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Freitag, 31. Mai 2024

Vorlesestoff fürs Tochterkind – Mai 2024

Es ist mal wieder Zeit für ein paar Kinder- und Jugendbuchrezensionen, liebwerte Freunde! – Man könnte sagen, es war eine bemerkenswerte Fügung, dass ich die vorige Folge dieser Artikelserie zu einem Zeitpunkt 'rausgehauen habe, als ich den vierten "Ruby Fairygale"-Band erst zur Hälfte durchgelesen hatte; denn die zweite Hälfte hält so einige überraschende Wendungen bereit – fast könnte man sagen, die eigentliche Handlung gehe erst um die Mitte des Buches herum so richtig los. Folglich werde ich zu diesem Buch noch so allerlei nachzutragen haben, ehe ich zu denen komme, die wir danach gelesen haben. – Nachdem wir "Ruby Fairygale – Das Tor zur Feenwelt" zu Ende gelesen hatten, ließ ich die Kinder wählen, welches Buch wir als nächstes lesen sollten, und war nicht im geringsten überrascht, dass sie sich einstimmig für den ersten Band der "Drei Magier"-Reihe, "Das magische Labyrinth", entschieden. Mich hätte das Buch "Milchmädchen" von G.R. Gremin ehrlich gesagt mehr interessiert, aber das kam dann eben danach dran. Und als wir das ebenfalls durch hatten, stellte ich aus unseren heimischen Buchbeständen eine Auswahl von Kinderbuchklassikern zusammen und ließ die Kinder daraus wählen; der Jüngste entschied sich für "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer", allein aus dem Grund, dass da eine Lokomotive auf dem Titelbild abgebildet war, und auch das Tochterkind war mit dieser Wahl einverstanden. Und damit war das Lesepensum für den Monat Mai dann auch schon voll... 


  • Kira Gembri: Ruby Fairygale – Das Tor zur Feenwelt (Fortsetzung)

Zu den Dingen, die ich auf meiner Expedition durch die Kinder- und Jugendliteratur nun wirklich nicht erwartet hätte, gehört es, dass die "Ruby Fairygale"-Reihe um die Mitte des vierten Bandes herum politisch wird. Okay, man muss zugeben, die Autorin macht das einigermaßen dezent und unaufdringlich. So mag es zunächst einmal im Auge des Betrachters liegen, ob man es naheliegend oder eher abwegig findet, in dem Auftauchen von immer mehr Fabelwesen auf Patch Island, die den Alltag der menschlichen Inselbewohner durcheinander bringen und damit zunehmend für Unmut sorgen, einen Kommentar zur Migrationskrise zu sehen. Dass es tatsächlich einer ist, wird aber spätestens dann deutlich, als Ruby und Noah dahinter kommen, dass die fabelwesenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung durch Fake-News aus dem Internet angeheizt wird. Verbloggung, so zeigt sich immer wieder, führt eben auch zu Verblödung, manchmal.

Nimmt man die Analogie zwischen der Fabelwesenkrise auf Patch Island und der Migrationskrise in der Europäischen Union ernst, kann man übrigens zu dem Schluss kommen, dass die Autorin einen ziemlich moderaten Standpunkt einnimmt. Dass die sonst so gutherzige Gastwirtin Brenda eine große "Fabelwesen unerwünscht"-Kampagne startet, wird als Überreaktion gekennzeichnet – die zu allem Überfluss (das meine ich wörtlich: Ich finde diese Wendung tatsächlich überflüssig) mit der Wirkung einer unabsichtlich angewendeten magischen Tinktur erklärt wird –, aber es ist nichtsdestoweniger eine Reaktion auf ein reales Problem: Dass auf Patch Island immer mehr Fabelwesen auftauchen, stellt tatsächlich eine Belastung für das soziale Gefüge auf der beschaulichen Insel dar, nicht zuletzt auch infolge von Streitigkeiten unter den Fabelwesen selbst, z.B. zwischen zwei verfeindeten Clans von Kobolden. Ja, wirklich. Die Pointe ist, dass an dieser Situation gerade die fabelwesenfeindliche Propaganda aus dem Internet schuld ist: Diese hat nämlich dazu geführt, dass an anderen Orten Übergänge zwischen Feen- und Menschenwelt versperrt wurden, weshalb immer mehr Fabelwesen das Portal auf Patch Island nutzen. Folgerichtig besteht ein wesentlicher Teil der Lösung darin, die anderen Portale wieder zu öffnen.

Ein anderes Thema, dem in der ersten Hälfte des Buches dezidiert ausgewichen wird, um es dann aber in der zweiten Hälfte anzugehen, ist Rubys Verhältnis zu ihrem Vater. Dieser hat, wie man im dritten Band der Buchreihe erfahren hat, seine nicht gänzlich kontrollierbaren Gestaltwandler-Fähigkeiten, die er an seine Tochter vererbt hat, zeitlebens als Makel empfunden und jahrelang nach einem Mittel geforscht, das ihn und Ruby von dieser Fähigkeit "heilen" sollte. Nachdem er sich auf dem Spannungshöhepunkt von Bd. 3 ungewollt in einen Hund verwandelt und seitdem die Fähigkeit, sich wieder zurückzuverwandeln, noch nicht wiedererlangt hat, fragt Ruby sich, ob seine Einstellung sich geändert hat, scheut sich aber, es herauszufinden. Sie fragt sich nämlich, wie es ihr möglich sein soll, ein gesundes Verhältnis zu einem Vater aufzubauen, der "einen Teil von [ihr] abscheulich" findet; "beim Gedanken daran" wird ihre "Brust ganz eng" (S. 224). Klingt das nicht auffallend nach den Gefühlen eines queeren Teenagers gegenüber einem homo- oder transphoben Elternteil? – Wenn man es recht bedenkt, läge es in der Tat nahe, Rubys Gestaltwandler-Fähigkeiten, mitsamt allen damit einhergehenden Akzeptanzschwierigkeiten, als Metapher für "Queerness" zu interpretieren. Dass mir dieser Gedanke nicht schon früher gekommen ist, zeigt allerdings auch, wie wenig die "Ruby Fairygale"-Autorin Kira Gembri diesen Aspekt betont. Angesichts der Vielzahl von Gestaltwandler-Geschichten im Kinder- und Jugendbuchbereich der Stadtteilbibliothek sollte es mich fast wundern, wenn es da nicht die eine oder andere Buchreihe gäbe, die in dieser Hinsicht erheblich deutlicher wird.

Zusammenfassend gesagt hält sich der "Wokeness-Faktor" bei "Ruby Fairygale" also noch einigermaßen in Grenzen. Dass das Happy End im vorletzten Kapitel groß gefeiert wird, finde ich ein bisschen dick aufgetragen; aber allein die Tatsache, dass das eben im vorletzten Kapitel passiert, ist dann doch wiederum ein brillanter Schachzug der Autorin, denn daraus folgt ja, dass nach dem Happy End noch etwas anderes passiert. Und da gibt's nun wieder

+++++Spoiler-Alarm!!!+++++

Die Freude am allgemeinen Happy End wird getrübt durch die Nachricht, dass Noah bei einer Online-Prüfung an seiner Fernschule durchgefallen ist; die Folge ist, dass sein Vater ihn nun doch ins Internat stecken will – und ihn persönlich mit einer Privat-Yacht von der Insel abholt. Beim Abschied am Hafen sind Ruby und Noah gehemmt und verdruckst, aber nachdem die Yacht abgesegelt ist, verwandelt Ruby sich in eine Sturmschwalbe, fliegt dem Schiff hinterher und richtet an ihren Freund die bemerkenswerten Worte:

"Noah, ich bin ein Mädchen mit magischen Fähigkeiten [...]. Mit einem Zauberbuch, einer Tierwandlerfamilie und einer Fee als bester Freundin! Wenn du glaubst, dass wir dich nicht aus diesem Internat herausholen werden, bist du vollkommen durchgeknallt!" (S. 329f.).

Und dann – hier der Spoiler-im-Spoiler, Leser – küssen sie sich!!! Ich war aufgekratzt wie ein Teenager, als ich das las; meine Tochter war mit ihren sechs Jahren erheblich weniger beeindruckt, wie mir schien; aber das hat ja auch was Beruhigendes.

+++++Spoiler-Alarm Ende!+++++

Man kann sagen was man will: Die Technik, am Ende eines Bandes einen neuen Spannungsbogen aufzumachen, der den Leser veranlasst, unbedingt auch den nächsten Band lesen zu wollen, beherrscht die Autorin souverän. Am Ende des dritten Bandes war das nicht so deutlich der Fall, aber jetzt ist der Drang, wissen zu wollen, wie's weitergeht, wieder voll da. Was in meinem Fall natürlich auch damit zu tun haben mag, dass mich die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Ruby und Noah von Anfang an sehr viel mehr interessiert hat als sämtliche Feen, Kobolde und Meerjungfrauen, die in der Handlung herumwuseln. – Wie ich inzwischen in Erfahrung gebracht habe, umfasst die "Ruby Fairygale"-Reihe bislang insgesamt sechs Bände, der siebte kommt im Herbst raus. Da haben wir also noch was vor uns. 


  • Matthias von Bornstädt: Die drei Magier – Das magische Labyrinth. München: arsEdition, 2017.

Aus der "Drei Magier"-Reihe hatten wir, wie regelmäßige Leser meiner Kinderbuchrezensionen sich erinnern dürften, zuerst den zweiten und dann den dritten Band gelesen; bei einem unserer jüngsten gemeinsamen Büchereibesuche standen die Kinder und ich nun vor der Wahl, den ersten oder den vierten Band auszuleihen, und ich muss ehrlich gestehen, ich kann mich nicht daran erinnern, wessen Entscheidung es letztlich war, dem ersten Band den Vorzug zu geben. Tatsächlich dachte ich, als wir nach Hause kamen, wir hätten uns für den vierten Band entschieden, und war entsprechend überrascht, stattdessen den ersten aus dem Beutel zu ziehen. Vielleicht habe ich mich also bloß vergriffen; aber natürlich ist es interessant, den Anfang der Reihe kennenzulernen, mitzuerleben, wie die Hauptcharaktere eingeführt werden, und zu erfahren, wie es überhaupt dazu kommt, dass drei Schulkinder aus dem wortwörtlich als "verschnarcht" beschriebenen Kleinstädtchen Mühlfeld zu mächtigen Zauberern in der magischen Welt von Algravia werden.

Ebenso wie in den anderen "Drei Magier"-Büchern, die ich meinen Kindern bisher vorgelesen habe, spielt das erste Kapitel in Algravia und bildet eine Art Prolog, der darauf ausgerichtet ist, Spannung zu erzeugen, dem Leser aber erst einmal nichts erklärt; die eigentliche Exposition folgt dann im zweiten Kapitel, das in Mühlfeld spielt – in diesem Fall in der Schule, beim Matheunterricht. Bei dieser Gelegenheit erfährt der geneigte Leser, dass Vicky – das entschieden frechste und wagemutigste Mitglied des Protagonistentrios – erst kürzlich mit ihrer Mutter aus Berlin nach Mühlfeld gezogen ist, und zwar weil ihre Mutter hier eine Stelle als Schulleiterin angetreten hat; und offenkundig ist sie aus Berlin eine wesentlich laxere Haltung zum Thema Disziplin in der Schule gewohnt, als der Mühlfelder Mathelehrer sie praktiziert: So findet sie offenbar nichts dabei, im Unterricht zu essen (was, nebenbei bemerkt, nicht einmal an der Schule meiner Tochter erlaubt ist). Demgegenüber wird Mila zunächst als blasse und extrem introvertierte Stubenhockerin eingeführt, die von ihrer Mutter dazu verdonnert wird, mit ihrem Bruder und dessen Schulfreundin an den Badesee zu gehen, damit sie überhaupt mal rauskommt. Konsequenterweise können Mila und Vicky einander zunächst nicht besonders gut leiden. Gleichzeitig macht Mila innerhalb dieses Bandes die auffälligste Entwicklung von allen drei Hauptcharakteren durch: Nachdem zunächst alle drei die ihnen angetragene Aufgabe, die drei Zauberstäbe aus dem magischen Labyrinth zu holen und damit zu den Hütern der Magie Algravias zu werden, ablehnen und schnellstmöglich in ihre eigene Welt zurückkehren wollen, ist ausgerechnet Mila die erste, die den Mut und die Entschlossenheit aufbringt, diese Aufgabe doch zu übernehmen.

Das titelgebende magische Labyrinth betreten die Protagonisten erst im 12. von 14 Kapiteln, und die Passagen, die in diesem Labyrinth spielen und beschreiben, wie sich die Protagonisten darin bewegen und was sie tun müssen, um die drei Zauberstäbe zu erringen, muten an wie eine erzählerisch eingekleidete Spielanleitung für das gleichnamige, von Dirk Baumann für die Firma "Schmidt-Spiele" entwickelte Brettspiel (das 2009 übrigens als "Kinderspiel des Jahres" ausgezeichnet wurde). Wozu man sagen muss: Sollte, wie ich schon einmal geargwöhnt habe, die Buchreihe "Die drei Magier" insgesamt nur zu dem Zweck konzipiert worden sein, die Brett- und Kartenspielreihe mit einer "backstory" auszustatten, dann verdient der Autor Anerkennung dafür, wie phantasievoll und unterhaltsam er diesen Auftrag umgesetzt hat. Gerade was das "worldbuilding" angeht – wie man das in Fantasy-Fankreisen wohl nennt –, ist die "Drei Magier"-Reihe origineller und interessanter geraten als so manche Kinderbuchreihen mit vergleichbarem Konzept. Dadurch gewinnt die Handlung eine Tiefendimension, die, wenn es nur um die Vermarktung von Brettspielen ginge, "eigentlich nicht nötig" wäre; aber gerade die finde ich spannend, und sie ist der wesentliche Grund dafür, dass ich auch den vierten Band noch lesen will – in der Hoffnung, dass man da Näheres zu manchen Hintergründen erfährt, die bisher nur angedeutet wurden, so zum Beispiel über den lila Kater Kasimir und das Zottelwesen Haarmut.

