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Montag, 9. März 2020

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #2 (2. Woche der Fastenzeit)

Was bisher geschah: Die Woche begann denkbar dramatisch, denn ab ca. 2 Uhr in der Nacht von Sonntag auf Montag wurden meine Liebste und ich von unserem fast ununterbrochen weinenden, jammernden oder schreienden Kind auf Trab gehalten, ohne dass wir die Ursache dafür herausfinden konnten. Folglich standen wir am Morgen bei der Kinderarztpraxis unseres Vertrauens auf der Matte, sobald diese öffnete; der Arzt diagnostizierte eine beidseitige eitrige Mittelohrentzündung, schrieb uns Nasentropfen und etwas gegen die Schmerzen auf, und wir gingen wieder nach Hause. Nach der ersten Dosis Schmerzmittel schlief das Kind prompt ein, auch in der nächsten Nacht schlief sie sehr ruhig und lange, und insgesamt war ich freudig überrascht, wie schnell ihr Zustand sich besserte. Allerdings werden erfahrene Eltern mir wahrscheinlich bestätigen können, dass es seine ganz eigenen Tücken hat, wenn ein Kind eigentlich noch krank ist, aber schon fast wieder so vor Energie und Tatendrang strotzt wie im gesunden Zustand. Und das war so ungefähr die Situation während des Großteils der restlichen Woche. 

Was war sonst noch so los? Über die Pfarrgemeinderatssitzung am Montagabend gibt es nicht viel zu sagen, erwähnen möchte ich aber, dass ich mich am Rande der Sitzung recht gut mit der neuen Pastoralreferentin unterhalten habe, die kürzlich ihren Dienst angetreten hat, und durchaus Potential für eine ertragreiche Zusammenarbeit sehe. Nebenbei erfuhr ich, dass es neuerdings in unserer Gemeinde zwei neue Ministranten gibt, nämlich zwei der vier Kinder einer neu zugezogenen Familie -- wenn das mal nicht die Familie ist, von der hier schon ein paarmal die Rede war... 

Am Mittwoch zog ich am frühen Nachmittag - mit meiner Tochter im Kinderwagen - los, um die letzten Einkäufe für das "Dinner mit Gott" am Abend zu erledigen, und kam dabei mit einem jungen Mann ins Gespräch, der derzeit auf der Straße lebt. Er meinte, Gott habe mich ihm geschickt, und ich denke, es gibt Grund zu der Annahme, dass das auch umgekehrt gilt. Erst einmal ging ich mit ihm Kaffee trinken, wobei er sich als ausgesprochen interessanter, ja inspirierender Gesprächspartner erwies; dann verschaffte ich ihm eine Möglichkeit, sich zu waschen, und am Abend kam er auf meine Einladung hin auch mit zur Kreuzwegandacht und zum "Dinner mit Gott". Das "Dinner" war besser besucht als die letzten Male und verlief insgesamt in einer sehr erfreulichen und angeregten Stimmung, die zum Schluss hin allerdings etwas dadurch überschattet wurde, dass keiner der Teilnehmer in der Lage oder willens war, meinem neuen Bekannten einen Schlafplatz anzubieten. Ich selbst konnte es auch nicht, und ich muss auch gestehen, dass ich nicht direkt erfreut war, dass er mich - nachdem ich ihm am Mittwoch meine Handynummer gegeben hatte - in den folgenden Tagen mehrmals täglich anrief. Ab dem vierten Anruf ging ich nicht mehr ran. Dabei war ich mir allerdings ausgesprochen uneins - und bin es im Grunde immer noch -, wie ich mit der Situation umgehen sollte bzw. hätte umgehen sollen. Wenn Gott mir nun einmal, noch dazu pünktlich zur Fastenzeit, diesen Menschen über den Weg schickt, hätte ich da nicht - mit Blick auf Matthäus 25,40 ("Was ihr für einen Meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan") - noch mehr für ihn tun können, sollen oder sogar müssen? Könnte man nicht sagen, meine Hilfsbereitschaft ihm gegenüber sei nur exakt so weit gegangen, wie ich mich gut damit fühlte und sie mir keine besonderen Opfer abverlangte? Andererseits habe ich aber schließlich auch noch andere Verpflichtungen, zu allererst meiner kleinen Familie gegenüber; und muss ich, um dieser Verpflichtung gerecht werden zu können, nicht auch meine eigenen Bedürfnisse und meine eigenen Grenzen im Auge behalten? Ich weiß es nicht, Freunde, ich weiß es wirklich nicht. Wenn Ihr eine Meinung dazu habt, teilt sie mir gerne mit, aber seid bitte nett. 

