eine Ehe untermauern, auch in anderen Verbindungen als heilig und wahr betrachtet werden. 
Es ist also quasi das 'Lumen Gentium' der Sexualmoral: Anerkennung echter und heiliger Wahrheiten in anderen Religionen (respektive hier: in anderen Partnerschaften) ohne diese selbst als vollkommen und gottgewollt anzuerkennen. Es war bei LG richtig, dann kann die Vorgehensweise hier nicht falsch sein. 
Diese Handreichung erkennt die Realität an ohne die Lehre in Zweifel zu ziehen. Das ist Barmherzigkeit." 
(Marcel Schimmelpfennig) 
Derweil habe ich durchaus zur Kenntnis genommen, dass es theologische Einwände gegen die Argumentation von "Fiducia supplicans" gibt, insbesondere was die Unterscheidung von liturgischen und nicht-liturgischen Formen des Segens betrifft. Dazu muss ich gestehen, dass ich schlichtweg nicht genug von Theologie und Dogmengeschichte verstehe, um einschätzen zu können, wie valide diese Einwände sind; und ohne es etwa bös' zu meinen, möchte ich unterstellen, dass dies den meisten meiner Leser ebenso gehen dürfte. Nachvollziehbar, überzeugend und ausgewogen erscheint mir indes, was der norwegische Bischof Erik Varden zu "Fiducia supplicans" anmerkt; hier nachzulesen in englischer Sprache. 


Geistlicher Impuls der Woche 
Meine Seele preist die Größe des Herrn
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan
und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron 
und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben 
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen, 
das er unsern Vätern verheißen hat, 
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. 


Ohrwurm der Woche 

Vanessa Bell Armstrong & Daryl Coley: Comfort Ye My People 

Das 1992 erschienene Album "Handel's Messiah – A Soulful Celebration" habe ich, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, schon Mitte der 90er in der Musikabteilung der Stadtbücherei Nordenham entdeckt, und die Begeisterung für dieses Werk hat mich seither nie mehr losgelassen. Mir ist bewusst, dass eine bestimmte Sorte von Händel-Puristen und/oder fundamentalistischen Verfechtern der sogenannten "historischen Aufführungspraxis" das Projekt, Stücke aus dem "Messias" im Stil unterschiedlicher Genres afroamerikanischer Popularmusik, von traditionellen Trommelchören bis hin zu HipHop und House, zu interpretieren, geradezu als Blasphemie empfinden wird; aber da gehe ich mal lässig drüber hinweg und verschone meine Leser im Gegenzug auch damit, was ich als Arbeiterkind über die Trennung von "U- und E-Musik" als Mittel zur Aufrechterhaltung von Klassenunterschieden denke. Stattdessen streue ich hier lieber eine kleine Anekdote ein: Ich war mal bei meiner Schwester und meinem Schwager zu Besuch und hatte die "Handel's Messiah – A Soulful Celebration"-CD im Gepäck, und als sich eines Abends noch ein weiterer Gast einfand, nämlich ein junger Mann, der Kirchenmusik studierte, legte ich die Scheibe auf, weil ich neugierig war, was er davon halten würde. Meine Schwester fand die Musik schräg, aber der Kirchenmusikstudent meinte schon während der Ouvertüre, das sei eine durchaus legitime Interpretation. – Das hier ausgewählten Stück "Comfort Ye My People" (Text: Jesaja 40,1-3) würde ich als einigermaßen kompromissfähig betrachten, denn es ist – verglichen mit einigen anderen Stücken des Albums – nicht allzu weit von der Originalkomposition entfernt. Und es ist schön weihnachtlich. Finde ich. 



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Mittwoch, 20. Dezember 2023

Butjadingen/Nordenham: Weihnachten fällt (größtenteils) aus

Es ist zu meiner eigenen Überraschung schon fast fünfeinhalb Jahre her, dass ich mich auf meinem Blog einlässlich mit dem rapiden Niedergang der evangelischen Kirche in meiner Heimatregion befasst habe. Dabei erscheint es aus katholischer Perspektive so naheliegend, zu sagen oder auch nur zu denken: Wenn man meint, die katholische Kirche in Deutschland sei in einem trostlosen Zustand, muss man sich nur mal die evangelischen Landeskirchen ansehen – verglichen mit denen geht's uns noch gut. Tatsächlich ist Häme aber denkbar unangebracht: Die evangelischen Landeskirchen sind schließlich lediglich ein Stück weiter vorangeschritten in eine Richtung, in die auch die katholische Kirche hierzulande unterwegs ist. Warum so viele Amts- und Funktionsträger in der katholischen Kirche so erpicht darauf scheinen, der evangelischen Kirche nachzueifern, obwohl die katastrophalen Folgen dieses Kurses doch offen zutage liegen, wäre an und für sich eine interessante Frage – die wir hier und jetzt jedoch nicht klären können. 

Im Frühsommer 2018 hatte ich ausgerechnet, dass, wenn der Mitgliederschwund der Evangelisch-lutherischen Kirche Oldenburgs im Kreis Wesermarsch im selben Tempo weitergeht wie seit 1990, die Landeskirche im nicht mehr gar so fernen Jahr 2061 überhaupt keine Mitglieder mehr in diesem Landstrich haben wird. Zieht man die Ergebnisse der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) in Betracht, darf man es als wahrscheinlich betrachten, dass der Mitgliederschwund sich in den nächsten Jahrzehnten eher noch beschleunigt als verlangsamt; der Nullpunkt könnte also bereits deutlich früher erreicht werden, wenn es nicht in naher Zukunft zu einer spektakulären Trendumkehr kommt. 

Man könnte nun meinen, eine derart drastische Situation erfordere drastische Maßnahmen. In der nördlichen Wesermarsch hingegen, wie zweifellos auch andernorts, fällt den Verantwortlichen nichts Besseres ein, als – ganz im Sinne eines dienstleistungsorientierten Selbstverständnisses – zu sagen: Na gut, wenn die Nachfrage sinkt, dann reduzieren wir eben das Angebot

Zum Beispiel das Angebot an Weihnachtsgottesdiensten

Symbolbild, Quelle: Flickr

Es ist noch nicht so lange her, da war der Weihnachtsgottesdienst sozusagen das Top-Markenprodukt und der zuverlässige Verkaufsschlager der evangelischen Landeskirchen. Übers Jahr hatte man vielleicht eine Gottesdienstbesuchsquote von 2-3% der Kirchenmitglieder, aber zu Weihnachten war die Kirche voll. Weil der Kirchbesuch in vielen Familien zum traditionellen, gewohnten und eingeübten Festtagsprogramm und zum vertrauten und liebgewonnenen Bild von "Weihnachtsstimmung" einfach dazugehörte. Und genau dies hat sich in den vergangenen Jahren offenbar rapide verändert. 

