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Samstag, 16. Dezember 2023

Creative Minority Report Nr. 8

Tja, Leser: Eigentlich hatte ich gehofft, das Thema "Männergrippe" nach zwei Wochen so langsam mal abhaken zu können, aber so ganz hundertprozentig auf dem Posten bin ich noch nicht wieder. Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass ich "aus familiären Gründen" nur sehr eingeschränkt Gelegenheit habe, mich mal richtig gründlich auszukurieren. Aber wenn ich mich so umsehe, sind anscheinend gerade so ziemlich alle mehr oder weniger krank... Genug Stoff fürs Wochenbriefing ist dennoch angefallen, wie ihr sogleich sehen werdet! 

Wieso liegt hier eigentlich Stroh? 

Was bisher geschah 

Im vorigen Wochenbriefing hatte ich angemerkt, ich hätte das vage Gefühl, in dieser Woche gäbe es einige Termine, die nicht in meinem Kalender standen; und tatsächlich sind sie mir alle rechtzeitig wieder eingefallen, aber hingehen konnten wir trotzdem nicht zu allen, u.a. bedingt durch die immer noch beeinträchtigte Gesundheit der erwachsenen Familienmitglieder. Das betraf z.B. das Kollegiums-Weihnachtsessen meiner Liebsten am Dienstag; ob wir – also zumindest ich und die Kinder – am Mittwoch zum letzten JAM vor den Weihnachtsferien gehen würden, stand hingegen bis zuletzt auf der Kippe: Das Tochterkind hatte sich früher als sonst von der Schule abholen lassen, weil ihre drei besten Freundinnen sämtlich nicht da waren und sie infolgedessen Langeweile hatte; als ich mit ihr nach Hause kam, stellte ich fest, dass die Liebste sich schlafen gelegt hatte, der Jüngste hingegen putzmunter schien. Auf meine Frage, ob wir denn noch zum JAM wollten, reagierte der Jüngste lautstark zustimmend, das Tochterkind erheblich zurückhaltender; auf Nachfrage erklärte sie, sie sei zu müde, woraufhin ich sie kurzerhand ins Bett schickte und den Jüngsten rausgehfertig machte. Kaum saßen wir aber im Bus nach Haselhorst, da schlief der Knabe im Kinderwagen ein. Nun fand ich, es wäre für alle Beteiligten kein Vergnügen, wenn ich ihn, sobald wir beim JAM angekommen wären, wecken müsste; spät dran waren wir davon abgesehen sowieso schon, also kehrte ich kurzerhand um und ging mit dem Knaben in die Hallen am Borsigturm, wo ich mich für rund eine Stunde in der Snack-Ecke bei Rewe niederließ und ihn im Wagen schlafen ließ. 

Habe ich schon erwähnt, dass mein Jüngster Eisenbahnen liebt? 


Am Donnerstag wäre nachmittags in der EFG The Rock Christuskirche das Café 43 gewesen – "ein Ort für Begegnung und Gespräche über den Glauben", das hätte mich ja durchaus interessiert, aber da hinzugehen, ließ sich so gar nicht in den Tagesablauf der Familie integrieren. Na, vielleicht ein andermal. – Am gestrigen Freitag konnte ich das Tochterkind immerhin überreden, zum Vorbereitungstreffen der Sternsingeraktion in Siemensstadt zu gehen; aber dann war sie steif und fest der Meinung, sie traue sich nicht, bei den Sternsingern mitzumachen, und ließ sich das auch nicht ausreden. Okay, vielleicht muss sie erst noch ein oder zwei Jahre älter werden. Vielleicht war sie bei dem Vorbereitungstreffen auch einfach zu müde (sie wäre mir schon auf dem Weg dorthin fast in der U-Bahn eingeschlafen). Oder es ist die berüchtigte Wackelzahnpubertät, was weiß ich. Beim Krippenspiel will sie mitmachen, sagt sie; na, hoffen wir mal das Beste. 

Die Weihnachtsfeier der Katholischen Pfadfinder Haselhorst, an der sich auch die Wichtelgruppe beteiligen wollte und sollte, hätte eigentlich heute Nachmittag sein sollen, wurde aber recht kurzfristig auf den Vormittag verlegt. Berichten werde ich darüber aber trotzdem erst nächste Woche...


