...mit gelegentlichen Abstechern nach Nordenham bzw. Butjadingen! Brainstorming für eine christliche Graswurzelrevolution - von Kneipenapostolat bis Punkpastoral, von "Benedict Option" bis Dorothy Day (und zurück). Nicht Sandsäcke auftürmen, sondern eine Arche bauen. Politik wird uns nicht retten.
Spulen wir mal ein paar Wochen zurück: Am Mittwoch der zweiten Osterwoche ging ich, wie so oft mittwochs, mit meinem Jüngsten in St. Marien Maternitas in Heiligensee in die Messe, und diese wurde wieder einmal von Pater Mephisto zelebriert. Über diesen Geistlichen habe ich schon mal geschrieben, man habe bei ihm manchmal den Eindruck, er entscheide morgens vor dem Spiegel ganz spontan, was für eine Art von Priester er heute sein wolle; und an dem besagten Mittwoch war er offenbar mal wieder in seine liberale Erscheinungsform geschlüpft.
Zu Beginn seiner kurzen – nur ungefähr drei Minuten langen – Predigt nahm er auf das Rosenkranzgebet Bezug, das der Messe vorangegangen war und bei dem, wie vielerorts üblich, am Ende jedes Gesätzes das "Fatima-Gebet" ("O mein Jesus...") gesprochen worden war; speziell ging es ihm dabei um den Satz "Bewahre uns vor dem Feuer der Hölle". Dies sei, so meinte er, "ein Gedanke, der heutzutage Vielen nicht mehr so ganz nachvollziehbar ist oder den man ein bisschen von sich wegweist": Der "Gedanke der Höllenstrafe" sei "unsa ein bisschen fremd geworden". Was wahrscheinlich eine realistische Einschätzung ist, aber dann fügte er hinzu "Und das ist auch gut so" – und genau in dem Moment fiel, ohne erkennbare äußere Ursache, das Gotteslob von seinem Priestersitz. Rumms. Ist ja mal ein Statement, dachte ich insgeheim.
Tags darauf, am Fest Hl. Josef der Arbeiter, war in St. Joseph Tegel Patronatsfest; wie bereits berichtet, wurde die Festmesse von Pater Brody zelebriert, die Predigt hielt jedoch der Diakon. Der Mann mit der progressiven Eisenfaust im Samthandschuh. Okay, vielleicht tut ihm diese Beschreibung schon zu viel Ehre an, aber jedenfalls weiß ich bei ihm immer nicht, was mir eigentlich mehr gegen den Strich geht: die Positionen, die er inhaltlich vertritt, oder der sanft-säuselnde Stil, in dem er sie vorträgt. – Das Evangelium zum Fest Hl. Josef der Arbeiter war Matthäus 13,54-58, die Ablehnung Jesu in seiner Heimat; und in der Predigt über diesen Text ging der Diakon von der Annahme aus, die Nazarener hätten Jesus deshalb nicht für voll genommen, weil er sozusagen "aus einfachen Verhältnissen" kam. Ein Fall von "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern", wenn man so will. Ich halte es ja eher für zweifelhaft, ob der Text diese Deutung wirklich hergibt oder ob das nicht eher Eisegese als Exegese ist; umso mehr gilt es, sich zu fragen: Worauf wollte der Prediger mit dieser Deutung hinaus? Die Antwort auf diese Frage ist, wenn man diesen Diakon und/oder andere Leute seines Schlages kennt, keine Überraschung: Es ging darum, der Kirche vorzuwerfen, sie sei – zumindest früher™️, was wahlweise "bis zum II. Vatikanischen Konzil", "bis zu Papst Franziskus" oder "bis zum Synodalen Weg" bedeuten kann – nicht "jesuanisch" genug (gewesen). Die aus den "Kindheitstagen" des Diakons stammende Erinnerung an einen Seelsorger, der sich "hochgearbeitet" hatte und dadurch einen "Standesdünkel" entwickelt hatte, weshalb die Eltern des Diakons, "selbst kleine Leute", über ihn zu sagen pflegten "Der hat doch seinen Geburtsschein vergessen", wird da gewissermaßen pars pro toto als symptomatisch für die Kirche insgesamt herausgestellt: "Manchmal könnte man durchaus glauben, die Kirche habe ihren Geburtsschein vergessen. So als wolle sie nicht mehr wissen, woher Jesus kam. Ja als schäme sie sich des einfachen Jesus und seiner einfachen Eltern." Inwiefern? "Die Herkunft der Familie Jesu", so meinte der Diakon, sei "schon früh verdrängt worden. Nur die Evangelien" – mit anderen Worten: "nur"die am weitesten verbreiteten, am häufigsten kopierten Texte der gesamten Antike! – "berichteten immer wieder vom Menschen Jesus, seiner Herkunft, seinem Leben, seinem Leiden und seinem Sterben. Vergessen wurde jedoch immer mehr, wer der Mann aus Nazaret war: ein einfacher Mensch." Und: "Die Kirche jedoch gewann Macht und Reichtum, und mancher Nachfolger des Fischers vom See Gennesaret fühlte sich als der Herr der Welt."
Soweit, so plump; es sollte aber noch blöder kommen. "Intellektuelle waren sie nicht", urteilte der Diakon über die Familienangehörigen Jesu; "auch Jesus nicht. Sie lebten wohl eher aus ihrem Gefühl heraus, ohne groß darüber nachzudenken, wie es einfache Leute eben oft tun." Ach so? "Und Jesus tat es ihnen gleich. Er wollte ja nicht gelehrt sein. Er redete über Gott wie über Essen und Trinken. Oder er erzählte von Ackerbau und Viehzucht und sagte damit etwas über den Himmel. Das Gesetz, die Staatsräson, die scherten ihn nicht. Der einzelne sollte leben können und dürfen."
