Schnallt euch an, Leser: Das neue Wochenbriefing hat es in sich! Obwohl ich – v.a. bedingt durch eine grippeartige Erkältungskrankheit, die mich um die Mitte der Woche herum für ein paar Tage weitgehend außer Gefecht setzte – eigentlich nur am Sonntag und am Montag voll im Einsatz war, hat sich in der zurückliegenden Woche eine solche Menge an "Stoff zum Bloggen" angesammelt, dass ich das gar nicht alles in einem Wochenbriefing unterbringen konnte – sodass ich mich im Prozess des Schreibens dazu entschließen musste, mehrere geplante Unterkapitel aus dieser Creative Minority Report-Folge auszugliedern und zu eigenständigen Artikeln umzugestalten, die ich in den nächsten Tagen erst mal auf Patreon und dann mit dem üblichen zeitlichen Abstand auch hier veröffentlichen werde. Auch ohne diese Extra-Themen bleibt noch mehr als genug zu berichten und zu reflektieren, daher spare ich mir mal weitere Vorbemerkungen!
Ich weiß, dieses Vorschaubild hatte ich schon ein paarmal. Aber es passt halt immer wieder gut, wie man noch sehen wird. |
Was bisher geschah
Zunächst muss ich leider zu Protokoll geben, dass wir es am vergangenen Samstag nicht ins Baumhaus geschafft haben; verantwortlich dafür war eine Verkettung ungünstiger Umstände, allerdings glaube ich, ich hätte entschiedener darauf gedrängt, dass wir da hingehen (oder schlimmstenfalls ich alleine), wenn ich mir die Veranstaltungsankündigung auf Facebook im Vorfeld gründlicher durchgelesen hätte. Aus dieser ging nämlich u.a. hervor, dass an diesem Abend das Projekt einer lokalen Gemeinschaftszeitung mit dem doppelsinnigen Arbeitstitel "Wedding Affairs" vorgestellt werden sollte, und das hätte mich ja nun doch sehr interessiert. Aber okay, es wird ja wohl möglich sein, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt etwas über dieses Projekt in Erfahrung zu bringen. – Am Sonntag stand ja vormittags die Kinovorstellung an, zu der unser Jüngster Freikarten gewonnen hatte; theoretisch wäre vorher noch Zeit gewesen, mit der ganzen Familie in St. Stephanus Haselhorst in die Messe zu gehen, aber das wurde dadurch erschwert, dass wir zwei Schulfreundinnen unserer Großen ins Kino mitnehmen wollten und uns noch mit deren Eltern koordinieren mussten. Also dachte ich mir, dann gehe ich eben alleine und quasi stellvertretend für die ganze Familie in die Messe. Aus Gründen, auf die ich weiter unten noch eingehen werde, entschied ich mich jedoch spontan, in St. Bernhard Tegel-Süd statt in St. Stephanus Haselhorst in die Messe zu gehen. Darauf, ob das eine gute Entscheidung war, werde ich unter der Überschrift "Die Havel ist nicht der Jordan, aber..." näher eingehen; ich vermute mal, dieser Titel lässt schon erahnen, wie das Urteil ausfallen wird. –
Nach der Messe ging es, wie erwähnt, mit der Familie plus Freunden ins Kino: "Schule der magischen Tiere 3". Die Filmhandlung verbindet Motive des 3. und des 4. Bandes von Margit Auers erfolgreicher Buchreihe miteinander; ich glaube, man kann sagen, er geht noch erheblich freier mit der Vorlage um als die ersten beiden Filme, aber das tut ihm in dramaturgischer Hinsicht ausgesprochen gut. Im Ganzen gefiel mir der Film deutlich besser, als ich es erwartet hätte, aber eine detaillierte Rezension kann und will ich an dieser Stelle nicht leisten.
Am Abend ging ich dann mit Zagen und Bangen zum Themengottesdienst "Luftpumpe – Wärmepumpe – Heiliger Geist" in Herz Jesu Tegel – um halb erleichtert, halb enttäuscht festzustellen, dass dieser nicht annähernd so bizarr war, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Man könnte auch sagen, das eigentlich Bizarre an ihm war, dass er sich gar nicht so sehr von den "normalen" Sonntagsmessen des dortigen Pfarrers unterschied. Für einen eigenständigen Blogartikel reicht das nicht, aber einen Abschnitt dieses Wochenbriefings will ich dem Luftpumpengottesdienst dann doch widmen.
