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Sonntag, 23. Juli 2023

Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus

Ich habe es schon einmal erwähnt: Als ich im Sommer 2019 mit Frau und Tochter beim "Forum Altötting" der Gemeinschaft Emmanuel war, kam ich mit einem Pastoralreferenten aus dem Bistum Münster ins Gespräch, den ich zwar persönlich nicht kannte, der aber meinen Blog kannte; und dieser äußerte den bemerkenswerten Satz: "Sie werden mehr gelesen als Sie denken." Nanu, dachte ich, woher weiß der denn, was ich denke, wie viel ich gelesen werde? – 

An diese Begebenheit muss ich immer mal wieder denken, denn, Spaß beiseite: Es kommt tatsächlich immer mal wieder vor, dass ich überrascht bin, wer meinen Blog so alles liest; und besonders überrascht es mich, wie viele Leute meinen Blog nicht etwa deshalb lesen, weil sie das, was ich schreibe, gut oder wenigstens in einem irgendwie positiven Sinne interessant finden, sondern aus dem genau gegenteiligen Grund. Da könnte man sich nun natürlich bequem auf die Weisheit any publicity is good publicity zurückziehen, aber gerade da ich ja auch Erfahrungen mit anderen Publikationsformen, von der Kleinkunstbühne über Tages-, Wochen- und Monatszeitungen bis hin zu Radio und in sehr bescheidem Ausmaß auch Fernsehen habe, scheint mir, dass sich in dem verbreiteten Phänomen des Hate-Readings von Blogs nicht zuletzt auch eine feindselige Haltung gegenüber dem Medium selbst ausdrückt. Wobei es vielleicht weniger um das Medium im technischen Sinne geht als vielmehr darum, dass das Bloggen eine Form des Self-Publishing ist, bei dem man ohne Rücksicht auf Redakteure, Verleger oder Anzeigenkunden so ziemlich schreiben kann, was und wie einem der Schnabel gewachsen ist. Und dann gibt's da draußen Leute, die zutiefst davon überzeugt scheinen, dass man dazu kein Recht hätte; dass es irgendwie grundsätzlich unanständig sei, seine persönlichen Anschauungen derart ungefiltert in die Öffentlichkeit zu tragen. 

Mein Eindruck ist, dieses Phänomen hat eine allgemeine und dann noch mal eine spezielle Seite, soweit es das Bloggen über Kirchenthemen betrifft. Was die allgemeine Seite angeht, hat das sogenannte "Web 2.0" in zuvor ungekanntem Ausmaß die Diskurshoheit der etablierten Medien erschüttert. "Pressefreiheit", schrieb der konservative Publizist Paul Sethe 1965 in einem Leserbrief an den Spiegel, "ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten". Wo kommen wir denn da hin, wenn plötzlich nicht mehr nur 200 reiche Leute die Medien dazu nutzen können, ihre Meinung zu verbreiten, sondern – zumindest theoretisch – jeder?!? 

Wenn ich oben vom "zuvor ungekannten Ausmaß" dieses Umsturzes der etablierten Formen öffentlicher Meinungsbildung sprach, dann heißt das übrigens nicht, dass es so etwas früher überhaupt nicht gegeben hätte. Eine dem Aufkommen des Web 2.0 strukturell durchaus vergleichbare Umwälzung der Medienlandschaft vollzog sich im Bereich der Printmedien im 19. Jh., in Deutschland mit voller Wucht etwa ab den 1860er Jahren, in Frankreich und England schon ein paar Jahrzehnte früher: Ein explosionsartiges Anwachsen des potentiellen Lesepublikums, einerseits bedingt durch die gestiegenen Alphabetisierungsquoten, andererseits durch die Verbilligung von Druckerzeugnissen infolge technischer Neuerungen im Druckereiwesen und in der Papierherstellung, führte zu einem Boom preisgünstiger Druckschriften – wozu Kolportageromane, aber auch Zeitungen und Zeitschriften zählten. Auf dieses "Web 2.0 des 19. Jahrhunderts" habe ich bereits in der 12. Folge der Saga um die eingekerkerte Nonne hingewiesen – und dort kann man auch anhand von Beispielen nachvollziehen, was für einen schlechten Ruf die Leute genossen, die diese Druckschriften "mit viel Unverschämtheit und wenig Geld" produzierten. Die Darstellung des "verkommenen Journalisten" Siglowsky in dem von mir analysierten "Barbara Ubryk"-Roman ist zweifellos klischeehaft überzeichnet (und nebenbei bemerkt scheint es mir recht vielsagend, dass die Zunft der Schmierenjournalisten sogar und gerade in einem Roman, der unstrittigerweise selbst der Schundliteratur angehört, so ausgesprochen negativ beurteilt wird), aber man darf dennoch davon ausgehen, dass diese Schilderung einige Realitätsanteile enthält; so etwa, "daß er theils um das Holz für Heizung zu sparen, theils aus Mangel an einem Redaktionslokale in einem Kaffeehause Warschaus sein Schmutzblatt redigirte". Auch ein Karl May redigierte übrigens, bevor er mit seinen abenteuerlichen "Reiseerzählungen" aus dem Orient und dem Wilden Westen zu Ansehen und Wohlstand gelangte, mehrere kurzlebige Wochenblätter, bei denen er selbst sein wichtigster und oft wohl einziger Mitarbeiter war; und wenn wir schon beim Name-Dropping sind: Noch jemand, der den Presseboom um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu nutzen wusste (und dabei höhere Ziele im Auge hatte als schnöden Mammon), war Adolph Kolping. Ja, wirklich. Einige Jahrgänge der von ihm praktisch im Alleingang herausgebrachten Rheinischen Volksblätter habe ich mir schon vor einiger Zeit als pdf-Downloads besorgt, hatte aber bisher nie die Muße, sie systematisch durchzuarbeiten. Irgendwann kommt es dazu, hoffe ich. 

