Eine meiner Kernüberzeugungen beim Schreiben für die Öffentlichkeit lautet: Es wäre der Gipfel der Irrelevanz, nur von Leuten gelesen zu werden, die sowieso schon das gleiche denken und meinen wie man selbst. Insofern freue ich mich eigentlich immer, wenn ich Leserreaktionen ernte, die zu erkennen geben, dass die betreffenden Leser meine Ansichten abwegig und/oder sogar empörend finden. Zumindest dann, wenn das nicht die einzigen Leserreaktionen sind – ein bisschen Zustimmung tut einem ja doch ganz gut bzw. ist zuweilen wohl auch notwendig, um sich zu vergewissern, dass man nicht in einer komplett anderen Realität lebt als der Rest der Menschheit.
So gesehen kann ich mit den Reaktionen auf meinen am vergangenen Freitag in der Online-Ausgabe der Tagespost erschienenen Meinungsartikel "Wem gehört das Dreikönigssingen?" im Großen und Ganzen sehr zufrieden sein. Ich hatte durchaus Sorge gehabt, der Text könnte für die Tagespost ein bisschen zu kontrovers sein, aber sie Online-Redaktion teilte derartige Bedenken offenbar nicht. Nun, wie heißt es so schön, Meinungsbeiträge spiegeln nicht unbedingt den Standpunkt der Redaktion wider; und dass der Artikel kontrovers diskutiert wurde, konnte der Redaktion wohl nur recht sein. Dass eine Leserin auf Facebook kommentierte, von der Tagespost hätte sie "anderes erwartet!", freute mich, denn, wie gesagt, das zu schreiben, was die Leut' erwarten, ist halt nicht so mein Ding. Hingegen schrieb ein anderer Facebook-Nutzer zwar "Kleins Kommentar überspannt den Bogen", urteilte im selben Atemzug aber, gerade das sei "TP-Stil!". Dass das Kürzel der Tagespost nicht "TP", sondern "DT" lautet, sei mal nur am Rande bemerkt. Dass der besagte Leser aber hinzufügt "Und die TP erwartet noch, dass man für sie Werbung macht, wenn solche Artikel zu finden sind. Völlig unverständlich!", wirft indes ein bezeichnendes Licht darauf, was er von unabhängigem Journalismus hält, aber das sollte man ihm wahrscheinlich nicht zum Vorwurf machen, man kennt es ja heutzutage kaum noch anders. Man muss wohl auch nicht befürchten, dass mein bescheidener Beitrag die Tagespost die Sympathien eines bislang treuen Lesers gekostet hätte, denn dieser Facebook-Nutzer lässt auch sonst selten ein gutes Haar an dieser Zeitung. Lustig ist indes, wie schnell man in den Augen eines missvergnügten Lesers vom freien Mitarbeiter zum Redakteur aufsteigen kann: "Schade, dass ein TP Redakteur eine Chance vertut, das segensreiche Wirken des Kindermissionswerkes darzustellen", heißt es in dem Facebook-Kommentar weiter. Das liebe ich ja besonders: wenn Kritiker meiner Arbeit nicht inhaltlich auf das eingehen, was ich geschrieben habe, sondern sich darüber beklagen, dass ich nicht stattdessen etwas anderes geschrieben habe. Da möchte ich am liebsten rufen: Mach's doch selber, Pressefreiheit ist für alle da!