Was ansteht 

Na was wohl: Weihnachten steht vor der Tür! Okay, noch nicht ganz: Die eigentlichen Festtage fallen erst in den Berichtszeitraum des übernächsten Wochenbriefings. Was unmittelbar vor der Tür steht, ist erst mal der 3. Advent (Gaudete) und dann die letzte Schul- und Arbeitswoche vor den Weihnachtsferien. Besondere Termine habe ich in dieser Woche nicht auf dem Zettel, aber man hat ja schon gesehen, dass das nicht unbedingt viel zu besagen hat. 


Neues aus Synodalien: Zwei neue Erzbischöfe auf einen Streich 

Ich hatte es vorige Woche bereits kurz erwähnt: Am vergangenen Samstag wurde nahezu zeitgleich die Ernennung von Udo Bentz zum Erzbischof von Paderborn und von Herwig Gössl zum Erzbischof von Bamberg bekanntgegeben. Eingehende Analysen dazu, was von diesen Personalentscheidungen zu halten sei, habe ich noch auf keiner Seite (in keinem "Lager", sozusagen) gefunden, will aber auch nicht so tun, als fühlte ich mich qualifiziert, eine solche selbst vorzulegen. Stattdessen beschränke ich mich lieber mal darauf, auf ein paar recht offensichtliche Auffälligkeiten hinzuweisen. 

Zunächst: In jüngerer Zeit ist es bei Bischofsernennungen in Deutschland oft – wenn mich die Erinnerung nicht trügt, praktisch immer – so gewesen, dass der Name des neuen Bischofs schon einen oder mehrere Tage vor der offiziellen Bekanntgabe in den Medien kursierte. Das war diesmal nicht der Fall; sogar der Termin der Bekanntgabe wurde der Öffentlichkeit nur sehr kurzfristig mitgeteilt, in Bamberg sogar erst am selben Tag. 

Gerade im Zusammenhang mit der doch recht langen Sedisvakanz in beiden Erzbistümern – Hans-Josef Becker war als Erzbischof von Paderborn zum 1. Oktober 2022, Ludwig Schick als Erzbischof von Bamberg zum 1. November 2022 zurückgetreten – hätte es vielleicht nahe gelegen, die Tatsache, dass die Ernennungen diesmal nicht schon im Vorfeld "durchgesickert" waren, als Indiz dafür aufzufassen, dass es sich bei den Ernannten um vergleichsweise unbekannte und unerwartete Kandidaten handeln könnte. Das hat sich allerdings als Irrtum erwiesen: Bentz war bisher (seit 2017) Generalvikar in Mainz, und Gössl hat "seine" neue Erzdiözese bereits während der nun zu Ende gegenden Sedisvakanz als Apostolischer Administrator geleitet. Vor allem aber waren beide bereits Weihbischöfe – Bentz seit 2015, Gössl seit 2014 – und als solche waren sie bereits Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz und am Schismatischen Weg beteiligt. Dieser Umstand erlaubt wohl einige Rückschlüsse darauf, was von ihrer künftigen Amtsführung zu erwarten sein wird; schauen wir uns das also mal etwas genauer an. 