Ein, wie ich finde besonders interessanter Aspekt der Welt von Algravia wird indes schon im ersten Band explizit angesprochen – ich möchte ihn mit dem Schlagwort "Ökologie der Magie" bezeichnen: "Wie ihr sicher schon mitbekommen habt, ist Algravia eine Welt voller Magie", erklärt Kater Kasimir den Kindern. "Die Magie steckt in der Erde, wächst mit den Blättern, schlummert in Steinen, Muscheln und Wurzeln... und es ist wie mit dem Kuchen auf diesem Blech: Es gibt Magie, aber nicht genug!" (S. 69f.) Der letzte Satz mag den Eindruck erwecken, man sollte hier lieber von der "Ökonomie der Magie" sprechen, aber wie im wirklichen Leben ist beides nicht so ganz voneinander zu trennen. In Algravia gibt es Wesen – wie die putzigen Lunies, aber auch Drachen –, die von Natur aus über eine Art magischer Energie verfügen, andererseits aber auch Zauberer und Hexen, die ihre Fähigkeiten dadurch gewinnen, dass sie die natürlichen Magie-Ressourcen anzapfen und für sich nutzen. Das Problem mit dem bösen Zauberer Rabenhorst ist nun, dass er dabei zu gierig ist: dass er alle Magiequellen für sich haben will und sie auf eine Weise ausbeutet, die den Grundsatz der Nachhaltigkeit verletzt. – Ich schätze, ich werde darauf noch zurückkommen, wenn wir den vierten (und allem Anschein nach letzten) Band der Reihe gelesen haben... 


  • G.R. Gremin: Milchmädchen. Aus dem Englischen von Gabriele Haefs. Hamburg: Carlsen, 2016.

Ein Buch, das mir in die Hände fiel, als ich an einem Schultag allein mit unserem Jüngsten in die Bücherei ging, und von dem ich hoffte, es würde sowohl dem Tochterkind als auch mir gefallen. Ehe ich es unternehme, zu schildern, worum es in der Geschichte geht, muss ich anmerken, dass der Klappentext etwas verrät, was erst um die Mitte des Buches passiert – was man einerseits als Spoiler betrachten und daher etwas unglücklich finden könnte, aber andererseits muss ich einräumen, dass es gerade dieser Klappentext war, der mich dazu gebracht hat, das Buch lesen zu wollen: Diesen Zeilen zufolge geht es in dem Buch darum, dass zwei Mädchen den abenteuerlichen Versuch unternehmen, ein Dutzend ausgewachsene Milchkühe in einem Wohngebiet zu verstecken. Das schien mir eine originelle und vielversprechende Handlungsprämisse zu sein.

Aber das passiert, wie gesagt, erst ungefähr nach der Hälfte der Romanhandlung. Am Anfang hat die Ich-Erzählerin, die 13jährige Gemma, noch Angst vor Kühen und will mit der gleichaltrigen Bauerntochter Kate, die an ihrer Schule eine gemiedene Außenseiterin ist und abfällig "Cowgirl" genannt wird, nichts zu tun haben. Insgesamt ist die Atmosphäre der ersten Kapitel signifikant düsterer als etwa in "Ein Baum voller Geheimnisse" von Natalie Standiford oder "Dumme Ideen für einen guten Sommer" von Kiera Stewart (die ja, da wiederhole ich mich gern, meinen persönlichen Goldstandard in Sachen Mädchenliteratur des 21. Jahrhunderts darstellen): Die familiäre Situation der Protagonistin ist mit "problematisch" noch wohlwollend beschrieben, ihr Vater sitzt wegen Unterschlagung im Gefängnis, ihre Mutter ist überlastet und überfordert, ihr (wohl nur wenig) jüngerer Bruder hängt mit Rowdys und Kleinkriminellen 'rum, spielt zu Hause aber die Rolle des braven Kindes. Nach der Schule fährt Gemma mit dem Fahrrad herum und versucht einen Ort wiederzufinden, an dem die Familie ein Picknick gemacht hat, bevor der Vater verhaftet wurde – weil sie mit diesem Ort ihre letzte Erinnerung an eine glückliche Kindheit verbindet. Das einzige Familienmitglied, bei dem Gemma etwas Halt findet, ist ihre Oma, die in einer heruntergekommenen, von Vandalismus und Kleinkriminalität geplagten Neubausiedlung lebt; zu Beginn der Handlung ist gerade der Hund der Oma gestorben, und Gemma soll ihr helfen, ihn zu begraben. Soweit klar, was ich mit "düsterer Atmosphäre" meine?

Bewegung kommt in die Handlung, als Gemmas Oma und "Cowgirl" Kate sich kennenlernen und miteinander anfreunden, was Gemma zunächst nicht gern sieht, aber allmählich bringt es doch auch die beiden Mädchen einander näher. Kates Vater betreibt die Landwirtschaft nur noch halbherzig und versucht parallel dazu eine Landschaftsgärtnerei-Firma aufzubauen; als er seine zwölf Kühe samt Weideland an einen Großbauern verkaufen will, kommt Kate auf die verzweifelte Idee, ihre Lieblingskuh Jane im Garten von Gemmas Oma unterzustellen. Ein Entschluss mit unerwartet weitreichenden Folgen: Auf eigentümliche Weise beginnt die Anwesenheit der Kuh das soziale Klima in der Nachbarschaft zu verändern. Es ist beinahe wie mit den Wölfen im Yellowstone-Park. Sogar die delinquenten Jugendlichen in der Neubausiedlung sammeln plötzlich lieber Kuhfutter, statt Fahrräder zu klauen oder bei wehrlosen Rentnern einzubrechen. Bald zeigen einige der Nachbarn Interesse, ebenfalls eine Kuh bei sich aufzunehmen, und Kate sieht die Möglichkeit, das ganze Dutzend im Wohngebiet unterzubringen.

Konflikte sind natürlich vorprogrammiert, schließlich gehören die Kühe eigentlich nicht Kate, sondern ihrem Vater, der weiterhin entschlossen ist, sie zu verkaufen; außerdem ist die Umsiedlung von Kühen ohne behördliche Genehmigung sowieso illegal. Auf welche Weise es schließlich zu einer für alle Seiten befriedigenden Lösung kommt, soll hier nicht verraten werden.

Es überrascht wohl nicht unbedingt, dass es auf der Dialog- und Reflexionsebene dieses Buches auch um Fragen der artgerechten Viehhaltung geht, bis hin zu der Überlegung, ob Milchviehwirtschaft nicht grundsätzlich und zwangsläufig grausam sei, weil sie darauf basiert, Kälber ihren Müttern wegzunehmen und die für sie bestimmte Milch für den menschlichen Verzehr zweckzuentfremden. Es wirkt plausibel und nicht übertrieben, dass Gemma, nachdem sie Kates Kühe liebgewonnen hat, beschließt, sich fortan vegetarisch ernähren zu wollen; auf Milch und Käse will sie aber doch nicht verzichten – eine Inkonsequenz, die verhindert, dass das Buch in diesem Punkt allzu "preachy" 'rüberkommt. – Viel interessanter finde ich aber ehrlich gesagt die Dynamik in den nachbarschaftlichen Beziehungen im Neubaugebiet, die durch die Kühe angestoßen wird. Was mir aus #benOppiger Perspektive dabei zu meinem vollkommenen Glück noch fehlt, ist ein christlicher Bezug. Die einzige Religion, die im Buch eine Rolle spielt, ist der Hinduismus: Einer der Nachbarn von Gemmas Oma ist Inder und spricht viel über die Bedeutung der Kuh im Hinduismus, auch von Krishna in seiner Rolle als mythischer Rinderhirt ist die Rede, und auf dem Weg zum Happy End wird ein Holi-Fest gefeiert. Das kommt alles durchaus stimmig 'rüber, macht die Abwesenheit des Christentums im Handlungskosmos aber nur desto auffälliger.

Die deutsche Übersetzung von Gabriele Haefs finde ich übrigens nicht ganz so gut, wie ich sie mir gewünscht hätte; dabei mag es allerdings eine Rolle gespielt haben, dass mir beim Namen Gabriele Haefs prompt Gisbert Haefs einfiel, dessen Übersetzung von Rudyard Kiplings "Genau-so-Geschichten" ich absolut genial finde und der tatsächlich Gabrieles Bruder ist. Da waren meine Erwartungen wohl einfach sehr hoch. Der Entscheidung, das Buch, dessen Originaltitel "Cowgirl" lautet, in der deutschen Ausgabe "Milchmädchen" zu nennen, möchte ich jedenfalls Beifall zollen – auch wenn wir es familienintern bevorzugt "das Kuh-Buch" genannt haben. – Um nun aber mal zu einem abschließenden Urteil zu kommen: Ja, ich würde schon sagen, dass dieses Buch in derselben Liga spielt wie "Ein Baum voller Geheimnisse" und "Dumme Ideen für einen guten Sommer". Es atmet eine andere Atmosphäre, es ist irgendwie "europäischer", ernster, kühler, in gedämpfteren Farben gemalt, aber es kann mit den genannten Büchern mithalten. Jetzt bin ich gespannt, ob ich in der Bibliothek noch mehr Bücher werde entdecken können, die auf diesem Niveau liegen. 


  • Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Mit Zeichnungen von F.J. Tripp. München: dtv, 1977 (erstmals: Stuttgart: Thienemanns, 1960).

Hier kann ich die Handlung nun aber wirklich als bekannt voraussetzen, oder? – Tja, könnte man meinen; aber so ganz sicher bin ich mir da, schon aus eigener Erfahrung, doch nicht. Wie wahrscheinlich viele Kinder meiner Generation habe ich diese Geschichte zuerst in Gestalt der Puppentrick-Fernsehserienfassung der "Augsburger Puppenkiste" kennengelernt, und es dauerte dann noch einige Jahre, bis ich tatsächlich mal das Buch las; ich bin nicht einmal sicher, ob mir damals bewusst war, dass es vom selben Verfasser stammte wie "Momo" und "Die Unendliche Geschichte". Tatsächlich stellte "Jim Knopf" das Kinderbuch-Debüt des bis dahin ohne großen Erfolg als Theater- und Kabarettautor sowie als Filmkritiker tätigen Ende dar; die in zwei Bänden ("Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer", 1960, und "Jim Knopf und die Wilde 13", 1962) veröffentlichte Geschichte hatte Ende ursprünglich als einen zusammenhängenden Roman geschrieben, weshalb es vielleicht nicht verwunderlich ist, dass ich mich nicht mehr ganz genau erinnern konnte, welche Handlungselemente im ersten Band vorkommen und welche im zweiten. Vor allem war ich überrascht, dass Lukas und Jim schon ganz am Anfang ihrer Abenteuerreise in China landen; dabei entspricht das völlig der inneren Logik einer klassischen Heldenerzählung: Der jugendliche Held (Jim) und sein Mentor (Lukas) werden durch Zufall oder Schicksal an einen Ort verschlagen, der zwar als fremd und "anders" gekennzeichnet wird, aber immerhin noch Ähnlichkeit mit der Welt hat, die sie kennen (case in point: Ebenso wie der König von Lummerland hat auch der Kaiser von China ein Telefon), und erhalten dort einen Auftrag, der sie noch tiefer ins Unbekannte führt. In diesem Sinne kommt Endes phantastisch überzeichnetem China (das in anderen Ausgaben des Romans "Mandala" heißt) die Funktion der "Schwelle zur Anderswelt" zu. Klassisch ist auch, dass der Held im Zuge der Erfüllung der ihm gestellten Aufgabe auch dem Geheimnis seiner eigenen Herkunft auf die Spur kommt.

Kurzum, man kann wohl sagen, dass es sich bei "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" um einen Heldenmythos in skurril-humorvoller Einkleidung handelt und dass der Autor mit diesem Buch eine Probe seines Könnens abliefert, das sich in späteren Werken auf ungleich höherem Niveau entfaltet. Für ein Kinderbuch ist das Niveau von "Jim Knopf" indes schon ganz richtig. – Übrigens möchte ich in meiner Eigenschaft als dezidiert christlicher Kinder- und Jugendbuchkritiker durchaus nicht der Frage aus dem Weg gehen, ob Michael Ende nicht auch seine problematischen Züge habe, die es ratsam erscheinen lassen, eine gewisse Vorsicht dabei walten zu lassen, Kinder an seine Werke heranzuführen. Nun kann man natürlich erst mal sagen: Vorsicht ist immer gut, und es gibt wohl kaum einen "klassischen" Kinder- und Jugendbuchautor, bei dem es solche problematischen Aspekte nicht gäbe. Bei Michael Ende handelt es sich indes um einen ausgeprägten Hang zu Esoterik und Okkultismus; auch wenn ich sagen würde, dass das in "Jim Knopf" noch nicht so eine große Rolle spielt, ist das doch insgesamt ein vielschichtiges Thema, mit dem ich mich schon mehrfach befasst, aber, wenn die Erinnerung mich nicht trügt, noch nie etwas dazu veröffentlicht habe. Was mich daran erinnert, dass ich während der Corona-Zeit im Rahmen meiner Artikelserie "Die 100-Bücher-Challenge" eine Rezension von Michael Endes relativ kurz vor seinem Tod erschienenen Fragmentensammlung "Zettelkasten" in Angriff genommen hatte, damit aber schlichtweg nicht fertig geworden war. Nun spiele ich mit dem Gedanken, sie, soweit sie eben gediehen ist, auf Patreon zu veröffentlichen; vielleicht motiviert mich das dann sogar dazu, endlich doch noch an ihr weiterzuarbeiten.

Hier und jetzt aber erst mal noch was anderes: Wie einigen Lesern bekannt sein dürfte, gehört "Jim Knopf" zu denjenigen Büchern, die seit einigen Jahren immer wieder in Debatten darüber auftauchen, ob man Kinderbuchklassiker von nicht mehr zeitgemäßen, reaktionären, diskriminierenden Elementen säubern müsse. Konkret handelt es sich um den Vorwurf "rassischer Stereotypen". Das sieht erst einmal nach einem klassischen Beispiel dafür aus, dass man es den woken Tugendwächtern einfach nicht recht machen kann: Kommen in einem Kinder- oder Jugendbuch keine sogenannten "people of color" vor, dann fehlt es ihm an "diversity"; kommen aber welche vor, dann ist ihre Darstellung rassistisch. Dabei sollte man denken, der Autor positioniere sich recht unmissverständlich gegen Rassismus und andere Formen von Diskriminierung, etwa indem er dem einsam und ausgestoßen in der Wüste lebenden Scheinriesen Tur Tur die Worte in den Mund legt:

"Eine Menge Menschen haben doch irgendwelche besonderen Eigenschaften. Herr Knopf zum Beispiel hat eine schwarze Haut. So ist er von Natur aus, und dabei ist weiter nichts Seltsames, nicht wahr? Warum soll man nicht schwarz sein? Aber so denken leider die meisten Leute nicht. Wenn sie selber zum Beispiel weiß sind, dann sind sie überzeugt, nur ihre Farbe wäre richtig, und haben etwas dagegen, wenn jemand schwarz ist. So unvernünftig sind die Menschen bedauerlicherweise oft" (S. 129).