Eine letzte allgemeine Bemerkung, ehe ich in die inhaltliche Debatte zur Frage "Wem gehört das Dreikönigssingen?" einsteige: Dass es um die Fähigkeit, die Existenz unterschiedlicher Meinungen zu ertragen, in unserer Gesellschaft gegenwärtig nicht zum Besten steht, zeigt sich ja in vielen Bereichen, am deutlichsten wohl in den Debatten um die Notwendigkeit einer Regulierung Sozialer Netzwerke. Noch bedenklicher erscheint es mir indes, wenn grundsätzlich nicht mehr verstanden wird, dass es einen Unterschied zwischen Fakten und Meinungen gibt: dass man einen Sachverhalt also durchaus als solchen wahrnehmen und ihn trotzdem unterschiedlich beurteilen kann. Dieses Phänomen ist mir in den Reaktionen auf meinen Sternsinger-Kommentar in sehr ausgeprägtem Maße begegnet: Wieder und wieder wurde ich in belehrendem Tonfall auf Sachverhalte hingewiesen, die ich in meinem Artikel selbst erwähnt – und kritisiert – hatte. Ungefähr so:
"Die Aktion Dreikönigssingen des Kindermissionswerks ist seit 2003 urheberrechtlich geschützt!" – "Ja, ich weiß, habe ich auch geschrieben. Finde ich aber nicht in Ordnung." – "Aber es ist nun mal so!" – "Ja, aber ich halte das nicht für richtig." – "Aber es ist nun mal so!"
Die normative Kraft des Faktischen, Brothers and Sisters: die Windmühle für meinen inneren Don Quixote. – Ohne Übertreibung gesagt, Leser: Zu den schärfsten Kritikern meines Artikels, die sich auf der Facebook-Seite der Tagespost zu Wort meldeten, gehörte eine ältere Dame (nennen wir sie mal Isolde), die unter dem Link zum Artikel nicht weniger als dreizehn Kommentare verfasste, in denen sie wieder und wieder (und mit in chronologischer Reihenfolge zunehmender Aggressivität) betonte, beim Dreikönigssingen dürfe "AUSSCHLIESLICH für das Kindermissionswerk" gesammelt werden, alles andere sei Betrug, Missbrauch, Unterschlagung und Zweckentfremdung.
Betrachtet man diese Einlassungen allerdings im Kontext – also konkret gesagt: im Kontext der Kommentare anderer Facebook-Nutzer, auf die Isolde antwortet –, muss man zugeben, dass darin trotz dieser scheinbaren Redundanz durchaus mehrere Aspekte anklingen, die man eigentlich getrennt voneinander problematisieren müsste. Da wäre zunächst der Betrugsvorwurf gegen Leute, die "privat", also ohne offiziellen Auftrag, mit als Heilige Drei Könige verkleideten Kindern um die Häuser ziehen und Spenden sammeln; dann der Umstand, dass das Kindermissionswerk den Anspruch vertritt, andere Institutionen oder Organisationen, auch kirchliche Stellen wie z.B. Pfarreien, seien nicht berechtigt, eigene Sternsingeraktionen mit einem anderen, z.B. lokalen, Spendenzweck zu veranstalten; und schließlich der Aspekt, dass die Spendeneinnahmen der Sternsingeraktion vollständig an das Kindermissionswerk abgeführt werden müssen, also auch nicht teilweise für andere Zwecke verwendet werden dürfen. – Der letztgenannte Punkt scheint mir dabei vergleichsweise am unstrittigsten: Wenn eine Spendenaktion im Namen und Auftrag eines bestimmten Hilfswerks durchgeführt wird, dann hat dieses Hilfswerk auch über die eingenommenen Spenden zu verfügen – soweit, so einleuchtend. Gerade darum erscheint mir der mittlere Punkt aber umso problematischer. Woher nimmt das Kindermissionswerk eigentlich das moralische Recht, das Jahrhunderte alte Brauchtum des Dreikönigssingens für sich allein zu reklamieren? Isolde hat darauf durchaus eine Antwort, die mir allerdings – unabhängig davon, wie überzeugend ich sie insgesamt finde – eher auf den erstgenannten