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Samstag, 29. Juni 2024

Creative Minority Report Nr. 36

Mich brennt's in meinen Reiseschuh'n, Leser! – Es mag zum Teil am Wetter liegen, dass es mich zur Zeit nur schwer in meinen vier Wänden (oder überhaupt zwischen irgendwelchen Wänden) hält; aber sicherlich liegt es nicht nur daran. Als ich meinem Tochterkind unlängst den Hobbit als Bettlektüre vorlas – darauf wird selbstverständlich in der Sommerausgabe der Artikelreihe "Vorlesestoff fürs Tochterkind" zurückzukommen sein –, verspürte ich schon so ein gewisses Zucken von Wanderlust; und dann war ich letzten Sonntag am Potsdamer Platz und sah diesen bemalten Stromkasten: 

Ich hätte am liebsten sofort meinen Rucksack gepackt und wäre losgepilgert, kein Witz. Ein paar Tage später versuchte mich dann auch noch dieses Plakat auf den Jakobsweg zu locken: 

Zufall? Schwer zu sagen! – Nun, bis zu den Sommerferien sind es noch ein paar Wochen, und dann noch ein paar mehr, bis wir verreisen – aber das wird wieder einmal eher der Camino de Willehado als jener nach Santiago. Für den Jakobsweg müssen die Kinder wohl noch ein paar Jahre älter werden. Aber dann nehme ich sie mit! 

– Nach dieser Einstimmung sei gesagt, dass das vorliegende Wochenbriefing – nachdem die beiden vorigen Ausgaben des Creative Minority Report ja thematisch etwas breiter und damit tendenziell untypischer aufgestellt waren – wieder einen klaren Schwerpunkt in Sachen Basisarbeit und Familienpastoral hat; oder, wenn man so will, zwei solche Schwerpunkte, nämlich zum einen die Wichtelgruppe und zum anderen den Schwarzen Gürtel in KiWoGo. Und damit genug der Vorrede! 


Was bisher geschah 

Am vergangenen Samstag waren wir vom Nachmittag bis zum frühen Abend beim Geburtstagspicknick einer Künstlerfreundin, mit der ich in den Nuller und Zehner Jahren bei einer Vielzahl von Bühnenprogrammen, Kurzfilmen und Hörspielen zusammengearbeitet habe; die Party war sehr schön, auch den Kindern gefiel es dort ausgezeichnet, vielleicht komme ich an anderer Stelle noch ausführlicher darauf zurück, mal sehen. – Am Sonntag gingen wir vormittags zu einem Kinderkonzert im Kammermusiksaal der Philharmonie: Die Deutsch-Skandinavische Jugend-Philharmonie spielte "Peer Gynt". Stell dir vor, es gibt Grieg, und keiner geht hin. Nee, blöder Witz, das Konzert war gut besucht – und mir gefiel es noch erheblich besser als das rbb-Kinderkonzert am Sonntag zuvor. Was die musikalische Darbietung angeht, macht so ein Kammerorchester nun mal einfach mehr Eindruck als ein fünfköpfiges Bläserensemble, und in Hinblick auf die erzählerische Gestaltung war's erst recht eine ganz andere Liga als der "Sommernachtstraum" im "Haus des Rundfunks". Im Anschluss an das Konzert durften die Kinder im Foyer noch verschiedene Orchesterinstrumente ausprobieren, unter fachkundiger Anleitung, versteht sich. 

Die Frage, wo und wann wir an diesem Sonntag in die Kirche gehen sollten, hatten wir dann übrigens doch zugunsten der Abendmesse in Herz Jesu Tegel entschieden. Zelebriert wurde diese Messe, wie ich vorsorglich dem Wochenplan entnommen hatte, von "Pater Brody", und was die Gemeinde angeht: Die einzige Person, die erkennbar von unserem Auftauchen in der Kirche Notiz nahm, war eine alte Dame philippinischer Herkunft, die uns immer gern gemocht hatte und sich folgerichtig über das Wiedersehen freute. Unser Jüngster schlief ziemlich bald nach Beginn der Messe an Mamis Brust ein, die Große war in etwas quengeliger Stimmung und nicht so recht bei der Sache, aber das hielt sich – gemessen daran, dass die Kinder abends eigentlich immer schwerer zu bändigen sind als morgens, was wohl auch nicht besonders verwunderlich ist – noch in erträglichen Grenzen. Meine Liebste, die jahrelang keinen Fuß in dieses Gotteshaus gesetzt hatte, meinte hinterher, sie könne über diesen Gottesdienstbesuch nichts Negatives sagen. Das würde ich selbst auch gern behaupten, aber ich muss doch etwas zum Orgelvorspiel anmerken: Dieses begann nämlich mit der Melodie von "Eine Seefahrt, die ist lustig", ehe es allmählich zum Einzugslied "Wer unterm Schutz des Höchsten steht" (GL 423) hinübermodulierte. Ist denn schon wieder Karneval?, dachte ich etwas indigniert. Tatsächlich hatte nicht etwa der Organist, sondern der Zelebrant selbst die Idee zu dieser Ouvertüre gehabt; was das sollte, erläuterte er in der Predigt: Im Rahmen des Ehrenamtsdanks der Pfarrei hatte es am selben Tag eine Dampferfahrt auf dem Tegeler See für engagierte Gemeindemitglieder gegeben, und das, so meinte Pater Brody, passe ja auch gut zum Evangelium vom Tag – Markus 4,35-41, Jesus stillt den Sturm auf dem See Genezareth. – Was es über die Predigt in dieser Messe sonst noch zu sagen gibt, folgt unter der Rubrik "Predigtnotizen"

Am Montag, dem Hochfest der Geburt Johannes des Täufers (noch ein halbes Jahr bis Weihnachten!) fiel der sonst übliche "Omatag" aus, weil meine Schwiegermütter verreist waren; wie schon angedacht, nutzte ich dies als Gelegenheit, mal wieder mit dem Jüngsten einen Regionalbahn-Ausflug ins Umland zu unternehmen – und ich darf wohl sagen, dass dies der bislang spannendste Ausflug dieser Art war: Unser Ziel war diesmal Märkisch Wilmersdorf, ein Ortsteil von Trebbin im Landkreis Teltow-Fläming, wo der Verein Achor e.V. auf einem denkmalgeschützten Dreiseitenhof eine Begegnungsstätte und einen sogenannten Ort kirchlichen Lebens betreibt. Ein sehr inspirierender Besuch – so inspirierend, dass ich dazu einen eigenständigen Artikel verfasst habe, der bereits gestern auf Patreon veröffentlicht worden ist, mit der üblichen Verzögerung aber auch hier erscheinen soll. 

Am Dienstag fand das Vorbereitungstreffen für den anstehenden Kinderwortgottesdienst statt, das ich unter der Rubrik "Schwarzer Gürtel in KiWoGo" zu schildern gedenke. Am Mittwoch gelang es mir mit einiger Mühe, die Kinder früh genug wach zu kriegen, um rechtzeitig zum üblichen Mittwochsprogramm aufzubrechen. Die Messe in St. Marien Maternitas hielt der leitende Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd; zum Einzug ließ er "Wohl denen, die da wandeln" (GL 543) singen und erzählte anschließend erst mal ein paar Witze. Genauer gesagt handelte es sich um scherzhafte Bemerkungen zu den Titeln populärer Gemeindelieder: So gelte "Sag ja zu mir, wenn alles nein sagt" unter pastoralen Mitarbeitern als "das Lied der Gemeindereferentinnen" – "wenn die mal wieder jemanden suchen, der einen ehrenamtlichen Dienst in der Gemeinde übernehmen sollen"; das "Lied der Priester" sei hingegen eben das zuvor gesungene "Wohl denen, die da wandeln". – "Und das" – nämlich wandeln – "mache ich jetzt seit 31 Jahren", fügte der Pfarrer hinzu. Was sich hinter dieser Andeutung verbarg, war der Umstand, dass der Pfarrer an diesem Tag sein 31jähriges Primizjubiläum feierte; und dass das eine reichlich krumme Jahreszahl war, hielt ihn nicht davon ab, beim Gemeindefrühstück nach der Messe eine Runde Sekt zu spendieren. – Wohl wegen dieses Jubiläums waren auch zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen des Gemeindeteils St. Joseph Tegel anwesend, die man normalerweise nicht in der Werktagsmesse in Heiligensee antrifft: die schon mehrfach erwähnte pensionierte Gemeindereferentin und die Blumenfrau, die mein Jüngster und ich in letzter Zeit ein paarmal getroffen haben. Die Letztere saß in der Messe hinter uns, und unter anderem deshalb fand ich es recht lustig, dass mein Jüngster, als er beim Blättern im in den Kirchenbänken ausgelegten Pfarrbrief ein Foto der Kirche St. Joseph entdeckte, laut und freudig ausrief: "Da gehen wir doch immer beten mit Musik!" 

Das taten wir diese Woche übrigens auch wieder, allerdings kamen wir erst am Donnerstag nach dem Mittagsschlaf des Knaben dazu und mussten die Andacht etwas kürzer halten, da wir direkt im Anschluss die Große von der Schule abholen mussten. Am Freitag waren wir dann wieder bei der Eltern-Kind-Gruppe in der Gemeinde auf dem Weg – bzw. "auf dem Rumpelberg", wie der Jüngste mit Vorliebe sagt. Irgendwann werde ich über diese Gruppe mal mehr und Genaueres schreiben müssen; aber nicht diese Woche... 


Was ansteht 

Heute ist das Hochfest Peter und Paul, gleichzeitig aber auch Baumfest in Panketal; und wenn alles läuft wie geplant, sind wir gerade dort, wenn dieser Artikel online geht. Ob wir im Anschluss noch zum Community Dinner im Baumhaus fahren, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Morgen, am 13. Sonntag im Jahreskreis, findet dann in St. Joseph Siemensstadt der letzte Kinderwortgottesdienst der Saison statt, und außerdem hat meine Liebste Geburtstag. Wozu ich anmerken möchte, dass auch sie sich über neue Abonnenten unserer gemeinsamen Patreon-Seite "Mittwochsklub" freuen würde – ab 5 Euro im Monat könnt Ihr dabei sein! 

Die erste Juliwoche ist – der volkstümlichen Weisheit zum Trotz, derzufolge "nach Peter und Paul [...] die Pfarrer faul" werden – im Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet gespickt mit liturgisch signifikanten Daten: Am 2. ist das Fest Mariä Heimsuchung, am 3. das Fest des Apostels Thomas und dann an jedem weiteren Tag der Woche mindestens ein (nicht-gebotener) Heiligengedenktag. Was an diesen Tagen sonst noch so los sein wird, ist größtenteils noch ungewiss; aber am Freitag, dem Gedenktag des Hl. Antonius Maria Zaccaria, feiert die Schule, an der unser Tochterkind demnächst das erste Schuljahr abgeschlossen haben wird, ein Schulfest, und am nächsten Samstag, dem Gedenktag der Hl. Maria Goretti, steht das letzte Wichtelgruppentreffen der Saison an – ein Umstand, der nun sehr passend dazu überleitet, dass ich ein paar Überlegungen dazu anstellen möchte, wie es nach den Sommerferien mit der Wichtelgruppe weitergehen kann und sollte. 