Zweifellos könnten in Intersektionalismus und "Critical Race Theory" geschulte Diskursteilnehmer ausführlich begründen, warum diese Stellungnahme unzulänglich sei, aber nach den Maßstäben dieser Leute ist ja sogar Martin Luther Kings "I Have a Dream"-Ansprache reaktionär. –

Aber was ist mit dem "N-Wort"? Ganz am Anfang der Geschichte, als die Bewohner der Insel Lummerland in einem Postpaket das dunkelhäutige Baby vorfinden, das später Jim Knopf genannt wird, sagt Herr Ärmel den verhängnisvollen Satz "Das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein" (S. 15). Wie geht man damit um, wenn man das Buch einem Schulkind vorliest, das das "N-Wort" ja möglichst nicht in seinen aktiven Wortschatz aufnehmen soll? Unterbricht man die Lektüre, um dem Schulkind zu erklären, dass zu der Zeit, als das Buch geschrieben und veröffentlicht wurde, das "N-Wort" eine allgemein gebräuchliche Bezeichnung für dunkelhäutige Menschen war und als solche sogar im Lexikon stand, heute aber als beleidigend und respektlos aufgefasst wird und deshalb nicht mehr verwendet werden sollte? Oder lässt man den Satz beim Vorlesen einfach weg? – In diesem konkreten Fall erwies sich die letztere Lösung als die einfachere, da der problematische Satz an dieser Stelle eigentlich überflüssig ist; bestenfalls dient er dazu, Herrn Ärmel als neunmalklugen Wichtigtuer zu charakterisieren, was aber insofern verzichtbar ist, als er im weiteren Verlauf der Handlung ohnehin nur noch am Rande erwähnt wird. Schwieriger dürfte die Vermeidung des "N-Worts" in James Krüss' "Der Leuchtturm auf den Hummerklippen" werden; dieses Buch haben wir ebenfalls "für demnächst" auf unserer Leseliste... Ich werde berichten! 


Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel erschien zuerst am 25.05. auf der Patreon-Seite "Mittwochsklub". Gegen einen bescheidenen Beitrag von 5-15 € im Monat gibt es dort für Abonnenten neben der Möglichkeit, Blogartikel rund eine Woche früher zu lesen, auch allerlei exklusiven Content, und wenn das als Anreiz nicht ausreicht, dann seht es als solidarischen Akt: Jeder, der für die Patreon-Seite zahlt, leistet einen Beitrag dazu, dass dieser Blog für den Rest der Welt kostenlos bleibt! 


Dienstag, 28. Mai 2024

Die Fallers und die Erstkommunion

Die Erstkommunion-Saison ist für dieses Jahr wohl so ziemlich vorbei; das soll mich jedoch nicht davon abhalten, dieses Thema noch einmal aufzugreifen. Den Anlass dazu bietet nicht so sehr die Tatsache, dass ich mich, wie mir plötzlich aufgefallen ist, noch gar nicht zu den diesjährigen Erstkommunionen in meiner Heimatpfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland geäußert habe, sondern vielmehr ein Ausschnitt aus einer Folge der Fernsehserie "Die Fallers", den ich auf Instagram gesehen habe. Und nun weiß ich erst mal nicht recht, was ich zuerst erklären soll: Was das für eine Fernsehserie ist oder wie es dazu gekommen ist, dass ich einen Ausschnitt daraus auf Instagram gesehen habe. Aber ich glaube, ich schaffe erst mal Letzteres aus dem Weg; das ist nämlich etwas unangenehm.

Auf Instagram gepostet wurde der betreffende Serien-Ausschnitt nämlich von dem Account "Heilige & Halunken"; und dass ich diesem auf Instagram folge, ist alles in allem eher ein Fall von Feindbeobachtung. Wobei ich Wert auf die Feststellung lege, dass ich nicht damit angefangen habe: Zuerst folgten die "Heiligen & Halunken" nämlich mir, und ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, was das für Leute sind, dachte ich mir, och, folgste einfach mal zurück. Ziemlich bald stellte ich dann allerdings fest, dass ich es 1. wohl eher mit Halunken als mit Heiligen zu tun hatte und dass der Account mir 2. schon wieder "entfolgt" war; möglicherweise bin ich reichweitenmäßig einfach nicht "relevant" genug, um auf dem Radar der Betreiber mehr als ein kurzes Flackern auszulösen. Darüber sollte ich aber wohl nicht allzu traurig sein: Der Podcast "Heilige & Halunken", für den der gleichnamige Instagram-Account im Wesentlichen eine Werbeplattform darstellt (aber das ist bei mir und meinem Blog ja auch nicht wesentlich anders), wird betrieben von geradezu idealtypischen Vertretern des postchristlich-"progressiv" gesonnenen Mittelbaus des institutionellen Apparats der Kirche; Ober-"Halunke" Thomas Halagan betreibt parallel dazu einen von häretisch.de gehosteten Video-Podcast (oder wie ich gern sage: Vodkast) namens "Was da los?", auf dem er passend zu diesem Titel immer so aussieht, als hätte er tags darauf schwer einen über den Durst getrunken (aber dafür kann er wohl nichts; ich würde auch nicht nüchtern für häretisch.de arbeiten wollen), und sein Lieblingsthema ist es, davor zu warnen, wie schlimm und gefährlich Leute wie Johannes Hartl und das Gebetshaus Augsburg seien (Spoiler: im Wesentlichen deshalb, weil Leute, die über oder sogar mit Gott reden, als gäbe es Ihn tatsächlich, ja wohl irgendwas Unsauberes im Schilde führen müssen). Wenn Halagan und seine Co-"Halunkin" Mareike Wolff mal nicht dieses Steckenpferd reiten (oder wahlweise Abtreibungsgegner als rechtsextrem einordnen, eine Lanze für das Gendern brechen oder die mangelnde LGBT-Akzeptanz der vatikanischen Glaubenshüter tadeln), sondern sich stattdessen an niederschwelliger Pastoraltheologie versuchen, wird's in der Regel erst recht peinlich. So etwa im Begleittext zu dem Video, um das es hier gehen soll; der liest sich nämlich wie folgt:

"Gerade laufen die sog. 'Erstkommunionen', in denen für gewöhnlich Kinder der dritten Klassen in die eucharistische Gemeinschaft aufgenommen werden (= sie dürfen am Abendmahl teilnehmen). Was tun, wenn das Kind will, aber die Eltern nicht? Was macht Ihr mit Euren Kindern? Gehört es für Euch dazu, Eure Kinder in der Weise kirchlich zu sozialisieren, dass sie die Sakramente/Kirchenfeiern miterle [sic]? Oder ist das Ganze nur Folklore? Ab wann sind Menschen hinsichtlich ihres Glaubens und möglicher religiöser Zugehörigkeit mündig? [...] Lasst uns über Kinder 'in Kirche' reden!" 

Symbolbild: Blumengeschmückter Taufstein in der Kirche St. Marien Maternitas, Berlin-Heiligensee

Zu diesem Text könnte man sicherlich allerlei anmerken, aber ich will erst mal von der Stelle kommen und lasse das daher vorerst mal so stehen; auf den einen oder anderen Punkt komme ich gegebenenfalls noch zurück. Werfen wir einstweilen noch einen Blick auf die Serie "Die Fallers", aus der der Ausschnitt stammt: Dabei handelt es sich um eine bereits seit 1994 laufende, mittlerweile 30 Staffeln mit insgesamt über 1200 halbstündigen Folgen umfassende Familienserie um eine Bauernfamilie in einem fiktiven Schwarzwalddorf. Angesichts der langen Laufzeit der Serie überrascht es nicht unbedingt, dass das Tableau der handelnden Personen vier Generationen umfasst. In dem hier zu behandelnden Ausschnitt aus der am 24. März erstausgestrahlten 1215. Folge "Fromme Wünsche" steht ein Mitglied der jüngsten Generation im Mittelpunkt, ein Mädchen im Grundschulalter namens Carlotta. Als ihre Dialogpartner sind ihre Mutter Eva, ihr Vater Andreas und schließlich ihr Urgroßvater Hermann zu sehen. Erwähnt werden weiterhin "die Joma" sowie "Oma und Obernd"; wer damit gemeint ist, ist für Nicht-Kenner der Serie nicht so leicht ersichtlich, aber ich habe ein bisschen recherchiert und kann daher verraten, dass "die Joma" Carlottas verstorbene Urgroßmutter Johanna war – über Jahrzehnte hinweg die eigentliche Zentralfigur der Serie –, während "Oma und Obernd" Carlottas Großmutter Kati und deren mit dem Rest der Sippe nicht verwandter Lebensgefährte sind. Letzterer heißt Bernd, woraus aus Sicht des Enkelkindes eben "Obernd" wird. Alles klar? 

Nun aber zur Sache: In dem knapp fünfminütigen Ausschnitt aus Folge 1215 zeigt Carlotta, für ihre Familie überraschend, großes und sehr ernsthaftes Interesse am Thema Erstkommunion. Auslöser dafür ist offenbar, dass ihre Schulfreundin Emy seit einiger Zeit zum Erstkommunionunterricht geht; wie sich zeigt, ist Carlotta ohne Wissen ihrer Eltern mit dorthin gegangen und will nun auch zur "Heiligen Kommunion" gehen, wie sie explizit sagt. Sie ist sich allerdings bewusst, dass sie dafür erst einmal getauft werden müsste. 

Gut herausgearbeitet und differenziert dargestellt sind die Reaktionen der Erwachsenen auf Carlottas Ansinnen: Mutter Eva gibt zu erkennen, dass ihre Erinnerungen an ihre eigene Erstkommunion eher negativ besetzt sind, wirkt aber auch nachdenklich, als sie feststellt, dass ihre Tochter sich mit religiösen Themen besser auskennt als sie selbst; der Vater reagiert entschieden ablehnend; Urgroßvater Hermann schließlich ist zwar verwundert und lässt durchblicken, dass er selbst es eher nicht so mit der Religion hat, signalisiert aber deutlich Bereitschaft, Carlotta in ihrem Wunsch zu unterstützen. 

Bemerkenswert ist aber auch und nicht zuletzt der Ernst, mit dem das Mädchen an das Thema herangeht. Wie Carlotta ihrer Mutter gegenüber betont, "das Wichtigste" an der Erstkommunion seien nicht die Geschenke und die Feier in der Familie, sondern dass man "vor zum Pfarrer" geht und "seine heilige Hostie" bekommt; und ihrem Vater gegenüber, an Ostern gehe es nicht darum, dass "der Osterhase die Ostereier bringen kann", sondern darum, dass "Jesus gestorben und wiederauferstanden ist". Und überhaupt, mit welcher Entschiedenheit sie Bezeichnungen wie "heilige Kommunion" und "heilige Hostie" verwendet. Was ist denn das wohl für ein Erstkommunionunterricht, den sie da besucht? Da wird man ja neidisch! 

Das ist, und das meine ich ganz unpolemisch, der Punkt, an dem ich die Darstellung nicht recht realistisch finde (während andere Betrachter ganz andere Aspekte als unrealistisch bemängelten, aber dazu später): Obwohl die in diesem Ausschnitt auftretenden Erwachsenen durchweg, wenn auch in unterschiedlich ausgeprägtem Maße, mit Kirche und Religion nicht viel am Hut haben, scheint vorausgesetzt zu werden, dass im Innenraum der Kirche noch alles intakt sei – dass also die überlieferte Glaubenslehre der Kirche nach wie vor unverkürzt und unverfälscht gelehrt und praktiziert würde, auch und gerade in der Erstkommunionkatechese. Wie wenig das der Realität entspricht, wie erbärmlich das Niveau der Katechese landauf, landab tatsächlich aussieht, davon gibt nicht nur der oben zitierte Text von "Heilige & Halunken" Zeugnis, sondern auch ein kürzlich auf häretisch.de veröffentlichter, von drei namhaften Religionspädagogen und Pastoraltheologen verantworteter Artikel, in dem der eucharistische Leib Christi allen Ernstes als "Jesus-Brot" bezeichnet wird. (Dieser Artikel, der die Überschrift "Beziehungsorientierte statt individualisierte Erstkommunionbegleitung" trägt, würde im Grunde eine gesonderte Auseinandersetzung verdienen.) An dem Text von "Heilige & Halunken" erscheint mir besonders die Frage bezeichnend: "Gehört es für Euch dazu, Eure Kinder in der Weise kirchlich zu sozialisieren, dass sie die Sakramente/Kirchenfeiern miterle[ben]? Oder ist das Ganze nur Folklore?". Spontan habe ich da gedacht: Wieso "oder"? "Gehört es für euch dazu oder ist es nur Folklore?", das klingt für mich nach "Ist es grün oder nur eine Mischung aus Blau und Gelb?". Dass der Wunsch, Kindern den Zugang zum Sakrament der Eucharistie zu eröffnen, etwas mit Glauben zu tun haben könnte – in letzter Konsequenz nämlich mit dem Glauben, dass sich im Empfang der Eucharistie das Wort Jesu "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt" (Joh 6,51) erfüllt –, wird überhaupt nicht in Betracht gezogen; stattdessen wird die Erstkommunion rein unter dem Aspekt der kirchlichen Sozialisation wahrgenommen. Diese Perspektive korrespondiert in gewissem Sinne damit, wie zahlreiche Kommentatoren auf der Facebook-Seite des SWR das Geschehen in der Serienepisode wahrnehmen und beurteilen: Sie können sich schlichtweg nicht vorstellen, dass ein Kind wie Carlotta von sich aus ein genuines Interesse an Religion und Kirche entwickelt, wenn ihr dieses im Elternhaus nicht vorgelebt wird. Hinter dem Wunsch, zur Erstkommunion zu gehen, könne sich – so meinen viele SWR-Zuschauer – letztlich nur der Drang verbergen, das zu tun, was auch die Freundin tut; dazu vielleicht noch der Wunsch, ein schönes Kleid zu tragen und bei einer festlichen Zeremonie im Mittelpunkt zu stehen. Die Serienfigur Carlotta weist solche Deutungsmuster zwar explizit und entschieden zurück, aber das empfinden nicht wenige Kommentatoren eben als unglaubwürdig. Dabei fehlt es durchaus nicht an anekdotischer Evidenz dafür, dass so etwas im wirklich Leben sehr wohl vorkommt: dass Kinder plötzlich ein Interesse an Religion entwickeln, das bei ihren erheblich weniger religiösen Eltern Verwunderung und nicht selten Beunruhigung auslöst. Gegenüber dem allgemeinen Trend, dass Religiosität innerhalb von Familien von Generation zu Generation abnimmt, ist das gewiss die Ausnahme, aber eine absolute Singularität ist es nun nicht gerade

