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Samstag, 26. Oktober 2024

Creative Minority Report Nr. 48

Grüße aus dem Bayerischen Wald, Leser! Bei der Konzeption dieser Creative Minority Report-Folge habe ich zunächst gedacht "Och, ist ja Urlaub, da wird's ja nicht so viel Blogrelevantes zu berichten geben; da habe ich dann ja mal umso mehr Zeit und Platz für Reflexion." Tatsächlich war der Urlaub dann doch nicht ganz so ereignisarm, aber auf die in Angriff genommenen Reflexions-Themen mochte ich dennoch nicht verzichten, zumal sie sich auf unerwartete Weise gegenseitig ergänzen. Das Ergebnis ist ein thematisch recht buntes, dadurch aber auch mal wieder recht umfangreiches Wochenbriefing. Viel Spaß! 

Der Further Drachenstich, dargestellt auf einem Wandgemälde im Speisesaal unseres Hotels.

Was bisher geschah 

Am vergangenen Samstag waren meine Liebste und die Kinder mal wieder ohne mich unterwegs – was ich nutzte, um wie schon zwei Wochen zuvor zur Rosenkranzandacht der Legio Mariae in Herz Jesu Tegel zu gehen. Diesmal war ich allerdings ein bisschen spät dran, die anwesenden Damen waren schon ungefähr in der Mitte des ersten Gesätzes, als ich eintrat. Die Andacht war indes schwach besucht, vor mir hatten sich nur drei Beterinnen eingefunden, weshalb die Leiterin mir erneut per Blickkontakt ein Gesätz zum Vorbeten zuwies (diesmal das dritte). Irgendwie reizend fand ich es, dass die Leiterin sich anschließend umblickte, ob inzwischen womöglich noch jemand hereingeschneit wäre, dem sie das vierte Gesätz anvertrauen könnte; dann übernahm sie das Vorbeten aber doch selbst. Erst kurz vor dem Ende der Andacht kamen noch zwei weitere Legio-Mitglieder herein; möglicherweise hatte es Unklarheiten bezüglich der Anfangszeit gegeben. 

Am Sonntag gingen wir in St. Joseph Siemensstadt in die Messe, die erfreulicherweise wieder einmal vom "örtlich zuständigen" Pfarrvikar gehalten wurde; daher gibt es diesmal wieder Stoff für die Rubrik "Predigtnotizen". Nach der Messe fuhren Frau und Kinder direkt weiter zur Geburtstagsfeier einer Freundin des Tochterkindes, während ich nach Hause fuhr und mich verschiedenen Reisevorbereitungen widmete. Am Montag ging es dann in aller Früh' los in den Urlaub. Insgesamt, also von Haustür zu Haustür, waren wir fast zehn Stunden unterwegs, bis wir im Reiterhof-Hotel Runding ankamen; was wir dort seither so erlebt und unternommen haben, schildere ich weiter unten im Abschnitt "Keep Cham and Carry on – oder: Abwarten und Bier trinken"... 


Was ansteht 

Bis Montag vormittag sind wir noch im Reiterhof-Hotel Runding, dann geht's zurück nach Berlin. Es sind immer noch Schulferien, und zudem fällt in diese Woche das "Herbsttriduum" (Halloween, Allerheiligen, Allerseelen). In welcher Form wir diese Tage kirchlich begehen, haben wir uns noch nicht genau überlegt. Im Übrigen ist der nächste KiWoGo in St. Joseph Siemensstadt nicht mehr fern; das Konzept "steht" im Großen und Ganzen, aber im Detail wird daran noch ein bisschen zu arbeiten sein. Ich werde berichten... (über den letzteren Punkt allerdings vielleicht erst im übernächsten Wochenbriefing.) 


Predigtnotizen 

Am vergangenen Sonntag, dem 29. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), waren die folgenden Lesungstexte "dran": 1. Lesung Jesaja 53,10f. (aus dem 4. Lied vom Gottesknecht); 2. Lesung Hebräer 4,14ff. (Der Sohn als Hohepriester des Neuen Bundes); Evangelium Markus 10,35-45 (Vom Dienen und Herrschen). Obwohl ja praktisch bereits Schulferien waren, waren immerhin sechs Kinder aus dem neuen Erstkommunionkurs anwesend, daher wandte sich der Pfarrvikar im ersten Teil seiner Predigt speziell diesen zu und bemühte sich, ihnen ein altersgerechtes Verständnis dafür zu vermitteln, was Jesus meint, wenn Er sagt "Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein": "Wenn du dienen kannst, das heißt, wenn du etwas aus Liebe zu den anderen machen kannst, dann bist du wirklich groß. Du wirst entdecken, das ist viel schöner, als wenn du immer den ersten Platz hast, und alle anderen sind neidisch." 

In dem an die Erwachsenen gerichteten Teil der Predigt bemühte sich der Pfarrvikar, wie zumeist, darum, den "roten Faden" herauszuarbeiten, der die drei Lesungstexte zueinander in Beziehung setzt; dabei stellte er insbesondere den Zusammenhang der Passagen aus Jesaja und aus dem Hebräerbrief mit den Riten des jüdischen Versöhnungstages (Jom Kippur) heraus und bezog diese wiederum auf das Kreuzesopfer Christi und auf die Eucharistie. Besonders wichtig, gerade auch in Hinblick auf Themen, die weiter unten in diesem Wochenbriefing noch zur Sprache kommen werden, erschienen mir dabei die folgenden Sätze: 

"Christus hat sich uns geschenkt; das ist eine Liebe, die asymmetrisch ist, die nicht korreliert mit unseren Verdiensten, und die eine überfließende Liebe ist. Warum? Damit wir diese überfließende Liebe weitergeben können. Wenn wir nicht in dieser Form geliebt worden sind, dann tun wir uns verdammt schwer damit, Menschen so zu lieben." 


Neues vom Schulkind 

Ich stelle immer wieder fest, dass die Tatsache, dass unser Tochterkind eine freie Alternativschule besucht – eine Schule, an der es vieles, was man sich normalerweise unter "Schule" vorstellt (wie z.B. Zensuren, Hausaufgaben, Klassenarbeiten, überhaupt feste Klassenverbände, eine festgelegte Abfolge von Unterrichts- und Pausenzeiten... gar nicht erst zu reden von den Materiallisten, die die Eltern vor Beginn eines neuen Schuljahres erhalten und auf denen detailliert angegeben ist, welche Farben die Schutzumschläge der Schulhefte für jedes einzelne Fach haben sollen bzw. müssen) schlichtweg nicht gibt –, bei vielen Menschen auf teils wohlwollendes, teils ungläubiges, teils kritisches, aber jedenfalls auf Interesse stößt. Daher habe ich mir gedacht, ich widme mal einen Abschnitt meines Wochenbriefings diesem Thema. Der Zeitpunkt ist günstig – zum einen, weil gerade Ferien sind, und zum anderen, weil wir in der letzten Schulwoche vor den Ferien ein paar Termine an der Schule unserer Großen hatten, nämlich am Dienstag einen Elternabend und am Donnerstag ein Feedbackgespräch mit der Vertrauenslehrkraft unserer Tochter. 

Beim Elternabend war ich allerdings nicht dabei, da ich zu Hause auf einen Handwerker warten musste: Am Sonntagabend hatte ein Kurzschluss in einer Steckdose im Schlafzimmer die Hälfte aller Lampen in unserer Wohnung und ärgerlicherweise auch den WLAN-Router lahmgelegt, und kurzfristig einen Elektriker zu finden, der die Steckdose reparierte, erwies sich als gar nicht so einfach; letzten Endes war ich ganz froh, dass bis zur erfolgreichen Reparatur "nur" zwei Tage vergingen. 

Aber beim Elternabend ging es ja schwerpunktmäßig ohnehin um den Austausch der Eltern untereinander, und nach dem zu urteilen, was meine Liebste mir berichtete, war das zwar durchaus interessant, aber nicht so, dass ich unbedingt etwas verpasst hätte. Viel mehr versprach ich mir von dem Termin mit der Vertrauenslehrkraft (bzw. "Mentorin", wie die interne Sprachregelung an dieser Schule lautet). Zur Einordnung sei gesagt: Jeder Schüler und jede Schülerin an dieser Schule wählt sich unter den Lehrkräften einen Mentor bzw. eine Mentorin, und zwar nicht einmalig für die gesamte Dauer der Schulzeit, sondern jedes Schuljahr neu; die Mentorin unserer Tochter ist aber aktuell dieselbe wie in ihrem ersten Schuljahr. Folglich hatten wir auch schon im vorigen Schuljahr ein Feedbackgespräch mit ihr und hatten einen recht positiven Eindruck von ihr. Die Mentoren sind im Schulalltag die ersten Ansprechpartner der Schüler für all ihre Anliegen, Wünsche, Sorgen und Nöte, und sie schreiben die jährliche Beurteilung ("Jahresbrief", statt Zeugnis). Da liegt es nahe, dass die Mentoren auch die vorrangigen Ansprechpartner für die Eltern der betreffenden Schüler sind – wobei es durchaus individuell unterschiedlich sein mag, wie sehr die Mentoren die "Elternkommunikation" als ihre Aufgabe betrachten. Die Mentorin unserer Tochter jedenfalls bietet gern ein- bis zweimal im Schuljahr "Elterngespräche" an, sofern die Eltern nicht von sich aus größeren oder häufigeren Gesprächsbedarf signalisieren. 