Am Montag wurden bei uns im Haus die Gasthermen gewartet, und ich befürchtete schon, ich würde dadurch Schwierigkeiten bekommen, das Tochterkind zur üblichen Zeit zur Schule zu bringen; aber tatsächlich lief alles ganz unkompliziert ab. Anschließend fragte mich mein Jüngster, ob wir einen Ausflug machen könnten; ich entgegnete, wir hätten gar nicht so viel Zeit – am Nachmittag sollte nämlich "Omatag" sein –, aber er insistierte: "Einen kleinen?" Was wir daraufhin tatsächlich unternahmen, ist unter "Wenn der Vater mit dem Sohne" nachzulesen. Gegen Abend fühlte ich mich plötzlich irgendwie unwohl; genauer gesagt hatte ich das Gefühl, dass ein grippaler Infekt oder etwas in der Größenordnung im Anmarsch war. Meine Kolumne für die diesmal erst am Freitag erscheinende neue Tagespost-Ausgabe bekam ich trotzdem noch rechtzeitig zum Redaktionsschluss fertig, und ich schaffte es auch, am folgenden Tag das Tochterkind zur Schule zu bringen und wieder abzuholen. Dazwischen hing ich ziemlich in den Seilen. Am Mittwoch fühlte ich mich schon wieder gut genug, um am Nachmittag zum JAM mitzukommen, zumal ich mir sagte, ich würde ja wohl übers lange Wochenende noch genug Zeit haben, mich auszukurieren. Um nach dem JAM noch zur Gemeinde auf dem Weg zu einem Vortrag über Sexualaufklärung zu gehen, was ich eigentlich gern getan hätte, war ich dann aber doch noch nicht fit genug.
Am Donnerstag war bei uns zu Hause erst mal Tag des Deutschen Ausschlafens; nach einem entspannten Frühstück beschäftigte sich das Tochterkind erst einmal mit den Info-Materialien für Kinder, die ich vom Marsch für das Leben mitgebracht hatte (das ist eins der Themen, die ich – unter dem Titel "Grüß Gott, Xaver Wuschelkowsky" – außerhalb dieses Wochenbriefings werde behandeln müssen), dann sahen wir uns auf dem Rechner "Alles steht Kopf 2" an. Auch dazu kann und will ich hier keine vollständige Rezension liefern, aber so viel will ich doch sagen: Den ersten Teil fand (und finde) ich so brillant, dass ich die Befürchtung hatte, die Fortsetzung könne im Vergleich dazu eigentlich nur enttäuschend ausfallen. Das ist aber tatsächlich ganz und gar nicht der Fall. Seht euch den Film an, Freunde. Mit euren Kindern, wenn ihr welche habt; aber wenn ihr keine habt, seht ihn euch trotzdem an. (Es ist allerdings sehr empfehlenswert, den ersten Teil zuerst zu schauen.)
Was ansteht
Die Havel ist nicht der Jordan, aber...
Aus oben bereits skizzierten Gründen sah ich mich am Sonntagmorgen vor die Aufgabe gestellt, allein in die Messe zu gehen und möglichst gegen 11 Uhr zurück zu sein. Kurzzeitig spielte ich mit dem Gedanken, dann könnte ich ja eigentlich auch gleich in Herz Jesu Tegel in den garstig-grausigen Themengottesdienst gehen, über den ich ja sowieso bloggen wollte (s.u.). Dann dachte ich mir aber, wenn ich das täte, hätte ich im weiteren Verlauf des Tages wohl keine Gelegenheit mehr, in eine anständige Messe zu gehen, und überhaupt sollte ich mir diesen Themengottesdienst wohl besser nicht ohne vorherige geistliche Stärkung antun. Ich machte mich also auf den Weg nach Haselhorst, aber als ich im Bus dorthin den aus Nigeria stammenden Pfarrvikar der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd sah, den ich ja sehr schätze und mag, und folgerte, dass der wohl auf dem Weg nach St. Bernhard in Tegel-Süd sei, um dort die Messe zu halten, sagte ich mir: Dann kann ich eigentlich auch ruhig nach St. Bernhard gehen, das liegt so etwa auf halbem Wege und dann bin ich auch umso schneller wieder zurück.
