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Sonntag, 31. März 2013

Mit Christus im Jordan stehen

Die Katholische Kirche empfiehlt ihren Gläubigen, regelmäßig zur Beichte zu gehen - auch dann, wenn sie nichts besonders Schwerwiegendes auf dem Kerbholz haben, und wenn doch, dann natürlich erst recht. Insbesondere in der österlichen Bußzeit sind Katholiken zur Beichte aufgerufen. Beliebt ist es, am Nachmittag oder frühen Abend des Karsamstags den Beichtstuhl aufzusuchen, um dann von allen Sünden entlastet an der Osternacht-Liturgie, einschließlich Tauferneuerung, teilnehmen zu können.

Ich muss gestehen: Ich war lange nicht da. Viel zu lange. Das Dumme daran ist: Je länger man es aufschiebt, umso schwerer fällt es. Das ist so ähnlich wie mit dem Zahnarzt. Wenn man aus lauter Angst vor dem Bohrer seine Zahnschmerzen so lange wie nur möglich ignoriert, kann man es irgendwann erleben, dass aus ein bisschen Karies, die schnell und leicht hätte behandelt werden können, eine ausgewachsene Wurzelkanalentzündung geworden ist. Au Backe.

Diesen Karsamstag sollte für mich aber definitiv Schluss sein mit dem leidigen Nicht-zur-Beichte-Gehen. Schließlich haben wir Jahr des Glaubens; und dass wir zudem einen neuen Papst haben, der mit praktisch jeder Amtshandlung den schönen Vers "Siehe, ich mache alles neu" (Offb. 21,5) unterstreicht, trug - in Verbidnung mit Mutter Teresas berühmt gewordener Antwort auf die Frage, was sich in der Kirche ändern müsse: "Sie und ich!" - ebenfalls zu meiner Motivation bei. Wenn ich's erst einmal geschafft habe, mich zu überwinden - so sagte ich mir -, gehe ich in Zukunft regelmäßig. Sagen wir, einmal im Monat. Dann hat man bei jedem einzelnen Mal weniger zu beichten, und es fällt leichter.

Eine geeignete Adresse für mein Vorhaben hatte ich schon vor längerer Zeit, buchstäblich en passant, entdeckt: die Kirche St. Clemens in Berlin-Kreuzberg, in unmittelbarer Nähe des Anhalter Bahnhofs. Eine Kirche, die ziemlich versteckt in einem Hinterhof liegt. Meine Entscheidung, ausgerechnet hier zur Beichte zu gehen, war durch einen Schaukastenaushang neben der Hofeinfahrt veranlasst worden:


Man beachte die unterste Zeile: Beichtgelegenheit täglich von 9-24 Uhr?? Da fällt die Ausrede "Da hab' ich keine Zeit" ja wohl schon mal weg!

Ich ging also hin, am Nachmittag des Karsamstags. Mir war ein bisschen übel. Nicht dass ich besonders spektakuläre Sünden auf dem Gewissen gehabt hätte - ich habe niemanden umgebracht, niemanden bestohlen, niemanden durch Falschaussage in den Knast gebracht -, aber wenn man lange nicht bei der Beichte war, kommt doch so einiges zusammen. Aber genau deswegen war ich ja jetzt hier. - Ich hatte mich schon gefragt, wie das eigentlich praktisch funktioniert, dass hier beinahe rund um die Uhr gebeichtet werden kann. Hatte ich mir vorgestellt, dass es eine imposante Warteschlange vor den immerhin drei Beichtstühlen der Kirche geben würde, dann hatte ich mich jedenfalls getäuscht. In den Kirchenbänken saßen oder knieten einige Menschen in stillem Gebet, ein Priester war nirgends zu sehen. Es dauerte eine Weile, bis ich unweit der Eingangspforte einen Klingelknopf entdeckte: "Wenn Sie einen Priester zu sprechen wünschen (Beichte oder Seelsorgegespräch) und kein Priester in der Kirche anwesend ist, klingeln Sie bitte hier."

Der Priester, der bald darauf erschien und mich in den Beichtstuhl bat, stammte dem Aussehen nach vermutlich aus Südindien oder vielleicht Sri Lanka, sprach etwas gebrochen, aber recht gut verständlich Deutsch und erwies sich als ungemein sanftmütig und geduldig. Geduld brauchte er auch, um sich die Liste meiner Verfehlungen anzuhören. Und als ich endlich fertig war, war das erste, was er sagte:

"Heute ist so ein schöner Tag. Heute stehen Sie mit Jesus Christus im Fluss Jordan."

Ich war so bewegt, ich hätte heulen können. Ich glaube, ich hatte wirklich ein paar Tränen in den Augen. Der Priester wies mich auf das Gleichnis vom Verlorenen Sohn hin: Entscheidend sei nicht die Zahl oder Schwere der Verfehlungen, entscheindend sei die Umkehr.  "Wenn Sie umkehren", sagte er, "gibt Gott Ihnen alles zurück, was Sie verloren haben. Er gibt Ihnen ALLES zurück", wiederholte er eindringlich. Er gab mir noch einige ermutigende Worte und eine - wie ich fand - überraschend leichte Bußübung mit auf den Weg, vergewisserte sich, ob ich alles verstanden hätte, was er gesagt hatte, dann sprach er die Absolutionsformel, und ich war entlassen. Ich kann mich allen Ernstes nicht daran erinnern, wann ich mich das letzte Mal so gut, so (im wahrsten Sinne des Wortes) mit mir im Reinen gefühlt hatte.

Erst kürzlich, am Gründonnerstag, hatte ich im Blog Frischer Wind einen Auszug aus einer Ansprache von Bischof Gianfranco Girotti über das Selbstverständnis und die Aufgaben der Beichtväter gelesen und insgeheim gedacht: So, wie das da dargestellt wird, klingt es ja fast zu gut, um wahr zu sein. Jetzt kann ich sagen: Nein, es ist tatsächlich so.

Bei Nichtkatholiken, und zum Teil wohl auch bei Katholiken, wird die Praxis der Beichte ja vielfach als unverständlich, wenn nicht gar als verdächtig betrachtet. Wie ich u.a. aus persönlichen Gesprächen weiß, herrscht vielfach die Auffassung, in der Beichte würde man so zu sagen sein Sündenkonto wieder auf Null setzen, um anschließend fröhlich weitersündigen zu können, bis das Konto erneut einen kritischen Stand aufweist und man erneut zur Beichte muss. Von Außen betrachtet liegt diese Auffassung ja auch nahe: Den Menschen, der, von der Last seiner Sünden befreit, aus dem Beichtstuhl kommt und fortan nie wieder sündigt, müsste man mir erst mal zeigen. Der Satz Jesu an die Ehebrecherin, die er vor der Steinigung bewahrt hat - "Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!" (Joh 8,11) -, behält aber auch dann sein Gewicht, wenn man weiß, dass man diesem Anspruch niemals völlig gerecht werden kann. Ich möchte sagen: Wenn man das Sakrament der Beichte mit dem nötigen Ernst angeht, kann die Erfahrung der Vergebung einem nicht nur den Willen, sondern auch die Kraft vermitteln, fortan ein besserer Mensch zu sein. Und wer mir das nicht glaubt, der muss es ausprobieren...

In diesem Sinne: Ein frohes Osterfest!

Donnerstag, 21. März 2013

Und noch ein Song...

Da man Ankündigungen ja möglichst rasch Taten folgen lassen sollte, hier gleich noch eine weitere Songtext-Umdichtung aus meiner Feder:

Dumm wie Brot
(nach "Cold As Ice" von Foreigner)

Du bist dumm wie Brot
Du hast mit dem Denken Not
Du nervst!

Du bist dumm wie Brot
Ich geb' dir hier Sprechverbot
Ab Herbst!

Ich hab' dir das alles doch schon mal erklärt
Doch du hast mir wieder mal nicht zugehört
Du peilst einfach nichts, dein Hirn gleicht 'nem Sieb
Das ist es, warum ich dies Lied für dich schrieb!

(Solo!)





(Für die weiteren angekündigten Songtexte werde ich vermutlich allerdings länger brauchen... Davon abgesehen ist demnächst erst mal wieder Pope-Content an der Reihe!)

Winterlicher Eichhörnchen-Song

Vorgestern hat mich Bloggerkollegin Claudia mit ihrer auf Facebook geposteten, nicht ganz neidfreien Beobachtung, dass Eichhörnchen trotz sehr fetthaltiger Ernährung  stets schlank und anmutig bleiben, zu einer Umdichtung des NDW-Klassikers "Eisbär" von Grauzone inspiriert, die ich nun auch meinen Bloglesern nicht vorenthalten mag...:

Ich möchte ein Eichhorn sein
Im kalten Berlin
Dann fiele mir nicht mehr ein
Zu zähl'n die Kalorien.

Eichhörn' müssen
Nie fasten.

Eichhörn' müssen
Nie fasten.

Und jetzt alle...!



Weiterhin in Vorbereitung: "Dick im Geschäft" (nach "Big In Japan" - Alphaville); "Dumm wie Brot" (nach "Cold As Ice" - Foreigner); "Auf dem Weg nach Hohenschönhausen" (nach "Alles wird gut" - Die Toten Hosen); und last not least die plattdeutsche Version von Lenny Kravitz' "Always On The Run" - Arbeitstitel: "Jümmers up'n Swutsch"! Stay tuned!

Sonntag, 17. März 2013

Geh spielen!