Das Gespräch verlief durchweg erfreulich; die Mentorin und wir waren uns einig in der Einschätzung, dass unsere Tochter gern zur Schule geht, sich dort wohlfühlt und mit den Regeln und Abläufen des Schulalltags gut zurechtkommt. Insbesondere hob die Mentorin hervor, dass unsere Tochter im Umgang mit anderen Schülern eine gute Konfliktlösungskompetenz an den Tag lege und sich trotz der recht starken Einbindung in eine Gruppe von Freundinnen ihre Selbständigkeit und ihren "eigenen Kopf" bewahre. – Kein Gegenstand des Gesprächs war übrigens, was man so gemeinhin den "Lernfortschritt" eines Schulkindes nennt. Wie gut meine Tochter lesen kann, braucht mir kein Mensch zu erzählen, das sehe ich selbst, denn sie übt lesen, wo sie geht und steht. Mir ist früher nie aufgefallen, wie viel Schrift es im öffentlichen Raum gibt – in Form von Werbung, Verkehrsschildern, Gebäude- und Fahrzeugbeschriftung im weitesten Sinne. Meiner Tochter fällt es auf, und sie will herausfinden, was da steht. So sieht Eigenmotivation zum Lernen aus, wenn sie einem nicht durch das Schulsystem ausgetrieben wird. – Schreiben übt sie ebenfalls fleißig, allerdings braucht man vorerst noch einiges an Phantasie, um das, was sie schreibt, auch lesen zu können. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das noch gibt. Das Rechnen zählt nicht unbedingt zu den Lieblingsbeschäftigungen des Tochterkindes, aber Addieren und Subtrahieren im Zehnerbereich (und ein bisschen darüber hinaus) klappt trotzdem schon ganz gut und gelegentlich versucht sie sich auch schon im Multiplizieren. Davon abgesehen hat sie sich auch schon einige englische Vokabeln und Redewendungen angeeignet und ist zum Beispiel sehr stolz darauf, dass sie auf Englisch bis 12 zählen kann. Viel wichtiger als all das finde ich aber die sozialen Kompetenzen, die sie an dieser Schule erwirbt, und die Möglichkeiten, die ihr geboten werden, um ihre Kreativität zu entfalten. Und, um's ganz frei heraus zu sagen: Mir ist die beleidigend gemeinte Redensart "Du hattest wohl nur Singen und Klatschen in der Schule" durchaus geläufig, aber ich habe zunehmend den Eindruck, Leute, die sowas sagen, hätten in ihrer eigenen Schulzeit lieber mal ein bisschen mehr singen und klatschen sollen. 

Interessanterweise ergab sich während unserer Fahrt in den Urlaub die Gelegenheit zu vergleichenden Beibachtungen, denn auf der Fahrt von Berlin bis Bamberg saß im Familienbereich des Zuges eine Frau mit zwei Kindern im Alter unserer Kinder; und ich fand es recht auffällig, wie viel Wert die Mutter darauf legte, dass ihre Kinder "etwas lernen", sogar in den Ferien. Mit ihrer sechsjährigen Tochter machte sie Leseübungen – darauf komme ich noch zurück –, und für ihren dreijährigen Sohn malte sie einen Kreis auf ein Blatt Papier, den er mittels einer Bastelschere ausschneiden sollte. Der Knabe allerdings schnitt den Kreis geradewegs in der Mitte durch – was seine Schwester lustig fand, die Mutter jedoch nicht: "Er muss das aber lernen!", betonte sie. 

Interessant, dachte ich. Wer legt das eigentlich fest, dass ein dreijähriges Kind so etwas lernen "muss"

Was die Leseübungen angeht, benutzte die Mutter dabei Materialien, von denen ich vermute, dass sie die von der Schule ihrer Tochter hatte. Zuerst handelte es sich darum, einzelne Silben zu lesen, dann auch Silbenverbindungen, die aber keine sinnvollen Wörter ergaben, sondern eher so etwas wie "Bibalu" oder "Sumisu". Obwohl diese Methode offensichtlich "funktionierte" – das Mädchen geht, wie es mir später verriet, in die erste Klasse und ist demnach erst vor knapp zwei Monaten eingeschult worden, und dafür, fand ich, konnte sie schon bemerkenswert gut lesen –, fand ich sie spontan irgendwie befremdlich; und nach einigem Nachdenken kam ich auch darauf, was mich daran störte: dass die Fähigkeit zum Lesen als eine reine Technik und völlig losgelöst vom Aspekt des inhaltlichen Textverständnisses vermittelt wird. Das ist zwar, wie man sieht, offenbar sehr effizient, aber ich bezweifle, dass es auf längere Sicht gut für die kognitive Entwicklung ist. Wenn Schulkinder zwar in der 1. Klasse lesen lernen, dann aber in der 10. Klasse in der MSA-Prüfung nachweisen müssen, dass sie in der Lage sind, das, was sie lesen, auch zu verstehen, dann sieht man doch schon, dass da etwas faul ist. 

Indes möchte ich über die Frau im Zug nichts Schlechtes sagen, im Gegenteil, wir unterhielten uns im weiteren Verlauf der Fahrt ausgesprochen gut und ich bin überzeugt, dass sie das Beste für ihre übrigens ganz reizenden Kinder will. Interessant ist es aber doch, wie weit die Auffassungen darüber, was dieses Beste für die Kinder ist, auseinandergehen können. 


Keep Cham and Carry on – oder: Abwarten und Bier trinken 

Unser derzeitiger Aufenthalt, eine laut Tante Wikipedia "dörflich geprägte Gemeinde" namens Runding, liegt im Landkreis Cham in der Oberpfalz, und Cham war auch die letzte Umsteigestation auf unserer Anreise: Wir stiegen dort von der "Oberpfalz-Bahn" in den Bus um. Ich würde mir gern einbilden, Cham wäre nach dem zweiten Sohn Noahs benannt, der in älteren Bibelausgaben Cham geschrieben wird, aber ausgesprochen wird der Ortsname wie die Vergangenheitsform von "kommen" oder eben wie das englische Wort "calm". Das scheint mir in gewissem Sinne zur Mentalität der Leute hier zu passen. 

Ein Kunstwerk auf dem Bahnhofsvorplatz in Cham.

Wer übrigens glaubt, bei uns müsse ja wohl der Wohlstand ausgebrochen sein, wenn wir in den Herbstferien Urlaub in einem Reiterhof-Hotel machen, dem sei gesagt: Dies ist unser billigster Urlaub seit Jahren, maybe ever. Meine Liebste hat die Reise nämlich über Aldi gebucht, kein Witz. Ergebnis: In einem Preis, der woanders nicht mal für die Übernachtung gereicht hätte, sind hier täglich drei Mahlzeiten (plus Kaffee und Kuchen) und betreute Spiel- und Bastelangebote inklusive, ebenso die Benutzung des hauseigenen Schwimmbads plus Sauna (übrigens, was haben die Kirche und eine Sauna gemeinsam? Beides sind Orte, an denen man mit knapp 50 Jahren immer noch zu den "jungen Leuten" gehört). Obendrein gibt's von 12-21 Uhr Freigetränke per Selbstbedienung: Wasser, Softdrinks, aber auch Wein und Bier. Spontan fand ich es "irgendwie typisch bayerisch", dass Bier im Prinzip wie ein Softdrink behandelt wird, aber wenn ich ehrlich bin, kenne ich durchaus auch in Berlin ein paar Leute, die schon ab 12 Uhr Bier trinken. Bei mir dauerte es trotzdem bis Donnerstag, ehe ich mich so weit an die ortsüblichen Gepflogenheiten angepasst hatte, dass ich mir ein Bier zum Mittagessen gönnte – und das auch nur auf Zureden meines Tochterkindes. 

Nicht im Buchungspreis enthalten waren die Reitstunden für die Kinder, aber auch die sind hier relativ erschwinglich, gerade da man ja sonst so gut wie keine zusätzlichen Ausgaben hat. Insgesamt ist man hier im Reiterhof-Hotel so rundum versorgt, dass ich erst am Mittwoch mal dazu kam, das Hotelgelände zu verlassen und mich ein bisschen in Runding umzuschauen. Bemerkenswert finde ich es, dass die Kirche hier im Ort größer ist als der Supermarkt – wobei die Bezeichnung "Supermarkt" für dem Edeka-Markt in Runding eigentlich schon übertrieben ist, er ist eher ein besserer Tante-Emma-Laden. 




Überhaupt ist das Ortsbild sehr katholisch geprägt.

Eine Überraschung besonderer Art war es, unter den zahlreichen Programmen auf dem Fernseher im Hotelzimmer auch den katholischen Sender EWTN zu entdecken. Als wir – auf der Suche nach einer Kinderprogramm-Alternative zu TOGGO, wo gerade "Grizzy und die Lemminge" lief – in dieses Programm hineinzappten, lief dort gerade ein Lobpreislied, und anschließend kam "Der Barmherzigkeitsrosenkranz für Kinder" – als Zeichentrickfilm. Das schauten wir uns mit unseren Kindern an. 

Das war am Mittwoch; am Donnerstag Nachmittag überredeten wir die Kinder mit einiger Mühe zu einer Wanderung, nachdem wir entdeckt hatten, dass unmittelbar hinter den Pferdeställen ein Wanderweg begann. Ziel dieses Wanderwegs war eigentlich der Haidstein, aber es dauerte nicht lange, bis wir feststellten, dass wir es wohl kaum schaffen würden, ganz dorthin zu wandern und dann vor Sonnenuntergang und rechtzeitig zum Abendessen wieder zurück zu sein. Der erste von uns, der von Wandern genug hatte, war der mit den kürzesten Beinen; also trat meine Liebste mit ihm den Rückweg an, wohingegen das Tochterkind inzwischen auf den Geschmack gekommen war und mit mir weiterwanderte. – Am Waldrand lud eine Sitzbank zum Verweilen ein, und während wir dort Pause machten, überlegte ich, wie ich meiner Tochter beibringen konnte, dass wir es nicht ganz bis zum Haidstein schaffen würden, und wie ich der Wanderung trotzdem ein Ziel und damit einen befriedigenden Abschluss geben konnte, statt einfach an irgendeinem Punkt der Wanderung zu sagen "So, jetzt müssen wir zurück". Und siehe da, Google Maps verriet, dass es ganz in der Nähe, und mitten im Wald, eine Ölbergkapelle gab. Das, fand ich, war ein gutes Ziel. 