Und damit bin ich über diesen Exkurs ins 19. Jahrhundert auch schon bei der speziellen Seite des Problems "Bloggen im Raum der Kirche" angekommen. Die katholischen Blogger unserer Tage mögen sich mit ihrer Tätigkeit in der Nachfolge eines Adolph Kolping sehen (oder auch eines Maximilian Kolbe, der mehrere Zeitschriften und einen Radiosender gründete), aber das entspricht nicht unbedingt dem Grad an Wertschätzung, die ihnen seitens der kirchlichen Strukturen, von der lokalen Ebene bis hinauf zur Deutschen Bischofskonferenz zuteil wird. Gerade in Deutschland ist die katholische Kirche in einem solchen Maße durchinstitutionalisiert, dass Eigeninitiative von Einzelpersonen, die zu dem, was sie tun, nicht offiziell beauftragt wurden, als grundsätzlich suspekt gilt; hinzu kommt eine tief verwurzelte Innovationsfeindlichkeit, nicht selten gepaart mit Humorlosigkeit, und das alles zusammengenommen führt dazu, dass die institutionelle Kirche in Deutschland sich mit dem Thema Blogger Relations von jeher eher schwer tut. Pioniere des katholischen Bloggens wie Peter Winnemöller können ein Lied davon singen – bis hin zu der wahren Geschichte von einem ungenannten Bischof, der sich, um sich ein Bild davon zu machen, was es mit diesem Internet auf sich hat, mal von einem Mitarbeiter eine Website ausdrucken ließ. Heute haben natürlich die meisten deutschen Diözesen ihre finanziell teils mehr (z.B. Münster), teils weniger (z.B. Berlin) üppig ausgestatteten Social-Media-Abteilungen, auch einige altehrwürdige Bistumszeitungen (z.B. Kirche + Leben, ebenfalls Münster) sind im Netz präsent, und allen voran gibt es natürlich häretisch.de; dass all diese Formate die Konkurrenz der freischaffenden Blogger nicht besonders schätzen, war hier schon wiederholt Thema und ist ja auch nicht besonders überraschend. So bilden Amtskirche und amtskirchlich subventionierter Online-Journalismus in ihrer Haltung gegenüber den Bloggern leicht eine "Echokammer"; Kardinal Marx' berüchtigtes "Verblödungs"-Bonmot bei einer Pressekonferenz im Jahr 2015 war diesbezüglich zweifellos ein Tiefpunkt, aber kein Einzelfall. Schon 2009 bezeichnete der damalige Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur KNA, Ludwig Ring-Eifel, die katholischen Blogger in einem Gastbeitrag für das Vatican-Magazin als "Freibeuter"; bei genauerem Hinsehen kann man allerdings feststellen, dass das gar nicht ausschließlich negativ gemeint war, und immerhin lieferte es den Anlass für ein cooles T-Shirt-Motiv