Heute mittag stellte ich fest, dass Papst Franziskus den Twitter-Account seines Vorgängers übernommen und seinen ersten "Tweet" abgesendet hatte. Ich verfasste daraufhin umgehend selbst eine Kurzmitteilung, um meine "Follower" (wie das bei Twitter etwas hochtrabend heißt) auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. Minuten später erhielt ich diese Reaktion:


Aha. Erst einmal war ich reichlich perplex. Las den kurzen Text mehrmals, um mir darüber klar zu werden, was der Absender von mir wollte. Dem Wortlaut nach sind die "Kinderschänder", die sich schämen sollen, offenbar der Papst und ich. Da befinde ich mich ja immerhin in guter Gesellschaft. Gleichzeitig sollen wir aber auch die "Täter" (Moment: Sind wir das nicht selber??) "bestrafen", und zwar "rückwirkend" - letzteres eine Forderung, die ich durchaus fair finde, sehr viel rechtsstaatlicher jedenfalls, als es bereits im Voraus zu tun -, und die Opfer entschädigen, und zwar "großzügig". Nun, meine Mittel sind leider sehr begrenzt - aber zum Glück gibt es ja noch die geschätzten 1,8 Fantastilliarden Euro (oder Dollar?) Kirchenvermögen. Wenn die der Papst nur nicht voreilig an die Armen der Welt verschenkt.

Nun wollte ich aber doch mal sehen, wer das ist, der mir so etwas schreibt. Ein Blick auf Rogers Profil wies ihn unverkennbar als Anhänger des Genres "Empörungstweet" aus, zu dessen hervorstechendsten Stilmerkmalen die ausschließliche Verwendung von Großbuchstaben (was gemäß allgemeiner Netzgepflogenheiten als SCHREIEN zu verstehen ist) und das Fehlen von Satzzeichen (mit Ausnahme von dafür gern mehrmals hintereinander verwendeten Ausrufezeichen) zählen. Dem Thema Kindesmissbrauch gilt Rogers Empörung in bevorzugtem Maße; annähernd gleich lautende Tweets wie an mich hat er zuvor bereits an den Papst, die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und sogar an Phoenix geschickt. Ein persönlich Betroffener? - Wissen kann man's natürlich nicht; bei der erschreckend hohen Zahl von Kindesmissbrauchsfällen kann man es nicht ausschließen, dass unter denen, die sich in der digitalen Öffentlichkeit über dieses Thema echauffieren, viele direkt oder indirekt Betroffene sind. Aber irgendwie glaube ich das in diesem und vielen ähnlichen Fällen nicht so recht. Eher neige ich zu der Annahme, wer - aus der Opferperspektive - nur allzu genau weiß, wovon er redet, wird nicht so schnell mit pauschalen Anschuldigungen gegen alle und jeden (wie z.B. den Papst und meine Wenigkeit) bei der Hand sein.

Bei Roger kommt noch hinzu, dass er in nahezu identischem Tonfall auch über eine Reihe anderer Themen vom Leder zieht. Einen Talkshowauftritt des zwielichtigen Finanzmaklers Carsten Maschmeyer kommentiert er mit den Worten: "WEG MIT DEM BETRÜGER!! UND DER SETZT SICH NOCH INS FERNSEHEN DER GANGSTER!! BRAVO #NDR UND #JAUCH :( SCHÄMT EUCH IHR LOOSER!". Erste Vorzeichen des kommenden Bundestagswahlkampfs veranlassen ihn zu der Einlassung: "HAHA WIE DUMM MUSS MAN SEIN,DARAUF NICHT REIN ZU FALLEN!WOLLEN DIE PARTEIEN WIEDER GELD EINTREIBEN UND DIE MENSCHEN VERAR...". Als die CDU/CSU-Bundestagsfraktion anmerkt, die Finanzkrise sei "auf Zypern in erster Linie eine Bankenkrise", poltert er: "SORRY NICHT NUR AUF ZYPERN!WAR DOCH KLAR DASS DIESE KORRUPTEN TYPEN JETZT VERSUCHEN IHR ERGAUNERTES GELD IN SICHERHEIT ZU BRINGEN". Über die Bahn beklagt er sich wie folgt: "ABZOCKER VEREIN !!!! ZU TEUER! SCHEIß SERVICE! UNPÜNKTLICH! VERDECKTE ZÜGE! UNFREUNDLICHES PERSONAL! DRECKS BAHNHÖFE!" Und dem Spitzenkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, schreibt er ins Stammbuch: "IHR HABT HARZ IV UNTERSTÜTZT!DURCH EUCH SIND MENSCHEN IM KRIEG GETÖTET WORDEN!IHR SEID AUCH NUR MACHT GEIL! SCHÄMT EUCH ALLE!!!!" (Man sieht, Scham ist ein wichtiges Thema für Roger. Auch oder gerade weil er selbst anscheinend über nicht viel davon verfügt.)

Ein ausgewachsener Troll also, der zu allem eine Meinung und von nichts eine Ahnung hat? Nun ja: Troll schon, ausgewachsen wohl nicht. In einem seiner wenigen freundlichen Tweets liest man:

"Hey liebes @phoenix_de Team.Ich bin 9 Jahre alt aber für mich seid ihr mein Sender Nummer1".[...]

Ah ja.


Samstag, 16. März 2013

In den Schuhen des Fischers

Aufregende Tage haben wir hinter uns! Für mich war es erst das zweite Konklave, das ich bewusst miterlebt habe - 1978 war ich noch deutlich zu jung, um irgendetwas vom Weltgeschehen mitzubekommen. Aber auch das Konklave von 2005 habe ich längst nicht so intensiv verfolgt wie das diesjährige. Nicht dass es mich weniger interessiert hätte, aber inzwischen stehen mir einfach andere Möglichkeiten zur Verfügung - dank der Vernetzung mit anderen Bloggern, dank Facebook, Twitter und vor allem dank der Errungenschaft eines mobilen Internetzugangs. Angesichts solcher Informationsquellen fiel auch mein Entschluss zum "Medienfasten" nicht sonderlich ins Gewicht - oder genauer gesagt: Ich war sogar ganz froh darüber, gar nicht erst zu Gesicht zu bekommen, was SPIEGEL, Stern, BILD, taz und Konsorten so alles über die Papstwahl zu sagen hatten. Von Wahlprognosen und sonstigen Spekulationen im Zusammenhang mit dem Konklave habe ich trotzdem noch mehr als genug mitbekommen - aber immerhin ausschließlich aus ausgewählten Quellen.

Interessant an den diversen Spekulationen über den zu erwartenden Wahlausgang war Verschiedenes - neben der Tatsache, dass sie sich allesamt als falsch herausstellten. Dass man nicht allzu viel auf solche Voraussagen geben konnte, zeigte sich ja schon daran, wie widersprüchlich die verschiedenen Einschätzungen waren - nicht nur hinsichtlich der Namen, die genannt wurden, sondern auch hinsichtlich der Kriterien für die Wahl eines neuen Papstes: Italiener oder Nichtitaliener sollte er sein, jung oder alt, aus der Kurie oder nicht aus der Kurie, dem Vorgänger möglichst ähnlich oder möglichst unähnlich. Selbst da, wo dieselben "Kandidaten" favorisiert wurden - kurz vor Beginn des Konklaves hatten sich die meisten Medien offenbar auf die Kardinäle Scola (Mailand) und Scherer (Sao Paulo) als Topfavoriten geeinigt -, herrschte heillose Unklarheit darüber, wofür diese Kandidaten eigentlich stehen bzw. was jeweils für oder gegen ihre Wahl sprach. Den einen galt Scola als der in Kontinuität zu Benedikt XVI. stehende Konservative und Scherer als der moderate Erneuerer, die anderen urteilten, Scherer sei der Kandidat der Kurie und Scola der Favorit jener Kardinäle, die eine Reform (oder auch "Entmachtung") der Kurie anstrebten. Den Gipfel der Hilflosigkeit markierte ein Artikel - Quelle kann ich hier nicht angeben, habe ich vergessen -, in dem Kardinal Scola als "konservativ und volksnah", Kardinal Scherer dagegen (!) als "konservativ, aber auch weltoffen" beschrieben wurde. Vielleicht liegt's an mir, aber der diametrale Gegensatz zwischen Volksnähe und Weltoffenheit erschließt sich mir nicht ganz.

Bemerkenswert war auch, wie unterschiedliche Erwartungen an den neuen Papst aus Stellungnahmen aus Deutschland und aus dem Rest der Welt sprachen, wenn es etwa um notwendige Refomen in der Kirche ging. In der deutschen Öffentlichkeit scheint man bei diesem Stichwort in erster Linie an die Klassiker "Zölibat, Frauenpriestertum, Haltung zu Verhütung, Abtreibung, Homosexualität, Ehescheidung" zu denken, während in der internationalen Presse eher an strukturelle und/oder personelle Veränderungen in der Kurie gedacht wurde. Welche dieser Auffassungen mich mehr langweilt, dürfte auf der Hand liegen, aber wenn die letztere Einschätzung dahingehend zugespitzt wird, dass die letzten drei bis vier Päpste von mafiösen Seilschaften in der Kurie am Gängelband gehalten worden seien, dann wird mir auch das zu bunt - ist es etwa nicht der jeweilige Papst selbst, der die Ämter in der Kurie vergibt?

Einschlägige Verschwörungstheorien der Art, im Vatikan tobe ein Machtkampf zwischen Opus Dei und Comunione e Liberazione (oder wahlweise anderen geistlichen Gemeinschaften, besser bekannt als "Geheimbünde" und "klerikale Mafias"), habe ich dankenswerterweise kaum gelesen, aber vielleicht habe ich das auch nur meinem "Medienfasten" zu verdanken.

