Am Freitag hatte meine Liebste morgens Unterricht, nachmittags musste sie zur Verleihung der Abiturzeugnisse und abends zum Abiball, und die Zeitfenster dazwischen waren jeweils so knapp bemessen, dass es nicht praktikabel erschien, zwischendurch mal nach Hause zu kommen. Das Ergebnis war, dass unser Jüngster so lange von seiner Mami getrennt war wie noch nie zuvor in seinem jungen Leben, und zum Ausgleich hing er die nächsten zwei Tage nahezu ununterbrochen an ihr. – Am Sonntag schafften wir es diesmal pünktlich zur Messe in St. Joseph Siemensstadt. Der Pfarrvikar, dem das schwüle Wetter sichtlich zu schaffen machte, bekannte zur Begrüßung, er sei völlig unvorbereitet, nachdem er das ganze Wochenende mit Taufen beschäftigt gewesen sei: "Heute ist der 12. Sonntag im Jahreskreis, mehr weiß ich nicht. Macht nichts – schauen wir auf den Herrn." Vor dem Hintergrund dieser Ankündigung wirkte die Predigt, die er dann hielt, nur umso eindrucksvoller. Gut, ich habe es bei diesem Priester auch schon erlebt, dass er bei Andachten oder sonstigen Geneindeveranstaltungen geistliche Impulse in der Form gestaltet, dass er die Bibel aufs Geratewohl an irgendeiner Stelle aufschlägt, ein paar Verse vorliest und dazu dann eine kurze Auslegung gibt. Eine profunde Bibelkenntnis ist dafür natürlich hilfreich, und die hat er; dass in seinen Schriftauslegungen die Querverbindungen zwischen Altem und Neuem Testament und der Zusammenhang zwischen dem Bibeltext und der kultischen Praxis des alten Judentums regelmäßig eine wichtige Rolle spielt, ist wohl charakteristisch für seine Verwurzelung im Neokatechumenalen Weg. Aber erlerntes Wissen, so beeindruckend es sein mag, ist nicht das Entscheidende: Was diesen Priester zu einem so guten Prediger macht, ist in erster Linie der Umstand, dass er glaubwürdig die Haltung verkörpert, es gehe nicht darum, was er zu sagen hat, sondern darauf zu hören, was Gott zu sagen hat. – Meine persönliche Take-Home-Message der Predigt von diesem Sonntag lautet jedenfalls: Im Grunde muss man sich in seinem Leben nur um eine Sache kümmern – nämlich darum, Raum zu schaffen, damit der Heilige Geist wirken kann. Dann wird einem (wie es ja auch in Mt 6,33 heißt, auch wenn das nicht der Predigttext war) tatsächlich "alles andere dazugegeben".
Am Sonntagnachmittag sah ich mir mit dem Tochterkind eine Preview-Vorstellung des neuen DreamWorks-Animationsfilms "Ruby taucht ab" an, der eigentlich erst heute in die Kinos kommt. Auch wenn der Film sich für mein Empfinden etwas mehr auf Action und optische Effekte verlässt, als der Handlung gut getan hätte (meiner Tochter war er dadurch stellenweise zu aufregend und auch zu gruselig), fand ich ihn doch interessant genug, um prompt eine Rezension zu verfassen, von der ich hoffe, dass sie in der Online-Ausgabe der Tagespost Platz finden wird. Schauen wir mal!