Jesus, wie der Diakon von St. Klara ihn sich vorstellt (Abb. ähnlich)
Vor dem Hintergrund eines derartigen Blödsinns bekommen selbst Aussagen der Predigt, die an sich nicht verkehrt sind – etwa: "Unser Platz soll auf der Seite der Kleinen und Armen sein. Das ist es auch, was uns Papst Franziskus in den letzten zwölf Jahren täglich gezeigt hat" – eine bedenkliche Schlagseite; wie man z.B. daran sehen kann, dass unmittelbar auf die zuletzt zitierten Sätze diese hier folgten:
"Dann bauen wir nicht immer größere Gebäude aus 'Du sollst' und 'Du darfst nicht', sondern wir freuen uns, wenn Menschen Luft und Lust haben zu leben, wenn sie frohen Herzens sich für ihr Leben entscheiden."
Wie ich neulich schon schrieb: Hätte ich kommen sehen, dass der Diakon in dieser Messe predigen würde, hätte ich vorsorglich eine Kiste angematschter Tomaten zum Werfen mitgenommen. – In anderer Hinsicht ärgerlich waren die Fürbitten, die von einer (ebenfalls schon öfter erwähnten) pensionierten Gemeindereferentin in Mantelalbe vorgetragen wurden. Wer auch immer für die Auswahl der Fürbitten in dieser Messe verantwortlich war, hatte sich offenbar gedacht, die Tatsache, dass der 1. Mai ein politischer Feiertag ist – und auch die Stiftung des Festes Hl. Josef der Arbeiter durch Papst Pius XII. im Jahr 1955 unschwer die Absicht erkennen lässt, dem säkularen Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse ein religiöses Pendant aus dem Geist der Katholischen Soziallehre gegenüberzustellen –, rechtfertige es oder verlange sogar, bei den Fürbitten nicht nur so gut wie ausschließlich politische Themen anzusprechen, sondern sich darüber hinaus auch noch in den Formulierungen am gängigen Politikerjargon zu orientieren. "Für den sozialen und gesellschaftlichen Frieden in unserem Land" wurde an erster Stelle gebetet, und dann wurde das weiter ausdifferenzert:
"Um Ehrlichkeit und Anstand in der Politik; dass um Gemeinsames gerungen wird, statt Trennendes zu provozieren." – "Bitten wir für die Menschen, die in Deutschland Zukunft suchen; dass wir menschenwürdige und richtige Lösungen für sie finden." – "Bitten wir für alle, die Arbeit suchen, für alle, die Sorge um ihren Arbeitsplatz haben, für alle, die in prekären Arbeitsverhältnissen stecken." – "Bitten wir für unsere Schulen, für unser Bildungssystem; bitten wir für die Lehrer, aber auch für die Eltern und die Kinder, dass alle gemeinsam gute Weichen für die Zukunft stellen." – "Für die alten Menschen, die Pflegebedürftigen, die Kranken; dass unser Gesundheitssystem, aber auch unser Sozialsystem nicht ausgehöhlt, aber auch nicht ausgenützt wird."
Dazu eine spontane Assoziation: Rod Dreher erwähnte unlängst in seinem Substack-Newsletter, er habe es einmal, als er noch für die New York Post schrieb, erlebt, dass ein Redakteur eine Kolumne über den Gottesdienstbesuch in evangelikalen und charismatischen Gemeinden mit der Begründung abgelehnt habe, Religion sei nur relevant, sofern sie sich mit Politik überschneide. Ich habe manchmal den Eindruck, diese Auffassung ist hierzulande sogar und gerade innerhalb der Kirche selbst arg verbreitet, bis hinauf zur Deutschen Bischofskonferenz.
– Am darauffolgenden Mittwoch wurde, wie ich ebenfalls bereits zu Protokoll gegeben habe, die Messe in St. Marien Maternitas von einem Gastpriester gehalten, der gebürtig aus der dortigen Gemeinde stammt, aber im Erzbistum München und Freising inkardiniert ist. Auf der Basis dessen, wie ich ihn bei früheren Gelegenheitenerlebt habe, würde ich sagen, er ist nach den üblichen Kriterien des innerkirchlichen Lagerdenkens ziemlich eindeutig als konservativ einzuordnen. – In seinen Begrüßungsworten ging er auf die besondere Bedeutung der Osterzeit im Kirchenjahr ein: So sei die Osteroktav "eine ganze Woche, die gewissermaßen wie ein Tag gefeiert wird: Die Zeit bleibt stehen, und wir können uns innerlich vergewissern, dass das Leben aus der Ewigkeit kommt, dass wir mit der Ewigkeit verbunden sind – dass wir mit dem Ewigen, mit Gott selber verbunden sind. Und nach dieser Osteroktav geht Ostern weiter bis Pfingsten. Wir werden immer tiefer eingeführt in das Geheimnis der Auferstehung, immer tiefer eingeführt auch in die Begegnung mit Jesus."