Noch eine Beobachtung, die ich nicht unerwähnt lassen möchte: In den hiesigen Medien wurde und wird ja immer wieder der Ansicht Ausdruck gegeben, da alle wahlberechtigten Kardinäle entweder von Johannes Paul II. oder, "schlimmer" noch, von Benedikt XVI. ernannt wurden, sei das gesamte Kardinalskollegium erzkonservativ. Umso bemerkenswerter fand ich es, auf Äußerungen von ausgeprägt traditionalistisch gesonnen Katholiken zu stoßen, die einen großen Teil der Kardinäle (darunter so gut wie alle als "papabile" gehandelten) als viel zu liberal einstuften. Exemplarisch sei auf einen Artikel des englischsprachigen Blogs Rorate Caeli verwiesen, der sich in erster Linie gegen Kardinal Dolan richtete (jetzt kann ich's ja sagen: Der war im Grunde mein persönlicher Favorit, auch wenn ich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft damit gerechnet habe, dass er gewählt würde): Den Artikel ziert ein Foto, das den New Yorker Erzbischof, lauthals lachend, neben dem leibhaftigen Antichristen (= Obama) zeigt. Das Bild wurde während einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Waldorf-Astoria-Hotel am 18.10.2012 aufgenommen, und auf der anderen Seite neben Kardinal Dolan saß Mitt Romney - aber den hat man bei Rorate Caeli aus dem Bild 'rausgeschnitten... Die Kommentare zum Artikel weiteten die Kritik an Dolan allerdings auf eine Reihe anderer Kardinäle aus, auch der Name Bergoglio wurde genannt.

Wie dem auch sei: Nachdem schon während des Vorkonklaves meine gespannte Erwartung praktisch von Stunde zu Stunde angewachsen war, war bei mir ab Dienstag früh "Extreme-Konklave-Mitfiebering" angesagt. Obwohl der Einzug in die Sixtinische Kapelle ja erst am Nachmittag anstand und im ersten Wahlgang ohnehin noch nicht ernsthaft mit einer Entscheidung zu rechnen war, stand ich extra früh auf, um mich frühzeitig "in Stimmung zu bringen" - und verbrachte den Tag so zu sagen mit dem Mobilgerät in der einen und dem Rosenkranz in der anderen Hand. Es war eine verblüffende Erfahrung für mich, was für ein intensives Gemeinschaftsgefühl mit Menschen, die ich zum größten Teil nur "virtuell" kenne, dadurch erzeugt wurde - und das setzte sich am Mittwoch natürlich fort bzw. intensivierte sich noch. Besonders - so albern das vielleicht klingt - als sich am Nachmittag diese Möwe am Schornstein der Sixtinischen Kapelle niederließ. Was diese Möwe allein auf Twitter an launigen Kommentaren und wohl überwiegend nicht ganz ernst gemeinter Zeichendeuterei auslöste, spottet jeder Beschreibung - binnen Kurzem hatte die Möwe ihren eigenen Twitter-Account, und findige Twitterer gingen rasch sämtliche Kardinalswappen durch, um zu überprüfen, wer da alles einen irgendwie möwenähnlichen Vogel im Wappen trägt. Bei all diesen Späßen war es aber nicht zu verkennen, dass eine enorme Spannung in der Luft lag: Auch wenn man nun nicht unbedingt der Meinung sein muss, der Heilige Geist habe sich hier ausnahmsweise mal in Gestalt einer Möwe statt einer Taube materialisiert, war das Gefühl, dass gerade etwas passiert - etwas Wesentliches -, mit Händen zu greifen. Und dann stand der fünfte und letzte Wahlgang des Mittwochs an. Obwohl ich noch kurz zuvor überzeugt gewesen war, das Konklave würde sich noch länger hinziehen, hatte ich die geradezu unheimlich intensive Ahnung: Jetzt fällt eine Entscheidung. Ich rang mit mir, ob ich den Rauch abwarten oder, wie eigentlich geplant, in die Abendmesse gehen solle, entschied mich dann aber für Letzteres. Da es nach dem dritten Wahlgang ja früher als erwartet schwarzen Rauch gegeben hatte, dachte ich noch, vielleicht geht's diesmal ja auch wieder so schnell, und trödelte auf dem Weg zur Kirche ein wenig, weil ich alle soundsoviel Schritte "mal kurz" auf mein Mobilgerät schauen "musste". Jedoch: nada. Nun war mir klar, dass es völlig inakzeptabel gewesen wäre, die Messe mit dem Mobilgerät in der Hand mitzufeiern, aber ich legte es - lautlos geschaltet - neben mir auf die Bank. Und als ich unmittelbar nach den Fürbitten einen raschen Blick darauf warf, las ich es:

"Weißer Rauch!"

Ich kann gar nicht mit Worten beschreiben, in was für eine Erregung mich das versetzte. Am liebsten wäre ich sofort auf den Pfarrer zugegangen und hätte ihn ersucht, im Hochgebet für den neuen Papst zu beten, auch wenn dessen Name noch nicht bekannt sei. Ich ließ es dann aber sein und wartete das Ende der Messe ab, ehe ich dem Pfarrer und der Gemeinde die große Neuigkeit mitteilte. Und dann beeilte ich mich, einen Computerbildschirm zu erreichen, um mir den ersten Auftritt des neuen Papstes anzusehen (Livestream kann mein Mobilgerät nicht).

Ich kam noch rechtzeitig. Als Kardinalprotodiakon Tauran den (latinisierten) Vornamen des gewählten Kardinals nannte, hatte ich keine Ahnung, wer das sein sollte. Jedenfalls keiner von den überall genannten Favoriten, keiner meiner persönlichen Lieblingskardinäle, auch keiner von meiner "lieber-nicht-Liste" (ja, ich muss es gestehen, auch eine solche hatte ich). Als dann, eine gefühlte Ewigkeit später, der Nachname genannt wurde, war ich extrem verblüfft - aber das ging in diesem Moment wohl annähernd der ganzen Welt so. Und die Verblüffung wuchs bei der Nennung des Papstnamens: Franziskus.

Binnen Kurzem wich meine Verblüffung einer unbändigen Freude. Dass in so vergleichsweise wenigen Wahlgängen ein Papst gewählt worden wurde, den so gut wie keiner der "Experten" auf der Rechnung gehabt hatte, sah ich als ermutigendes Zeichen, dass all jene, die im Konklave eine rein politische Wahl oder gar ein von ganz diesseitigen Machtinteressen gelenktes Intrigenspiel sehen wollten, falsch gelegen hatten und dass hier ganz unmittelbar der Heilige Geist gewirkt hatte. Erzsympathisch war mir Papst Franziskus auf den ersten Blick obendrein. Für den Rest des Abends war ich in ausgezeichneter Stimmung.

Am nächsten Tag kam ich  trotz weiteren Festhaltens am Medienfasten nicht umhin, die ersten Reaktionen auf das Wahlergebnis zumindest ausschnittsweise wahrzunehmen. Viel Freude über den neuen Papst, aber auch schon erste zum Teil scharfe Kritik. Auf unschöne Weise bezeichnend fand ich es, dass im rasch von "Jorge Mario Bergoglio" zu "Franziskus (Papst)" umbenannten deutschsprachigen Wikipedia-Artikel die Abschnitte über seine Positionen zur Sexualmoral (hätte da ein schlichtes "bekennt sich zur Lehre der Katholischen Kirche" nicht genügt bzw. wäre streng genommen selbst dies überflüssig gewesen?) und vor allem über sein Verhalten während der Militärdiktatur in Argentinien buchstäblich über Nacht erheblich ausgebaut worden waren. Negative Urteile über Papst Franziskus wurden aber auch auf ganz anderer Seite laut, nämlich bei einem Teil der konservativen bzw. traditionalistischen Katholiken. Dass der neue Pontifex in schlichter weißer Soutane, ohne Mozetta, auf die Loggia getreten war; dass er sich die Stola nur zur Erteilung des Apostolischen Segens von Zeremonienmeister Marini umhängen ließ und danach sofort wieder abnahm; dass er keine roten Schuhe trug; dass er einen noch nie dagewesenen Papstnamen gewählt hatte; dass er zusammen mit den Kardinälen im Bus zurück in seine Unterkunft fuhr, statt die bereit stehende Dienstlimousine zu nutzen; dass er tags darauf persönlich sein Gepäck aus dem Hotel abholte und die Rechnung aus eigener Tasche bezahlte - all das erschien einigen Beobachtern als eklatante Entwürdigung des Papstamtes. Bedenklich erschien es Manchen auch, dass Franziskus sich in seiner ersten Ansprache ausdrücklich als "Bischof der Diözese Rom" bezeichnete - wollte bzw. will er womöglich gar kein Papst in dem Sinne sein, wie es seine Vorgänger waren?

