Samstag, 9. Dezember 2023

Creative Minority Report Nr. 7

Servus, Leser! Weihnachtet's bei euch sehr? Oder seid ihr krank? In unserer Umgebung rollt die erste große Erkältungswelle der Saison gar mächtig und hat auch meine Familie nicht verschont; aber immerhin, den Kindern geht's gut. Derweil ist heute Mittag bekannt gegeben worden, dass der bisherige Mainzer Weihbischof und Generalvikar Udo Bentz neuer Erzbischof von Paderborn und Weihbischof Herwig Gössl neuer Erzbischof von Bamberg wird. Diese Meldungen sind so kurz vor dem Redaktionsschluss 'reingekommen, dass ich darauf wohl erst nächste Woche werde näher eingehen können. Was es sonst Neues gibt, erfahrt ihr sogleich... 


Was bisher geschah 

Die zurückliegende Woche begann für mich, wie sich im vorigen Wochenbriefing schon abgezeichnet hatte, mit Männergrippe: Am Samstagnachmittag befand ich mich in einem Zustand, der den Weg vom Bett zum Klo als eine Reise erscheinen ließ, die gründlicher Planung bedurfte; am Sonntag ging es mir schon erheblich besser, aber doch noch nicht gut genug, um das Haus zu verlassen und unter Leute zu gehen. Meine Teilnahme am mit Spannung erwarteten Familiengottesdienst zum 1. Advent musste ich daher schweren Herzens absagen; was mich indes nicht davon abhalten soll, unter der Rubrik "Schwarzer Gürtel in KiWoGo" noch einiges zu diesem Familiengottesdienst zu sagen – wenn auch naturgemäß hauptsächlich zu den Vorbereitungen. – Für Montag verabredete ich mit der Mutter einer Schulfreundin unseres Tochterkindes, dass sie das Tochterkind bei uns abholte und zur Schule brachte; am Dienstag fühlte ich mich dann schon wieder fit genug, das selbst zu tun. Derweil hatte die Erkältung allerdings auch meine Liebste erwischt, die sich daher ab Mittwoch bei der Arbeit krank meldete. Auf diese Weise kamen wir am Nikolaustag weder zur Nikolausfeier in St. Joseph Siemensstadt noch zum JAM; das Tochterkind war recht zufrieden damit, stattdessen länger in der Schule bleiben zu dürfen, fand es allerdings doch etwas schade, auf diese Weise nicht mitzubekommen, wie beim JAM die Geschichte von Josef in Ägypten weitergeht. Also stellte ich ihr in Aussicht, ihr die Fortsetzung der Geschichte nach der Schule aus der Kinderbibel vorzulesen, und tat das dann am Abend auch noch; das kam bei beiden Kindern gut an, könnte man also wohl ruhig öfter machen. Zum "Beten mit Musik" in einer der tagsüber geöffneten Kirchen der Umgebung kamen wir wieder die ganze Woche nicht, und auch sonst blieben wir möglichst viel zu Hause – bis auf das Tochterkind, das unverdrossen jeden Tag zur Schule ging. 


Was ansteht 

Nach dem ganzen erkältungsbedingten Ausnahmezustand im Familienalltag fühle ich mich ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Im Terminkalender steht von Montag bis Freitag nichts, trotzdem habe ich die vage Ahnung, dass am 14. und/oder am 15. Dezember "irgendwas war" (bzw. sein wird); hoffen wir mal, dass es mir rechtzeitig wieder einfällt. Am Samstag ist dann die Weihnachtsfeier der Katholischen Pfadfinder Haselhorst, und da sind auch die Wichtel mit dabei. Was alles Weitere betrifft, lass dich überraschen, Leser – ich tue es auch... 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Wenn ich etwas über den Familiengottesdienst zum 1. Advent in St. Joseph Siemensstadt sagen will, obwohl ich nicht dabei war, dann fange ich wohl am besten hinten an. Nachdem ich am Samstagabend noch gehofft hatte, über Nacht ausreichend zu genesen, dass ich meinen vorgesehenen Part bei diesem Familiengottesdienst würde übernehmen können, stellte ich beim Aufwachen am Sonntag fest, dass das wohl illusorisch war, und schickte daher eine Nachricht an den Gemeindereferenten: Ich sei krank und könne daher nicht, wie beabsichtigt, mit der Gemeinde die neuen Lieder einüben, insbesondere auch nicht die Bewegungen zu dem Lied "Runtergekommen" von Daniel Kallauch. Er fragte daraufhin, ob denn die von mir ins Boot geholte Gitarristin und Vorsängerin (nämlich die Co-Leiterin der Wichtelgruppe) kommen würde, ich bejahte das, woraufhin der Gemeindereferent meinte, dann würden sie das schon hinkriegen, und mir gute Besserung wünschte. Nach dem Gottesdienst meldete er sich bei mir zurück: Es sei alles gut gelaufen, insbesondere lobte er die Performance meiner Teamkollegin und meinte, sie könne gern öfter im Gottesdienst musizieren. – Soweit also Happy End. Ehe ich nun ein Stück zurückspule und einige Bemerkungen über die Vorbereitungen zu diesem Familiengottesdienst festhalte, möchte ich fürs Protokoll festhalten, dass ich das Klima in der Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus, was z.B. die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen "haupt- und ehrenamtlichen" Mitarbeitern (ich mag diese Bezeichnungen bekanntlich nicht besonders, aber es weiß wenigstens jeder, was damit gemeint ist), die Offenheit für neue Ideen und ganz allgemein die Wertschätzung von Engagement angeht, als so gut empfinde, wie ich es noch in keiner der Pfarreien, in denen ich seit meiner Kindheit aktiv war, erlebt habe. Das gilt es einfach mal anzuerkennen und denen, die dazu beitragen, dass es so ist, Danke zu sagen. – Das verhindert indes nicht, dass es im Einzelfall doch mal Verdruss gibt oder Dinge nicht optimal laufen. 