In meinem Wochenbriefing zur betreffenden Woche hatte ich festgehalten, der Priester habe an diesem dritten Mittwoch der Osterzeit "eine schöne Osterpredigt" gehalten, "die allerdings weder auf die Lesungstexte vom Tag noch auf das Konklave Bezug nahm", das am selben Tag begann; bezüglich der Lesungstexte muss ich diese Aussage indes etwas revidieren: Im letzten Drittel der nicht ganz fünf Minuten langen Predigt stand dann doch ein Vers aus dem Tagesevangelium im Mittelpunkt, genauer gesagt ein Teil eines Verses, nämlich Johannes 6,35a: "Ich bin das Brot des Lebens". Damit, so führte der Priester aus, sage Jesus im Grunde: "Ihr könnt mich verinnerlichen, ich komme tief in euer Leben hinein, ich werde eins mit euch." Weiter hieß es in der Predigt, der Mensch werde "im Grunde von Jesus erhoben zu diesem erlösten Kind Gottes, indem wir Ihn verinnerlichen, indem wir Ihn konsumieren, indem wir Ihn essen." Und schließlich: "Diese Heilige Kommunion – Kommunion bedeutet ja Gemeinschaft; Gemeinschaft mit Gott, Gemeinschaft mit Jesus, aber auch gerade durch die Gemeinschaft mit Jesus eine innige Gemeinschaft untereinander –, gerade diese Kommunion ist es, die eben im Grunde das Leben ausmacht. Und keiner von uns, der nachher die Kommunion empfangen hat, der jetzt das Wort Gottes hört, geht einsam nach Hause."
Ich bin geneigt zu sagen, wenn man die Predigt dieses Gastpriesters mit der des Diakons am 1. Mai vergleicht, dann möchte man kaum glauben, dass es sich um dieselbe Religion handelt; und einige hartnäckige Stimme in meinem Inneren fügt hinzu: Das ist es ja im Grunde auch nicht. So viel mal zum Stand des "Schmutzigen Schismas", deren Auswirkungen die Gläubigen selbst innerhalb derselben Pfarrei ausgesetzt sind; und zweifellos ist das ein Problem, das sich nicht auf die eine, hier exemplarisch in den Blick genommene Pfarrei beschränkt. – Die erste Messe unter dem Pontifikat Leos XIV., die ich im Gebiet der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd miterlebte, war wiederum an einem Mittwoch in Heiligensee, und diese wurde von dem aus Nigeria stammenden Pfarrvikar zelebriert. Den mag ich ja bekanntlich sehr, und auch wenn er, wie schon mal erwähnt, in der jüngeren Vergangenheit gelegentlich eine für mein Empfinden allzu große Kompromissbereitschaft gegenüber der deutschsynodal-postchristlichen Fraktion an den Tag gelegt hat, zweifle ich doch nicht grundsätzlich daran, dass er in Hinblick auf das "Schmutzige Schisma" ebenfalls auf der rechtgläubigen Seite steht. Predigen wollte er an diesem Mittwoch, wie er einleitend sagte, eigentlich "nur zwei Minuten", es wurden dann aber doch knapp fünf draus – wobei man durchaus feststellen kann, dass nur ungefähr zwei Minuten der Auslegung (oder, ehrlich gesagt, eigentlich eher einer Paraphrase) des Evangeliums galten und der Rest dem neuen Papst gewidmet war. Schon in seinen Begrüßungsworten hatte der Pfarrvikar erklärt: "Wir haben Grund, Gott zu danken, besonders dass wir einen neuen Papst haben." Hinzugefügt hatte er, im Pastoralteam der Pfarrei gebe es jemanden, der den neuen Papst "sehr, sehr gut kennt" – und das ist... Trommelwirbel... Pater Mephisto. Näheres hierzu konnte man wenig später auf dem Instagram-Auftritt der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd erfahren, nämlich, dass der heutige Leo XIV. im Jahr 2011, damals in seiner Eigenschaft als Generalprior des Augustinerordens, seinen bis dahin in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) tätig gewesenen Ordensbruder Pater Mephisto als Ordensökonom nach Rom berief. Nun könnte man natürlich meinen, wenn jemand wie Pater Mephisto dem neuen Papst auf der Basis persönlicher Bekanntschaft und Zusammenarbeit ein positives Zeugnis ausstellt, dann werfe oder würfe das ein eher zweifelhaftes Licht auf diesen; diese Sichtweise möchte ich mir aber nicht zu eigen machen – und dies nicht nur, weil ich mir meinen bisher sehr positiven Eindruck von Papst Leo XIV. nicht durch sowas kaputtmachen lassen will, sondern auch, weil ich Pater Mephisto als jemanden kennengelernt habe, der durchaus fähig ist, Wertschätzung für Menschen zu empfinden und auszudrücken, die nicht unbedingt "auf seiner Linie" sind. Ganz davon zu schweigen, dass man bei ihm, wie schon gelegentlich angedeutet, ohnehin nie so ganz sicher sein kann, was für eine "Linie" das eigentlich ist.
Aber noch einmal zurück zu dem besagten Instagram-Beitrag: Diesem kann man auch entnehmen, dass der jetzige Papst Leo XIV. tatsächlich schon mal hier, also in Berlin-Reinickendorf, war; genauer gesagt in St. Rita, wo es ja ein Augustinerkloster gibt, dem bis 2012 auch die Seelsorge für die damals noch selbständige Pfarrei St. Rita oblag. Im Jahr 2004 besuchte der damalige Augustiner-Generalprior und jetzige Papst St. Rita im Rahmen einer Ordensvisitation und konzelebrierte bei dieser Gelegenheit auch bei einer Familienmesse zum Dreifaltigkeitssonntag. Es gibt Fotos!
Was bleibt nun noch zu sagen, um diesen Artikel "rund" zu kriegen? Ich könnte noch auf den RBB-Rundfunkgottesdienst vom Weißen Sonntag eingehen, der in St. Bernhard Tegel-Süd aufgenommen wurde und bei dem der leitende Pfarrer der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd die Predigt hielt; aber diese Predigt – die man online nachhören oder –lesen kann, wenn man denn wirklich will – ist dermaßen banal und zugleich geschwätzig, dass sich wirklich jeder Kommentar erübrigt. Wenn man nichts zu sagen weiß, sollte man's vielleicht einfach lassen.