Es fällt auf, dass dies just dieselben Punkte sind, die den neuen Papst großen Teilen der Weltöffentlichkeit gerade sympathisch machen. Insbesondere scheinen "liberale Katholiken", denen Papst Benedikt XVI. von jeher zu konservativ und traditionsaffin gewesen war, in Papst Franziskus einen Hoffnungsträger zu sehen. Ich kann nicht verhehlen, dass beide Reaktionen mich irritieren. Auf der einen Seite: Dass Papst Franziskus in seinen ersten Auftritten einen erheblich anderen persönlichen Stil pflegt als sein(e) Vorgänger - was durchaus auch auf ein anderes Amtsverständnis schließen lassen kann (aber vielleicht nicht muss; darauf komme ich noch zurück), ist natürlich gewöhnungsbedürftig, besonders für ausgesprochene Verehrer Benedikts XVI., zu denen, siehe hier, auch ich mich zähle. Aber sollte man von gläubigen Katholiken, die bisher großen Wert auf ihre Papsttreue gelegt haben, nicht erwarten, dass sie diese Treue auch dem neuen Papst zuteil werden lassen - und dass sie darauf vertrauen, dass der Heilige Geist die Kardinäle in ihrer Wahlentscheidung recht geleitet hat? Oder erwägen einige Traditionalisten nun doch, dass an der im Vorfeld des Konklaves kolportierten obskuren Privatoffenbarung, derzufolge der Nachfolger Benedikts XVI. der mit dem Antichrist im Bunde stehende falsche Prophet der Apokalypse sein werde, etwas dran sein könnte? - Auf der anderen Seite: Was sagt es über das Verhältnis "liberaler Katholiken" zu ihrer Kirche aus, wenn sie lautstark darauf hoffen, dass der neue Papst möglichst alles ganz, ganz anders machen werde als seine Vorgänger?

Ich bin gewiss nicht der einzige, der sich in den wenigen Tagen seit dem Amtsantritt Papst Franziskus' zuweilen an den Film In den Schuhen des Fischers (1968) erinnert gefühlt hat, in dem Anthony Quinn einen unkonventionellen und radikalreformerischen Papst spielt. So einige der oben angesprochenen Gesten des neuen Papstes, die so kontrovers aufgenommen wurden, könnten direkt aus diesem Film stammen (womit ich Franziskus keinesfalls unterstellen will, er orientiere sich tatsächlich an diesem Vorbild). Der Film endet damit, dass Papst Kyrill verkündet, den gesamten Besitz der Kirche an die Armen der Welt zu verschenken. Mir scheint, manche enthusiastischen Anhänger des neuen Papstes erwarten praktisch stündlich von Franziskus, dass er dasselbe tut. Stellt nicht schon seine Namenswahl ein klares Bekenntnis zur Armut dar, hat er nicht in seiner ersten Audienz von seinem Ideal einer "armen Kirche" gesprochen?

Nun, wir werden ja sehen, was er tut, wie er sich eine "arme Kirche" konkret vorstellt und wie er diese Vorstellung zu verwirklichen gedenkt. Ich für meinen Teil möchte zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht ausschließen, dass jene, die in Franziskus einen Hoffnungsträger der Liberalen sehen, sich auch ganz erheblich irren könnten. Seine persönliche Bescheidenheit, sein demütiges und zugleich jovial-herzliches Auftreten lassen noch nicht zwingend darauf schließen, dass er, wie ich gestern in einem "Experten"-Interview las, ein "nicht-machthaberischer" Papst sein wird, der sein Amt eher als "primus inter pares" der Bischöfe denn als alleiniges Oberhaupt der Weltkirche ausübt. Gerade aus den überraschenden Akzenten, die er bei seinen ersten Auftritten gesetzt hat, spricht schließlich nicht nur Demut und Bescheidenheit, sondern zugleich auch eine große Entschlossenheit und Durchsetzungskraft. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Zeitspanne vom weißen Rauch bis zum Auftritt auf der Loggia u.a. auch deshalb so lang war, weil Zeremonienmeister Marini ihn beharrlich zum Anlegen der Mozetta bewegen wollte und er dies ebenso beharrlich ablehnte. Am Ende setzte er sich durch. Genauso kann ich mir auch in Zukunft Situationen vorstellen, die, salopp ausgedrückt, in etwa so ablaufen:

"Das kannst du doch nicht machen!" -
"Doch, das kann ich. Ich bin Papst!"

Um welche Entscheidungen es da gehen wird, bleibt, wie gesagt, abzuwarten. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass er zumindest in Teilaspekten eine weit konservativere Agenda hat, als die Liberalen unter seinen Verehrern hoffen und die Traditionalisten unter seinen Kritikern befürchten. Sieht man sich seine ersten als Papst gehaltenen Predigten und Ansprachen an, dann sieht man: Er spricht von Neuevangelisierung, von Entweltlichung - beides Anliegen, die auch Benedikt XVI. wichtig waren! -, vom Bekenntnis zum Kreuz, und er warnt in starken Worten vor dem Teufel - von dessen tatsächlicher, nicht nur sprichwörtlicher Existenz heute doch kaum noch jemand sprechen zu mögen scheint. Dass er für sich persönlich offenbar keinen großen Wert auf Zeremoniell, Prunk und Pomp legt, mag man aus ästhetischer Sicht oder auch aus fundamentaleren Gründen (Würde des Amtes etc.) bedauern, aber die Welt - oder die Katholische Kirche - geht davon gewiss nicht unter.

Papst Franziskus hat bereits bei seinem allerersten Auftritt darum gebeten, dass man für ihn beten möge, und diese Bitte seitdem mehrfach wiederholt. Ich denke, genau das sollten wir tun - und darauf vertrauen, dass der Heilige Geist ihn in seiner Amtsführung lenken und leiten wird. Auf Überraschungen sollten wir uns dabei auf jeden Fall gefasst machen. Und daran denken, dass Überraschungen deshalb Überraschungen heißen, weil sie etas Anderes sind als das, was man erwartet...

Donnerstag, 7. März 2013

Gib es zu, du hast die neue Heino-Scheibe gehört

Zu den interessantesten Menschen in meinem Bekanntenkreis gehört zweifellos der weithin unterschätzte Popkultur-Sachverständige Bong Boeldicke. Wobei, "unterschätzt" ist nicht das richtige Wort: Er ist einfach nur zu wenig bekannt. Wer ihn kennt, unterschätzt ihn gewiss nicht. Ich habe Bong Boeldicke als Mitglied der Künstlergruppe Die tönenden Hörlinge kennengelernt, aber er war auch schon Popkultur-Sachverständiger, da lag ich noch als Quark im Schaufenster. Um seine Punk-Vergangenheit (er war Mitglied der Band Die frustrierten Konsumenten) ranken sich Legenden. In New York setzte er sich - aus bizarren Gründen ohne Schuhe - dem riskanten Selbstversuch aus, einem Konzert der Gruppe Throbbing Gristle beizuwohnen, deren erklärtes Ziel es war, mit ihrer Musik die Psyche ihrer Zuhörer zu zerstören. Er war ein großer Anhänger der Einstürzenden Neubauten, sagte sich aber nach diversen Enttäuschungen von ihnen los. Vor seinem Einstieg bei den Tönenden Hörlingen trat er u.a. mit den legendären Surfpoeten auf und war Mitglied des kaum weniger legendären Künstlerkollektivs Uschi 66. Seine Beiträge zu den Live-Programmen der Hörlinge (zu denen ich meist Lesungen von Kurzprosa-Texten wie diesem und diesem beisteuere) bezeichnet er als "Impulsreferate mit Hörbeispielen". Sie sind stets ebenso lehrreich wie unterhaltsam. In seinem bislang letzten "Impulsreferat" schlug er einen eleganten Bogen von John Cages nur aus Pausen bestehender Klavierkomposition 4'33'' über Brian Enos mehr oder minder durch Zufall inspirierter Erfindung der Musikrichtung Ambient bis hin zu Musikstücken, die zur Gänze aus Wassergeräuschen oder den Schlüpfgeräuschen von Kaulquappen komponiert sind. Als ich während der Generalprobe den Vorschlag machte, das Fenster zu schließen, da ich die Geräusche der vorbeifahrenden S-Bahn als störend empfand, wandte er ein: "Nein, das ist Illbient. Das muss so sein."

So war ich einigermaßen überrascht, als Bong Boeldicke mir letzten Sonntag - beim Kaffeetrinken mit einer gemeinsamen Künstlerfreundin - engagiert mitteilte: "Die neue Heino-Scheibe ist ein absolutes Must-Have!"

Nun lebe ich ja nicht hinterm Mond und hatte folglich über Heinos aktuelles Album Mit freundlichen Grüßen - Das verbotene Album, auf dem er Songs der Ärzte, der Fantastischen Vier, Rammstein und anderer covert, schon so einiges gehört und gelesen. Für ein paar Wochen war das Thema ja geradezu allgegenwärtig gewesen. Der allgemeine Tenor der Äußerungen, die mir zu Ohren oder zu Gesicht gekommen waren, hatte allerdings in etwa gelautet: "Ist ja eine ganz lustige Idee, aber anhören kann man sich das nicht."

Bong Boeldicke schien anderer Meinung zu sein. Er strahlte richtig, als er vom neuen Opus des dunkel bebrillten Barden von Bad Münstereifel sprach. Dass man diesen Heino-Enthusiasmus von ihm kaum erwartet haben würde, war ihm durchaus bewusst. "Da stehe ich im MediaMarkt", berichtete er schmunzelnd, "und höre mich fragen: 'Haben Sie die neue Heino?'" Die Antwort habe gelautet: "Schau'n Sie mal in der und der Ecke, vielleicht haben wir noch'n paar Stück." Tatsächlich waren von dem Stapel Heino-CDs gerade noch fünf Exemplare vorhanden. "Anschließend hab' ich mir gleich erst mal die Bild der Frau gekauft", fügte Bong hinzu, "für weitere Informationen." (Zum Beispiel darüber, welchen Anteil Heinos Frau Hannelore am Entstehungsprozess des Albums gehabt hat.)