Das Andachtsbild in dem Kapellchen erinnerte mich wieder an die Kindersendung, die wir tags zuvor auf EWTN gesehen hatten, also schlug ich meiner Tochter vor, gemeinsam ein Gesätz vom Barmherzigkeitsrosenkranz zu beten. Sie machte mit, und wie sich zeigte, hatte sie sich den Text des Gebets recht gut gemerkt. 

Am gestrigen Freitag gab es einen geführten Ausritt zur Burgruine – die Kinder durften reiten, die Eltern mussten die Pferde führen. Habe dabei beschlossen, dass ich zur Burgruine unbedingt auch mal ohne Pferd wandern will. Mal schauen, ob das Tochterkind mitkommen mag...


Neues aus Synodalien: Heilige und Halunken, die Hallow-App und Chestertons Katze

Nanu, wird jetzt Mancher denken: Schrödingers Katze kennen wir ja, aber Chestertons Katze? Was soll es denn damit auf sich haben? Wer Chestertons bahnbrechendes Werk "Orthodoxie" gelesen hat und die Eindrücke der Lektüre noch einigermaßen präsent hat, wird vielleicht etwas ahnen; aber dazu später. Erst mal was Anderes: Nutzt jemand von Euch die (auch von der Tagespost empfohlene) Hallow-Gebetsapp? Meine Liebste hat sie sich mal installiert und eine zeitlang bevorzugt morgens auf dem Weg zur Arbeit genutzt, bis sie eines Tages ihre Kopfhörer verbummelte; von mir nach ihrer Nutzererfahrung befragt, sagte sie: "Die bringt echt was." Nämlich was? Eine Verbesserung des persönlichen Gebetslebens. Und genau da gehen bei dem, sagen wir mal, "fundamentalismuskritischen" Account "Heilige und Halunken", den ich vor einiger Zeit schon mal am Wickel hatte, die Warnlichter an. "Die App 'Hallow' will zum Beten anregen und bietet Dir an, Dich 'zu challengen'", so war es auf Facebook und Instagram zu lesen. Und was ist daran nach Meinung von "Heilige und Halunken" schlecht? – Nun, zunächst einmal wird die App "[b]eworben [...] von Vertreter*innen evangelikaler Kreise" – eine Einschätzung, auf die noch zurückzukommen sein wird –; "[u]nd eine kostenpflichtige App, die Dir den Weg in eine Abhängigkeit von Personen und Inhalten vorgibt, ist nützlich für ein religiöses Business." Auf den Vorwurf der Geschäftemacherei will ich hier aber gar nicht näher eingehen; sehr viel mehr zu sagen gibt es über den Vorwurf, dass das Konzept dieser Gebetsapp darauf ausgelegt sei, religiösen Leistungsdruck zu erzeugen. Das ist wohlgemerkt meine Wortwahl und nicht die des Halunkenaccounts. Dort heißt es vielmehr, das Konzept der Gebetsapp vermittle die Auffassung, Gebet könne als "Mittel" eingesetzt werden, "was [zu] leisten und besser [zu] werden", "[d]amit der Mensch seine Schlechtheit überwindet". – "Doch: Gebet ist keine Challenge", hält der Verfasser des Beitrags (ich gehe im Folgenden davon aus, dass es Thomas Halagan ist, da dieser meines Wissens den Halunkenaccount seit dem Ausstieg von Mareike Wolff allein betreibt) dem entgegen: "Im Gebet muss nichts passieren. Ich muss nichts leisten oder besser werden." Wenn ich diese Anmerkungen dahingehend zusammenfasse, es gehe um die Warnung vor religiösem Leistungsdruck, dann stellt das sozusagen einen Versuch meinerseits dar, den potentiell richtigen Kern aus dieser Polemik herauszupräparieren. Ich sage "potentiell richtig", weil ich schlichtweg nicht beurteilen kann, ob die hier formulierten Vorwürfe tatsächlich auf die Hallow-App zutreffen; allgemein gesprochen kann religiöser Leistungsdruck aber tatsächlich ein Problem sein. Vor allem dann, wenn sich darin die mehr oder weniger bewusste Annahme ausdrückt, der Mensch könne sich "die Gnade G*ttes verdienen", wie es in dem Halunken-Beitrag heißt: "G*ttes Liebe ist ein Geschenk, das wir uns nicht verdienen können", das ist – abzüglich des doofen Sternchens im Wort "Gott" – eine unbestreitbar richtige Aussage dieses Postings; erinnern wir uns an dieser Stelle auch an das, was ich oben in den "Predigtnotizen" festgehalten habe. Aber wenn an diesem Halunkenposting alles einfach nur falsch wäre, dann wäre es im Grunde ja gar nicht der Rede wert. Heikel wird's ja immer erst da, wo sich das Richtige mit dem Falschen mischt. Und dafür bietet dieser Beitrag des Halunkenaccounts wahrlich jede Menge Anschauungsmaterial. 

Bohren wir das Brett mal zuerst dort, wo es am dünnsten ist, nämlich bei Halagans Gebrauch der Vokabel "evangelikal". "Zum evangelikalen Verständnis gehört es, den Menschen als schlecht/schwach zu begreifen", das ist quasi seine Ausgangsthese, und darüber bin ich gestolpert, weil ich doch gerade erst beim JAM, also in einer evangelikalen Gemeinde, das Lied "Du hast mich wunderbar gemacht" kennengelernt habe. Und auch sonst wird beim JAM immer großer Wert darauf gelegt, den Kindern zu vermitteln, dass sie wertvoll sind und dass Gott sie liebt. – Wenn Halagan aus dem besagten, angeblich "evangelikalen Verständnis" dann noch die Vorstellung ableitet, dass "sich der Mensch die Gnade G*ttes verdienen" könne oder müsse, merkt man erst recht, dass etwas nicht stimmt, denn genau diese Auffassung unterstellen die Evangelikalen ihrerseits doch gern den Katholiken. – Wenn einem dann noch auffällt, dass die Fotos, mit denen die Aussage illustriert wird, die Hallow-App werde "von Vertreter*innen evangelikaler Kreise" beworben", u.a. den Zisterzienserpater Karl Wallner und natürlich Halagans Lieblingsfeind Johannes Hartl (der ja gerade von evangelikaler Seite oft wegen seiner katholischen Anschauungen kritisiert wird) zeigen, wird endgültig klar, dass der Begriff "evangelikal" hier nicht in einem konfessionellen Sinne gemeint ist, sondern als Sammelbegriff für "ultra-religiöse Weirdos" – so ähnlich also, wie auch die Bezeichnung "fundamentalistisch" heutzutage vielfach gebraucht wird. In ähnlicher Weise hat auch Erik Flügge mal Stefan Oster als "evangelikale[n] Bischof" bezeichnet

Viel entscheidender als solche Details ist es aber natürlich, dass Halagan mit seinem Insistieren darauf, "dass wir schon gut sind" ("Wie könnte es auch anders sein, wenn wir doch von G*tt kommen?") das Faktum der Sünde ausblendet. Damit steht er in der gegenwärtigen Theologie natürlich nicht allein, aber der offensichtliche Haken an der Geschichte ist, dass alles "Ich bin okay, du bist okay"-Gesäusel das real existierende Böse nicht wegzaubern kann; und damit kommen wir nun zu Chestertons Katze. Ich habe es in einem früheren Blogartikel schon mal angesprochen: In seinem Buch "Orthodoxie" (1908) bezeichnete G.K. Chesterton die Sünde als "ein Faktum, das so handgreiflich ist wie eine Kartoffel" und die Lehre von der Erbsünde als "das einzige Stück der christlichen Theologie, das wirklich beweisbar ist". Was ich seinerzeit nicht zitierte, ist eine recht drastische Passage, in der Chesterton erklärt, die Tatsache, dass Menschen in der Lage seien, mit innigem Vergnügen einer Katze bei lebendigem Leib das Fell abzuziehen, lasse aus religionsphilosophischer Licht eigentlich nur zwei mögliche Schlüsse zu: entweder, dass es keinen Gott gebe – das sei die Antwort der Atheisten –, oder dass der Mensch nicht mit Gott im Einklang sei – das sei die christliche Antwort. Heutzutage, so fügt Chesterton hinzu (und das schrieb er wie gesagt vor über 100 Jahren!), gebe es jedoch Theologen, die es "als eine höchst rationale Lösung betrachten, die Katze zu leugnen".