Punkt, das Verbot des "privaten" Sternsingens ohne offiziellen Auftrag, anwendbar scheint, und das war ja, aus aktuellem Anlass, das eigentliche Hauptthema meines Tagespost-Online-Kommentars; daher hebe ich mir diesen Punkt für später auf. Bleiben wir erst mal bei der Frage: Warum sollten Pfarreien – oder meinetwegen auch Vereine, seien sie nun katholisch oder nicht – nicht eigene Sternsingeraktionen durchführen und dabei Spenden für anerkannt gemeinnützige Zwecke einnehmen dürfen? Solange dabei transparent gemacht wird, in wessen Auftrag die jeweiligen Sternsingertruppen unterwegs sind und was der jeweilige Spendenzweck ist – wo liegt das Problem? Indem das Kindermissionswerk dies auf dem Wege des Urheberrechts zu unterbinden sucht, gebärdet es sich wie ein Großkonzern à la Disney oder McDonalds, der mit juristischen Mitteln Jagd auf kleinere und schwächere Mitbewerber macht. Nicht gerade etwas, was ein christliches Hilfswerk in einem positiven Licht dastehen ließe. Erwähnen sollte man in diesem Zusammenhang auch die Bemerkung eines Ständigen Diakons, es sei nicht einzusehen, "warum die Sternsinger in den Pfarren unfreiwillig die linken Sozialprojekte des Kindermissionswerkes unterstützen müssen"; diese scharfe Formulierung brachte ihm viel Widerspruch ein, aber die Frage, was jemand machen soll, der gern von den Sternsingern den Haussegen empfangen, nicht aber die Spendenziele des Kindermissionswerks unterstützen möchte, scheint mir doch nicht ganz unberechtigt. In meinem kurzen Online-Kommentar für die Tagespost habe ich es bewusst vermieden, dieses Fass aufzumachen, aber wer meinen Blog schon länger verfolgt, wird da vielleicht schon mal Kritik an der "doch sehr ungeistlichen, NGO-mäßigen Ausrichtung des Kindermissionswerks" gelesen haben – bzw. daran, dass das Kindermissionswerk sich in der Formulierung ihrer Spendenziele immer weniger von rein weltlichen Hilfsorganisationen unterscheidet (wer das noch nicht gelesen hat, dem empfehle ich insbesondere diesen und diesen Artikel). "Ich habe immer wieder erlebt, dass auch die besuchten Spender diese Projekte nicht fördern wollten und viel lieber den Kindern etwas gegeben haben", merkt der bereits zitierte Diakon an.
Ehe ich mich nun dem eigentlichen Aufregerthema "Betrug durch falsche Sternsinger" zuwende, möchte ich zur Auflockerung noch einen eher heiteren Beitrag zur Debatte auf der Facebook-Seite der Tagespost zitieren; da erinnert sich ein früherer Sternsinger und heutiger (nebenberuflicher) Kirchenmusiker daran, "wie viel Süßkram wir damals beim Sternsingen bekommen haben", und äußert angesichts der hitzigen Debatte die Hoffnung, "dass niemand die 70 Kilo Marzipanbrot von 2006 zurückverlangt..."
Nun aber mal Spaß beiseite und zur Sache: Wie die Katholische Nachrichtenagentur KNA berichtet, soll es in diesem Jahr am Wochenende vor dem Dreikönigstag an mindestens zwei Orten, nämlich in Lüdenscheid und Vechta, Anzeigen gegen "falsche Sternsinger" gegeben haben. In meinem Beitrag für die Tagespost habe ich mich auf den Fall in Vechta konzentriert, über den u.a. auch der NDR und das Nachrichtenportal OM Online ("OM" steht für "Oldenburgisches Münsterland") berichtet haben. Was mich an diesem Fall besonders getriggert hat, ist der Umstand, dass da eine Frau, die in der örtlichen Kirchengemeinde für die Durchführung der "offiziellen" Sternsingeraktion zuständig ist, Anzeige gegen eine Mutter erstattete, die mit ihren beiden Töchtern und einem weiteren Kind auf Sternsingertour