Symbolbild: Quo vadis, Wichtel?


Aus meinem Wichtelbuch 

Man könnte vielleicht der Meinung sein, für eine Bilanz der Wichtel-Saison sei es noch zu früh, da ja schließlich noch ein Termin für ein Gruppentreffen bevorsteht; ich denke jedoch, es liegt schon jetzt auf der Hand, dass es meinen Teamkolleginnen und mir im Laufe eines vollen Jahres nicht gelungen ist, die Wichtelgruppe richtig zum Laufen zu bringen. Nun wäre es möglicherweise eine naheliegende Konsequenz, zu sagen: Dann lassen wir's eben. Dass man sich Misserfolge erlauben und eingestehen soll, sich nicht an Projekten festklammern, die nicht funktionieren, sondern lieber etwas anderes machen, steht sogar in der Benedikt-Option. Dann wäre aber immer noch zu fragen, was dieses Andere denn sein sollte oder könnte (mal abgesehen von dem Projekt "Kinder-Lobpreis-Disco", für das ich allerdings keinen besonders großen Rückhalt in der Gemeinde sehe. Wobei das mit dem Rückhalt in der Gemeinde sowieso ein Problem ist, aber darauf komme ich noch). 

Fangen wir vielleicht zunächst damit an, warum es schade wäre, die Wichtelgruppe nach der Sommerpause nicht weiterzuführen. Und da muss ich ehrlicherweise erst einmal von meinem Eigeninteresse ausgehen und sagen: Es ist mir für meine eigenen Kinder wichtig, dass es ein regelmäßiges Freizeitangebot für sie gibt, das mit der Kirche verknüpft ist und inhaltlich auch einen gewissen Anteil Glaubensvermittlung umfasst. Nun könnte man sagen, für den letzteren Aspekt gehen wir ja einmal in der Woche zum JAM; aber da fehlt eben der Aspekt der Anbindung an die Kirche, bzw. es ist eben an eine andere Kirche angebunden. Ich halte es für unschwer einsichtig, dass es eine wichtige Funktion kirchlicher Kinder- und Jugendgruppen ist, den Kindern einen Kontakt zu Gleichaltrigen zu vermitteln, die auch in der Kirche sind. Wenn ein Kind die Erfahrung macht, dass unter seinen gleichaltrigen Freunden und Bekannten alle diejenigen, die überhaupt irgendwie religiös interessiert sind, einer anderen Glaubensrichtung angehören als die eigene Familie, kann das durchaus problematische Auswirkungen haben. 

Bis hierhin sind das natürlich alles lediglich Argumente dafür, überhaupt eine kirchliche Kindergruppe zu betreiben; das müsste nun nicht zwingend die Wichtelgruppe sein. Kommen wir also mal dazu, was das Spezifische an der Wichtelgruppe ist – und das lässt sich eigentlich ganz schlicht auf den Punkt bringen: Die Wichtelgruppe ist von ihrer Grundidee her darauf ausgerichtet, Kinder dafür zu interessieren und darauf vorzubereiten, später bei den Pfadfindern einzutreten (und zwar möglichst nicht bei den "woken" DPSG-Pfadfindern, aber lassen wir das vorerst mal beiseite – das ist ein Thema für sich). Und auch wenn ich – wie ich ja vor gut einem Jahr schon einmal ausgeführt habe – mit bestimmten einigermaßen paramilitärisch anmutenden Stilelementen des Pfadfinderwesens durchaus fremdle, finde ich doch die natur- und erlebnispädagogischen Aspekte der Pfadfinderarbeit ausgesprochen prima und kann mir gerade auch bei meinen eigenen Kindern sehr gut vorstellen, dass das etwas für sie wäre. In etwas mehr als einem Jahr wäre meine Tochter alt genug, um Wölfling zu werden, und sie hat auch Interesse daran; allerdings befürchte ich, dass dieses Interesse erlahmen könnte, wenn es nicht durch die Wichtelgruppe wachgehalten wird. 

Derweil muss man feststellen, dass die Pfadfinder – die verbandsunabhängigen Katholischen Pfadfinder Haselhorst nicht weniger als die DPSG-Stämme in den anderen Gemeindeteilen – auch Probleme haben, ihre Leute zu binden und zu halten. Auch da fallen mal Gruppentreffen mangels Beteiligung aus. Zum Teil wirkt sich da die Konkurrenz der Sportvereine aus, zum Teil haben die Pfadfinder, wenn sie im Teenageralter ankommen, auch einfach pubertätstypisch "kein' Bock mehr". Man hört auch immer wieder, dass es heute insgesamt, unabhängig von der inhaltlichen Gestaltung, schwierig sei, eine Kinder- oder Jugendgruppe aufzubauen und aufrecht zu erhalten, weil die Kinder und Jugendlichen die ganze Woche so eingespannt in schulische und außerschulische Aktivitäten sind, dass sie froh sind, auch mal nichts zu tun zu haben. 

Gleichwohl kann man natürlich sagen, die Nachwuchsprobleme der Pfadfinder sind gerade ein Argument dafür, dass die Wichtelgruppe eine wichtige Aufgabe hat: nämlich das Interesse an der Pfadfinderarbeit frühzeitig zu wecken und zu erhalten. In jedem Fall bleibt unter dem Strich festzuhalten: Wenn wir wollen, dass die Wichtelgruppe weiterläuft, müssen wir uns überlegen, was man dafür tun kann, dass sie in Zukunft besser läuft. – 

Dazu möchte ich zunächst keineswegs in Abrede stellen, dass ich selbst mehr dafür hätte tun können und sollen, dass die Gruppe besser läuft. Es wäre sicherlich ratsam gewesen, die einzelnen Gruppenstunden gründlicher vorzubereiten, stärker konzeptionell zu arbeiten, was mir doch eigentlich liegt. Und auch um die Werbung hätte ich mich wohl in einem größeren Maß persönlich kümmern sollen. Aber immerhin mache ich das Ganze nur ehrenamtlich und habe auch noch andere Dinge zu tun. Ich gebe zu, dass unter all den Dingen, die ich im Laufe des letzten Jahres so unternommen habe, die Wichtelgruppe nicht sehr weit oben auf meiner Prioritätenliste stand, aber das lag eben auch daran, dass die Gesamtsituation nicht sehr motivierend war. 

Das geht schon mit der Situation im Team los. Von der Papierform her war es ursprünglich eigentlich so gedacht, dass eine Teamkollegin, die ich daher gewohnheitsmäßig als "meine Co-Leiterin" zu bezeichnen pflege, und ich die Gruppe gleichrangig und gleichberechtigt leiten sollten; praktisch zeigte sich aber schnell, dass die eigentliche Leitungsverantwortung an mir allein hängen blieb (womit ich der Kollegin indes nicht das Verdienst schmälern will, dass sie inhaltlich immer wieder gute Impulse einbringt, Bastelmaterialien beschafft, sehr viel besser Gitarre spielen kann als ich und auch sehr schön singt). Ein eher inoffizielles Teammitglied ist meine Liebste; Aussichten auf weitere Verstärkung in der Leitung gab es im Laufe des zurückliegenden Jahres mehrmals, aber aus unterschiedlichen Gründen wurde da dann jeweils doch nichts draus, mit einer Ausnahme: Eine Mutter von drei Kindern, die auch im KiWoGo-Arbeitskreis mitmacht, kam mit ihrer jüngsten Tochter recht regelmäßig zur Wichtelgruppe und fing bald auch an, Leitungsaufgaben mitzuübernehmen. Diese Kollegin hat allerdings kürzlich angekündigt dafür in Zukunft nicht mehr zur Verfügung zu stehen – zum Teil aus Zeitgründen und wegen allzu vieler anderer, insbesondere familiärer Verpflichtungen, zum Teil aber auch infolge einer gewissen Unzufriedenheit damit, wie die Gruppe sich entwickelt bzw. nicht entwickelt. Beides kann ich ihr absolut nicht verübeln. 

Und dann wäre da der bereits angesprochene heikle Punkt des Rückhalts in der Gemeinde. Wie langjährige Leser wissen werden, bin ich ziemlich nachhaltig geprägt durch die Erfahrungen in der Tegeler Gemeinde, wo das höchste Maß an Unterstützung seitens der Pfarreileitung, das man erwarten durfte, darin bestand, kostenlos einen Raum für eine monatliche Veranstaltung zur Verfügung gestellt zu bekommen und ansonsten in Ruhe gelassen zu werden; teils unterschwellig,  teils bemerkenswert offen wurde meiner Liebsten und mir vermittelt, im Grunde müssten wir dankbar sein, dass die Pfarrei unser Engagement toleriert. Das ist, das kann man gar nicht deutlich genug betonen, in St. Joseph Siemensstadt/St. Stephanus Haselhorst entschieden anders; schon weil es hier einen Gemeindereferenten gibt, der unser Engagement aktiv fördert, aber das ist nicht der einzige Grund – ich würde auch das Klima in der Gemeinde insgesamt als deutlich "engagementfreundlicher" bezeichnen. Dennoch sehe ich da, gerade was die Wichtelgruppe angeht, noch deutlich Luft nach oben. Um's mal auf den Punkt zu bringen: Ich bin nicht gänzlich überzeugt davon, dass es den Verantwortlichen der Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus in der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland wirklich ein Herzensanliegen ist, eine Gruppe für Kinder im Vorschulalter zu haben (ob als Wichtelgruppe oder mit einem anderen Konzept); oder ob sie sich nicht vielleicht denken "Wir haben schließlich eine KiTa, was will man mehr?" und die Wichtelgruppe daher eher als eine Privatinitiative ansehen, die die beteiligten Eltern im Wesentlichen für sich selbst bzw. ihre Kinder betreiben. Man mag hier einwenden "Ja, aber faktisch ist sie doch genau das"; worauf ich erwidern möchte: Ja eben – und wenn man der Meinung ist, das sei richtig so und solle so sein, dann ist es auch kein Wunder, wenn nichts Anderes daraus wird. Zum Beispiel, weil dann nicht konsequent und gezielt dafür geworben wird. 

(Ganz allgemein gesprochen habe ich den Eindruck, es ist "bei Kirchens" ziemlich weit verbreitet, Gemeindekreise und -gruppen als etwas anzusehen, was die jeweiligen Aktiven im Wesentlichen für sich selber machen, oder zumindest wird erwartet, dass sie ihre Zielgruppe selbst mitbringen. Diese Einstellung betrachte ich als eine wesentliche Ursache dafür, dass Pfarrgemeinden nicht missionarisch sind.) 