In diesem Sinne leugnet auch Ober-Halunke Thomas Halagan die Katze, wenn er sagt "Wir sind schon gut"; und wenn er hinzufügt "Und längst gut genug für die Gnade G*ttes", dann stellt er das Wesen der Gnade Gottes geradezu auf den Kopf: Schließlich liebt Gott uns nicht, weil wir so gut sind, sondern obwohl wir gar nicht so gut sind

Es ist ein besonders unter Atheisten beliebtes Narrativ, "die Kirche", oder Religion(en) überhaupt, würden den Menschen Schuldgefühle einreden, um dadurch Macht und Kontrolle über sie auszuüben. Aber um festzustellen, dass der Mensch so, wie er ist, nicht in Ordnung ist, braucht es keine Religion; das ist eine schlichte Erfahrungstatsache. Die Leistung des Christentums besteht demgegenüber gerade darin, erstens zu erklären, warum der Mensch einerseits eine gute Schöpfung Gottes, ja von Gott "wunderbar gemacht", aber andererseits dennoch in einem un-heilen Zustand ist, und zweitens den Weg aufzuzeigen, wie der Mensch heil werden kann. Das muss er aber wollen; und ihm zu sagen "Du musst überhaupt nichts tun, du bist schon okay so, wie du bist", ist in diesem Sinne maximal kontraproduktiv. Ja, Gottes Gnade ist ein unverdientes Geschenk, aber die Frage ist doch, was machen wir mit diesem Geschenk? Wenn wir wollen, dass die Gnade in uns Früchte trägt, dass wir im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe wachsen, dann müssen wir uns schon auch unsererseits Mühe geben, mit Gott in Kontakt zu bleiben, und das hat schon auch etwas mit Disziplin zu tun. Schon allein, weil es im Alltag so vieles gibt, was uns von Gott ab- und weglenkt. 

(An dieser Stelle möchte ich auch auf den weiter unten folgenden "Geistlichen Impuls der Woche" hinweisen. Den habe ich mir wohlgemerkt nicht passend zu diesem Thema 'rausgesucht, sondern die Stundenbuch-App hat mich geradezu mit der Nase draufgestoßen.) 

Demgegenüber gibt Halagan den spirituellen Slacker: "Für mich ist Gebet vielmehr: Gerne verplemperte Zeit wie die Zeit mit meiner/m Bestie" – über das Wort bin ich erst mal gestolpert, aber er meint hier offenbar kein reißendes Ungetüm, er meint die aus dem Englischen stammende, hinten mit langem i ausgesprochene Bezeichnung für "beste/r Freund/Freundin/Kumpel" – "oder meiner/m liebsten Lieben. [...] Ich will einfach mit G*tt abhängen. [...] Wie [...] im Park ein Bierchen zu trinken." Zwischendrin räumt er ein: "Und natürlich werden wir uns so besser kennenlernen und uns vielleicht auch verändern." Ach – wir uns? Heißt das, Gott soll sich auch dadurch verändern, dass Er mit Thomas Halagan abhängt? Das hätte er wohl gerne! 

Ich denke, das Alberne und Unreife an dem Gottesbild, das Halagan hier entwirft, ist ohne weitere Erläuterung mit Händen zu greifen. Der Punkt ist, Gott liebt uns eben nicht wie ein Kumpel, sondern wie ein Vater. Und was das heißt, darüber habe ich im Umgang mit meinen eigenen Kindern eine Menge gelernt bzw. lerne täglich etwas dazu. Ich liebe meine Kinder buchstäblich mehr als mein eigenes Leben, aber das heißt nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was sie tun oder nicht tun. So wichtig es ist, seinen Kindern zu vermitteln "Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst; du kannst immer zu mir kommen und mir alles sagen; und auch wenn du etwas angestellt hast – egal was –, werde ich deswegen nicht aufhören dich zu lieben, denn du bist und bleibst mein Kind", kann und darf diese Aussage doch nicht gleichbedeutend sein mit "Du kannst tun und lassen was du willst, ich erwarte und verlange nichts von dir". Wenn Erwachsene sich schwer damit tun, diesen Unterschied klarzustellen, dann hat das unter Umständen damit zu tun, dass sie ihn als Kinder selbst nicht vermittelt bekommen haben. Aber das ist ein Thema für sich, das ich vielleicht mal an anderer Stelle vertiefen sollte. Wie einige andere Aspekte, die ich hier im Grunde nur oberflächlich ankratzen konnte, eventuell auch. Wenn ich mal dazu komme... 

Eins noch: In den obigen Zitaten aus dem Halunkenposting habe ich unmittelbar vor "im Park ein Bierchen trinken" ein Stück ausgelassen, auf das ich nun noch gesondert eingehen möchte. Da vergleicht Halagan seine Vorstellung von Gebet nämlich damit, "im Bett zu liegen, zu knutschen, zu kuscheln, zu fummeln". Irgendwie erinnerte mich das daran, wie "Porno-Rolf" Krüger einmal Johannes Hartl eine Diskussion über dessen (unterstellte) Masturbationsphantasien aufzunötigen versuchte. Beides erscheint mir in ähnlichem Maße und auf ähnliche Weise übergriffig und unappetitlich. Ich frage mich ob dieser Drang, anderen Leuten unerwünschtes Kopfkino aufzudrängen, eigentlich ein typisches Problem von Typen um die 40 ist. Andere kaufen sich einen Sportwagen, wenn die Potenz nachlässt, aber dafür reicht bei einem Pastoralassistenten im Bistum Essen sicherlich das Geld nicht. 

Letztendlich sollte man wahrscheinlich doch ganz froh sein, dass Halagan so beharrlich "G*tt" schreibt. Das hilft, diesen "G*tt" von dem Gott zu unterscheiden, den das Christentum verkündet – mit dem er ja schließlich nicht sonderlich viel Ähnlichkeit hat. 


Postskript zum #Ansgarwort 

Zur "Neues aus Synodalien"-Folge von voriger Woche gibt es etwas nachzutragen, und zwar, wie ich finde, etwas ziemlich Sensationelles. Am Mittwoch war beim Facebook-Account des Erzbistums Hamburg wieder ein neues #Ansgarwort fällig, und nach der heftigen Kritik, den die Redaktion in der Woche zuvor wegen eines tendenziösen Impulses und unbelegter Quellenbehauptungen hatte einstecken müssen, wählte sie diesmal – wieder einmal ein Zitat aus dem NGL-Urgestein "Danke" von Martin Gotthold Schneider! Diesmal war es zweifellos eine der gelungeren Textstellen dieses Liedtexts – nämlich die letzte Strophe: "Danke, Dein Heil kennt keine Schranken, danke, ich halt mich fest daran; danke, ach Herr, ich will Dir danken, dass ich danken kann" –, aber nach der vorangegangenen Debatte fand ich das doch ein bisschen dreist. Ein Stinkefinger an die Adresse der Kritiker, könnte man sagen. Unwirsche bis spöttische Kommentare von Facebook-Nutzern – überwiegend von solchen, die sich bereits an der Auseinandersetzung in der Vorwoche beteiligt hatten – ließen nicht lange auf sich warten: "Ach, der Hl. Ansgar hat NGL geschrieben?"; "Schon wieder wird hier ein Zitat fälschlich einem Verstorbenen in den Mund gelegt". Im Gegensatz zu den unbeholfenen Rechtfertigungsversuchen der Vorwoche reagierte man in der Reaktion erst einmal pampig und kritikresistent: "Wir haben nie behauptet, dass das ein Zitat vom Hl. Ansgar ist. Ein Hashtag ist keine Quellenangabe." Ich zitiere hier sinngemäß aus dem Gedächtnis, denn wenig später wurde der ganze Beitrag gelöscht – und durch einen anderen ersetzt, der nun tatsächlich ein echtes "Ansgarwort" brachte: 

"Erhöre uns, Herr, und in unseren Bedrängnissen erbarme dich unser." 

Das klang ja nun ganz anders, und wie um das zu unterstreichen, unterschied sich auch die graphische Gestaltung dieses neuen #Ansgarworts erheblich von den früheren. Die Redaktion gab dazu den folgenden "Hinweis: Wir haben dieses Format kürzlich verändert, da es Missverständnisse bei dem Hashtag 'Ansgarwort' gab." Missverständnisse, na klar. "Die Quelle der Zitate, die wir ab sofort unter dem #Ansgarwort veröffentlichen, ist das Buch 'Die Pigmenta des Heiligen Ansgar'." Na das nenne ich doch mal einen Erfolg! 


Geistlicher Impuls der Woche 

Das Gebet kann wirklich eine Mühsal sein. Manchmal geht es leicht, als lebendige Sprache vom Herzen; aufs Ganze des Lebens und die Vielheit der Menschen gesehen, bleibt das aber eine Ausnahme. Meistens muß es gewollt und geübt werden; und die Mühe dieser Übung kommt zu einem guten Teil daher, daß die Wirklichkeit Gottes nicht empfunden wird. Dem Betenden ist dann zumute, als ob er im Leeren stehe, und alles andere scheint dringlicher, weil es fühlbar da ist. So kommt es darauf an, auszuharren. Wer sagt, das Gebet gebe ihm nichts, oder sein Inneres dränge ihn nicht dazu, oder es werde unecht und so lasse er es lieber, verläßt den Dienst und verliert, worum es da geht. Denn in der Leere der Stunde auszuhalten hat einen besonderen Sinn, der durch kein noch so lebendiges Gebet zu anderer Zeit ersetzt werden kann. Es bedeutet nämlich, mit dem Glauben im strengsten Sinne Ernst zu machen; das Gebet ganz aus der Treue gegen Gottes Wort zu vollbringen und ins Dunkle zu sprechen, auf Den hin, der hört, auch wenn man von Ihm nichts weiß. 