Auf den ersten Blick scheint es, beide, Bentz wie Gössl, hätten sich auf dem Schismatischen Weg nicht sonderlich profiliert, weder in die eine noch in die andere Richtung. So zählte Udo Bentz in seiner Eigenschaft als Mainzer Generalvikar Ende 2019 nicht zu den Unterzeichnern jenes berüchtigten Briefes an den damaligen DBK-Vorsitzenden Kardinal Marx und den damaligen "ZdK"-Präsidenten Thomas Sternberg, in dem zehn Generalvikare "grundlegende Reformen in der Kirche" und "verbindliche Entscheidungen" forderten. Das hat allerdings vielleicht nicht viel zu sagen, da es sich bei den Unterzeichnern dieses Schreibens (von denen vier Jahre später übrigens nur noch sechs im Amt sind; zwei sind aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten, einer wegen fehlerhaften Verhaltens im Zusammenhang mit der Aufklärung von Missbrauchsfällen in seiner Diözese; einer ist zu den Altkatholiken konvertiert) durchweg um solche Generalvikare handelte, die nicht zugleich Weihbischöfe sind und somit nicht über Sitz und Stimme in der Deutschen Bischofskonferenz verfügen. – Die gesamte Berichterstattung über drei Jahre Synodalversammlungen, Forumsdebatten, Pressekonferenzen, Informationsveranstaltungen und das ganze bunte Begleitprogramm des Schismatischen Wegs zu wälzen, um zu überprüfen, ob (ubd wenn ja, wie) ein Udo Bentz oder ein Herwig Gössl besonders in Erscheinung getreten ist, würde einen Arbeitsaufwand erfordern, den ich im Rahmen meines Wochenbriefings nicht leisten kann und will; aber immerhin sind ja die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen dokumentiert. Betrachtet man nur einmal die Abstimmungsergebnisse der abschließenden 5. Synodalversammlung im März 2023, so zeigt sich, dass Gössl beim Grundtext "Priesterliche Existenz heute" sowie bei den Handlungstexten "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" und "Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt" mit Enthaltung stimmte, den übrigen Texten aber zustimmte, wohingegen Bentz zu der Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz gehörte, die sämtliche Vorlagen der Synodalversammlung annahm. Was lässt sich daraus schlussfolgern? – Ich würde sagen, Herwig Gössls Abstimmungsverhalten passt zu dem zugegebenermaßen oberflächlichen Eindruck, den ich seit seiner Ernennung zum Erzbischof von Bamberg von ihm gewonnen habe: Er wirkt auf mich wie jemand, der von seinem ganzen Naturell her eher konservativ ist, aber gern als "moderat fortschrittlich" wahrgenommen werden möchte; jemand, der das progressive Verständnis von "Reform" nicht grundsätzlich hinterfragt, geschweige denn ihm etwas entgegenzusetzen hätte, der aber gern ein bisschen das Tempo rausnehmen möchte. – Und Udo Bentz? Der hat bei seinem ersten Pressetermin als ernannter Erzbischof von Paderborn zunächst einmal dadurch aufhorchen lassen, dass er sich vorerst noch nicht festlegen mochte, ob er am umstrittenen Synodalen Ausschuss teilnehmen wird. Angesichts seines stromlinienförmigen Abstimmungsverhaltens in den Synodalversammlungen wäre es freilich eine große Überraschung, wenn er nun plötzlich ins Lager der romtreuen Minderheit überwechseln wollte, aber die Kirchengeschichte kennt durchaus noch spektakulärere Kehrtwendungen; warten wir's mal ab. 

Insgesamt wird man aber wohl festhalten dürfen, dass beide neuen Erzbischöfe nicht unbedingt den Eindruck machen, willens oder in der Lage zu sein, dem Abdriften der Deutschen Bischofskonferenz ins "Schmutzige Schisma" entschlossen entgegenzutreten; was einigermaßen zwingend die Frage nach sich zieht, ob der Heilige Stuhl mit diesen Ernennungen nicht eine Chance verpasst hat. Oder hat man von Rom aus einfach niemand Besseren gefunden? Die schon angesprochene lange Sedisvakanz der beiden Erzbistümer könnte tatsächlich dafür sprechen, dass die beiden, die's letztendlich geworden sind, nicht unbedingt die erste Wahl waren. Dass andere Kandidaten sich gegenüber dem jeweiligen Domkapitel nicht haben durchsetzen lassen oder das Amt vielleicht auch gar nicht wollten. Auch die Überlegung, dass die Ernennung von Erzbischöfen, die einen offenen Konfrontationskurs gegenüber der Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz steuern würden, die Gefahr eines offenen Schismas wohl eher erhöhen würde, mag eine Rolle gespielt haben. Aber das ist vorläufig alles spekulativ; in welcher Weise die beiden neuen Erzbischöfe (und dann auch die zukünftigen Bischöfe von Osnabrück und Rottenburg) das Kräfteverhältnis innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz beeinflussen werden, wird sich erst noch zeigen müssen. 