Nun gut: Halten wir einstweilen fest, dass es mehr als genug Stoff zum Nachdenken darüber gibt, was man dafür tun kann, dass die Wichtelgruppe nach der Sommerpause einen neuen und besseren Anlauf hinkriegt. Ich schätze, anfangen sollte man damit, genauer ins Auge zu fassen, was für eine Zielgruppe wir erreichen wollen, und daraus dann Konsequenzen etwa in Hinblick darauf zu ziehen, wie wir für dieses Gruppenangebot werben und wie wir die Termine für die Gruppentreffen ansetzen (wie oft, wie lange, an welchem Wochentag und zu welcher Uhrzeit). Ein paar Einzelideen hätte ich dazu schon, aber ich denke, nachdem ich mich hier so lange in Grundsatzfragen vertieft habe, nehme ich die konkreten Handlungsperspektiven lieber mit in die nächste Woche. Je nachdem, ob das letzte Gruppentreffen der Saison stattfindet oder auch wieder ausfällt, gibt es dann vielleicht schon ein paar neue Impulse. 


Predigtnotizen 

Wie bereits erwähnt, war das Evangelium des vergangenen Sonntags die Stillung des Sturms auf dem See Genezareth (Mk 4,35-41); und "Pater Brody" legte besonderen Wert darauf, diese Perikope in den erzählerischen Kontext des Markusevangeliums einzuordnen. So sagt Jesus in V. 35 – nachdem Er zuvor am Ufer des Sees gepredigt und Gleichnisse erzählt hat – zu Seinen Jüngern: "Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren." Was aber befindet sich eigentlich am anderen Ufer? Pater Brody verriet es: die Dekapolis, ein Gebiet, das von Heiden bewohnt wird. (Nicht umsonst stoßen Jesus und die Jünger dort in Kap. 5 prompt auf eine Schweineherde; das wäre ihnen auf jüdischem Territorium wohl nicht passiert, schließlich sind Schweine für die Juden unreine Tiere.) Vor diesem Hintergrund setzte der Prediger die Angst der Jünger vor dem Sturm (im Kontrast zu Jesus, der so entspannt ist, dass er sogar im Sturm schläft) in Beziehung zu ihrer Furcht davor, sich durch den Kontakt mit den Heiden zu verunreinigen – was mit Blick auf die kultischen Reinheitsvorschriften im damaligen Judentum eine durchaus ernstzunehmende Befürchtung war. 

"Nun war Jesus, dem Juden, dieser Gedanke offensichtlich ganz egal. Er sagt: Wir gehen auf die andere Seite. Wir lassen das, was wir gewohnt sind und was wir 'immer so gemacht haben', hinter uns." 

Man kann zwar bemängeln, der manifeste Inhalt der Perikope – nämlich, dass Jesus einer ist, dem "sogar der Wind und das Meer gehorchen" (V. 41) – komme in dieser Auslegung ein bisschen kurz; gleichwohl ist schon etwas dran an der Feststellung, dass Jesus derjenige ist, der die Dinge anders macht, als die Leut' es gewohnt sind, und dasselbe auch von Seinen Jüngern erwartet (vgl. "Werft das Netz an der anderen Seite aus", Joh 21,6). Und das ist auch eine durchaus wichtige "Take-Home-Message", nicht zuletzt wegen des in vielen Pfarrgemeinden verbreiteten Hangs zu einer "Das haben wir schon immer so gemacht"-Haltung und zu Berührungsängsten gegenüber allem Ungewohnten. Indes wird das Narrativ vom "unkonventionellen" Jesus, der alles anders macht, sich über Regeln und Traditionen hinwegsetzt und damit bei den religiösen Autoritäten Seiner Zeit aneckt, von liberalen und progressiven Predigern gern dazu genutzt, Tradition und Autorität in der Kirche insgesamt ins Zwielicht zu rücken und letztlich, wenigstens unterschwellig, die gesamte überlieferte Glaubenslehre und -praxis der Kirche zur Disposition zu stellen. Und da wird's dann absurd. Jesus ist "nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen" (vgl. Mt 5,17); und Er hat die Vollmacht dazu, weil Er Gottes Sohn ist: "Der Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat" (Mk 2,28); Er kann sich über Regeln und Vorschriften, die dadurch, dass sie auf kleinliche Weise verabsolutiert werden, in Widerspruch zu ihrem eigentlichen Sinn und Zweck geraten sind, ebenso hinwegsetzen, wie Er übers Wasser gehen und den Sturm stillen kann. Das heißt aber nicht, dass jeder Hansel in der Kirche alles auf den Kopf stellen kann und darf, weil er sich von einem Geist dazu getrieben wähnt, der, wenn man genauer hinsieht, wohl eher nicht von Gott kommt. 

Man sieht, diese Predigt enthielt einige interessante Denkanstöße, die man in durchaus unterschiedlicher Weise weiterentwickeln könnte, je nachdem, ob man sie auf den Synodalen Weg beziehen oder aber die Frage "Was muss sich in der Kirche ändern?" eher im Sinne Mutter Teresas mit "Sie und ich!" beantworten möchte. Pater Brody indes machte weder in die eine noch in die andere Richtung sonderlich viel aus diesen Ansätzen, sondern ließ mehr oder weniger alles in der Schwebe. Letztendlich war dies eine jener Predigten, die als Tiger abspringen und dann doch als Bettvorleger landen; aber vielleicht sollte man damit ganz zufrieden sein und sich sagen: Es hätte schlimmer kommen können. 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Der am morgigen Sonntag anstehende Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt zeichnet sich dadurch aus, dass es der letzte vor der Sommerpause ist; das heißt, ich habe demnächst meine erste Saison als KiWoGo-Mitarbeiter hinter mich gebracht, erfolgreich, darf ich wohl sagen. Eine weitere Besonderheit dieses KiWoGo ist es, dass eine Teamkollegin und ich ihn ohne Mitwirkung oder auch nur Aufsicht eines hauptamtlichen Mitarbeiters konzipiert und vorbereitet haben, da der Gemeindereferent gerade in Urlaub ist. Bei der Teamkollegin handelt es sich um dieselbe, die bisher auch bei der Wichtelgruppe mitgearbeitet hat, aber angekündigt hat, dafür zukünftig und bis auf Weiteres nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Im KiWoGo-Team macht sie aber weiter mit, und darüber bin ich sehr froh. 

Zu dem Zweck, gemeinsam ein Konzept für den letzten Kinderwortgottesdienst der Saison auszuhecken, hatten wir uns für Dienstag um 18 Uhr in St. Stephanus verabredet. Da im dortigen Gemeindehaus gleichzeitig – oder richtiger gesagt: leicht zeitversetzt – die Trommelgruppe probte und ein Gruppentreffen der Neokatechumenalen Gemeinschaft stattfand, nahmen wir uns kurzerhand zwei Stühle aus einem der Kellerräume und setzten uns in den Garten. 

Das Evangelium des kommenden Sonntags ist Markus 5,21-43 – die Auferweckung der Tochter des Jaïrus und die Heilung der blutflüssigen Frau. Wir einigten uns recht schnell darauf, die Heilung der blutflüssigen Frau wegzulassen: Um mit Kindern über Menstruation zu reden, ist ein Kinderwortgottesdienst nicht unbedingt der ideale Rahmen. Ich konnte meine Teamkollegin auch ohne große Mühe von meiner Idee überzeugen, die Auferweckung der Tochter des Jaïrus als Rollenspiel zu gestalten; hinsichtlich der Auslegung der Perikope war hingegen erst mal Brainstorming angesagt. Ich werde nächste Woche berichten, welche von den Ideen, die wir im Laufe dieses Vorbereitungsgesprächs gehabt haben, wir tatsächlich verwendet haben und wie das gelaufen ist; ein paar zentrale Gedanken möchte ich hier aber schon mal festhalten: 

  • Auch wenn nach menschlichem Ermessen schon alles zu spät zu sein scheint, kann Gott immer noch helfen. 
  • Woran erkennt man ein Wunder? Ist ein Wunder zwingend etwas Spektakuläres, Außergewöhnliches, ja sogar etwas, was man normalerweise für unmöglich halten würde – oder kann auch ein ganz "gewöhnliches", unauffälliges Ereignis ein Wunder sein, insofern, als Gott sich darin offenbart? (Hierzu wären Beispiele aus dem eigenen Erfahrungsbereich wünschenswert.) 

Auch über die Planung für den anstehenden KiWoGo hinaus war unser Gespräch ausgesprochen ertragreich und anregend. Erwähnen möchte ich noch, dass meine Teamkollegin einige Fragen zum JAM an mich richtete – da ich bei früheren Gelegenheiten schon ein paarmal erwähnt hatte, dass ich da mit meinen Kindern regelmäßig hingehe. Nun wollte sie wissen, wie da der Ablauf sei, wie lange das gehe und wie viele Kinder da so im Durchschnitt kämen; und je mehr ich davon erzählte, desto größer wurden ihre Augen. "Und wieso funktioniert das bei denen?", fragte sie schließlich – worauf ich spontan und ohne nachzudenken antwortete: "Ich glaube, die beten einfach mehr." 

Als ich dann noch ausführte, dass in der EFG The Rock Christuskirche in den ersten zwei Wochen des Jahres annähernd alle Gemeindeveranstaltungen ausfallen, weil die Mitarbeiter in dieser Zeit auf einem Gebets-"Retreat" sind, meinte die Kollegin, so etwas könnten oder sollten wir vielleicht auch mal machen – zwar nicht unbedingt zwei Wochen lang, aber vielleicht an einem Wochenende oder so. Ich wäre natürlich dafür. Na, übernächste Woche ist Saison-Abschlussessen mit dem KiWoGo-Team (Pizza essen auf Kosten des Kirchensteuerzahlers, harr harr!), da kann man das ja mal ansprechen... 