(Romano Guardini, Vorschule des Betens) 


Ohrwurm der Woche 

New Found Glory: Kiss Me 


Nachdem der vorige "Ohrwurm der Woche" engagierte Diskussionen im Kommentarbereich ausgelöst hat, gehe ich mal nicht davon aus, dass mir das gleich nochmal gelingt, und ich lege es auch nicht unbedingt darauf an, aber man weiß ja nie... "Kiss Me", im Original von Sixpence None The Richer (wusstet ihr übrigens, dass das eine christliche Band ist?) ist einfach ein süßer Song, der, wie ich finde, stimmungsmäßig gut zu den Herbstfarben passt, die mich hier im Bayerischen Wald umgeben; und die Punk-Coverversion von New Found Glory fügt der Vorlage nicht nur eine Extraportion "Wumms" hinzu, sondern auch einen gewissen jungenhaften Übermut, der sich auch im Video recht treffend ausdrückt. Nicht zuletzt passt der Song in dieser Fassung gut zu dem Buch, das ich als Gutenachtlektüre mit in den Urlaub genommen habe: "Mein Pampaleben – Eine Pfütze macht noch keinen Regenbogen" von Silke Antelmann, die Fortsetzung unserer Urlaubslektüre aus dem Sommer. Da gehen die Verwicklungen damit los, dass die Protagonistin bei einer Party, beim Flaschendrehen, einen Jungen aus ihrer Freundesgruppe küssen muss. Ich bin gespannt, wie die Geschichte ausgeht... 



Samstag, 19. Oktober 2024

Creative Minority Report Nr. 47

Willkommen zum letzten Wochenbriefing vor den Herbstferien, Freunde! Es ist mal wieder etwas umfangreicher geraten als sonst meist, was sich möglicherweise nächste Woche ausgleichen wird, aber wer weiß... Seht einfach selbst! 

Hat dieses Vorschaubild einen tieferen Sinn? Ich bin mir selbst nicht ganz sicher. 

Was bisher geschah 

Der vergangene Samstag stand für mich im Zeichen einer Veranstaltung, die ich weiter unten unter der Überschrift "Ein Hauch von Fátima in Berlin-Kreuzberg" ausführlich (und mit Fotos) schildern werde; um Dopplungen zu vermeiden, sage ich an dieser Stelle mal weiter nichts dazu. Am Sonntag gingen wir mal wieder in St. Joseph Siemensstadt in die Messe, zum ersten Mal seit drei Wochen übrigens; zelebriert wurde die Messe vom Spandauer Krankenhausseelsorger, was ich insofern etwas schade fand, als ich gerade zu den Lesungen dieses 28. Sonntags im Jahreskreis – Weisheit 7,7-11, Hebräer 4,12f., Markus 10,17-30 – wirklich gern eine Predigt vom, wie ich immer gern sage, "örtlich zuständigen Pfarrvikar" gehört hätte. Womit ich nicht behaupten möchte, die Predigt, die ich stattdessen gehört habe, wäre schlecht gewesen; aber besondere Impulse, die es verdienten, in der Rubrik "Predigtnotizen" meinen Lesern mitgeteilt zu werden, habe ich nicht daraus empfangen, daher fällt die besagte Rubrik diese Woche aus. (Was ich allerdings noch festhalten möchte, ist, dass die letzten Verse der Evangelienperikope – die Worte Jesu über den Lohn, den Seine Jünger dafür erwarten dürfen, dass sie um Seinetwillen "alles verlassen" haben – gar nicht erst verlesen wurden und folgerichtig auch in der Predigt nicht berücksichtigt wurden. Das fand ich, gelinde gesagt, schade.) – Am Montag fiel der reguläre Omatag aus, da eine meiner beiden Schwiegermütter krank war. Am Dienstag wachte mein Jüngster bereits auf, als ich noch unter der Dusche stand; das brachte meine Morgenroutine gehörig durcheinander, aber ich machte das Beste daraus und legte am Küchentisch zusammen mit dem Knaben ein Puzzle (mit immerhin 63 Teilen), ehe wir gemeinsam seine große Schwester weckten. Außerdem einigten wir uns darauf, einen "kleinen Bus-Ausflug" zu machen, da für einen größeren Ausflug wieder einmal die Zeit nicht reichte. Es war der Gedenktag der Hl. Teresa von Ávila, und ich fand, das sei ein passender Anlass, die Suche nach offenen Kirchen in der nach dieser Heiligen benannten Großpfarrei im Nordosten Berlins fortzusetzen. Nachdem wir vorige Woche ja die Kirche St. Maria Magdalena in Niederschönhausen nur von außen hatten betrachten können, steuerte ich diesmal die ehemalige Pankower Pfarrkirche St. Georg an; da war ich tatsächlich noch nie gewesen. Wie sich zeigte, handelt es sich bei dieser Kirche um einen neugotischen Backsteinbau, der (wie auch der Jüngste feststellte) einige Ähnlichkeit mit der im selben Zeitraum erbauten Kirche Herz Jesu Tegel hat, allerdings großzügiger dimensioniert ist; aber leider fanden wir sie verschlossen vor. 



Die Pfarreipatronin ist not amused.

Noch schlechter erging es uns wenig später bei der Kirche St. Petrus im Ortsteil Gesundbrunnen, die zur benachbarten Pfarrei St. Elisabeth Wedding/Tiergarten gehört. Der Zugang zu dieser in eine Mietshausreihe hineingebaute Kirche, deren Fassade dem westlichen Giebel des Zisterzienserklosters Chorin nachempfunden ist, war zur Straße hin durch einen abgeschlossenen Metallzaun versperrt, dahinter führten einige steile Treppenstufen zum Doppelportal der Kirche hinauf; mit anderen Worten: Selbst wenn die Kirche zufällig mal offen ist, scheint es keinen barrierefreien Zugang zu geben. Oder, na ja, vielleicht durch den Hinterhof. Muss ich vielleicht bei Gelegenheit noch mal näher erforschen. 

Am Mittwoch ging ich mit dem Jüngsten in Heiligensee zur Messe mit anschließendem Frühstück; darauf werde ich weiter unten in einem eigenen Abschnitt ("Heil'ge Hedwig, die Mikrofonanlage geht nich'") näher eingehen – d.h. auf die Messe, nicht aufs Frühstück, das eher unspektakulär verlief. Einige der anwesenden Senioren unterhielten sich über Grippe- und Corona-Impfungen, und ehrlich gesagt war ich ein bisschen überrascht, dass sich immer noch Leute gegen Corona impfen lassen; noch ehrlicher gesagt habe ich mehrmals hin und her überlegt, ob ich mir diese Bemerkung nicht lieber verkneifen sollte, und wahrscheinlich wäre das tatsächlich klüger gewesen, aber dann wär' ich wohl nicht der Tobi. – Am Nachmittag waren wir wieder beim JAM, zum letzten Mal vor den Herbstferien, weshalb dort nach dem Abschluss des Astronauten-Lebensbildes nicht mit einer neuen mehrteiligen Geschichte begonnen wurde. Stattdessen gab es allerlei Spiele und Lieder rund um das Thema "Gott hat mich wunderbar gemacht". Im Zuge eines Spiels sollten die Kinder etwas aufschreiben, wofür sie dankbar sind, und als ich sah, dass mein Tochterkind "vür mein Papa" auf ihren Zettel geschrieben hatte, musste ich ein bisschen weinen. 

(Die weiteren Ereignisse der zurückliegenden Woche waren vergleichsweise unspektakulär, daher mache ich an dieser Stelle mal einen Punkt.) 


Was ansteht 

Morgen feiert eine der liebsten Schulfreundinnen unseres Tochterkindes Geburtstag, und am Montag beginnen dann offiziell die Herbstferien. Unter dem stets mitzubedenkenden Vorbehalt aus Jakobus 4,15 ("Wenn der Herr will, werden wir noch leben und dies oder jenes tun") planen wir die erste Hälfte der Ferien auf einem Reiterhof im Bayerischen Wald verbringen, dahin soll's also am Montag losgehen; es bleibt somit abzuwarten, was das nächste Wochenbriefing außer Landschafts- und Pferdebildern so zu bieten haben wird. In die Ferien fällt auch der 7. Geburtstag unseres Tochterkindes, gefeiert wird aber erst, wenn die Schule wieder angefangen hat. 


Ein Hauch von Fátima in Berlin-Kreuzberg 

Am vergangenen Samstag fand, wie bereits angekündigt, in Berlin eine von den Initiativen "Deutschland betet Rosenkranz" und "Deutschland dankt Maria" ausgerichtete Veranstaltung unter dem Motto "Deutschland dankt Maria und betet für den Frieden" statt, bestehend aus einem vom Apostolischen Nuntius Nikolá Eterovič zelebrierten Pontifikalamt in der Kirche St. Clemens und einer Lichterprozession mit der 1968 vom Hl. Papst Paul VI. gesegneten Fátima-Nationalmadonna für Deutschland. Der Website zur Veranstaltung war zu entnehmen, dass diese Veranstaltung heuer schon zum dritten Mal stattfand, aber in den vergangenen Jahren war mir das offenbar entgangen; diesmal hatte ich ein paar Wochen zuvor, und zwar ausgerechnet in der Kirche Herz Jesu Tegel, einen Flyer ausliegen sehen und gedacht: Ach guck, das sieht ja interessant aus. Meine Liebste zeigte ebenfalls Interesse, da hinzugehen; aber als der Tag dann da war, begannen die Probleme. Zunächst einmal fuhr am Wochenende die S-Bahn-Linie nicht, mit der wir auf direktem Weg zum Anhalter Bahnhof hätten fahren können. Und dann hatten die Kinder keine Lust auf die Veranstaltung: Die Große hätte sich vielleicht noch überreden lassen, aber unser Jüngster erklärte nachdrücklich, er wolle da nicht hin. Meine Liebste meinte nun, es könne nichts Gutes dabei herauskommen, ihn trotz seiner Weigerung mitzunehmen, und damit hatte sie sicherlich Recht. Wenn der Knabe aber nicht mitkam, konnte meine Liebste logischerweise auch nicht mit, und das Tochterkind war, wie gesagt, auch nicht so besonders motiviert; somit stand die Möglichkeit im Raum, dass ich allein nach St. Clemens fuhr – was ich zwar nicht gerade ideal fand, aber meine Liebste riet mir dazu, also machte ich es so. 