Also mal von vorne: Meine Motivation, mich bei der Vorbereitung des Advents-Familiengottesdienstes um die Musikauswahl zu kümmern, bestand wesentlich in meinem Ansinnen, zu demonstrieren, dass "für Familiengottesdienste geeignete Musik" nicht zwingend "NGL" heißen muss. Was ich anstrebte, war eine wohlabgewogene Mischung aus traditionellen Adventsliedern und modernem Lobpreis; darunter sollte mindestens ein Bewegungslied für Kinder sein, nämlich eben "Runtergekommen" von Daniel Kallauch, da es thematisch in den Advent passt. Meine Idealvorstellung wäre es gewesen, die traditionellen Lieder vom Vortragsstil her eher den Lobpreisliedern anzupassen als ungekehrt; um den anderen Mitgliedern des KiWoGo-Arbeitskreises einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ich mir das vorstellte, schickte ich ihnen einen YouTube-Link zur "Credo unplugged"-Version von "Herr, send herab uns deinen Sohn" (GL 222), arrangiert von meinem Freund Raphael Schadt. Damit erntete ich allerdings kein nennenswertes Feedback. Ohnehin zeigte sich schon früh, dass meine Wunschvorstellung, den gesamten Familiengottesdienst musikalisch ohne Orgel, dafür mit Gitarre, ggf. E-Piano und ein bisschen Percussion (Cajón o.ä.) zu gestalten, mangels geeigneten musikalischen Personals wohl nicht zu verwirklichen sein würde. Meine Liedvorschläge wurden dennoch positiv aufgenommen, und als ich dann am Rande eines Wichtelgruppentreffens mit meinen Teamkolleginnen über dieses Thema ins Gespräch kam, zeigte die Wichtel-Co-Leiterin, die sehr schön singen und Gitarre spielen kann, Interesse, sich an der Gestaltung des Familiengottesdienstes zu beteiligen. Zu diesem Zeitpunkt waren es noch zwei Wochen bis zum 1. Advent, und in den folgenden Tagen vereinbarte ich mit meiner Teamkollegin, dass sie "Runtergekommen" und ein weiteres Lobpreislied spielen sollte – ursprünglich hatte ich an "Fürst des Friedens" von Johannes Hartl & Friends gedacht, aber meine Teamkollegin gab zu bedenken, das Lied sei melodisch nicht sehr eingängig und daher vielleicht nicht besonders gemeindetauglich. Als Alternative schlug sie "Hosanna (Ich seh' den König kommen)" von Hillsong United vor; das gefiel mir auch, und ich fand es auch inhaltlich passend zum Advent. – Diese Lieder sollten vor Beginn der Messe mit der Gemeinde eingeübt werden, und für mich selbst sah ich die Aufgabe vor, dieses Einüben anzuleiten. 