Gott zum Gruße, Leser! Aus Gründen, auf die ich weiter unten näher eingehen werde, habe ich eine vergleichsweise ruhige und ereignisarme Woche hinter mir – mit Ausnahme eines Wochenendes in Nordenham, das umso ereignisreicher war und dessen Schilderung daher den Löwenanteil dieses Wochenbriefings ausmachen wird. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass auch für diejenigen Leser, die keinen persönlichen Bezug zur schönen Wesermarsch haben, genug Interessantes dabei ist. Überzeugt Euch selbst!
Diese Wandgemälde im Altbau des Gymnasiums Nordenham wurden von Schülern im Rahmen eines Unterrichtsprojekts zum Thema Surrealismus geschaffen, irgendwann in den 1990ern, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt.
Alt sind wir geworden!
Wie bereits erwähnt, war ich am vergangenen Samstag in aller Frühe (und solo) nach Nordenham aufgebrochen, um dort an der Feier zum 30jährigen Jubiläum des Abiturjahrgangs 1995 teilzunehmen. Auf der Anreise sammelte ich eine Stunde und 20 Minuten Verspätung an, kam aber auch so noch rechtzeitig, um bei meiner Mutter zu Mittag zu essen; Treffpunkt für die Jubiläumsfeierlichkeiten war dann um 15 Uhr am Gymnasium.
Als ich dort eintraf, waren bestimmt schon so 20 Leute dort, und es wurden in rascher Folge immer mehr; bald waren es mehr als 70. Und nun begann das heitere "Wer ist wer?"-Spiel, denn sehr viele meiner früheren Mitschüler hatte ich tatsächlich fast 30 Jahre lang nicht gesehen, oder höchstens mal flüchtig. Ich erkannte zwar fast alle, aber bei einigen musste ich zwei- bis dreimal hinsehen. Man muss allerdings feststellen: Während einige Leute aus meinem Abi-Jahrgang sich wirklich sehr verändert haben, ist es mindestens ebenso bemerkenswert, wie wenig sich einige andere in all den Jahren verändert haben. Erstaunlich viele sahen so aus, als hätte eine KI anhand vom 30 Jahre alten Fotos berechnet, wie sie heute aussehen müssten; und einige sahen noch nicht mal so viel älter aus. Insgesamt ging mir bei den Begegnungen mit meinen Ex-Mitschülern dennoch der Gedanke durch den Kopf: An den Anderen sieht man, wie alt man selber geworden ist. Man selbst altert unmerklich, weil einem das eigene Gesicht jeden Tag im Spiegel begegnet und man dabei natürlicherweise von Tag zu Tag keine großen Veränderungen feststellt.
Ehe ich mich nun aber in Betrachtungen über Freude des Wiedersehens mit alten Freunden und Weggefährten, über die vielen im Laufe des Nachmittags und Abends geführten Gespräche und die allgemeine Stimmung bei der Veranstaltung vertiefe, möchte ich erst einmal noch bei der Schilderung des Ablaufs verweilen. Zunächst stand nämlich ein Rundgang durch die "alte Wirkungsstätte", wie der Hauptorganisator des Jahrgangstreffens es formulierte, auf dem Programm; wie es in einem auf dem offiziellen Instagram-Account des Gymnasiums Nordenham veröffentlichten Kurzbericht durchaus treffend heißt, sorgte dies für zahlreiche "'Weißt du noch?'-Momente in Klassenräumen und auf Fluren": Das war unser Klassenraum in der Siebten, da hatten wir Latein, in dem Raum fanden immer die Nachschreibeklausuren statt... Alles in allem hatte sich im Gebäude gar nicht so viel verändert in den letzten 30 Jahren.
Diesen Raum gab's zu unserer Zeit allerdings noch nicht. Also den Raum an sich natürlich schon, aber nicht mit dieser Funktionsbestimmung.
Sehenswert fand ich nicht zuletzt den Kunstraum im Dachgeschoss des Altbaus:
Nebenbei bemerkt gibt es dort ein paar Schränke, die ich auf den ersten Blick fast für Beichtstühle gehalten hätte:
Ein weiteres Highlight des Nachmittags war die Aushändigung der Abiturklausuren: Wer im Vorfeld signalisiert hatte, daran interessiert zu sein, der konnte gegen eine Spende an den Förderverein des Gymnasiums (in freiwilliger Höhe) seine Original-Abiturklausuren samt Gutachten der Prüfungskommission in Empfang nehmen; da nach 30 Jahren das Abitur nicht mehr angefochten werden könne, bräuchten die Klausuren nicht mehr archiviert zu werden, hatte man uns mitgeteilt. Ich wollte meine definitiv haben; ich konnte mich noch erinnern, dass man bei der Deutsch-Leistungskurs-Klausur zwischen einem Aufgabenvorschlag zu Brechts "Furcht und Elend des Dritten Reiches" und einem zu Novalis' "Die Christenheit oder Europa" wählen konnte und dass ich mich als einziger für Novalis entschieden hatte, aber was ich dazu geschrieben hatte, wusste ich nicht mehr (wenn Interesse besteht, komme ich evtl. in einem zukünftigen Blogartikel darauf zurück); von meiner Englisch-Leistungskursklausur wusste ich nicht einmal mehr das Thema (wie sich zeigte, handelte es sich um einen Auszug aus der Autobiographie der ehemaligen IRA-Terroristin Maria McGuire, "To Take Arms"); und von meiner Mathe-Klausur verstehe ich heute kaum noch etwas.