Die Esenshammer Pfarrerin Bettina Roth führt gegenüber der Nordwest-Zeitung "als einen der Gründe die Corona-Zeit an", und ich glaube, da hat sie einen Punkt. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie die Leute vor den Friseursalons Schlange standen, als diese nach dem Corona-Lockdown wieder öffnen durften, und ebenso lebhaft daran, dass es vor den Kirchen keine solchen Warteschlangen gab. Eine Menge Leute, die "vor Corona" gewohnheitsmäßig zur Kirche gegangen sind, haben während des Lockdowns die Erfahrung gemacht, dass sie eigentlich ganz gut ohne diese Gewohnheit auskommen können; und diese Leute bekommt die Kirche jetzt nicht zurück. Pfarrerin Roth drückt es so aus: "Während der Pandemie hätten viele Christen andere Rituale gefunden, um Weihnachten zu feiern: mehr in der Familie als in der Kirche." 

Da würde man sich nun allerdings wünschen, die lieben Kirchenleut' würden, wenn sie denn schon mal was Richtiges und Kluges sagen, sich wenigstens selbst zuhören. Das Schlüsselwort lautet hier nämlich "Rituale". Wenn die schrumpfenden Großkirchen ihren Mitgliedern Rituale zu jahreszeitlichen (Ostern, Weihnachten) oder lebensabschnittsbezogenen Anlässen (Heirat, Taufe, Konfirmation, Beerdigung) nur noch als Dienstleistungen anbietet und ihnen die Sinnzuschreibung selbst überlassen, müssen sie sich nicht wundern, wenn ihre Zielgruppe irgendwann auf die Idee kommt, sich die Rituale ebenfalls selbst zu basteln – oder andere Dienstleister damit zu beauftragen: freie Redner zum Beispiel, die nicht diesen Ballast an Tradition und Dogma mit sich herumschleppen und darum flexibler auf die individuellen Wünsche und Vorstellungen der "Kunden" eingehen können. 

Eine Chance, sich gegen diesen Trend zu behaupten, haben die Kirchen eigentlich nur, wenn es ihnen gelingt, die Menschen davon zu überzeugen, dass Tradition und Dogma eben nicht bloß Ballast sind, sondern, richtig verstanden, den Zugang zu etwas Echtem und Wahrem eröffnen – und dass die Kirche den Menschen damit etwas zu bieten hat, was sie bei keinem anderen Anbieter bekommen, etwas, das größer ist als ihre eigenen Vorstellungen. 

Dafür wäre es natürlich hilfreich, man würde erst mal selbst daran glauben

Was indes dabei herauskommt, wenn man die Dienstleistungsmentalität so sehr verinnerlicht hat, dass es einem ganz selbstverständlich erscheint, das Angebot an der Nachfrage auszurichten, kann man heuer in der nördlichen Wesermarsch beobachten – und sicherlich nicht nur dort. "Das Geschehen konzentriert sich immer mehr auf Heiligabend", stellt der Burhaver Pfarrer Klaus Braje fest; und die Folge ist, dass er ebenso wie sein Abbehauser Amtskollege Matthias Kaffka "am 24. Dezember [...] gleich fünfmal im Gottesdienst-Einsatz" ist – "an wechselnden Orten. Pfarrerin Bettina Roth, die neben Esenshamm die Gemeinden Seefeld und Dedesdorf betreut, hat eine Rundreise mit drei Terminen vor sich." Dieser Vielzahl an Heiligabend-Gottesdiensten steht der Umstand gegenüber, dass "die Pfarrstellen Butjadingen-Nord und Butjadingen-Süd [...] am 1. Weihnachtstag nur noch einen zentralen Gottesdienst" anbieten, nämlich "ab 9.30 Uhr in der St.-Laurentius-Kirche in Abbehausen. 'Das ist zunächst ein Versuch', sagt Matthias Kaffka, 'wir warten mal ab, wie die Reaktionen ausfallen.'" Tja: Ich würde mal sagen, "ausfallen" ist hier genau das richtige Stichwort. Auch die evangelischen Kirchengemeinden Nordenham und Blexen legen ihre Weihnachtsgottesdienste zusammen und feiern am 25. Dezember ab 10 Uhr in der St.-Hippolyt-Kirche in Blexen, am 26. Dezember ab 17 Uhr in der Martin-Luther-Kirche in Nordenham. In ganz Butjadingen einschließlich Abbehausens gibt es hingegen am 2. Weihnachtstag überhaupt keinen evangelischen Gottesdienst. 

Mir ist bewusst, dass man eine Reihe von Argumenten dafür vorbringen könnte, dass diese Reduktion des Gottesdienstangebots vertretbar und vernünftig sei. Man könnte zum Beispiel argumentieren, es sei sowieso anachronistisch, dass es in Butjadingen ganze fünf formal selbständige evangelisch-lutherische Kirchengemeinden gibt (bzw. sechs, wenn man Abbehausen mitrechnet, das "weltlich" seit 1974 zu Nordenham gehört). Man könnte darauf hinweisen, dass in diesem Landstrich die gesamte Infrastruktur darauf ausgerichtet ist, dass jeder ein Auto hat, und dass es darum auch zumutbar sei, wenn die Leute etwas weiter fahren müssen, um zu einem Weihnachtsgottesdienst zu kommen. Und natürlich kann man auf den massiven Stellenabbau in der Oldenburgischen Landeskirche hinweisen, der dazu führt, dass die – gerade an Weihnachten, trotz schwindender Nachfrage, immer noch beträchtliche – Arbeitsbelastung sich auf immer weniger Geistliche verteilt. Aber um all das geht es mir hier letztendlich nicht, oder schärfer ausgedrückt: Ich bin überzeugt, dass all diese pragmatischen Argumente dem eigentlichen Problem gegenüber nur vorgeschoben sind. Und das eigentliche Problem ist, wie oben schon angedeutet, dass die ehemaligen Volkskirchen schlichtweg den Glauben daran verloren haben, dass sie den Leuten etwas zu geben haben, das diese zu ihrem Heil nötig haben. Und wenn sie das selbst nicht mehr glauben, werden sie natürlicherweise auch niemanden davon überzeugen können. 

