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Donnerstag, 20. Juni 2024

Requiem für eine Seelsorgehelferin

Anfang der ersten Juniwoche erfuhr ich aus den Vermeldungen der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd, dass eine Frau, die ich aus meiner aktiven Zeit in der Gemeinde Herz Jesu Tegel kannte, verstorben war. Ich hatte sie seit Jahren nicht gesehen und auch nichts mehr von ihr gehört, trotzdem hatte ich sie in guter Erinnerung: Als meine Liebste und ich nach Tegel zogen und begannen, uns in der dortigen Pfarrgemeinde zu engagieren, gehörte sie – damals schon über 80 und leicht gehbehindert – zu den ersten Gemeindemitgliedern, von denen wir uns angenommen und willkommen geheißen fühlten. Sie kam auch zu unserer Wohnungseinweihungsfeier und schenkte uns eine Orchidee.

In der Folgezeit sah man sie in der Kirche immer weniger und schließlich gar nicht mehr; soweit wir hörten, lag das wohl daran, dass ihre Mobilitätseinschränkung sich weiter verschlimmerte und sie insgesamt kaum noch das Haus verließ. – Sie hatte uns gegenüber mal beiläufig erwähnt, dass sie früher Gemeindereferentin gewesen war; als solche wurde sie eines Nachrufs vom Erzbistum gewürdigt, und diesem entnahm ich nun, dass sie nicht nur in ihrer langjährigen Wohnortpfarrei Herz Jesu Tegel, sondern u.a. auch in St. Stephanus Haselhorst als Gemeindereferentin tätig gewesen war. Ach guck, dachte ich, so klein ist die Welt.

Auf eigentümliche Weise schön und stimmig fand ich es auch, dass ihr Requiem und ihre Beisetzung am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu stattfinden sollte; und eine leise, aber hartnäckige Stimme in meinem Innern sagte mir: Ich glaube, da will ich hin. Auch wenn das bedeutete, dass ich meinen Jüngsten dorthin mitnehmen müsste. Ich nehme an, es gibt Leute, die der Meinung sind, man sollte ein dreijähriges Kind nicht zu einer Beerdigung mitnehmen. Ich selbst bin ganz entschieden nicht dieser Ansicht. Meiner Überzeugung und Erfahrung nach kann man dreijährige Kinder so gut wie überall hin mitnehmen, und sofern es doch Orte oder Ereignisse gibt, wo man Bedenken hätte, ein Kind dorthin mitzunehmen, sollte man sich vielleicht lieber mal überlegen, ob man selber wirklich da hinwill. 

Auf dem Weg zum Friedhof dachte ich darüber nach, ob der Umstand, dass das Requiem in der Friedhofskapelle gefeiert wurde und nicht in einer regulären Kirche, ein Indiz dafür sein mochte, dass nicht mit vielen Teilnehmern gerechnet wurde, und offenbar war das tatsächlich so. Aber so ist es wohl heutzutage, wenn man im Alter von 90 Jahren stirbt und keine große Familie hinterlässt (der einzige Sohn der Verstorbenen war, wie in der Predigt erwähnt wurde, schon vor über 40 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen). Wenn man den Priester und den Organisten nicht mitzählt, fanden sich zehn Personen zu diesem Requiem ein, unter denen, soweit es für mich ersichtlich war, zwei Familienangehörige der Verstorbenen waren, ein Neffe und dessen Frau (die sich am Ende bei allen, die gekommen waren, persönlich bedankte). Zwei anwesende Frauen kannte ich aus der Gemeinde von Herz Jesu, bei einer dritten war ich mir nicht ganz sicher, ob ich sie nicht verwechselte; außerdem war eine Gemeindereferentin aus Spandau da und dann noch ein Mann und eine Frau, die ich nicht zuordnen konnte.