Während auf dieser Seite also alles so ziemlich zu meiner Zufriedenheit lief, war ausgerechnet meinen anderen, erheblich konventionelleren Liedvorschlägen ein weniger günstiges Schicksal beschieden. Ein paar Tage vor dem Termin reichte nämlich der für diese Messe eingeteilte Organist – der nicht informiert worden war, dass es sich um einen Familiengottesdienst handelte – eine eigene Liste mit Liedvorschlägen ein. Nun gut, Kommunikationspannen können vorkommen, aber jedenfalls musste nun ein Kompromiss zwischen seiner und meiner Liste gefunden werden, der am Ende so aussah, dass zwar die zwei Lobpreislieder mit Gitarrenbegleitung unangefochten blieben, von den anderen Liedern von meiner Liste aber nur das Auszugslied,  "Maria durch ein Dornwald ging", in die endgültige Liedauswahl aufgenommen wurde. – Ich will mich darüber gar nicht groß beschweren, zumal ich einerseits ja letztendlich gar nicht selbst dabei sein konnte und mir andererseits, wie gesagt, berichtet wurde, es sei alles gut gelaufen. Ich denke aber doch, der gesamte Verlauf der Vorbereitungen dokumentiert so einigermaßen, mit was für Schwierigkeiten man rechnen muss, wenn man mal etwas machen will, was jenseits der eingespielten volkskirchlichen Gewohnheiten liegt. Selbst dann, wenn man es mit wirklich gutwilligen Leuten zu tun hat. 

Am liebsten wäre es mir auf mittlere Sicht, eine Lobpreisband aufzubauen, die bei Familien- und Jugendgottesdiensten spielen und vielleicht einmal im Monat eine eigene Andacht gestalten könnte. Aber vorläufig ist das natürlich nur ein Wunschtraum... 


Neues aus Synodalien: Maria Zwonull sucht eine Bischöfin 

Am 4. Dezember hat Papst Franziskus den altersbedingten Rücktritt des Bischofs von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, angenommen; Fürst war zu diesem Zeitpunkt der dienstälteste katholische Diözesanbischof Deutschlands, er hatte den bischöflichen Stuhl von Rottenburg seit 2000 inne, als Nachfolger von Kardinal Kasper übrigens. Damit waren also für kurze Zeit – nämlich bis zur Ernennung der neuen Erzbischöfe von Paderborn und Bamberg – vier der 27 deutschen Diözesen vakant, und die Sedisvakanz im ausgeprägt liberalen Bistum Rottenburg-Stuttgart hat nun die "Reform"-Initiative Maria 2.0 zum Anlass genommen, eine Stellenanzeige für "eine neue Bischöfin/einen neuen Bischof (w/m/d)" zu veröffentlichen. "Weibliche Bewerberinnen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt", heißt es darin; als eine solche Qualifikation wird ausdrücklich der "Nachweis" eines "aktiven Engagements für Reformen" genannt. 

Mir drängen sich angesichts dieser Nachricht drei unterschiedliche und zum Teil widerstreitende Gedanken auf, die ich hier mal in aller fragmentarischen Kürze folgen lassen möchte: 

1. Sollen sie mal machen, sich eine eigene Bischöfin wählen. Das ist dann wenigstens mal ein handfester schismatischer Akt, damit wäre dann endlich und endgültig klargestellt, dass diese Gruppe nicht auf dem Boden der katholischen Kirche steht und folglich auch keine Stimme im innerkirchlichen Diskurs beanspruchen kann. 

2. Aber das meinen die doch sowieso nicht ernst. Was natürlich die Frage nach sich zieht: Was soll das dann? Mit viel gutem Willen könnte man vielleicht von Satire sprechen, eine präzisere Bezeichnung wäre wohl Travestie. Nur dass es eben nicht geistreich und originell wirkt, sondern verkrampft und sauertöpfisch, wie so ziemlich alles, was aus dem Hause Maria Zwonull kommt. Wahrscheinlich ist das die mehr oder weniger natürliche Folge, wenn Damen aus gutbürgerlichen Verhältnissen, die 30, 40 oder mehr Jahre lang als Gemeindereferentinnen, Gotresdienstbeauftragte oder Kommunionhelferinnen oder in der Verbandsarbeit (kfd, KDFB usw.) Dienst getan haben, plötzlich unter dem Motto "Wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei!" ihre in jüngeren Jahren verpasste Sponti-Phase nachholen wollen. Man kann wahrscheinlich froh sein, dass sie bei ihren Protestaktionen ihre Blusen anbehalten

3. Es steht zu hoffen, dass Katholiken, die ein bisschen was von ihrem Glauben verstehen,  bemerken, was für eine unangemessene Sicht des Bischofsamts aus dieser Anzeige spricht. Der sakramentale Charakter des Amtes kommt überhaupt nicht in Betracht, es wird so getan, als wäre ein Bischof bloß so etwas wie ein Regionaldirektor eines großen Franchise-Unternehmens. Sicherlich kann man sagen, dass es schon heute Bischöfe gibt, die den Eindruck erwecken, ihr Amt so zu verstehen; aber vielleicht muss man erst so richtig mit der Nase draufgestoßen werden, damit man merkt, wie falsch das ist. 


