Vor rund einem Monat erschien im Online-Magazin Catholic World Report ein viel beachteter Essay von Bischof Robert Barron - seit 2015 Weihbischof in der Erzdiözese Los Angeles und darüber hinaus als Begründer der Word On Fire Catholic Ministries sowie als viel beschäftigter Radio- und Fernsehkommentator einer der international profiliertesten Vertreter eines katholischen Medienapostolats -, in dem eine dramatische Vernachlässigung der Kunst der Apologetik seitens der Kirche beklagt wurde. Unter Apologetik versteht man im christlichen Kontext die argumentative Verteidigung oder, wenn man so will, die rationale Rechtfertigung von Glaubensinhalten bzw. des Glaubens überhaupt. Anlass für Bischof Barrons Beitrag war eine jüngst erschienene Studie über Gründe, aus denen Menschen sich vom Glauben abwenden. "Ich gestehe, ich habe darauf erst einmal mit einem genervten Seufzer reagiert", schreibt Bischof Barron. "Ich zweifle keine Sekunde an der Ernsthaftigkeit der Befragten, aber die Gründe, die sie dafür angeben, das Christsein aufgegeben zu haben, sind einfach so wenig überzeugend. Damit will ich sagen: Jeder Theologe, jeder, der mit Apologetik oder Evangelisierung zu tun hat, sollte, wenn er etwas taugt, in der Lage sein, diesen Aussagen etwas entgegenzusetzen."
Das betrifft, wie Bischof Barron weiter ausführt, in besonderem Maße die offenbar weit verbreitete Auffassung, Wissenschaft oder ganz allgemein rationales Denken stünde im Widerspruch zum Glauben. Die Annahme, Religion und Vernunft seien gewissermaßen unvereinbare Gegensätze, "wäre zweifellos eine enorme Überraschung für den Heiligen Paulus, die Heiligen Augustinus, Johannes Chrysostomos, Hieronymus, Thomas von Aquin und Robert Bellarmin, den Seligen John Henry Newman, G.K. Chesterton, C.S. Lewis oder Joseph Ratzinger - die allesamt zu den brillantesten Köpfen gehören, die die westliche Kultur hervorgebracht hat", so Bischof Barron. Dass diese Auffassung heutzutage dennoch vielfach so selbstverständlich und unhinterfragt hingenommen werde, sei letztlich nur dadurch zu erklären, dass christliche Denker "in den letzten 50 Jahren oder so" die Kunst der Apologetik weitgehend aufgegeben hätten.
Vor dem Hintergrund dieser Klage erscheint mir ein Film erwähnenswert, den ich mir vor kurzem zusammen mit meiner Liebsten angesehen habe: Gott ist nicht tot (USA 2014, Regie: Harold Cronk). Meine Liebste hatte irgendwo etwas über diesen Film gehört oder gelesen - "Da geht es um einen Philosophieprofessor, der von seinen Studenten ein Bekenntnis zum Atheismus verlangt" -, und wir dachten uns: Och, schauen wir uns den doch mal an. Könnte interessant werden. Schon das Filmplakat sah reizvoll aus: Da steht der Schriftzug GOD'S DEAD in riesigen Lettern an einer Wand, und der Protagonist - der einzige Student, der sich der Aufforderung des Professors widersetzt, ein Bekenntnis zum Atheismus abzugeben - klebt einen Zettel mit der Aufschrift "NOT" in der Zwischenraum zwischen diesen Wörtern.
Gleich eingangs sei erwähnt, dass der Film - der von der christlichen Produktionsfirma Pure Flix Entertainment hergestellt worden ist - fast ausschließlich extrem schlechte Kritiken bekommen hat. Aber von so etwas lasse ich mich ja nicht abschrecken. Dass etwa der Humanistische Pressedienst den Film als "nicht auszuhalten schlecht" beurteilt hat, empfand ich eher schon als eine Empfehlung. Andererseits hatte sogar das Christliche Medienmagazin Pro an dem Film mancherlei zu bemängeln, und zum Teil nicht zu Unrecht - doch dazu später.