Erhellend ist hier einmal mehr ein Seitenblick auf die örtliche katholische Pfarrei. Die ist, wie wir wissen, personell seit Kurzem sogar überbesetzt. Trotzdem gibt es in der Pfarrkirche St. Willehad in Nordenham heuer keine Messe zum 4. Advent. Sondern nur eine Vorabendmesse in Burhave. Man darf davon ausgehen, dass das damit zusammenhängt, dass der 4. Advent dieses Jahr auf den Heiligabend fällt (oder umgekehrt, wie man's nimmt). Da gibt's um 16 Uhr eine Krippenfeier für Familien mit kleinen Kindern, um 17 Uhr eine ökumenische Weihnachtsandacht auf dem Marktplatz und um 22 Uhr dann die Christmette; da fand das Pastoralteam offenbar, auch noch am Vormittag Messe zu feiern, wäre ein bisschen zu viel des Guten; da käme ja sowieso keiner, bzw. die paar Leutchen, die Wert auf eine Messe zum 4. Advent legen, passen auch in die kleine Kirche in Burhave. Letzteres stimmt vielleicht sogar, aber die Einstellung dahinter ist eigentlich eine Frechheit und ein Armutszeugnis. Um's mal zugespitzt zu formulieren: Bewusst oder unbewusst nehmen diese Kirchenfunktionäre an, sie täten den Leuten einen Gefallen damit, weniger Gottesdienste anzubieten, weil die Leute dann eben auch nicht so oft zur Kirche müssen. Dass es Leute geben könnte, die, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten, eher öfter zur Kirche gehen würden, als die sogenannte Sonntagspflicht es von ihnen verlangt – weil die Mitfeier der Heiligen Messe für sie einen positiven Wert hat und nicht nur eine lästige Pflicht ist –, kommt dabei gar nicht in den Blick. Was für Rückschlüsse das darauf zulässt, welche Einstellung die Priester selbst zur Feier der Messe haben, mag sich jeder selber ausmalen. 

Für die evangelische Kirche gilt all das natürlich nicht im selben Maße. Ein evangelischer Gottesdienst ist nun mal keine Heilige Messe, und eine Sonntagspflicht gibt es in der evangelischen Kirche auch nicht. Man könnte denken, es müsste für die evangelische Kirche darum umso offensichtlicher sein, dass sie etwas tun müsste, um die Leute zum Gottesdienstbesuch zu motivieren. Aber wie's aussieht, wollen die Kirchenfunktionäre das gar nicht. Stattdessen warten sie einfach ab, bis die Klientel, die immer noch aus Gewohnheit zur Kirche kommt, ausgestorben ist, damit sie ihren Laden dann endgültig zumachen können. Wie eingangs, mit Blick auf die statistische Entwicklung, schon erwähnt: Möglicherweise werden wir es noch erleben. 

P.S.: Um diesen Artikel dennoch mit einer heiteren Note ausklingen zu lassen, möchte ich noch etwas erwähnen, was der Pfarrer von St. Bonifatius in Berlin-Kreuzberg mal zum Thema "Gottesdienstbesuch an Feiertagen" sagte; ich weiß nicht mehr, ob es da um Weihnachten oder Ostern ging, anwendbar ist es jedenfalls auf beide Feste. Ihn würden manchmal Leute fragen, ob sie, wenn sie abends in der Christmette oder in der Osternacht waren, am nächsten Tag nochmals zur Messe müssten. Seine Antwort lautete, das sei keine Frage des Müssens, oder sollte es jedenfalls nicht sein: "Das ist so, als würde mich ein Ehemann fragen: Wenn ich abends mit meiner Frau schick ausgehe, muss ich dann am nächsten Morgen noch mit ihr frühstücken?" 



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Samstag, 16. Dezember 2023

Creative Minority Report Nr. 8

Tja, Leser: Eigentlich hatte ich gehofft, das Thema "Männergrippe" nach zwei Wochen so langsam mal abhaken zu können, aber so ganz hundertprozentig auf dem Posten bin ich noch nicht wieder. Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass ich "aus familiären Gründen" nur sehr eingeschränkt Gelegenheit habe, mich mal richtig gründlich auszukurieren. Aber wenn ich mich so umsehe, sind anscheinend gerade so ziemlich alle mehr oder weniger krank... Genug Stoff fürs Wochenbriefing ist dennoch angefallen, wie ihr sogleich sehen werdet! 

Wieso liegt hier eigentlich Stroh? 

Was bisher geschah 

Im vorigen Wochenbriefing hatte ich angemerkt, ich hätte das vage Gefühl, in dieser Woche gäbe es einige Termine, die nicht in meinem Kalender standen; und tatsächlich sind sie mir alle rechtzeitig wieder eingefallen, aber hingehen konnten wir trotzdem nicht zu allen, u.a. bedingt durch die immer noch beeinträchtigte Gesundheit der erwachsenen Familienmitglieder. Das betraf z.B. das Kollegiums-Weihnachtsessen meiner Liebsten am Dienstag; ob wir – also zumindest ich und die Kinder – am Mittwoch zum letzten JAM vor den Weihnachtsferien gehen würden, stand hingegen bis zuletzt auf der Kippe: Das Tochterkind hatte sich früher als sonst von der Schule abholen lassen, weil ihre drei besten Freundinnen sämtlich nicht da waren und sie infolgedessen Langeweile hatte; als ich mit ihr nach Hause kam, stellte ich fest, dass die Liebste sich schlafen gelegt hatte, der Jüngste hingegen putzmunter schien. Auf meine Frage, ob wir denn noch zum JAM wollten, reagierte der Jüngste lautstark zustimmend, das Tochterkind erheblich zurückhaltender; auf Nachfrage erklärte sie, sie sei zu müde, woraufhin ich sie kurzerhand ins Bett schickte und den Jüngsten rausgehfertig machte. Kaum saßen wir aber im Bus nach Haselhorst, da schlief der Knabe im Kinderwagen ein. Nun fand ich, es wäre für alle Beteiligten kein Vergnügen, wenn ich ihn, sobald wir beim JAM angekommen wären, wecken müsste; spät dran waren wir davon abgesehen sowieso schon, also kehrte ich kurzerhand um und ging mit dem Knaben in die Hallen am Borsigturm, wo ich mich für rund eine Stunde in der Snack-Ecke bei Rewe niederließ und ihn im Wagen schlafen ließ. 