Auf lokaler Ebene kommen noch ganz andere Probleme hinzu; das habe ich besonders in meiner Zeit in Tegel zu spüren bekommen, glaube jedoch nicht, dass es sich um Probleme handelt, die für Tegel spezifisch sind. Wo die über den mehr oder weniger regelmäßigen Gottesdienstbesuch hinaus aktive Pfarrgemeinde auf einen harten Kern von einer Handvoll Leute zusammenschrumpft, da entwickelt sich bei dieser Handvoll Leute leicht – mehr oder weniger bewusst – die Vorstellung, die Gemeinde gehöre ihnen und die Belange der Gemeinde seien gewissermaßen Privatangelenheiten, die prinzipiell nicht in die Öffentlichkeit gehören. Deshalb sind die Pfarrbriefe auch oft so langweilig: Themen, die eine etwas kontroversere Form öffentlichen Interesses erregen könnten als mit Fotos gespickte Berichte über das letzte Pfarrfest oder die Seniorenwallfahrt nach Alt-Buchhorst, kommen nicht hinein. Meine Zeit in der Pfarrbriefredaktion des damaligen Pastoralen Raums Reinickendorf-Süd (heute Pfarrei St. Klara) war geprägt von Diskussionen darüber, was so alles angeblich "nicht in den Pfarrbrief gehört"; dazu, dass diese Auffassungsunterschiede im Zuge der Endredaktion für die Frühjahrsausgabe 2021 eskalierten, trugen u.a. zwei Leserbriefe bei, in denen zwei Familien – nicht wir! – sich darüber beklagten, dass der Pfarrer sie bei zwei Messen in St. Rita (an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen oder vielleicht bei der Vorabend- und der Sonntagvormittags-Messe desselben Wochenendes, so genau weiß ich das nicht mehr) praktisch hinausgeworfen habe, weil ihre Kinder zu laut gewesen seien. Der eine der beiden Leserbriefe war in einem so unterwürfigen Tonfall verfasst, dass es schon an das maoistische Prinzip von "Kritik und Selbstkritik" erinnerte; veröffentlicht wurde er trotzdem nicht, und der andere, deutlich weniger demütige natürlich erst recht nicht. Wenn noch etwas gefehlt hätte, mich davon zu überzeugen, dass im Sozialsystem Pfarrei bzw. Pfarrgemeinde eine kritische Gegenöffentlichkeit vonnöten ist, dann wäre es diese Erfahrung gewesen. 

In welchem Maße die Tatsache, dass es in der Tegeler Pfarrgemeinde einen aktiven Blogger gab, als Problem wahrgenommen wurde, bekam ich erst richtig zu spüren, nachdem ich in den Pfarrgemeinderat gewählt worden war. Am Ende der konstituierenden Sitzung ließ der Pfarrer die Bemerkung fallen, er hoffe nicht, dass demnächst alles, was im Pfarrgemeinderat besprochen werde, haarklein in irgendwelchen Blogs nachzulesen sein würde. Man könnte denken, es wäre zielführender gewesen, mich direkt anzusprechen, aber das ist nun mal seine Art zu kommunizieren. Andeutungen dieser Art baut er durchaus auch mal in seine Predigten ein. – Jedenfalls wurde die präventive Beschwerde des Pfarrers über die Verbloggung von Pfarrgemeinderatssitzungen, obwohl es sich dabei lediglich um eine informelle Randbemerkung außerhalb der Tagesordnung handelte, ins Protokoll der Sitzung aufgenommen; was wohl nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken war, dass der Pfarrer dieses Protokoll selbst verfasst hatte. Dort las man unter "Verschiedenes", der Pfarrer weise "ausdrücklich" (wie auch sonst?) darauf hin, dass die Sitzungen des Pfarrgemeinderats "nicht in den Sozialen Medien (Internet-Blogs o.ä.) dargestellt und debattiert werden sollen"; dies habe in der Sitzung "allgemein Zustimmung" gefunden. Sodann folgt noch dirAnkündigung, der Pfarrer werde "seine Mitarbeit im PGR aussetzen [...], wenn dies dennoch geschehen sollte". Ich sag mal: Hashtag #kannstedirnichtausdenken. Zu beachten ist übrigens, dass Pfarrgemeinderatssitzungen in der Regel öffentlich sind, es sei denn, der Ausschluss der Öffentlichkeit wird explizit beantragt und beschlossen. Zu fordern, dass über öffentliche Veranstaltungen nicht öffentlich berichtet werden dürfte, ist offenkundig absurd; somit dokumentiert dieser Vorgang recht deutlich die Auffassung, Blogs und Soziale Netzwerke seien keine legitimen Plattformen der Berichterstattung. – Ich gab mir dennoch Mühe, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, indem ich in der nächsten "Kaffee & Laudes"-Folge auf meinem Blog keine konkreten Inhalte der Sitzung thematisierte, sondern nur allgemeine Eindrücke. War aber auch nicht recht: Vier Tage nach dem Erscheinen des besagten Blogartikels schickte der Pfarrer den Ratsmitgliedern eine Mail des Inhalts, "leider" habe er erfahren müssen, "dass entgegen [s]einer ausdrücklichen Bitte, unsere PGR-Sitzung NICHT in den sozialen Medien zu thematisieren, dieses doch geschehen ist". (Ich frage mich bis heute, wer ihm das eigentlich zugetragen hat, denn er selbst hält es mit Kardinal Marx und "liest sowas gar nicht".) Daher werde er, "wie für diesen Fall angekündigt", an der nächsten Sitzung nicht teilnehmen "und hoffe, dass sich diese Frage klären lässt, damit wir im Gremium wieder gut und vertrauensvoll zusammen arbeiten können". Und wie reagierten darauf die Ratsmitglieder? Legten sie dem Pfarrer nahe, er solle sein Krönchen richten und sich nicht so anstellen? Mitneffen (bzw. -nichten); vielmehr erging man sich in performativer Empörung über den unbotmäßigen Blogger – und berief eine Sondersitzung des Pfarrgemeinderats ein. 