Ich sag mal, allein für diesen Lichteffekt über der Kreuzigungsgruppe hat sich der Trip schon gelohnt. |
Obwohl die Kirche St. Bernhard ziemlich nah an meinem Zuhause liegt, gehört sie unter den sieben Kirchen der Pfarrei St. Klara zu denen, in denen ich bisher am seltensten war, und folglich hatte ich auch keine klare Vorstellung davon, wie die Gemeinde da so ist. Zunächst einmal fiel mir auf, wie leer die Kirche war: Grob überschlagen waren wohl 40, maximal 50 Leute da – ob das für eine normale Sonntagsmesse viel oder wenig ist, mag eine Frage des Erwartungshorizonts sein, aber in einer Kirche, in deren Bänken bequem 250, etwas weniger bequem wohl auch 300 Personen Platz hätten, macht das doch einen etwas traurigen Eindruck. Andererseits gehörten zu dieser überschaubaren Schar von Gottesdienstbesuchern mindestens fünf Kinder, was dann ja doch eine ganz gute Quote war.
Die Lesungstexte dieses Sonntags – 1. Lesung: Numeri 11,25-29 (der Geist Gottes kommt über die 70 Ältesten), 2. Lesung: Jakobus 5,1-6 (Warnung an die hartherzigen Reichen), Evangelium: Markus 9,38-48 (der fremde Wundertäter/Warnung vor der Verführung zum Bösen) – fand ich ausgesprochen interessant, und gerade die auffällige Korrespondenz zwischen der 1. Lesung und dem ersten Teil des Evangeliums (bis V. 41) schien mir exzellente Voraussetzungen für eine spannende Predigt zu bieten. Gerade mit dem Ausspruch Moses aus Numeri 11,29, "Wenn nur das ganze Volk des HERRN zu Propheten würde, wenn nur der HERR seinen Geist auf sie alle legte!", kann ich – "als #BenOpper sowie als jemand, an dem schon gelegentlich mal ein Charismatiker vorbeigelaufen ist", um eine neulich schon mal verwendete Formulierung wieder aufzugreifen – so allerlei anfangen; sollte ich darüber predigen, würde ich wohl einen Bezug zur 9. These des "Mission Manifests" herstellen, in der es heißt:
"Nirgendwo steht, dass die Mission, die Jesus uns gegeben hat, sich auf Spezialisten, professionelle Verkündiger, Theologen, Kleriker oder Mitglieder von Ordensgemeinschaften beschränkt. Missionarisch zu sein ist der Auftrag Christi an alle Getauften. [...] Mission ist jederzeit und überall. Sie ist die große, oft vergessene Querschnittsaufgabe aller Christen in allen Ländern und Kulturen."
Von einer Predigt im Rahmen einer Sonntagsmesse in der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd erwartete ich indes, bei aller persönlichen Wertschätzung für den zelebrierenden Pfarrvikar, durchaus keine besonders charismatische und/oder auf Neuevangelisierung ausgerichtete "Message"; trotzdem fand ich die Predigt, die ich dann tatsächlich zu hören bekam, enttäuschend. Praktisch vom ersten Satz an war ich annähernd sicher, dass der Pfarrvikar diese Predigt nicht selbst verfasst, sondern eher im Internet gefunden hat; das habe ich bei ihm schon öfter erlebt, über die Gründe kann man nur spekulieren – dazu vielleicht weiter unten noch etwas mehr. Im vorliegenden Fall kam ich mit ein bisschen Recherche dahinter, dass der Text der Predigt aus mindestens zwei verschiedenen Quellen zusammenmontiert war: Einige Sätze waren wortwörtlich den Auslegungshilfen des Katholischen Bibelwerks e.V. entnommen, umfangreichere Passagen stammen aus einer online veröffentlichten Predigt von P. Pius Kirchgessner OFMCap mit dem Titel "Gottes Heil kennt keine Grenzen". Nun würde ich ja an sich gern annehmen, was ein Kapuzinerpater mit dem Ordensnamen Pius predigt, könne so verkehrt nicht sein, aber diese Annahme erweist sich im vorliegenden Fall als trügerisch. – Vor knapp eineinhalb Jahren schrieb ich in meinem Artikel "Der Geist und die Synodalen" (der übrigens, wie ich finde, bis heute nicht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die er verdient) über den Unterschied "zwischen Leuten, die buchstäblich an das Wirken des Heiligen Geistes glauben, und solchen, für die das nur eine bildhafte Umschreibung für eine 'Modernisierung der Kirche von der Basis her' ist"; und das beschreibt ziemlich genau den Unterschied zwischen einer Predigt zu Numeri 11,25-29 und Markus 9,38-41, wie ich sie mir vorgestellt oder gewünscht hätte, und derjenigen von P. Kirchgessner.