Erst einmal zur Handlung: Da ist also, wie schon gesagt, Philosophieprofessor Radisson - gespielt von Kevin Sorbo, den man vor allem aus der Titelrolle der trashigen TV-Serie Hercules kennt. Professor Radisson ist glühender Atheist und will seinen Studenten gleich bei der Einführungsveranstaltung zu seiner Vorlesung klar machen, dass religiöser Glaube in seinem Unterricht keinen Platz hat: Um jedwede Diskussion zu diesem Thema von vornherein auszuschließen, sollen alle Studenten die Worte "Gott ist tot" auf ein Blatt Papier schreiben und mit ihrer Unterschrift bestätigen. Nur einer weigert sich: Erstsemester Josh Wheaton (Shane Harper). "Ich kann das nicht schreiben. Ich bin Christ." Solcherart herausgefordert, räumt der Professor seinem Studenten an den kommenden Vorlesungsterminen jeweils 20 Minuten Zeit ein, den Standpunkt des Glaubens vor dem gesamten Auditorium zu verteidigen. Soweit die Haupthandlung; hinzu kommen einige Nebenstränge - etwa um eine demenzkranke Frau, deren erwachsene Kinder sehr unterschiedlich mit ihrer Krankheit umgehen, eine junge Journalistin, die, gerade als ihre Karriere so richtig Fahrt aufzunehmen verspricht, die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krebserkrankung erhält, und schließlich eine junge Muslima, die auf ihrem iPod heimlich christliche Erweckungspredigten von Franklin Graham hört. Nach und nach kristallisieren sich Querverbindungen zwischen diesen Strängen heraus: Die Tochter der demenzkranken Frau ist die Geliebte des Professors; deren Bruder wiederum, ein egoistischer, knallharter Geschäftsmann, ist der Liebhaber der Journalistin, die er jedoch verlässt, als er von ihrer Krebserkrankung erfährt. Als eine weitere Verbindungsfigur zwischen den verschiedenen Haupt- und Nebenhandlungen fungiert ein junger, engagierter Pfarrer, der eigentlich mit einem Kollegen in Urlaub fahren will, aber durch ein beharrlich nicht anspringendes Auto daran gehindert wird (was ihn vorübergehend in eine Mini-Glaubenskrise stürzt).
Das Hauptinteresse gilt aber doch dem intellektuellen Duell zwischen Student und Professor. Machen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entstehung des Universums den Glauben an einen Schöpfergott obsolet? Wenn Gott die Welt erschaffen hat und Gott gut ist, woher kommt dann das Böse? Der eigentlich eher schüchterne Josh wächst immer besser in die Aufgabe hinein, sich argumentativ gegen den scheinbar haushoch überlegenen Professor zu behaupten. Dass er die Existenz Gottes nicht beweisen kann, räumt er von Anfang an ein, aber das muss er auch nicht: Es genügt, dass er bei seinen Kommilitonen Zweifel am atheistischen Welterklärungsmodell weckt - und das gelingt ihm ausgezeichnet. Dass er seinem Professor schließlich in Gerichtsfilm-Manier (man sieht unwillkürlich den jungen Tom Cruise in "Eine Frage der Ehre" vor sich, wie er Jack Nicholson fragt "Haben Sie den Code Red befohlen?") das Bekenntnis entlockt, dass sein Atheismus im Kern nur ein persönlich motivierter Hass auf Gott ist (und Hass, das weiß sogar TV-Psychologin Angelika Kallwass, entsteht aus Enttäuschung), ist freilich arg dick aufgetragen und wurde in Kritiken zum Film auch vielfach bemängelt. Der Standpunkt des Atheisten, hieß es, werde durch diese Wendung entwertet und folglich die Ebene der sachlichen Auseinandersetzung verlassen.
Nun gut: Da ist natürlich was dran. Gleichzeitig ist aber nicht zu leugnen, dass der quasi-missionarische Eifer, mit dem Professor Radisson den Atheismus verficht, seinerseits die rationale Ebene weit hinter sich lässt und in dieser Form nur durch eine starke emotionale Betroffenheit verständlich wird. Und dergleichen erlebt man bei radikalen Atheisten ja tatsächlich häufig - wenn man etwa in einschlägige Internet-Foren hineinschaut. Ich muss da oft an einen früheren Arbeitskollegen denken, der einmal den durchaus selbstironischen Satz äußerte: "Ich glaube nicht an Gott, und deshalb hasst Er mich". Bei vielen "Kampfatheisten" habe ich den Eindruck, es ist genau umgekehrt: Sie sind wütend auf Gott, und deshalb versuchen sie Ihn zu bestrafen, indem sie nicht an Ihn glauben. Dass Professor Radissons Hass auf Gott nun gerade daher rührt, dass er als Kind den Tod seiner Mutter miterleben musste, ist nun freilich etwas plump und wenig originell.