Weiteres zur Causa Kenkel in St. Willehad, und worum es mir dabei eigentlich geht 

Ich hatte es im vorigen Wochenbriefing schon kurz erwähnt: In der Nordwest-Zeitung erschien am 1. Dezember ein Leserbrief, in dem "[d]as Verhalten der Vorgesetzten des Pfarrers Michael Kenkel" als "fragwürdig" beurteilt wird. Der Verfasser dieses Leserbriefs, der Nordenhamer Hautarzt Dr. Volker Meyer, wünscht "Pfarrer Kenkel, dass er bei uns in Nordenham eine neue Heimat finden darf", und meint, dass die "Art des Umgangs" mit ihm, die das Bischöflich Münstersche Offizialat an den Tag lege, "nicht unserem christlichen Menschenbild entspricht". Indem ihm die Tätigkeit als Seelsorger nur unter Auflagen gestattet werde, drücke man ihm "öffentlich einen Stempel auf". – Fragt man allerdings, was Dr. Meyer dem Offizialat konkret vorwirft bzw. was es seiner Meinung nach hätte anders machen können oder sollen, fällt es auf, dass er die Vorgänge, die er kritisiert, völlig falsch darstellt

"Zunächst entsendet man den Mann, der vor 13 Jahren eine nicht näher bezeichnete 'Übergriffigkeit' an einer damals 19-Jährigen verübt haben soll, nach Nordenham und gibt ihm eine zweite Chance. Wenige Tage später gibt das Bistum sinngemäß öffentlich zu Protokoll, der Mann müsse sich von unter 27-jährigen Frauen fernhalten". 

Das ist ja nun, mit Verlaub gesagt, Quatsch. Die besagten Auflagen wurden nicht erst verhängt, nachdem P. Kenkel seine Stelle in der Pfarrei St. Willehad angetreten hatte; vielmehr wurde die Pressemitteilung des Bischöflich Münsterschen Offizialats, in der auf diese Auflagen hingewiesen wurde, dadurch veranlasst, dass zuvor P. Kenkel selbst und die Verantwortlichen der Pfarrei St. Willehad in einem angeblich "im Sinne der Transparenz" (!) anberaumten Pressegespräch sowie in den eigenen Pfarrnachrichten die bestehenden Auflagen  verschwiegen und fälschlich behauptet haben, alle Dekrete gegen Kenkel seien aufgehoben worden. Dass diese misslungene Informationspolitik im Endergebnis das Ansehen P. Kenkels in der Öffentlichkeit beschädigt hat und eine Belastung für seine Tätigkeit in St. Willehad darstellt, ist kaum von der Hand zu weisen; aber die Schuld daran kann man wohl kaum dem Bistum zuschreiben. 

Weiterhin versucht Dr. Meyer die Maßnahmen des Bistums gegenüber P. Kenkel auch dadurch als unsinnig darzustellen, dass er betont, dass "die Polizei damals nichts Strafbares fand und er nie verurteilt wurde (also auch nicht dazu, sich von jungen Frauen fernzuhalten)". Also, sorry: Die Fähigkeit, zwischen weltlichem Strafrecht und dem disziplinarischen Recht der Kirche zu unterscheiden, sollte man einem Akademiker doch eigentlich zutrauen können. 

Doch der Dermatologe trägt noch dicker auf: "Jesus hat die Selbstgerechten und Pharisäer seiner Zeit, die gerade die Ehebrecherin steinigen wollten, entlarvt, indem er denjenigen, der ohne Sünde sei, zum ersten Steinwurf aufforderte", ruft er in Erinnerung. Betrachtet er das als eine passende Analogie zum hier in Frage stehenden Vorgang? Kommt es ihm nicht in den Sinn, dass es gegenüber dem Opfer von P. Kenkels "nicht näher bezeichnete[r] 'Übergriffigkeit'" (schon die Anführungsstriche sind hier eigentlich eine Frechheit) irgendwie unsensibel sein könnte, den Geistlichen in der Rolle dessen zu sehen, den man vor der Steinigung bewahren müsse? – Zumal es ja gar nicht darum geht, ihn zu steinigen. Schließlich darf er weiter als Seelsorger tätig sein, wenn auch für begrenzte Zeit nur unter Auflagen. Ich bin überzeugt, dass es in der Pfarrei St. Willehad genug Aufgaben für ihn gibt, für die diese Auflagen kein Hindernis darstellen. 