Die Kirche St. Clemens liegt, wie manche meiner Leser wissen werden, in einem Hinterhof am Anhalter Bahnhof in Berlin-Kreuzberg, und als ich dort ankam, standen schon an der Hofeinfahrt Ordner und am Eingang zur Kirche weitere; die Kirche war bereits so gut wie voll, im Hof war ein großer Flachbildschirm aufgehängt worden, auf dem das Geschehen im Innenraum der Kirche live nach draußen übertragen wurde, und auf diesem Bildschirm sah ich den UFO-Experten Michael Hesemann herumwuseln und Fotos von der Fátima-Madonna machen. 



Das ist jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, um näher darauf einzugehen, warum ich nicht so erpicht darauf gewesen war, allein zu dieser Veranstaltung zu gehen. Die Kirche St. Clemens ist, jedenfalls soweit mein persönlicher Erfahrungsbereich reicht, einer der faszinierendsten Orte katholischen Glaubenslebens in Berlin, weshalb ich diese Kirche auf meinem Blog schon des öfteren erwähnt habe; aber zugleich kann und will ich nicht leugnen, dass der Frömmigkeitsstil, der dort gepflegt wird, in mancherlei Hinsicht nicht so ganz mein Ding ist. Erst recht gilt das für bestimmte Ausprägungen einer für mein norddeutsches Gemüt allzu schwärmerischen Marienfrömmigkeit, die mich, wie ich schon mal geschildert habe, immer an meine frühere Augenärztin erinnert. Insofern war die Kombination St. Clemens plus Fátima-Sühnebewegung für mich durchaus herausfordernd. Bei früherer Gelegenheit (und ebenfalls im Zusammenhang mit der Erinnerung an die besagte Augenärztin) habe ich mal geschildert, was ich mir als "worst of both worlds"  zwischen charismatischer und traditionsorientierter Spiritualität ausmalen würde, nämlich 

"eine spezifische Verbindung von charismatischer Schwärmerei mit einem Faible für (vorzugsweise kirchlicherseits noch nicht offiziell anerkannte) Marienerscheinungen und sonstige Privatoffenbarungen, wundertätige Medaillen und quietschbunte Andachtsbildchen. Veranstaltungen, die auf diese Klientel zugeschnitten sind, stelle ich mir in etwa vor wie Fatima-Sühnenacht plus Zungenrede, Ausdruckstanz und Heilungsgebet"

Und ich muss sagen, abzüglich einer gewissen satirisch-polemischen Überzeichnung trifft das den Charakter der Veranstaltung vom vergangenen Samstag tatsächlich ganz gut. – Damit das jetzt aber nicht allzu einseitig negativ 'rüberkommt, möchte ich betonen, dass ich in demselben Blogartikel, aus dem mein obiges Selbstzitat ursprünglich stammt, auch die Überzeugung geäußert habe, dass die Kirche sowohl die Charismatische als auch die Traditionalistische Bewegung braucht und dass diese auch einander brauchen. Das gilt unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" mehr denn je. Sicherlich gibt es in allen möglichen Schattierungen, Strömungen, Bewegungen und Gruppierungen des glaubenstreuen Katholizismus Leute, die in unterschiedliche Richtungen übers Ziel hinausschießen, zuweilen wohl durchaus in einem Maße, das eine brüderliche Ermahnung angemessen bis notwendig erscheinen lässt, aber das ändert erst einmal nichts daran, dass sie grundsätzlich auf der richtigen Seite stehen

Und um's mal in aller Deutlichkeit zu sagen, auch und nicht zuletzt als Ermahnung an mich selbst: Wir müssen mal wegkommen von diesen geschmäcklerischen Urteilen. Wie ich immer wieder gern betone, ist das vermeintliche erz- und dunkelkatholische "Lager" in Wirklichkeit eher ein Spektrum, innerhalb dessen eine weit größere Diversität herrscht als auf der Gegenseite, so sehr sich diese auch – theoretisch! – zu "Vielfalt" und "Buntheit" bekennen mag; zu diesem Thema habe ich schon mal einen ganzen Artikel geschrieben und kann mir daher wohl sparen, hier alles, was ich dort schon gesagt habe, zu wiederholen; sehr wohl wiederholen möchte ich jedoch das Schlussplädoyer jenes Artikels: 

"Es wäre für die Gegenwart und Zukunft der Kirche viel gewonnen, wenn die verschiedenen Gruppen glaubenstreuer Katholiken lernten, ihre Unterschiede untereinander als eine Chance, ein Geschenk und eine Stärke zu begreifen. und ich denke, wir sollten lernen, diese Vielfalt als eine Stärke und als etwas Wertvolles zu betrachten." 

Nun aber zurück zum vergangenen Samstag: Ich verzichtete auf den Versuch, einen Platz im Innern der Kirche zu ergattern, und verfolgte auch die Live-Übertragung des gut eineinhalb Stunden dauernden Pontifikalamts auf dem Bildschirm im Hof nicht durchgehend, blieb aber in der Nähe und wartete auf den Beginn der Prozession. Dabei schnappte ich auf, dass diese nun doch nicht, wie im Vorfeld angekündigt, zum Brandenburger Tor, sondern "nur" bis zum Checkpoint Charlie führen sollte. Ob diese Information zutraf, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, da ich mich – da greife ich mir jetzt mal vor – an der Ecke Leipziger Straße/Wilhelmstraße ausklinkte, um nach Hause zu fahren. – Was sich ebenfalls schon vor Beginn der Prozession abzeichnete, war, dass der größte Widerstand gegen die Veranstaltung weder von radikalen Muslimen noch von säkularistischen Linken ausging, sondern von Radfahrern, die die versammelten Gläubigen in erster Linie als ein massives Verkehrshindernis wahrnahmen. Schon während sich an der Hofeinfahrt zur St.-Clemens-Kirche mehr und mehr Menschen sammelten und den Beginn der Prozession erwarteten, mussten zwei Polizeibeamte (m/w) mehrere vorbeifahrende Radfahrer ermahnen, langsamer zu fahren; als ein Radfahrer zurückmeckerte "Aber Sie müssen auch den Radweg freihalten!", entgegnete der eine Polizist unwirsch "Nein, das müssen wir nicht." 






Die Prozession zog zunächst die Stresemannstraße entlang zum Potsdamer Platz und dann weiter durch die Leipziger Straße, vorbei an mehreren Bundesministerien und am Bundesrat, und dabei wurde in verschiedenen Sprachen – lateinisch, deutsch, kroatisch, spanisch, arabisch... – der Rosenkranz gebetet. Ich kann übrigens keine Angaben zur Teilnehmerzahl machen, da ich notorisch schlecht im Schätzen von Menschenmengen bin, aber eine imposante Erscheinung bot der Prozessionszug allemal. 







– Ich denke, die Bilder sprechen so ziemlich für sich. Zusammenfassend gesagt war ich am Ende doch ganz froh, bei dieser Veranstaltung gewesen zu sein, auch wenn ich es ein bisschen bedauerte, dass meine Familie nicht mitgekommen war; gerade für meine Kinder wäre die Prozession bestimmt ein spannendes Erlebnis gewesen (es waren durchaus auch andere Kinder da). Andererseits muss man einräumen, dass die Wartezeit auf den Beginn der Prozession den Kindern wohl doch arg lang geworden wäre, und so war es am Ende womöglich doch die richtige Entscheidung gewesen, dass sie zu Hause blieben, ein Bad mit Überraschungsbadekugeln nahmen und Paw Patrol guckten. 

Heil'ge Hedwig, die Mikrofonanlage geht nich' 

Wie oben schon erwähnt, ging ich am Mittwoch wieder einmal mit dem Jüngsten in St. Marien Maternitas in Heiligensee zur Messe; es war der Gedenktag der Hl. Hedwig, und dieser hat im Erzbistum Berlin den Rang eines Fests. Ich würde nun gern behaupten, als jemand, der väterlicherseits aus einer Familie schlesischer Heimatvertriebener stammt und es wesentlich dieser Tatsache verdankt, inmitten einer seit Jahrhunderten evangelisch geprägten Gegend katholisch erzogen worden zu sein, hätte ich mir dieses Fest der Patronin Schlesiens nicht entgehen lassen wollen, aber die Wahrheit ist, ich hatte das gar nicht auf dem Schirm und war nur deshalb mit meinem Sohn in der Messe, weil es eben Mittwoch war. – Der Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd zelebrierte die Messe persönlich, aber noch bevor es losging, erzeugte die Mikrofonanlage im Altarraum eine lautstarke, heftigen Ohrenschmerz auslösende Rückkopplung; und es ist einigermaßen charakteristisch für diesen Pfarrer, dass er dieser technischen Störung gefühlt die Hälfte (in Wirklichkeit "nur" rund ein Drittel) seiner Begrüßungsansprache widmete. (Eine Freundin, die, wie ich vermute, in diesem Zusammenhang wohl gern ungenannt bleiben möchte, merkte nach ihrer ersten Begegnung mit diesem Geistlichen an, auf sie wirke er eher wie ein Hausmeister, und ich fand das ungemein treffend.) "Das eine Mikrofon lässt sich nicht aufladen, das andere ist verschwunden", teilte er der Gemeinde mit; "ich weiß nicht, was hier immer in der Sakristei los ist, wer sich hier irgendwie bemüßigt fühlt, hier irgendwie so etwas zu machen, von dem kein anderer was weiß, also... Wir haben ja extra mal die Schlüssel reduziert, aber jetzt kommt natürlich wieder dieser und jener und [sagt] 'Ich brauch auch nen Schlüssel'... Keine Ahnung, was da passiert." Dies alles als Bestandteil der Liturgie, wohlgemerkt; das muss man erst mal bringen. 