Einziger Tagesordnungspunkt dieser Sondersitzung war es, mir die Selbstverpflichtung abzuringen, fortan nicht mehr über die Sitzungen des Pfarrgemeinderats zu bloggen. Letztlich stand dabei die Drohung im Raum, wenn darüber keine Einigung erzielt werde, müsse dem Erzbistum mitgeteilt werden, dass der Pfarrgemeinderat nicht arbeitsfähig sei. Das wollte ich dann doch nicht verantworten, auch wenn ich aus heutiger Sicht denke, ich hätte es mal ruhig darauf ankommen lassen sollen. Was hätte schlimmstenfalls passieren können? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, und noch ehrlicher gesagt finde ich es im Rückblick schade, dass ich nicht die Gelegenheit genutzt habe, es herauszufinden. – Wie dem auch sei, nach fast zweistündiger Debatte gab ich meine Zustimmung zu einer Erklärung, über deren Wortlaut buchstäblich bis aufs Komma gestritten worden war. 

Im Zuge dieser ätzenden Diskussion wurde mir jedenfalls die Erkenntnis zuteil, dass meine Ratskollegen es irgendwie als unfair empfanden, dass ein Ratsmitglied über eine Plattform verfügte, die es ihm ermöglichte, seine subjektive Sicht auf die Arbeit des Gremiums einer breiteren Öffentlichkeit mitzuteilen. Auf meinen Einwand, jeder Andere habe doch dieselbe Möglichkeit – das sei doch gerade der Punkt beim Bloggen, dass das jeder könne –, hieß es: Wollen wir ja gar nicht. Diese bestechende Logik – was ich nicht will, soll kein anderer dürfen – trifft man zweifellos auch in ganz anderen Lebensbereichen an und ist zu einem gewissen Grad womöglich "typisch deutsch", unterscheidet sich aber immerhin signifikant von der Haltung solcher Leser, die zwar keinen eigenen Blog betreiben, dafür aber die Kommentarfelder der Blogs anderer Leute desto ungenierter als ihre persönliche Plattform nutzen. (Kaum habe ich dies niedergeschrieben, fällt mir auf, dass man das dem Wortlaut nach auch auf einige Leser meines Blogs beziehen könnte, deren häufige und nicht selten umfangreiche Kommentaren ich durchaus schätze und oft als bereichernd empfinde; ich hoffe mal, diese Leute wissen, dass sie nicht gemeint sind.) Ich bekomme es immer wieder mit Leuten zu tun, die zwar einerseits finden, ich hätte kein Recht dazu, zu schreiben, was und wie ich es tue, es andererseits aber als einen Eingriff in ihr Recht auf freie Meinungsäußerung auffassen, wenn man einen ihrer Kommentare nicht freischaltet. Verklagen die eigentlich auch ihre Tageszeitung, wenn die einen Leserbrief nicht abdruckt? Ich bin im Allgemeinen recht großzügig, was das Freischalten von Kommentaren angeht; einschließlich solcher, in denen ich persönlich scharf angegriffen oder beschimpft werde. So wurde ich schon als "Vollhorst", als "verbohrter, engstirniger und bornierter Mensch mit zuviel Zeit" oder auch als "Wichser" tituliert, der "Hass in Gottes Namen" verbreite; unlängst wurde ich auch mal "Macho" genannt – eine Bezeichnung, von der ich eigentlich dachte, sie wäre als Schimpfwort schon lange ungebräuchlich geworden; zumindest denke ich, jene "2nd Wave"-Feministinnen, die den Ausdruck in den 70er und 80er Jahren populär gemacht haben, haben sich darunter etwas anderes vorgestellt als jemanden, der berufliche Ambitionen zurückstellt, um sich der Betreuung seiner Kinder zu widmen, während seine Frau Arbeiten geht. Aber das mal nur am Rande. Mir wurde ein "schizophrener Spagat" zwischen "fundamentalistischen Überzeugungen" und "subkultureller Einbettung" attestiert ("Das ist widerlich! Schon mal dran gedacht, dass es Menschen gibt, die sich von Typen wie dir massivst bedroht fühlen?"); mir wurde unterstellt, ich würde mich "mit offen rechtsextremen Blogs vernetzen, aber ansonsten die Unschuld vom Lande raushängen lassen"; andere Urteile lauteten etwa: "Eure ekelhafte Religion hat euch anscheinend vollkommen das Gehirn weggeätzt"; "einfach nur widerwärtig"; "rechter Schmarrn"; "krude Polemik"; mir wurde nahegelegt, mein "Maul zu halten", da ich "auf der falschen Seite der Geschichte" stünde; mir wurden "Hasstiraden und Wahrheitsverdrehungen" vorgeworfen. All diese Freundlichkeiten sind nach wie vor im Kommentarbereich unter den betreffenden Artikeln auffindbar, mit Ausnahme von einigen, die vom Verfasser selbst gelöscht wurden (darunter einer, in der ich als "Brandbeschleuniger" charakterisiert wurde, der "Latrinengerüchte" verbreite – den vermisse ich ein bisschen). Daraus sollte man nun allerdings nicht den Schluss ziehen, diejenigen Kommentare, die ich nicht freischalte, wären noch schlimmer. Sehr viel eher als bei gegen mich gerichteten Beleidigungen bin ich zum Eingreifen geneigt, wenn Kommentatoren übereinander herfallen; ich unterbinde auch manchmal Diskussionen im Kommentarbereich, die mir zu sehr ausufern, besonders wenn ich finde, dass sie am eigentlichen Thema des Artikels vorbeigehen. Zuweilen schalte ich auch Kommentare deshalb nicht frei, weil ich finde, dass sie nichts Sinnvolles zur Debatte beitragen; machmal aber auch einfach deshalb, weil ich keinen Bock auf sie habe. Auch das ist mein gutes Recht. Das Moderieren von Kommentaren ist ein ganz normaler Bestandteil redaktioneller Arbeit. Ich könnte auf meinem Blog auch gar keine Kommentare zulassen, da hätte sich auch keiner drüber zu beschweren. (Es sei allerdings erwähnt, dass der weit überwiegende Teil der Kommentare, die ich erhalte, wohlwollend ist.) 

