Montag, 20. Dezember 2021

Spandau oder Portugal #4 (4. Woche im Advent)

Meine Güte, ist so eine Woche manchmal schnell rum! Also gut, hier das Neueste: 

Option Spandau (im engeren Sinne): Die Erkundung des Pastoralen Raums Spandau-Nord/Falkensee macht Fortschritte, obwohl ich wieder nicht in der Freitagabend-Messe in St. Stephanus war (dazu später). Hingegen waren wir Mittwoch früh - und zwar die ganze Familie - in der Kapelle des St.-Elisabeth-Seniorenheims in Hakenfelde


Anlass dafür war, dass unsere Freundin und Bloggerkollegin Claudia den Jahrestag ihres Gelübdes feierte -- in sehr bescheidenem Rahmen: Außer ihr und uns (und dem Zelebranten natürlich) nahmen an der Messfeier zwei ältere Leutchen sowie eine Handvoll indischer Ordensschwestern teil, die im Haus wohnen und arbeiten. Auf jeden Fall war es aber eine schöne, wohltuend schlicht gefeierte Messe, und ich fand auch die Kapelle ausgesprochen hübsch: 


Eine interessante Geschichte hat das Haus auch: Eingeweiht wurde es 1928 als Wohnheim für erwerbstätige Frauen und Mädchen, wurde allerdings schon in den 30ern zum Seniorenheim umgewidmet -- es ist also nicht so, wie ich zunächst dachte, dass der Verwendungszweck des Hauses mit seinen Bewohnerinnen "mit-gealtert" wäre. Die Hauskapelle war zunächst eine Filiale der Spandauer Pfarrei "Maria, Hilfe der Christen", 1953 wurde St. Elisabeth dann eine eigenständige Kuratie -- bis 1975 das nur knapp zwei Kilometer entfernte Gemeindezentrum St. Lambertus eingeweiht wurde. Seither gehörte St. Elisabeth zur Pfarrei von St. Lambertus, die im Jahr 2002 wiederum mit "Maria, Hilfe der Christen" fusioniert wurde; und wie wir ja wissen, läuft derzeit der nächste Fusionsprozess: Aus dem Pastoralen Raum Spandau-Nord/Falkensee soll in absehbarer Zeit die Großpfarrei Heilige Familie werden. 

Indes verrate ich wohl kein besonders streng gehütetes Geheimnis, wenn ich sage, dass die Zukunft des (wie es im amtlichen Pastoralprozess-Sprech heißt) Ortes kirchlichen Lebens St. Elisabeth ausgesprochen ungewiss ist: Für das Seniorenheim ist bereits ein neuer Standort in Planung; ob sich kirchenintern Interessenten für eine Nachnutzung von St. Elisabeth finden lassen, erscheint eher fraglich, zumal der Standort so abgelegen ist (und der nächste Nachbar ein Gefängnis ist; JVA und j.w.d. sind wohl beides nicht so attraktive Standortfaktoren). Und da das Haus zudem (was mich eigentlich wundert) nicht einmal denkmalgeschützt ist, steht zumindest theoretisch die Option im Raum, es abzureißen. Fände ich sehr schade... 

Der Geistliche, der die Messe in St. Elisabeth zelebrierte, ist ein Freund der Familie, und wir freuten uns, ihn bei dieser Gelegenheit mal wiederzusehen. Theoretisch wäre er natürlich auch ein naheliegender Ansprechpartner für strategische Überlegungen zu unserer "Option Spandau", aber in der Zeit, die er im Anschluss an die Messe noch für uns hatte, sprachen wir dann doch hauptsächlich über andere Dinge. Wir werden darauf zurückkommen. 