Auf das JAM-Programm vom Mittwoch der zurückliegenden Woche möchte ich übrigens auch noch kurz eingehen, denn da wurde die Geschichte von Paulus zu Ende erzählt. Oder jedenfalls so "zu Ende", wie es unter den Bedingungen von "sola scriptura" eben geht – denn bekanntlich bricht die Apostelgeschichte des Lukas ab, ehe Paulus in Rom vor Gericht gestellt wird. Und da es für eine evangelisch-freikirchliche Gemeinde wohl nicht in Frage kommt, sich auf außerbiblische Überlieferungen zu berufen, konnten die JAM-Mitarbeiter sich nur auf Passagen aus den Briefen des Paulus stützen, aus denen hervorgeht, dass er damit rechnete, zum Tode verurteilt zu werden. Tja, schade: In einem katholischen Pendant zu diesem katechetischen Format hätten die Kinder erfahren können, dass Paulus unter der Herrschaft von Kaiser Nero mit dem Schwert hingerichtet wurde und dass über seinem Grab die Basilika St. Paul vor den Mauern errichtet wurde


Geistlicher Impuls der Woche 

Wir müssen im Gedächtnis behalten, dass der Tempel in vieler Hinsicht ein Sinnbild ist. Er bedeutet jede auserwählte Seele, die ein Haus und Tempel des Heiligen Geistes Christi ist, weil der Geist Christi in ihr wohnt. Der Tempel bedeutet auch die ganze Kirche, das heißt, die Versammlung aller Auserwählten, der Engel wie der Menschen. Er ist zudem auch ein Bild für den Leib des Herrn selbst, der aus der Jungfrau geboren wurde, ohne Sünde in der Welt lebte, von den Gottlosen getötet wurde, aber aus eigener Kraft am dritten Tag von den Toten erstand. Wie schon öfter gesagt wurde, bedeutet der Wiederaufbau des Tempels nach der Gefangenschaft auch die Besserung des Menschen, der eben erst den Weg der Wahrheit betreten hat und schon durch die Sünde in die Irre gegangen ist. Sehr richtig ist, dass ein solcher Tempel von den Priestern, Leviten und den anderen Heimkehrern in Freuden geweiht wird. Denn wenn sich die Sünder bessern, herrscht im Himmel große Freude bei den Engeln Gottes (vgl. Lk 15,10), bei den Lehrern, die für das Heil der Verirrten gearbeitet haben, und bei allen, die aus Babylon, das heißt aus der Verwirrung und der Sünde, mit Herz und Tat zur Hochburg der Tugend, zum Land der Verheißung gelangten.

(Beda Venerabilis, Auslegung zu den Büchern Esra und Nehemia) 


Ohrwurm der Woche 

Ataris: The Boys of Summer 


Manch ein Leser hätte hier vermutlich dem Original von Eagles-Frontmann Don Henley den Vorzug gegeben, und dafür habe ich auch volles Verständnis; aber ich muss gestehen, dass die knapp 20 Jahre jüngere Punk-Coverversion der Ataris meinem Herzen doch ein Stückchen näher steht. Ich möchte übrigens behaupten, dass es sich um eine Coverversion handelt, aus der nicht nur Respekt vor dem Original spricht, sondern sogar Liebe zum Original; was diese Version der Vorlage hinzufügt, ist in erster Linie eine Extraportion "Wumms" – und auch beim Tempo wird eine Schippe draufgelegt, wodurch die Ataris-Version um rund 40 Sekunden kürzer ist als das Original. 

Was "The Boys of Summer" zu einem unsterblichen Klassiker macht, ist übrigens nicht zuletzt der Text. Wer Lust hat, der möge mal den ersten Vers der dritten und letzten Strophe – "Out on the road today, I saw a Deadhead sticker on a Cadillac" – bei Google eingeben und staunen, was für tiefgründige Interpretationen man da allein zu diesem einen Vers findet. In der Version der Ataris ist der "Deadhead sticker" übrigens durchaus kongenial durch einen "Black Flag sticker" ersetzt worden. 


Samstag, 22. Juni 2024

Creative Minority Report Nr. 35

Grüße aus dem verregneten Berlin, Freunde! Nachdem die zurückliegende Woche nicht so besonders reich an blogrelevanten Ereignissen bzw. Erlebnissen war, habe ich die Gelegenheit genutzt, im aktuellen Wochenbriefing etwas mehr thematische Vielfalt jenseits des Selbsterlebten einzubringen; und zwar vorrangig in Form der neuen Rubrik "Vermischtes aus verschiedenen Pfarreien". Dem einen oder anderen Leser dürfte das gefallen. Ob dieser Trend sich über den Sommer fortsetzen wird, kann ich indes noch nicht versprechen... 

Was bisher geschah 

Hatte ich nicht im vorigen Wochenbriefing geschrieben, ich ginge "nicht unbedingt davon aus", dass der "Straßenfest-Crawl" des vergangenen Samstags Stoff für einen eigenständigen Artikel abgeben würde? Tja, so kann man sich irren. Ich würde sagen, der Artikel "Klima und Pizza, Suppe und Mucke" ist sogar gehaltvoller geraten als einige meiner früheren Artikel zum "Suppe & Mucke"-Festival, die größtenteils aus Fotos bestanden. – Am Sonntag gingen wir früh in St. Stephanus Haselhorst in die Messe und fuhren anschließend zum "Haus des Rundfunks", wo es ein Kinderkonzert gab: Ein Bläserensemble des Deutschen Symphonie-Orchesters (Querflöte, Oboe, Klarinette, Waldhorn und Fagott) spielte Auszüge aus Mendelssohns "Sommernachtstraum", dazwischen stellten Viertklässler einer Spandauer Grundschule selbst komponierte Percussion-Stücke vor. Musikalisch war's klasse, hingegen fand ich das erzählerische Element – die Erläuterungen zur Handlung des "Sommernachtstraums" – nicht so gelungen. Neben dem rbb-Moderator Christian Schruff agierte auf der Bühne der Musiklehrer der schlagzeugspielenden Grundschulkinder in der Rolle des Puck; und während ich an seinen musikpädagogischen Fähigkeiten, soweit man diese an der Darbietung seiner Schüler messen kann, keinerlei Zweifel habe, fand ich seine schauspielerische Darbietung erheblich zu dick aufgetragen; ich fühlte mich teilweise stark an Produktionen des Nordenhamer "Theater Fatale" aus den Nuller Jahren erinnert (über das heutige Niveau dieser Truppe kann ich indes nicht urteilen).  

Am Montag war mal wieder ein "ganz normaler" Omatag; am Dienstag besuchte das Tochterkind nach der Schule eine Freundin (eine andere als die, bei der sie vor zwei Wochen übernachtet hat), kam aber, anders als zunächst geplant, zum Schlafen doch wieder nach Hause. Dadurch wurde es insgesamt recht spät, und so war es kein Wunder, dass die Kinder am nächsten Morgen schwer wach zu kriegen waren. Wir schafften es aber trotzdem, rechtzeitig zum üblichen Mittwochsprogramm aufzubrechen – das diesmal wieder eine Wortgottesfeier unter Leitung des berüchtigten Diakons beinhaltete. Was der Diakon zum Evangelium des Tages zu sagen hatte, werde ich diesmal aus kompositorischen Gründen gemeinsam mit der Predigt vom Sonntag in der Rubrik "Predigtnotizen" würdigen. Nachmittags waren wir beim JAM, und was es darüber zu sagen gibt, folgt unter der Rubrik "Schwarzer Gürtel in KiWoGo"

Am Donnerstag erschien die neueste Folge meiner Tagespost-Kolumne "Klein.Kram" – die sich mit dem bemerkenswerten Faktum auseinandersetzt, dass die Katholische Hochschulgemeinde an der Universität Tübingen ein linkes Bündnis "gegen Missionierung auf dem Campus" unterstützt; seit heute Morgen ist der Text auch online. Im Übrigen musste meine Liebste am Donnerstag zum Abiball der Schule, an der sie arbeitet, und ich hatte etwas Sorge, wie ich wohl am Abend allein mit beiden Kindern zurecht kommen und sie zu einer vernünftigen Zeit ins Bett kriegen würde, aber es klappte alles in allem besser als erwartet. Am Freitag, also gestern, war Fête de la Musique, und wir unternahmen den schon im vorigen Wochenbriefing schon angekündigten wagemutigen Versuch, an einem Schul- und Arbeitstag einen Straßenfest-Crawl durchzuziehen – jedenfalls einen kleinen. Zu berichten, wir es uns bei diesem Versuch ergangen ist, würde hier und jetzt den Rahmen sprengen, andererseits habe ich aber auch Zweifel, ob ein eigenständiger Artikel zu diesem Thema sich lohnen würde. Vielleicht warte ich daher erst mal ab, was das Wochenende sonst noch so bringt... 

Das für heute Vormittag geplante Wichtelgruppentreffen ist erneut ausgefallen. Ein paar grundsätzliche Erwägungen dazu, wie (bzw. ob) es mit der Wichtelgruppe weitergehen soll, werden wohl in der nächsten Woche fällig. 

Hingegen freue ich mich zu Protokoll geben zu können, dass mein Jüngster und ich in der zurückliegenden Woche ganze drei Lobpreisandachten in St. Joseph Tegel abgehalten haben – am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Am Dienstag war ich entzückt, wie engagiert mein Jüngster das bluesrockige "Alles was atmet" von Johannes Falk mitsang und dabei Luftgitarre spielte; am Mittwoch schaffte er es, ich weiß nicht wie, mein Mobilgerät so einzustellen, dass der Bildschirm zwischen der Musik-App und der Stundenbuch-App geteilt war. Das sah dann so aus: 


Was ansteht 

Heute sind wir beim Geburtstagspicknick einer hier schon mehrfach, wenn auch nicht namentlich, erwähnten Künstlerfreundin eingeladen; morgen steht dann ein erneutes Kinderkonzert auf dem Programm, nämlich "Peer Gynt" im Kammermusiksaal der Philharmonie, dargeboten von der Deutsch-Skandinavischen Jugend-Philharmonie. Die Anfangszeit des Konzerts (11:30 Uhr) bringt allerdings Schwierigkeiten für den Messbesuch mit sich, zumal angesichts des besagten Picknicks auch eine Vorabendmesse keine realistische Option zu sein scheint. Nach umfangreichen Recherchen sehe ich derzeit zwei mögliche Wege, die Erfüllung der Sonntagspflicht zu gewährleisten: früh aufstehen und in St. Matthias am Winterfeldtplatz in die Familienmesse gehen; oder in den sauren Apfel beißen und in die Abendmesse in Herz Jesu Tegel gehen. Letztere wird laut Wochenplan von dem netten, kinderfreundlichen "Pater Brody" zelebriert und die meisten uns nicht wohlgesonnenen Leute in der Gemeinde gehen wohl ohnehin eher morgens in die Messe, aber ich habe trotzdem erhebliche Zweifel, ob meine Liebste sich dazu bewegen lässt, noch einmal einen Fuß in diese Kirche zu setzen. – Am Montag ist kein Omatag, daher böte sich dieser Tag möglicherweise dazu an, mal wieder einen Regionalbahn-Ausflug mit dem Jüngsten zu unternehmen; ich hätte auch schon eine Idee für ein interessantes Ziel, aber das verrate ich erst, wenn es soweit ist. Im weiteren Verlauf der Woche hat meine Liebste, wenn nicht noch irgendwelche Vertretungsstunden 'reinkommen, einen freien Tag und muss an einem bis zwei weiteren Tagen nur ganz kurz zur Arbeit erscheinen; besondere Pläne haben wir für diese Tage allerdings noch nicht. Irgendwann im Laufe der Woche werde ich mich dann auch noch um die Vorbereitung des letzten Kinderwortgottesdienstes der Saison kümmern müssen, und am Wochenende ist im Baumhaus nicht bloß die übliche allmonatliche Community Networking Night, sondern ein "Urgent Action Summit" unter dem, wie ich den Initiator Scott Bolden kenne, durchaus augenzwinkernd gemeinten Motto "Can Berlin Save the World?". Mal sehen, ob wir da hingehen... 