Insgesamt ist diese ganze Geschichte natürlich auch ein Anlass, zu bedauern, dass unsere Pfarrgemeinde nicht etwas #benOppiger ist. Was ich mir nämlich wünschen würde, wäre eine Pfarrgemeinde, die es nicht nur hinkriegt, jemandem wie diesem jungen Mann ohne viel Brimborium zu Kost und Logis zu verhelfen, sondern ihn im Austausch dafür womöglich als Hausmeister, Gärtner, Kirchenmusiker oder Jugendkatecheten beschäftigt. Ja, ich weiß, das geht nicht; wir sind hier in Deutschland, da gibt es für alles bürokratische Vorschriften. Zu meinem nächsten Geburtstag wünsche ich mir ein T-Shirt mit dem Aufdruck "GEGEN BÜROKRATEN HELFEN NUR TOMATEN". Aber dazu ein andermal mehr.

Als erfreuliche Neuigkeit ist übrigens zu vermelden, dass unser Offenes Büchertauschregal ziemlich gut angenommen wird, seit ein kleiner Beitrag dazu im Pfarrbrief erschienen ist. Zwischenzeitlich war der Bücherbestand in diesem Regal auf weniger als die Hälfte des Anfangsbestands zusammengeschrumpft; am Donnerstag kam ich endlich dazu, das Regal wieder aufzufüllen, und nur zwei Tage später war erneut rund ein Viertel des Regals geleert. Ich füllte es also abermals auf, und der Erfolg ist, dass von den unausgepackt im Flur des Pfarrhaus herumstehenden Bücherkartons nun nur noch einer übrig ist. Ein paar recht interessante Neuzugänge hat das Büchertauschregal auch schon gebracht, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt bin ich recht zufrieden damit, dass das Regal vorrangig den Zweck erfüllt, Bücher loszuwerden. 

Symbolbild: Pieter Bruegel d.Ä., "Kampf zwischen Karneval und Fasten", 1559 (gemeinfrei)

Was ansteht: Heute ist die offizielle Eröffnung des Pastoralen Raums Reinickendorf-Süd: Den Tag über besichtigt Erzbischof Koch die Kirchenstandorte und "Orte kirchlichen Lebens" (allerdings nur kurz, wie man hört), am frühen Abend trifft er sich mit Vertretern der Gremien (ich bin nicht dabei) und zelebriert dann um 19 Uhr eine Heilige Messe in St. Bernhard, gefolgt von einem Empfang für alle interessierten Gemeindemitglieder. Zumindest da werden meine kleine Familie und ich uns wohl sehen lassen müssen -- wenngleich ich zugeben muss, dass ich nur begrenzt Lust darauf habe und auch nicht so recht weiß, was ich mir davon versprechen soll. Na, immerhin gibt's wohl was zu essen. 