Was nun die Messe am Freitagabend in St. Stephanus betrifft, hatte mir einer meiner Spandauer Kontakte in Aussicht gestellt, wenn ich da hinkäme, könnte mir im Anschluss an die Messe den Pfarrer vorstellen und mir eventuell schon mal die Gemeinderäume zeigen; das wäre natürlich sehr interessant gewesen, aber dann sagte er mir wegen eines anderen Termins doch ab. Das hätte nun nicht unbedingt zwingend dagegen gesprochen, trotzdem dort zur Messe zu gehen, aber da ich am Freitag dringend einen Artikel für die Tagespost fertigschreiben, fürs Wochenende einkaufen und Abendessen für meine Familie kochen musste, war ich letztendlich doch ganz zufrieden damit, mir den Trip nach Haselhorst zu sparen. Es kommen noch andere Gelegenheiten. Wie schon mehrfach angemerkt: Nach Weihnachten dürfte alles etwas entspannter werden -- für alle Beteiligten. 

André Görke, so viel glaube ich inzwischen herausgefunden zu haben, scheint so etwas wie der Spandau-Experte und -Korrespondent des Tagesspiegels zu sein und schreibt auch einen "Spandau-Newsletter", den ich vielleicht mal abonnieren sollte. Vorerst jedoch habe ich einen etwas älteren Artikel von ihm entdeckt, den ich recht interessant finde. Darin geht es um die Band Die Ärzte und darum, was die mit Spandau verbindet; das ist so Einiges. So zum Beispiel dass die beiden Ärzte-Begründer Jan Vetter alias Farin Urlaub und Dirk Felsenheimer alias Bela B. ihren ersten gemeinsamen Auftritt, noch unter dem Bandnamen Soilent Grün, 1981 im Evangelischen Johannesstift in Hakenfelde hatten, gerade mal eine Viertelstunde Fußweg vom oben erwähnten Haus St. Elisabeth. Wie viele Punkbands ihre ersten Karriereschritte in kirchlichen Einrichtungen machten, ist übrigens insgesamt ein spannendes Thema. -- Zu den Ärzten sei übrigens noch gesagt, dass sie mir in jüngerer Zeit zwar wegen ihrer Nähe zum Regime, die in so auffallendem Kontrast zu ihrem gern gepflegten rebellischen Image steht, eher suspekt geworden sind (insofern ist es recht passend, dass auf dem Foto zum Artikel nur Bela nicht wie ein in die Jahre gekommener Politiker aussieht, und auch der eigentlich nur dank seines zweifarbigen Haarschopfs), aber hey, ein kulturhistorisches Phänomen sind und bleiben sie so oder so, und viele ihrer Songs "von früher" höre ich immer noch gern. 

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(im erweiterten Sinne:) Es ist mir ein bisschen peinlich, aber ausgerechnet nachdem ich im vorigen Wochenbriefing auf meine regelmäßige Mittwochnachmittags-Andacht in St. Joseph Tegel hingewiesen habe, und das explizit mit der Bemerkung "wenn mal jemand vorbeikommen mag...", ist die Andacht letzte Woche ausgefallen. Stattdessen waren wir ja, wie oben erwähnt, morgens in Hakenfelde zur Messe. Jetzt hoffe ich mal, dass nicht ausgerechnet an diesem Mittwoch jemand zu meiner Andacht kommen wollte und enttäuscht wieder abgezogen ist. -- Aber ich predige hier ja nicht umsonst immer wieder, dass Punkpastoral vom Selbermachen lebt. Daher, geschätzter Leser: Solltest Du mal in eine Kirche kommen, wo eigentlich gerade eine Andacht stattfinden sollte, aber es ist kein Vorbeter da -- gib dir einen Ruck und bete selber vor! Ich weiß, das ist nicht so einfach, wenn man's noch nie gemacht hat, und kostet eine Menge Überwindung. Aber weißte was, Leser? Jeder, der so etwas macht, hat es irgendwann mal zum ersten Mal gemacht. Ich zum Beispiel dachte früher auch, ich kann sowas nicht. Bei unseren wöchentlichen Lobpreisandachten in Herz Jesu Tegel habe ich die "freien" Passagen - Eröffnungsgebet, Schriftauslegung, Bittgebet - gern meiner Liebsten überlassen, die von uns beiden einfach die ausgeprägtere charismatische Ader hat, und habe mich auf die Liedauswahl konzentriert und auf die Texte, die vom Stundenbuch her vorgegeben waren. Tja, und dann wurde meine Liebste in ihrer zweiten Schwangerschaft fast vier Monate lang zu Bettruhe verdonnert, und ich musste ihren Part in der Andacht mit-übernehmen. Und siehe da, es ging. Man kann in so etwas 'reinwachsen. Wenn man sich der Führung des Heiligen Geistes anvertraut, lässt Er einen nicht im Stich.  