"Allein das Coverfoto ist ja schon brillant", schwärmte er weiter. "Mit diesem Totenkopfring... Und er zeigt nicht etwa den Stinkefinger, sondern nur die Faust. Er disst jetzt die, die immer ihn gedisst haben. Er hat die Kunst des Zurück-Dissens entdeckt!" - Ich räumte ein, dass ich diese Selbst-Neuerfindung der alten Kitsch-Ikone Heino, und gerade auch das öffentliche Echo darauf, als mediales Phänomen ausgesprochen interessant finde, fragte jedoch skeptisch: "Aber kann man sich das auch anhören?" Bong bejahte dies emphatisch - schränkte dann allerdings ein: "Also, sich das ganze Album anzuhören, ist schwer. So weit trägt das Konzept nicht, nach ein paar Nummern wird der Rest vorhersehbar. - Man müsste mal eine Compilation machen", sinnierte er. "Eine Compilation mit legendären Stimmen. Jim Morrison... Ian Curtis vielleicht... John Cale könnte man mit 'reinnehmen. Und dazu Heino. Der hat eine große Stimme, hat er schon immer gehabt. Und man braucht solche großen Stimmen, um auf einer Compilation mit ihm mithalten zu können."

Etwas später stellte Bong Boeldicke uns dann das Konzept für sein nächstes "Impulsreferat" vor. "Das Thema ist Identitätswechsel und popkulturelle Wunschidentität - von David Bowie über Klaus Nomi bis zu Genesis Breyer P-Orridge. Und dazu Heino. So ein bisschen am Rande. Heino unter Gender-Aspekten. Kann man machen." Nachdenklich fügte er hinzu: "Ich hab' da noch so'ne Platte, da wird auf Hüftknochen gespielt. Ausschließlich auf menschlichen Hüftknochen. Die könnte man im Hintergrund laufen lassen."

Ich muss sagen: Ich bin gespannt...

Dienstag, 5. März 2013

Die kluge Bauerntochter und die Homo-Ehe

Der einst als konservative Hardliner verschrieene Wolfgang Schäuble plädiert neuerdings für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Warum? Weil die CDU, wenn sie Volkspartei bleiben wolle, "veränderte Realitäten zur Kenntnis nehmen" müsse. Nun gut: Das Zur-Kenntnis-Nehmen von Realitäten ist stets ratsam, nicht nur in der Politik; und seine Meinung zu ändern, ist an und für sich auch nichts Ehrenrühriges. Letzteres scheint aber - gerade in der Politik - Mancher zu glauben oder zu fürchten: Eine Meinungsänderung kommt dem Eingeständnis nahe, sich in der Vergangenheit geirrt zu haben. Das ist für Politiker nicht unproblematisch. Da sagt man dann lieber, nein, nicht die Meinung (die eigene oder gar die der angepeilten Wählerschaft) habe sich geändert, sondern die Realitäten. - Aber was für Realitäten sollen das denn sein, die sich in einer Weise geändert haben, dass es früher richtig war, gegen die Homo-Ehe zu sein, und jetzt richtig ist, dafür zu sein?

Als sehr lehrreich in Hinblick auf diese Frage empfinde ich eine Passage des Grimmschen Märchens "Die kluge Bauerntochter" (KHM 94), die ich hier der Einfachheit halber mal wörtlich zitieren möchte:

"Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr König einmal auf die Parade zog, da trug es sich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft; etliche hatten Ochsen vorgespannt, und etliche Pferde. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein junges Füllchen, das lief weg und legte sich mitten zwischen zwei Ochsen, die vor dem Wagen waren. Als nun die Bauern zusammenkamen, fingen sie an sich zu zanken, zu schmeißen und zu lärmen, und der Ochsenbauer wollte das Füllchen behalten und sagte, die Ochsen hättens gehabt: und der andere sagte nein, seine Pferde hättens gehabt, und es wäre sein. Der Zank kam vor den König, und er tat den Ausspruch, wo das Füllen gelegen hätte, da sollt es bleiben; und also bekams der Ochsenbauer, dems doch nicht gehörte. Da ging der andere weg, weinte und lamentierte über sein Füllchen. Nun hatte er gehört, wie daß die Frau Königin so gnädig wäre, weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen wäre: ging er zu ihr und bat sie, ob sie ihm nicht helfen könnte, daß er sein Füllchen wiederbekäme. Sagte sie 'ja, wenn Ihr mir versprecht, daß Ihr mich nicht verraten wollt, so will ichs Euch sagen. Morgen früh, wenn der König auf der Wachtparade ist, so stellt Euch hin mitten in die Straße, wo er vorbeikommen muß, nehmt ein großes Fischgarn und tut, als fischtet Ihr, und fischt also fort und schüttet das Garn aus, als wenn Ihrs voll hättet,' und sagte ihm auch, was er antworten sollte, wenn er vom König gefragt würde. Also stand der Bauer am andern Tag da und fischte auf einem trockenen Platz. Wie der König vorbeikam und das sah, schickte er seinen Laufer hin, der sollte fragen, was der närrische Mann vorhätte. Da gab er zur Antwort 'ich fische.' Fragte der Laufer, wie er fischen könnte, es wäre ja kein Wasser da. Sagte der Bauer 'so gut als zwei Ochsen können ein Füllen kriegen, so gut kann ich auch auf dem trockenen Platz fischen.'"
Dem Bauern im Märchen bekommt sein geborgter Fürwitz freilich schlecht, er wird verhaftet und gefoltert, bis er verrät, wer ihm den Rat zu dieser Demonstration gegeben hat. Heutzutage müssten unsere Könige vermutlich zu keinen solchen Zwangsmaßnahmen greifen; die öffentliche Meinung würde dem Bauern schon von allein heftig genug ins Gesicht schlagen. Reaktionär sei seine Auffassung, würde es heißen; sie verrate Bovophobie, ja geradezu einen pathologischen Hass auf Ochsen. Dass ein Ochsenpaar sehr wohl ein Fohlen zur Welt bringen könne, würden die erbosten Mitbürger nun wohl nicht direkt behaupten wollen, allerdings aber, dass ein Ochsenpaar dasselbe Recht auf ein Fohlen habe wie ein Pferdepaar. Weil der vermeintliche Unterschied zwischen Pferd und Ochse ohnehin nur auf überkommenen gesellschaftlichen Konventionen beruhe, die es endlich zu überwinden gelte - auch und nicht zuletzt im Interesse des Fohlens, damit es sich, wenn es groß werde, selbst entscheiden könne, ob es ein Pferd oder ein Ochse werden will.

Veränderte Realitäten? Ich sehe da eher eine schwindende Bereitschaft, unveränderte Realitäten als solche anzuerkennen...

(Disclaimer: Da mir erst jüngst - übrigens aufgrund von Äußerungen, die mit dem Thema Homosexualität überhaupt nichts zu tun hatten - "Schwulenfeindlichkeit" unterstellt wurde, möchte ich vorsorglich darauf hinweisen, dass mit diesem Artikel keine "homophobe" Tendenz beabsichtigt ist. Ich bin allerdings auch nicht der Meinung, dass die - im Grundgesetz verankerte - Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens "schwulenfeindlich" ist. Gegenteilige Meinungen sind mit bekannt und achte ich. -- Allzu detailliert allegorisch ausdeuten sollte man meinen Vergleich mit dem Märchen übrigens möglichst auch nicht.)

Sonntag, 3. März 2013

Täter, Opfer, Suppe

Als ich heute vormittag die Benachrichtigung erhielt, ein/e Nutzer/in namens "pussyriot" (!) habe einen Kommentar auf meinem Blog hinterlassen (und zwar, wenig überraschend, zu diesem Artikel), dachte ich zunächst, es handle sich um Spam, den ich umgehend löschen müsste. Aber ganz im Gegenteil -- der Kommentar ist dermaßen klasse, dass ich ihn meinen Lesern keinesfalls vorenthalten darf:

"Es ist interessant wie sich hier in Reinkultur von der Täter- in die Opferrolle katapultiert wird.
Warum mit Leuten diskutieren, deren fundamentalistische Vereinigung so menschenverachtend daherkommt, wie sonst nur wenige?

Hass auf Homosexuelle, Hass auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau, Schuld an Millionen Opfern und Verbrechen, die im Namen ihres "Glaubens" ermordet bzw. begangen wurden. Allein für die 'Rattenlinie' habt ihr jedes Recht auf Auseinandersetzung verwirkt.

Gegen den Feind am eigenen Suppentopf!"

Im Grunde kann ich - im Zeitalter von Copy & Paste - den Freunden von der autonom-antiklerikalen Fraktion nur empfehlen, diese eindrucksvolle Prosaminiatur fortan wortwörtlich als Standardantwort auf absolut jede Äußerung der Katholischen Kirche oder ihrer Anhänger zu verwenden. Denn schöner und griffiger kann man's wohl kaum zusammenfassen:

"Kirche? - Fundamentalistisch, menschenverachtend, Hass, Millionen Opfer, Nazi-Verstrickungen, Punkt. Ende der Debatte."

Und das Schönste ist: Worum es in der jeweiligen Äußerung, auf die man solcherart antwortet, inhaltlich konkret ging, spielt dann überhaupt keine Roille mehr.