Auf andere (allerdings, wenn man es recht bedenkt, gar nicht mal so sehr andere) Weise nicht minder bezeichnend für das Selbst- und Amtsverständnis des Pfarrers fand ich dem zweiten Teil seines Begrüßungsimpulses; der drehte sich nämlich um den neuen Zweckverband der katholischen Kindertagesstätten im Erzbistum Berlin, der sich "Hedi-Kitas" nennt. Man habe, so führte der Pfarrer aus "festgestellt, dass es inzwischen so viele Anforderungen gibt, die die Kirchenvorstände – auch jetzt der großen Pfarreien in reduzierter Zahl – gar nicht mehr bewältigen können, und hat einen Zweckverband gegründet und hat dann überlegt: Welchen Namen gibt man dem im Erzbistum Berlin? Und dann kam jemand auf die Idee, den Namen Hedwig zu nennen, aber 'Hedwig' wird ja in der Kindersprache zu 'Hedi' werden, also hat man dem Zweckverband für unsere Kindertagesstätten 'Hedi-Kitas' genannt. Also auch da findet sie sich wieder." Mehr oder Anderes wusste er über die Tagesheilige nicht zu sagen bzw. hatte schlichtweg keine Lust dazu: "Dass sie ansonsten Patronin unserer Kathedrale ist und so, dass sie Patronin des Landes Schlesien ist, wo sie [...] als bayerische Adlige hinverheiratet worden ist, und dass sie dort aber als gute Herrscherin sehr für die Menschen gesorgt hat, Klöster gegründet hat und so, ich glaube, dass muss ich hier jetzt auch den Anwesenden nicht allzu ausführlich erzählen." Na dann. 

Im nächsten Moment schien dem Pfarrer aber einzufallen, dass die Hl. Hedwig als Herzogin von Schlesien ja irgendwie auch Politikerin gewesen war, weshalb er in der Überleitung zum Kyrie anregte, "vielleicht auch für die" zu beten, "die uns heute regieren, dass die mit Menschenfreundlichkeit und Maß, mit der entsprechenden Einstellung für die Menschen da sind und dass der Einsatz der Regierenden durchaus auch anerkannt und wertgeschätzt wird." 

Die Fürbitten waren einem einschlägigen Fürbittbuch für Heiligengedenktage – ich glaube, von Schott – entnommen und in Inhalt und Tonfall untadelig; aber der Pfarrer musste partout noch eine Fürbitte "für das Wirken des neuen Kita-Zweckverbandes, der sich auch unter das Patronat der heiligen Hedwig gestellt hat" hinzufügen. – In den Interzessionen des Hochgebets, an der Stelle, wo es um die Einheit mit dem Papst, den Bischöfen usw. geht, wandelt der Pfarrer von St. Klara die Formulierung "alle, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind", gern ab zu "alle Frauen und Männer, die sich in der Kirche engagieren" oder "die in der Kirche mitarbeiten", was ja schon eine gewisse Akzentverschiebung anzeigt; diesmal fügte er noch hinzu "und in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen"

Bei der Überleitung zum Vaterunser merkte der Pfarrer an: "Hedwig hat ja, was eher ungewöhnlich war, dann ganz bewusst auch Polnisch gelernt, damit sie sich mit ihrem Volk auch verständigen konnte. Wenn ich jetzt so in die Runde blicke – ich glaube, wenn ich jetzt hier das Vaterunser auf Polnisch anstimme, dann können hier nicht so viele mitbeten. In St. Marien Reinickendorf sieht das zum Beispiel wieder ganz anders aus." An dieser Stelle wurde in den Bankreihen deutlicher Unmut hörbar, und einer der alten Herren fing kurzerhand schon mal an, das Vaterunser zu beten, anstatt darauf zu warten, dass der Pfarrer mit seinen Döntjes fertig wird; das hätte ich mich ja nicht getraut... Kurz darauf, bei der Überleitung zum Friedensgruß, betonte der Pfarrer noch: "Hedwig hat für sozialen Frieden in ihrem Land gesorgt, so würde man das heute nennen." – Warum dokumentiere ich das alles so akribisch? Jeweils für sich gesehen sind das wohl alles nur Kleinigkeiten, aber wenn man mal diejenigen Einlassungen beiseite lässt, die sich schlicht auf Eitelkeit und unangemessene Redseligkeit zurückführen lassen, ergibt sich doch ein recht stimmiges Gesamtbild: nämlich das eines Pfarrers, der sehr stark auf die institutionelle Gestalt der Kirche und auf ihre Funktion für die Gesellschaft fixiert ist. Eines Priesters, der eine Zivilreligion verkündet, deren wesentliche Aufgabe darin besteht, die Gläubigen zu besseren Staatsbürgern und nützlicheren Gliedern der Gesellschaft zu erziehen. Wenn das nun nur einen einzelnen Pfarrer in Berlin-Reinickendorf beträfe, wäre es vielleicht kaum der Rede wert, aber ich sehe darin eine Tendenz, die sich in der katholischen Kirche in Deutschland mindestens mindestens seit den 1960er Jahren beobachten lässt und die wahrscheinlich mehr zum "Schmutzigen Schisma" beigetragen hat als irgendwelche Fragen von Sexualität. 

Ein Thema für sich war übrigens die musikalische Gestaltung der Messe. Mir war schon ein paarmal aufgefallen, dass die Neigung des Pfarrers, die Gemeinde, die sich mittwochs morgens in Heiligensee zur Messe versammelt, unbekannte oder ungewohnte Lieder singen zu lassen, ihm von einigen Gemeindemitgliedern recht übel genommen wird. Man muss davon ausgehen, dass ihm das bewusst ist und es ihm eine gewisse Befriedigung verschafft, diesen Ärger weiter zu schüren. In der Messe zum Fest der Hl. Hedwig wählte er als Einzugslied die Nr. 868 aus dem Regionalteil des Gotteslobs, "Jetzt, Christen, stimmet an"; und nachdem er die erste Strophe praktisch allein hatte singen müssen, sang er auf dieselbe Melodie die Verse "Ich weiß, ihr kennt das kaum, / drum singen wir's nochmal". Anschließend ließ er die Gemeinde ungerührt alle acht Strophen des Liedes singen. Es gibt im Regionalteil des Gotteslobs noch zwei weitere Lieder zu Ehren der Hl. Hedwig, von denen mindestens eines – Nr. 869, "Gott, der Herr, sei hoch gepriesen" –, für die Gemeinde zweifellos eingängiger gewesen wäre, da es auf die Melodie von "Alles meinem Gott zu ehren" gesungen wird; das wurde dann zum Auszug gesungen, und zwar ebenfalls alle sechs Strophen. Dazwischen übertrug der Pfarrer gönnerhaft einem musikalisch beschlagenen Gemeindemitglied die Aufgabe, ein Lied zum Sanctus auszuwählen – "aus dem reichhaltigen Repertoire unserer Sanctuslieder, da wird bestimmt wieder was Bekanntes dabei sein." Ich muss schon sagen, der Mann hat ein bemerkenswertes Talent, sich Feinde zu machen. 


Neues aus Synodalien: Things Ansgar Never Said 

Dass die Social-Media-Arbeit der deutschen Diözesen im Allgemeinen nicht gerade ein Ruhmesblatt ist, ist an sich ein ziemlich alter Hut; langjährige Leser dieses Blogs werden sich wohl noch an die Fehde erinnern, die ich ungefähr von 2015-18 gegen die Facebook-Redaktion des Bistums Münster ausgefochten habe. Die Fairness gebietet allerdings, darauf hinzuweisen, dass die Münsteraner noch nicht unbedingt die Schlimmsten sind, jedenfalls nicht immer. Kaum verwunderlich ist es wohl auch, dass sich dieses Problem unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" verschärft hat. In Zeiten, in denen ein Portal, das schon in seinem Namen den Anspruch erhebt, die quasi-offizielle Internetpräsenz der katholischen Kirche in Deutschland zu sein, und vom Verband der Diözesen Deutschlands finanziert wird, tagtäglich gegen die Lehre und die Hierarchie der Kirche hetzt, kann man ja schon erleichtert bis dankbar sein, wenn ein Großteil der Social-Media-Arbeit der einzelnen Bistümer in die Kategorie "doof, aber harmlos" fällt. 

Ein Beitragsformat, auf das diese Einordnung in der Vergangenheit meist zutraf, ist die vom Social-Media-Team des Erzbistums Hamburg verantwortete Reihe #Ansgarwort. Jeden Mittwoch, oder so ungefähr, werden unter diesem Hashtag "geistliche Impulse" auf Kalenderspruch- bzw. Glückskeksniveau gepostet; möglicherweise basierten diese Weisheiten irgendwann in der Anfangszeit dieses Formats tatsächlich mal auf überlieferten Aussprüchen des Hl. Ansgar, des Hamburger Bistumspatrons, aber meistens hatte ich den Eindruck, der passendere Hashtag für diese Beitragsserie wäre #ThingsAnsgarNeverSaid. Einmal, Ende Februar, lautete das angebliche #Ansgarwort sogar "Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag; danke, dass ich all meine Sorgen auf Dich werfen mag", und woher diese Verse tatsächlich stammen, wissen wir ja. Nicht mehr so harmlos fand ich indes das #Ansgarwort vom vergangenen Mittwoch

"Herr, ermögliche uns mit dem Wandel der Zeit zu gehen und Neuheiten offen gegenüberzustehen." 