ging. Die betreffende Pfarrei äußert sich auf ihrer Website zu den Vorgängen: Eine Sternsingergruppe der Pfarrei sei einer anderen "wie Sternsinger verkleidet[en] Gruppe" begegnet, "die nicht durch unsere Kirchengemeinde legitimiert und ausgestattet unterwegs war"; die Gruppenbegleiterin habe daraufhin "i[n] Absprache mit dem zuständigen Verantwortlichen des Seelsorgeteams" – einem Pastoralreferenten – "die Polizei infomiert". In der Pressemitteilung der Pfarrei wird der Gruppenbegleiterin und dem Pastoralreferenten attestiert, sie hätten "umsichtig, schnell und berechtigterweise reagiert"; zudem wird betont, die "bundesweite Aktion Sternsinger" genieße "gesellschaftlich und auch politisch eine sehr hohe Anerkennung" und habe "quasi [!] auch ein anerkanntes Alleinstellungsmerkmal". Hinterfragen könnte man, wieso die Pfarrei es in diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert findet, dass "nicht nur katholische Kinder und Betreuer, sondern auch Kinder und Betreuer anderer christlicher Konfessionen, anderer Glaubensrichtungen und auch ohne Bekenntnis oder Religionszugehörigkeit" an der Aktion teilnehmen, aber dieses Fass will ich hier nicht auch noch aufmachen. Jedenfalls wird gegen Ende der Pressemitteilung sicherheitshalber nochmals unterstrichen, "die Reaktion unserer Gruppenbegleiterin und des Verantwortlichen des Seelsorgeteams" sei "absolut richtig gewesen"; für die nächste Sternsingeraktion überlege man "schon jetzt, welche Maßnahmen wir zusätzlich ergreifen können, damit die Bürger unserer Stadt noch besser erkennen können, dass die 'richtigen' Sternsinger an der Haustür stehen."
Auch die unermüdliche Leserkommentar-Verfasserin Isolde verteidigt das Handeln der besagten Gruppenbegleiterin mit einer Vehemenz, dass man meinen könnte, sie sei es womöglich selbst gewesen. "JA: die Frau hat eindeutig richtig gehandelt, dass sie die 'falschen Sternsinger' angezeigt hat", schreibt sie; und die Beschuldigte "bekommt – wie immer in solchen Fällen [!] – eine Anzeige wegen Betrug!" Denn: "Nach der Schilderung der beteiligten Personen hat diese Frau ganz bewusst eine echte Sternsinger-Gruppe imitiert – sie lief sogar am gleichen Tag"; na ja, mal ehrlich: Wann soll man denn sonst als Heilige Drei Könige verkleidet um die Häuser ziehen, wenn nicht an dem Wochenende, das dem Dreikönigstag am nächsten liegt? "Es ist unklar für wen sie gesammelt hat....... Das sind starke Anzeichen eines Betrugs!" Äh – nein, eigentlich nicht. Im KNA-Bericht wird sogar ein Polizeisprecher mit der Aussage zitiert, Spenden zu sammeln sei "nicht grundsätzlich verboten"; Betrug liege lediglich dann vor, wenn jemand fälschlicherweise "vorgibt, für einen bestimmten Zweck zu sammeln". – Hier kommt nun natürlich der naheliegende Einwand ins Spiel, wenn Kinder als Heilige Drei Könige kostümiert von Haus zu Haus zögen und Spenden sammelten, dann erweckten sie auch dann den Eindruck, fürs Kindermissionswerk zu sammeln, wenn sie dies nicht explizit behaupteten – einfach weil man es so gewohnt sei, dass es das sei, was Sternsinger tun. Diesen Einwand, der auch in der Leserdiskussion auf der Facebook-Seite der Tagespost ziemlich wortwörtlich vorgebracht wurde, hatte ich allerdings in meinem Artikel bereits vorhergesehen – und darauf erwidert: Ist diese Annahme nicht gerade das Ergebnis des (seit 2003 rechtlich verbrieften, moralisch aber fragwürdigen) Anspruchs des Kindermissionswerks, seine Sternsingeraktion sei die einzig wahre und allein legitime?