Wie sich zeigte, hatte die Verstorbene in ihren letzten Lebensjahren nicht mehr in Tegel gewohnt, sondern im Märkischen Viertel, das zur Pfarrei St. Franziskus Reinickendorf-Nord gehört; der dortige Pfarrer hielt auch das Requiem, und das traf sich gut, denn wie er in seiner Predigt erwähnte, hatte er die Verstorbene bereits kennengelernt, als er vor seiner Weihe zum Diakon Praktikant in Herz Jesu Tegel gewesen war. Ein paar Jahre später war er dann Kaplan derselben Gemeinde – das war zu der Zeit, als meine Liebste und ich anfingen, dort zur Kirche zu gehen, und nebenbei bemerkt hat er in dieser Zeit unsere ersten Schritte in der Gemeindearbeit, insbesondere das Projekt "Dinner mit Gott", entscheidend gefördert und unterstützt.

Was der Priester in seiner Predigt über die Biographie der Verstorbenen, und gerade auch über ihre Tätigkeit in der Pfarrseelsorge, zu berichten wusste, fand ich ausgesprochen interessant. Geboren und aufgewachsen war sie in Heiligensee, hatte dann geheiratet und war mit ihrem Mann nach Westdeutschland gezogen; aber die Ehe ging in die Brüche, und so kam sie als geschiedene Frau und alleinerziehende Mutter nach Berlin zurück, wo sie eine Wohnung in Tegel unweit der Herz-Jesu-Kirche fand. Der dortige Pfarrer, der früher die Pfarrstelle in Heiligensee gehabt hatte und sie daher kannte, sprach sie eines Tages darauf an, ob sie sich nicht vorstellen könne, als Seelsorgehelferin (wie die Berufsbezeichnung damals noch lautete) in der Pfarrei mitzuarbeiten. Das war wohlgemerkt in den 60er Jahren, als es mit Blick auf die öffentliche Meinung noch ein ziemliches Wagnis war, eine geschiedene Frau und alleinerziehende Mutter in der Gemeindeseelsorge zu beschäftigen.

Gleichwohl war der Aspekt, der mich an dieser Geschichte am meisten interessiert, nicht der, "dass so etwas damals schon möglich war", sondern vielmehr die Frage, ob so etwas heute noch möglich wäre. Damit meine ich natürlich nicht die Frage des "Beziehungsstatus": Heutzutage könnte man vermutlich auch Gemeindereferentin werden, wenn man in einer polyamoren WG lebt, und könnte das notfalls wohl einklagen. Was ich mir heute eher schwierig vorstelle, ist, dass ein Pfarrer zu einem ihm persönlich bekannten Gemeindemitglied sagt: Ich möchte dich als pastoralen Mitarbeiter in meiner Pfarrei, weil ich dir zutraue, dass du das kannst. Freilich, eine berufsbegleitende Ausbildung musste die Dame, die wir am Herz-Jesu-Fest zu Grabe getragen haben, auch damals schon absolvieren. Dennoch darf man wohl behaupten, dass ihr Beruf(ung)sweg keine große Ähnlichkeit damit hat, wie man heutzutage typischerweise Pastoral- oder Gemeindereferent(in) wird. Und leider merkt man das den Leuten, die diese Berufe heutzutage typischerweise ausüben, oft nur allzu deutlich an. Kurzum, das, was ich bei diesem Requiem über die berufliche Biographie der Verstorbenen erfahren habe, hat mich veranlasst, über die schädlichen Auswirkungen der Professionalisierung der Seelsorge zu sinnieren.

Mir ist bewusst, dass es Leute gibt, in deren Wortschatz der Begriff "Professionalisierung" uneingeschränkt positiv besetzt ist. Bei mir ist das praktisch umgekehrt, schon immer. Schon als ich an der Studiobühne der Humboldt-Universität bei einem studentischen Varietétheater mitarbeitete, waren mir Professionalisierungstendenzen zutiefst suspekt. In meiner Wahrnehmung bedeutet Professionalisierung den Verlust von Authentizität, die Eindämmung von Kreativität und Initiative, eine Tendenz zur Normierung und Regulierung, eine Fokussierung auf Funktionalität und Effizienz. An die Stelle einer Blumenwiese tritt ein ordentlich getrimmter Rasen.