Eine weitere bezeichnende Eigenschaft der "Hate-Reader" ist eine unerschütterliche Gewissheit, von den Dingen, über die ich schreibe, mehr zu verstehen als ich. "Wer sich mit dem Thema richtig beschäftigt, sieht das auch so wie ich", sagte mir mal einer, der mir meine Sympathien für die "rechten Pfadfinder" (er meinte die KPE) verübelte. Diese Selbstgewissheit geht zuweilen so weit, dass Leser glauben, mir erklären zu müssen, was ich eigentlich mit meinen Aussagen gemeint hätte. Hier wirken sich vorgefasste Meinungen darüber, was ich für einer sei, erkennbar nachteilig auf die Fähigkeit zum sinnerfassenden Lesen aus. - - - 

Ab und zu sinniere ich darüber, dass es doch schön wäre, wenn diejenigen Leute aus Nordenham, aus Tegel, aus Falkensee oder sonstwoher, die meine Artikel nur grob überfliegen, um nach Äußerungen zu suchen, über die sie sich empören können (oder, siehe Pfarrer B., nicht einmal das tun, sondern sich lediglich von Dritten berichten lassen, was dieser schlimme Blogger schon wieder Schlimmes geschrieben hat), diese Artikel mal im größeren Zusammenhang und mit unvoreingenommenerem Blick läsen. Würde ich sagen "Da könnten sie noch was lernen", klänge das zweifellos ungebührlich arrogant, daher sage ich lieber: Da könnten sie die eine oder andere Überraschung erleben. Arroganz hin oder her, so überzeugt bin ich dann doch von der Qualität meiner Arbeit, dass ich zu behaupten wage, meine Artikel seien zu schade für bloßes Hate-Reading. Indes mache ich mir keine Illusionen darüber, dass auch und gerade diesem Artikel dieses Schicksal nicht erspart bleiben wird... 