Was mir an dem Clip besonders gut gefällt, ist die Scharfsichtigkeit, mit der Carlotta die Unehrlichkeit in der Behauptung ihres Vaters entlarvt, die Eltern hätten sie deshalb nicht als Säugling oder Kleinkind taufen lassen, weil sie wollten, dass sie sich "später selbst entscheiden" kann: Tatsächlich will er ja gar nicht, dass sie sich entscheidet, jedenfalls nicht dafür. Er meint, sie sei noch nicht alt genug für eine solche Entscheidung; aber wann wäre sie das seiner Meinung nach? Mit 14, wenn sie seine Einwilligung nicht mehr braucht? Wenn das so ist, dann ist das wohlklingende "Das Kind soll sich einmal selbst entscheiden" letztlich nur ein Euphemismus für "Nicht solange ich dabei etwas mitzureden habe". Und so dürfte es, bewusst oder unbewusst, bei den meisten Eltern sein, die ihre Kinder nicht taufen lassen und das damit begründen, dass "das Kind sich einmal selbst entscheiden" soll: Damit, dass das Kind dies tatsächlich irgendwann einmal tut, wird gar nicht gerechnet, geschweige denn, dass es erwünscht wäre; man tut auch nichts dafür, das Kind zu einer solchen Entscheidung zu befähigen, und wenn es dann plötzlich doch Interesse an Religion zeigt, fällt man aus allen Wolken. – Wohlgemerkt, ich habe von den meisten Eltern gesprochen, nicht von allen. Natürlich gibt es Eltern, die ihre ungetauften Kinder in der Schule zum Religionsunterricht gehen lassen. Es ist auch nicht unbedingt außergewöhnlich, dass in einem Erstkommunionkurs mit ungefähr 20 Kindern eines oder zwei dabei sind, die noch nicht getauft sind. Im Großen und Ganzen bin ich dennoch überzeugt, dass die Aussage "Das Kind soll sich einmal selbst entscheiden" in den allermeisten Fällen eine recht fragwürdige und fadenscheinige Floskel ist. 

Es lohnt sich übrigens, sich die "Fallers"-Folge "Fromme Wünsche" im Ganzen anzusehen; zwar bildet Carlottas Wunsch nach Taufe und Erstkommunion dort nur einen von drei Handlungssträngen, aber es gibt über die im Ausschnitt gezeigten Dialoge hinaus noch einige weitere interessante Szenen, die das Thema vertiefen. Die Erstkommunion selbst findet, den Vorschaubildern in der Mediathek nach zu urteilen, erst in Folge Nr. 1217 statt; die habe ich mir aber noch nicht angesehen. Möglicherweise wird darauf also noch mal zurückzukommen sein. 


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Samstag, 25. Mai 2024

Creative Minority Report Nr. 31

Frohe Pfingsten, Leser! Mit dem Hochfest der Ausgießung des Heiligen Geistes, auch bekannt als Geburtsfest der Kirche, hat die diesjährige Osterzeit hat ihren Abschluss gefunden und wir sind wieder in die sogenannte "Zeit im Jahreskreis" eingetreten; gleichzeitig neigt sich der Marienmonat dem Ende zu (aber danach kommt der Herz-Jesu-Monat!), und was auch nicht ganz unwichtig ist: Wir haben ungefähr die Hälfte der Zeitspanne zwischen Oster- und Sommerferien 'rum. Zu berichten gibt es aus der zurückliegenden Woche wieder jede Menge, also fange ich gleich mal damit an: 

Arcabas (d.i. Jean-Marie Pirot): Pfingsten. (Bildquelle hier)


Was bisher geschah 

An den Pfingsttagen war bei uns eine Menge los – so viel, dass es eine eigene Rubrik ("Bolle reiste jüngst zu Pfingsten") verdient. Im Übrigen erfuhr ich am Sonntag aus den Vermeldungen, dass am Donnerstag in St. Joseph Siemensstadt Gemeinderatssitzung sein sollte; ich hätte das gern schon etwas früher erfahren, bemühte mich aber redlich, mich angemessen auf die Sitzung vorzubereiten – u.a. indem ich, wie schon seit einiger Zeit geplant, ein Konzeptpapier für das Projekt "Kinder-Lobpreis-Disco" erstellte (wer sich dafür interessiert, kann es sich hier ansehen). Zunächst ging aber ja der Schul- und Arbeitsalltag wieder los; ich war also wieder viel mit dem Jüngsten unterwegs (siehe unter "Wenn der Vater mit dem Sohne"; eine Extra-Rubrik "Immer wieder mittwochs" gibt's diesmal nicht, da der Mittwoch im Vergleich zu den anderen Wochentagen diesmal nicht so herausragend war). Am Donnerstag war dann also die besagte Gemeinderatssitzung (s. unter "Die Gremienarbeit hat mich wieder..."); und heute Vormittag war wieder Wichtelgruppentreffen, worüber ich aber, wie inzwischen üblich, erst im nächsten Wochenbriefing berichten werde. Nach dem Wichtelgruppentreffen machte meine Liebste sich mit den Kindern auf zum Fest "100 Jahre S-Bahn" in Erkner... 


Was ansteht 

Die Beantwortung der spannenden Frage "Gehen wir heute Abend ins Baumhaus?" wird womöglich davon abhängen, wie lange Frau und Kinder es bei dem S-Bahn-Fest aushalten und wie die Kinder danach drauf sind, aber ich möchte eigentlich schon gern hin – schon allein, um dort weiter für das Gartenprojekt in St. Stephanus zu werben. Morgen ist Dreifaltigkeitssonntag; dazu ein Service-Hinweis: Die Kollekte ist für den Katholikentag, also gebt euer Geld lieber dem Bettler vor der Kirchentür, statt es ins Kollektenkörbchen zu werfen, oder spendet es einer frommen Vereinigung eures Vertrauens! – In St. Joseph Siemensstadt steht der KiWoGo zum Thema "Gehet hin in alle Welt" (Alternativtitel "Willkommen im Dschungel") an; ich bin sehr gespannt und werde ausführlich berichten. Nach der Messe, so jedenfalls ist der aktuelle Stand der Planung, will meine Liebste mit den Kindern zum Feenfest im Britzer Garten; am Montag ist Omatag, am Mittwoch aller Voraussicht nach wieder das übliche Montagsprogramm, am Donnerstag Fronleichnam. In den letzten Jahren haben wir die zentrale Fronleichnamsfeier des Erzbistums Berlin ja gemieden, aber dieses Jahr wollen wir wohl doch hin: Die Predigt wird der Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem, P. Nikodemus Schnabel OSB, halten, und im Anschluss an die Prozession soll es eine "Begegnung mit internationalen Speisen" geben. – Am Wochenende ist Fiesta Kreutziga, und auch wenn dieses Straßenfest im vorigen Jahr nicht so toll war, hat es doch einen besonderen Platz in meinem Herzen, also werden wir vielleicht doch mal gucken, ob es dieses Jahr wieder besser ist. Besonders würde mich ja das Straßenmusiktheaterstück "Allein machen sie dich ein" interessieren, das am Freitagabend in der Kreutziger Straße aufgeführt wird. Na, schauen wir mal. 


Bolle reiste jüngst zu Pfingsten 

Wahrscheinlich weil wir kurz vor dem Schlafengehen noch über unsere Reisepläne für die Sommerferien geredet hatten, träumte ich in der Nacht zum Pfingstsonntag, wir würden die Pfingsttage in Nordenham verbringen – präziser gesagt in Einswarden. Und zwar bei einer "gestalteten" Familienfreizeit, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Väterwochenende in Zinnowitz hatte, aber für die ganze Familie war. Zum Programm dieser Familienfreizeit gehörte auch der Besuch zweier verschiedener Kirchen am Pfingstsonntag und Pfingstmontag; Kirchen, von deren Existenz ich bislang nichts wusste – was sich außerhalb des geträumten Universums dadurch erklärt, dass es sie schlicht nicht gibt, aber im Traum wunderte ich mich, dass ich sie bisher nicht gekannt hatte. Es handelte sich um zwei ihrem Aussehen nach wohl in den 1970er Jahren gebaute Kirchen, die, so reimte ich es mir zusammen, von missio oder einem ähnlichen Hilfswerk in der expliziten Absicht finanziert worden waren, mit den dort abgehaltenen Gottesdiensten Spenden für Missionsprojekte im Afrika zu generieren; dazu passend war der Innenraum der einen Kirche von Künstlern aus Mali gestaltet worden und der der anderen von Künstlern aus Äthiopien. Irgendwie spielten wohl auch unsere Überlegungen dazu, wie wir in der wirklichen Welt den Gottesdienstbesuch zu Pfingsten mit unserem sonstigen Feiertagsprogramm koordinieren wollten, in diesen Traum hinein. 

Tatsächlich gingen wir am Pfingstsonntag in St. Joseph Siemensstadt in die Messe; sie wurde zelebriert vom leitenden Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie und musikalisch mitgestaltet vom Knabenchor Hösel. Ausgesprochen bemerkenswert fand ich die Predigt, auf die ich daher in einer gesonderten Rubrik eingehen werde. Von der Kirche aus machten wir uns direkt auf den Weg ans ganz andere Ende Berlins, zum Dr.-Hans-Hess-Stadion in Mariendorf, wo unsere Kinder am Kids Survival Race teilnahmen – einem Hindernislauf, der nach Angaben der Veranstalter "nicht nur eine ausgezeichnete Form körperlicher Betätigung" darstellt, "sondern auch eine großartige Möglichkeit, Entschlossenheit zu entwickeln, eigene Grenzen zu überwinden und den Horizont zu erweitern". Unser Jüngster hatte darauf bestanden, zu diesem Event sein Spiderman-Kostüm anzuziehen, und zog damit zahlreiche Blicke auf sich; übrigens waren auch zwei der drei liebsten Schulfreundinnen unserer Großen mit von der Partie. Den Hindernislauf meisterten unsere Kinder sehr gut und hatten eine Menge Spaß dabei; nachdem sie allerdings vor lauter Vorfreude auf diese Veranstaltung schon den ganzen Vormittag extrem aufgekratzt gewesen waren, waren sie hinterher erst recht total überdreht. Auf dem Heimweg schliefen dann beide Kinder in der U-Bahn ein – der Kleine auf Mamis Schoß, die Große an meine Schulter gelehnt –, was zu einigen Komplikationen führte, als wir am Kurt-Schumacher-Platz in den Schienenersatzverkehr umsteigen mussten. 

Am Pfingstmontag standen wir eine Stunde früher auf, um in St. Stephanus Haselhorst in die Messe zu gehen, die vom örtlich zuständigen Pfarrvikar zelebriert wurde, und brachen danach zu dem schon länger geplanten Ausflug nach Beelitz zum Baumkronenpfad auf; unterwegs stießen meine Schwiegermütter und die Cousine meiner Liebsten mit ihrem Sohn zu uns. 

Man muss sagen, dass der Baumkronenpfad eine eindrucksvolle Aussicht auf die Ruinen der Beelitzer Heilstätten – und natürlich auf die Bäume rundherum – ermöglicht: 




Das Problem, jedenfalls für ein eigenbrötlerisches Dorfkind wie mich, war dabei, dass eben Pfingstmontag war und gefühlt ganz Berlin eine Landpartie machte. Das das führte dazu, dass das Zahlenverhältnis Baum zu Mensch nicht so ganz nach meinem Geschmack war, oder schlichter gesagt: Ich fand, es war zu voll, als dass die Atmosphäre des Ortes so richtig hätte wirken können. Vielleicht müsste man die Anlage mal an einem Werktag besichtigen. 

Erwähnt seien abschließend aber noch ein paar Beobachtungen aus dem Bereich "Überall hat Gott seine Leute": Auf dem Weg zurück von den luftigen Höhen des Baumkronenpfads zum festen Erdboden nahm ich angesichts der starken Auslastung des Aufzugs die Treppe; dabei kam ich an zwei Frauen um die 30 (oder vielleicht etwas älter) vorbei und schnappte auf, wie die eine zur anderen sagte: "Und wie wäre es, einfach auf Gott zu vertrauen, dass Er die Gemeinde wieder neu belebt?" Spannend, dachte ich. Damit nicht genug, saß ich in der Regionalbahn auf dem Rückweg nach Berlin neben einer Gruppe älterer Männer (älter als ich, meine ich), von denen einer anscheinend aus Bayern, jedenfalls aus Süddeutschland kam und erzählte, er habe vor, in Berlin an einer Fronleichnamsprozession teilzunehmen – und zwar nicht an der zentralen Fronleichnamsfeier des Erzbistums; einige Indizien schienen mir dafür zu sprechen, dass es sich um die Prozession des Instituts St. Philipp Neri handelte. Der Mann fügte hinzu, während eines größeren Teils seines Erwachsenenlebens sei er "praktisch Atheist gewesen". Der ihm gegenüber sitzende Mann merkte an, bei ihm sei es ähnlich gewesen; er sei evangelisch, habe aber erst mit über 50 angefangen, sich in nennenswertem Ausmaß für die Kirche zu interessieren. An das Stichwort Fronleichnam schlossen sich Diskussionen über konfessionelle Unterschiede im Eucharistie- bzw. Abendmahlsverständnis sowie zum Sakramentenverständnis insgesamt an. Soviel mal zu der verbreiteten Vorstellung, Religion, geschweige denn die christliche, sei gesamtgesellschaftlich gesehen kein relevantes Thema mehr... 