Am deutlichsten wird das allerdings an einigen Stellen, die der Pfarrvikar nicht in seine Predigt in St. Bernhard Tegel-Süd übernahm; in besonderem Maße gilt das für eine Passage, in der P. Kirchgessner darüber spricht, was er an dieser 1. Lesung und diesem Evangelium "äußerst brisant und ganz aktuell" findet: "Wer hat das Charisma dazu, eine Gemeinde zu leiten? Etwa auch Pastoral- und Gemeindereferenten, die das von Amts wegen gar nicht dürfen?" – "Wer ist würdig, die Kommunion zu empfangen? Etwa auch wiederverheiratete Geschiedene, die das Kirchenrecht klipp und klar davon ausschließt?" – "Wer darf die Priesterweihe empfange? Etwa nur Männer, die den Zölibat versprechen? Oder grundsätzlich nur Männer? Oder vielleicht nicht doch auch Frauen, die sich von Gott dazu berufen fühlen [sic!]?" – Ich frage mich bei sowas ja immer, was eigentlich Leute reitet, die Autorität, die die Kirche ihnen verliehen hat – eine andere haben sie schließlich nicht – dazu zu benutzen, genau diese Autorität in Zweifel zu ziehen. Bezeichnend und irgendwie beruhigend ist es jedenfalls, dass der Pfarrvikar genau diese Stellen wegließ.
Was übrig blieb, war eine Predigt, mit der es mir so ging, wie es mir mit mittelmäßigen Predigten in landläufigen volkskirchlichen Gemeinden häufig geht: Wenn man sie gewissermaßen von einem Standpunkt der "Hermeneutik der Kontinuität" liest bzw. anhört, d.h. wenn man voraussetzt, sie seien rechtgläubig gemeint, dann kann man vieles daran gut und richtig finden, manches vielleicht als herausfordernd empfinden, aber durchaus auf eine positive, anregende Art; es bleiben aber einzelne Passagen, einzelne Formulierungen, die einem irgendwie sauer aufstoßen, und wenn man es sich doch mal erlaubt, an der Rechtgläubigkeit des Verfassers zu zweifeln, dann erscheinen diese Stellen wie "dogwhistles" in Richtung eines postchristlich-undogmatischen Universalismus (um einmal nicht "Moralistisch-Therapeutischer Deismus" zu sagen). Dass der Pfarrvikar zwar die ausdrücklich gegen das Lehramt der Kirche und das geltende Kirchenrecht gerichteten Passagen seiner Vorlage weggelassen, die "dogwhistles" aber beibehalten hat, wirft natürlich Fragen auf. Dass er sie nicht als solche erkannt haben sollte, möchte ich bei einem promovierten Theologen, der seit 40 Jahren Priester ist und im Übrigen fünf Sprachen beherrscht, eigentlich nicht annehmen. Für wahrscheinlicher halte ich es, dass er auf diese Weise versucht, in der aktuellen innerkirchlichen Konfliktlage (Stichwort: "schmutziges Schisma") einen Mittelweg zu finden. Schließlich muss er – wie zu einem gewissen Grad jeder in der Pfarrseelsorge tätige Geistliche – auf die Befindlichkeiten der Gemeinde Rücksicht nehmen; Fallbeispiele dafür, was passiert, wenn einer das nicht oder nicht in ausreichendem Maße tut, kennt man ja, und tatsächlich hat es offenbar in einem anderen Gemeindeteil der Pfarrei St. Klara bereits Beschwerden über diesen Pfarrvikar gegeben: Aus einem unlängst per Aushang veröffentlichten Gemeinderatsprotokoll geht hervor, es habe deswegen ein "Gespräch" gegeben; über Inhalt und Ergebnis dieses Gesprächs erfährt man da indes nichts. Es liegt auch einigermaßen auf der Hand, dass der Pfarrvikar von seinem vorgesetzten Pfarrer keinen Rückhalt zu erwarten hat: Soviel ich weiß, konnten diese beiden noch nie sonderlich gut miteinander.