Predigtnotizen 

Am Sonntag waren wir, wie erwähnt, im "Sommernachtstraum", wenn auch nicht in einer Aufführung der Shakespeareschen Komödie, sondern lediglich in einer konzertanten Darbietung von Mendelssohns Bühnenmusik; gleichwohl fiel mir bei der Anmoderation zum Marsch der Handwerker eine Passage des Stücktexts ein, die ich einfach wunderschön formuliert finde: In der 1. Szene des V. Aktes wird die Darbietung der Handwerker als "A tedious brief scene of young Pyramus / And his love Thisby; very tragical mirth" (V/1, V. 56f.; in der deutschen Fassung von August Wilhelm Schlegel: "Ein kurz langweilger Akt vom jungen Pyramus / Und Thisbe, seinem Lieb. Spaßhafte Tragödie") angekündigt, und als Herzog Theseus sich wundert, wie das zusammenpassen soll, erläutert der Zeremonienmeister Philostrat:

"A play there is, my lord, some ten words long,
Which is as brief as I have known a play;
But by ten words, my lord, it is too long,
Which makes it tedious" 

– bzw. auf Deutsch: 

"Es ist ein Stück, ein Dutzend Worte lang,
Und also kurz, wie ich nur eines weiß;
Langweilig wird es, weils ein Dutzend Worte
Zu lang ist, gnädger Fürst" (V/1, V. 61-64). 

Tja, und so ungefähr ging's mir mit der Predigt an diesem Sonntag. Wir waren ja, um es rechtzeitig zum Konzert zu schaffen, in St. Stephanus in Haselhorst zur Messe gegangen; diese Messe zelebrierte, wohl als Urlaubsvertretung, ein mir nicht bekannter Priester, der wohl eigentlich schon im Ruhestand ist, eine Frisur hatte wie Gilderoy Lockhart (nur mit silbernem statt güldenem Haar) und mit leichtem polnischem Akzent sprach. Die Predigt, die er vortrug, war mit sechs Minuten wirklich kurz, aber ich langweilte mich dabei trotzdem, zumal ich partout nicht dahinter kam, was der Priester eigentlich sagen wollte. Vielleicht wusste er es selbst nicht – denn wie ich im Nachhinein herausfand, war die Predigt nicht sein eigenes Werk, sondern stammt von einem Dr. Max Angermann und kann auf der von der Provinz Wien-München des Redemptoristenordens betriebenen Website "Predigtforum" nachgelesen werden. Urteile also selber, Leser; was mich betrifft, finde ich diese Predigt wirklich bemerkenswert schlecht. Alle möglichen Gedanken werden darin angerissen, aber kein einziger näher ausgeführt, und dann ist sie plötzlich vorbei. Besonders ärgerlich ist der Mittelteil der Predigt, die mit den Worten eingeleitet wird "Teresa von Avila (1515-1582), Karmelitin, spanische Mystikerin, schreibt in einem Brief an engagierte Christen...". Ich habe nicht herausfinden können, woher der darauf folgende Textabschnitt stammt, aber es ist schon eine ziemliche Frechheit, so zu tun, als stamme er tatsächlich von der großen Kirchenlehrerin des 16. Jahrhunderts. Mancher mag jetzt beschwichtigend einwenden wollen, es werde ja wohl niemand ernsthaft glauben, die Hl. Teresa habe wirklich aus dem Jenseits einen Brief an Christen von heute verfasst; aber ich muss leider gestehen, ich bin mir da nicht so sicher. Selbst bei zweifelsfrei rechtgläubigen Predigten kann es passieren, dass die Leut' nicht so genau hinhören, nur die Hälfte verstehen und die Leerstellen mit selbst zusammengereimtem hanebüchenen Unsinn auffüllen; aber dafür ist dann wenigstens nicht der Prediger verantwortlich zu machen. 

Die Predigt des Diakons bei der Wortgottesfeier in St. Marien Maternitas am Mittwoch wies ebenfalls einen assoziativen Bezug zu der Sommernachtstraum-Darbietung vom Sonntag auf, nämlich unter dem Aspekt der allzu dick aufgetragenen Schauspielerei. Mit seinem Hang zu Überbetonung, Kunstpausen und ähnlichen Stilmitteln, bis hin dazu, sich mit theatralischem Seufzen und versonnen in die Ferne schweifenden Blicken selbst zu unterbrechen, bewegt der Diakon von St. Klara sich oft hart an der Grenze zur unfreiwilligen Selbstparodie und nicht selten jenseits dieser Grenze. Im vorliegenden Fall stand dieser Predigtstil – den Otto Waalkes schon vor rund einem halben Jahrhundert so treffend karikiert hat, dass man sich eigentlich wundern muss, ihn immer noch in freier Wildbahn anzutreffen – in besonders augenfälligem Kontrast zum Inhalt der Predigt: Das Tagesevangelium war Matthäus 6,1-6.16-18 – die Passagen aus der Bergpredigt über das Almosengeben, das Beten und das Fasten –, und die offenkundige Lehre dieser Perikope ist ja schließlich, dass es beim Almosengeben, Beten und Fasten auf die innere Haltung ankomme und nicht auf die Außendarstellung. Da wirkte das dick aufgetragene Pathos des Diakons gleich doppelt bizarr. – Bei den alten Leuten in der Gemeinde kam dieses Schmierentheater indes gut an, wie ich den Gesprächen beim anschließenden Gemeindefrühstück entnehmen konnte (an dem der Diakon selbst übrigens nicht teilnahm). 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

In der zurückliegenden Woche war zwar kein Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt und auch kein Planungstreffen für einen solchen; aber es war JAM, und da war der katechetische Teil diesmal auf eine Weise gestaltet, die ich – zumindest in Teilen – nachahmenswert fand. Und damit ich diese Gestaltungselemente nicht wieder vergesse, ehe ich mal die Gelegenheit habe, etwas Ähnliches selbst in Szene zu setzen, will ich sie hier mal schnell festhalten. 

Inhaltlich ging es um das 27. Kapitel der Apostelgeschichte: Der Apostel Paulus soll als Gefangener nach Rom gebracht werden. Zur interaktiven Gestaltung dieser Erzählung waren an den Wänden des Raumes Ortsschilder angebracht, die die Stationen der Reise (Caesarea, Kreta, Malta, Rom) angaben, und auf dem Fußboden waren mit Kreppband die Umrisse eines Schiffes markiert. Zu Beginn der Erzählung sollten sich alle Kinder in dieses "Schiff" setzen. Aus dem Über-Bord-Werfen der Ladung im Seesturm vor Kreta (V. 18f.) wurde ein Spiel gemacht: Die Kinder wurden in zwei Teams eingeteilt, von denen eins die Schiffsbesatzung darstellte, die die Ladung (dargestellt durch Luftballons) über Bord werfen musste, während das andere Team den Sturm darstellte und die Ballons zurück in den als "Schiff" markierten Bereich werfen musste. Nach 90 Sekunden tauschten die Teams ihre Rollen, und gewonnen hatte am Ende die Mannschaft, bei der nach Ablauf der 90 Sekunden weniger Luftballons innerhalb des "Schiffes" lagen. Dieses Spiel könnte sicherlich auch im Zusammenhang mit biblischen Erzählungen zum Einsatz kommen; ich denke da etwa an das Buch Jona. – Der Schiffbruch vor Malta wurde ebenfalls interaktiv gestaltet, indem die Kinder dazu animiert wurden, Sturmgeräusche zu imitieren; dann mussten alle das "Schiff" verlassen und sich in der als "Malta" gekennzeichneten Ecke des Raumes versammeln, und dort endete die Erzählung mit einem "Cliffhanger" – ausgerechnet an der Stelle, als eine giftige Schlange Paulus in die Hand beißt. Wie's weitergeht, erfahren die Kinder nächste Woche... 