Am Dienstag hatte das Tochterkind einen Probe- bzw. Eingewöhnungstag an ihrer zukünftigen Schule (irre, wie schnell die Kinder groß werden – aber diese Erfahrung machen wohl alle Eltern), und während dieser Zeit war ich mit unserem Jüngsten allein unterwegs. Ausgerechnet während er im Kinderwagen Mittagsschlaf hielt, wurden wir von einem heftigen Regenschauer überrascht, und die nächstgelegene Möglichkeit, sich unterzustellen, bot die Kirche St. Joseph Tegel. Nachdem ich dort eine Weile auf das Ende des Regens gewartet hatte, wachte der Lütte auf und überredete mich erst einmal dazu, für jeden von uns eine Opferkerze anzuzünden; und dann fragte er mich herausfordernd: "Tanzen? Musik anmachen?" Ich hatte aber meine mobile Lautsprecherbox gar nicht dabei, und das war vielleicht auch besser so, denn schon einige Zeit vorher war das ehrenamtliche Faktotum der Gemeinde aus der Sakristei gekommen und hatte kritisch geguckt. Vor einiger Zeit hat dieselbe Frau mich mal bei einer meiner Guerilla-Andachten mit Lobpreismusik in ebendieser Kirche "erwischt" und mich kurzerhand rausgeschmissen; da hatte ich mich hinterher geärgert, dass ich so folgsam das Feld geräumt hatte, anstatt ihr vorzuschlagen, sie könne ja die Polizei rufen, dann würden wir ja sehen, was die von der Idee hielte, jemandem in einer öffentlich zugänglichen Kirche das Beten zu verbieten. Trotzdem war ich nicht unbedingt erpicht darauf, eine Wiederholung dieser Situation zu provozieren. (Die Dame war, soviel ich weiß, früher mal Gemeindereferentin o.ä., und im Ruhestand macht sie weiterhin ehrenamtlich Küsterdienst und gelegentlich auch Wortgottesdienste oder Andachten; ein paar davon habe ich miterlebt und fand es einigermaßen skurril, dass sie einerseits in der Mantelalbe einen auf Frauenpriestertum macht, andererseits aber in Inhalt und Stil bedeutend konservativer 'rüberkommt als die derzeitige Leitung der Pfarrei. Na schön, jedem Tierchen sein Pläsierchen, aber dass sie ernsthaft überzeugt zu sein scheint, diese Kirche gehöre ihr, geht mir dann doch ein bisschen weit.) – Wie dem auch sei, der Wunsch meines Sohnes nach "Musik anmachen und tanzen" hat für mich einmal mehr unterstrichen, dass es Zeit wird, das Projekt "Lobpreis mit dem Stundenbuch" wieder aufzugreifen, wenn auch wohl lieber in einer anderen Kirche. – Ehe wir wieder gingen, nahm der Junior sich das "Boni Kids"-Magazin mit; im Kinderwagen blätterte er eifrig darin und blieb schließlich bei einem Artikel über die liturgischen Farben hängen. Angesichts der Abbildungen in diesem Artikel fing er prompt an zu singen: "Halleluja, halleluja, halleluja, Amen..." Ich sag mal: Wenn der Knabe ein bisschen größer ist, ist er ein Fall für den Kinderchor...!
Neues aus Synodalien spezial: Die Nacht der Acht
Offenbar unironisch gemeintes Werbebanner der Evangelischen Kirche Spandau; passt aber auch als Symbolbild zur "Nacht der Acht" in Butjadingen, finde ich. |
Die Butjenter Regenbogenflaggen-Affäre geht weiter: Am vergangenen Wochenende war in sechs evangelischen und zwei nominell katholischen Gotteshäusern der beschaulichen Nordseehalbinsel zwischen Weser und Jade wieder "Nacht der Acht". Wie ich vor ein paar Monaten schon mal schrieb: "'Die Nacht der Acht' ist übrigens auch der Titel eines für Jugendliche ab 14 Jahren geschriebenen Horror-Thrillers von Philip Le Roy; 'Ein Abend, der zum Horrortrip wird', heißt es in der Verlagswerbung. Das passt ja." – Im vorliegenden Fall handelt es sich hingegen um eine PR-Aktion der örtlichen Kirchengemeinden, bei der es, der (leider größtenteils hinter Bezahlschranken verborgenen) Berichterstattung der lokalen Presse zufolge, in "allen Kirchen [...] unterschiedliche Aktionen" gab – ein "tolles und abwechslungsreiches Programm". Während die beteiligten evangelischen Kirchengemeinden allem Anschein nach eher auf gesellige und kulturelle Angebote setzten ("Hier konnten Familien Spiele spielen, dort konnten Interessierte tief in die Geschichte Butjadingens eintauchen", wiederum anderswo wurden "Himmlische Musik und Psalm-Rap" geboten), nutzte ausgerechnet die katholische Pfarrei, wie schon im Vorjahr, die Gelegenheit, sich als "LGBT-affirming" zu positionieren und im Kielwasser des Schismatischen Wegs einen Segen für Alle anzubieten – einen Segen "unter den Farben des Regenbogens", wozu einmal mehr die Gestaltung des Altarraums der Kirche Herz Mariae in Burhave den Vorwand liefern musste. Diese Farce (um mal keinen schlimmeren Ausdruck zu gebrauchen) fand also ausgerechnet in einer Kirche statt, die dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht ist; ausgerechnet in einer Kirche, die mit dem Herzblut und den Spargroschen schlesischer Heimatvertriebener errichtet wurde; man kann gar nicht so oft "ausgerechnet" sagen, wie man möchte. Angesichts des Ausmaßes von Scham- und Gewissenlosigkeit, das die Verantwortlichen der Pfarrei hier offenbaren, fehlen mir wirklich die Worte, oder zumindest die nicht-justiziablen. Auf der Facebook-Seite von "Willi's – Die Urlauberkirche", die die Aktion fotografisch dokumentiert hat, genügte schon das Wort "unfassbar", garniert mit einem "explodierender Kopf"-Emoji, um gesperrt zu werden.