Die Art und Weise, wie hier ein höchst problematisches kirchenpolitisches Statement als "Geistlicher Impuls" eingekleidet, ja geradezu als Gebet formuliert wird, erinnert schon sehr an die hier erst unlängst angesprochene Unsitte der "Herr, lass uns"-Fürbitten; das dann aber auch noch einem großen Heiligen in den Mund zu legen, ist erst recht eine Unverschämtheit. 

Die ersten Publikumskommentare zu diesem Beitrag waren allerdings durchweg positiv; als sich dann doch Kritik regte, reagierte die Redaktion mit der Behauptung "Dieser Impuls geht auf unseren Bistumspatron, den Heiligen Ansgar zurück". Nun kann "zurückgehen auf" natürlich alles Mögliche und Unmögliche heißen, aber trotzdem hätte die Redaktion besser darauf gefasst sein sollen, dass diese Behauptung einen ganzen Chor von Nachfragen bezüglich einer Quellenangabe nach sich zog. Tatsächlich war man darauf jedoch offenbar nicht gefasst gewesen; es dauerte bis zum nächsten Tag, ehe eine Antwort erfolgte, und diese lautete, das Zitat stamme "aus dem Buch 'Die "Pigmenta" des heiligen Ansgar: Gebete der frühen Kirche im heidnischen Norden'". Dass ein Missionar und Bischof im 9. Jh. derart "heutig" anmutende Gedanken formuliert haben sollte, strapazierte die Glaubwürdigkeit natürlich arg; und siehe da, zwei Stunden später erschien eine Richtigstellung. "Wir haben es nochmal in Ruhe geprüft und müssen korrigieren: Es ist wohl bei der Digitalisierung unserer Impulse etwas durcheinander geraten. Das tut uns leid. Das Zitat 'Herr, ermögliche uns mit dem Wandel der Zeit zu gehen und Neuheiten offen gegenüberzustehen' wird Papst Johannes XXIII. zugeschrieben, der das Zweite Vatikanische Konzil einberufen hat." Zugeschrieben, wohlgemerkt; was abermals heißt: Eine verlässliche Quelle gibt es nicht. Das wurde auf beharrliche Nachfrage auch eingeräumt, jedoch mit der Behauptung gerechtfertigt, es könne "wohl niemand abstreiten", dass "dieser Satz voll und ganz im Geiste dieses Papstes steht" – wozu mir prompt ein Zitat aus Lessings 17. Literaturbrief einfällt: "Ich bin dieser Niemand, ich leugne es geradezu." In Hamburg meint man, der in Frage stehende Satz spiegele die "Haltung und Vision" des Hl. Johannes XXIII. wider, "die Kirche für neue Herausforderungen und Veränderungen in der modernen Welt zu öffnen. Johannes XXIII. war bekannt für seine Offenheit und den Wunsch nach Erneuerung innerhalb der Kirche, was sich in seiner Initiierung des Konzils ausdrückte, das tiefgreifende Reformen und eine neue Haltung gegenüber der Welt anstrebte." Ich sag mal so: Wenn ein Zehntklässler ein Referat über das Zweite Vatikanische Konzil halten sollte und das käme dabei heraus, fände ich das akzeptabel. Dass die Erzbistums-Mitarbeiter sich in einem anderen Strang der Kommentardiskussion auf Lumen Gentium 4 ("Die Kirche muss daher die Zeichen der Zeit erkennen und sie im Licht des Evangeliums deuten, um so auf die beständigen Fragen der Menschheit, die sich in immer neuen Zusammenhängen stellen, Antworten geben zu können") berufen und dabei offenkundig nicht kapieren, dass dieses Zitat mitnichten dasselbe aussagt wie das angebliche #Ansgarwort im Ausgangsposting, wäre meiner Auffassung nach ein Grund, sie in der MSA-Prüfung im Fach Deutsch durchfallen zu lassen. – Damit nicht genug: Einem Kommentator, der die im ursprünglichen Post zum Ausdruck kommende Anbiederung an den Zeitgeist mit dem Satz "Wer mit der Zeit geht, geht mit der Zeit" kritisierte, schmierten sie aufs Brot, richtig müsse es "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit" heißen, und dieser Ausspruch stamme von Friedrich Schiller. Nun gibt es, wie ich festgestellt habe, tatsächlich zahlreiche Internetseiten, die Schiller als Urheber dieses Satzes angeben, aber keinen einzigen Hinweis darauf, wo in Schillers Werken er zu finden sein soll. Aber wie schon Abraham Lincoln sagte, das Problem mit Zitaten im Internet ist, dass ihre Authentizität schwer zu überprüfen ist, und bekanntlich sind 83% aller Statistiken frei erfunden. Alles in allem wird hier wieder einmal deutlich, dass – gegenteiligen Beteuerungen zum Trotzjournalistische Kompetenz offenbar kein Kriterium für eine Beschäftigung im Bereich der kirchlichen Medienarbeit ist. 

Immerhin hat mich diese ganze Angelegenheit dazu motiviert, einen Gedanken auszuformulieren, der mir im Zusammenhang mit der Frage, ob die Kirche "mit der Zeit gehen" müsse oder solle oder dürfe, schon länger im Hinterkopf herumgeht; und dem Facebook-Team des Erzbistums Hamburg schrieb ich diesen Gedanken in den folgenden Worten ins Kommentarfeld: 

"Ich möchte mich dem Thema mal aus einem Blickwinkel nähern, der vielleicht etwas abseitig erscheint, mit dem Ihr als Hamburger aber vielleicht etwas anfangen könnt. In meiner theaterwissenschaftlichen Magisterarbeit habe ich mich ausgiebig mit Nazi-Propaganda befasst, und zwar konkret – klingt komisch, is' aber so – mit Nazi-Propaganda im plattdeutschen Mundarttheater. Da lässt sich als sehr auffälliges Leitmotiv beobachten, dass der Nationalsozialismus sich als fortschrittlich und zukunftsorientiert darstellt, und die Negativfiguren in diesen Theaterstücken sind immer die, die sich weigern, 'mit dem Wandel der Zeit zu gehen und Neuheiten offen gegenüberzustehen'. --- Damals hat die katholische Kirche (vielleicht nicht immer und überall und vielleicht auch nicht in dem Maße, wie man sich das aus der sicheren historischen Distanz des Menschen von heute wünschen würde, aber im Großen und Ganzen doch) dem (Un-)Geist der Zeit widerstanden. Diese Haltung vermisse ich heute sehr." 

Auf eine Reaktion darauf habe ich bisher vergeblich gewartet, daher stelle ich diese Äußerung einfach mal hier zur Debatte... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Wer Jesus als Freund und hochherzigen Führer an seiner Seite hat, kann alles tragen; denn Jesus hilft uns und gibt uns Kraft. Er lässt keinen im Stich und ist ein wahrer und aufrichtiger Freund. Ich sehe deutlich: Wenn wir Gott gefallen und große Gnaden von ihm empfangen möchten, muss uns nach seinem Willen die Hand der heiligen Menschheit des Sohnes helfen, an dem seine göttliche Herrlichkeit Gefallen findet, wie er selbst gesagt hat. Sehr oft habe ich die Erfahrung gemacht, und der Herr hat es mir selbst gesagt – ja ich möchte behaupten, ich habe es mit eigenen Augen gesehen -, dass wir durch diese Tür eintreten müssen, wenn wir wollen, dass die höchste Majestät uns Geheimes und Verborgenes offenbaren soll. Hier ist unser Herr, von dem und durch den uns alles Gute kommt. Er wird uns lehren. Auf sein Leben müssen wir schauen; denn ein besseres und vollkommeneres Vorbild für die Nachfolge werden wir nicht finden.

Was wollen wir mehr als einen treuen Freund an unserer Seite, der uns in Mühsal und Not nicht verlässt, wie es weltliche Freunde tun? Wohl dem, der ihn wirklich und aufrichtig liebt und ihn immer neben sich hat! 

(Teresa von Ávila, Über das Buch des Lebens) 


Ohrwurm der Woche 

Herbert Grönemeyer: Mensch 


Ja, da werden jetzt einige heftig mit den Augen rollen. Mir ist bewusst, dass viele Leute Grönemeyer nicht leiden können – sei es, dass er ihnen als Typ einfach unsympathisch ist, dass sie ihm die Art und Weise verargen, wie er sich als Person des öffentlichen Lebens dazu berufen fühlt, zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung zu nehmen, oder dass sie wirklich genuin seine Musik nicht mögen; oft geht das wohl irgendwie ineinander über und man weiß nicht so genau, was davon zuerst da war –, und es ist auch durchaus nicht so, dass ich diese Abneigung nicht verstehen könnte. Aber einerseits nutze ich die Rubrik "Ohrwurm der Woche" ja manchmal ganz gern dazu, meine Zielgruppe zu provozieren, und zum anderen lief dieses Lied letzten Samstag beim Gorkistraßenfest, und nachdem ich es jahrelang nicht (oder zumindest nicht bewusst) gehört hatte, war ich tatsächlich überrascht, wie gut ich es finde. Also ernsthaft, unironisch gut. Nicht nur, aber auch dank Textstellen wie "Und der Mensch heißt Mensch / Weil er irrt und weil er kämpft / Und weil er hofft und liebt / Weil er mitfühlt und vergibt". Weil, #isso