Predigtnotizen 

Die obige Bemerkung scheint mir übrigens eine durchaus passende Überleitung zur Pfingstpredigt des Pfarrers von Heilige Familie darzustellen. Wie bei diesem Priester nicht selten, begann die Predigt als detaillierte, mit allerlei Anmerkungen zum kirchen- und liturgiegeschichtlichen Kontext sowie Querverweise zu anderen Bibelstellen angereicherte Nacherzählung des biblischen Texts, in diesem Fall also der Pfingsterzählung aus der Apostelgeschichte; dabei lag das Hauptaugenmerk des Pfarrers darauf, das Selbstverständnis und den Auftrag der Kirche aus dem Pfingstereignis herzuleiten. Solide, aber nicht besonders aufregend – bis der Pfarrer nach gut acht Minuten recht unvermittelt auf die Situation der Kirche im Hier und Heute zu sprechen kam. Die Kirche, so merkte er an, werde "ja heute sehr oft kritisiert"; gleichzeitig gebe es aber auch immer wieder Leute – auch unter den "Mitgliedern der Kirche, die noch da sind" –, die "ganz genau wissen, wenn wir das und das machen, dann wird es gut". Insbesondere gelte dies für die Forderung, die Kirche müsse in Form und Inhalt ihrer Botschaft zeitgemäßer werden: "Seit Jahrzehnten", so betonte der Pfarrer, habe die Kirche "versucht, sich zu modernisieren"; aber zumindest "in unseren Breiten" habe das offenkundig "nicht geholfen": "Hunderttausende treten aus", übrigens auch aus den evangelischen Landeskirchen, in denen ja vieles von dem, was in der innerkatholischen Debatte als notwendige Reform gehandelt wird, längst verwirklicht ist. – Laufen der Kirche also tatsächlich deshalb die Leute weg, "weil wir nicht so modern sind"? "Ich weiß, viele von Ihnen sagen mir das ins Gesicht: Wir müssen noch poppiger werden", merkte der Pfarrer an – schloss daran aber sogleich die Prognose an: "Da kommt keiner." Mehr Erfolg hätten derweil ganz andere Ansätze: 

"Junge Menschen ziehen an diesem Wochenende nach Chartres; das sind 20.000, und die lieben lateinische Gebete und keine Gitarrenmessen. Die Priesterseminare, die heute voll sind, da betet man lateinisch. Ist Ihnen das bewusst? Unsere Seminare sind leer! Wir haben einen einzigen, den wir nächste Woche weihen, in diesem Bistum. Warum? Weil der Heilige Geist nicht mehr wirkt? Quatsch. Der Heilige Geist wirkt immer und hat immer gewirkt. Aber es gibt auch Widerstände." 

An diesem Punkt mochte man den Eindruck haben, die Kernbotschaft der Predigt laute "Mehr Traditionalismus wagen!"; aber tatsächlich ging es in der zweiten Hälfte der insgesamt rund zwanzigminütigen Predigt noch um ganz andere Aspekte der Frage, wie die Kirche sich angesichts der Herausforderungen der Gegenwart verhalten solle. Ich will mich hier mal nur auf einige wenige der angesprochenen Punkte konzentrieren. So führte der Pfarrer aus, nach der ungeheuren Aufbruchstimmung, die die Anfänge der Kirche geprägt habe, habe die Kirche sich im Laufe der Jahrhunderte "verfestigt", sei "ein Teil der Gesellschaft" geworden; Gleichwohl gebe es "immer wieder Stationen, wo wir merken: Nein – wir müssen auch gegen diese Welt etwas sagen". Der Weltauftrag der Kirche verwirkliche sich zuweilen eben auch darin, da Nein zu sagen, wo alle anderen Ja sagen. Als Beispiel nannte er die Forderung nach Freigabe der Abtreibung: Dies könne "die katholische Kirche niemals zulassen. In Fragen der Moral wird sie niemals – es sei denn, sie gibt sich auf – dem Zeitgeist entsprechen." Dabei verhehlte er nicht, dass diese Haltung der Kirche Schwierigkeiten bereiten werde; aber das sei historisch gesehen ja nichts Neues. 

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt: "Am Anfang der Kirche haben wir noch keine Kirchengebäude gehabt"; heute hingegen könne man vielfach den Eindruck haben, es sei "unsere einzige Sorge", alle Kirchengebäude zu erhalten. Der Pfarrer räumte ein, die Sorge der Kirche um den Erhalt ihrer Gebäude sei nicht zu trennen von der Sorge darum, in der Gesellschaft präsent und sichtbar zu sein: "Man sieht den Glauben nicht mehr, wenn wir die Gebäude nicht mehr haben." Aber: "Wenn wir den Glauben nicht mehr haben, brauchen wir auch die Gebäude nicht mehr." – Und schließlich:

"Die Kirche hört auf den Heiligen Geist. Er hat sie geführt, und ohne diesen Geist gäbe es sie gar nicht mehr. Da war so viel Widerstand, da war so viel Sünde, so viel Boshaftigkeit auch in der Kirche, dass man eigentlich sagen müsste, sie hätte schon gleich am Anfang untergehen müssen." 

Ich will nicht leugnen, dass sich bei mir an dem einen oder anderen Punkt der Predigt Widerspruch regte. Zum Beispiel war mir die Polemik gegen "Gitarrenmessen" zu plakativ: Ich wüsste nicht, wieso Messen mit Gitarre nicht ebenso feierlich, würdevoll und rechtgläubig sollten sein können wie solche mit Orgel. Andere Hörer werden an anderen Stellen Kritikpunkte haben. Aber das finde ich überhaupt nicht schlimm – eher im Gegenteil: Ich bin geneigt zu sagen, es macht gerade die Stärke dieser Predigt aus, dass sie zum Widerspruch reizt. 


Wenn der Vater mit dem Sohne 

Wegen Pfingsten fing die Schul- und Arbeitswoche erst am Dienstag an; nach dem aufregenden Wochenende ließ ich die Kinder erst einmal ausschlafen, dann brachten der Jüngste und ich gemeinsam das Tochterkind zur Schule und gingen danach erst einmal für rund eine Stunde in Tegel auf den Spielplatz. Anschließend wollte der Knabe Roller fahren, also machten wir einen kurzen Boxenstopp zu Hause, damit der Junge sein Fahrzeug holen konnte. Bei der Gelegenheit packte ich auch meine mobile Lautsprecherbox ein, die wir über Pfingsten zu Hause gelassen hatten ("Boxenstopp", hihi – no pun intended, oder vielleicht doch). Das erwies sich als gute Entscheidung, denn es dauerte dann gar nicht mehr lange, bis mein Jüngster den Wunsch nach etwas "Beten mit Musik" äußerte. Wir steuerten also St. Joseph Tegel an – und unmittelbar bevor wir die Kirche betraten, kam der Pfarrer auf dem Fahrrad an uns vorbei. Er machte allerdings keine Anstalten, in die Kirche hineinzugehen, also sagte ich mir, er habe wahrscheinlich etwas in der benachbarten KiTa zu tun. Trotzdem wartete ich vorsichtshalber ein paar Minuten, ehe ich mit der Lobpreisandacht begann. Ein Teil von mir fand zwar, wenn jetzt der Pfarrer hereinkäme, wäre das ja die perfekte Gelegenheit, mit meinen vollmundigen Vorsätzen zum Thema "Ich lasse mir das Lobpreisen nicht verbieten" Ernst zu machen, und vielleicht wolle Gott ja genau das von mir; ein anderer Teil von mir wollte einer Konfrontation aber doch lieber aus dem Weg gehen. – Endlich ließ ich es aber doch darauf ankommen, und wir hielten eine schöne feierliche Andacht mit pfingstlichen Lobpreisliedern ("Sei willkommen hier" von Anton Svoboda feat. Joy Fackler, "Geist des Vaters" vom Album "Feiert Jesus! Vol. 10" und "Wie ein Brausen des Himmels" vom Gebetshaus Augsburg feat. Veronika Lohmer), den Psalmen aus der Sext vom Tag und den Bitten aus den Laudes vom Tag zuzüglich einiger freier Fürbitten. Da der Jüngste sich beharrlich "Volle Kanne, Badewanne" wünschte – Also "Absoluto guto (Meinem Gott vertrau ich gern)" von Mike Müllerbauer –, beschloss ich, dieses Lied zum Abschluss zu spielen, als Zugabe gewissermaßen; und ausgerechnet da öffnete sich die Sakristeitür, und der Pfarrer kam herein. Da ich ihn nicht einfach ignorieren wollte, hielt ich die Musik kurz an – und erlebte eine Überraschung, denn der Pfarrer sagte in durchaus freundlichem Ton "Machen Sie ruhig weiter, das ist schon in Ordnung." Er ging dann in den Vorraum der Kirche, offenbar um dort Plakate aufzuhängen und/oder abzunehmen; daher trafen wir ihn auf dem Weg nach draußen nochmal, und wieder richtete er einige recht nette Worte an uns. Tja, man wundert sich manchmal. Aber schließlich hatte ich noch kurz zuvor in dem freien Fürbitten ausdrücklich auch für ihn und seinen Dienst in dieser Gemeinde gebetet... (Zum Abendessen kochte ich, inspiriert durch den Müllerbauer-Song, Bratkartoffelsuperpfanne.) 

Mittwoch, der 22. Mai, war der Gedenktag der Hl. Rita von Cascia, die ja die Patronin eines der Kirchenstandorte der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd ist; die Gemeinde von St. Rita feiert ihr Patrozinium zwar aus pragmatischen Gründen erst am heutigen Samstag, aber dafür wurde der Tagesheiligen in der Werktagsmesse in Heiligensee gedacht. Zelebriert wurde die Messe vom Pfarrvikar vom Orden der Afrikamissionare, dem ich nach allerlei Hin-und-her-Überlegen den Spitznamen "Pater Brody" zu verpassen beschlossen habe, benannt nach einer Figur aus der Kinderserie "Top Wing". Die Insel Paradiso ist ein cooler Ort; ist man einmal dort, will man nie mehr fort. Aber zurück zum Thema. Pater Brody gestand, er habe erst am Tag zuvor "zum ersten Mal" etwas über diese Heilige gelesen, und zwar hauptsächlich deshalb, weil er wissen wollte, was es mit der in den Vermeldungen der Pfarrei erwähnten Segnung von "Rita-Rosen" auf sich habe. Die kurze Predigt (knapp vier Minuten), die er aus Anlass ihres Gedenktags hielt, ließ erkennen, dass er sich über Nacht noch nicht so richtig darüber klar geworden war, was er von dieser Heiligen halten sollte. So hob er hervor, die Hl. Rita sei mit einem gewalttätigen Mann verheiratet gewesen, und merkte an, es sei doch fragwürdig, inwieweit die Tatsache, dass sie bei diesem ausgeharrt habe, aus heutiger Sicht noch als vorbildlich angesehen werden könne. Nun, sagen wir so: Natürlich wäre es aus seelsorgerischer Sicht mehr als problematisch, einem Opfer häuslicher Gewalt zu suggerieren "Das musst du aushalten, dann wirst du heilig". Gleichzeitig ist es aber nicht von der Hand zu weisen, dass Geduld im Ertragen von Leiden eine in der katholischen Heiligenverehrung durchaus hochgeschätzte Tugend ist. Dieser komplexen Problematik im Rahmen eines nicht ganz vier Minuten langen Predigtimpulses gerecht zu werden, kann man nun wirklich von niemandem verlangen; aber wäre es dann nicht vielleicht klüger, sich gar nicht erst auf dieses dünne Eis zu begeben? 

Im Anschluss an die Messe gab es diesmal wieder Frühstück, und ich fand es wirklich auffällig, wie sehr die Kerngemeinde meinen Sohn inzwischen ins Herz geschlossen hat. Sogar die Frau, die sich mal bei Pater Mephisto über uns beschwert hat; fast bin ich geneigt zu sagen: besonders diese. Auch Pater Brody zeigte sich wieder einmal sehr erfreut über die Anwesenheit des Knaben, setzte sich beim Frühstück neben ihn und plauderte angeregt mit ihm. 

Nachmittags beim JAM gab es, so lange es nicht regnete, erst mal wieder freies Spiel im Garten, dann ging ich mit beiden Kindern in den Gottesdienstraum zum Lobpreis, während meine Liebste zum Elterncafé ging. (Sie erzählte mir hinterher, im Elterncafé sei es diesmal um das Thema "Buße" gegangen, und sie habe aus katholischer Perspektive einiges zur Diskussion beitragen können; so habe sie am Beispiel des Zöllners Zachäus – vgl. Lk 19,1-10 – die Bedeutung von Werken der Buße als Ausdruck und Konsequenz der Umkehr aufgezeigt.) Bei der Kinderkatechese ging es diesmal um die Rede des Paulus auf dem Areopag; dazu wurden die Kinder, wie es meistens der Fall ist, nach Altersgruppen aufgeteilt (eine Gruppe für Kinder bis 5 Jahre, eine für die älteren), allerdings bestand mein Jüngster diesmal darauf, dass ich bei ihm blieb, also ging ich mit der Gruppe der "Kleinen" nach oben (wo die Katechese wieder einmal von der älteren Dame geleitet wurde, von deren Eignung für diese Aufgabe ich nicht so recht überzeugt bin; diesmal gab's aber nichts Besonderes zu bemängeln), während das Tochterkind bei der Gruppe der "Großen" blieb. Danach zu urteilen, was sie mir hinterher erzählte, unterschied sich die Gestaltung der Katechese in den beiden Gruppen gar nicht so sehr, es wurde sogar dasselbe Bildmaterial zur Visualisierung verwendet. 

Ein schönes Erlebnis hatten mein Jüngster und ich auch am Donnerstag gegen Mittag: Einer der beiden Rockabilly-Brüder, die am Samstag nach Ostern beim Gorkistraßenfest gespielt hatten – nämlich der Sänger und Gitarrist – trat am selben Ort solo auf; als wir auf ihn aufmerksam wurden, stimmte er gerade seine Gitarre nach oder so etwas, und ich fragte meinen Sohn, ob wir ein bisschen stehen bleiben und uns anhören sollten, was er als nächstes spielen würde. Der Junior bejahte, und als der Musiker daraufhin "Don't Be Cruel" anstimmte, legten wir dazu eine flotte Sohle aufs Pflaster der Fußgängerzone. Der Musiker lobte unseren Tanz, fragte "Wollt ihr noch was, wozu ihr so richtig abtanzen könnt?" und spielte als nächstes "Tutti frutti" und dann – passend zu den neuen Schuhen des Knaben, die blau, wenn auch nicht aus Wildleder waren – "Blue Suede Shoes". Wir tanzten weiter, und währenddessen scharten sich mehr und mehr Menschen um uns und den Musiker – der sich schließlich bei uns bedankte. – "Beten mit Musik" wollte der Junior danach eigentlich auch noch, schlief aber auf dem Weg zur Kirche St. Joseph Tegel im Kinderwagen ein. 