Die Fotos sind jedenfalls recht aufschlussreich: Wie man dort sieht, wurde vor dem Altar offenbar eine Art Zimmerspringbrunnen aufgestellt, mit dessen Wasser (fragen wir lieber gar nicht erst, ob es sich um Weihwasser handelte) die Besucher dee Kirche sich selbst oder gegebenenfalls gegenseitig segnen konnten und sollten. Im Ernst. Auf einem an der Kirchentür angebrachten Zettel war zu lesen:
So armselig, so billig, so dumm. – Man könnte hier einwenden, wenn eine solche Aktion gut gemacht wäre, wäre es in gewissem Sinne noch schlimmer. Rational könnte ich diesen Einwand nachvollziehen, aber intuitiv empfinde ich gerade das lustlos hingerotzte Erscheinungsbild dieser Aktion als ein zusätzliches Ärgernis. – Nach Lage der Dinge schätze ich, es dürfte wenig aussichtsreich sein, sich beim zuständigen Bistum über diese Machenschaften zu beschweren. Man könnte sich vielleicht beim Apostolischen Nuntius beschweren, aber ich denke, ich gehe gleich noch eine Etage höher und beschwere mich direkt bei Gott. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf mein Gebet für die Pfarrei St. Willehad hinweisen.
- zu Studienzwecken: Otto Knoch, Die Welt im Wort der Bibel. Vortrag beim 82. Deutschen Katholikentag in Essen 1968.
Wer war noch gleich Otto Knoch? War es der mit dem Mops, der kotzt? Nee, Quatsch. Otto Knoch (1926-1993) war Priester im Bistum Rottenburg und von 1959-72 Direktor des Katholischen Bibelwerks in Stuttgart; später wurde er u.a. Sekretär der Unterkommission für Biblische Fragen bei der Deutschen Bischofskonferenz. Und seine Aufgabe im Rahmen des Katholikentagsforums "Diese Welt und Gottes Wort" bestand offenkundig darin, die biblischen Grundlagen für das in der Nachkonzilszeit sehr prominente Ansinnen einer Hinwendung der Kirche zur Welt zu klären. Dabei geben schon seine einleitenden Worte auf bemerkenswerte Weise die Richtung vor: "Mit der Entwicklung der Naturwissenschaften und der Technik scheint sich ein ungeheures Dilemma für den gläubigen Christen, für die Lehre der Kirche aufgetan zu haben: Kann der Christ sich guten Gewissens an dieser Hinwendung zur Welt, zum Diesseits, zur Materie beteiligen?" Ja Moment mal, möchte man da direkt einwenden: Wenn und insoweit es für den Christen ein "Dilemma" ist, dass er "in dieser Welt", aber zugleich "nicht von dieser Welt" sein soll, dann war es das schon immer und nicht erst neuerdings; wieso sollte man annehmen, dass die "Entwicklung der Naturwissenschaften und der Technik" da eine signifikant neue Qualität hineinbrächte? Die folgenden Sätze machen jedoch deutlich, wieso Knoch das meint: nämlich weil er die Hinwendung zur Welt dezidiert als eine Hinwendung zum technokratischen Geist der Epoche auffasst. Darf der Mensch, so fragt Knoch, "all seine Energie für die Erforschung und Beherrschung der Welt aufwenden? Ist denn die Schaffung immer neuer Möglichkeiten, das Leben angenehmer zu gestalten, der Seele des Menschen förderlich? Ist dem Menschen erlaubt, alle Bereiche der Welt, auch den Menschen selbst, seinem Erkenntnisdrang zu erschließen? Darf der Mensch die Zukunft auch in Hinsicht auf Zahl und Art [!] der Menschen planen und, z.B. durch Eingriffe in den Erbgang, beeinflussen? Ist das Streben nach Reichtum, Genuss und angenehmem Leben gottwohlgefällig?" Und die alles entscheidende Frage: "Wird das alles durch die Vergänglichkeit nicht als Versuch entlarvt, sich selbst zu erlösen?"