Übrigens gehe ich davon aus, dass Dr. Meyer über die konkreten Hintergründe des Falles nicht mehr weiß als ich oder irgendein anderer beliebiger NWZ-Leser; insofern finde ich diesen reflexartigen Drang, den Geistlichen in Schutz zu nehmen, einigermaßen befremdlich. – Möglicherweise wird der eine oder andere Leser nun meinen, ebenso gut könnte man mir einen reflexartigen Drang attestieren, dem Geistlichen am Zeug zu flicken, und dieser sei nicht weniger befremdlich. Das würde ich allerdings als ein grobes Missverstehen meiner Absichten bezeichnen. Wie ich schon einmal betont habe, habe ich überhaupt kein Interesse daran, P. Kenkel persönlich schlecht zu machen; im Gegenteil macht das, was ich bisher über sein Selbstverständnis und sein Tätigkeitsprofil als Priester und Seelsorger gehört und gelesen habe, einen überwiegend guten Eindruck auf mich. Insofern erscheint es nachvollziehbar, dass man sich wünschen möchte, bei dem grenzverletzenden Verhalten gegenüber (mindestens) einer jungen Frau, dessen er sich schuldig gemacht hat, möge es sich um einen verzeihlichen Ausrutscher gehandelt haben. Tatsächlich kann ich nicht ausschließen, dass es sich bei diesem Vorfall um etwas gehandelt haben könnte, bei dem auch ich sagen würde: Wenn in den dreizehn Jahren, die seitdem vergangen sind, nicht noch mehr vorgefallen ist, dann könnte man die Sache so langsam auch mal auf sich beruhen lassen. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass Leute, die genauere Kenntnis des Falles haben – wie etwa der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, Peter Frings –, zu einem anderen Urteil kommen. 

Was mich aber auch unabhängig von der Frage, wie gravierend P. Kenkels damaliges Fehlverhalten denn nun wirklich war, umtreibt, ist, dass sich in dem Verhalten der Mitarbeiter der Pfarrei St. Willehad, aber auch in Reaktionen wie etwa derjenigen des Dr. Meyer, ein Muster widerspiegelt, das in meinen Augen zu den systemischen Ursachen von Missbrauchsvertuschung in hierarchisch strukturierten Institutionen zählt (nicht nur in der Kirche übrigens; aber der Hinweis, dass es dergleichen auch in Schulen, Sportvereinen usw. gibt, soll nicht dazu dienen, die Schuld kirchlicher Institutionen zu relativieren): eine starke Tendenz zum Täterschutz, zur Solidarisierung und Identifikation mit dem Täter statt mit den Opfern. Als ich in Berlin-Tegel im Pfarrgemeinderat war, habe ich dieses Reaktionsschema in erschütternder Deutlichkeit kennengelernt. Ein ehemaliger Pfarrer der hiesigen Pfarrei, der wegen des Bekanntwerdens von noch aus seiner Kaplanszeit datierenden Fällen sexueller Belästigung männlicher Jugendlicher sein Amt verlor, steht in der Gemeinde immer noch im Ruf, das Opfer falscher Beschuldigungen geworden zu sein, dabei ist der Fall in den Akten des Erzbistums ausgesprochen gut dokumentiert und im Teil C des Gutachtens über sexuellen Missbrauch im Erzbistum Berlin, trotz der Schwärzung personenbezogener Angaben in der veröffentlichten Version, ohne große Mühe aufzufinden. Aber niemand hat ein Interesse daran, die Sache noch einmal aufzurühren; lieber lässt man die Leut' in dem Glauben, ihr früherer Pfarrer wäre zu Unrecht verleumdet worden. Dahinter steckt offenbar die Auffassung, wenn das Ansehen des früheren Pfarrers beschädigt werde, ziehe das auch das Ansehen der Pfarrei, wo nicht gar der gesamten Kirche in Mitleidenschaft; dass dieser Ansehensverlust noch weit gravierender ausfallen dürfte, wenn etwas, das man zunächst zu verheimlichen versucht hat, schließlich doch herauskommt, wird bei solchen Überlegungen offenbar nie in Betracht gezogen. Erst recht nicht, was für ein fragwürdiges "Wir-Gefühl" das eigentlich ist, in das der Missbrauchstäter einbezogen wird, während die Opfer ausgeschlossen bleiben. 