Das gilt sicherlich nicht immer und überall. Selbst in Hausbesetzerkreisen, wo Do-It-Yourself und Graswurzelarbeit nun wirklich sehr groß geschrieben werden, ist man sich im Klaren darüber, dass es Dinge gibt, die man besser Profis überlassen sollte. Die Wartung von Gasleitungen zum Beispiel. Seelsorge gehört meiner Überzeugung nach nicht zu diesen Dingen. Ich möchte an das "Mission Manifest" erinnern, in dem es unter These 9 ("Wir brauchen eine 'Demokratisierung' von Mission") hieß:

"Nirgendwo steht, dass die Mission, die Jesus uns gegeben hat, sich auf Spezialisten, professionelle Verkündiger, Theologen, Kleriker oder Mitglieder von Ordensgemeinschaften beschränkt. Missionarisch zu sein ist der Auftrag Christi an alle Getauften."

Ich würde sagen, das gilt auch für die Gemeindepastoral, die ja schließlich auch Aspekte von Mission umfasst. Oder umfassen sollte. Tatsächlich tut sie es oft wohl nicht, und das ist Teil des Problems.

Woran ich in diesem Zusammenhang außerdem noch denken musste – und das meine ich gar nicht despektierlich, im Gegenteil –, ist die vor acht Jahren auf der christlichen Satire-Website "The Babylon Bee" veröffentlichte Geschichte eines obdachlosen Straßenmusikers, der aufgrund einer Verwechslung eine Stelle als Jugendpastor bekommt. Eine Geschichte, bei deren Lektüre ich schon immer schmerzlich den Wunsch verspürt habe, sie möge wahr sein – auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass das kaum die von den Verfassern beabsichtigte Reaktion ist. Selbst in diesem fiktiven Fall wird der unverhofft zum Jugendpastor avancierte Straßenmusiker, als sich herausstellt, dass er seine Stellung einer Verwechslung verdankt, kurzerhand gefeuert – trotz der erfolgreichen Jugendarbeit, die er geleistet hat; einfach deshalb, weil er keine formale Qualifikation für diese Position besitzt. Tja.

Übrigens hätte ich mich – mit Rücksicht auf meinen Jüngsten, der eigentlich entschieden mittagsschlafreif war und mir beinahe schon auf dem Weg zum Friedhof eingeschlafen wäre – durchaus damit zufrieden gegeben, "nur" das Requiem mitzufeiern und dann den Rückzug anzutreten; aber mein Sohn wollte ausdrücklich mit ans Grab. Er wollte auch, wie die "Großen" es taten, eine Handvoll Erde ins offene Grab werfen, also ließ ich ihn das tun. Ich muss sagen, ich war überrascht, wie aufmerksam und konzentriert er bei der Sache war. Also, Leser, falls ihr Bedenken habt, ob man Kinder zu einer Beerdigung mitnehmen kann: Keine Sorge, das Kind wird euch schon zeigen, ob das geht. Ich halte ja grundsätzlich viel davon, Kinder frühzeitig an das Thema Tod heranzuführen; und zur Beerdigung einer Person zu gehen, die das Kind zu Lebzeiten nicht (oder kaum) gekannt hat, ist da vielleicht gar kein so schlechter Einstieg. 


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7 Kommentare:

  1. Ach, bei der Gasleitung ist Professionalität ok, da potentiell lebensbedrohlich - aber bei der Seele(en)sorge, die potentiell ebenso bedrohlich sein kann (Stichwort: Geistlicher Missbrauch, den übrigens auch der Autor des Mission Manifest befördert) soll jeder ran dürfen? Das ist fahrlässig und die Betroffenen von schädlichen Formen der "Seelsorge" sind zahlreich, weil es viel zu viele Menschen gibt, die meinen, sie könnten Seelsorge, weil sie Lebenserfahrung haben oder den Heiligen Geist. Lebenserfahrung ist gut für einen Rat, macht aber noch keinen guten Seelsorger aus, und diejenigen, die sich des Heiligen Geistes rühmen, verwechseln diesen viel zu oft mit der Meise unterm eigenen Pony.