"Lehrt nicht die Bibel: 'Habet nicht lieb die Welt und was in der Welt ist! ... Denn alles, was in der Welt ist, ist Fleischeslust, Augenlust und Protzsucht. Die Welt aber vergeht mitsamt ihrer Lust' (1 Jo 2,16) und 'Die ganze Welt liegt im argen' (1 Jo 5,19)? Bedeutet nicht 'Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott' (Jak 4,4), weil diese Welt unter der Macht von Tod, Sünde und Satan steht, dem 'Fürsten dieser Welt' (Jo 12,31; 14,30; 16,11), dem 'Gott dieser Weltzeit' (2 Kor 4,4)? Gibt es daher nicht eine unaufhebbare Spannung zwischen den 'Kindern dieser Welt' und den 'Kindern des Lichts' (Lk 16,8)? Fordert demnach Paulus nicht mit Recht: 'Die Zeit ist kurz. Fortan sollen alle jene, die eine Frau haben, sich so verhalten, als hätten sie keine, und die weinen, als weinten sie nicht, und die sich freuen, als freuten sie sich nicht, die kaufen, als behielten sie nichts, und die mit der Welt verkehren, als verkehrten sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt ist am Vergehen' (1 Kor 7,29-31)?"
"Ist also der Gewinn des ewigen Lebens, die Aufnahme in dem Himmel nicht das allein bleibende Ziel menschlichen Bemühens? Kann die Welt, so betrachtet, mehr sein als ein Ort des Kampfes, der Mühsal, des Kreuzes, der Versuchung, der Entsagung und Bewährung? Lohnt es überhaupt, sich für das Diesseits über das hinaus einzusetzen, was man zum Leben braucht? Ist demnach Weltenthaltung, Weltverachtung, Weltflucht und Weltüberwindung nicht die für immer gültige Forderung an jeden vernünftigen, gewissenhaften Menschen?"
Die Herrlichkeit Gottes verleiht Leben. Die Gott schauen, erhalten Anteil am Leben. Deswegen macht sich der unfassbare, unbegreifliche und unsichtbare Gott sichtbar, begreifbar und fassbar für die Menschen, um ihnen Leben zu schenken, wenn sie ihn durch den Glauben aufnehmen und sehen. Die Menschen werden Gott sehen, damit sie leben, durch die Schau unsterblich werden und zu Gott gelangen.
(Irenäus von Lyon, Gegen die Irrlehren)
Ohrwurm der Woche
Small Faces: Itchycoo Park
Eine ganz andere Anmerkung fällt mir zu diesem Lied aber auch noch ein, und zwar konkret zu der Textstelle "You can miss out school / won't that be cool". Ich habe in letzter Zeit öfter darüber nachgedacht, was ist eigentlich aussagt, dass es in unserer Gesellschaft als so allgemein anerkannt und selbsterklärend gilt, dass die Schule ein Ort ist, an den man nicht gern geht, und dass es ein Grund zur Freude ist, wenn man aus irgendwelchen Gründen nicht hinmuss. Dass das keineswegs so selbstverständlich ist, sehe ich an meiner Tochter: Die freut sich auf die Schule. Nach den Sommerferien geht's los. Man darf gespannt sein...
Der Ohrwurm der Woche erinnert mich spontan an mein Foto im Führerschein von 1978. Danke dafür.
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