Der eigentliche Party-Teil des Jahrgangstreffens fand dann in einem "Tenne" genannten rustikalen Festsaal im Nordenhamer Ortsteil Abbehausen statt, in dem unser Abi-Jahrgang schon vor 30 Jahren einige unvergessliche Partys veranstaltet hatte. Aus Gründen des Daten- bzw. Persönlichkeitsschutzes hier mal ein Foto "ohne Leute drauf":
An dem Wagenrad, das da so dekorativ von der Decke hängt, habe ich mir seinerzeit beim Pogo-Tanzen eine blutende Kopfverletzung geholt.
Die endgültige Teilnehmerzahl der Jubiläumsfeier wurde im Laufe des Abends übrigens mit 83 angegeben. Dazu ist zu sagen, dass im Jahr 1995 am Nordenhamer Gymnasium 98 Schülerinnen und Schüler das Abitur bestanden haben, zur Feier aber auch diejenigen eingeladen waren, die zwar (aus unterschiedlichen Gründen) nicht mit uns Abitur gemacht haben, aber vorher einige Jahre lang mit uns zusammen die Schulbank gedrückt hatten. Das traf auf 16 oder 17 der Jubiläumsgäste zu – was im Umkehrschluss bedeutet, dass gut zwei Drittel der tatsächlichen Absolventen des Jahrgangs zur Feier erschienen waren, eine sehr beachtliche Quote, wie ich finde.
Nun ist es bei insgesamt über 100 Leuten in einer Jahrgangsstufe wohl ganz natürlich, dass im Laufe der Schulzeit nicht alle mit allen in einem mehr als oberflächlichen Ausmaß in Kontakt kommen; manche kennt man vielleicht kaum mehr als vom Sehen, und manche mag man vielleicht auch nicht so besonders. Somit war ich – und ich hoffe, das nimmt mir insbesondere von den Beteiligten niemand übel – im Vorfeld dieses Jahrgangstreffens durchaus nicht überzeugt, dass das Wiedersehen mit meinen alten Schulkameraden durchweg erfreulich sein würde. Natürlich gab es einige, bei denen ich mich eindeutig und uneingeschränkt auf das Wiedersehen gefreut habe, und einige mehr, auf die ich zumindest gespannt bzw. neugierig war; auf der anderen Seite aber doch auch recht viele, bei denen ich mich zunächst fragte: Was habe ich mit denen eigentlich zu tun, abgesehen von der eher zufälligen Tatsache, dass wir zur selben Zeit auf derselben Schule waren? Wie gesagt: Ich denke, das ist normal. Aber gerade in dieser Hinsicht wurde ich von diesem Jahrgangstreffen positiv überrascht. Schon im Vorfeld hatte ich diesbezüglich ein paar Aha-Erlebnisse gehabt. Die Planung und Vorbereitung der Jubiläumsfeier lief im Wesentlichen über eine WhatsApp-Gruppe ab; dieser Umstand brachte es mit sich, dass alle Beteiligten Zugriff auf die Mobiltelefonnummern aller anderen hatten, und so kam es, dass ich schon in den Wochen vor der Feier zu einigen Leuten aus dem Jahrgang auch "privat", also außerhalb der WhatsApp-Gruppe, Kontakt hatte – und darunter waren durchaus auch solche, die zu Schulzeiten nicht unbedingt zu meinen engsten Freunden gehört hatten. Und nun war ich selbst überrascht, wie sehr es mich freute und bewegte, von ihnen zu hören. Es ist wohl einfach so, dass gemeinsame Erinnerungen – selbst wenn es nicht durchweg positive sind – eine starke Verbindung zwischen Menschen herstellen, stärker als man vielleicht denken würde. Diese Erfahrung haben am vergangenen Samstag, wenn nicht schon im Vorfeld, wohl viele von uns gemacht. Der Hauptorganisator des Treffens – der, ich erwähnte es schon, zufällig denselben Vornamen trägt wie ich – bezeichnete in einem WhatsApp-Gruppenbeitrag am Tag nach der Feier die Mitglieder des Abijahrgangs als "die Menschen, die mich vom Kind zum jungen Mann haben werden lassen"; das mag, gerade für das norddeutsche Gemüt, ein bisschen dick aufgetragen wirken, aber es trifft doch den Kern der Sache. Ein weiteres Zitat aus diesem Statement: "30 Jahre lang habe ich den Menschen aus meinem Umfeld erzählt, wie toll die Zeit rund ums Abitur war. Wahrscheinlich behauptet fast jeder, und das ist auch gut so, 'Mein Jahrgang war der Beste ever.' Seit gestern weiß ich aber, wir waren (und sind) es wirklich."
Übrigens gab es im Laufe der Feier auch eine Schweigeminute für fünf bereits verstorbene Mitschüler.
Was mich persönlich betrifft, habe ich sowohl einige meiner besten Freunde aus der Abi-Zeit wiedergetroffen – darunter ein paar, zu denen ich seit rund zwei Jahrzehnten überhaupt keinen Kontakt mehr gehabt hatte – als auch mit einigen anderen Ex-Mitschülern interessantere, tiefere und persönlichere Gespräche geführt als während unserer gesamten Schulzeit. Nur beiläufig sei erwähnt, dass einer meiner Jahrgangsgenossen mir mitteilte, er habe immer geglaubt, ich wäre Priester geworden... (Dabei war ich "damals", also vor 30 Jahren, deutlich "kirchenferner" als heute. Aber damit wohl immer noch in einem Maße "religionsaffin", wie es in meiner Generation eher selten und darum auffällig war.) – Eigentlich wäre das jetzt schon eine schöne Überleitung zu den weiteren Themen dieses Wochenbriefings, aber ich möchte dieses Thema nicht abschließen, ohne noch einmal festzuhalten: Es war ein sensationeller Nachmittag und Abend, ich bin sehr froh, dabei gewesen zu sein, habe mich über alle gefreut, die ich dort getroffen habe, und hoffe, bis zum nächsten Mal dauert es nicht wieder dreißig Jahre...