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    1. Es geht so wie ich es verstehe nicht darum, dass eine Gemeindereferentin gar keine Ausbildung haben sollte. Schulungen dazu, was z. B. geistlicher Missbrauch ist, wie man ihn erkennt und auf keinen Fall selbst begeht, sollten ja selbstverständlich sein. Letztendlich ist es dann von einem selbst abhängig, ob man sich in diesem Bereich verfehlt oder nicht. Dafür sensibilisiert zu sein ist sicher gut.
      Ich würde es so verstehen, dass eine Schwierigkeit im Hinblick auf die Tendenz zur Professionalisierung in der Seelsorge ist, dass sie dazu führt/führen kann, dass Menschen Gemeindereferenten/Seelsorger werden, die zwar akademisch wohlklingend ausgebildet sind, aber denen es an anderen, ganz entscheidenden Qualitäten fehlt... ein tiefer, tiefer Glaube und eine tiefe, tiefe Liebe zu Christus, eine persönliche Beziehung zu den drei Personen der heiligsten Dreifaltigkeit und der drängende Wunsch im Herzen, dass Jesu Wunsch in Erfüllung geht: “Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort sind, wo ich bin“ (Joh 17, 24). Das Heil der Seelen! Dass die Menschen zu Gott finden und in den Himmel kommen! Ein Herz, dass for die Neuevangelisierung brennt! Hätte ich die Wahl, ich würde hundertmal jemanden als Gemeindereferent/Seelsorger bevorzugen, der von dieser drängenden Liebe zu Christus durchdrungen ist, wenn die Alternative jemand ist, der zwar ganz toll Theologie studiert hat, aber dem es an diesen Eigenschaften fehlt. Man darf natürlich auch beides haben. :-)

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    2. Was zu dieser Professionalität zu sagen ist, wäre einen längeren und differenzierteren Kommentar wert. Aber:

      Zu "geistlichem Mißbrauch" ist zweierlei zu bemerken. Erstens, daß - wie ja auch Sie, @Laura, in ihrem Nebensatz andeuten (übrigens, "den" Autor des Mission Manifest gibt es nicht) - der Begriff "geistlicher Mißbrauch" sehr oft verwendet wird, um völlig richtige Dinge zu diskreditieren.

      Ich erinnere mich noch, wie ich nach der Sonntagsmesse zusammensaß und welche eine nochnichtgläubige Freundin dabeihatten. Irgendwie kam das Gespräch - in *freundlicher* Atmosphäre - auf Kindesmißbrauch, jemand, ich glaube ich, sagte "das Problem ist ja, daß die üblichen Verdächtigen diese wirklich schlimmen Verbrechen mit etwas völlig anderem in den Topf werfen, was sie 'geistlichen Mißbrauch' nennen"; die nochnichtgläubige Freundin: "geistlicher Mißbrauch, was ist das denn"; Ehemann der Freundin von der Freundin: "also (nach deren Meinung) zum Beispiel sowas, wie wir jetzt machen (wenn wir etwa sagen, daß ausgelebte Homosexualität Sünde ist)", und alle schmunzeln und bestellen sich noch nen Kaffee.

      Zweitens, es gibt natürlich wirklich Dinge, die geistlicher Mißbrauch und falsch sind (auch wenn es selbst bei denen Mißbrauch-mit-dem-Mißbrauch ist, sie mit Kindesmißbrauch in einen Topf zu werfen, weshalb vermutlich schon da die Bezeichnung besser durch eine andere ersetzt werden sollte (coming to think of it). Aber auch *die* können zum einen von *Professionellen* genausogut begangen werden - die Geschichte von Schülern auf Einkehrtagen, die durch Druck dazu gebracht worden sind, eine Art Beichte vor Gruppen von Mitschülern abzulegen statt, wie sich das gehört, in einer unter dem Siegel stehenden 1-zu-1-Situation, hat sich unter der Leitung von Ordensmännern abgespielt. Zweitens lernt man das Vermeiden von wirklich krassem geistig übergriffigem Verhalten (nennen wir es mal so) ebensowenig im Studium, wie der Installateur lernt, keine bewußten Lecks einzubauen. Man halt halt einfach gefälligst kein böser Mensch zu sein. Und das Vermeiden von *nicht* so krassem, allerdings nicht-ganz-in-Ordnung-em, leicht-in-die-übergriffige-Richtung-neigendem Verhalten? Das lernt man im Studium *auch* nicht (es sei denn um den Preis völligen Initiativverlusts), sondern durch Lebenserfahrung, Übung, Ruhepausen (gerne mit Anbetung), ein erfülltes glückliches Privatleben und, sorry, einiges an Versuch-und-Irrtum. "Löscht den Geist nicht aus"; man muß die Menschen nehmen, wie sie sind, andere gibt es nicht.