Währenddessen in Brake 

Was gibt's eigentlich Neues aus der Pfarrei St. Marien in Brake/Unterweser, deren Pfarrer Wolfgang Schmitz derzeit wegen einer umstrittenen Erbschaftsangelegenheit suspendiert ist? Als ich dieser Frage mit Hilfe der üblichen lokalen Medienquellen nachzugehen versuchte, stieß ich in der Online-Ausgabe der Nordwest-Zeitung auf die Überschrift "Möglicher neuer Pastor in Brake: Jens Dallmann stellt sich den Fragen der Gemeinde". Auf den zweiten Blick zeigte sich indes, dass es da um die evangelische Kirchengemeinde geht ("Die evangelische Kirche präsentierte einen vielversprechenden Kandidaten für die Nachfolge von Pfarrer Christian Egts. Pastor Jens Dallmann stellte sich den Fragen der Gemeindemitglieder und hofft auf die Zustimmung des Gemeindekirchenrats"). Interessant ist es aber ja irgendwie schon, dass diese Stelle auch gerade vakant ist. – Aus der örtlichen katholischen Gemeinde hingegen berichten die lokalen Tageszeitungen, soweit ich es mitbekommen habe, seit Wochen nichts Neues, und die kirchlichen Presseorgane ebensowenig. 

Also habe ich mir mal den akuellen Pfarrbrief von St. Marien Brake (für die Monate Dezember bis Februar) angeschaut: Auf 60 Seiten wird da der beurlaubte Pfarrer Schmitz nicht einmal namentlich erwähnt, auch auf den Konflikt um das Erbe der Fastje-Schwestern wird nicht explizit eingegangen. Stattdessen gibt es auf S. 4-6 "Persönliche Gedanken zur Situation unserer Kirchengemeinde von Pastoralreferent Thomas Fohrmann"; und dieser Beitrag ist auf eine so bizarre Art zugleich nichts- wie vielsagend, dass ich darüber wohl ein paar Worte verlieren muss. 

Das geht schon damit los, dass Pastoralreferent Fohrmann als inspirierendes Vorbild für die Bewältigung von Krisensituationen nicht etwa einen Heiligen der Kirche heranzieht, sondern einen prominenten Dart-Sportler – prominent jedenfalls dann, wenn man sich für Dart interessiert. Es läge vielleicht nahe, an dieser Stelle einen kulturpessimistischen Exkurs darüber einzuschalten, wie in unserer Infotainment-verseuchten Gesellschaft Autorität durch Prominenz ersetzt wird und wie fatal es ist, dass die Pastoraltheologie diesen Trend mitmacht; aber das möge sich der geneigte Leser selber denken, oder vielleicht schreibe ich mal an anderer Stelle was dazu. Im vorliegenden Fall liegt das Tragikomische ja gerade darin, dass hier jemand in den Mittelpunkt gestellt wird, der wohl nur bei einem Nischenpublikum als prominent gelten kann. Na, was soll man sagen, auch ein Pastoralreferent braucht wohl ein Hobby. 

Aber schauen wir uns lieber mal an, was Fohrmann konkret zur Situation der Pfarrgemeinde in Brake sagt. Über Pfarrer Schmitz und die Ursachen seiner Suspendierung wie gesagt: nichts. Stattdessen: "Es ist eine große Zäsur, wenn plötzlich das Pastoralteam nur noch aus zwei Mitgliedern besteht – ohne einen Priester vor Ort." Nun gut, das ist wohl nicht zu bestreiten. 

"Es ist viel zu planen, Vergangenes aufzuarbeiten, Gemeindealltag zu gestalten und immer wieder neu zu schauen, was bedeutet die Situation für uns. Dabei steht ein Handeln im Vordergrund, das wohl am ehesten, wie ein Autofahren im Nebel zu beschreiben ist. Nicht das weite Ziel zu sehen, sondern die nächsten Meter." 

Moment. Ist das, wenn es um die Kirche geht, nicht ein ziemlich schiefes (und gerade dadurch unfreiwillig vielsagendes) Bild? Müsste es in der Kirche nicht vielmehr gerade so sein, dass man das endgültige Ziel auch dann fest im Blick behält, wenn der Weg dorthin gerade mal im Nebel liegt? – Dieses "Fahren auf Sicht", dieser Merkelianismus in der Kirchenpolitik, scheint mir bezeichnend für den post-volkskirchlichen Mainstream im Zeichen des Schismatischen Wegs: Man hat den Glauben und damit das Ziel verloren und eiert im Nebel herum, und dabei gerät man dann leicht ins Fahrwasser derer, die sehr wohl eine Agenda und ein Ziel haben, seien es Gender-, LGBTQ- oder Klimaaktivisten