Habe ich schon erwähnt, dass mein Jüngster Eisenbahnen liebt? 


Am Donnerstag wäre nachmittags in der EFG The Rock Christuskirche das Café 43 gewesen – "ein Ort für Begegnung und Gespräche über den Glauben", das hätte mich ja durchaus interessiert, aber da hinzugehen, ließ sich so gar nicht in den Tagesablauf der Familie integrieren. Na, vielleicht ein andermal. – Am gestrigen Freitag konnte ich das Tochterkind immerhin überreden, zum Vorbereitungstreffen der Sternsingeraktion in Siemensstadt zu gehen; aber dann war sie steif und fest der Meinung, sie traue sich nicht, bei den Sternsingern mitzumachen, und ließ sich das auch nicht ausreden. Okay, vielleicht muss sie erst noch ein oder zwei Jahre älter werden. Vielleicht war sie bei dem Vorbereitungstreffen auch einfach zu müde (sie wäre mir schon auf dem Weg dorthin fast in der U-Bahn eingeschlafen). Oder es ist die berüchtigte Wackelzahnpubertät, was weiß ich. Beim Krippenspiel will sie mitmachen, sagt sie; na, hoffen wir mal das Beste. 

Die Weihnachtsfeier der Katholischen Pfadfinder Haselhorst, an der sich auch die Wichtelgruppe beteiligen wollte und sollte, hätte eigentlich heute Nachmittag sein sollen, wurde aber recht kurzfristig auf den Vormittag verlegt. Berichten werde ich darüber aber trotzdem erst nächste Woche...


Was ansteht 

Na was wohl: Weihnachten steht vor der Tür! Okay, noch nicht ganz: Die eigentlichen Festtage fallen erst in den Berichtszeitraum des übernächsten Wochenbriefings. Was unmittelbar vor der Tür steht, ist erst mal der 3. Advent (Gaudete) und dann die letzte Schul- und Arbeitswoche vor den Weihnachtsferien. Besondere Termine habe ich in dieser Woche nicht auf dem Zettel, aber man hat ja schon gesehen, dass das nicht unbedingt viel zu besagen hat. 


Neues aus Synodalien: Zwei neue Erzbischöfe auf einen Streich 

Ich hatte es vorige Woche bereits kurz erwähnt: Am vergangenen Samstag wurde nahezu zeitgleich die Ernennung von Udo Bentz zum Erzbischof von Paderborn und von Herwig Gössl zum Erzbischof von Bamberg bekanntgegeben. Eingehende Analysen dazu, was von diesen Personalentscheidungen zu halten sei, habe ich noch auf keiner Seite (in keinem "Lager", sozusagen) gefunden, will aber auch nicht so tun, als fühlte ich mich qualifiziert, eine solche selbst vorzulegen. Stattdessen beschränke ich mich lieber mal darauf, auf ein paar recht offensichtliche Auffälligkeiten hinzuweisen. 

Zunächst: In jüngerer Zeit ist es bei Bischofsernennungen in Deutschland oft – wenn mich die Erinnerung nicht trügt, praktisch immer – so gewesen, dass der Name des neuen Bischofs schon einen oder mehrere Tage vor der offiziellen Bekanntgabe in den Medien kursierte. Das war diesmal nicht der Fall; sogar der Termin der Bekanntgabe wurde der Öffentlichkeit nur sehr kurzfristig mitgeteilt, in Bamberg sogar erst am selben Tag. 

Gerade im Zusammenhang mit der doch recht langen Sedisvakanz in beiden Erzbistümern – Hans-Josef Becker war als Erzbischof von Paderborn zum 1. Oktober 2022, Ludwig Schick als Erzbischof von Bamberg zum 1. November 2022 zurückgetreten – hätte es vielleicht nahe gelegen, die Tatsache, dass die Ernennungen diesmal nicht schon im Vorfeld "durchgesickert" waren, als Indiz dafür aufzufassen, dass es sich bei den Ernannten um vergleichsweise unbekannte und unerwartete Kandidaten handeln könnte. Das hat sich allerdings als Irrtum erwiesen: Bentz war bisher (seit 2017) Generalvikar in Mainz, und Gössl hat "seine" neue Erzdiözese bereits während der nun zu Ende gegenden Sedisvakanz als Apostolischer Administrator geleitet. Vor allem aber waren beide bereits Weihbischöfe – Bentz seit 2015, Gössl seit 2014 – und als solche waren sie bereits Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz und am Schismatischen Weg beteiligt. Dieser Umstand erlaubt wohl einige Rückschlüsse darauf, was von ihrer künftigen Amtsführung zu erwarten sein wird; schauen wir uns das also mal etwas genauer an. 