Die Gremienarbeit hat mich wieder... 

Dass die Aussicht, an einer kirchlichen Gemeinderatssitzung teilzunehmen, bei mir keine ungetrübte Vorfreude auslöste, wird wohl niemanden sonderlich überraschen: Nicht nur habe ich selbst ausgesprochen frustrierende Erfahrungen mit Gremienarbeit in Pfarreien gemacht und habe prinzipiell erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der gesamten kirchlichen Gremienstruktur, sondern ich kenne auch praktisch niemanden, der das grundsätzlich anders sähe. Nicht hinzugehen, war aber keine Option; schließlich galt es, das Thema "Garten-AG St. Stephanus" in den Köpfen der tonangebenden Leute präsent zu halten. Und darüber hinaus fand ich, wenn ich schon mal da wäre, könnte ich auch gleich das Projekt "Kinder-Lobpreis-Disco" ins Gespräch bringen. 

Etwas unglücklich war es natürlich, dass ich von dem Termin für diese Sitzung erst erfuhr, als die Tagesordnung bereits feststand; aber es ist ja nun nicht so, als könnte man irgendwem einen Vorwurf daraus machen, dass ich, als Nichtmitglied dieses erlauchten Gremiums, nicht früher über den Termin informiert worden war. Wünschen hätte man sich vielleicht können, dass es jemand anderem rechtzeitig eingefallen wäre, den Garten von St. Stephanus als Thema auf die Tagesordnung zu setzen, aber nun gut: So kam es also unter "Verschiedenes" dran, auch nicht schlimm. 

Zu den Themen, die auf der Tagesordnung standen, gehörten der Beitrag der Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus zur Spandauer Fronleichnamsfeier, die zurückliegenden und bevorstehenden Erstkommunion- und Firmkurse und das Sommerfest in St. Stephanus nach den Ferien. Insgesamt empfand ich die Atmosphäre bei der Sitzung als durchaus produktiv, konzentriert und von gutem Willen geprägt, jedenfalls sehr viel mehr, als ich das aus gewissen anderen Gremiensitzungen gewohnt war. Insbesondere fand ich es ermutigend, dass im Gemeinderat das Bewusstsein dafür ausgesprochen präsent zu sein scheint, dass man in der Kinder- und Jugendpastoral mehr dafür tun muss, um zwischen Erstkommunion und Firmung und dann erst recht nach der Firmung nicht den Kontakt zur Jugend zu verlieren. Übrigens nahm neben dem für die Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus zuständigen Pfarrvikar auch der leitende Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie an der Sitzung teil – als Gast, der aber naturgemäß zu den meisten der besprochenen Themen etwas beizutragen hatte. 

Unter "Verschiedenes" stellte ich dann zunächst den aktuellen Stand des Gartenprojekts und dann die Projektidee "Kinder-Lobpreis-Disco" vor; zum letzteren Thema tanzte ich zur Erheiterung der Anwesenden sogar etwas vor, nämlich eine einfache Choreographie zu "Vor mir, hinter mir" von Mike Müllerbauer. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass meine Vorschläge und Anregungen – sowohl zum Thema "Permakultur im Pfarrgarten" als auch zur Kinder-Lobpreis-Disco – mit Interesse, Wertschätzung und Wohlwollen aufgenommen wurden, auch und nicht zuletzt vom Pfarrer, was ja nicht unwichtig ist. – Natürlich gab es zu beiden Themen auch Einwände und Bedenken. Ich möchte betonen, dass das nicht unbedingt etwas Schlechtes ist. Wenn man jemand ist, der oft und gern Ideen hat, dann kann es durchaus hilfreich und nützlich sein, auf Leute zu stoßen, die Einwände und Bedenken haben; es kann dabei helfen, die eigene Vision genauer zu durchdenken, sie auf Schwachstellen zu überprüfen, Hindernisse und Schwierigkeiten zu identifizieren, die man zuvor womöglich nicht gesehen hat. Es gibt indes auch eine Sorte von Einwänden und Bedenken, die aus einer Haltung kommen, die ich mal versuchsweise als "vorauseilende Frustration" bezeichnen möchte: Man ist so fixiert auf die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs, dass man es lieber gar nicht erst versuchen möchte. Und dann gibt es noch diejenigen Einwände und Bedenken, die sich aus einer generellen Skepsis gegenüber neuen Ideen speisen. Von beidem war, meiner Wahrnehmung zufolge, auch die Diskussion in dieser Gemeinderatssitzung in St. Joseph nicht ganz frei, aber das war erheblich weniger stark ausgeprägt, als ich es von woanders gewohnt bin. Ein klares Ja habe ich aus den Reaktionen auf meine Vorschläge zwar nicht herausgehört, aber auch das ist ja einigermaßen typisch für diese Art von Gremiensitzungen: Beschlossen wird da kaum mal etwas, in erster Linie geht es darum, mal drüber geredet zu haben. Wie es nun konkret mit beiden Projekten weitergeht, muss man sehen; ich bin jedenfalls entschieden gewillt, dranbleiben... 

Die Teilnahme an der Sitzung lohnte sich auch insofern, als es anschließend etwas zu essen gab. Das ist aber wohl nicht immer so...


Geistlicher Impuls der Woche 

Herr Jesus Christus, wir danken Dir, weil Du bei der Hochzeit in Kana das Wasser in Wein verwandelt hast. Wandle unsere Trauer im Freude und führe uns zur himmlischen Hochzeit. 

Herr Jesus Christus, wir danken Dir, weil Du vor Deinem Leiden mit Deinen Jüngern das Abendmahl gehalten hast, um Dich selbst ihnen zur Speise und zum Trank zu geben. Gib uns, Dich so zu empfangen, dass wir mit Dir ewig leben dürfen. 

(aus einem Gebet des Hl. Hermann Josef von Steinfeld


Ohrwurm der Woche 

Norman Greenbaum: Spirit in the Sky 

Tja, was soll man machen. Normalerweise bringe ich hier nach hohen christlichen Feiertagen gern thematisch passende Lobpreislieder, aber mein Lieblings-Lobpreislied mit pfingstlicher Thematik, "Sei willkommen hier" von Anton Svoboda feat. Joy Fackler, habe ich schon letztes Jahr an dieser Stelle gebracht, und die anderen Pfingst-Lobpreislieder, die ich kenne und gut finde (Beispiele s. oben unter "Wenn der Vater mit dem Sohne"), haben, wie ich finde, einfach nicht so ganz dieselbe Ohrwurmqualität. (Wozu ich anmerken möchte, dass ich es eigentlich erstaunlich finde, wie wenige explizit zum Thema Pfingsten passende Lobpreislieder ich kenne – wenn man bedenkt, dass die Charismatische Bewegung auch als "Pfingstbewegung" bekannt ist...) 

Zeitweilig habe ich sogar mit dem Gedanken gespielt, das Lied "Feuer" vom unvermeidlichen Peter Janssens zum Ohrwurm der Woche zu ernennen – was durchaus interessant hätte werden können, da die Platte, auf dem es 1970 erschien, ohne Übertreibung ein Meilenstein der NGL-Bewegung war und das Lied zudem auf YouTube mit einem zeitgeschichtlich interessanten Video versehen worden ist; aber auch dieses Video hatte ich auf meinem Blog schon mal verlinkt, wenn auch lange bevor es die Rubrik "Ohrwurm der Woche" gab, nämlich in einem Beitrag zum Evangelischen Kirchentag 2017. (Nicht so richtig erklären kann ich mir, warum das Vorschaubild des YouTube-Videos das Cover von John Lennons erstem Soloalbum "John Lennon/Plastic Ono Band" zeigt.) 

Stattdessen gibt's hier also ein Stück, das gewissermaßen nur so tut, als hätte es eine religiöse Message. Ich warte eigentlich schon lange darauf, dass mein bevorzugter YouTube-Popmusikkritiker Todd in the Shadows sich Norman Greenbaums "Spirit in the Sky" mal in seiner Reihe "One Hit Wonderland" vorknöpft, denn dieser Song dürfte wohl eins der größten One-Hit-Wonders der Popmusikgeschichte sein. Der Sänger und Songschreiber Greenbaum komponierte und textete "Spirit in the Sky" innerhalb von 15 Minuten, nachdem er im Fernsehen einen Gospelsong gehört und gedacht hatte "Sowas kann ich auch"; der eigentliche Schlüssel zum Erfolg lag aber darin, die Gospel-inspirierte Songstruktur mit Psychedelic-Rock-Sound zu kombinieren – was im Jahr 1970 einfach den Nerv der Zeit traf. Dabei hatte Greenbaum, der aus einer Familie orthodoxer Juden stammt, mit der etwa gleichzeitig aufgekommenen Jesus-People-Bewegung eigentlich gar nichts zu tun; somit braucht man sich über einige theologisch fragwürdige Passagen im Text (besonders auffällig: "Never been a sinner, I never sin") nicht groß zu wundern. 


Samstag, 18. Mai 2024

Creative Minority Report Nr. 30

Sonnige Grüße, Leser! Ist bei euch auch so tolles Wetter? Ich habe in der zurückliegenden Woche sehr viel Zeit im Freien verbracht, und von mir aus kann es so auch noch eine Weile weitergehen. Müßig bin ich dennoch nicht gewesen; freut Euch also auf ein Wochenbriefing von gewohntem Umfang und mit einem bunten Strauß an Themen – von denen allerdings zugegebenermaßen die meisten auf die eine oder andere Weise mit Kinderkatechese zu tun haben. Ich würde sagen, die Chancen, dass daraus mal ein Buch wird, steigen so allmählich... 

Zum Wonne- und Marienmonat: jahreszeitlich geschmückter Marienaltar in Herz Jesu Tegel. 

Was bisher geschah 

Wie es mittlerweile wohl schon als fest etabliert gelten darf, habe ich in diesem Wochenbriefing unter der Rubrik "Aus meinem Wichtelbuch" den Bericht über das Wichtelgruppentreffen vom vergangenen Samstag nachzuliefern – das dritte seit den Osterferien, vier weitere folgen bis zu den Sommerferien noch. Am Sonntag fuhren wir wie üblich nach Siemensstadt zur Messe; Näheres dazu unter "Predigtnotizen". Außerdem war Muttertag – der für mich in der Hauptsache eher ein Schwiegermuttertag war: Wir verbrachten den Nachmittag mit meinen Schwiegermüttern auf einem Spielplatz in Röntgental und aßen dort auch zu Abend, in Form eines Picknicks. Der reguläre Omatag am Montag fiel dafür aus, stattdessen unternahm ich mit dem Jüngsten mal wieder einen Ausflug ins Umland (siehe unter "Wenn der Vater mit dem Sohne"). Am Dienstag traf sich der Arbeitskreis Kinderwortgottesdienst im Anschluss an die Abendmesse in St. Stephanus, um die letzten beiden Kinderwortgottesdienste vor den Sommerferien sowie unseren Beitrag zu dem Pfarrfest zu besprechen, das im Anschluss an die Spandauer Fronleichnamsprozession in Maria, Hilfe der Christen stattfinden soll (siehe unter "Schwarzer Gürtel in KiWoGo"). Der Mittwoch bekommt wieder einmal seine eigene Rubrik; zum Vortrag der Letzten Generation ging ich indes, anders als angedacht, wieder nicht – in der beruhigenden Gewissheit, dass es auch ohnedies genug Stoff fürs Wochenbriefing gab. Am Donnerstag erschien die vierte Folge meiner Tagespost-Kolumne "Klein.Kram", die seit heute Morgen auch online abrufbar ist. Das wären dann so ungefähr die Highlights der zurückliegenden Woche...


Was ansteht 

Pfingsten steht vor der Tür! Die Gottesdienste in Haselhorst und Siemensstadt sind zu den gewohnten Zeiten, d.h. an beiden Pfingsttagen so wie sonst sonntags; am Pfingstsonntag nachmittags hat meine Liebste die Kinder zu einem Hindernislauf in einem Stadion in Mariendorf angemeldet, für den Omatag am Pfingstmontag ist ein Ausflug nach Beelitz zum Baumkronenpfad angedacht (und wenn jetzt der eine oder andere Leser denkt "Nanu, das habe ich doch schon mal gelesen": Ja, stimmt, wir hatten das unlängst schon mal vorgehabt, nämlich für den Freitag in der Osteroktav, aber da war dann doch nichts draus geworden). – Am Mittwoch dürfte wieder das übliche Mittwochsprogramm anstehen, und am Samstagvormittag ist der nächste Wichtelgruppentermin, diesmal wieder in Siemensstadt. Vorausschicken möchte ich auch noch, dass am nächsten Samstagabend wieder Community Networking Night im Baumhaus ist, und ich hoffe, diesmal schaffen wir es wieder, hinzugehen. Aber das gehört eigentlich schon ins übernächste Wochenbriefing. 


Aus meinem Wichtelbuch: Eine Mini-Maiandacht 

Um eins gleich mal vorneweg aus dem Weg zu schaffen: Der große Durchbruch der Wichtelgruppe lässt weiter auf sich warten –man muss indes einräumen, dass die Bedingungen dafür beim jüngsten Treffen auch nicht gerade günstig waren. Ich bin zwar überzeugt, dass es richtig war, die Termine für die Wichtelgruppe in einem regelmäßigen Zwei-Wochen-Rhythmus anzusetzen, aber im vorliegenden Fall hat sich das ungünstig ausgewirkt: Das "lange Wochenende" nach Himmelfahrt ist nun mal gerade für Familien eine beliebte Gelegenheit, mal ein paar Tage wegzufahren, zu den Großeltern zum Beispiel, und das heißt für einen nicht gerade kleinen Teil unserer Zielgruppe: nach Polen. 