"Auch wir als Kirchengemeinde stehen immer in der Gefahr uns an Menschen, Ritualen und Gewohnheiten zu klammern und nicht loslassen zu können", meint Fohrmann weiter. "Doch wir müssen es tun, um unseren Glauben in heutiger Zeit ehrlich leben zu können. Die Realität ist dann keine Bedrohung, wenn wir ihr nicht ausweichen, sondern sie annehmen und aktiv gestalten." Mir drängt sich hier zunächst einmal die Frage auf, was für einen Glauben der Herr Pastoralreferent hier wohl meint, wenn er doch eingestandenermaßen das Ziel nicht kennt; aber im Grunde hat es keinen Sinn, die eben zitierten Zeilen inhaltlich irgendwie hinterfragen zu wollen: Es ist pures Blabla, dessen einzige Funktion darin besteht, seine Inhaltsleere hinter wohlklingenden Worten zu verbergen. 

Was die praxisbezogene Seite dieses Leitartikels angeht, kündigt Fohrmann eine Einschränkung des Gottesdienstangebots an ("Wir müssen – ich finde eher dürfen [!] – jetzt zusammenrücken. Seien wir ehrlich – in unseren Bänken ist sogar an Feiertagen viel Platz"; und das ist jetzt also etwas Gutes, ja?), fordert eine "Stärkung des Ehrenamtes" ("Ehrenamt – oder wie heute eher gesagt wird, freiwilliges Engagement, ist kein Lückenfüllen (leider wirkt es manchmal so), sondern trägt zur Vielfalt einer Gemeinde bei. Wer gestaltet, kann prägen") und ruft die "Stunde der Gremien" aus ("Gerade in einer Zeit ohne seelsorgliche Leitung vor Ort kommt den Gremien eine noch höhere Bedeutung zu. Nach der teilweisen Starre im 
Spätsommer, kann jetzt, mehr denn je, Zukunft von Gemeinde gestaltet werden"). Das klingt ja alles schon rein sprachlich ganz schaurig, aber ich glaube manchmal, die heutige Pastoraltheologenzunft hat schlichtweg nicht gelernt, ohne diesen Jargon zu kommunizieren, bzw. ahnt nicht einmal, dass es möglich wäre, sich anders auszudrücken. Exemplarisch deutlich wird das nochmals in Fohrmanns Schlussplädoyer: 
"[D]ie letzten Monate waren aufreibend. Unterschiedlichste Positionen, Haltungen und Gefühle trafen aufeinander. Wir haben teilweise gestritten, unterschiedlich gehandelt, Fehler gemacht, mal zu viel, mal zu wenig gesagt und haben wohl allesamt Grenzerfahrungen gemacht. [...] Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Gemeindemitgliedern für ihre Stimme und ihr Engagement in dieser Zeit bedanken – egal, welche Position vertreten wurde!" 

Tja. Ich hätte ja meine Zweifel, ob die engagierten Gemeindemitglieder es wirklich als Zeichen von Wertschätzung auffassen, wenn man ihnen sagt, es sei egal, welche Position sie vertreten haben, aber okay, im Endergebnis ist es wohl so. – Fassen wir derweil noch einmal kurz zusammen, wie sich die Situation der Braker Pfarrei nach dem letzten Stand der Berichterstattung darstellt: Es scheint einigermaßen sicher, dass der suspendierte Pfarrer Schmitz nicht auf seine Stelle zurückkehren soll, und dem Vernehmen nach will er das auch gar nicht (mehr); das Bistum kann die Pfarrstelle aber nicht neu vergeben, solange Pfarrer Schmitz nicht förmlich auf sein Amt verzichtet hat. Wie aus dem Bischöflich Münsterschen Offizialat in Vechta zu vernehmen war, hat Schmitz einen solchen Amtsverzicht zwar in Aussicht gestellt, ihn aber an die Bedingung geknüpft, dass zunächst "Einvernehmen über seinen künftigen Einsatz als Priester erzielt wird". Im Klartext heißt es, das Bistum muss ihm erst einmal eine neue Stelle anbieten, und nur wenn dieses Angebot zu seinet Zufriedenheit ausfällt, gibt er die Stelle in Brake zur Neuvergabe frei. Ich überlasse es meinen Lesern, darüber zu urteilen, was von diesem Pokerspiel des suspendierten Geistlichen zu halten ist. 