Auf den ersten Blick scheint es, beide, Bentz wie Gössl, hätten sich auf dem Schismatischen Weg nicht sonderlich profiliert, weder in die eine noch in die andere Richtung. So zählte Udo Bentz in seiner Eigenschaft als Mainzer Generalvikar Ende 2019 nicht zu den Unterzeichnern jenes berüchtigten Briefes an den damaligen DBK-Vorsitzenden Kardinal Marx und den damaligen "ZdK"-Präsidenten Thomas Sternberg, in dem zehn Generalvikare "grundlegende Reformen in der Kirche" und "verbindliche Entscheidungen" forderten. Das hat allerdings vielleicht nicht viel zu sagen, da es sich bei den Unterzeichnern dieses Schreibens (von denen vier Jahre später übrigens nur noch sechs im Amt sind; zwei sind aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten, einer wegen fehlerhaften Verhaltens im Zusammenhang mit der Aufklärung von Missbrauchsfällen in seiner Diözese; einer ist zu den Altkatholiken konvertiert) durchweg um solche Generalvikare handelte, die nicht zugleich Weihbischöfe sind und somit nicht über Sitz und Stimme in der Deutschen Bischofskonferenz verfügen. – Die gesamte Berichterstattung über drei Jahre Synodalversammlungen, Forumsdebatten, Pressekonferenzen, Informationsveranstaltungen und das ganze bunte Begleitprogramm des Schismatischen Wegs zu wälzen, um zu überprüfen, ob (ubd wenn ja, wie) ein Udo Bentz oder ein Herwig Gössl besonders in Erscheinung getreten ist, würde einen Arbeitsaufwand erfordern, den ich im Rahmen meines Wochenbriefings nicht leisten kann und will; aber immerhin sind ja die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen dokumentiert. Betrachtet man nur einmal die Abstimmungsergebnisse der abschließenden 5. Synodalversammlung im März 2023, so zeigt sich, dass Gössl beim Grundtext "Priesterliche Existenz heute" sowie bei den Handlungstexten "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" und "Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt" mit Enthaltung stimmte, den übrigen Texten aber zustimmte, wohingegen Bentz zu der Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz gehörte, die sämtliche Vorlagen der Synodalversammlung annahm. Was lässt sich daraus schlussfolgern? – Ich würde sagen, Herwig Gössls Abstimmungsverhalten passt zu dem zugegebenermaßen oberflächlichen Eindruck, den ich seit seiner Ernennung zum Erzbischof von Bamberg von ihm gewonnen habe: Er wirkt auf mich wie jemand, der von seinem ganzen Naturell her eher konservativ ist, aber gern als "moderat fortschrittlich" wahrgenommen werden möchte; jemand, der das progressive Verständnis von "Reform" nicht grundsätzlich hinterfragt, geschweige denn ihm etwas entgegenzusetzen hätte, der aber gern ein bisschen das Tempo rausnehmen möchte. – Und Udo Bentz? Der hat bei seinem ersten Pressetermin als ernannter Erzbischof von Paderborn zunächst einmal dadurch aufhorchen lassen, dass er sich vorerst noch nicht festlegen mochte, ob er am umstrittenen Synodalen Ausschuss teilnehmen wird. Angesichts seines stromlinienförmigen Abstimmungsverhaltens in den Synodalversammlungen wäre es freilich eine große Überraschung, wenn er nun plötzlich ins Lager der romtreuen Minderheit überwechseln wollte, aber die Kirchengeschichte kennt durchaus noch spektakulärere Kehrtwendungen; warten wir's mal ab. 

Insgesamt wird man aber wohl festhalten dürfen, dass beide neuen Erzbischöfe nicht unbedingt den Eindruck machen, willens oder in der Lage zu sein, dem Abdriften der Deutschen Bischofskonferenz ins "Schmutzige Schisma" entschlossen entgegenzutreten; was einigermaßen zwingend die Frage nach sich zieht, ob der Heilige Stuhl mit diesen Ernennungen nicht eine Chance verpasst hat. Oder hat man von Rom aus einfach niemand Besseren gefunden? Die schon angesprochene lange Sedisvakanz der beiden Erzbistümer könnte tatsächlich dafür sprechen, dass die beiden, die's letztendlich geworden sind, nicht unbedingt die erste Wahl waren. Dass andere Kandidaten sich gegenüber dem jeweiligen Domkapitel nicht haben durchsetzen lassen oder das Amt vielleicht auch gar nicht wollten. Auch die Überlegung, dass die Ernennung von Erzbischöfen, die einen offenen Konfrontationskurs gegenüber der Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz steuern würden, die Gefahr eines offenen Schismas wohl eher erhöhen würde, mag eine Rolle gespielt haben. Aber das ist vorläufig alles spekulativ; in welcher Weise die beiden neuen Erzbischöfe (und dann auch die zukünftigen Bischöfe von Osnabrück und Rottenburg) das Kräfteverhältnis innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz beeinflussen werden, wird sich erst noch zeigen müssen. 


Währenddessen in Brake 

Was gibt's eigentlich Neues aus der Pfarrei St. Marien in Brake/Unterweser, deren Pfarrer Wolfgang Schmitz derzeit wegen einer umstrittenen Erbschaftsangelegenheit suspendiert ist? Als ich dieser Frage mit Hilfe der üblichen lokalen Medienquellen nachzugehen versuchte, stieß ich in der Online-Ausgabe der Nordwest-Zeitung auf die Überschrift "Möglicher neuer Pastor in Brake: Jens Dallmann stellt sich den Fragen der Gemeinde". Auf den zweiten Blick zeigte sich indes, dass es da um die evangelische Kirchengemeinde geht ("Die evangelische Kirche präsentierte einen vielversprechenden Kandidaten für die Nachfolge von Pfarrer Christian Egts. Pastor Jens Dallmann stellte sich den Fragen der Gemeindemitglieder und hofft auf die Zustimmung des Gemeindekirchenrats"). Interessant ist es aber ja irgendwie schon, dass diese Stelle auch gerade vakant ist. – Aus der örtlichen katholischen Gemeinde hingegen berichten die lokalen Tageszeitungen, soweit ich es mitbekommen habe, seit Wochen nichts Neues, und die kirchlichen Presseorgane ebensowenig. 

Also habe ich mir mal den akuellen Pfarrbrief von St. Marien Brake (für die Monate Dezember bis Februar) angeschaut: Auf 60 Seiten wird da der beurlaubte Pfarrer Schmitz nicht einmal namentlich erwähnt, auch auf den Konflikt um das Erbe der Fastje-Schwestern wird nicht explizit eingegangen. Stattdessen gibt es auf S. 4-6 "Persönliche Gedanken zur Situation unserer Kirchengemeinde von Pastoralreferent Thomas Fohrmann"; und dieser Beitrag ist auf eine so bizarre Art zugleich nichts- wie vielsagend, dass ich darüber wohl ein paar Worte verlieren muss. 