Dass sich im vorliegenden Fall nun das Bischöflich Münstersche Offizialat um Transparenz bemüht und dafür kritisiert wird, kann ich nur als bizarr empfinden. Derweil erreicht die Entschlossenheit der Pfarrei St. Willehad, angesichts der Kritik an ihrer Informationspolitik den Kopf in den Sand zu stecken, ein Ausmaß, das man nur noch als schamlos bezeichnen kann. Eine Stellungnahme zu der Pressemitteilung aus Vechta ist noch immer nicht erfolgt, auf der Facebook-Seite der Pfarrei sind in der letzten Woche nur ein Foto vom Adventskranz in der Burhaver Kirche und eine Bilderserie zum 40jährigen Jubiläum der Kolpingsfamilie Einswarden (das, da die Kirche in Einswarden samt Gemeindesaal und sonstigen Nebengebäuden ja inzwischen der Koptisch-orthodoxen Kirche gehört, ebenfalls in Burhave gefeiert wurde) veröffentlicht, sonst nichts; und das Problem mit dem Sicherheitszertifikat der Website wurde auch immer noch nicht behoben, möglicherweise mit Absicht. 

Über das besagte Kolping-Jubiläum sollte man vielleicht noch ein paar Sätze mehr sagen, und auch sonst gibt es aus den Pfarreien der Wesermarsch noch ein paar interessante Neuigkeiten; aber ich glaube, die hebe ich mir aus Platzgründen lieber für ein andermal auf. 


Ostwind: Neuevangelisierung für Pferdemädchen (oder auch nicht) 

Hurra, endlich sind wir bei der Gutenachtlektüre fürs Tochterkind bei "Ostwind – Der große Orkan" angekommen! Und was soll ich sagen: Es gefällt mir. Es ist schon viel wert, wenn für mich als Vorleser die Motivation, mit der gerade aktuellen Lektüre rasch voranzukommen, nicht darin liegt, mit dem Buch fertig werden zu wollen, um danach was anderes lesen zu können, sondern darin, dass ich selbst wissen will, wie die Geschichte weitergeht. 

Wie ich schon einmal festgehalten habe, handelt es sich bei "Ostwind – Der große Orkan" nicht etwa, wie ich zuerst gedacht oder gehofft hatte, um den ersten, sondern vielmehr um den sechsten Teil der Reihe; ich habe bisher der Versuchung widerstanden, mir die Vorgeschichte in Form von Inhaltsangaben aus dem Internet anzulesen, und habe es, um mir die Spannung zu erhalten, sogar unterlassen, den Klappentext zu lesen. So findet man sich nach und nach in die Handlung hinein – ganz im Sinne des alten Sir John Retcliffe: 
"Im Uebrigen tritt Jeder einmal in seine Zeit ein, die ja niemals einen Abschluß findet, und muß sich an die bunten Gestalten halten, wie sie ihm gerade begegnen. Auch der neue Leser wird, wie wir hoffen, des Neuen so Manches in dem neuen Buch finden. Interessiren ihn die Bilder, so weiß er ja, wo er das Vorhergegangene zu suchen hat!" 

Bisher habe ich folgendes verstanden: Im Mittelpunkt der Handlung steht die 13jährige Arielle, genannt Ari, die jahrelang vom Jugendamt von einer Pflegefamilie zur nächsten herumgereicht wurde, bis sie auf dem Gutshof Kaltenbach in Mittelhessen ein Zuhause gefunden hat: Dieser Hof gehört einer ehemals sehr erfolgreichen Sportreiterin, die jetzt ein Therapiezentrum für traumatisierte Pferde betreibt. Ari verspürt eine enge, nahezu telepathische Verbindung zu dem temperamentvollen Rappen Ostwind und trainiert mit ihm – sehr zum Missfallen der für sie verantwortlichen Personen – eine seltene und gefährliche Sportart, nämlich berittenes Bogenschießen

Und wo ist da nun die Verbindung zur "Ostwind-Mission" der Franziskaner der Erneuerung? – Na, die gibt's natürlich nicht; dass es eine solche geben könnte oder sollte, ist schließlich nur ausgedachter Quatsch Marke Eigenbau. Wobei ich festgestellt habe, dass es gar nicht so viel Phantasie erfordert, sich eine solche Verbindung auszudenken. Zum Beispiel finde ich, dass man den besonnenen und verständnisvollen Herrn Kaan – von dem mir vorläufig noch nicht ganz klar ist, was eigentlich seine Funktion auf Gut Kaltenbach ist – recht problemlos durch einen Franziskanerpater ersetzen könnte, und es würde auch gar nicht so viel Mühe kosten, das plausibel zu machen, etwa indem man aus Gut Kaltenbach ein regelrechtes (wenn auch möglichst nicht übertrieben protziges) Schloss mitsamt Schlosskapelle macht, und die Kapelle wird eben von einem Franziskaner betreut. Why not? – Schauen wir mal, wie die Geschichte sich weiter entwickelt. 