So betrüblich das alles ist, ist es doch zugleich ein Anlass, sich daran zu erinnern, dass auch und gerade Priester, um nicht vom richtigen Weg abzukommen, geistliche Begleitung brauchen – und unser Gebet.
Ein paar Beobachtungen aus dieser Sonntagsmesse in St. Bernhard, die für mein Empfinden recht deutlich machen, woher dort der Wind weht, möchte ich noch festhalten: Schon in der Kyrie-Litanei hieß es "Herr Jesus Christus, du Heilsangebot Gottes", und schon da dachte ich: Wo bin ich hier denn hingeraten? Und die Fürbitten waren durchweg von der Art, die ich gern als "Herr, lass uns"-Fürbitten bezeichne und über die ich mich ohne Ende aufregen könnte. Ich meine damit Fürbitten, die offenkundig eigentlich als moralische (und oft, wenn nicht sogar meistens, "politisch-moralische") Appelle an die Gemeinde zu verstehen sind und also nur pro forma so formuliert sind, als wären sie an Gott gerichtet. Auf mich macht diese Praxis, unabhängig vom konkreten Inhalt der jeweiligen Bitten, immer den Eindruck, wer so etwas formuliert, könne Gott ja wohl kaum richtig ernst nehmen.
"Mit dem Mikrofon stimmt was nicht." – "Und mit deinem Geiste."
Der Witz ist bekannt, oder? Ein Priester sagt bei der Begrüßung der Gemeinde am Beginn des Gottesdienstes "Mit dem Mikrofon stimmt was nicht" und die Gemeinde antwortet gewohnheitsmäßig "Und mit deinem Geiste"? – Ich hätte es nicht gewagt, diesen Witz auf den Themengottesdienst "Luftpumpe – Wärmepumpe – Heiliger Geist" in Tegel am vergangenen Sonntag zu beziehen, wenn der Pfarrer es nicht selbst getan hätte. Genauer gesagt, er versuchte diesen Witz bei der Eröffnung des Gottesdienstes nachzuspielen, aber die Gemeinde spielte den ihr zugedachten Part nicht. Das war, gelinde gesagt, nicht das einzige, was am Konzept dieses Gottesdienstes nicht funktionierte.
Zumächst mal – ich deutete es oben bereits an – hatte ich mir unter diesem Themengottesdienst etwas viel Spektakuläreres und Bizarreres vorgestellt, so etwas wie ein Gastspiel von Absolventen des Teilhard-de-Chardin-Instituts für experimentelle Pastoralphysik vielleicht. Dass es sich in Wirklichkeit um eine im Großen und Ganzen ziemlich normale Messe handelte, in der sich lediglich in den Begrüßungsworten, dem Tagesgebet, der Predigt und den Fürbitten ein gemeinsamer thematischer Schwerpunkt feststellen ließ (danach ging ich nach Hause, um Abendessen zu kochen, daher kann ich über den weiteren Verlauf der Messe nichts sagen), ließ mir – um mal metaphorisch am Thema des Gottesdienstes dranzubleiben – ziemlich die Luft raus. Erst mal drängte sich mir da der Gedanke auf, es sei schon sehr bezeichnend, dass der Pfarrer von St. Klara, wenn er mal meint, einen originellen Einfall für eine Predigt gefunden zu haben, das dann gleich zum "Themengottesdienst" deklariert und mit bunten Plakaten bewirbt. Aber ganz so war es wohl doch nicht: Wie der Pfarrer gegen Ende der Predigt verriet, sollte es im Anschluss an die Messe im Pfarrsaal eine Einführung in die Funktion einer Wärmepumpe geben – allerdings "keine Verkaufsveranstaltung", wie er sicherheitshalber hinzufügte. – Möglicherweise war das also der eigentliche Ausgangspunkt für die ganze Themengottesdienst-Idee: dass der Pfarrer beim Klimaschutzstammtisch Reinickendorf oder weiß ich wo ein paar Leute kennengelernt hat, die die Idee an ihn herangetragen haben, in der Kirchengemeinde eine Wärmepumpen-Präsentation zu veranstalten, und er hat sich daraufhin gedacht, machen wir doch einen Themengottesdienst dazu. Da möchte man dann ja doch fast dankbar sein, dass die Wärmepumpen-Vorführung nicht direkt in der Heiligen Messe stattfand.