Samstag, 2. März 2013

Der literarische Wolpertinger: Wallander vs. Kluftinger

Bis vor ein paar Jahren hatten einige meiner Anverwandten die Angewohnheit, mir zu Weihnachten Büchergutscheine zu schenken - was grundsätzlich natürlich keine schlechte Idee ist, aber Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringt, wenn es sich um Gutscheine einer Buchhandlung handelt, die es nur in meiner heimatlichen Kleinstadt gibt, und ich diese Stadt praktisch unmittelbar nach den Feiertagen wieder verlasse. Soll der Gutschein nicht ewig uneingelöst bei mir herumliegen, gilt es also, sich schnell zu entscheiden und sich in seiner Auswahl darauf zu beschränken, was der kleine Buchladen halt so da hat. Auf diese Weise kam ich u.a. in den Besitz eines Romans, den ich mir sonst wohl kaum zugelegt hätte: "Laienspiel - Kommissar Kluftingers vierter Fall", ein Kriminalroman des Autorenduos Volker Klüpfel und Michael Kobr, erschienen in der Reihe "Piper Regionalkrimis". Dass die drei ersten Kluftinger-Romane spurlos an mir vorübergegangen waren, lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass ich mich nicht für Bestsellerlisten interessiere und auch selten aktuelle Rezensionen lese, jedenfalls nicht im Bereich der Unterhaltungsliteratur.

Wie dem auch sei: Die Kluftinger-Romane spielen im Allgäu, und im vierten Band der Serie geht es um islamistischen Terrorismus. Anschlagsziele sind - im Erscheinungsjahr des Romans, 2008, hoch aktuell - die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, sowie - daher der Romantitel "Laienspiel" - das Freilichttheater im beschaulichen Altusried.

Regionalkrimis zwischen Schonen und Allgäu


Schon nach einem kleinen Stück Lektüre hatte ich nur zu deutlich den Eindruck, das Autorenduo Klüpfel/Kobr lege es darauf an, Henning Mankells Wallander-Reihe zu imitieren - oder vielleicht auch eher zu persiflieren. Denn tatsächlich fügen die beiden Allgäuer dem Rezept des Schweden noch eine Zutat hinzu: Humor - oder sagen wir vielleicht lieber: Schenkelklopf-Komik. Ihr Kommissar Kluftinger wirkt wie eine krude Mischung aus Wallander und dem Bullen von Tölz. Ansonsten ist alles so, wie man es von Mankell kennt: das Aufgreifen aktueller, politisch brisanter Themen, inklusive Querverweisen auf reale "Fälle"; die krasse Brutalität, die selbst erfahrenen Kriminalisten mitunter Übelkeit verursacht; der erzählerische Wechsel zwischen dem Klein-Klein der alltäglichen Polizeiarbeit und plötzlich hereinbrechenden Action-Sequenzen; die persönlichen Konflikte innerhalb des Ermittlerteams; die eingestreuten kritischen Kommentare zu Reformen in der Verwaltungsstruktur der Polizei; die Episoden aus dem Privatleben der Hauptfigur; und natürlich die Betonung von Lokalkolorit. Mankells Wallander-Romane sind ja, unbeschadet ihres internationalen Erfolgs, in gewissem Sinne ebenfalls "Regionalkrimis", spielen in der tiefsten Provinz - das Eindringen einer Kriminalität, wie man sie eigentlich nur in Großstädten erwarten würde, in die vermeintliche ländliche Idylle ist bei Mankell wie bei Klüpfel/Kobr ein wichtiges Thema. Vor diesem Hintergrund wirken die Slapstick-Elemente, die das Allgäuer Autorenteam partout hineinmengen musste, die breit ausgemalte Tollpatschigkeit ihres Kommissars Kluftinger und die Häufung von Missgeschicken, die ihm besonders in seinem Privatleben begegnen, allerdings einigermaßen deplatziert.

Mein Urteil über den Roman "Laienspiel" fiel somit recht zwiespältig aus. Die Kriminalhandlung als solche war ausgesprochen fesselnd, auf die humorigen Episoden aus Kluftingers Privatleben wie auch auf einige allzu dick aufgetragene Kommentare zum aktuellen Weltgeschehen, zum clash of civilizations usw. hätte ich hingegen gern verzichtet. Zudem schien mir die Nähe zu Mankells Wallander-Romanen gelegentlich empfindlich die Grenze zum plumpen Plagiarismus zu streifen.

Ich sollte noch erwähnen, dass ich von der Wallander-Manie erst recht spät ergriffen wurde. Weihnachten 2006 hatte ich den achten, schon damals nicht mehr wirklich neuen Wallander-Roman "Die Brandmauer" geschenkt bekommen, aber es dauerte über ein Jahr, bis ich ihn endlich las. Dann allerdings war ich begeistert. Kaum hatte ich "Die Brandmauer" ausgelesen, besorgte ich mir einen anderen, früheren Wallander-Roman aus der Bücherei: "Hunde von Riga". Ich fand ihn etwas schwächer als "Die Brandmauer", verschlang ihn aber dennoch innerhalb weniger Tage.

 

Ein Blick ins Räderwerk


Nach meiner ersten Begegnung mit dem Allgäuer Wallander-Pendant Kluftinger bekam ich umso mehr Lust, mir mal wieder einen "echten" Wallander zu Gemüte zu führen, und griff zu dem Roman "Der Mann, der lächelte". Das Ergebnis war verblüffend: Obwohl ich den "Mann, der lächelte" als entschieden gelungener bezeichnen würde als die "Hunde von Riga", wollte sich nicht ganz dieselbe Begeisterung bei mir einstellen. Der Grund hierfür wurde mir bald klar: Klüpfel/Kobrs "Laienspiel" hatte mir eine Spur zu deutlich die Mechanismen aufgezeigt, nach denen Mankells Wallander-Krimis funktionieren; ich hatte gewissermaßen einen Blick in die Maschinerie geworfen und war nun weit mehr damit beschäftigt, das Funktionieren dieser Maschinerie anhand eines für mich "neuen" Fallbeispiels zu beobachten, als dass ich mich einfach von der Handlung hätte mitreißen lassen.

Dieser eher analytisch-kritische Lektüreansatz kann aber natürlich auch ein ganz eigenes Vergnügen bereiten. Daher kam ich, nachdem ich den "Mann, der lächelte" innerhalb von zwei Abenden ausgelesen hatte, auf die Idee zu einem Experiment: Ich nahm mir vor, einen Wallander- und einen Kluftinger-Roman "parallel" zu lesen - und war gespannt, wie lange es dauern würde, bis ich die beiden "Fälle" im Kopf durcheinander bekäme.

Ich muss betonen, dass - was im Lichte der Ergebnisse meines Experiments kaum glaublich scheinen mag - die Auswahl der Bücher für diesen Selbstversuch gänzlich vom Zufall diktiert war: In meiner Stammbücherei war zu diesem Zeitpunkt nur je ein Band der Wallander- und der Kluftinger-Reihe erhältlich, den ich noch nicht kannte. Es handelte sich um Mankells "Die falsche Fährte" und Klüpfel/Kobrs "Erntedank". [Spoiler-Alarm: Wer diese beiden Romane nicht kennt und noch lesen will, sei darauf hingewiesen, dass ich in der Folge verraten muss, wie sie ausgehen!] Bereits ein erster Blick in beide Bücher ließ vermuten, dass mein Experiment interessant werden würde: Beide Romane begannen mit einem "Prolog", was an sich noch nicht viel zu besagen haben muss - aber die jeweils ersten Sätze der beiden Prologe erschienen nahezu austauschbar:
"Kurz vor der Abenddämmerung erwachte Pedro Santana davon, daß die Petroleumlampe angefangen hatte zu blaken"
respektive
"Als er an diesem kühlen Herbstmorgen die Haustüre öffnete und nach draußen trat, blieb er für einen Augenblick auf der Schwelle stehen."
Tatsächlich mutet der gesamte "Erntedank"-Prolog wie eine bewusste Persiflage auf die stereotypen Anfänge von Mankells Wallander-Krimis an, wo das erste Kapitel regelmäßig aus der Sicht einer für den Leser zunächst unidentifizierbaren Person geschildert wird, die am Ende dieses Kapitels dann meist gewaltsam ums Leben kommt - worauf der Autor kühl und nüchtern das Datum des Geschehens anfügt. In "Erntedank" lautet der letzte Satz des Prologs: "Man schrieb das Jahr des Herrn 1657." Ein gelungener Überraschungseffekt, denn der Leser fragt sich nun natürlich, was ein so weit zurück liegendes Geschehen mit der nun folgenden Romanhandlung zu tun haben wird. Eine Frage, die lange unbeantwortet bleiben wird.

(Übrigens fällt auch der Prolog der "Falschen Fährte" in Hinblick auf das angesprochene Schema etwas aus dem Rahmen, insofern, als er nicht mit dem Tod des hier vorgestellten Pedro Santana endet. Der erste Mord markiert hier das Ende des folgenden Kapitels, und auch dort fehlt die Datumsangabe nicht.)