Davon abgesehen weist der Terminkalender für diese Woche, soweit ich sehe, keine auffälligen Besonderheiten auf.  Am Freitag nach der Abendmesse findet in einem der Säle unseres Pfarrhauses allerdings eine interessante Veranstaltung unter der Überschrift "Changing Cities" statt; "das klingt baumhausig", war mein erster Gedanke, als ich den Eintrag im Raumbelegungsplan sah, und folgerichtig bemühte ich mich, Genaueres darüber in Erfahrung zu bringen, was es damit auf sich hat. Was ich herausfand, war, dass "Changing Cities" der Name einer Initiative für fahrradfreundliche Verkehrspolitik ist; okay, das passt zu unserem Pfarrer, der selbst ein eifriger Radfahrer ist. Dem Eintrag im Raumplan zufolge ist außerdem  der Reinickendorfer Grünen-Kreisvorsitzende Mathias Adelhoefer Mitveranstalter dieses Termins, der indes weder auf dem Online-Terminkalender von Changing Cities noch in dem der Reinickendorfer Grünen und auch nicht in den Vermeldungen der Pfarrei auftaucht. Ominös, ominös. Vielleicht muss ich da mal "aus Versehen" 'reinschneien. Oder ich verhalte mich wie ein erwachsener Mensch und frage den Pfarrer, ob das eine geschlossene oder  eine offene Veranstaltung ist.

Und für Sonntag hatte uns ein Bekannter nach St. Matthias am Winterfeldtplatz in Schöneberg eingeladen, wo es eine Veranstaltung mit Ivan Dragicevic, einem der Seher von Medjugorje, geben sollte; die fällt nun allerdings aus, wegen des Coronavirus. Kein Scherz. Seher Dragicevic hat seine Reise aus den USA nach Europa abgesagt, da er befürchtet, im Fall der Fälle nicht mehr in die USA zurückkehren zu können. Na ja. Ich stehe dem Gesamtphänomen Medjugorje ja insgesamt sehr skeptisch gegenüber. Ich kenne zwar einige wirklich gute Leute - Leute, die ich sehr schätze, mag und respektiere -, die heftig an die Erscheinungen von Medjugorje glauben, aber --- ich nicht, sorry. Die besagte Veranstaltung hätte mich trotzdem oder auch gerade deswegen interessiert, aber hey: Dann eben nicht. 


Zitat der Woche: 

"Sie erkannte hinter ihrer Kampfbereitschaft die peinigende Furcht der Menschen vor ihrem Verschwinden. Wie fragil ihre Existenz geworden war und wie sehr sie dabei waren, zum seltenen Fossil, zur putzigen Klamotte ihrer eigenen Welt zu werden, vielleicht sogar zum teuren Ausstellungsstück, das bald in gut gelüfteten und wohltemperierten Museen zu bestaunen sein würde."  
(Emma Braslavsky, "Die Nacht war bleich, die Lichter blinken", Berlin 2019, S. 52) 

Linktipps: 
Nicht mehr ganz brandneu, aber ich bin erst kürzlich dazu gekommen, diesen Artikel zu lesen. -- Bloggerkollegin Crescentia neigt in ihren Texten fast noch stärker zur Ausführlichkeit als ich, insofern muss man sich nicht unbedingt wundern, wenn sie im ersten Satz "einen kurzen Rant" ankündigt und dann einen 10.000-Zeichen-Essay folgen lässt. Aber "kurz" ist nun mal relativ, und man kann mit einigem Recht sagen, dass Crescentia sich in ihrer schonungslosen Bilanz der psychosozialen Folgeschäden der sexuellen Revolution insofern relativ kurz gefasst hat, als man zu einigen der darin angesprochenen Aspekte noch sehr viel mehr sagen könnte. Das betrifft nicht zuletzt den schon in der Überschrift angesprochenen kapitalistischen Aspekt: In dem Maße, wie sexuelle Befriedigung als Konsumgut wahrgenommen und behandelt wird, wird sie eben auch der Dynamik des Marktes unterworfen, womit neue Formen sozialer Ungleichheit geschaffen werden. Denn: 
"Die sexuelle Liberalisierung hat natürlich nicht dafür gesorgt, dass Sex gleich verteilt wäre; und [folglich] [...] haben wir [...] Pick-up-artists, die mit Seminaren zur Manipulation von Frauen Geld machen, und Incels, die [...] deren Ratschläge nicht umgesetzt bekommen und keine rumkriegen [...]. Beiden gemeinsam: Ihre fixe Idee, Anspruch auf die Körper anderer Menschen zu haben. Aber das ist eben eine natürliche Folge davon, wenn sich die Einstellung verbreitet, dass jeder Sex brauche und es ohne nicht ginge. Irgendjemand muss den Sex liefern. (Und wenn niemand sonst bereit ist, müssen es dann auch mal rumänische Zwangsprostituierte sein.)"
Na, ist das kurzgefasst oder nicht? Allein darüber, was in diesem einen Absatz komprimiert ist, könnte man ganze Bücher schreiben. (Vielleicht gibt es sogar schon welche, dann würde ich gern mal eins davon lesen.) -- Aber auch darüber hinaus ist dies ein sehr lesenswerter Beitrag -- und ein kraftvolles Plädoyer gegen die aberwitzige Idee, die "Lebenswirklichkeit der Menschen" zum Maßstab für eine vermeintlich "zeitgemäße" Sexualmoral zu erheben.