Das geht schon damit los, dass Pastoralreferent Fohrmann als inspirierendes Vorbild für die Bewältigung von Krisensituationen nicht etwa einen Heiligen der Kirche heranzieht, sondern einen prominenten Dart-Sportler – prominent jedenfalls dann, wenn man sich für Dart interessiert. Es läge vielleicht nahe, an dieser Stelle einen kulturpessimistischen Exkurs darüber einzuschalten, wie in unserer Infotainment-verseuchten Gesellschaft Autorität durch Prominenz ersetzt wird und wie fatal es ist, dass die Pastoraltheologie diesen Trend mitmacht; aber das möge sich der geneigte Leser selber denken, oder vielleicht schreibe ich mal an anderer Stelle was dazu. Im vorliegenden Fall liegt das Tragikomische ja gerade darin, dass hier jemand in den Mittelpunkt gestellt wird, der wohl nur bei einem Nischenpublikum als prominent gelten kann. Na, was soll man sagen, auch ein Pastoralreferent braucht wohl ein Hobby. 

Aber schauen wir uns lieber mal an, was Fohrmann konkret zur Situation der Pfarrgemeinde in Brake sagt. Über Pfarrer Schmitz und die Ursachen seiner Suspendierung wie gesagt: nichts. Stattdessen: "Es ist eine große Zäsur, wenn plötzlich das Pastoralteam nur noch aus zwei Mitgliedern besteht – ohne einen Priester vor Ort." Nun gut, das ist wohl nicht zu bestreiten. 

"Es ist viel zu planen, Vergangenes aufzuarbeiten, Gemeindealltag zu gestalten und immer wieder neu zu schauen, was bedeutet die Situation für uns. Dabei steht ein Handeln im Vordergrund, das wohl am ehesten, wie ein Autofahren im Nebel zu beschreiben ist. Nicht das weite Ziel zu sehen, sondern die nächsten Meter." 

Moment. Ist das, wenn es um die Kirche geht, nicht ein ziemlich schiefes (und gerade dadurch unfreiwillig vielsagendes) Bild? Müsste es in der Kirche nicht vielmehr gerade so sein, dass man das endgültige Ziel auch dann fest im Blick behält, wenn der Weg dorthin gerade mal im Nebel liegt? – Dieses "Fahren auf Sicht", dieser Merkelianismus in der Kirchenpolitik, scheint mir bezeichnend für den post-volkskirchlichen Mainstream im Zeichen des Schismatischen Wegs: Man hat den Glauben und damit das Ziel verloren und eiert im Nebel herum, und dabei gerät man dann leicht ins Fahrwasser derer, die sehr wohl eine Agenda und ein Ziel haben, seien es Gender-, LGBTQ- oder Klimaaktivisten

"Auch wir als Kirchengemeinde stehen immer in der Gefahr uns an Menschen, Ritualen und Gewohnheiten zu klammern und nicht loslassen zu können", meint Fohrmann weiter. "Doch wir müssen es tun, um unseren Glauben in heutiger Zeit ehrlich leben zu können. Die Realität ist dann keine Bedrohung, wenn wir ihr nicht ausweichen, sondern sie annehmen und aktiv gestalten." Mir drängt sich hier zunächst einmal die Frage auf, was für einen Glauben der Herr Pastoralreferent hier wohl meint, wenn er doch eingestandenermaßen das Ziel nicht kennt; aber im Grunde hat es keinen Sinn, die eben zitierten Zeilen inhaltlich irgendwie hinterfragen zu wollen: Es ist pures Blabla, dessen einzige Funktion darin besteht, seine Inhaltsleere hinter wohlklingenden Worten zu verbergen. 

Was die praxisbezogene Seite dieses Leitartikels angeht, kündigt Fohrmann eine Einschränkung des Gottesdienstangebots an ("Wir müssen – ich finde eher dürfen [!] – jetzt zusammenrücken. Seien wir ehrlich – in unseren Bänken ist sogar an Feiertagen viel Platz"; und das ist jetzt also etwas Gutes, ja?), fordert eine "Stärkung des Ehrenamtes" ("Ehrenamt – oder wie heute eher gesagt wird, freiwilliges Engagement, ist kein Lückenfüllen (leider wirkt es manchmal so), sondern trägt zur Vielfalt einer Gemeinde bei. Wer gestaltet, kann prägen") und ruft die "Stunde der Gremien" aus ("Gerade in einer Zeit ohne seelsorgliche Leitung vor Ort kommt den Gremien eine noch höhere Bedeutung zu. Nach der teilweisen Starre im 
Spätsommer, kann jetzt, mehr denn je, Zukunft von Gemeinde gestaltet werden"). Das klingt ja alles schon rein sprachlich ganz schaurig, aber ich glaube manchmal, die heutige Pastoraltheologenzunft hat schlichtweg nicht gelernt, ohne diesen Jargon zu kommunizieren, bzw. ahnt nicht einmal, dass es möglich wäre, sich anders auszudrücken. Exemplarisch deutlich wird das nochmals in Fohrmanns Schlussplädoyer: 
"[D]ie letzten Monate waren aufreibend. Unterschiedlichste Positionen, Haltungen und Gefühle trafen aufeinander. Wir haben teilweise gestritten, unterschiedlich gehandelt, Fehler gemacht, mal zu viel, mal zu wenig gesagt und haben wohl allesamt Grenzerfahrungen gemacht. [...] Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Gemeindemitgliedern für ihre Stimme und ihr Engagement in dieser Zeit bedanken – egal, welche Position vertreten wurde!" 

Tja. Ich hätte ja meine Zweifel, ob die engagierten Gemeindemitglieder es wirklich als Zeichen von Wertschätzung auffassen, wenn man ihnen sagt, es sei egal, welche Position sie vertreten haben, aber okay, im Endergebnis ist es wohl so. – Fassen wir derweil noch einmal kurz zusammen, wie sich die Situation der Braker Pfarrei nach dem letzten Stand der Berichterstattung darstellt: Es scheint einigermaßen sicher, dass der suspendierte Pfarrer Schmitz nicht auf seine Stelle zurückkehren soll, und dem Vernehmen nach will er das auch gar nicht (mehr); das Bistum kann die Pfarrstelle aber nicht neu vergeben, solange Pfarrer Schmitz nicht förmlich auf sein Amt verzichtet hat. Wie aus dem Bischöflich Münsterschen Offizialat in Vechta zu vernehmen war, hat Schmitz einen solchen Amtsverzicht zwar in Aussicht gestellt, ihn aber an die Bedingung geknüpft, dass zunächst "Einvernehmen über seinen künftigen Einsatz als Priester erzielt wird". Im Klartext heißt es, das Bistum muss ihm erst einmal eine neue Stelle anbieten, und nur wenn dieses Angebot zu seinet Zufriedenheit ausfällt, gibt er die Stelle in Brake zur Neuvergabe frei. Ich überlasse es meinen Lesern, darüber zu urteilen, was von diesem Pokerspiel des suspendierten Geistlichen zu halten ist. 