Schauen wir uns also mal die Predigt an: Die begann damit, dass der Pfarrer ohne Vorwarnung eine Szene aus der TV-Comedy-Show "Switch Reloaded" nachzuspielen versuchte – nämlich eine Szene, in der dem bekannten Wissenschaftsjournalisten Joachim Bublath die Aussage in den Mund gelegt wird, "gottlose Atheisten" würden behaupten, die Welt sei durch einen Urknall entstanden, dabei wisse man doch, "dass unser Herrgott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat". Zu Recht merkte der Pfarrer dazu an, tatsächlich stamme die Urknalltheorie ja gar nicht von "gottlosen Atheisten", sondern im Gegenteil von einem katholischen Priester. Was ja als "Fun Fact" für Kneipendiskussionen durchaus ganz interessant ist und manch einem Hörer der Predigt vielleicht tatsächlich neu war; aber damit war dann auch schon fast ein Drittel der Predigt rum, und man fragte sich: So what? (Nicht genug übrigens, dass der Pfarrer den Aufhänger zu seiner Predigt einer TV-Comedy-Show verdankte: Im Zusammenhang mit dem Stichwort "Urknall" ließ er auch noch eine Randbemerkung zu der Serie "The Big Bang Theory" fallen – da gehe es um "zwei verpeilte Physiker, die sich nun irgendwie in der Welt zurechtfinden mussten" –, und ich dachte mir: Der Typ guckt eindeutig zu viel Fernsehen. Man kann von Glück sagen, dass er, als er am Ende seiner Predigt Werner Heisenberg zitierte, nicht auch noch auf "Breaking Bad" zu sprechen kam...)
– Aber worauf wollte der Pfarrer mit diesem einleitenden Bublath-Sketch denn nun eigentlich hinaus? Auf eine Distanzierung vom Kreationismus? Nun ja, wohl nicht speziell darauf, aber in einem breiteren Sinne auf die Vereinbarkeit von Glaube und Naturwissenschaft. Wobei ich mich frage: Ist das ein Problem, das heutzutage irgendjemand wirklich hat? Nun ja, vielleicht insofern, als "die Wissenschaft" heutzutage für viele Leute selbst so etwas wie eine Religion ist, wie man an Aussagen wie "Ich glaube an die Wissenschaft" oder an dem Appell, man solle "der Wissenschaft folgen", ablesen kann, die absurderweise ein ausgesprochen unwissenschaftliches Verständnis von "Wissenschaft" erkennen lassen. Darüber könnte man zum Beispiel mal predigen; aber dem Pfarrer von St. Klara ging es natürlich gerade nicht darum, das "Vertrauen in die Wissenschaft" irgendwie kritisch zu hinterfragen. Im Gegenteil. Den Hauptteil seiner Predigt leitete er geradezu mit der Frage "Was wirkt Gottes Geist bei der Erkenntnis der Natur?" ein, den Schlussteil mit der Aussage "Die Naturwissenschaft hilft zu verstehen und anzuwenden und ist nicht unbedingt gottlos; auch da ist oft genug der Heilige Geist am Wirken." Dies klang dann auch in der Einleitung zu den Fürbitten nochmals an: "Herr Jesus Christus, du schenkst uns deinen Heiligen Geist, dass wir die Welt, die Schöpfung verstehen und durchdringen". Ich muss sagen, für mich klingt das alles sehr 60er-Jahre-mäßig. Mit einer Einschränkung: Das Thema Umweltschutz kam in nennenswertem Umfang erst in den 70er Jahren im öffentlichen und auch im innerkirchlichen Diskurs an. Womit wir bei der Wärmepumpe wären: Sinn und Zweck der Wärmepumpen-Präsentation im Anschluss an die Messe, so erläuterte der Pfarrer, solle es sein,
"dass wir als Christen auch uns damit beschäftigen und vielleicht so ein bisschen begreifen, was eigentlich alles so möglich ist, wo Menschen auch vom Heiligen Geist geleitet wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen, um das fruchtbar zu machen für die Menschen, für die Welt, für unsere Mitverantwortung in der Erhaltung der Schöpfung".