Unlängst habe ich hier mal angemerkt, es bereite mir etwas Kummer, in was für eine Richtung sich Simcha Fishers Blog entwickle. Aber da geht's mir ähnlich wie mit den Ärzten (s. Linktipp 1): Die alten Sachen sind immer noch gut. Habe daher mal einen Artikel herausgesucht, den ich sehr mag und der mir zudem dazu zu psssen scheint, was ich gerade über das Sich-Überwinden zum Vorbeten geschrieben habe; auch wenn es in dem Artikel nicht ums öffentliche Vorbeten geht, sondern ums private Gebet. Dies allerdings mit einem besonderen Fokus darauf, sich auch an solche Gebrtsformen heranzutrauen, von denen man zunächst meint, dass sie einem "nicht so liegen". Im Besonderen geht es um das Beten mit dem Stundenbuch, eine Praxis, die mir persönlich sehr am Herzen liegt, nachdem ich sie erst relativ spät "entdeckt" habe. Simcha Fisher bezieht Zeugnisse zweier damals ziemlich "frischer" Konvertitinnen, Leah Libresco (die ich in meinem Blog schon öfter erwähnt habe und mit der ich, so viel Wichtigtuerei sei mir erlaubt, in gelegentlichem eMail-Kontakt stehe) und Jen Fulwiler, in ihre Ausführungen ein. 

Man beachte übrigens, dass Simcha Fisher damals noch (unter anderem) für das National Catholic Register schrieb. Vier Jahre später wurde sie dort gefeuert, auf das Betreiben von Leuten hin, denen sie zu unkonventionell, zu frech und außerdem zu Trump-kritisch war. Ich schätze, die damalige Kampagne gegen sie wirkt sich bis heute auf ihre Arbeit aus. Aber das mal nur am Rande. 

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Option Portugal (im engeren Sinne): Ich war schon drauf und dran, zu schreiben "In dieser Kategorie gibt es weiterhin nichts Neues", aber just in dem Moment entdeckte meine Liebste im Internet ein Foto, das ein Dorf auf einer Steilküste zeigte - einer sehr, sehr hohen Steilküste -, und eine derart intensive Aussteiger-Romantik ausstrahlte  dass es geradezu zwingend die Frage nach sich zog: "Wo ist das?" Antwort: Der Ort befindet sich tatsächlich in Portugal, heißt Azenhas do Mar und ist nicht weit entfernt vom westlichsten Punkt des europäischen Festlands, dem Cabo da Roca. Die Vorstellung, aus dem Fenster zu schauen und nichts als Meer zu sehen, löst bei mir eine ganz eigentümliche Mischung aus Fernweh und Heimatgefühlen aus. -- Im portugiesischen Wikipedia-Artikel über den Ort Azenhas do Mar habe ich (mit Hilfe der automatischen Übersetzung von Google; meine Portugiesisch-Kenntnisse gehen bislang nicht wesentlich über "bom dia" und "tudo bem" hinaus) eine eher knappe Bemerkung über lokales religiöses Brauchtum gefunden, umd bei dem (speziell auf diesen Ort bezogen leider nicht erfolgreichen) Versuch, Genaueres darüber in Erfahrung zu bringen, bin ich auf diese Quelle gestoßen: 