Wenn nun allerdings der Eindruck entsteht, die Pfarrei werde derzeit von Pastoralreferent Thomas Fohrmann und seiner Kollegin Carola Lenz eigenverantwortlich geleitet, muss man darauf hinweisen, dass es kirchenrechtlich nicht möglich ist, dass Pastoralreferenten eine Pfarrei leiten. Verantwortlicher Leiter einer Pfarrei ist immer ein Priester; ist die Stelle des Pfarrers, aus was für Gründen auch immer, vorübergehend unbesetzt, wird ein Pfarrverwalter eingesetzt. Im aktuellen Fall handelt es sich dabei um den Pfarrer der Nachbarpfarrei St. Willehad in Nordenham, Karl Jasbinschek. Dass dieser in Pastoralreferent Fohrmanns Leitartikel, wie auch insgesamt in diesem Pfarrbrief, nicht erwähnt wird, kann man sich auf unterschiedliche Weise erklären. Möglicherweise nehmen die beiden Pastoralreferenten Pfarrer Jasbinschek schlichtweg nicht für voll (was ich ihnen, ehrlich gesagt, nicht verübeln könnte); möglicherweise steht die wohl realistische Einschätzung dahinter, dass der Pfarrverwalter zwar formal die Verantwortung für die administrativen Vorgänge der Pfarrei übernimmt, das "Tagesgeschäft" der Seelsorge aber trotzdem an den Pastoralreferenten "hängen bleibt". Man könnte allerdings auch argwöhnen, es stecke noch mehr dahinter: nämlich dass die beiden Pastoralreferenten gewillt sind, die ihnen inoffiziell zugefallene Leitungsposition – so sehr Fohrmann dieses Los auch zu beklagen scheint – nicht so ohne Weiteres wieder aus der Hand zu geben. Dass die Situation in Brake als Versuchsballon für eine Kirche der Zukunft genutzt werden soll, die ohne Priester auskommt. Es steht zu hoffen, dass das Bischöflich Münstersche Offizialat diesem Zustand möglichst bald ein Ende macht. 

Zu den sonstigen noch ausstehenden Themen aus dem Landkreis Wesermarsch bin ich nun wieder nicht gekommen, obwohl da inzwischen noch weitere Neuigkeiten hinzugekommen sind, diesmal aus den evangelischen Kirchengemeinden in Butjadingen und Nordenham. Vielleicht wäre da mal wieder ein eigenständiger Artikel fällig – mal sehen, ob ich das noch vor Weihnachten schaffe... 


Aus der Kinder- und Jugendbuchabteilung 

Zunächst: "Ostwind – Der große Orkan" haben wir zu Ende gelesen, und ich muss sagen, ich bin wirklich froh, dass ich den Klappentext erst gelesen habe, als wir schon so ziemlich mittendrin in der Handlung waren. Hätte ich den nämlich zuerst gelesen, hätte meine Reaktion ziemlich sicher gelautet: Was für ein Scheiß

"Ein heftiger Sommersturm treibt eine reisende Pferde-Zirkus-Show nach Kaltenbach. Ari wird von der faszinierenden Welt des Kunstreitens magisch angezogen und will mit dem Zirkusjungen Carlo und Ostwinds Hilfe einem alten Showpferd helfen. Doch als der fanatische Zirkusdirektor ihren waghalsigen Plan enttarnt, gerät Ostwind in Gefahr. Im letzten Moment kehrt Mika von ihrer Reise zurück, denn nur mit vereinten Kräften kann es Mika und Ari gelingen, ihren geliebten Ostwind zu retten." 

Ich möchte sagen, man kann der Autorin Lea Schmidbauer die Leistung, einen derart hanebüchenen Plot so zu erzählen, dass die Abfolge der Ereignisse plausibel und zugleich fesselnd wirkt und das Handeln der Hauptfigur Ari vor allem auch emotional nachvollziehbar erscheint, gar nicht hoch genug anrechnen. Im Endergebnis führt das dazu, dass mir das Buch fast wider Willen ausgesprochen gut gefallen hat, obwohl ich mir eigentlich etwas ganz Anderes darunter vorgestellt hätte (auch wenn ich nicht präzise zu sagen wüsste, was eigentlich). Im letzten Drittel, als sich die Handlung dramatisch zuspitzt und die Ereignisse sich überschlagen, merkt man recht deutlich, dass die Story auf eine Verfilmung hin konzipiert ist, aber das ist ja nicht unbedingt ein Mangel. Es scheint jedenfalls einigermaßen unausweichlich, dass wir noch weitere "Ostwind"-Bücher lesen werden. 

Nachdem wir nun also alle fürs abendliche Vorlesen aus der Bücherei ausgeliehenen Bücher ausgelesen hatten, unternahmen das Tochterkind und ich am Dienstag nach der Schule einen weiteren Beutezug in der Stadtteilbibliothek; aber darauf, was wir uns diesmal mitgenommen haben, komme ich lieber nächste Woche zu sprechen. Erst einmal möchte ich noch auf etwas anderes eingehen, nämlich auf einen Audio-Adventskalender, den wir von meinen Schwiegermüttern bekommen haben. Es handelt sich um ein Hörspiel bzw. Hörbuch in 24 Kapiteln, eins für jeden Tag vom 1. bis zum 24. Dezember: "Spekulatius, der Weihnachtsdrache" von Tobias Goldfarb. Natürlich gibt es das auch als Buch, aber ich finde die Hörbuchversion sehr hübsch, und auch den Kindern gefällt sie ausgesprochen gut. 