Hinzu kommt, dass für die Wichtelgruppe noch immer nicht genug Werbung gemacht wird. Zum Teil hätte ich mich da sicher selber drum kümmern können oder sollen, aber alles kann ich nun mal auch nicht alleine. Auf jeden Fall bräuchten wir mehr Flyer und müssten sie breiter streuen, und wahrscheinlich wäre es auch hilfreich, wenn in den sonntäglichen Vermeldungen auf die Wichtelgruppentreffen hingewiesen würde, was nun schon mehrmals in Folge nicht der Fall gewesen ist. 

Aber genug davon; viel lieber möchte ich darüber berichten, was ich für dieses Wichtelgruppentreffen vorbereitet hatte und warum. Im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit als KiWoGo-Katechet hatte ich mir in letzter Zeit ein paar Gedanken darüber gemacht, ob man nicht analog zum Kinderkreuzweg auch Maiandachten für Kinder anbieten könnte und wie die aussehen könnten, war aber ziemlich bald zu dem Schluss gekommen, dass die Idee wohl allzu kurzfristig daherkäme, um sie noch in diesem Jahr zu verwirklichen. 

Dann allerdings kam mir der Gedanke, man könnte eine "Minimalversion" einer Maiandacht für Kinder in die Gestaltung des Wichtelgruppentreffens einbauen – zumal es im Garten von St. Stephanus so einen schönen Marienaltar gibt. 

Archivbild aus dem letzten Sommer: We put the Cat in Catholicism. 

Die Mini-Maiandacht, die ich mir zu diesem Zweck einfallen ließ, bestand aus zwei Teilen: einer Vorlesegeschichte und einer auf der Gitarre gezupften Version des Liedes "Freu dich, du Himmelskönigin". Zu dem Lied ist wohl nur anzumerken, dass es sicherlich davon profitiert hätte, wenn ich ein bisschen besser Gitarre spielen könnte, aber gar nicht unbedingt sehr viel; ich mag meine Version des Liedes gerade deshalb, weil sie so rauh und reduziert daherkommt – das scheint mir ein gutes Mittel gegen die bei volkstümlichen Marienliedern stets präsente Kitschgefahr zu sein. Zu der Vorlesegeschichte möchte ich mich ein bisschen ausführlicher äußern: Dabei handelte es sich um die Geschichte "Ginster für den Maialtar" von Josef Quadflieg, entnommen dem Buch "Fromme Geschichten für kleine Leute", das ich vor nunmehr 40 Jahren von meiner schlesischen Oma zur Erstkommunion geschenkt bekommen habe und das auf meinem Blog schon ein paarmal Erwähnung gefunden hat. In dieser Geschichte geht es um zwei Jungen, die auf dem Heimweg vom Martinsumzug kokeln und dadurch unabsichtlich einen Brand verursachen, der die auf der Kuppe eines Hügels wachsenden Ginstersträucher zerstört. Als im nächsten Frühjahr auf diesem Hügel nichts blüht, stellen die Übeltäter betroffen fest, dass sie "dem lieben Gott die Frühlingsfreude verdorben" haben; zur Wiedergutmachung schmücken sie den Maialtar ihrer Kirche regelmäßig mit an anderer Stelle gepflückten Ginsterzweigen. 

Man merkt der Geschichte durchaus an, dass sie gewissermaßen aus einem versunkenen Zeitalter stammt (das Buch "Fromme Geschichten für kleine Leute" erschien erstmals 1956), aber das betrachte ich nicht als Mangel. Natürlich könnte man sich an einer freien Nacherzählung der Geschichte versuchen und sie dabei etwas "moderner" gestalten; ich sähe dabei aber die Gefahr, dass viel vom Charme des Originaltexts verloren ginge. Die eindringliche Schilderung der Verwandlung der Landschaft im Frühling, einschließlich der Beschreibung einer Reihe verschiedener blühender Pflanzen, lässt die Geschichte besonders geeignet für die Verwendung in einer pfadfinderisch und/oder sonst irgendwie naturpädagogisch ausgerichteten Kindergruppe erscheinen; man könnte da sogar eine kleine Lektion in Sachen Pflanzenbestimmung anschließen, mit Ausmalbildern oder dergleichen. Kurz, ich sehe da durchaus noch Potential zur Weiterentwicklung... 


Predigtnotizen 

"Ich glaub', heute wird's länger", merkte der Pfarrvikar schmunzelnd an, nachdem er bereits über eine Viertelstunde gepredigt hatte und ersichtlich noch nicht am Ende war. Ganz am Anfang seiner Predigt hatte er mit Blick auf das Evangelium vom Tag – Johannes 17,6a.11b-19, ein Auszug aus dem sogenannten Hohepriesterlichen Gebet Jesu – angemerkt: "Wenn Sie bei dem Wort nichts verstanden haben, machen Sie sich keine Sorgen: Es ist nicht so ganz einfach. Aber wir kommen hin." Dass die Predigt so umfangreich geriet, hatte also wesentlich damit zu tun, dass der Pfarrvikar sich nach Kräften bemühte, den Zusammenhang zwischen den Texten dieses Sonntags nachvollziehbar zu machen. Man wird mir nachsehen, dass ich hier gar nicht erst den Versuch mache, diese Ausführungen umfassend nachzuzeichnen. So bemerkenswert und erhellend ich es beispielsweise auch fand, wie der Pfarrvikar das Hohepriesterliche Gebet Jesu zu Elementen des jüdischen Hochzeitsrituals in Beziehung setzte, empfand ich die erste Hälfte der Predigt – in der es um die 1. Lesung (Apg 1,15-17.20ac-26, die Wahl des Matthias zum Apostel) ging – doch als ihren interessantesten und für die inhaltliche Ausrichtung meines Blogs relevantesten Teil, daher möchte ich mich in meinen Notizen auf diesen Teil konzentrieren. Der Pfarrvikar hob hervor, die Schilderung einer Versammlung der Jünger, die wir in dieser Lesung vorfinden, könne uns etwas über das richtige Verständnis von Synodalität lehren – und damit im Umkehrschluss auch etwas darüber, wie man Synodalität falsch auffassen kann. 

"Der Katechismus sagt: Die heilige katholische Kirche ist das erste Werk des Heiligen Geistes", stellte er etwa fest, und: "Die Kirche betet, weil sie weiß, dass sie mit eigenen Kräften nichts tun kann." Im operativen Tagesgeschäft der institutionellen Kirche ist davon, wie er einräumte, oft nicht viel zu bemerken: 

"Oft sind wir in den Gremien beschäftigt mit funktionalen Dingen, die niemanden zufrieden machen – außer dem Teufel. Denn es ist immer zu wenig da: zu wenig Geld, zu wenig Personen, zu wenig Ressourcen und so weiter. Dieses Denken kommt nicht vom Heiligen Geist; das kommt von der Welt." 

Nach weltlichen Maßstäben, so betonte er weiter, machte die Kirche schon in ihren Anfängen einen nicht gerade vielversprechenden Eindruck: Sie kam aus der Erfahrung eines "tiefen Scheiterns" heraus – Judas, der zum engsten Kreis der Mitarbeiter Jesu gehört hatte, war zum Verräter geworden; bei der Gefangennahme Jesu waren "alle davongelaufen" – da könne man "bei einer weltlichen Sicht" schon sagen: "Das ist ein Haufen von Versagern. Der Heilige Geist sagt das Gegenteil. Er erwählt das Schwache, das Arme." An den Kriterien, nach denen Matthias ausgewählt wird, um in den Kreis der Apostel aufgenommen zu werden, erkenne man "die Kriterien der Kirche, um Christ zu sein"; denn mit diesem Matthias sei "jeder von uns gemeint, weil wir durch die Taufe gesandt sind, Zeugen zu sein". – "Das Wichtigste ist nicht, dass der Matthias professionell ist, funktional denkt". Sondern was? "Er muss eine Beziehung zu Christus haben. Ein Christ ist einer, der eine Beziehung zu Christus hat. Alles andere ist völlig nebensächlich. Wenn ich eine Beziehung habe zu Christus, dann hat das Leben eine andere Qualität, einen anderen Sinn." Und weiter: "Er muss Zeuge davon sein, dass die Auferstehung Christi nicht ein frommes Märchen ist"; denn ohne die Wirklichkeit der Auferstehung Christi gibt es letztlich keine Vergebung der Sünden, keinen Sieg über den Tod. Und schließlich: "Christ sein kann man nicht, ohne sein Leben hinzugeben. In der Familie, am Arbeitsplatz, für den Freund, für den Nächsten." Mit einem Wort, so das Fazit aus diesem Teil der Predigt, gehe es "darum, dass Christus in uns auferstanden ist". 

Als in den Vermeldungen kurz vor Ende der Messe davon die Rede war, dass noch Katecheten für den nächsten Firmkurs gesucht würden, verwies der Pfarrvikar nochmals auf diese Ausführungen und meinte: "Die Anforderungen dürften klar sein." Ich denke sehr darüber nach, mich da zu melden... 

Nebenbei sei festgehalten, dass die Kirche auffallend schwach besucht war. Das mag zum Teil am "langem Wochenende" gelegen haben, zum Teil aber wohl auch daran, dass die Erstkommunion vorbei ist: Insbesondere die vorderen Reihen auf der (vom Altar aus gesehen) linken Seite, wo sonst die angehenden Erstkommunionkinder ihre Stammplätze gehabt hatten, waren wie leergefegt. Na, man wird sehen, wie sich das in den nächsten Wochen entwickelt. 


Wenn der Vater mit dem Sohne 

Wie weiter oben bereits erwähnt, war am Montag kein "Omatag", und hinzu kam, dass meine Liebste Dienstberatung hatte und dadurch erst recht spät von der Arbeit kam. Die Große war ausgesprochen zufrieden damit, länger in der Schule zu bleiben; derweil hatte mein Jüngster in letzter Zeit wiederholt davon gesprochen, dass er mal wieder einen "Regionalbahn-Ausflug" mit mir machen wolle, und ich fand, die Gelegenheit sei günstig. Zumal sehr schönes Wetter war. 

Meine Idee war, mit dem Knaben, nachdem wir das Tochterkind zur Schule gebracht hatten, erst einmal zum Bahnhof Gesundbrunnen zu fahren, zu schauen, welche Regionalbahnen dort abfuhren, und dann erst zu entscheiden, wo wir eigentlich hinwollten. Wie sich zeigte, fuhr die erste Regionalbahn, die wir hätten erreichen können, über Bernau, Eberswalde und Angermünde nach Stralsund; diese Bahn war aber total überfüllt, was mich an einem Montagvormittag dann doch etwas überraschte. Die nächste Option war eine Bahn, die über Oranienburg und Neustrelitz nach Rostock fuhr. Ich sah mir auf dem Handy an, was da so alles auf dem Weg lag, und stellte mit Hilfe von Onkel Google und Tante Wikipedia fest: Gransee sieht nett aus, da gibt's eine Klosterruine, und allzu weit weg ist es auch nicht. Also nahmen wir diesen Zug – der aber erst einmal rund eine Stunde lang nicht losfuhr, wegen "Personen im Gleis". Mein Herr Sohn erwies sich während dieser Wartezeit als bemerkenswert geduldig, gerade im Vergleich zu einigen älteren Fahrgästen. 

Schließlich kamen wir aber doch in Gransee an und folgten den Wegweisern in Richtung "Historischer Stadtkern" – der sich tatsächlich als recht malerisch erwies, u.a. dank einer weitgehend intakten Stadtmauer. 


Die gotische Marienkirche konnten wir uns nur von außen ansehen, da wir das Portal verschlossen vorfanden. Im Weitergehen behauptete der Junior steif und fest, er habe gesehen, wie ein Adler in einen der Kirchtürme hineingeflogen sei, und folgerte: "Vielleicht wohnt der Adler da, und deshalb kann man da nicht beten. Vielleicht ist der Adler böse." Hm. Vielleicht keine schlechte Idee für ein phantastisches Jugendbuch... 

Nicht im Bild: der böse Adler.

Die Ruine des Franziskanerklosters hätte ich mir ehrlich gesagt imposanter vorgestellt; dort fanden gerade Bauarbeiten statt, und ein Schild informierte den geneigten Betrachter, dass die Stadt Gransee hier mit Unterstützung des Bundesbauministeriums und des Landes Brandenburg einen "Ort für Kultur und Bildung" errichten will. Säkularisation 2.0, könnte man sagen. 



Nachdem wir uns auf dem Klostergelände ein wenig umgeschaut hatten, steuerten wir noch die nachreformatorische katholische Kirche des Ortes, Mariae Himmelfahrt, an – in der Hoffnung, dass man dort vielleicht hineingehen und beten könnte, womöglich sogar "mit Musik". Auf dem Weg dorthin kamen wir erst an einem Garten vorbei, in dem Ziegen gehalten wurden, und dann an einem Denkmal für Königin Luise



Die 1966 erbaute Kirche Mariae Himmelfahrt, die zur 2022 gegründeten Großpfarrei Hl. Gertrud von Helfta Oberhavel-Ruppin gehört, liegt im Hinterhof eines ansonsten nicht weiter bemerkenswerten Straßenzugs; das Vorderhaus zeichnet sich immerhin durch ein hübsches Türmchen und eine Pforte mit gotischem Spitzbogen aus. Hinein kommt man außerhalb der Gottesdienstzeiten allerdings nicht. Dem Aushang im Schaukasten zufolge wird hier regelmäßig sonntags sowie einmal wöchentlich auch werktags (nämlich donnerstags) die Heilige Messe gefeiert; da gibt's in der brandenburgischen Diaspora durchaus Orte, die es schlechter haben. 


Gleichwohl ist da natürlich reichlich Luft nach oben. Ein Ort mit einer die meiste Zeit der Woche ungenutzten katholischen Kirche, einer Klosterruine, die zukünftig für kulturelle Zwecke genutzt werden soll, und einer in der Reformation evangelisch gewordenen Kirche, in der – jedenfalls nach der Überzeugung meines Jüngsten – ein böser Adler haust, der die Leute vom Beten abhält? Ich seh' da Potential. Pfarrhausfamilie in Gransee? Ich würd's machen. 

Aber der Buddha würde dann umgetopft, dass das mal klar ist.