Eigentlich liegt das Thema Coronavirus auf meiner persönlichen Liste von Nerv-Themen - oder sagen wir: Themen, über die ich in den Medien lieber weniger als mehr lesen würde - in etwa gleichauf mit AfD, DBK, dem "Schismatischen Weg" und den Erschießungsphantasien der Linken, aber in diesem Tagespost-Beitrag beleuchtet mein lieber Kollege Marco Gallina einen Aspekt der grassierenden Seuchenpanik, der mir dann doch beachtenswert erscheint: nämlich den "rein weltliche[n]" Umgang der institutionellen Kirche mit der Krisensituation, insbesondere in den Quarantäne-Regionen Norditaliens. Man orientiere sich an "Statistiken, Verordnungen und Risiken", weshalb sowohl im Erzbistum Mailand als auch im Patriarchat Venedig hat "alle religiösen Dienste ausgesetzt" würden. "Das bedeutet: keine Messen, keine Taufen, keine Firmungen." Zwar müsse man anerkennen, dass "die Kirche in Italien [...] sich kaum gegen Verordnungen der Regionalregierung wehren" könne, infolge derer auch "Schulen, Museen, Theater und Universitäten [...] geschlossen" wurden; dennoch betont Marco: "Die Kirche des Mittelalters und der Frühen Neuzeit hätte anders gehandelt". Er verweist auf Papst Gregor den Großen, der "während der Justinianischen Pestwelle in Rom eine große Messe in Santa Sabina" abhielt ("In seiner Predigt unterstrich er den allgegenwärtigen Tod, ermunterte andererseits dazu, Gott anzuflehen, die Plage von der Stadt zu nehmen. Darauf folgte eine Bittprozession des gesamten römischen Volkes, barfuß und die Häupter in Asche getaucht"), sowie auf den Hl. Karl Borromäus, der Erzbischof von Mailand war, als dort die Pest ausbrach ("Statthalter und Adel flohen aus der Stadt, doch der Erzbischof blieb, weil er den Dienst an den Kranken und Sterbenden für unersetzlich hielt"), und resümiert: "Die passive Rolle, welche die Kirche heute spielt, wäre den damaligen Prälaten unverständlich gewesen."