Wenn nun allerdings der Eindruck entsteht, die Pfarrei werde derzeit von Pastoralreferent Thomas Fohrmann und seiner Kollegin Carola Lenz eigenverantwortlich geleitet, muss man darauf hinweisen, dass es kirchenrechtlich nicht möglich ist, dass Pastoralreferenten eine Pfarrei leiten. Verantwortlicher Leiter einer Pfarrei ist immer ein Priester; ist die Stelle des Pfarrers, aus was für Gründen auch immer, vorübergehend unbesetzt, wird ein Pfarrverwalter eingesetzt. Im aktuellen Fall handelt es sich dabei um den Pfarrer der Nachbarpfarrei St. Willehad in Nordenham, Karl Jasbinschek. Dass dieser in Pastoralreferent Fohrmanns Leitartikel, wie auch insgesamt in diesem Pfarrbrief, nicht erwähnt wird, kann man sich auf unterschiedliche Weise erklären. Möglicherweise nehmen die beiden Pastoralreferenten Pfarrer Jasbinschek schlichtweg nicht für voll (was ich ihnen, ehrlich gesagt, nicht verübeln könnte); möglicherweise steht die wohl realistische Einschätzung dahinter, dass der Pfarrverwalter zwar formal die Verantwortung für die administrativen Vorgänge der Pfarrei übernimmt, das "Tagesgeschäft" der Seelsorge aber trotzdem an den Pastoralreferenten "hängen bleibt". Man könnte allerdings auch argwöhnen, es stecke noch mehr dahinter: nämlich dass die beiden Pastoralreferenten gewillt sind, die ihnen inoffiziell zugefallene Leitungsposition – so sehr Fohrmann dieses Los auch zu beklagen scheint – nicht so ohne Weiteres wieder aus der Hand zu geben. Dass die Situation in Brake als Versuchsballon für eine Kirche der Zukunft genutzt werden soll, die ohne Priester auskommt. Es steht zu hoffen, dass das Bischöflich Münstersche Offizialat diesem Zustand möglichst bald ein Ende macht. 

Zu den sonstigen noch ausstehenden Themen aus dem Landkreis Wesermarsch bin ich nun wieder nicht gekommen, obwohl da inzwischen noch weitere Neuigkeiten hinzugekommen sind, diesmal aus den evangelischen Kirchengemeinden in Butjadingen und Nordenham. Vielleicht wäre da mal wieder ein eigenständiger Artikel fällig – mal sehen, ob ich das noch vor Weihnachten schaffe... 


Aus der Kinder- und Jugendbuchabteilung 

Zunächst: "Ostwind – Der große Orkan" haben wir zu Ende gelesen, und ich muss sagen, ich bin wirklich froh, dass ich den Klappentext erst gelesen habe, als wir schon so ziemlich mittendrin in der Handlung waren. Hätte ich den nämlich zuerst gelesen, hätte meine Reaktion ziemlich sicher gelautet: Was für ein Scheiß

"Ein heftiger Sommersturm treibt eine reisende Pferde-Zirkus-Show nach Kaltenbach. Ari wird von der faszinierenden Welt des Kunstreitens magisch angezogen und will mit dem Zirkusjungen Carlo und Ostwinds Hilfe einem alten Showpferd helfen. Doch als der fanatische Zirkusdirektor ihren waghalsigen Plan enttarnt, gerät Ostwind in Gefahr. Im letzten Moment kehrt Mika von ihrer Reise zurück, denn nur mit vereinten Kräften kann es Mika und Ari gelingen, ihren geliebten Ostwind zu retten." 

Ich möchte sagen, man kann der Autorin Lea Schmidbauer die Leistung, einen derart hanebüchenen Plot so zu erzählen, dass die Abfolge der Ereignisse plausibel und zugleich fesselnd wirkt und das Handeln der Hauptfigur Ari vor allem auch emotional nachvollziehbar erscheint, gar nicht hoch genug anrechnen. Im Endergebnis führt das dazu, dass mir das Buch fast wider Willen ausgesprochen gut gefallen hat, obwohl ich mir eigentlich etwas ganz Anderes darunter vorgestellt hätte (auch wenn ich nicht präzise zu sagen wüsste, was eigentlich). Im letzten Drittel, als sich die Handlung dramatisch zuspitzt und die Ereignisse sich überschlagen, merkt man recht deutlich, dass die Story auf eine Verfilmung hin konzipiert ist, aber das ist ja nicht unbedingt ein Mangel. Es scheint jedenfalls einigermaßen unausweichlich, dass wir noch weitere "Ostwind"-Bücher lesen werden. 