Vermischtes aus verschiedenen Pfarreien 

  • Zeit wird's derweil auch, dass wir mal einen Blick in den aktuellen Pfarrbrief von St. Klara Reinickendorf-Süd werfen; denn "aktuell" bedeutet in diesem Fall "die Ausgabe für die Monate Juni bis August", und der Juni ist ja schon größtenteils rum. Der Pfarrbrief enthält u.a. einen reich bebilderten Bericht zum Patronats- und Siedlungsfest in St. Joseph am 1. Mai, den der geneigte Leser gern mal mit dem meinen abgleichen darf; man beachte besonders die Erwähnung von Besuchern, die "nicht zu den 'Stammgottesdienstbesuchern' unserer Kirche zählen". 
  • Auf den der Gemeinde St. Rita gewidmeten Seiten des Pfarrbriefs findet sich eine Fotocollage mit dem Titel "Gemeinde-Impressionen", und eins der dort zusammengestellten Bilder zeigt eine "Handwaschung zum Gründonnerstag". Äh – Handwaschung? Hat da jemand Johannes 13,9f. nicht gründlich gelesen? – Na, ehrlich gesagt kann ich mir schon vorstellen, wie das zustande gekommen ist: Immer wieder gibt es Schwierigkeiten, genug Freiwillige für eine Fußwaschung zusammenzubekommen, weil es den Leuten irgendwie peinlich ist, sich in der Öffentlichkeit die Füße waschen zu lassen, und dann auch noch vom Priester. Man könnte sagen, die Überwindung dieser Hemmungen ist Teil des Rituals, schließlich wollte Petrus sich zuerst auch nicht von Jesus die Füße waschen lassen. Aber wenn sich nun mal nicht genug Leute finden, die bereit sind, diese Hemmungen zu überwinden – was dann? In St. Rita hat man sich offenbar gedacht "Dann machen wir eben eine Handwaschung, da findet man leichter Leute, die mitmachen"; und diese Handwaschung nahm obendrein kein Priester vor, sondern, soweit man es dem Foto entnehmen kann, eine altgediente "Erzlaiin" der Gemeinde, die ich aus meiner Zeit in der Pfarrbriefredaktion in unguter Erinnerung habe. Im Hintergrund des Bildes ist der Diakon der Pfarrei zu sehen, und ich kann mir gut vorstellen, dass er salbungsvolle Worte gefunden hat, um die Ersetzung der Fußwaschung durch eine Handwaschung pastoraltheologisch zu legitimieren, aber ich kann dazu nur sagen: Ach, geh mir doch weg. 
  • Ein weiterer Beitrag dieses Pfarrbriefs ist einem "Technologie-Workshop" gewidmet, der ebenfalls in St. Rita stattfand. Konkret ging es dabei um eine Einführung in "die Funktionsweise und den Gebrauch" eines "Multimedia Boards", darüber hinaus aber auch darum, "Berührungsängste abzubauen" gegenüber "Technologie" in einem breiteren Sinne. Folgerichtig ist der Beitrag mit einem im Rahmen dieses Workshops aufgenommenen Foto illustriert, auf dem man auf dem besagten Multimedia-Board das Statement lesen kann: "Technologie ist nur ein Werkzeug. Was zählt ist, wie wir sie nutzen." Was ich an dieser Aussage alles problematisch finde, könnte ich in wenigen Zeilen gar nicht ausdrücken; das wäre eher mal Stoff für einen eigenständigen Artikel oder vielleicht einen Tagespost-Essay. Hier erst mal nur soviel: Lautete der erste Satz "Das Multimedia-Board ist nur ein Werkzeug", hätte ich daran schon erheblich weniger auszusetzen. Aber "Technologie" als Sammelbegriff für "neumodische Erfindungen, mit denen wir im Alltag umgehehen, obwohl wir nicht so richtig verstehen, wie sie funktionieren" einzusetzen, greift einfach zu kurz. Wer das 10. Kapitel der "Benedikt-Option" (oder wahlweise auch Neil Postmans "Technopol") gelesen hat, der weiß, dass Technologie – wie es der Wortbestandteil "-logie" ja schon nahelegt – nicht zuletzt eine Weltanschauung ist; man könnte auch sagen: eine Art der Weltaneignung. In diesem Sinne kann man sie durchaus auch als Werkzeug bezeichnen; aber die Vorstellung, ein Werkzeug sei etwas, das man benutzen kann wie man will, ist eine Illusion: Tatsächlich hat jedes Werkzeug seine eigenen Regeln, denen sich der Nutzer zu einem gewissen Grad unterwerfen muss. Wenn einem, wie es hier offenbar intendiert ist, suggeriert werden soll, ein Werkzeug sei grundsätzlich ethisch neutral und es liege allein in der Verantwortung des individuellen Nutzers, es zum Guten oder zum Bösen zu nutzen, würde ich ja gern mal provokant dazwischenfragen: Und wie ist das mit der Atombombe? – Wie gesagt, das ist ein weites Feld. 
  • Bei unseren Nachbarn in der Ökumene – sprich: der evangelischen Landeskirche – dreht sich derweil "alles um den Ball"; das ist keine Polemik von mir, sondern das kann man so in einem Artikel des Online-Terminkalenders "Churchdesk" lesen. "Zur Fußball-EM vom 14. Juni bis zum 14. Juli öffnen Kirchen ihre Türen zum Public Viewing, Fußball-Hymnen singen, zu Live-Konzerten, Mitfiebern und so manches mehr. Alle Veranstaltungen sind kostenfrei." Mit der Fülle an Veranstaltungen rund um die Fußball-EM, die dieser Übersichtsartikel aufführt, kann die katholische Kirche nicht ganz mithalten, aber Public Viewing bieten auch diesseits des konfessionellen Grabens einige Pfarrgemeinden an – darunter auch meine Wahlpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland: Im Gemeindesaal von Maria, Hilfe der Christen werden "alle Spiele und Tore der deutschen Mannschaft, sowie das Finale auf der Großbildleinwand" gezeigt; "Alter, Nationalität oder Religionszugehörigkeit spielen dabei keine Rolle", na ein Glück. "Für Getränke zu fairen Preisen [!] ist gesorgt." – Im Prinzip ist diese Unterwerfung der Kirche(n) unter den Kult des Fußballgottes natürlich überhaupt nichts Neues; dennoch frage ich mich: Sollte man nicht denken, die Kirche täte besser daran, Angebote für Menschen zu machen, die sich nicht für Fußball interessieren (und es in diesen Wochen daher ohnehin schon schwer genug haben)? Beinahe hätte ich das zum Thema meiner Tagespost-Kolumne gemacht, denn im Grunde betrifft das nicht nur König Fußball, sondern ist vielmehr exemplarisch für die sonderbare fixe Idee der institutionellen Kirche in unserem Lande, "gesellschaftliche Relevanz" bedeute, über dasselbe zu reden, worüber alle anderen reden. Dass ich es lieber sähe, wenn die Kirche mehr auf Differenz und Kontrast setzte, ist durchaus nicht nur eine taktische Überlegung (etwa im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals auf dem Markt der Sinnangebote); es berührt vielmehr grundlegende Fragen des Selbstverständnisses und des Auftrags der Kirche: Wie kann man denn Salz der Erde sein, wenn man so sehr bestrebt ist, sich dem Geschmack der Welt anzugleichen? 

Geistlicher Impuls der Woche 

Und nun bitten wir den Hl. Josef um ein weiteres kleines Wunder. Unsere Bargeldkasse ist leer. Wir haben gerade die letzten Pennies für eine Rolle Zwirn und Briefmarken zusammengekratzt, und eine Anweisung über 25 Cent, die gerade hereingekommen ist, werden wir für einen Eintopf zum Abendessen verwenden. Aber die Druckereirechnung, die 165 Dollar, die davon noch unbezahlt sind, starrt uns an und versucht uns einzuschüchtern. 

Doch was sind 165 Dollar für den Hl. Josef, oder auch für die Hl. Teresa von Avila! Wir weigern uns, verzagt zu sein. (Auch wenn der Drucker es vielleicht ist – o, dieser Kleingläubige!) 

Don Bosco erzählt von vielen Fällen, wo diese oder jene Summe benötigt wurde, um die Miete oder andere Rechnungen zu bezahlen, und wie das Geld auf wundersame Weise genau rechtzeitig von irgendwoher auftauchte. Auch er war stets bedürftig, hat stets gebeten und stets erhalten. 

Viele unserer Freunde drängen uns, unsere Geschäfte auf eine geschäftsmäßige Grundlage zu stellen. Aber wir betreiben kein Geschäft, sondern eine Bewegung, und vom Geschäft verstehen wir hier ohnehin nichts. 

(Dorothy Day, Februar 1934; eigene Übersetzung) 


Ohrwurm der Woche 

Ritter Rost: Paolo mit dem Pizza-Blitz 

Dankt mir später: Dies ist wirklich der hartnäckigste Ohrwurm seit langem. Und zu verdanken habe ich ihn meinem Jüngsten, zu dessen Lieblings-Fernsehserien "Ritter Rost" gehört – auch wenn er den Namen des Protagonisten "Ritter Horst" ausspricht. Die Serie basiert auf einer Kinderbuchreihe von Jörg Hilbert mit Liedern von Felix Janosa, und die Lieder aus den Büchern werden gern auch in der Serie verwendet – zum Teil auch mehrmals in verschiedenen Folgen, was natürlich erfordert, sie in einen anderen Handlungszusammenhang einzubetten als in der Vorlage. Dafür eignet sich ein Lied über einen fahrenden Pizzaboten natürlich gut, denn dass im Laufe einer Serienepisode mal jemand eine Pizza bestellt, ist ja nun wirklich ein Handlungselement, das man ohne Probleme öfter verwenden kann. Was mich übrigens irgendwie an eins meiner Lieblingszitate aus Lessings "Hamburgischer Dramaturgie" erinnert: 

"Was kostet es denn nun auch für große Mühe, aus drei Aufzügen fünfe zu machen? Man lässt in einem andern Zimmer einmal Kaffee trinken; man schlägt einen Spaziergang im Garten vor; und wenn Not an den Mann gehet, so kann ja auch der Lichtputzer herauskommen und sagen: 'Meine Damen und Herren, treten Sie ein wenig ab; die Zwischenakte sind des Putzens wegen erfunden, und was hilft Ihr Spielen, wenn das Parterre nicht sehen kann?'" (13. Stück) 

Isse egal, die Pizza schmeckte gut! 


Donnerstag, 20. Juni 2024

Requiem für eine Seelsorgehelferin

Anfang der ersten Juniwoche erfuhr ich aus den Vermeldungen der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd, dass eine Frau, die ich aus meiner aktiven Zeit in der Gemeinde Herz Jesu Tegel kannte, verstorben war. Ich hatte sie seit Jahren nicht gesehen und auch nichts mehr von ihr gehört, trotzdem hatte ich sie in guter Erinnerung: Als meine Liebste und ich nach Tegel zogen und begannen, uns in der dortigen Pfarrgemeinde zu engagieren, gehörte sie – damals schon über 80 und leicht gehbehindert – zu den ersten Gemeindemitgliedern, von denen wir uns angenommen und willkommen geheißen fühlten. Sie kam auch zu unserer Wohnungseinweihungsfeier und schenkte uns eine Orchidee.

In der Folgezeit sah man sie in der Kirche immer weniger und schließlich gar nicht mehr; soweit wir hörten, lag das wohl daran, dass ihre Mobilitätseinschränkung sich weiter verschlimmerte und sie insgesamt kaum noch das Haus verließ. – Sie hatte uns gegenüber mal beiläufig erwähnt, dass sie früher Gemeindereferentin gewesen war; als solche wurde sie eines Nachrufs vom Erzbistum gewürdigt, und diesem entnahm ich nun, dass sie nicht nur in ihrer langjährigen Wohnortpfarrei Herz Jesu Tegel, sondern u.a. auch in St. Stephanus Haselhorst als Gemeindereferentin tätig gewesen war. Ach guck, dachte ich, so klein ist die Welt.

Auf eigentümliche Weise schön und stimmig fand ich es auch, dass ihr Requiem und ihre Beisetzung am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu stattfinden sollte; und eine leise, aber hartnäckige Stimme in meinem Innern sagte mir: Ich glaube, da will ich hin. Auch wenn das bedeutete, dass ich meinen Jüngsten dorthin mitnehmen müsste. Ich nehme an, es gibt Leute, die der Meinung sind, man sollte ein dreijähriges Kind nicht zu einer Beerdigung mitnehmen. Ich selbst bin ganz entschieden nicht dieser Ansicht. Meiner Überzeugung und Erfahrung nach kann man dreijährige Kinder so gut wie überall hin mitnehmen, und sofern es doch Orte oder Ereignisse gibt, wo man Bedenken hätte, ein Kind dorthin mitzunehmen, sollte man sich vielleicht lieber mal überlegen, ob man selber wirklich da hinwill. 

Auf dem Weg zum Friedhof dachte ich darüber nach, ob der Umstand, dass das Requiem in der Friedhofskapelle gefeiert wurde und nicht in einer regulären Kirche, ein Indiz dafür sein mochte, dass nicht mit vielen Teilnehmern gerechnet wurde, und offenbar war das tatsächlich so. Aber so ist es wohl heutzutage, wenn man im Alter von 90 Jahren stirbt und keine große Familie hinterlässt (der einzige Sohn der Verstorbenen war, wie in der Predigt erwähnt wurde, schon vor über 40 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen). Wenn man den Priester und den Organisten nicht mitzählt, fanden sich zehn Personen zu diesem Requiem ein, unter denen, soweit es für mich ersichtlich war, zwei Familienangehörige der Verstorbenen waren, ein Neffe und dessen Frau (die sich am Ende bei allen, die gekommen waren, persönlich bedankte). Zwei anwesende Frauen kannte ich aus der Gemeinde von Herz Jesu, bei einer dritten war ich mir nicht ganz sicher, ob ich sie nicht verwechselte; außerdem war eine Gemeindereferentin aus Spandau da und dann noch ein Mann und eine Frau, die ich nicht zuordnen konnte.