Die beeindruckendste Argumentation hierzu hat abermals Isolde zu bieten: Sie meint, "genau wegen solchen Vorkommnissen" – also weil immer wieder Leute, die nicht fürs Kindermissionswerk sammeln, als Sternsinger um die Häuser ziehen – sei dem Kindermissionswerk "nichts anderes übrig" geblieben, "als die Aktion urheberrechtlich schützen zu lassen" – um "Missbrauch" zu verhindern. – Ich muss sagen, die Logik dieser Argumentation klingt für mich mehr als nur ein wenig nach "Wir mussten das Dorf zerstören, um es zu retten", wie man im Vietnamkrieg sagte; oder, um's ein bisschen weniger polemisch auszudrücken: Weil Leute etwas machten, was nicht verboten war, musste man rechtliche Grundlagen dafür schaffen, es verbieten zu können. Wenn das kein Zynismus ist, weiß ich nicht, was es ist.
Übrigens berichtet Isolde, sie habe die Einführung des urheberrechtlichen Schutzes für die Sternsingeraktion des Kindermissionswerks "2003 mitbekommen, weil wir angewiesen wurden, die Pfarreien zu informieren"; da möchte man ja schon gern wissen, auf wen sich dieses "wir" bezieht. Zu dem Kritikpunkt, das Kindermissionswerk monopolisiere ein althergebrachtes, zum Weltkulturerbe gehörendes Brauchtum, erklärte sie, das Hilfswerk habe dieses Brauchtum "zwar [...] übernommen, aber es war ansonsten längst 'eingeschlafen'"; erst durch den Erfolg der Aktion Dreikönigssingen sei es "als 'lukrative Einnahmequelle' wiederentdeckt" worden, und zwar "von den falschen": "[M]it dem ursprünglichen Brauchtum haben diese wenig zu tun!"
Nun, das ist zunächst einmal nur eine Behauptung – die zudem, jedenfalls was die Instrumentalisierung des Dreikönigssingens durch die "Falschen" betrifft, gerade das voraussetzt, was sie begründen sollte: dass nämlich ausschließlich die im Auftrag des Kindermissionswerks herumziehenden Sternsinger die "Richtigen" seien. Angesichts der Tatsache, dass das Brauchtum des Dreikönigssingens in anderen Ländern, in denen es nicht als exklusives Eigentum eines Hilfswerks behandelt wird, noch sehr lebendig ist, habe ich gewisse Zweifel an der Behauptung, in Deutschland sei dieses Brauchtum "längst eingeschlafen" gewesen, ehe es vom Kindermissionswerk wiederbelebt wurde. Wenn es stimmt, gebührt dem Kindermissionswerk allerdings zweifellos Lob und Anerkennung für diese Wiederbelebung; aber diese kulturelle Leistung begründet nach meiner Auffassung keinen Rechtsanspruch darauf, anderen die Ausübung dieses Brauchtums zu verbieten. Ich wiederhole mich gern: Das Sternsingen gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe – und als solches, möchte ich meinen, sollte es Allen gehören.
Ein unerwarteter Nebenkriegsschauplatz wurde derweil in einer Diskussion in einer geschlossenen Facebook-Gruppe aufgemacht: "Wer peinlichst darauf achtet, daß die Kommunion nur von geweihten Händen verteilt wird, sollte sich beim eigenmächtigen Häusersegnen vielleicht auch etwas kritischer verhalten", schrieb da jemand. Zunächst mal verstand ich überhaupt nicht, was damit gemeint sein sollte. Insbesondere, wenn diese Äußerung – wonach es für mich recht deutlich aussah – auf mich persönlich bezogen sein sollte. Verwechselt der mich vielleicht mit jemandem?, dachte ich. Habe ich jemals etwas gegen Kommunionhelfer gesagt? – Äh ja, habe ich tatsächlich: "Der Einsatz von so genannten Kommunionhelferinnen (meist sind es ja Frauen) ist in deutschen Landen zweifellos weit verbreitet, aber mal ehrlich, in den allermeisten Fällen ist er überflüssig und ein Ärgernis", das habe ich anno 2014 geschrieben; und 2016: "Der Einsatz von Kommunionhelfer_innen dient nicht dem geordneten Ablauf der Kommunion, sondern einzig dazu, dem Ego bestimmter Lai_innen zu schmeicheln, die sich in der Kirche gern wichtig fühlen wollen." Würde ich heute vielleicht eher nicht mehr so schreiben, auch wenn ich durchaus immer noch der Meinung bin, so ganz unwahr ist das wohl nicht. Selbst damals habe ich damit aber nicht gemeint, die Kommunion dürfe grundsätzlich "nur von geweihten Händen verteilt" werden; auch daraus, dass ich mich in erheblich jüngerer Zeit dagegen ausgesprochen habe, Messfeiern durch "Wort-Gottes-Feiern mit Kommunionspendung" zu ersetzen, lässt sich eine solche Position nicht ableiten. Aber selbst wenn es so wäre, bliebe immer noch zu fragen: Was soll dieser Whataboutismus? Gehört es nicht zum kleinen Einmaleins des Katholizismus, dass Sakramentalien nicht dasselbe sind wie Sakramente, und sollte es von daher nicht auf der Hand liegen, dass ein erheblicher qualitativer Unterschied zwischen dem Heiligen Messopfer und einer Haus- oder Wohnungstürsegnung durch Sternsinger besteht? – Auf der Facebook-Seite der Tagespost erklärte der Verfasser des oben zitierten Kommentars sich genauer:
"Eigentlich ist es ganz einfach: wenn die Sternsinger einen Auftrag von der Gemeinde haben, sind sie ordnungsgemäß unterwegs. Denn ihre Aufgabe ist es ja nicht nur, Spenden zu sammeln, sondern eigentlich primär, den Segen in die Häuser zu bringen. Und dazu braucht es nunmal den Auftrag, die ich offizielle Aussendung, Segnung der Kreide etc."
Worauf Bloggerkollegin Claudia – die übrigens auch einen eigenen Artikel zur Sternsingerdebatte veröffentlicht hat – erwiderte:
"[K]ann man mit ungeweihter Kreide und den richtigen, in der rechten Intention gesprochenen Worten keinen Segen sprechen und auf die Tür schreiben? Weia."
--- Ich will mal so sagen: Die Auffassung, dass es beim Sternsingen "eigentlich primär" darum gehen sollte, "den Segen in die Häuser zu bringen", ist mir im Grundsatz durchaus sympathisch; und Wert darauf zu legen, dass dabei Kreide u./o. Weihwasser zum Einsatz kommen, die ordnungsgemäß nach den Vorschriften des Benediktionale geweiht wurden, finde ich jetzt auch nicht direkt verkehrt. Aber sollte das nicht gerade ein Grund sein, es kritisch zu sehen, wenn das Kindermissionswerk diese Haussegnungen zum Zweck ihrer jährlichen Spendensammlung monopolisiert? Müsste man es aus dieser Sicht nicht eigentlich befürworten, dass auch andere, vom Kindermissionswerk unabhängige Sternsingergruppen sich bei ihrer örtlichen Pfarrei mit der entsprechenden Ausstattung versehen könnten und dürften?
Alles in allem fand ich, dass dieser Nebenstrang der Debatte am eigentlichen Kern der Sache meilenweit vorbeiging; weshalb ich darauf antwortete:
"Schön wär's ja, wenn es tatsächlich primär darum ginge. Aber gegen die Frau in Vechta wird sicherlich nicht deshalb wegen Betrugs ermittelt, weil sie einen ungültigen Segen gespendet hat."
Worauf mir wiederum die Antwort zuteil wurde:
"[S]ie hat wahrscheinlich gar keinen Segen gespendet. Insofern ist sie nur eine Bettlerin, die sich als Sternsinger verkleidet hat."