Zugegeben: Mit präzisen Informationen glänzt diese Seite nicht gerade. Aber wenn ich da lese "Neben den nationalen Feiertagen gibt es überall im Land und das ganze Jahr hindurch traditionelle Festtage", dann macht mir das schon Lust auf die "Option Portugal". Weiter heißt es: "Jede Gemeinde hat 'ihr' eigenes Fest – und das ist oft eng mit dem Stadt- oder Dorfheiligen verbunden." Sehr löblich -- wobei anzumerken wäre: Das gab es hierzulande auch mal. Unsere Großeltern wussten noch davon zu erzählen. Was aber im Grunde nur ein Grund mehr ist, sich zu wünschen, dass die eigenen Kinder mit solchen Sitten aufwachsen -- um dann irgendwann ihren Enkeln davon erzählen zu können. Im weiteren Verlauf des Artikels erfährt man dann noch mancherlei über die "[v]or allem in den eher abgelegenen Dörfern im nördlichen Portugal" verbreiteten Kirchweihfeste ("Romarias"), über Wallfahrten, Prozessionen, Trachten und mit bestimmten festlichen Anlässen verbundene Speisen; alles in allem könnte man den Eindruck bekommen, ganz Portugal wäre eine Art katholisches Bullerbü. Ist wahrscheinlich etwas idealisiert dargestellt, aber neugierig macht es mich schon. 

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(im erweiterten Sinne:) Unerwartet gute Nachrichten gibt es derweil aus der Heimat -- genauer gesagt und ausgerechnet aus dem Problemstadtteil Nordenham-Einswarden, auf den ich hier in meinem Blog schon öfter mein Augenmerk gerichtet habe. Insbesondere galt mein Interesse dabei der 1928 geweihten Kirche Herz Jesu, die bereits seit Ende 2015 ungenutzt war und Ende November 2019 schließlich profaniert wurde. Gebäude und Grundstück sollten verkauft werden, hieß es, aber wer Interesse haben könnte, das Ensemble zu kaufen - und zu welchem Zweck -, blieb zunächst unklar. Auf diese Frage gibt es nun eine Antwort, und sie ist besser, als ich es mir hätte träumen lassen. Denn nun ist der Verkauf in Sack und Tüten, und der Käufer ist...: das Koptisch-Orthodoxe Bistum Norddeutschland! Der betreffende Bericht auf NWZ Online befindet sich hinter einer Bezahlschranke, aber ich habe ja zum Glück meine Kontaktpersonen vor Ort, die mir den vollständigen Artikel zugänglich gemacht haben. Eine "Bildungs- und Exerzitienstätte", erfährt man da, wollen die Kopten in Einswarden einrichten, mit einem "besonderen Schwerpunkt auf Angebote für Kinder und Jugendliche". Zu diesem Zweck soll in der ehemaligen katholischen Kirche "ein Mönch stationiert" werden. Jucheirassa! Habe ich nicht schon vor Jahren die Rückkehr der Mönche in die Wesermarsch prophezeit? -- Okay, "prophezeit" ist nicht ganz das richtige Wort, es war mehr so in den Tag hinein gewunschträumt; aber dass mir gefälligst keiner mehr damit kommt, die Luftschlösser, die ich in meinem Blog zu bauen geruhe, wären realitätsfern! Okay, es ist (vorerst) nur ein Mönch, und kein katholischer. Aber ich freue mich und bin gespannt auf die Dynamik, die diese Gründung in diesem geistlich verödeten Landstrich in Gang setzen wird. "Als  Einzugsbereich" für das neue Zentrum werden in dem Presseartikel "die koptischen Gemeinden in Bremen, Hamburg, Hannover und Wilhelmshaven" genannt; das nenn' ich mal sportlich. Weiter heißt es, es sei "eine enge ökumenische Zusammenarbeit mit der St.-Willehad-Gemeinde geplant"; na, die werden sich wundern, auf beiden Seiten. -- Wie dem auch sei: Wenn es mir irgendwann mal wieder möglich sein wird, mit der Familie nach Nordenham und/oder Butjadingen zu reisen, werde ich dem neuen koptischen Exerzitienzentrum auf jeden Fall einen Besuch abstatten. Ich bin schon jetzt voller gespannter Vorfreude. 