St. Willehad feiert Papst Leo XIV.
Mein Wochenendausflug nach Nordenham brachte es mit sich, dass ich am 4. Sonntag der Osterzeit in der Nordenhamer Pfarrkirche St. Willehad die Messe besuchte. Es war, wohlgemerkt, der erste Sonntag unter dem Pontifikat Leos XIV., und wie sich zeigte, hatte das erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Messe. Zelebriert wurde sie, wie ich bereits dem Gemeindeblatt "Willehad aktuell" entnommen hatte, glücklicherweise von Pastor Kenkel; Diakon Richter wirkte ebenfalls mit, u.a. trug er das Evangelium vor, die Predigt kam aber vom Zelebranten, und ich schätze, das war gut so. Auch wenn ich zunächst nicht sehr erbaut war, als zu Beginn der Predigt der Projektionsschirm im Altarraum ausgeklappt wurde.
Dieser Projektionsschirm, der an einer Wand im Altarraum befestigt ist und, solange er nicht benutzt wird, zur Wand hin weggeklappt werden kann, ist eine Errungenschaft, die Pfarrer Jasbinschek in St. Willehad eingeführt hat; Pastor Kenkel kann man im vorliegenden Fall immerhin zugute halten, dass er diesen Schirm sinnvoller zu nutzen wusste, als ich es in anderen Gottesdiensten an diesem Ort erlebt habe, in denen der Schirm im Wesentlichen dazu genutzt wurde, die Predigt oder auch andere Teile des Gottesdienstes mit mehr oder weniger "stimmungsvollen" Symbolbildern zu illustrieren. Nicht so diesmal: Pastor Kenkel bezog sich in seiner Predigt ausgiebig auf die Antrittsrede des neuen Papstes, die dieser unmittelbar nach seiner Wahl gehalten hatte, und der Text dieser Ansprache wurde dabei abschnittsweise auf den Schirm projiziert – wobei einzelne Passagen, auf die in der Predigt besonders eingegangen wurde, im Schriftbild hervorgehoben waren. Ich hatte es bisher eigentlich für "typisch freikirchlich" gehalten, bei Predigten mit derartigen Präsentationen zu arbeiten, und weiß ehrlich gesagt nicht so recht, wie ich das mit der Würde der Heiligen Messe in Einklang bringen soll; aber konzentrieren wir uns lieber mal auf den Inhalt der (gerade mal acht Minuten langen) Predigt. Die Antrittsrede des neuen Papstes habe ihn "ermutigt", betonte Pastor Kenkel gleich zu Beginn; sodann stellte er einen Bezug zwischen den Worten des Papstes "Gott liebt uns, Gott liebt euch alle, und das Böse wird nicht siegen! Wir sind alle in Gottes Hand" und dem Evangelium dieses Sonntags her, in dem es heißt "Meine Schafe [...] werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen" (Johannes 10,27f.). Soweit, so gut; richtig spannend wurde die Predigt aber, als Pastor Kenkel auf den Appell des Papstes – wie auch des vorigen – zu sprechen kam, die Kirche müsse missionarisch sein, "ohne Angst das Evangelium verkünden" wie die Apostel in der 1. Lesung dieses Sonntags (Apostelgeschichte 13,14.43b-52). In diesem Zusammenhang ließ der Pastor sogar Kritik am Synodalen Weg anklingen, indem er erwähnte, Papst Franziskus habe "extra uns Deutschen einmal einen Brief geschrieben" – der unseren Bischöfen offenbar nicht sehr gefallen habe, "deshalb haben sie ihn nicht veröffentlicht; man kann ihn trotzdem finden im Netz" –, um die Kirche in Deutschland zu ermahnen, die Neuevangelisierung nicht zu vernachlässigen. "Ihr müsst auf das Wort zurück, auf das Wesentliche, und von da ausgehend den Menschen neu Christus verkünden", fasste er die Kernaussage dieses Schreibens zusammen – und fügte hinzu: "Und Papst Leo stößt in das gleiche Horn." Mit anderen Worten: Wenn jetzt so viel die Rede davon ist, dass der neue Papst den Kurs seines Vorgängers fortsetzen solle und dies nach eigener Aussage auch durchaus beabsichtigt, dann sollte man bedenken, dass dieser Kurs in entschiedenem Widerspruch zu demjenigen steht, den die Kirche in Deutschland mit dem Synodalen Weg eingeschlagen hat. – Überhaupt muss ich sagen, schon allein dass der Begriff Neuevangelisierung in dieser Predigt vorkam, zweimal sogar und uneingeschränkt positiv besetzt, hätte ich von einer Predigt in St. Willehad, und nicht nur dort, wahrhaftig nicht erwartet. "Wir sind Jünger Christi", betonte Pastor Kenkel. "Die Welt braucht Sein Licht, die Menschheit braucht Ihn." Und der Schlusssatz seiner Predigt an diesem Sonntag lautete: "Ich danke dem Heiligen Geist, dass Er uns diesen Papst geschenkt hat; dass Er auch heute noch Seine Kirche führt."