      Also jedenfalls *das* ist *kein* Argument für Professionalität; das ist allenfalls ein Argument für eine kurze Pflichtschulung, wie ein ITler eine Datenschutzschulung macht (und selbst bei der habe ich ja schon angeführt, warum ich eher bezweifle, daß sie viel bringt, aber immerhin die kann nicht viel schaden).

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    3. Korrektur: Irgendetwas mit Homosexualität fiel in dem Gespräch zwar wahrscheinlich auch, aber das Beispiel mit "was wir *grad* machen" war sowas wie:

      "wenn wir zum Beispiel sagen, daß der katholische Glaube die Wahrheit ist und deswegen natürlich eigentlich auch du in die Kirche eintreten solltest".

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  2. Diasporakatholik21. Juni 2024 um 17:36

    Sicherlich, auch vor Kindern sollte der Tod nicht ferngehalten werden, und sie können ggf. auch an Trauerfeiern und -gottesdiensten teilnehmen, wenn sie entsprechend vor- und nachbereitet werden.

    Ich selbst bin Anfang der 1960er Jahre im Alter von 8 Jahren zum ersten Mal direkt mit dem Tod konfrontiert worden:
    Meine Oma, starb mit über 80 Jahren nicht völlig unerwartet, und ich war mit auf der Beerdigung und sah auch meine im Sarg aufgebahrte Großmutter im Abschiedsraum - das war nach meiner Erinnerung zwar etwas bedrückend aber ok.

    2 Jahre später starb meine 15jährige Schwester relativ dramatisch an einer zu spät erkannten Lungenentzündung, und wiederum nahm ich an der Trauerfeier teil. Aber der Abschied von der aufgebahrten Toten war für mich diesmal durchaus etwas traumatisierend, denn die Augenlider meiner Schwester waren nicht vollständig geschlossen, so dass je ein wenig des weißen Augapfels zu sehen war - das war irgendwie gruselig.

    Das empfand nicht nur ich so, sondern auch offenbar meine Mutter, und wir wollten ob dieses verstörenden Eindrucks jahrzehntelang keine aufgebahrten Toten mehr im Sarg sehen, sondern lieber jeweils die betr. Personen so in Erinnerung behalten, wie wir sie noch zuletzt zu Lebzeiten gekannt hatten.

    Soviel also zur Konfrontation von Kindern und anderen empfindsamen Personen mit dem Tod insbesondere bei und von einem im Leben nahe gestandenen Menschen wie Angehörigen, Freunden, Nachbarn oder guten Bekannten. Man kann da u.U. durchaus Schäden anrichten, wenn man zu unsensibel mit dem Themenkomplex und den Betroffenen umgeht.

    Ein Ersparen allzu krasser Eindrücke hat noch längst nichts etwa mit einer Verdrängung des Todes aus dem Leben zu tun.

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  3. Bericht zum Andenken an den im KZ umgebrachten Pfarrer August Froehlich am 22. Juni:

    https://kath.net/news/84878

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  4. Warum ich übrigens doch mit etwas mehr Sympathie auf professionelle Seelsorge schaue, hat den folgenden Grund: nicht daß Bürokratisierung und Vorschriftenerfüllerei nicht den Geist auslöschen könnten … Aber aus dem gleichen Grund wie der Geschichte mit den Gasleitungen.

    Sicher nicht, weil man Wunder wie sich selber davor, geistlichen Mißbrauch zu begehen, schützen müßte, wozu schon das Handeln im Sinne des Missionsbefehls (oder von mir aus des Mission Manifest) gehöre. Unfug; und was echten geistlichen Mißbrauch betrifft, reicht es wirklich, kein böser Mensch zu sein.