Am Dienstag wollte der Jüngste praktisch den ganzen Vormittag nur Roller fahren und tat das auch sehr ausgiebig, aber "beten mit Musik" wollte er auch, also steuerten wir um die Mittagszeit die Kirche St. Joseph Tegel an – wo allerdings, als wir hereinkamen, eine ältere Frau gerade dabei war, den Blumenschmuck im Altarraum zu erneuern. "Da können wir wohl erst später singen", sinnierte mein Herr Sohn; wir zündeten erst einmal eine Opferkerze an, dann setzten wir uns in eine Bank, und ich sprach in gedämpfter Lautstärke die Gebete der von mir zusammengestellten Pfingstnovene (ohne die Lieder). Auch danach war die Blumenfrau mit ihrer Arbeit noch nicht fertig, aber mein Jüngster zeigte sich entschlossen, weiter in der Kirche auszuharren. Die Blumenfrau schien uns sympathisch zu finden, was mir im Gegenzug auch sie sympathisch machte; aber gerade deshalb wollte ich es lieber vermeiden, mit ihr eine Diskussion darüber anzufangen, dass ich mit meinem Sohn gern eine Andacht abhalten wolle, die Elemente von Rockmusik beinhaltete. Wir warteten also geduldig ab, bis die Blumenfrau ihre Arbeitsmaterialien zusammengepackt und sich freundlich von uns verabschiedet hatte ("Schöne Pfingsten, falls wir uns nicht mehr sehen"), und dann packte ich die Lautsprecherbox aus und spielte zur Freude des Jüngsten vier Lobpreislieder: "Geist des Vaters", "Absoluto guto (Meinem Gott vertrau ich gern)" von Mike Müllerbauer, "So hoch der Himmel ist" von Johannes Hartl & Friends und, zum Runterkommen, "Beschützer der Welt" von Mire Buthmann. Das blieb unsere einzige Lobpreisandacht in der zurückliegenden Woche; könnte ruhig mal wieder mehr werden... 



Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Das Arbeitskreistreffen am Dienstagabend dauerte nur rund eine Stunde, war aber ausgesprochen ertragreich: Wir entwickelten ein vielversprechendes Konzept für unseren Beitrag zur Fronleichnamsfeier und planten den anstehenden Kinderwortgottesdienst am Dreifaltigkeitssonntag; für den letzten Kinderwortgottesdienst vor den Sommerferien begnügten wir uns mit einigen Vorüberlegungen, denn bis dahin ist ja noch viel Zeit. Darüber, was wir uns für Fronleichnam überlegt haben, will ich mal noch nicht zu viel verraten, um hier möglicherweise mitlesenden Gemeindemitgliedern nicht die Überraschung zu verderben; erwähnen möchte ich aber, dass meine Liebste mich im Vorfeld dieses Treffens auf den Gedanken gebracht hatte, es sei wohl ziemlich aussichtslos, Kindern nach der Messe und der Prozession (für die man insgesamt wohl eine Dauer von zwei bis drei Stunden veranschlagen muss) mit einem Programmangebot zu kommen, das ihnen abverlangt, stillzusitzen und zuzuhören. Was also kann man ihnen dann anbieten? Meine Standardantwort darauf lautet natürlich "Bewegungslieder" – insofern könnte die Fronleichnamsfeier schon mal ein Probelauf für das Projekt "Kinder-Lobpreis-Disco" werden. Was wir uns darüber hinaus noch so ausgedacht haben, bleibt vorerst noch geheim... 

Weniger Geheimhaltung erfordert wohl die Planung für den KiWoGo am Dreifaltigkeitssonntag. Dabei geht es um die Perikope Matthäus 28,16-20 – mit dem Auftrag Jesu "Gehet hin in alle Welt und macht alle Menschen zu meinen Jüngern". Mir fiel dazu ein Film ein, der im letzten Herbst mal in der "Kinderkirche" in der EFG The Rock Christuskirche gezeigt worden war. Wie ich seinerzeit notierte, geht es in diesem Film 

um einen Missionar, der mit Pick-up-Truck und Diaprojektor abgelegene Dörfer im Regenwald Nord-Thailands abklappert. Eines Tages versperrt ein großer umgestürzter Baum die einzige Straße, und er kommt nicht weiter. Einer der Dorfbewohner, die er zuvor zu evangelisieren versucht hat, rät ihm, er solle seinen Gott um Hilfe bitten – dann könne er gleich mal zeigen, was dieser Gott so drauf hat. 

Den Film gibt es kostenlos bei YouTube, es wäre also prinzipiell möglich, ihn per Videobeamer beim KiWoGo zu zeigen; in der teaminternen Diskussion einigten wir uns aber darauf, dass es noch schöner ist, die Geschichte frei nachzuerzählen, mit einigen Visualisierungselementen wie einem Spielzeug- bzw. Modellauto, einem Ast in der Rolle des umgestürzten Baumes und einer Elefantenfigur, die der Gemeindereferent eigens dafür anzuschaffen zugesagt hat. Eine Teamkollegin – die, ich erwähnte es schon mal, auch in der Wichtelgruppe aktiv ist, regte an, man solle den Kindern auch vermitteln, dass man nicht erst in die weite Welt hinausgehen muss, um Menschen von Jesus zu erzählen, sondern auch im eigenen alltäglichen Umfeld Zeugnis für den Glauben ablegen kann; die thematische Überleitung zwischen der Geschichte über den Dschungelmissionar und der Aufforderung zum Zeugnisgeben im Alltag ergab sich praktisch von selbst: Der "Dschungel", in dem Menschen leben, die noch nie etwas von Jesus gehört haben, beginnt vor unserer Haustür. – Ich bin gespannt auf diesen KiWoGo und freue mich drauf; abzuwarten bleibt indes, wie viele Kinder überhaupt in die Kirche kommen werden, nachdem ja, wie bereits festgestellt, die Erstkommunion-Saison vorbei ist... 


Immer wieder mittwochs 

Auf dem Weg von der S-Bahn zur Kirche in Heiligensee am Mittwochmorgen kam der Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd auf dem Fahrrad an uns vorbei, womit sich sämtliche Spekulationen darüber, wer wohl die Messe halten würde, schon mal erledigt hatten. In seinem obligatorischen Zwei-Minuten-Impuls im Rahmen der Begrüßung ging der Pfarrer auf die 1. Lesung (Apg 20,28-38, die Abschiedsrede des Apostels Paulus an die Ältesten der Gemeinde von Ephesus) ein: Mit Blick darauf, dass der Apostel in dieser Schriftstelle eine Art Bilanz seines Wirkens in Ephesus zieht, merkte der Pfarrer an, nicht nur beim Abschied von einem bestimmten Posten, sondern "eigentlich jeden Tag" könne es sinnvoll sein, "kurz innezuhalten und zu überlegen: Was habe ich heute eigentlich getan, habe ich mich bemüht, für das Reich Gottes – im Kleinen oder im Großen, je nachdem – mich einzusetzen?" Da legte ich ja erst mal die Ohren an: Hatte ich nicht noch kürzlich gemeint, "Dienst am Reich Gottes" wäre "keine Formulierung, die dieser Priester in den Mund nehmen würde"? Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung! – Eine Bemerkung, die mir eher Stirnrunzeln entlockte, fehlte in diesem Impuls indes auch wieder nicht: Dass Paulus Wert auf die Feststellung legt, er habe sich seinen Unterhalt mit seiner eigenen Hände Arbeit verdient, veranlasste den Pfarrer zu der Feststellung "Damals gab's noch keine Kirchensteuer"; er fügte hinzu, er selbst wäre zwar durchaus auch in der Lage, mit seinen Händen zu arbeiten, "aber trotzdem lebe ich von eurer Kirchensteuer, Dankeschön dafür". Ich gebe zu, ich musste erst mal nachlesen, ob es überhaupt stimmt, dass Pfarrer aus Kirchensteuermitteln bezahlt werden (und nicht, wie Bischöfe, aus Staatsleistungen), aber so oder so berührte mich das Ganze eher peinlich. Darüber, was mich konkret daran störte, musste ich mir erst mal klar werden; hier das Ergebnis: Den anwesenden Gemeindemitgliedern für ihre Kirchensteuer zu danken, verkennt bzw. verschleiert den Umstand, dass gerade das Kirchensteuersystem den Pfarrer davor bewahrt, darauf angewiesen zu sein, dass seine eigene Gemeinde ihn bezahlt, womöglich gar in Form freiwilliger Spenden; und dass das Gros der Kirchensteuereinnahmen von Leuten stammt, die nicht (oder kaum mal) in die Kirche kommen. Wäre das anders, müsste gerade dieser Priester sich wohl einen anderen Job suchen. 

Das Gemeindefrühstück fiel an diesem Mittwoch aus ungeklärten Gründen aus, also führen wir zurück nach Tegel und gingen auf den Spielplatz. Als die Mittagsschlafzeit des Jüngsten näher rückte, setzte ich ihn in den Kinderwagen und brach mit ihm zu einem Spaziergang an den Tegeler See auf; kaum an der Greenwichpromenade angekommen, schlief er auch tatsächlich ein. Nun dachte ich, ich könnte für die Dauer seines Mittagsschlafs mit ihm in die nahe Kirche Herz Jesu gehen, wo es schön ruhig und angenehm kühl war und wo ich in aller Ruhe meine Novene beten könnte. Dort angekommen, stellte ich jedoch fest, dass ein im Hof geparkter Firmenwagen einer Heizungsbaufirma den Zugang zur Rollstuhlrampe versperrte. So ja nun nicht, dachte ich: Wer sich nicht beschwert, lebt verkehrt! Ich suchte also im Internet nach der Telefonnummer der Firma, rief dort an und meldete, dass eins der Firmenfahrzeuge einen barrierefreien Zugang zur Kirche versperre. Die freundliche Mitarbeiterin fragte mich nach dem Kennzeichen des Fahrzeugs, und nachdem ich es ihr genannt hatte, erklärte sie, sie werde den Fahrer informieren. Einige Minuten später erschien der dann auch und setzte das Auto um gut einen Meter zurück, sodass einer entspannten Gebets- und Mittagsschlaf-Pause buchstäblich nichts mehr im Wege stand. 

Der katechetische Teil des JAM am Nachmittag drehte sich weiterhin um die Missionsreisen des Apostels Paulus; diesmal gab es keine Aufteilung nach Altersgruppen, und das in Apostelgeschichte 16,8-40 geschilderte Geschehen – von der nächtlichen Vision des Paulus mit dem Auftrag, nach Mazedonien zu gehen, bis zur Abreise des Paulus und seiner Begleiter aus Philippi – wurde als Rollenspiel gestaltet, bei dem alle teilnehmenden Kinder mitspielen konnten; als Kostüme und Requisiten kamen ausschließlich bunte Tücher zum Einsatz. Ich fand das sehr gelungen und hätte große Lust, so etwas Ähnliches auch beim KiWoGo in St. Joseph Siemensstadt mal auszuprobieren; möglicherweise böte der KiWoGo im Juni, also der letzte vor den Sommerferien, sich dafür an... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Jener Glaube ist der wahre, der dem, was die Worte sagen, nicht durch das sittliche Leben widerspricht. Daher kommt es, dass Paulus von gewissen falschen Gläubigen sagt: "Sie beteuern, Gott zu kennen, durch ihr Tun aber verleugnen sie ihn" (Tit 1,16). Darum schreibt Johannes: "Wenn jemand sagt: Ich habe ihn erkannt, aber seine Gebote nicht hält, ist er ein Lügner" (1 Joh 2,4). Wenn dem so ist, dann muss die Echtheit unseres Glaubens beim Anblick unseres Lebens sichtbar sein. Dann nämlich sind wir wirklich Glaubende, wenn wir in unseren Taten ausführen, was wir mit Worten versprechen. Am Tauftag haben wir versprochen, allen Werken des alten Feindes abzusagen und auf all sein Gepränge zu verzichten. Darum möge ein jeder von euch die Augen des Geistes wieder zu aufmerksamer Selbstbesinnung führen. Wenn er nach der Taufe hält, was er versprochen hat, dann ist er geborgen und darf sich freuen, dass er gläubig ist. Wenn er aber nicht hält, was er versprach, wenn er abgleitet, schlechte Taten liebt und sich der Begierde nach der Üppigkeit der Welt überlässt - lasst uns sehen, ob er seine Irrtümer nun zu bereuen weiß. Bei dem barmherzigen Richter wird er ja nicht als falsch gelten, wenn er zur Wahrheit zurückkehrt, nachdem er vorher gelogen hat. Denn der lebendige Gott nimmt unsere Buße gerne an und sieht beim Gericht über unsere Irrtümer hinweg. 

(Gregor d. Gr., Homilie zu den Evangelien) 


Ohrwurm der Woche 

Jamie Cullum: High & Dry 


Radiohead-Fans mögen es mir verzeihen, aber für mich ist dies ein Paradebeispiel für eine Coverversion, die besser ist als das Original. Und das, obwohl die Originalversion von Radiohead in Instrumentierung und Arrangement sehr viel eher dem entspricht, was ich "sonst so höre". Auch dass Cullums Gesangsstimme bei den hohen Tönen sehr deutlich an ihre Grenzen stößt, stört mich überhaupt nicht – im Gegenteil, möchte ich fast sagen: Ich finde, es verleiht dem Gesang Intensität

Das Album "Twentysomething" von Jamie Cullum, von dem ich schon vor rund einem halben Jahr angekündigt habe, dass ich es hier mal würde würdigen müssen, kam 2003 heraus, aber wenn mich die Erinnerung nicht trügt, lernte ich es erst ein paar Jahre später kennen, nämlich in einem winzigen Café (mit vielleicht vier Sitzplätzen), das eines Tages in einem Haus neben dem, in dem meine damalige Freundin wohnte, aufpoppte. Der Kaffee war gut, die Musik auch, wir freundeten uns mit dem Betreiber an und waren, solange das Café bestand, ziemlich sicher seine besten Kunden. Dass das Café eines Tages so plötzlich wieder verschwand, wie es aufgetaucht war, ist in meiner Erinnerung chronologisch – wenn auch nicht kausal – so eng mit dem Ende meiner damaligen Beziehung verknüpft, dass ich nicht mit Sicherheit zu sagen wüsste, was von beidem zuerst geschah. In der Folgezeit waren die melancholischeren Stücke von Jamie Cullums "Twentysomething"-Album, und darunter besonders "High & Dry", meine bevorzugte Liebeskummermusik. Nun muss sich aber niemand Sorgen deswegen machen, dass ich diese Erinnerungen hier und jetzt hervorkrame: Dafür, zu sagen "Diese Lebensphase habe ich abgehakt, also hör' ich mir das nicht mehr an", ist die Platte einfach zu gut.