Und damit wären wir dann wohl erheblich näher am entscheidenden Dreh- und Angelpunkt der Debatte. "Sternsingen ist dem Ursprung nach Bettelei", stellte mein Stammleser Imrahil in der oben bereits erwähnten geschlossenen Facebook-Gruppe fest – und verwies zur Bekräftigung dieser These auf den Anfang von Otfried Preußlers Roman "Krabat", den auch ich in diesem Zusammenhang wärmstens empfehlen möchte. Daher löse sich, so fügte er hinzu, "der hintergründige Konflikt dieser Debatte [...] ganz einfach auf, sofern wir ersteinmal unsere Haltung zur Bettelei geklärt haben (was wir sowieso tun sollten)". Hintergrund dieser Stellungnahme war der Umstand, dass ein nicht unbedeutender Teil der Debatte sich um das Problem drehte, dass man bei den "falschen Sternsingern" ja nicht wissen könne, wofür sie die eingenommenen Spenden verwenden. In der Debatte auf der Facebook-Seite der Tagespost etwa hatte eine Leserin angemerkt, wenn "die Frau mit den Kindern" das gesammelte Geld "für sich selber" behalten hätte, würde sie "das schon sehr unverschämt finden" (worauf Isolde prompt einwarf "Nicht nur unverschämt, sondern auch strafbar!", so als wäre das grundsätzlich und selbstverständlich noch schlimmer). Bloggerkollegin Claudia erwiderte darauf:
"Wir wissen nicht, für wen sie gesammelt hat. Für irgendein soziales Projekt? Für die kranke Oma oder die Nachbarn, die am Existenzminimum krökeln? Oder für sich selbst, damit sie mal aus eigener Kraft mit einer schönen Aktion anderen eine Freude macht und zugleich das Kindergeld ein bisschen aufstockt? Ich fände das alles in Ordnung."
Noch radikaler äußerte sich meine Liebste in der besagten geschlossenen Gruppe: Wer aus christlicher Motivation heraus, also um Gotteslohn, Almosen gebe, der habe vom Empfänger der Almosen gar keine Rechenschaft über die Verwendung der empfangenen Spende zu fordern; so zu geben, dass "die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut" (vgl. Mt 6,3), bedeute auch, an die Gabe keine Bedingungen zu knüpfen. Dieser Sichtweise wurde heftig widersprochen, und Imrahil nahm es schließlich auf sich, moraltheologisch fundiert das Für und Wider auseinanderzusortieren. Ich will seine Argumentation hier nicht im Ganzen nachzeichnen, da ich finde, dass dies den Rahmen meines Themas sprengen würde; aber ein paar Sätze von Imrahil möchte ich trotzdem zitieren, weil sie mir einfach gut gefallen. Dazu gehört z.B. seine Einschätzung, der Sternsingeraktion des Kindermissionswerks hafte der Geruch einer "seltsame[n] Mischung aus Post-1970er-BDKJ und 1950er-religiösem 'Betteln ist asozial'" an – "denn wenn überhaupt hat man das ja den jugendlichen Trebegängern weggenommen (!), damit es stellvertretend von den Kindern anständiger katholischer Familien ausgeübt werde". Und last not least: "Als Kirche mit dem Knüppel des Freundes Staat gegen Leute vorzugehen, die Geld sammeln, um an andere Leute als an die kirchlich zuständige Adresse zu spenden (oder auch sich selbst ein üppiges Dreikönigsmahl mit Weinbegleitung zu gönnen)", erinnere an das Verhalten "von Leuten, die in ein Haus ziehen und um 22 Uhr die Polizei rufen, wenn in der schon 20 Jahre länger bestehenden Kneipe bei Fußballtoren kurz laut gejubelt wird. Und for the record, das meine ich nicht als Kompliment." Schöner hätt' ich's nicht sagen können.
Mit alledem möchte ich jedoch niemandem ausreden bzw. davon abraten, die "offiziellen" Sternsinger bei sich zu empfangen oder in anderer Form für das Kindermissionswerk zu spenden. Ich zweifle durchaus nicht daran, dass mit den Spendeneinnahmen der alljährlichen Sternsingeraktion viel Gutes getan wird. Und wie ich neulich schon mal erwähnte, hat meine Tochter angekündigt, nächstes Jahr wolle sie bei den Sternsingern mitmachen – unter der Voraussetzung, dass ich als Betreuer bzw. Gruppenbegleiter dabei bin. Wenn sie es sich bis dahin nicht noch einmal anders überlegt, werde ich das wohl machen – obwohl meinem inneren Punk eine "Independent-Sternsingeraktion" zweifellos besser gefallen würde...
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