Geistlicher Impuls der Woche 
Himmel und Sterne, Erde und Flüsse, Tag und Nacht, alles, was bestimmt ist, dem Menschen untertan zu sein und ihm Nutzen zu bringen, sie alle beglückwünschen sich, Herrin, dass sie durch dich zu der verlorenen Schönheit vom Schlaf wiedererweckt und mit einer neuen, unsagbaren Gnade beschenkt sind. Sie alle waren geschaffen, den Menschen, die Gott loben, untertan zu sein und ihnen zu dienen. Aber diese Würde war verlorengegangen, und sie alle waren wie tot; sie waren unterdrückt und verdorben durch die Götzendiener, für die Gott sie nicht gemacht hat. Nun sind sie zu dieser Würde gleichsam wiedererweckt und freuen sich ihrer, da sie nun wieder unter der Herrschaft derer stehen, die Gott loben, und wieder den Menschen dienen dürfen. 
(Anselm von Canterbury, Über die Gottesmutter Maria) 

Ohrwurm der Woche 

The Pogues: The Body of an American 

Shane MacGowan, der tragische Held des irischen Folk-Punk, ist tot – gestorben an einer Lungenentzündung im Alter von noch nicht ganz 66 Jahren, ein fast schon gutbürgerlicher Tod für jemanden, dessen Leben so sehr von Alkohol- und Drogenexzessen geprägt war. Und wenn ich mir anschaue, wie mein Facebook-Feed seit nunmehr über einer Woche von Nachrufen auf Shane MacGowan überschwemmt wird, habe ich den Eindruck, kein Todesfall in der Welt der Rock- und Popmusik in den letzten Jahren, nicht einmal der Tod von Lou Reed 2013 oder David Bowie 2016, hat in meinem Winkel des Internets so starke und emotionale Reaktionen ausgelöst wie dieser. Mir selbst geht's da nicht anders. Ich muss wohl 20 oder vielleicht 21 gewesen sein, als ich mir bei Saturn am Alexanderplatz eine Best Of-CD der Pogues kaufte, von denen ich bis dahin bewusst nur zwei Songs gekannt hatte: den unsterblichen Weihnachts-Hit "Fairytale of New York" (feat. Kirsty MacColl) und "Fiesta" (ein Dauerbrenner bei den Feten meines Abi-Jahrgangs). Diese Best-Of-Kollektion jedenfalls erschloss mir eine Bandbreite der Fähigkeiten MacGowans als Sänger und Songwriter, die mich zutiefst beeindruckte. Shane MacGowan war eine so charismatische Gestalt wie sein guter Freund Joe Strummer von The Clash, der fünf Jahre älter war als er, aber bereits 2002 starb; ein feinfühliger und wortgewaltiger Poet im Körper eines besoffenen Punks mit schiefen Zähnen. Seine Texte verraten eine profunde Kenntnis irischer Geschichte, Folklore und Mythologie, und auch Elemente katholischer Glaubenspraxis spielen in ihnen immer wieder eine Rolle. 

Angesichts der erwähnten Fülle von Nachrufen auf Shane MacGowan in den Sozialen Medien fällt erst so richtig auf, wie viele Lieder er geschrieben und gesungen hat, in denen es irgendwie um den Tod geht; will man also einen seiner eigenen Songs zu seinem Gedenken spielen bzw. posten, hat man eine große Auswahl an passenden Titeln. Auf meiner Facebook-Wall habe ich mich nach längerem Abwägen für "The Sick Bed of Cuchulainn" entschieden, aber der erste Song, der mir in diesem Zusammenhang in den Sinn gekommen war, war tatsächlich dieser hier gewesen, "The Body of an American". Für mich ein absolutes Meisterwerk MacGowans, besonders was den Text betrifft. Jedem, der sich mit der Absicht trägt, in einem literarischen Text eine aus dem Ruder laufende Beerdigungsfeier zu schildern (und ich selbst habe in der Tat einen Romanentwurf in der Schublade, der eine solche Szene vorsieht), würde ich diesen Songtext, neben der Schilderung von Bunnys Beerdigung in Donna Tartts "Die geheime Geschichte", als Inspirationsquelle empfehlen. 

Wie die Catholic News Agency (CNA) unter Berufung auf Familienkreise berichtet, hat MacGowan kurz vor seinem Tod die Sterbesakramente empfangen; beigesetzt wurde er gestern, am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Der Herr schenke ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm! 