"Die falsche Fährte" vs. "Erntedank" - ein Selbstversuch


Ich gestaltete mein Lektüreexperiment derart, dass ich immer abwechselnd ein Kapitel von "Die falsche Fährte" und dann einen etwa vergleichbar langen Abschnitt von "Erntedank" (wo es keine Kapiteleinteilung gibt) las. Im direkten Vergleich braucht die Handlung des Mankell-Romans (der allerdings auch rund 120 Seiten länger ist als der von Klüpfel/Kobr) etwas länger, um in Gang zu kommen; das rührt daher, dass sich Mankell hier gerade am Romananfang länger mit Menschlich-Allzumenschlichem aufhält als sonst: Es ist Sommer, Wallander und seine Kollegen freuen sich auf ihren Urlaub, zudem ist Fußball-WM. Da kommt eine Mordserie natürlich ungelegen. - Da es aber auch in "Erntedank" natürlich an Episoden aus dem Privatleben (Wasserrohrbruch im Hause Kluftinger, erzwungenes Unterkriechen beim Ehepaar Langhammer) nicht fehlt, pendeln sich beide Romane allmählich auf dasselbe Tempo ein. Und spätestens nachdem beide Kommissare einen Besuch in der Pathologie hinter sich gebracht haben, beginnen die Parallelen zwischen beiden Fällen die Unterschiede in den Hintergrund zu drängen. Hier wurde jemand mit der Axt erschlagen und anschließend skalpiert, dort wurde jemandem mit einer Sense die Kehle durchtrennt - wo ist der große Unterschied? Der zweite Mord - genauer: die Entdeckung der zweiten Leiche, verbunden mit der Erkenntnis, es mit einem Serientäter zu tun zu haben - findet dann in beiden Romanen exakt zum selben Zeitpunkt, ja nahezu auf derselben Seite statt. Kurz darauf macht meine Fähigkeit, die beiden Fälle im Kopf auseinanderzuhalten, einen ersten Aussetzer. In "Erntedank" werden bei den Leichen Zettel mit kryptischen Zahlenkombinationen gefunden, offenbar "Hinweise", die der Mörder hinterlassen hat (wie Serientäter eben zu tun pflegen). Als auf S. 138 der zweite dieser Hinweise entdeckt wird - die Zahlenreihe "III/2:4. (32)" - denke ich für eine Sekunde: "Vielleicht sind das Fußballergebnisse!" Im nächsten Moment fällt mir ein, dass es der andere Roman ist, der während der Fußball-WM spielt...

Für eine Weile schreiten die Ermittlungen in beiden Romanen so zu sagen im Gleichschritt voran, etwa auf S. 170 gibt es erste Hinweise darauf, wo der Zusammenhang zwischen den Mordfällen liegen könnte, das Muster gewissermaßen, das ihnen zu Grunde liegt - Hinweise allerdings, die zunächst vage und unverständlich bleiben, zumindest für die Ermittler; der Leser weiß oder ahnt hier bereits etwas mehr. In dieser Phase stelle ich fest, dass mir immer jeweils der Roman, den ich gerade nicht lese, als der spannendere erscheint. Kein Wunder eigentlich: Natürlich will man in beiden Fällen wissen, wie's weitergeht, und da ist es dann gewissermaßen eine unwillkommene Unterbrechung, erst mal ein Kapitel eines anderen Romans zwischenschieben zu "müssen".

Allerdings lässt im Kluftinger-Roman die Spannung bald erheblich nach. Während in Schonen bereits der dritte Mord geschieht, treten die Ermittlungen im Allgäu auf der Stelle bzw. werden durch krampfhaft witzig sein wollende Episödchen aus Kluftingers Privatleben unterbrochen. Dieser Spannungsabfall ist umso befremdlicher, als "Erntedank" wie gesagt um rund 120 Seiten kürzer ist als "Die falsche Fährte" und man also eigentlich hätte erwarten sollen, dass das Autorenteam Klüpfel/Kobr angersichts des näher rückenden Schlusses das Tempo eher erhöhen würden. Und dann präsentieren sie plötzlich einen Tatverdächtigen, der für den Leser (sofern er einigermaßen clever und Krimi-erfahren ist) keiner ist: nicht nur, weil der erste Tatverdächtige prinzipiell nie der Täter ist, sondern vor allem, weil man einem als ausgesprochen ungebildet geschilderten Schlachthofarbeiter wohl kaum die sophistication zutrauen wird, derart kunstvoll inszenierte Ritualmorde zu begehen.

Am Rande fällt auf, dass in beiden Romanen der jeweilige Kommissar (Wallander respektive Kluftinger) vor lauter Stress nicht dazu kommt, seinen Wagen zur Inspektion zu bringen.

In "Die falsche Fährte" hat der Mörder - den der Leser hier längst kennt, da die Morde stets aus der Sicht des Täters geschildert werden - bereits sein viertes Opfer zur Strecke gebracht und den Entschluss gefasst, dass Kommissar Wallander das fünfte sein soll, ehe in "Erntedank" endlich wieder Spannung aufkommt: Kluftinger und seine Kollegen kommen endlich dahinter, was es mit den an beiden Tatorten gefundenen kryptischen Zahlenkombinationen auf sich hat (die Lösung ist weder originell noch überraschend), und machen zudem die womöglich sehr viel wichtigere Entdeckung, dass die leicht exzentrische Sagen-Expertin Hiltrud Urban und der pensionierte Richter Günter Hartmann, der mit beiden Mordopfern gerichtlich zu tun gehabt hat, ein Ehepaar sind - womit im Kopf des Lesers ein vager Verdacht aufdämmert. Und dann kollidieren die Ermittler beinahe mit einem "Ford Escort Kastenwagen". An dieser Stelle möchte man fast das Buch fallen lassen, denn genau so ein Auto benutzt der Täter in "Die falsche Fährte" bei seinem dritten Mord! Und richtig: auch in "Erntedank" sitzt am Steuer dieses Wagens der Mörder und nutzt das Fahrzeug, um sein drites Opfer darin zu transportieren. Im Unterschied zu "Die falsche Fährte" wird der Täter hier jedoch gestellt, ehe er dazu kommt, das dritte Opfer zu exekutieren.

 

Abschluss der Beweisaufnahme


Hier kann man die vergleichende Analyse der beiden Kriminalromane eigentlich abbrechen, zumal der Fal "Erntedank" sich damit so ziemlich erledigt hat - während Kollege Wallander, dessen Fall ja nicht umsonst "Die falsche Fährte" heißt, noch weit von einer Lösung entfernt ist und zudem Gefahr läuft, mitsamt seiner Tochter selbst zum Opfer des Serienkillers zu werden. Der Befund der Vergleichslesung ist eindeutig: Nicht nur orientieren sich die Herren Klüpfel und Kobr unverkennbar an Henning Mankells Wallander-Reihe; in ihrem zweiten Kluftinger-Roman plagiieren sie schamlos und unverhohlen ausgerechnet "Die falsche Fährte"!

Fassen wir zusammen: Es handelt sich in beiden Fällen um Mordserien, bei denen die Opfer auf unerhört grausame und zugleich ausgeprägt rituelle Weise "hingerichtet" werden; in beiden Fällen handelt es sich um einen Rachefeldzug, dessen Motiv den Ermittlern lange unklar bleibt, wenngleich sich schon bald zeigt, dass die Opfer dunkle Punkte in ihrer Vergangenheit haben, dass sie Schuld auf sich geladen haben, für die sie juristisch nicht oder nur unzureichend belangt werden konnten. Beide Täter orientieren sich bei ihren Taten an einem Buch: Stefan Fredman, der Serienmörder in "Die falsche Fährte", liest die Anweisungen zu seinen Morden aus dem Tagebuch seiner geisteskranken Schwester heraus, die Morde in "Erntedank" werden nach dem Muster einer Sammlung Allgäuer Volkssagen inszeniert. Auffällig ist weiterhin, dass beide Täter - vermeintlich oder tatsächlich - in fremdem Auftrag handeln: Stefan Fredman glaubt sich zum Vollstrecker der Rache seiner Schwester an ihren Peinigern berufen, Jakob Urban-Hartmann, der Mörder in "Erntedank", handelt als willenloses Werkzeug seiner fanatischen Eltern. Neben diese strukturellen Ähnlichkeiten, die man zur Not auch als zufällig abtun könnte, tritt eine erstaunliche Fülle kleiner Detailparallelen, von denen ich einige bereits erwähnt habe.

 

Schlussplädoyer: Was soll das?


Gerade diese Übereinstimmung in kleinen Details - etwa die völlig nebensächliche Tatsache, dass das Auto des Kommissars dringend mal zur Inspektion müsste, oder die Verwendung eines Kastenwagens der Marke Ford zum Transport des dritten Opfers - geben zu denken. Selbstverständlich weichen Klüpfel und Kobr in vielen Punkten von ihrer Vorlage ab; warum also, so muss man sich fragen, übernehmen sie solche Details, die sie mühelos abändern oder weglassen könnten? Man könnte vermuten, dass es sich um klassische "Fehlleistungen" handelt, in denen sich das Plagiat, den Autoren unbewusst, verrät; aber schon der Prolog, der sich wie gesagt geradezu als Persiflage auf die stereotypen Romananfänge von Mankells Wallander-Reihe liest, legt eine andere Erklärung nahe.

Die Passage von "Erntedank", in der der Psychologiestudent Markus Kluftinger seinem Vater, dem Kommissar, erklärt, Serientäter hinterließen deshalb Hinweise am Tatort, weil sie wollen, dass die Ermittler das hinter den Taten stehende Motiv und Schema erkennen, betrachte ich als eine Schlüsselstelle. Wendet man sie auf die Plagiatoren Klüpfel und Kobr - auf ihre Art ja ebenfalls "Serientäter" - an, bedeutet das: Das Allgäuer Autorenduo verstreut in seinen Romanen deshalb überdeutliche Hinweise auf das Vorbild Mankell, damit der Leser ihnen auf die Schliche kommt. Diese Vorgehensweise hat durchaus einen gewissen Charme oder jedenfalls Chuzpe; das Problem dabei ist jedoch, dass Klüpfel und Kobr sich damit mutwillig einem Vergleich aussetzen, bei dem sie - für mein Empfinden zumindest - nur verlieren können...