Alles klar? Klarere Aussagen hatte die Predigt leider nicht zu bieten; auch nicht an der Stelle, an der der Pfarrer die aus den Lesungstexten vom Tage ableitbare Feststellung, der Geist Gottes wirke auch außerhalb der Kirche, auf die Klimaschutzbewegung zu beziehen schien: Wenn es um die Frage gehe "Wie gehen wir mit der Erde, wie gehen wir mit der Schöpfung um", könne "Gottes Geist auch manchmal anderen Menschen sagen, was zu tun ist, die das dann auch einbringen können". Sofern das heißen sollte, die Leute von "Fridays for Future" (die von der "Letzten Generation" wohl eher nicht, die sind dem Pfarrer sicher zu radikal) seien die wahren Propheten, die wahren Charismatiker unserer Zeit, dann deckte sich das zwar durchaus mit früheren Predigt-Aussagen dieses Geistlichen, aber dass er das hier tatsächlich gemeint hat, lässt sich aus dem Wortlaut nicht zwingend belegen. Kurz, der Versuch, diese Predigt zu interpretieren, fühlt sich an, wie Wasser in ein Sieb zu schöpfen. Dabei habe ich mich schon bewusst auf diejenigen Passagen der insgesamt knapp 15 Minuten langen Predigt konzentriert, die noch am ehesten stringent genug schienen, um überhaupt etwas Sinnvolles dazu zu sagen. Darüber, wie der Pfarrer "als passionierter Fahrradfahrer" die Funktion einer Fahrradluftpumpe demonstrierte und daran Analogien zur Wirkung des Heiligen Geistes zu knüpfen versuchte, möchte ich lieber den Mantel des Schweigens breiten. –
Wenn der Vater mit dem Sohne
Wie weiter oben schon erwähnt, äußerte mein Jüngster am Montag, nachdem wir seine große Schwester zur Schule gebracht hatten, den Wunsch nach einem Ausflug – wenigstens einem kleinen, da wir für einen größeren nicht genug Zeit hatten. Ich überlegte also, was man da tun könnte, und kam recht spontan auf die Idee, diesen Wunsch meines Sohnes als Gelegenheit zu nutzen, meine Kenntnis der kirchlichen Landschaft im Norden Berlins zu erweitern. Wir fuhren also erst mal mit dem Bus nach Pankow-Niederschönhausen und spazierten dort ein wenig herum, bis wir an der Kirche St. Maria Magdalena ankamen. Von außen sieht diese 1929/30 im expressionistischen Stil erbaute Kirche ja recht imposant aus:
Hinein kamen wir jedoch nicht: Sämtliche Eingänge waren abgesperrt, und nebenbei bemerkt waren sie auch nicht so wirklich barrierefrei. Ich hätte gern mit meinem Sohn in dieser Kirche eine kleine Lobpreisandacht ("Beten mit Musik") abgehalten oder wenigstens irgendwie gebetet, na ja, schade. Ein paar Dinge, die ich an dieser Kirche besonders interessant finde, möchte ich aber jedenfalls festhalten. Ihr Patrozinium verdankt die Kirche St. Maria Magdalena der Überlegung, "in das Sündenbabel Berlin gehöre eine Kirche, die der großen Büßerin Maria von Magdala geweiht sein müsse" (Quelle: Tante Wikipedia). Der erste Pfarrer (zunächst Kurat) dieser Kirche, Joseph Lenzel, geriet als Nazi-Gegner ins Visier der Gestapo, insbesondere wegen seines Einsatzes für die seelsorgerische Betreuung polnischer Zwangsarbeiter; 1942 wurde er ins KZ Dachau verschleppt, wo er infolge von Misshandlungen noch im selben Jahr im Alter von 52 Jahren starb. Vor "seiner" Kirche erinnert ein Gedenkstein an ihn.