Bloggerkollege Peter Winnemöller nimmt die familienpolitischen Pläne der neuen Bundesregierung unter die Lupe -- und stellt fest: Das Modell "Ein Mann, eine Frau und ihre gemeinsamen Kinder" hat als familienpolitische Norm ausgedient. Okay, das ist nicht unbedingt überraschend; aber was das konkret im Einzelnen bedeutet - Ausweitung des Sorgerechts auf mehr als zwei Personen, "Verantwortungsgemeinschaft" als neue, trendige Umschreibung für legale Polygamie, ein Abstammungsrecht, das vo  der leiblichen Verwandtschaft abgekoppelt wird - ist alles andere als banal. "Für Katholiken", so prognostiziert Peter Winnemöller, "brechen in gewisser Weise finstere Zeiten an": 
"Noch kann nicht die Rede von Verfolgung sein, doch Angriffe und Diskriminierungen nehmen zu. Da auch die Bischöfe sich dem Mainstream geschmeidig anschmiegen, wird es auch im Binnenraum der Kirche immer kühler." 
Was also ist zu tun?[...] Peter Winnemöller meint: Es braucht eine Benedikt-Option für Familien (auch wenn er diese Bezeichnung nicht explizit verwendet). 
"Langfristig wird es darum gehen, Inseln zu bauen. Auch geografische Areale, in denen gleichdenkende zusammen in räumlicher Nähe leben und für sich die Diversität einfordern so zu leben, wie sie es wollen und ihre Kinder so zu erziehen, wie es ihnen recht erscheint und ihre Alten bei sich zu behalten, bis sie eines natürlichen Todes sterben. Klingt romantisch? Ist es aber nicht. Solche Areale werden nur mühsam am fortschreitenden Wohlstand partizipieren können. Das muss man wissen."
Solche "Inseln", die es christlichen Familien erlauben sollen, ihrem Glauben und ihren Überzeugungen entsprechend zu leben, auch wenn die Welt sie dafür hasst, sind aber nicht nur dazu da, sich selbst und die eigenen Angehörigen vor der bösen Welt in Sicherheit zu bringen und dann gelassen zuzusehen, wie alles andere den Bach runtergeht. Vielmehr geht es darum, "in der gelebten Praxis" eine Alternative zur zunehmenden Dekonstruktion der Familie aufzuzeigen. Mit dieser Klarstellung beweist Peter Winnemöller, dass er den Grundgedanken der #BenOp besser verstanden hat als die Meisten. 
"Letztendlich erfinden wir doch damit das Rad gar nicht neu. In der Antike waren Christen die, die keine Kinder aussetzten, keine Alten töteten, sich um Kranke kümmerten. Christen sind die, die nicht Abtreiben, keine Sterbehilfe leisten, die die Kinder annehmen, die Gott ihnen schenkt und ohne In Vitro- Fertilisation etc. auskommen, in der Ehe treu sind, die Armen helfen und im Grunde so gegen den Mainstream schwimmen, dass man sich die Augen reibt, wie es sowas geben kann." 
Darum geht's. Zeugnis geben nicht nur mit Worten, sondern mit seinem ganzen Leben ein Zeugnis sein

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Was es sonst Neues gibt: Wie schon erwähnt, habe ich in der zurückliegenden Woche mal wieder einen Beitrag für die Tagespost verfasst. Einen Essay fürs Feuilleton, der in der Weihnachtsausgabe erscheinen soll. Die thematische Vorgabe der Redaktion lautete "etwas Frommes ohne Corona"; das war mir ausgesprochen recht, aber wie es bei mir so oft der Fall ist, machte ich mich erst konsequent an die Arbeit, als der Abgabetermin bereits am Horizont dräute. Jetzt freue ich mich aber auf die Veröffentlichung. 