Der vor knapp einem Jahr im Alter von 90 Jahren verstorbene Jean Vanier, Begründer der geistlichen Gemeinschaft L'Arche, galt als eine der bedeutendsten spirituellen Persönlichkeiten der Gegenwart, und es ist wohl kaum übertrieben, zu sagen, dass er im Ruf der Heiligkeit stand -- bis kürzlich bekannt wurde, dass er seine Position als Leiter von L'Arche für manipulative und missbräuchliche sexuelle Beziehungen zu mindestens sechs Frauen ausgenutzt hat. J.D. Flynn, Kirchenrechtler und Chefredakteur der Catholic News Agency, schildert die Erschütterung, die diese Enthüllungen ausgelöst haben, von einem sehr persönlichen Standpunkt aus: Flynn hatte Vanier so sehr bewundert und verehrt, dass er seinen jüngsten Sohn nach ihm benannt hat. Ein anrührender, bewegender, nachdenklich machender Text.


Ohrwurm der Woche: 

Fischer-Z, "Pretty Paracetamol", 1979 


(Selbsterklärend, oder?) 


Aus der Lesehore: 

"Der Tisch des Herrn ist überreich gedeckt und bietet uns unzählige geistliche Gaben, denen wir uns mit aufrichtigem Herzen und lauterem Gewissen nahen sollen, damit wir zur rechten Zeit Gnade und Erbarmen und Hilfe finden durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus, des eingeborenen Sohnes."  
(Hl. Johannes Chrysostomos, "Der neue Mose") 


7 Kommentare:

  1. Ich würde dem jungen Mann von der Strasse zumindest noch mitteilen, dass Ihre Hilfsbereitschaft Grenzen hat. Daran sehe ich nichts Böses, was z.B. dem Gebot der Nächstenliebe etwas wegnehmen oder hinzufügen könnte. Es war sicher nicht gerade klug, dem jungen Mann die eigene Mobilnummer zu geben. Das würde ich bei der nächsten Gelegenheit nicht mehr machen.

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  2. Ich kann Ihren Konflikt sehr gut verstehen. In solchen Momenten zeigt sich wirklich mal die Radikalität der Botschaft (und Forderungen) Jesu, die in der kirchenpolitischen Debatte so gern zu Argumentationszwecken herangezogen wird. Aber einen Fremden in eine Wohnung mit wenig Platz und einem kleinen, dazu noch gesundheitlich angeschlagenen Kind zu holen, das ist ein großer Schritt, den Sie nicht nur für sich, sondern, wie Sie richtig sagen, auch für Ihre Familie mittreffen. Ihnen ist da meines Erachtens kein Vorwurf zu machen - allerdings auch den anderen Dinner-Teilnehmern nicht, wie ich finde. Sie haben jedenfalls schon sehr viel mehr getan, als ein Großteil derer getan hätten, die sich Christen nennen.

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    1. (... und es gutmöglicherweise auch sind.)

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  3. Diasporakatholik9. März 2020 um 17:34

    Auch ich finde, dass man als Leser Ihres Blogs Ihnen ob der Grenzen Ihrer Hilfsbereitschaft keinen Vorwurf machen sollte.

    Aber es bleibt wahrscheinlich bei Ihnen trotzdem ein persönlich unwohles, ja vielleicht gar schuldartiges, Gefühl - ich kenne das.

    Für falsch hielte ich es, etwa den Teilnehmern des Dinners for God irgendwie vorzuwerfen, dass keiner von ihnen einen Schlafplatz für den obdachlosen Fremden spontan freimachte.

    Was Sie alle allerdings hätten machen können, wäre offen zu Gott zu beten, dass dem jungen Mann baldige Hilfe in seiner Lage zuteil werde.
    Freikirchler machen so etwas - auch z.B. in Gegenwart des Obdachlosen.

    Aber Sie könnten das ja noch jederzeit nachholen und es dem jungen Mann auch vielleicht gelegentlich mal persönlich mitteilen, dass Sie und vielleicht weitere Gemeindemitglieder für ihn beten.

    Ich glaube nämlich, dass Sie das nötige echte Gottvertrauen dafür haben.