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7 Kommentare:

  1. "eine starke Tendenz zum Täterschutz, zur Solidarisierung und Identifikation mit dem Täter statt mit den Opfern."

    Juristisch gesehen, ist jemand erst dann Täter, wenn seine Tat bewiesen und bestraft wurde. Zahlreiche Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche kommen erst nach Jahrzehnte ans Tageslicht, weil irgendein katholischer Priester in den 1960 oder 70 Jahren jemanden begrapscht oder körperlich gezüchtigt hat und dann Betroffene plötzlich zur Einsicht kommen, dass sie ein Opfer sein können.
    Es gibt in unserer Pfarrei die Causa Heinrich-Maria-Janssen, Bischof von Hildesheim. Der soll Mißbrauchstäter geschützt und gedeckt haben. Das hat dazu geführt, dass sein Andenken aus der Pfarrkirche entfernt wurde und die Strassennamen in unserem Ort und auch z.B. in Kevelaer entfernt wurden. Ist das jetzt der Weisheit letzter Schluss? Radieren wir alle Namen aus den Geschichtsbüchern, weil Priester und Bischöfe sündige Menschen sind? Wenn ja, dann bitte auch konsequent. Die Luther-Schule in unserer Kleinstadt, sollte schleunigst umbenannt werden.

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    1. Gegen Bischof Janssen gab es nicht nur Vorwürfe wg. Missbrauchsvertuschung sondern ganz massive Anklagen, dass er sich selbst des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht habe. Was daraus eigentlich geworden ist, habe ich allerdings nicht verfolgt.

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    2. Bischof Janssen starb am 7.10.1988. Die Vorwürfe gegen seine Person wurden erst im Jahr 2015 öffentlich gemacht. Eine Befragung des Beschuldigten war also aus rein biologischen Gründen nicht möglich. Für die Öffentlichkeit allerdings gilt der Bischof als Missbrauchsttäter. Unter anderem wurde ein dem Bischof Janssen gewidmetes Zierfenster in der Ehrengalerie des katholischen Internats der Gaesdonck⁠ am 16. Dezember 2021 entfernt und sämtliche Strassennamen die an ihn erinnern ausradiert. Es gibt keine belastenden Hinweise, dass sich der Bischof die ihm vorgeworfenen Missbrauchsstaten selbst schuldig gemacht hätte. Das geht aus einem Gutachten hervor.

      Ich selber war in den 1960 Jahren Messdiener und bin von Bischof Janssen gefirmt. Auch bei anderen Gelegenheiten habe ich dem Bischof bei Messen und Einweihungen ministrieren dürfen. Das einzige Mal, wo er mich berührte, war die Salbung der Stirn bei der Firmung.

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    3. Ich stimme Ihnen durchaus in Vielem zu. Vor allem ist nach unserem Recht nur derjenige schuldig und zu verurteilen, dessen Schuld zweifelsfrei erwiesen ist.
      Es ist eben gottlob nicht so, dass ein Beschuldigter seine Unschuld beweisen muss.

      Im Fall von weiter zurückliegenden Geschehnissen, ist es eh meist schwierig bis gänzlich unmöglich, die Wahrheit noch ans Tageslicht zu bringen.
      Als gläubige Christen dürfen wir uns hier aber auf die unbestechliche Gerechtigkeit GOTTES verlassen, der jeder Person nach ihren Taten zu irdischen Lebzeiten richtig zumessen wird.
      Das sollte sowohl der heutige Hildesheimer Bischof wie auch die in Ihrer Pfarrgemeinde Verantwortlichen getrost beherzigen.

      Übrigens: Wer weiß schon, ob sich nicht auch eines Tages Befürworter für eine Umbenennung der Luther-Schule finden werden?
      Mit dem Bismarck-Denkmal in Hamburg hat man es ebenso wie mit dem Hindenburgdamm nach Sylt schon versucht - beide Male bislang gottlob erfolglos.

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  2. Lt. Wikipedia ist Bf Janssen weder erwiesen selbst des Missbrauchs schuldig aber auch nicht sicher und zweifelsfrei seine Unschuld erwiesen.

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    1. Gehört zwar nur bedingt hierher, aber ich erwähne es mal trotzdem: Die Schuld des Petrus seinen Herrn zu verraten ist eindeutig erwiesen. Niemand käme auf die Idee nun alle Statuen, Bilder, oder gar den Namen "Petersplatz" in Rom zu entfernen. Auch die Petrusbriefe können wir heute noch lesen. Oder muss das neue Testament bereinigt werden?

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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