Nun gut: Da ist natürlich was dran. Gleichzeitig ist aber nicht zu leugnen, dass der quasi-missionarische Eifer, mit dem Professor Radisson den Atheismus verficht, seinerseits die rationale Ebene weit hinter sich lässt und in dieser Form nur durch eine starke emotionale Betroffenheit verständlich wird. Und dergleichen erlebt man bei radikalen Atheisten ja tatsächlich häufig - wenn man etwa in einschlägige Internet-Foren hineinschaut. Ich muss da oft an einen früheren Arbeitskollegen denken, der einmal den durchaus selbstironischen Satz äußerte: "Ich glaube nicht an Gott, und deshalb hasst Er mich". Bei vielen "Kampfatheisten" habe ich den Eindruck, es ist genau umgekehrt: Sie sind wütend auf Gott, und deshalb versuchen sie Ihn zu bestrafen, indem sie nicht an Ihn glauben. Dass Professor Radissons Hass auf Gott nun gerade daher rührt, dass er als Kind den Tod seiner Mutter miterleben musste, ist nun freilich etwas plump und wenig originell.
Im Medienmagazin Pro attestiert Rezensent Jörn Schumacher dem Film, er biete "einige interessante Lehrstunden in Sachen Apologetik", bemängelt jedoch, die Auseinandersetzung zwischen Professor und Student drehe sich allzu sehr "um große Namen: Ein Argument scheint im Hörsaal vor allem dann großes Gewicht zu haben, wenn es von einem bekannten Menschen vorgetragen wurde [...]. Stephen Hawking gegen John Lennox – wer hat welche Professur inne?" Dazu ist zunächst einmal anzumerken, dass das Autoritätsargument nicht nur in der Scholastik, etwa bei Thomas von Aquin, eine große Tradition hat, sondern wohl auch im heutigen akademischen Betrieb durchaus noch seinen Platz hat. Daneben hat dieses vermeintliche namedropping aber auch noch einen ganz praktischen Wert, wenn man einmal unterstellt, der Film verfolge nicht zuletzt das Anliegen, christliche Zuschauer mit dem Rüstzeug für eigene apologetische Diskussionen auszustatten: Die Nennung von Autoritäten, die diese oder jene These vertreten haben, ermöglicht bzw. erleichtert es dem interessierten Zuschauer, Argumentationslinien, die im Film aus begreiflichen Gründen nur kurz angerissen werden können, nachzulesen und zu vertiefen.
Jenseits der Frage nach der "Qualität" der im Film gezeigten Debatten über Glaube und Atheismus ist jedoch ein Punkt, auf den diese Kritik (wie auch nahezu alle anderen, die ich gelesen habe) für mein Empfinden allzu wenig eingeht, absolut zentral für die Handlungsvoraussetzung von "Gott ist nicht tot": nämlich der Umstand, dass Josh sich überhaupt auf diese Kraftprobe mit seinem Professor einlässt. Er müsste es ja nicht: Er könnte den blöden Zettel einfach unterschreiben und seine Ruhe haben. Genau das rät ihm seine Freundin , die ihn schließlich verlässt, weil sie es unverantwortlich findet, dass er wegen einer solchen "Kleinigkeit" seine akademische Karriere gefährdet. Professor Radisson betont, dass es ihm egal ist, was seine Studenten privatim glauben: Nur aus seinem Hörsaal will er die Religion verbannen. Die Forderung an die Studenten, das Statement "Gott ist tot" mit ihrer Unterschrift zu besiegeln, ist somit eine reine Formalität - ebenso wie es zur Zeit des römischen Kaisers Diokletian eine reine Formalität war, sich mit ein paar Weihrauchkörnern am staatlichen Kult zu beteiligen, unabhängig vom persönlichen Glauben. Trotzdem nahmen damals zahllose Christen den Märtyrertod auf sich, weil sie diese formale Mitwirkung am Kaiserkult verweigerten.
Joshs Widerstand gegen die Forderung des Professors ist zunächst einmal rein intuitiv: "Ich kann das nicht schreiben". Als er dann doch mit dieser Entscheidung hadert - auch weil er es sich nicht zutraut, im Streitgespräch mit dem Professor vor dem ganzen Auditorium den Standpunkt des Glaubens zu verteidigen -, trifft er auf den oben erwähnten Pfarrer, der ihn auf die Bibelstelle Matthäus 10,32f. verweist: "Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen." Gott will ein klares, eindeutiges und furchtloses Bekenntnis: Das hat Josh bereits intuitiv gespürt, und nun bekommt er es so zu sagen schwarz auf weiß. Aber Reverend Dave weist ihn auch noch auf einen anderen Aspekt hin: das missionarische Potential, das darin liegt, dass der Professor Josh in der Vorlesung über den Glauben sprechen lässt. "Wenn du die Herausforderung annimmst, könnte das [für deine Kommilitonen] deren einzige bedeutende Auseinandersetzung mit Gott und Jesus sein." Schließlich ist Josh erfolgreich: Einer nach dem anderen stehen seine Kommilitonen im Hörsaal auf und bekennen: "Gott ist nicht tot."