Wie sich zeigte, hatte die Verstorbene in ihren letzten Lebensjahren nicht mehr in Tegel gewohnt, sondern im Märkischen Viertel, das zur Pfarrei St. Franziskus Reinickendorf-Nord gehört; der dortige Pfarrer hielt auch das Requiem, und das traf sich gut, denn wie er in seiner Predigt erwähnte, hatte er die Verstorbene bereits kennengelernt, als er vor seiner Weihe zum Diakon Praktikant in Herz Jesu Tegel gewesen war. Ein paar Jahre später war er dann Kaplan derselben Gemeinde – das war zu der Zeit, als meine Liebste und ich anfingen, dort zur Kirche zu gehen, und nebenbei bemerkt hat er in dieser Zeit unsere ersten Schritte in der Gemeindearbeit, insbesondere das Projekt "Dinner mit Gott", entscheidend gefördert und unterstützt.

Was der Priester in seiner Predigt über die Biographie der Verstorbenen, und gerade auch über ihre Tätigkeit in der Pfarrseelsorge, zu berichten wusste, fand ich ausgesprochen interessant. Geboren und aufgewachsen war sie in Heiligensee, hatte dann geheiratet und war mit ihrem Mann nach Westdeutschland gezogen; aber die Ehe ging in die Brüche, und so kam sie als geschiedene Frau und alleinerziehende Mutter nach Berlin zurück, wo sie eine Wohnung in Tegel unweit der Herz-Jesu-Kirche fand. Der dortige Pfarrer, der früher die Pfarrstelle in Heiligensee gehabt hatte und sie daher kannte, sprach sie eines Tages darauf an, ob sie sich nicht vorstellen könne, als Seelsorgehelferin (wie die Berufsbezeichnung damals noch lautete) in der Pfarrei mitzuarbeiten. Das war wohlgemerkt in den 60er Jahren, als es mit Blick auf die öffentliche Meinung noch ein ziemliches Wagnis war, eine geschiedene Frau und alleinerziehende Mutter in der Gemeindeseelsorge zu beschäftigen.

Gleichwohl war der Aspekt, der mich an dieser Geschichte am meisten interessiert, nicht der, "dass so etwas damals schon möglich war", sondern vielmehr die Frage, ob so etwas heute noch möglich wäre. Damit meine ich natürlich nicht die Frage des "Beziehungsstatus": Heutzutage könnte man vermutlich auch Gemeindereferentin werden, wenn man in einer polyamoren WG lebt, und könnte das notfalls wohl einklagen. Was ich mir heute eher schwierig vorstelle, ist, dass ein Pfarrer zu einem ihm persönlich bekannten Gemeindemitglied sagt: Ich möchte dich als pastoralen Mitarbeiter in meiner Pfarrei, weil ich dir zutraue, dass du das kannst. Freilich, eine berufsbegleitende Ausbildung musste die Dame, die wir am Herz-Jesu-Fest zu Grabe getragen haben, auch damals schon absolvieren. Dennoch darf man wohl behaupten, dass ihr Beruf(ung)sweg keine große Ähnlichkeit damit hat, wie man heutzutage typischerweise Pastoral- oder Gemeindereferent(in) wird. Und leider merkt man das den Leuten, die diese Berufe heutzutage typischerweise ausüben, oft nur allzu deutlich an. Kurzum, das, was ich bei diesem Requiem über die berufliche Biographie der Verstorbenen erfahren habe, hat mich veranlasst, über die schädlichen Auswirkungen der Professionalisierung der Seelsorge zu sinnieren.

Mir ist bewusst, dass es Leute gibt, in deren Wortschatz der Begriff "Professionalisierung" uneingeschränkt positiv besetzt ist. Bei mir ist das praktisch umgekehrt, schon immer. Schon als ich an der Studiobühne der Humboldt-Universität bei einem studentischen Varietétheater mitarbeitete, waren mir Professionalisierungstendenzen zutiefst suspekt. In meiner Wahrnehmung bedeutet Professionalisierung den Verlust von Authentizität, die Eindämmung von Kreativität und Initiative, eine Tendenz zur Normierung und Regulierung, eine Fokussierung auf Funktionalität und Effizienz. An die Stelle einer Blumenwiese tritt ein ordentlich getrimmter Rasen.

Das gilt sicherlich nicht immer und überall. Selbst in Hausbesetzerkreisen, wo Do-It-Yourself und Graswurzelarbeit nun wirklich sehr groß geschrieben werden, ist man sich im Klaren darüber, dass es Dinge gibt, die man besser Profis überlassen sollte. Die Wartung von Gasleitungen zum Beispiel. Seelsorge gehört meiner Überzeugung nach nicht zu diesen Dingen. Ich möchte an das "Mission Manifest" erinnern, in dem es unter These 9 ("Wir brauchen eine 'Demokratisierung' von Mission") hieß:

"Nirgendwo steht, dass die Mission, die Jesus uns gegeben hat, sich auf Spezialisten, professionelle Verkündiger, Theologen, Kleriker oder Mitglieder von Ordensgemeinschaften beschränkt. Missionarisch zu sein ist der Auftrag Christi an alle Getauften."

Ich würde sagen, das gilt auch für die Gemeindepastoral, die ja schließlich auch Aspekte von Mission umfasst. Oder umfassen sollte. Tatsächlich tut sie es oft wohl nicht, und das ist Teil des Problems.

Woran ich in diesem Zusammenhang außerdem noch denken musste – und das meine ich gar nicht despektierlich, im Gegenteil –, ist die vor acht Jahren auf der christlichen Satire-Website "The Babylon Bee" veröffentlichte Geschichte eines obdachlosen Straßenmusikers, der aufgrund einer Verwechslung eine Stelle als Jugendpastor bekommt. Eine Geschichte, bei deren Lektüre ich schon immer schmerzlich den Wunsch verspürt habe, sie möge wahr sein – auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass das kaum die von den Verfassern beabsichtigte Reaktion ist. Selbst in diesem fiktiven Fall wird der unverhofft zum Jugendpastor avancierte Straßenmusiker, als sich herausstellt, dass er seine Stellung einer Verwechslung verdankt, kurzerhand gefeuert – trotz der erfolgreichen Jugendarbeit, die er geleistet hat; einfach deshalb, weil er keine formale Qualifikation für diese Position besitzt. Tja.

Übrigens hätte ich mich – mit Rücksicht auf meinen Jüngsten, der eigentlich entschieden mittagsschlafreif war und mir beinahe schon auf dem Weg zum Friedhof eingeschlafen wäre – durchaus damit zufrieden gegeben, "nur" das Requiem mitzufeiern und dann den Rückzug anzutreten; aber mein Sohn wollte ausdrücklich mit ans Grab. Er wollte auch, wie die "Großen" es taten, eine Handvoll Erde ins offene Grab werfen, also ließ ich ihn das tun. Ich muss sagen, ich war überrascht, wie aufmerksam und konzentriert er bei der Sache war. Also, Leser, falls ihr Bedenken habt, ob man Kinder zu einer Beerdigung mitnehmen kann: Keine Sorge, das Kind wird euch schon zeigen, ob das geht. Ich halte ja grundsätzlich viel davon, Kinder frühzeitig an das Thema Tod heranzuführen; und zur Beerdigung einer Person zu gehen, die das Kind zu Lebzeiten nicht (oder kaum) gekannt hat, ist da vielleicht gar kein so schlechter Einstieg. 


Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel erschien zuerst am 13.06. auf der Patreon-Seite "Mittwochsklub". Gegen einen bescheidenen Beitrag von 5-15 € im Monat gibt es dort für Abonnenten neben der Möglichkeit, Blogartikel rund eine Woche früher zu lesen, auch allerlei exklusiven Content, und wenn das als Anreiz nicht ausreicht, dann seht es als solidarischen Akt: Jeder, der für die Patreon-Seite zahlt, leistet einen Beitrag dazu, dass dieser Blog für den Rest der Welt kostenlos bleibt! 


Dienstag, 18. Juni 2024

Klima und Pizza, Suppe und Mucke

Ich weiß nicht, wie es anderen Familien geht, die Kinder im Alter unserer Kinder haben, aber ich muss mal ein Geständnis machen: Wenn am Samstag, nach fünf Schul- und Arbeitstagen, endlich mal Gelegenheit ist, mit der ganzen Familie ohne Zeitdruck zu frühstücken und anschließend zusammen was Schönes zu unternehmen, läuft das bei uns oft nicht so harmonisch ab, wie man es sich in der Theorie gern vorstellen möchte. Der Drang der Kinder, sich entweder gegenseitig zu Quatsch anzustiften oder sich zu streiten – wobei das eine jederzeit und in Sekundenschnelle in das andere umschlagen kann – scheint sich, da sie unter der Woche nicht so viel Gelegenheit dazu haben, am Wochenende umso geballter zu entladen; und hinzu kommt, dass speziell unser Jüngster seine Mami stark in Anspruch nimmt, wie um sich dafür zu entschädigen, dass er unter der Woche so viel Zeit ohne sie verbringen musste. 

Erfahrungsgemäß ist das Konfliktpotential am größten, wenn das Frühstück vorbei ist, man zu Hause herumsitzt und "nichts Besonderes zu tun hat". Dieser Umstand veranlasste uns, am vergangenen Samstag möglichst früh zu dem "Klimafest" aufzubrechen, das der "Klimaschutzstammtisch Reinickendorf" zusammen mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern in der Fußgängerzone Gorkistraße veranstaltete. Die Schattenseite war, dass, als wir dort ankamen, noch nicht viel los war. 

Aber so ist das, wenn man an einem nasskalten Junitag gegen den Klimawandel protestieren will. #sorrynotsorry

An einem Stand, den die Berliner Stadtreinigung zu diesem Fest beisteuerte, wurden wir als die ersten Gäste des Tages begrüßt, und die Kinder durften hier spielerisch ihre Mülltrennungs-Kompetenz unter Beweis stellen. 

An einem anderen Stand konnte man lernen, aus Papierresten und Bindfaden Notizhefte herzustellen, an wiederum einem anderen Glasflaschen bemalen. 


Davon abgesehen hielten wir uns bevorzugt am Stand der LebensMittelPunkt-Initiative Lichtenberg auf, denn da gab's Pizza, frisch aus dem Ofen und gegen Spende. 

Man beachte die Pizza-Girlande! 