Was mich betrifft, hat mich schon die erste Folge schwer begeistert. Alles beginnt damit, dass ein Schüler namens Mats von seinen Eltern erstmals keinen selbstgebastelten Adventskalender mit 24 Überraschungspäckchen bekommt (da sie finden, dafür sei er zu alt), sondern stattdessen nur einen Adventskalender mit besinnlichen Sprüchen
"Er öffnete das Türchen mit der 1 und las den Spruch dahinter: 'Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Hermann Hesse.' Was war das für ein Quatsch?" 
Seid mir nicht böse, Leser: Dafür, Hermann Hesse zu dissen, bin ich jederzeit zu haben. – Aber damit nicht genug: Auf einem Spaziergang zum Frustabbau kommt Mats am "Schaufenster von Frau Kramers Kramladen" vorbei; "Frau Kramer hatte ihren Laden allerdings 'Vishnus Schatz' genannt und sich selbst 'Frau Karma'". An der Stelle habe ich wirklich laut gelacht. – 
"Sie pinselte gerade einen Spruch auf die große Glasscheibe: 'Jedem Anfang wohnt ein Zau-' – 'Haben Sie auch den Adventskalender mit den besinnlichen Betrachtungen?' Frau Kramer fiel fast der Pinsel aus der Hand." 
Weil Mats so trübsinnig ausschaut, bietet Frau Kramer ihm an, sich in ihrem Laden etwas aus einer Wühlkiste mit Ramsch auszusuchen; zwischen "chinesische[n] Winkekatzen ohne Winkearm, Teetassen mit Sprung, [...] verbogene[n] Löffel[n], verknickte[n] Tarotkarten" und ähnlichen Mängelexemplaren ein goldenes Ei, von dem sich Frau Kramer selbst nicht erklären kann, wie es in diese Kiste geraten ist. Aber versprochen ist versprochen, also darf Mats das goldene Ei mitnehmen; und so nimmt das Geschehen seinen Lauf... 


Geistlicher Impuls der Woche 
Die Kirche, zu der wir alle in Christus Jesus berufen werden und in der wir mit der Gnade Gottes die Heiligkeit erlangen, wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden, wenn die Zeit der allgemeinen Wiederherstellung kommt (vgl. Apg 3,21). Dann wird mit dem Menschengeschlecht auch die ganze Welt, die mit dem Menschen innigst verbunden ist und durch ihn ihrem Ziel entgegengeht, vollkommen in Christus erneuert werden (vgl. Eph 1,10; Kol 1,20; 2 Petr 3,10-13). Christus hat, von der Erde erhöht, alle an sich gezogen (vgl. Joh 12,32). Auferstanden von den Toten (vgl. Röm 6,9), hat er seinen lebendigmachenden Geist den Jüngern mitgeteilt und durch ihn seinen Leib, die Kirche, zum allumfassenden Heilssakrament gemacht. Zur Rechten des Vaters sitzend, wirkt er beständig in der Welt, um die Menschen zur Kirche zu führen und durch sie enger mit sich zu verbinden, um sie mit seinem eigenen Leib und Blut zu ernähren und ihnen Anteil an seinem verherrlichten Leben zu schenken. Die Wiederherstellung also, die uns verheißen ist und die wir erwarten, hat in Christus schon begonnen, nimmt ihren Fortgang in der Sendung des Heiligen Geistes und geht durch ihn weiter in der Kirche, in der wir durch den Glauben auch über den Sinn unseres zeitlichen Lebens belehrt werden, bis wir das uns vom Vater in dieser Welt übertragene Werk mit der Hoffnung auf die künftigen Güter zu Ende führen und unser Heil wirken (vgl. Phil 2,11). Das Ende der Zeiten ist also bereits zu uns gekommen (vgl. 1 Kor 10,11), und die Erneuerung der Welt ist schon unwiderruflich begründet und wird in dieser Weltzeit in gewisser Weise wirklich vorausgenommen. Denn die Kirche ist schon auf Erden durch eine wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit ausgezeichnet. Bis es aber einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt, in denen die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3,13), trägt die pilgernde Kirche in ihren Sakramenten und Einrichtungen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht, und zählt so selbst zu der Schöpfung, die bis jetzt noch seufzt und in Wehen liegt und die Offenbarung der Kinder Gottes erwartet (vgl. Röm 8,19-22). 
(Lumen Gentium 48

Ohrwurm der Woche 

Eurythmics: I Saved the World Today 

Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern, wie ich die ersten Werbeplakate für die Eurythmics-Reunion des Jahres 1999 sah: Es war in der Nähe des S-Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße, und meine erste spontane Reaktion lautete Och nö, nicht ihr auch noch. Einige Monate zuvor hatten sich bereits Blondie für ein Album ("No Exit") eine Single ("Maria") und eine Tournee wieder zusammengetan, und auch wenn mir gerade keine weiteren Beispiele einfallen, kommt es mir rückblickend so vor, als hätten alle möglichen ikonischen Bands der späten 70er und/oder frühen 80er es kurz vor der Jahrtausendwende "noch mal wissen wollen". Ich hielt das für keine gute Idee, ebenso wie es keine gute Idee von Björn Borg gewesen war, sich ein Jahrzehnt nach seinem letzten großen Turniersieg nochmals aufs Parkett des internationalen Profitennis zu wagen. Wozu das Risiko eingehen, durch ein schwaches oder auch nur mittelmäßiges Comeback die eigene Legende zu beschädigen? Genießt lieber eure Rente, dachte ich. Eure Musik "von früher" ist schließlich immer noch da – und immer noch gut

Und dann brachten die Eurythmics die Single "I Saved the World Today" heraus, und als ich sie zum ersten Mal hörte, war ich einfach glücklich. Etwas von diesem Glücksgefühl verspüre ich bis heute immer noch jedes Mal, wenn ich diesen Song höre. Er ist nicht unbedingt besser als die alten Hits wie "Sweet Dreams", "Here Comes the Rain Again", "There Must Be an Angel (Playing With My Heart)", "It's Alright (Baby's Coming Back)", "When Tomorrow Comes" oder "Thorn in My Side". Er ist auch nicht schlechter; er ist einzigartig. Er ist wie das Nachzüglerkind einer kinderreichen Familie: Freunde und Verwandte mögen besorgt fragen "War das wirklich nötig? Ihr habt doch schon so viele Kinder!", aber die Eltern und großen Geschwister sehen das Baby voll Liebe an und sagen "Ja, dieses Kind hat uns noch gefehlt." 



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