Neu hinzugekommenen Lesern möchte ich raten: Lasst Euch nicht verunsichern, kommt erst mal rein, nutzt die Wochenbriefings (bis auf Weiteres jeden Donnerstag um 18 Uhr neu) zur Orientierung, schaut Euch um, genießt die Themenvielfalt. Vielleicht ist etwas für Euch dabei. Vielleicht findet Ihr Manches verwunderlich oder irritierend. Macht Euch nichts draus: Ich glaube, ich habe nicht einen einzigen Leser, der alles gut findet, was ich schreibe. (Vielleicht meine Frau, aber ich glaube, auf volle 100% kommt selbst die nicht.) Es kann natürlich auch sein, dass wir überhaupt nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen; auch das ist nicht unbedingt schlimm, denn es ist ja niemand gezwungen, zu lesen, was ich schreibe. Wer aber so ergrimmt über meinen Blog ist, dass er diesen Ärger nicht für sich behalten kann, der darf seine Beschwerde gern auf einen 10-Euro-Schein schreiben und ihn mir zuschicken... 


15 Kommentare:

  1. Guter Artikel!

    Ich moderiere sehr viel strenger als Du und kann damit gut umgehen. Angefangen habe ich mit der Moderation, als ein wohl leider erheblich gestörter Mensch Nazipropaganda in meinem Kommentarbereich hinterließ. Später kamen Kirchenhasser dazu, einmal gab es eine massive Drohung.
    Manchmal lasse ich Geschwafel zu, aber meistens habe ich dazu keine Lust. Und ganz wenige Katholiken haben es geschafft, durch ihre verbalen Ausfälle gegen alles, was ihnen nicht in allem gehorcht, auf der schwarzen Liste zu landen. Die dürfen nicht mal mehr freundlich kommentieren.

    Den Zensurvorwurf habe ich dafür schon mehrfach gelesen. Da erkläre ich immer wieder: ich bin kein Staat, also kann ich keine Zensur üben. Ich könnte es nicht mal, wenn ich wollte.
    Aber ich kann unterbinden, daß man mir in den Vorgarten pisst.

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  2. Schön, dass Claudia Sperlich mich wenigstens noch als "Katholiken" wahrnimmt und bezeichnet. Gruß von der Schwarzen Liste!

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  3. >>unterscheidet sich aber immerhin signifikant von der Haltung solcher Leser, die zwar keinen eigenen Blog betreiben, dafür aber die Kommentarfelder der Blogs anderer Leute desto ungenierter als ihre persönliche Plattform nutzen.

    Trotz Voreingenommenheit: Das scheint mir auch abseits persönlicher ... die gegenüber "was wir nicht wollen, soll keiner dürfen" die objektiv *bessere* Einstellung zu sein.

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  4. Danke für den Artikel b.t.w., sehr aufschlußreich, ich kommentiere vielleicht noch später (Reihenfolge einhalten^^)...

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  5. "Bloggen im Raum der Kirche" und journalistisches Berichten findet seine Grenze imO dann, wenn es um die Beobachtung von und öffentlichem (kritischem) Bericht über Gottesdienste geht. Verträgt die Intimität der Christusbegegnung etwa bei Feier und Empfang der Eucharistie, bei der Spendung und dem Empfang von Sakramenten und Segnungen den distanzierten Beobachter und Berichterstatter? An diesem Punkt habe ich Claudia Sperlich einmal kritisch hinterfragt, und seitdem bin ich da gesperrt. Sie hat mich nicht verstanden.
    Ein Erlebnis: Mein dörflicher Männergesangverein im Rheinland gestaltete eine Messfeier mit. Als ich andächtig und gesammelt vom Empfang der Kommunion zurückkam zu den Plätzen des Chores, lächelte mich ein nicht katholischer, mir ansonsten sehr sympathischer „Sangesbruder“ freundlich an und sagte: „Hat es geschmeckt?“ Das war wie eine kalte Dusche für mich, ich fand es völlig unangemessen und verletzend. Wir konnten später darüber sprechen, und er verstand den Grund meiner Verstimmung.
    Meine Kontroverse mit Claudia Sperlich war vergleichbar. Ich feierte eine Messfeier in Berlin mit, bei der sie auch anwesend war. Für mich war die Atmosphäre sehr dicht und stimmig, die meisten folgten der Einladung des Priesters, die eucharistische Liturgie im Kreis um den Altar andächtig mitzufeiern. Nach dem Ende der Messe bestand das Angebot zu einem persönlichen Segen, das viele wahrnahmen, die meisten einzeln, einige zu zweit. Bei der Rückkehr von meiner Segnung sah ich, dass Frau Sperlich einen Schreibblock vor sich liegen hatte und sich Notizen machte. Es war genauso schockierend für mich wie damals die Bemerkung meines Sangeskollegen. Später kommentierte sie dann in ihrem Blog den Gottesdienst und – das empfinde ich als besonders übergriffig – schilderte das Verhalten einzelner Segensspender und -empfänger fast abfällig. Es war für mich der Einbruch von etwas Fremdem, eines Außenstehenden in die Intimität einer heiligen Handlung.
    Also meine ernst gemeinte Frage: Wo endet die Pressefreiheit, wenn es um intime Lebensvollzüge wie Segenshandlungen oder der Empfang eines Sakramentes geht? Verträgt die gottesdienstliche Handlung den unbeteiligten, vom gsakramentalen Geschehen distanzierten Beobachter?