Diese Szene ist mit Hollywood-typischem Pathos inszeniert, aber damit endet der Film noch nicht. Leider. Denn so ziemlich alles, was danach kommt, ist ziemlich ärgerlich. Erst einmal ereilt den atheistischen Professor das Gericht: Er wird von einem Auto angefahren und tödlich verletzt, und wie die Vorsehung es will, ist Reverend Dave zur Stelle, der dem sterbenden Professor buchstäblich in letzter Sekunde ein Bekenntnis zu Gott und Jesus Christus abringt, damit er doch noch in den Himmel kommen kann. Man kann sich ausrechnen, dass diese Szene nicht nur auf Atheisten eher abstoßend wirkt. Und dann treffen sich die Protagonisten der verschiedenen Handlungsstränge bei einem Konzert der christlichen Popgruppe The Newsboys. Bombastische Lightshow, Boygroup-Choreographie, pathetischer Plastik-Pop. Uärgh. Auf dem Höhepunkt des Konzerts wird das Publikum dazu aufgerufen, eine Ketten-SMS mit dem Text "Gott ist nicht tot" um die Welt zu schicken, und diese elektronische Botschaft kommt natürlich auch bei Reverend Dave und seinem Kollegen an, die gerade den Professor in ein besseres Jenseits befördert haben, sodass auch dieser tödliche Autounfall irgendwie zum Bestandteil des allgemeinen Happy Ends wird.
Abgesehen von diesem nun wirklich allzu dick aufgetragenen Schluss wurde besonders die Schwarzweißmalerei der Charaktere vielfach kritisiert, und dem kann man kaum widersprechen. An mindestens einer Stelle fand ich zwar, der Film setze einen überraschenden Akzent, aber das war möglicherweise nur ein Missverständnis meinerseits: Ziemlich zu Beginn der Handlung interviewt die eher linksliberal eingestellte Journalistin einen Entenjäger und Händler von Entenjagd-Zubehör, der auch eine eigene Fernsehshow hat -- einen stereotypen Redneck mit Wampe, langem Bart und Stars-and-Stripes-Bandana, dem sie nicht nur vorwirft, sein Geld mit dem Töten unschuldiger Tiere zu verdienen, sondern auch, dass in jeder Folge seiner Show zu Jesus gebetet wird. Der vermeintliche Bauerntölpel macht im Interview eine ziemlich überzeugende Figur - aber was ich erst im Nachhinein herausfand, ist, dass es diesen Typen wirklich gibt, dass er tatsächlich der Star einer Fernsehshow ("Duck Dynasty") ist und in den USA ziemlich populär ist. Für das primäre Zielpublikum des Films dürfte es somit weit weniger überraschend gewesen sein, dass diese vermeintliche Karikatur eines dumpfbackigen, schießwütigen und natürlich tief gläubigen Südstaatlers in der dramaturgischen Logik des Films als Sieger aus der Konfrontation mit der urbanen, aufgeklärten Journalistin hervorgeht.
Wenig überraschend ist weiterhin, dass besonders der Nebenhandlungsstrang um die junge Muslima Kritik auf sich zog: Als ihr Vater herausfindet, dass sie heimlich christliche Predigten hört, verprügelt er sie und wirft sie aus dem Haus. Das sei auf plumpe Art antiislamisch, hieß es. Nun kann man - sollte man wohl auch - einwenden, es sei in der realen Welt keine Seltenheit, dass Muslime, die sich dem Christentum zuwenden, von ihren Familien verstoßen werden oder dass ihnen sogar noch Schlimmeres angetan wird. Aber das wäre vielleicht eher ein Thema für einen eigenen Film gewesen. Als kleiner Nebenstrang, noch dazu in einem Film, in dem es ja eigentlich um den Gegensatz zwischen Glaube und Atheismus und nicht um die Gegensätze zwischen verschiedenen Religionen gehen soll, wirkt diese Episode tatsächlich deplatziert und in ihrer Knappheit arg oberflächlich.
Abschließend ist zu sagen, dass der Film seiner offenkundigen guten Absicht letztlich nicht gerecht wird, und zwar vor allem deshalb, weil er seine Bilder eher mit der XL-Fassadenwalze malt als mit dem feinen Pinsel. Das ist schade, denn gute Ansätze sind ja durchaus vorhanden. Einem christlichen Publikum kann "Gott ist nicht tot" durchaus wertvolle Denkanstöße liefern und zu Diskussionen anregen; hingegen sollte man nicht darauf hoffen, dass er Atheisten, Agnostikern oder religiös Unentschiedenen den Glauben näher bringen könnte. Eher im Gegenteil.