Auch liturgisch gab es an dieser Messe wenig zu bemängeln, gerade für Nordenhamer Verhältnisse. Die Lieder wurden größtenteils dem Münsteraner Regionalteil des Gotteslobs entnommen und waren mir daher eher wenig geläufig, aber immerhin: Das Kyrie war ein richtiges Kyrie, das Gloria ein richtiges Gloria, das Sanctus ein richtiges Sanctus und das Agnus Dei ein richtiges Agnus Dei, und das ist schon mehr, als ich erwartet hätte. Zum Auszug gab es sogar ein Marienlied ("Wunderschön Prächtige", nach ortsüblicher Melodie). Dass der Antwortpsalm durch eine Strophe der Weltjugendtagshymne "Jesus Christ, You Are My Life" ersetzt wurde und der Halleluja-Ruf vor dem Evangelium durch eine weitere Strophe, war so ein Fall von "Na, ich weiß ja nicht", aber meinetwegen, Geschmackssache. Immerhin gab es beide Lesungen, auch nicht unbedingt selbstverständlich.
Nach der Kommunion und dem Danklied trat nochmals der Lektor an den oder das Ambo und verlas "Einige Anekdoten über unseren neuen Papst Leo XIV.". Allgemein gesprochen wäre ich geneigt, es für eine Willehad-typische Unart und eine Frucht jahrzehntelanger liturgischer Verwahrlosung zu halten, nach dem eucharistischen Teil der Messe partout noch einen weiteren Wortbeitrag einzuschieben, aber andererseits: Anderswo kommen an genau dieser Stelle der Messe die Vermeldungen dran, das ist auch nicht unbedingt erbaulicher. Was die inhaltliche Seite der Anekdoten angeht, finde ich sie mit dem anschließenden Kommentar von Pastor Kenkel – "Scheint 'n feiner Kerl zu sein" – durchaus treffend zusammengefasst; gleichwohl muss ich kritisch anmerken, dass mir die Zusammenstellung dieser Anekdoten ein bisschen arg offensichtlich darauf zugeschnitten war, den neuen Papst als bescheidenen, bodenständigen "Typen von nebenan" darzustellen. Auch wenn das alles stimmt, scheint mir das Bedürfnis, den Papst so zu sehen, in dieser starken Ausprägung doch fragwürdig.
Bereits beim Betreten der Kirche hatte ich im Eingangsbereich ein Faltblatt mit dem Titel "Gebet um einen neuen Bischof von Münster" ausliegen sehen und mir ein Exemplar mitgenommen. Ein Hinweis auf Verfasser, Herausgeber oder presserechtlich Verantwortliche war nicht zu entdecken, aber inzwischen habe ich das Gebet auf der Website gut-katholisch.de wiedergefunden und dort erfahren, dass das Faltblatt von der Karl-Leisner-Jugend erstellt wurde und vertrieben wird. In dem Gebet werden die Bistumspatrone und die aus dem Bistum hervorgegangenen Heiligen und Seligen um Fürsprache dafür angerufen, dass das Bistum Münster einen Bischof bekommt, der "unermüdlich das Evangelium verkündet", "ein wirklicher Vater im Glauben ist", "von Eifer für die eigene Heiligung wie von Eifer für die Heiligung der ihm Anvertrauten erfüllt ist", der "ohne Menschenfurcht in schwierigen Zeiten für das Lebensrecht aller eintritt", "der bereit ist, den Glauben bis zur Hingabe seines Lebens zu verteidigen" und noch manches Andere. Finde ich gut! Nebenbei bemerkt möchte ich daran erinnern, dass ich unlängst schon prognostizierte, der künftige Bischof von Münster könnte "der erste deutsche Diözesanbischof sein [...], der vom nächsten Papst ernannt wird". Worüber ich mir bisher keine Gedanken gemacht hatte, war der Umstand, dass die Münsteraner Diözesanen bis zur Wahl von Leo XIV. gewissermaßen eine "doppelte Sedisvakanz" hatten, insofern, als sie weder Papst noch Bischof hatten.
Hervorheben möchte ich übrigens noch, dass die St.-Willehad-Kirche an diesem Sonntag sehr gut besucht war und dass ich den Eindruck hatte, die Gemeinde sei im Durchschnitt jünger und "diverser", als ich das von anderen Orten, zum Beispiel aus der Tegeler Pfarrei, kenne. Alles in allem verfestigt sich der Eindruck, dass sich in St. Willehad in jüngster Zeit "etwas bewegt", und ich kann nur hoffen, dass der neue Pfarrer, der im September die Leitung der Pfarrei übernehmen wird, diese Entwicklung weiter fördert und nicht etwa hemmt.