Freitag, 1. März 2013

Das schlechte Gedächtnis der Verschwörungstheoretiker

Am Abend jenes Tages, an dem Papst Benedikt XVI. seinen Amtsverzicht angekündigt hatte, schlug in die Kuppel des Petersdoms ein Blitz ein. - Nun gut: Es war halt Gewitter, und die Petersdomkuppel hat einen Blitzableiter. Der ist dafür da, dass Blitze in ihn einschlagen. Aber eine derart lapidare Erklärung für dieses eindrucksvolle Phänomen ist nun mal nicht nach Jedermanns Geschmack.

Dass zum zweiten Mal in der Kirchengeschichte, zum ersten Mal seit gut 728 Jahren ein Papst aus eigenem Entschluss auf sein Amt verzichtete, das schien für manch einen Beobachter gleichbedeutend damit zu sein, dass die Welt aus den Fugen ist, und zwar gründlich. An Zeichen apokalyptischen Ausmaßes, die diese Wahrnehmung zu stützen schienen, fehlte es nicht. Fromme Katholikinnen hatten beim Beten des Schmerzensreichen Rosenkranzes Visionen, in denen der gegeißelte Jesus erklärt: "Ihr habt genug auf mich eingeschlagen. Ich bin nicht Gottes Sohn." Über Russland ging ein Meteoritenregen nieder, auch in Saudi-Arabien und Florida wurden Meteoriten gesichtet. In Fertiglasagne wurde Pferdefleisch nachgewiesen, auch dies vermutlich ein Hinweis auf die Endzeit, wenn man in den einschlägigen Prophezeiungen nur lange genug sucht. ("Und ich sah, und siehe, einen Reiter auf einem halben Pferd; denn die andere Hälfte war zu Hackfleisch verarbeitet worden." - Sie wissen schon: der fünfte apokalyptische Reiter. Der, der aus der Band ausstieg, bevor sie richtig berühmt wurde.) - Eine angebliche Prophetin ließ die Warnung verbreiten, der Nachfolger Benedikts XVI. auf dem Stuhl Petri werde der "falsche Prophet" der Apokalypse sein, der mit dem Antichrist im Bunde stehe (was so neu freilich nicht ist, denn gewisse Kreise haben Ähnliches schon über jeden Papst seit Johannes XXIII. behauptet). Und vergessen wir nicht die Prophezeiungen des Hl. Malachias von Armagh! Müsste nicht, wenn wir richtig gezählt haben, diesen Weissagungen zufolge der nächste Papst der letzte sein? Jener Petrus Romanus, von dem es heißt, zu seiner Zeit werde es entsetzliche Verfolgungen geben, schließlich werde "die Siebenhügelstadt zerstört" und der "furchterregende Richter" werde "sein Volk richten" - und dann folgt in der Wessagung nur noch das Wort FINIS, "Ende"?

Ist es jetzt wirklich soweit? Haben wir uns bei der Umrechnung des Maya-Kalenders auf unsere Zeitrechnung lediglich um ein paar Monate vertan? (Denn die Maya selber, dass das mal klar ist, haben sich nicht geirrt!) - Aber nun regen wir uns mal schnell wieder ab: Den Glauben daran, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorstehe, hat es immer gegeben, ebenso wie spektakuläre Blitzeinschläge in symbolträchtige Bauwerke, Meteoriteneinschläge und Pferdefleisch in Lebensmitteln. (Das erinnert mich an ein Gespräch, das ich vor vielen Jahren mit einigen jungen Evangelikalen hatte. Eine von ihnen war überzeugt, die Endzeit sei bereits angebrochen, und begründete dies mit der Voraussage Jesu, in den letzten Tagen werde es "wieder sein wie in den Tagen Noahs". Mein Schwager, damals Theologiestudent, wies jedoch darauf hin, dass das Wort "wieder" in der Prophezeiung gar nicht vorkomme; korrekt laute das Zitat "[W]ie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein" [Mt 24,37, vgl. Lk. 17,26], und das impliziere nicht, dass es in der ganzen Zeit dazwischen anders wäre.)
Und wer sich nicht so sehr um das Schicksal der ganzen Welt als vielmehr um jenes der Katholischen Kirche sorgt, der ist gut beraten, sich die Verheißung Jesu an Petrus in Erinnerung zu rufen: "Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt [andere Übersetzung: "die Pforten der Hölle"] werden sie nicht überwältigen" (Mt 16, 18).

Nun gibt es aber natürlich auch Jene, die dieser Verheißung so wenig trauen, dass sie bereit sind zu glauben, im Vatikan sei schon lange der Teufel los. Meist meinen sie es allerdings gar nicht so metaphysisch, sondern sehen im Vatikan nichts anderes als einen Machtapparat, innerhalb dessen, ebenso wie überall sonst auch (nur schlimmer), nichts anderes regiert als Kriminalität, Sex-, Geld- und Machtgier. Wer etwa bis heute überzeugt ist, dass Papst Johannes Paul I. 1978 ermordet wurde (etwa, weil er vorgehabt hätte, die kriminellen Verstrickungen der Vatikanbank IOR aufzudecken), der wird auch zum Amtsverzicht Benedikts XVI. so seine eigenen Theorien haben. Auf einige davon hat Kollege Cicero unlängst bereits hingewiesen. Wenn die Lust an Verschwörungstheorien derart abstruse Blüten treibt, dann finde ich es allerdings umso erstaunlicher, dass ein spezieller Umstand, der an sich Stoff für mehr als einen Bestseller böte, in diesen Spekulationen bisher überhaupt keine Rolle spielt (oder ich habe dank meines "Medienfastens" einfach noch nichts davon mitbekommen).

Im Zuge der VatiLeaks-Enthüllungen des letzten Frühjahrs ging der Inhalt eines obskuren Dossiers durch die Medien, in dem es unter Berufung auf "chinesische Gesprächspartner eines sizilianischen Kardinals" hieß, binnen eines Jahres werde Benedikt XVI. nicht mehr im Amt sein, und sein Nachfolger werde Angelo Cardinal Scola werden. Da die Möglichkeit eines Amtsverzichts damals offenbar von niemandem ernsthaft erwogen wurde, las man die Andeutung eines Mordkomplotts aus diesen Äußerungen heraus, und es herrschte weitgehende Einigkeit, dass es sich bei diesem Dokument aus so obskurer Quelle um blanken Unsinn handle. - Ehe hier ein falscher Eindruck entsteht, möchte ich betonen, dass ich (sicherlich nicht als Einziger) der Überzeugung bin, dass die ganze VatiLeaks-Affäre zum größten Teil aus heißer Luft besteht bzw. bestand und im Wesentlichen durch das Zusammenwirken der Eitelkeit und Geltungssucht einiger Weniger und der ewig regen Sensationslust Vieler verursacht wurde; und insbesondere würde ich es für äußerst unredlich halten, dem Amtsverzicht Benedikts XVI. andere Motive zu unterstellen als die, die er selbst genannt hat. Wenn ich also darauf hinweise, dass jenes sonderbare Dokument in einem Punkt schon mal Recht behalten hat - es ist noch kein Jahr vergangen, und Benedikt XVI. ist nicht mehr im Amt -, will ich damit nicht etwa insinuieren, an der ganzen Sache könne doch was dran sein, sondern lediglich mein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass die nimmermüden Verschwörungstheoretiker diese Steilvorlage ungenutzt lassen.

Nun frage ich mich gerade selbstkritisch, warum ich diese Räuberpistole partout wieder ans Tageslicht zerren muss, wenn sie doch offenkundig von der Öffentlichkeit vergessen wurde. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass sie nicht auch ohne mein Zutun früher oder später wieder auftauchen würde, mindestens dann, wenn Kardinal Scola tatsächlich als neuer Papst aus dem bevorstehenden Konklave hervorgehen sollte. Und darauf möchte ich dann doch lieber seelisch vorbereitet sein. (Andererseits wurde Kardinal Scola ja schon 2005 als papabile gehandelt, und gilt da nicht wie bei Boxweltmeistern die Regel "they never come back"? Oder habe ich da was verwechselt?) - Sicherlich gilt auch hier, was der damalige Joseph Ratzinger in seiner Einführung in das Christentum (1968) schrieb: "Der Glaubende wie der Ungläubige haben, jeder auf seine Weise, am Zweifel und am Glauben Anteil". Aber ich habe mir ja nicht ohne Grund bis Ostern Medienfasten verordnet: Damit der Glaube gegenüber dem Zweifel die Oberhand behält, gilt es, weniger auf Verschwörungstheorien zu achten und dafür umso mehr zu beten - und, wenn gar nichts anderes mehr hilft, sich auf den Satz Paul Claudels zu besinnen, demzufolge "Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann"...

(Um diesen Beitrag nun aber einigermaßen heiter abzuschließen und obendrein einen Bogen zurück zum Anfang zu schlagen, möchte ich noch erwähnen, dass ich kürzlich meine eigene Theorie über Petrus Romanus ausgeheckt habe: Womöglich hat der Hl. Malachias - wenn die betreffenden Weissagungen überhaupt von ihm stammen, was allgemein eher bezweifelt wird - sich bei der Auslegung seiner Visionen einfach vertan und den Bischof von Rom mit dem Regierungschef von Rumänien verwechselt; letzteres Amt hatte nämlich von 1989-1991 ein gewisser Petre Roman inne, der dann durch gewalttätige Proteste von Bergarbeitern aus dem Amt gejagt wurde...)