Nachdem wir nun also alle fürs abendliche Vorlesen aus der Bücherei ausgeliehenen Bücher ausgelesen hatten, unternahmen das Tochterkind und ich am Dienstag nach der Schule einen weiteren Beutezug in der Stadtteilbibliothek; aber darauf, was wir uns diesmal mitgenommen haben, komme ich lieber nächste Woche zu sprechen. Erst einmal möchte ich noch auf etwas anderes eingehen, nämlich auf einen Audio-Adventskalender, den wir von meinen Schwiegermüttern bekommen haben. Es handelt sich um ein Hörspiel bzw. Hörbuch in 24 Kapiteln, eins für jeden Tag vom 1. bis zum 24. Dezember: "Spekulatius, der Weihnachtsdrache" von Tobias Goldfarb. Natürlich gibt es das auch als Buch, aber ich finde die Hörbuchversion sehr hübsch, und auch den Kindern gefällt sie ausgesprochen gut. 

Was mich betrifft, hat mich schon die erste Folge schwer begeistert. Alles beginnt damit, dass ein Schüler namens Mats von seinen Eltern erstmals keinen selbstgebastelten Adventskalender mit 24 Überraschungspäckchen bekommt (da sie finden, dafür sei er zu alt), sondern stattdessen nur einen Adventskalender mit besinnlichen Sprüchen
"Er öffnete das Türchen mit der 1 und las den Spruch dahinter: 'Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Hermann Hesse.' Was war das für ein Quatsch?" 
Seid mir nicht böse, Leser: Dafür, Hermann Hesse zu dissen, bin ich jederzeit zu haben. – Aber damit nicht genug: Auf einem Spaziergang zum Frustabbau kommt Mats am "Schaufenster von Frau Kramers Kramladen" vorbei; "Frau Kramer hatte ihren Laden allerdings 'Vishnus Schatz' genannt und sich selbst 'Frau Karma'". An der Stelle habe ich wirklich laut gelacht. – 
"Sie pinselte gerade einen Spruch auf die große Glasscheibe: 'Jedem Anfang wohnt ein Zau-' – 'Haben Sie auch den Adventskalender mit den besinnlichen Betrachtungen?' Frau Kramer fiel fast der Pinsel aus der Hand." 
Weil Mats so trübsinnig ausschaut, bietet Frau Kramer ihm an, sich in ihrem Laden etwas aus einer Wühlkiste mit Ramsch auszusuchen; zwischen "chinesische[n] Winkekatzen ohne Winkearm, Teetassen mit Sprung, [...] verbogene[n] Löffel[n], verknickte[n] Tarotkarten" und ähnlichen Mängelexemplaren ein goldenes Ei, von dem sich Frau Kramer selbst nicht erklären kann, wie es in diese Kiste geraten ist. Aber versprochen ist versprochen, also darf Mats das goldene Ei mitnehmen; und so nimmt das Geschehen seinen Lauf... 


Geistlicher Impuls der Woche 
Die Kirche, zu der wir alle in Christus Jesus berufen werden und in der wir mit der Gnade Gottes die Heiligkeit erlangen, wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden, wenn die Zeit der allgemeinen Wiederherstellung kommt (vgl. Apg 3,21). Dann wird mit dem Menschengeschlecht auch die ganze Welt, die mit dem Menschen innigst verbunden ist und durch ihn ihrem Ziel entgegengeht, vollkommen in Christus erneuert werden (vgl. Eph 1,10; Kol 1,20; 2 Petr 3,10-13). Christus hat, von der Erde erhöht, alle an sich gezogen (vgl. Joh 12,32). Auferstanden von den Toten (vgl. Röm 6,9), hat er seinen lebendigmachenden Geist den Jüngern mitgeteilt und durch ihn seinen Leib, die Kirche, zum allumfassenden Heilssakrament gemacht. Zur Rechten des Vaters sitzend, wirkt er beständig in der Welt, um die Menschen zur Kirche zu führen und durch sie enger mit sich zu verbinden, um sie mit seinem eigenen Leib und Blut zu ernähren und ihnen Anteil an seinem verherrlichten Leben zu schenken. Die Wiederherstellung also, die uns verheißen ist und die wir erwarten, hat in Christus schon begonnen, nimmt ihren Fortgang in der Sendung des Heiligen Geistes und geht durch ihn weiter in der Kirche, in der wir durch den Glauben auch über den Sinn unseres zeitlichen Lebens belehrt werden, bis wir das uns vom Vater in dieser Welt übertragene Werk mit der Hoffnung auf die künftigen Güter zu Ende führen und unser Heil wirken (vgl. Phil 2,11). Das Ende der Zeiten ist also bereits zu uns gekommen (vgl. 1 Kor 10,11), und die Erneuerung der Welt ist schon unwiderruflich begründet und wird in dieser Weltzeit in gewisser Weise wirklich vorausgenommen. Denn die Kirche ist schon auf Erden durch eine wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit ausgezeichnet. Bis es aber einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt, in denen die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3,13), trägt die pilgernde Kirche in ihren Sakramenten und Einrichtungen, die noch zu dieser Weltzeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht, und zählt so selbst zu der Schöpfung, die bis jetzt noch seufzt und in Wehen liegt und die Offenbarung der Kinder Gottes erwartet (vgl. Röm 8,19-22). 
(Lumen Gentium 48