    Ansonsten möchte ich Ihnen noch raten und empfehlen, Ihre begrenzte Geduld und Hilfsbereitschaft zu ihm in einer Ihrer nächsten Beichten zu bekennen und vertrauensvoll buchstäblich unter das Kreuz Christi zu legen.
    Ich habe damit sehr gute persönliche Erfahrungen gemacht.

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  4. Ich habe eine kleine, bescheidene Erfahrung damit gemacht, dass ich mal für ein paar Monate mit einer Gruppe von Leuten unterwegs war, die einmal in der Woche abends Obdachlose, Drogenabhängige usw. auf der Straße besuchen gingen, mit denen redeten und ihnen zuhörten. Wichtig waren zwei Dinge: Dass sie das regelmäßig machten und somit zuverlässige Gesprächspartner für die Leute auf der Straße waren und dass man unter keinen Umständen private Kontaktdaten hergab. Wenn jemand Hilfe gebraucht hat um z.B. eine Wohnung zu finden, hat man versucht, ihn an entsprechende Hilfsorganisationen zu vermitteln, die sich mit solchen Fällen auskennen. Fazit: Man war für diese Leute da, aber man konnte sich auch wieder von ihnen zurückziehen. Es war auch ganz wichtig, diesen teilweise psychisch Kranken (die eigenen persönlichen) Grenzen aufzuzeigen, gerade weil sie mit dem Thema Grenzen oft Schwierigkeiten hatten.
    Also denke ich: Es ist super wenn du mit diesem jungen Mann Kontakt hattest! Ihn in dein Privatleben aufzunehmen ist nicht nötig und es ist sogar wichtig, dass du dich abgrenzt. Und gerade so hast du die Möglichkeit, ihm oder anderen solchen Menschen Gottes (und deine) Zuwendung zu zeigen. Wie du ja (vermutlich) andere neue Bekannte auch nicht sofort bei dir zu Hause aufnimmst, sondern der Beziehung gesunde Grenzen gibst.

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  5. Ich denke die Erfahrung mit dem junge Mann ist eine wichtige Lektion, gerade auf dem Weg zur BenOp und damit der Entweltlichung der Kirche.
    Viel Kritik an der Kirche entzündet sich daran, was ihre Mitglieder bei dem Versuch gut zu sein, im Laufe der Jahrtausende, alles so falsch, grottenfalsch gemacht haben. Und diese Kritik ist nicht einfach nur unfair, nein ich habe mir schon oft überlegt ob der olle Goethe mit seinem "Teil der Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" nicht unrecht gehabt hat und er statt dessen den Mephistoteles sich hätte vorstellen lassen sollen mit "Ich bin ein Teil von jener Kraft die die Menschen dazu anstachelt das Gute zu wollen und dabei das Böse zu schaffen!"
    Fakt ist Helfen ist längst nicht so einfach, wie Fromme und Unfromme das in ihren Narrativen so meinen.
    Von daher denke ich schon, dass der merkwürdige Prophet recht hat der liebe Gott hat dich zu ihm geführt.

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  6. Chesterton hat in Das Wunder von Moon Crecsent das Problem des Helfenwollenden der beim Helfen mehr kaputt macht als gut, trotz bester Absicht und bestem Vermögen gut beschreiben.
    Es geht hat eine kluge Frau mal zu mir gesagt im Allerletzten immer um Liebe und vielleicht ist es durchaus wichtig für die BenOp sich einzugestehen, was man alles nicht kann, nicht können kann und aus diese Demut dann heraus, wird man mehr können als man meint.
    Schlussendlich denke ich,dass die Fokussirung der Kirchen auf das Soziale verkehrt war, nicht weil das soziale Tun verkehrt sei, nein das ganz und gar nicht, sondern weil soziale Tun nicht das Kerngeschäft ist, sondern nur Folge, wie es Folge jeder halbwegs könnenden (vermögenden) Gemeinschaft ist.
    Mein gute Rat halte soviel Distanz wie ihr, als Familie, braucht und soviel Freundschaft zu dem Mann wie das zulässt.

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