Neues gibt es auch von der WENIGER-Konferenz, die ja, wie neulich schon erwähnt, aus pandemischen Gründen "noch WENIGER" wird als ursprünglich geplant. Das wirkt sich zum Beispiel dahingehend aus, dass gar nicht so viele Personen teilnehmen können und dürfen, wie bereits Tickets verkauft wurden. Nun könnte das Gebetshaus Augsburg, das die Veranstaltung ausrichtet, möglicherweise darauf spekulieren, dass dieses Problem sich von selbst reguliert, weil bestimmt ein gewisser Teil der Ticket-Inhaber die Voraussetzungen für die 2G-Regel nicht erfüllt und deshalb nicht teilnehmen kann; umso sympathischer finde ich es, dass die Veranstalter nicht diesen Weg wählen, sondern stattdessen alle bereits verkauften Tickets rückerstatten und mit dem Vorverkauf noch einmal von vorn beginnen. 

Mein letzter Linktipp für diese Woche betrifft ein Thema, das in meinem kommenden Tagespost-Artikel erwähnt wird, dort allerdings nicht viel mehr als eine Randbemerkung ist: 

Eins vorweg: Die Sängerin Billie Eilish, die vorgestern ihren 20. Geburtstag gefeiert hat (Alles Gute nachträglich!) ist mir dem Namen nach ein Begriff - letztes Jahr hat sie alle vier Hauptkategorien der Grammy Awards abgeräumt -, aber da ich irgendwann in den "Nuller Jahren" aufgehört habe, mich aktiv für Neuerscheinungen auf dem Popmusikmarkt zu interessieren, habe ich keine Ahnung, wie ihre Musik klingt. Sehr gut möglich, dass ich das eine oder andere Lied von Billie Eilish kenne, weil ich's mal im Einkaufsradio oder in unverlangt aufpoppenden Werbevideos im Internet gehört habe, aber ich wüsste es nicht. Natürlich hätte ich mir, wenn ich schon über die junge Dame schreibe, ein paar Songs von ihr auf YouTube anhören können, habe mir aber gedacht: Nö, nun gerade nicht. Denn darum, ob mir ihre Musik gefällt oder nicht, geht's hier nicht, also will ich mich davon auch nicht beeinflussen lassen. 

Worum geht's dann? Darum, dass eine enorm populäre, als "Stilikone für Mädchen ihrer Generation" gehandelte Popsängerin öffentlich vor den psychischen Folgeschäden von Pornographiekonsum warnt. So etwas erwartet die Öffentlichkeit ja normalerweise eher von evangelikalen Predigern und rechtsgerichteten Kolumnisten. Billie Eilish verweist jedoch auf ihre eigenen Erfahrungen: Sie habe mit elf Jahren angefangen, Pornos zu schauen, und es habe ihr "Gehirn zerstört". Sie habe Albträume und Schlafstörungen davon bekommen, und nicht zuletzt habe ihr Pornokonsum sich negativ auf ihre ersten eigenen sexuellen Erfahrungen ausgewirkt. Mancher wird sagen "Na ja, aber dass Pornos nichts für Elfjährige sind, ist ja wohl klar"; aber wie man so hört, scheint das tatsächlich ein ziemlich typisches Einstiegsalter zu sein. Im Übrigen, so Billie Eilish, sei Pornographie entwürdigend für Frauen, vermittle ein unrealistisches Bild von Sexualität und (ver)führe dazu, missbräuchliche und gewalttätige Sexualpraktiken für normal zu halten. Nun sehe ich natürlich direkt Leute wie Rolf Krüger vor mir, die erklären, ja, Pornos, auf die diese Kritik zutreffe, seien natürlich schlimm und abzulehnen, aber es gebe auch ethisch einwandfreie Pornographie. Woraufhin ich mit den Augen rolle und etwas nicht Zitierfähiges murmele. 