Ohrwurm der Woche 

Eurythmics: I Saved the World Today 

Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern, wie ich die ersten Werbeplakate für die Eurythmics-Reunion des Jahres 1999 sah: Es war in der Nähe des S-Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße, und meine erste spontane Reaktion lautete Och nö, nicht ihr auch noch. Einige Monate zuvor hatten sich bereits Blondie für ein Album ("No Exit") eine Single ("Maria") und eine Tournee wieder zusammengetan, und auch wenn mir gerade keine weiteren Beispiele einfallen, kommt es mir rückblickend so vor, als hätten alle möglichen ikonischen Bands der späten 70er und/oder frühen 80er es kurz vor der Jahrtausendwende "noch mal wissen wollen". Ich hielt das für keine gute Idee, ebenso wie es keine gute Idee von Björn Borg gewesen war, sich ein Jahrzehnt nach seinem letzten großen Turniersieg nochmals aufs Parkett des internationalen Profitennis zu wagen. Wozu das Risiko eingehen, durch ein schwaches oder auch nur mittelmäßiges Comeback die eigene Legende zu beschädigen? Genießt lieber eure Rente, dachte ich. Eure Musik "von früher" ist schließlich immer noch da – und immer noch gut

Und dann brachten die Eurythmics die Single "I Saved the World Today" heraus, und als ich sie zum ersten Mal hörte, war ich einfach glücklich. Etwas von diesem Glücksgefühl verspüre ich bis heute immer noch jedes Mal, wenn ich diesen Song höre. Er ist nicht unbedingt besser als die alten Hits wie "Sweet Dreams", "Here Comes the Rain Again", "There Must Be an Angel (Playing With My Heart)", "It's Alright (Baby's Coming Back)", "When Tomorrow Comes" oder "Thorn in My Side". Er ist auch nicht schlechter; er ist einzigartig. Er ist wie das Nachzüglerkind einer kinderreichen Familie: Freunde und Verwandte mögen besorgt fragen "War das wirklich nötig? Ihr habt doch schon so viele Kinder!", aber die Eltern und großen Geschwister sehen das Baby voll Liebe an und sagen "Ja, dieses Kind hat uns noch gefehlt." 



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1 Kommentar:

  1. Irgendwie versteh ich das mit dem Pokerspiel des Altpfarrers nicht. Das Verfahren nach can. 1740ff. dauert auch bei einem unwilligen und tricksenden Pfarrer weniger als drei Monate: Ein Grund nach can. 1741 no. 3 liegt offensichtlich vor. Zwei Mitglieder des Priesterrats versammeln, alles sagen "eh klar", fünfzehn Tage Rücktrittfrist, bei ausbleibendem Rücktritt nochmal "mehr als" fünfzehn Tage Rücktrittsfrist (also sagen wir 20), und weg isser. Wenn er mit Gründen antwortet, dann ihn auffordern, eine endgültige Zusammenfassung seiner Stellungnahme zu machen, wofür er Akteneinsicht bekommen muß; zur Frist steht da nix, aber sagen wir mal: nochmal 15 Tage. Und dann sich nochmal mit den zwei Pfarrern zusammensetzen, "is Käse" sagen, absetzen.

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