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    1. Der jeweilige Blogbetreiber hat HAUSRECHT auf seinem Blog. Kann schreiben was er/sie möchte und kann Kommentare zulassen oder kassieren und auch einzelne Kommentatoren gar sperren, um ggf. langwierige jedoch absehbar unergiebige und gar verletzende Dispute zu vermeiden.

      Das ist hinzunehmen.

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    2. @Gina B.

      Natürlich hat jeder Blogbetreiber Hausrecht und kann tun und lassen was er will. Er muss es auch nicht hinnehmen, dass in seinen Vorgarten gepisst wird, wie es Frau Sperlich so anschaulich geschrieben hat. Ich persönlich schreibe keinen Blog, weil mir der eigene Vorgarten zu wichtig ist um jeden reinzulassen. Allerdings spaziere ich gerne in fremden Wohnzimmern, weil da ja die Türen losstehen. Und das genau tut jeder Blogbetreiber, er macht seinen Vorgarten oder sein Wohnzimmer für die Öffentlichkeit zugänglich. Man will ja etwas mitteilen und gelesen werden. Wenn dann nur die reinlässt, die den Vorgarten oder das Wohnzimmer nicht so schön finden wie man selbst, dann muss man die Zäune wieder hochziehen und die Türen schliessen. Ansonsten verweilt man nur in einer virtuellen Blase. Sozusagen in journalistischen Schrebergärten.

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    3. Egidius, ich habe Sie gesperrt, weil Sie dumm, penetrant und rechthaberisch sind. Bis zu zwei dieser Eigenschaften hätte ich vielleicht noch eine Weile ertragen.

      Daß Sie seitdem auf Tobias ' Blog gegen mich pesten, beweist, daß ich mit meiner Einschätzung recht habe.

      Katholisch sind Sie durch Taufe und Firmung. Daß Sie sich mehr und mehr von der katholischen Kirche entfernen, liegt vielleicht daran, daß Sie sich für klug, belehrend und demütig halten.

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    4. Diesen Blogbeitrag hier („Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus“) empfinde ich als substantiell, er wirft interessante Fragen auf. Daher hatte ich mich, wie ich meine, sachlich und mit einem grundsätzlichen Problem zu Wort gemeldet. An diesem Diskurs könnten Sie, sehr geehrte Frau Sperlich, sich auch beteiligen, hatte ich mir vorgestellt. Mal sehen, ob das noch klappt.
      Die Frage ist, ob ich als gläubiger Katholik bei der Feier der heiligen Messe „unbeteiligt“ als Beobachter teilnehmen kann und mich somit von dem Heilsgeschehen des eucharistischen Opfers, des „Pascha-Mysteriums“ „distanziere“, dem „Denkmal seines Todes und seiner Auferstehung“, das Jesus Christus gestiftet hat als „Sakrament der Güte, als Zeichen der Einheit, als Band der Liebe, als österliches Gastmahl, in dem Christus genossen, der Geist mit Gnade erfüllt und uns ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird“ (Sacrosanctum Concilium 47). Verträgt die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers Christi den Beobachter und Berichterstatter? Ist es möglich, anwesend zu sein, an das Geschehen zu glauben und dennoch (mindestens partiell) „auszusteigen“ und eine andere Rolle einzunehmen als die eines „Circumstans“, eines mitfeiernden Anwesenden?
      Ich selber springe immer wieder mal als Organist ein und empfinde es als spirituelle Herausforderung, allein oben auf einer (manchmal unaufgeräumten) Orgelbühne zu sitzen und andächtig mitzufeiern, wenn ich nicht gerade Lieder begleite und es die zweite oder dritte Messe an einem Wochenende ist.
      Eine vergleichbare Frage ist die, ob die heilige Messe die Übertragung per Fernsehen „verträgt“ und wie es jemandem geht, der im heimischen Wohnzimmer mitfeiern will. Das würde aber jetzt zu weit führen. Ich belasse es bei dem und bin gespannt, wie es weitergeht.

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    5. @Egidius
      Das kann man alles ganz entspannt sehen: Hier werden Ihre Kommentare freigeschaltet anderswo nicht. So what? Ich kommentiere regelmäßig auf so ziemlich allen katholischen Blogs, nur eine(r) will mich nicht mehr hören. Peter van Briel, der Webmaster der "Karl-Leisner-Jugend" und "Gut katholisch" lässt gründsätzlich keine Kommentare unter seine Artikel zu. Well done würd ich mal sagen. Trotzdem lese ich dort regelmäßig mit Gewinn.