    Aber unabsichtlich geistig gefährliche Fehlinformationen verbreiten kann auch ein im üblichen Sinn guter Mensch. Und Seelsorge enthält in der Regel die Vermittlung von Informationen - und bei solchen mit Glaubensbezug kann das durchaus Effekte hervorrufen in der Kategorie „explodierende Gasleitung“. - Um nicht falsch verstanden zu werden: natürlich wird der Herr niemanden dafür in die Hölle werfen, daß ihm ein wohlmeinender Seelsorgshelfer Schmarrn verzählt hat. Der wird schon nach dem ihm eigenen Licht beurteilt. Ebenso klar sein dürfte aber auch, daß es an sich eine krankhafte Lage ist, wenn Irrtümer verbreitet sind, und daß es den Gläubigen auch in ihrem konkreten geistlichen Leben nutzt, die Wahrheit zu kennen.

    Das kann man dann auch nicht einfach mit Liebe substituieren - fast hätte ich gesagt „zukleistern“; und eine Zusage des Hl. Geistes, die wir für Lagen, wo wir vor feindliche Fürstenhöfe gezerrt werden, durchaus haben, gilt eben nicht unbedingt für freiwillige Ehrenämter, wo schon eine gewisse Aufgabe bleibt, der gratia eine naturam zum Supponieren zur Verfügung zu stellen.

    Werden wir konkret. Eine alte Frau erleidet grausame Schmerzen. Eine Seelsorgshelferin tröstet sie, aber als ihr ein „Warum“ herausrutscht, sagt sie, das sei nunmal so, daran könne auch Gott nichts ändern, Er stehe ihr aber in ihrem Leiden bei. FAIL.

    Oder (konkret erlebter Fall): eine Firmkatechetin (unausgebildet, aber erfahren) erklärt ihren Mitkatecheten das Arbeitsblatt 1: wir sollten davon ausgehen, daß die mit Religion nichts am Hut haben und auf die Sicherheiten der Wissenschaft geben würde (auch schon ein Fail an Einschätzung, aber ich schweife ab), und daher sollten wir ihnen sagen, Wissenschaft sei ja schön und gut, aber Gefühle gebe es daneben auch, und dafür sei die Religion da. FAIL.

    Einige erkunden sich, ob sie an Mariä Heimsuchung in die Kirche gehen müssen und erhalten vom Seelsorgshelfer, der durchaus sehr viel Liebe hat und sich sogar spirituell auskennt, eine längere Ermahnung dafür, wie sehr sie doch die Gottesmutter lieben sollen und wie wichtig das Geschehen an Heimsuchung heilsgeschichtlich war, und überhaupt frage doch der wirkliche Gläubige nicht nach dem Minimum, was er nun genau muß. FAIL. Und gerade wenn der Seelsorgshelfer Hauptberufler ist: andere Leute haben nichtkirchliche Berufe, die sie dann eventuell mit ihren Familien und ihrem (dort vielleicht auch größeren - solange wir sie *nicht* mit *Priestern* vergleichen) Entspannungsbedürfnis unter einen Hut bringen müssen…

    Natürlich braucht es nicht unbedingt eine Ausbildung, um sowas zu vermeiden. Es reicht die religiöse Bildung, die für jeden Katholiken mit Bachelor eines beliebigen Fachs selbstverständlich sein sollte (und die andere natürlich auch haben dürfen). Aber wer hat die denn schon? Äh, ich (sorry); ein paar Leute sonst schon auch, aber so allgemein?

    (Beispiel: juristische Details sind ja beileibe nicht das wichtigste im Glaubensleben, um nicht falsch verstanden zu werden. Aber zu einer solchen Bildung gehören sie eben auch dazu - und wer genau könnte aus dem Stegreif folgende Frage beantworten: Muß ein Berliner Katholik an Peter&Paul in die hl. Messe gehen, wenn ja warum, ist doch kein Sonntag, wenn nein warum nicht? Wissen, wo‘s steht, zählt dabei als Antwort, sofern man ungefähr weiß, wo man hinblättern muß.)

    Und das ist so‘n bißchen das Problem mit der unbeaufsichtigten Unprofessionalität.

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