Auf der anderen Seite kann man sich natürlich fragen: Wenn man nun schon vorher wusste, dass Pornographie schlecht ist, was ist dann so bemerkenswert an Billie Eilishs Einlassung? Worauf ich mit "Federalist"-Autorin Madeline Osburn antworten möchte: Sie ist ein Beispiel dafür, dass sich in der sogenannten "Generation Z" vermehrt Zweifel regen, ob die sexuelle Revolution wirklich ein reiner Segen war. Dass das manchen Leuten nicht gefällt, ist auch wiederum kein Wunder. 

(Nebenbei bemerkt: Natürlich gibt es auch deutschsprachige Quellen zu dieser Meldung. Aber ich hatte wirklich keine Lust, hier stern oder Bild zu verlinken, und im Übrigen hat mir eine schnelle Google-Recherche den Eindruck vermittelt, dass das, was die deutschen Medien zu diesem Thema bringen, nicht wesentlich über schlecht übersetzte Agenturmeldungen hinausgeht.)

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Ohrwurm der Woche: Ton Steine Scherben, "Allein machen sie dich ein" (1972) 

Ich fürchte, ich habe einen fragwürdigen Einfluss auf den Musikgeschmack meiner kleinen Tochter: Nachdem sie schon seit unserem letzten Urlaub eine ausgeprägte Vorliebe für das Frühwerk Udo Lindenbergs entwickelt hat, hat sie nun auch Ton Steine Scherben für sich entdeckt. Für den Song "Allein machen sie dich ein" habe ich mich zunächst vor allem wegen der Titelähnlichkeit zu dem NGL-Kanon "Einsam bist du klein" interessiert (den Einfluss von Ton Steine Scherben auf das Genre "Neues Geistliches Lied" betrachte ich als ein Phänomen, das der Angloamerikaner als "hiding in plain sight" bezeichnen würde: Es fällt nur deshalb niemandem auf, weil niemand danach fragt); allerdings haben diese Lieder über die Titelzeile hinaus gar nicht so viel miteinander gemeinsam. Dafür hat "Allein machen sie dich ein" aber vom Stil her bemerkenswerte Ähnlichkeit mit "The Ballad of John and Yoko" von den Beatles,  was mich daran erinnert, dass John Lennons Wandlung von "Die Beatles sind beliebter als Jesus" hin zu "Ich BIN Jesus" auch ein ziemlich spannendes Thema ist. Christ, you know it ain't easy. Aber ich schweife ab. 

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Aus der Lesehore: 

Maria sagt: Mit so großer und unvorstellbarer Gnade hat der Herr mich erhöht, daß kein Wort es zu erklären vermag und daß es kaum mit der innersten Bewegung des Gemütes erfaßt werden kann. Darum biete ich alle Kräfte meiner Seele auf, um Lob und Dank zu sagen. Indem ich seine grenzenlose Größe betrachte, gebe ich freudig dankend alles dahin, alles, was ich erlebe, fühle und denke. Denn mein Geist erfreut sich an der Gottheit Jesu, des Retters, der in der leiblichen Empfängnis die Frucht meines Leibes geworden ist. 

(Beda Venerabilis, Kommentar zum Lukasevangelium) 


1 Kommentar:

  1. Sebastian Sasse nennt die (im Koalitions-Vertrag beabsichtigte) Gesellschafts-- und Familienpolitik das "ideologische Herdfeuer der Ampelparteien" an dem sie sich zusammenfinden und sich wärmen und weitestgehend einig sind.

    Aber die Bäume wachsen bekanntlich nicht in den Himmel und die demographische Entwicklung ebenso wie die praktischen Erfahrungen, die die ganz normalen Menschen im Staat an der Basis machen, werden auch diese hochfliegend- utopischen Pläne erden.
    Für die lebenden Christen bedeutet es (nach Peter Winnemöller zitiert) :
    "Sie leben im Staat, den sie vorfinden und geben dem Kaiser, was dem Kaiser gebührt. Das Körnchen Weihrauch, das den Kaiser als Gott ausweist, das wird er auch künftig von Christen nicht bekommen."

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