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    6. Egidius, gut, eine Antwort noch.

      1. Zum Thema "Darf man über eine öffentliche Messe berichten und darf man liturgische Vergehen beim Namen nennen?" habe ich damals auf meinem Blog unter zwei Artikeln eine längere Diskussion zugelassen. Unter dem Artikel "Nicht von Argumenten abschrecken lassen" hinterließen Sie einen Kommentar. Aufgrund dieses Kommentars entstand der Folgeartikel "Das Prinzip der Pressefreiheit ". Darunter kommentierten Sie sieben Mal. Ich habe Ihre Kommentare beantwortet und Sie nach dem letzten Kommentar entnervt gesperrt.

      Sie vermitteln hier den Eindruck, als hätte ich mich auf keine Diskussion eingelassen. Das ist nachweislich eine Lüge.

      2. Nochmals: Ja, man darf über eine Messe berichten, auch kritisch. Man darf liturgische Vergehen und der katholischen Lehre widersprechende Handlungen und Aussagen benennen. Und man darf auch seinen persönlichen Eindruck schildern.

      3. Was man nicht darf, ist, gegen das 8. Gebot verstoßen. Nicht mal, wenn das gerade praktisch ist und es "sowieso alle machen".

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    7. Gesetzt den Fall, es handelt sich wirklich um "liturgische Vergehen": Nach dem Kirchenrecht ist zu unterscheiden zwischen einer "unerlaubten" und einer "ungültigen" liturgischen Handlung. Ein unerlaubtes liturgisches Element in einer heiligen Messe oder bei einer Segenshandlung macht diese nicht per se ungültig. Das heißt: Bei einer solchen Feier ereignet sich gültig und wirkmächtig das Heilsgeschehen, die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Christi, die fruchtbar ist für jeden, der gläubig und bona fide daran teilnimmt. Wenn also in einer solchen gültigen Messe ein ansonsten gläubiger Katholik sitzt, der die Rolle eines unbeteiligten Beobachters einnimmt und in dem Moment nicht offen ist für das Heil von Gott her, das Jesus Christus für die Feier des Herrenmahles zugesagt hat, ist er ein Fremdkörper. Es ist wie jemand, der einen Eid schwört und hinter dem Rücken die Finger verschränkt, um den Eid subjektiv ungültig zu machen. Bezogen auf die heilige Messe: Durch die subjektive Leugnung eines objektiv gültigen sakramentalen Geschehens beginnt bereits ein Sakrileg.

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    8. Jetzt, Egidius, werden Sie vollkommen boshaft. Aus dem erwähnten Artikel geht hervor, daß ich die Messe nicht als ungültig angesehen habe. Das soll Ihnen gegenüber mein letzter Kommentar sein. Ich habe weder Lust noch Zeit, mit Ihnen weiter zu diskutieren. Wenn Sie beides haben und weiterhin Gehässigkeiten und Lügen über mich verbreiten wollen, nur zu. Nur rechnen Sie nicht mehr mit Antworten und schon gar nicht damit, daß ich aufhöre, Schlechtes schlecht zu nennen.

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    9. Ich möchte hier dann langsam mal den Debattenschluss einläuten...

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  6. Diasporakatholik25. Juli 2023 um 16:18

    Ihre seinerzeit persönlich erlittenen Verletzungen und Kränkungen in der Tegeler Pfarrei durch führende Mitglieder und Repräsentanten derselben kann ich durchaus nachempfinden, Herr Klein.

    Uns ging's ähnlich um das Jahr 2000 mit unserer hiesigen Ortsgemeinde, wo wir uns auch mit einigen führenden Personen u.a. wg Donum vitae überworfen hatten.

    Wir haben ganze 17 Jahre lang die Gemeinde konsequent gemieden und auch die Kirche in dieser Zeit nicht betreten.

    Stattdessen weite Wege von bis zu 40km zu den gebotenen Gottesdiensten, die wir nie versäumt haben , in Kauf genommen.

    Als es meiner Frau dann vor rd 7 Jahren gesundheitlich schlechter ging, habe ich dann mal wieder vorsichtig die Fühler in die Ortsgemeinde ausgestreckt.
    Keine der mit uns im Zwist gelegen habenden Personen war mehr da: Verstorben, versetzt, verzogen etc. ....

    Vordem kam zumindest mir auch immer noch gelegentlich der Rogen hoch, wenn ich an die seinerzeitigen unschönen Ereignisse zurückdachte.

    Ist menschlich verständlich aber nicht unbedingt christlich vorbildhaft.

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