Nachdem wir hier also vor verschlossenen Türen gestanden hatten, erwog ich, ob wir es in der uns noch verbleibenden Zeit wohl schaffen könnten, noch eine andere Kirche im Bezirk Pankow zu besuchen; aber erst einmal machten wir eine Mittags-Snackpause bei einem REWE-Markt, und bald darauf hielt der Knabe dann Mittagsschlaf. Zuvor hatte er mir noch aus heiterem Himmel mitgeteilt "Das ist so ein Ausflug, wie ich ihn mir gewünscht habe" – worüber ich natürlich sehr erfreut war. Als ich später am Nachmittag der anderen Hälfte der Familie davon erzählte, sagte meine Tochter, sie würde gern auch mal zu so einem Ausflug mitkommen, vorzugsweise an einem Tag, an dem sie keine Schule habe. Das sagte ich ihr gern zu.
Zufällig fielen meine Augen auf das zwölfte und dreizehnte Kapitel des ersten Korintherbriefes. Im ersteren las ich, dass nicht alle zugleich Apostel, Propheten und Lehrer sein können, dass die Kirche aus verschiedenartigen Gliedern besteht und dass das Auge nicht zugleich Hand sein kann. Das war eine deutliche Antwort, aber sie konnte mein Verlangen nicht stillen und mir den Frieden nicht bringen. Da fand ich eine Stelle, die mir Erleichterung brachte: "Strebt nach den höheren Gnadengaben! Ich zeige euch jetzt noch einen anderen Weg, einen, der alle übersteigt" (1 Kor 12,31). Der Apostel gibt zu bedenken, dass die höheren Geistesgaben nichts sind ohne die Liebe und dass diese Liebe vorzüglicher ist; denn sie ist der Weg, der sicher zu Gott führt. Nun endlich hatte ich Ruhe gefunden.
(Thérèse von Lisieux, Selbstbiographie)
Kris Kristofferson: The Law is for Protection of the People
Am vorigen Samstag ist Kris Kristofferson im doch recht stolzen Alter von 88 Jahren verstorben. Aus diesem Anlass hätte ich in der Rubrik "Ohrwurm der Woche" eigentlich gern den Song "To Beat the Devil" von seinem Debütalbum "Kristofferson" (1970) gepostet, samt der Geschichte, wie ich dazu gekommen bin, mir diese Scheibe zu kaufen; allerdings habe ich genau das bereits vor gut drei Jahren in den Ansichten aus Wolkenkuckucksheim Nr. 11 getan, daher habe ich mich diesmal für das auf derselben Platte enthaltene Stück "The Law is for Protection of the People" entschieden. Unter anderem auch deshalb, weil in der dritten Strophe von Jesus die Rede ist. Wobei ich durchaus einkalkuliere, dass die Art und Weise, wie da von Jesus die Rede ist, bei manchen meiner Leser mindestens ein Kopfschütteln oder Stirnrunzeln auslösen dürfte. "Das ist doch genau das, was einem diese links-grünen Kuschelchristen immer aufs Brot schmieren", mag mancher sagen. "Jesus, der Freund von Zöllnern und Dirnen. Der Seine Jünger am Sabbat Ähren abreißen ließ. Der für die politischen und die religiösen Autoritäten seiner Zeit ein Taugenichts und Störenfried war. Einer, bei dem viele gutbürgerliche Konservative, die sich heute für besonders gute Christen halten, auch 'Kreuzige ihn!' geschrien hätten, wenn sie damals dabei gewesen wären." Wozu ich nur sagen kann: Tja. Dass die falschen Leute das sagen und daraus falsche Schlüsse ziehen bzw. es fälschlich als Argument für falsche Forderungen verwenden, ändert ja nichts daran, dass da trotzdem irgendwo was Wahres dran ist. #Sorrynotsorry, Freunde.
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