Einen solchen transportablen Pizzaofen, wie er hier zum Einsatz kam, hatten wir schon vor ein paar Wochen im Baumhaus (oder genauer gesagt draußen vor dem Haus) in Aktion erlebt, und dieser Déja-vû-Effekt war durchaus kein Zufall: Das Baumhaus gehört ebenfalls zum LebensMittelPunkte-Netzwerk, und folgerichtig wird bei den Community Networking Nights im Baumhaus immer kräftig die Werbetrommel für diese Initiative gerührt. Folgerichtig kannte der Mann vom Pizzastand das Baumhaus auch und erzählte uns, er sei schon ein paarmal dort zur Community Networking Night gewesen, aber von Lichtenberg aus sei es doch ein ganz schön weiter Weg. Wir unterhielten uns mit ihm und einigen anderen Besuchern des Standes recht angeregt über Foodsaving, Foodsharing und angrenzende Themen und verdrückten dabei so einiges an Pizza. 

Was übrigens das Konzept der LebensMittelPunkte angeht, muss ich sagen, dass ich mich damit noch nicht sehr ausgiebig befasst habe, aber interessant finde ich es auf alle Fälle. Und nun rate mal, Leser, in welchem Berliner Bezirk es bisher keinen LebensMittelPunkt gibt... Na? In Spandau! Irgendwie sehe ich da Potential im Zusammenhang mit dem Gartenprojekt in St. Stephanus... aber das ist natürlich noch ein sehr unausgegorener Gedanke. 

An wiederum einem anderen Stand – bei dem für mich nicht ersichtlich war, wer den im wahrsten Sinne des Wortes gestellt hatte – wurden die "17 Ziele für nachhaltige Entwicklung" der UN-Agenda 2030 vorgestellt; wenngleich, wie man hier sieht, nicht für alle 17 Platz an der Girlande war: 


Besonders möchte ich übrigens auf die Nr. 5 aufmerksam machen: "Geschlechtergleichheit" ist auch ein Klimaziel. Keine Klimagerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit! Und/oder umgekehrt. Das ist Intersektionalismus, das muss man nicht verstehen. Und wer es doch tut, der versteht wahrscheinlich auch das Bohrsche Atommodell und die Heisenbergsche Unschärferelation. 

Livemusik gab's auch, und zwar zunächst von einem Trio aus zwei in Ehren ergrauten Gitarristen (elektrisch und akustisch) und einem bedeutend jüngeren Percussionisten; der Mann mit der akustischen Gitarre war unverkennbar der Bandleader und sang auch. Zuerst spielten sie eine folkrockige Interpretation von George und Ira Gershwins "Summertime", dann eigene Stücke mit deutschen Texten, stilistisch irgendwo zwischen Klaus Lage, Hans Hartz, Fanny van Dannen und Chris Rea. Diese Beschreibung mag etwas sonderbar klingen, aber ich fand die Musik durchaus gut – gut genug, dass ich, als das Trio eine erste Pause machte, den Leadsänger und Akustikgitarristen fragte, wie die Gruppe denn heiße. "Ich bin Liedermacher", erwiderte der Mann würdevoll. Über diesen Standesstolz musste ich ja schon ein bisschen grinsen, aber das schmälert meine Wertschätzung für die Musik dieses Herrn nicht, und seinen Namen verriet er mir dann doch: Mimi Wohlleben

Immer dann, wenn die Musiker Pause machten, stellte eine Seniorentheatergruppe namens "RostSchwung" – die bei ihrer Gründung vor gut 30 Jahren noch "OstSchwung" hieß, und das ist kein Witz – Auszüge aus ihrem Bühnenprogramm "Umweltgeflüster" vor. Einen Trailer zu dieser Inszenierung, ohne Originalton und stattdessen mit flotter Musik unterlegt, gibt's bei YouTube; und wer der Meinung ist, das, was man da zu sehen bekommt, sehe irgendwie doof aus, dem sei versichert: so richtig doof ist es erst, wenn man's live sieht. Meine alte Dramaturgie-Dozentin hätte gesagt: Das war nicht nur peinlich, das war schon hochnotpeinlich.

Später trat dann auch noch ein anderer, jüngerer Gitarrist und Sänger auf, der allerdings keine Eigenkompositionen spielte, sondern Folk-Klassiker von "Bella Ciao" bis Reinhard Mey. Nicht schlecht, aber eben nicht gerade originell. Immerhin, ein Medley aus "Volare" und "Über den Wolken" gefiel mir dann doch recht gut. 

Alles in allem verbrachten wir dann doch so annähernd drei Stunden auf dem Klimafest, was ich anfangs wirklich nicht erwartet hätte; die Schattenseite war, dass unser Jüngster keinen Mittagsschlaf bekam, und auch das Tochterkind war nicht gerade ein Muster an Ausgeglichenheit und Wohlverhalten. Zwischenzeitlich hatte ich schon Zweifel, ob wir es überhaupt noch zu "Suppe & Mucke" schaffen würden. Gegen 16:30 Uhr erreichten wir dann aber doch einigermaßen wohlbehalten den S-Bahnhof Warschauer Straße. 

Dort erwartete uns erst mal dieses Plakat, dessen – äh – Sekundärbeschriftung mir so einige Rätsel aufgab. Ich fürchte, da hat jemand so einiges falsch verstanden bzw. durcheinandergekriegt.

Bei "Suppe & Mucke" angekommen, ging es mir prompt so, wie ich es mir eigentlich von der Fiesta Kreutziga zwei Wochen zuvor erhofft hätte: Kaum hatte ich fünf Schritte aufs Festivalgelände gemacht, da traf ich auch schon Bekannte. Konkret gesagt handelte es sich um einen auf meinem Blog schon mehrfach (wenn auch nicht namentlich) erwähnten alten Freund, den ich irgendwann in der zweiten Hälfte der Nuller Jahre in einer links-alternativen Kneipe kennengelernt habe, samt Tochter und Schwiegersohn (bei deren Hochzeit ich einen Auftritt als DJ hatte) und zwei Enkelkindern, die ungefähr so alt sind wie meine Kinder. Zuletzt hatte ich den besagten Freund hier übrigens deshalb erwähnt, weil er in der Kneipe, in der wir uns kennengelernt haben und über viele Jahre Stammgäste waren, inzwischen ebenso persona non grata ist wie ich und insgesamt in dem Milieu, aus dem dieses Lokal seine Kundschaft schöpft, als "rechtsoffener Wagen-Knecht" gilt, wie er selbst sagte. "Ja, ich habe das mit Interesse verfolgt", merkte ich an, worauf er lachte und sagte "Ja, das glaub' ich, dass du das mit Interesse verfolgt hast." Kurz, es war ein rundum erfreuliches Wiedersehen; auch sonst war die Stimmung bei "Suppe & Mucke" gut, auch das Wetter wurde doch noch unerwartet sommerlich. 


In durch hohe Zäune abgetrennten Bereichen des RAW-Geländes fand Public Viewing zur Fußball-EM statt (erst Schweiz gegen Ungarn, dann Spanien gegen Kroatien); das interessierte mich ja wider Willen schon ein wenig, aber wesentlich interessanter war dann doch, dass es auch auf diesem Festival ein Kreativangebot für Kinder gab: 



Zunächst dachte ich, es handle sich lediglich um eine Ausstellung, aber als wir den Hinweisschildern folgten, gelangten wir zu einer Werkstatt, in der Kinder allerlei Gebrauchtmaterialien mit einer Heißklebepistole zu Leibe rücken durften. 


Oder auch die Eltern: Unser Jüngster wünschte sich einen Elefanten, also bastelte meine Liebste ihm einen Elefanten. 

Nach dem Motto: Man wächst mit den Anforderungen, die die Kinder an einen stellen. 

Hier noch mal aus einem anderen Blickwinkel, damit man sieht, dass der Elefant auch ein Schwänzchen hat. In einem früheren Leben war es ein Karabinerhaken.

Kunst zum Anschauen gab es aber auch nicht zu knapp. 







Davon abgesehen geht es bei "Suppe & Mucke" naturgemäß vor allem um zwei Dinge, nämlich zum einen Suppe und zum anderen Mucke; und beide waren gut. Wie ich schon mal geschildert habe, ist es wesentlich für das Konzept dieses Festivals, dass diverse soziale und/oder ökologische Initiativen und Projekte dort ihre Arbeit vorstellen, wobei es eine unerlässliche Teilnahmebedingung ist, dass es anders jedem Infostand eine Suppe gibt (gegen Spende). Ich kostete mindestens fünf verschiedene Suppen und meine Liebste wohl noch mehr. Was die Mucke angeht, wurde auf mindestens drei auf dem Gelände verteilten Bühnen musiziert; die größte war die Bühne am Blechpalast, dort hörten wir eine Weile einer Band namens Mishmosh zu, die ihren Stil als "KlezHop" bezeichnet – also als Mischung aus Klezmer und HipHop. Hat was. 

Hier ist der Name der Band falsch geschrieben. 


Übrigens trug ich an diesem Tag, ohne dass ich mir dabei etwas Besonderes gedacht hätte, ein T-Shirt, das meine Liebste mir zum Abschluss unseres gemeinsam bewältigten Jakobswegs in Santiago de Compostela gekauft hat; darauf zu sehen sind zwei verpflasterte Füße und der spanische Schriftzug "Sin dolor no hay gloria" ("Ohne Schmerz kein Ruhm"). Während des Aufenthalts auf dem RAW-Gelände hatte ich mehrmals den Eindruck, dass Leute, die ich nicht kannte, diesen T-Shirt-Aufdruck aufmerksam und etwas misstrauisch beäugten; vielleicht verstanden sie Spanisch, vielleicht wunderten sie sich nur über die Füße. Ich würde mal sagen, ich habe durchaus T-Shirts im Schrank, deren Motive geeignet wären, noch wesentlich kontroverse Reaktionen hervorzurufen. 

Ach ja, und à propos "Leute, die ich nicht kannte": Außer den Bekannten, die ich gleich beim Betreten des Festivalgeländes getroffen hatte, begegnete ich vielleicht noch einer Handvoll Leute, die ich "vom Sehen her" kannte; insgesamt blieb damit auch dieses Festival, was den Punkt "Leute von früher wiedersehen" angeht, deutlich hinter den Erwartungen zurück. Wie ich schon mal erwähnt habe, war ich schon beim ersten "Suppe & Mucke"-Festival in Berlin, im Jahr 2009, nicht nur als Besucher mit von der Partie, sondern hatte da sogar einen Auftritt auf der Kleinkunstbühne. Auch in den verschiedenen Clubs auf dem RAW-Gelände, so im "Lovelite" und im "Cassiopeia", hatte ich in den Nuller und Zehner Jahren ein paar Auftritte oder war auf Partys. Ich frage mich manchmal, was aus den ganzen Leuten geworden ist, mit denen ich mir damals regelmäßig die Nächte um die Ohren geschlagen habe. Ob die sich damals wohl hätten träumen lassen, dass ich anno 2024 immer noch zur "Fiesta Kreutziga" und zu "Suppe & Mucke" gehen würde, sie aber nicht? Dem einen oder anderen dieser Leute würde ich eigentlich gern mal meine Frau und meine Kinder vorstellen.