Loch im Bauch
Da die Erfahrung mir gezeigt hat, dass zumindest ein Teil meiner Leserschaft durchaus Anteil an meinem persönlichen Wohl und Wehe und dem meiner Familie nimmt, und da die Lektüre von Dorothy Days Kolumnen aus den 60ern mich darin ermutigt hat, meine Leser quasi als "Teil der (erweiterten) Familie" zu betrachten und anzusprechen (die gute Dorothy hatte erheblich mehr Leser als ich und hat sich trotzdem nicht gescheut, zuweilen recht persönliche Informationen über sich und ihre Angehörigen preiszugeben), möchte ich hier nicht verschweigen, dass ich am Montag beim Arzt war und dieser bei mir, wie ich selbst bereits vermutet hatte, eine Hernie in der Nabelgegend diagnostiziert hat. Um den Kindern zu erklären, was das ist, bin ich auf die Formulierung "Ich habe ein Loch im Bauch" verfallen. An und für sich ist das, wie mir der Arzt versicherte, nicht besonders schlimm, jedenfalls solange die Schwellung unterhalb des Bauchnabels sich bei Entspannung, also z.B. im Liegen, unproblematisch zurückbildet; aber um möglichen Komplikationen vorzubeugen, dürfte eine Operation doch ratsam sein. Habe zur genaueren Abklärung eine Überweisung an einen Spezialisten erhalten und versuche bis dahin, mich im Rahmen des Möglichen einigermaßen zu schonen. War deswegen am Mittwoch auch nicht mit beim JAM, obwohl ich das bedauert habe. Immerhin brachte meine Liebste mir von dort Grüße und Genesungswünsche vom Team und von anderen Eltern mit, einschließlich der Versicherung, ich müsse mir keine Sorgen machen, so eine Hernien-OP sei keine große Sache. Das hat mir der Arzt, bei dem ich am Montag war, auch gesagt, und im Prinzip glaube ich das auch, aber irgendwie Bammel habe ich doch. Was mir übrigens auch zeigt, wie viel mir in Sachen Gottvertrauen noch fehlt. Grundsätzlich bekenne ich mich immer gern zu der Auffassung, dass man nicht tiefer fallen kann als in Gottes Hand, und wenn ich nicht ernsthaft daran glauben und mich in meinen Lebensentscheidungen davon leiten lassen würde, dann wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Daraus könnte man natürlich auch folgern: Dass ich heute da bin, wo ich bin, beweist geradezu, dass die Aussage stimmt. Und dennoch: Die Fähigkeit, alles in Gottes Hände zu legen und mir keine Sorgen zu machen, habe ich noch nicht erlangt. Manchmal – besonders in der Eucharistischen Anbetung, aber durchaus auch beim "Beten mit Musik" – gibt es kurze Momente, in denen ich sozusagen einen Zipfel dieser Fähigkeit erhasche, ein Gefühl dafür bekomme, wie es wäre, sich über nichts Sorgen zu machen, weil man weiß, dass letztlich alles in Gottes Hand liegt. Und ich kann dir sagen, Leser: Das wäre eine echte Superkraft. Vielleicht ist es für einige Leute ganz beruhigend, dass ich diese Superkraft nicht habe. Trotzdem, ich arbeite dran.
Noch etwas Konklave-Feedback
Den wohl schönsten Kommentar zum Konklave habe ich auf der App Formerly Known As Twitter gefunden: "Katholische Kirche zieht so ne geile Scheiße wie Konklave ab evangelische Kirche irgendeine Ute spielt Gitarre während Pfarrer Björn flashmob startet", schrieb Nutzer @septinger95 und erntete für diese prägnante Feststellung über 3000 Likes. Ich schätze, es wäre gut, wenn mehr Katholiken hierzulande – gerade auch solche an einflussreichen Positionen des institutionellen Apparats der Kirche – sich dieser Wirkung, die die Rituale der Kirche auf Außenstehende haben, stärker bewusst wären und darin eine Stärke der Kirche erkennen würden, statt sie als unzeitgemäßen Ballast zu betrachten.
Und übrigens, da wir gerade beim Stichwort "Wirkung auf Außenstehende" sind: Im Zuge der Konklave-Berichterstattung auf EWTN erzählte Rudolf Gehrig, er habe unlängst mit einer Journalistenkollegin gesprochen, die "mit der Kirche nicht viel am Hut" habe; und diese habe im Zusammenhang mit den Beerdigungsfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst erwähnt, Franziskus habe sie beeindruckt, weil er der erste Papst gewesen sei, der Leuten die Füße gewaschen habe. Rudolf merkte an, als Kirchenjournalist kratze man sich natürlich erst mal am Kopf, wenn man so etwas höre – denn selbstverständlich war Franziskus nicht der erste Papst, der Leuten die Füße gewaschen hat. Trotzdem, meinte Rudolf, sollte man solche Äußerungen ernst nehmen, denn sie zeigen, was für eine andere Perspektive Leute, die der Kirche fern stehen, auf Dinge haben, die "uns" selbstverständlich erscheinen.
Zu der verständlicherweise vieldiskutierten Frage, was der neue Papst denn nun "für einer sei", hat – wieder einmal – Peter Winnemöller einen klugen und besonnenen Beitrag verfasst. Die Tatsache, dass alle möglichen innerkirchlichen Fraktionen und "Lager" den neuen Papst gern für ihre Positionen vereinnahmen möchten, ordnet er als "Kaffeesatzlese[n]" ein und merkt an: "Es ist irgendwie ganz natürlich, dass sich alle vom neuen Papst bestätigt fühlen. Alle sind glücklich. Alle haben schon immer so gedacht und sich genau diesen Papst gewünscht." Da hat es fast schon etwas Erfrischendes, dass es auch Leute gibt, die dem Papst von vornherein nichts Gutes zutrauen; zugleich ist es aber auch beruhigend, dass solche Stellungnahmen, soweit ich es überblicken kann, schwerpunktmäßig eher von außerhalb der Kirche kommen. Zum Beispiel aus radikal antikatholischen Fraktionen des Protestantismus. Als das Gebetshaus Augsburg auf Facebook einen (vergleichsweise nüchtern gehaltenen) "Habemus Papam"-Beitrag postete, kommentierte eine Facebook-Nutzerin prompt, der neue Papst habe "sofort Maria angebetet", und garnierte dies mit einem Kotz-Smiley; sinngemäß ähnlich las man's tags darauf in den Kommentaren zu einem Beitrag auf der Facebook-Seite von idea: "Als erstes hat er Maria angebetet und dann einen Ablass ausgesprochen. Das ist unbiblisch hoch drei. Für Protestanten gibt es mit so jemandem keine Gemeinsamkeiten im Glauben." Wirklich gar keine? So hart würde ich über Protestanten (bzw. deren Glauben) nicht urteilen.
Derweil haben die amerikanischen Katholiken, wie sie selbst es wohl ausdrücken würden, natürlich einen "field day" angesichts der Tatsache, dass "Father Bob aus Chicago Papst geworden ist"; es kursieren allerlei Witze darüber, von Spekulationen, der neue Papst könnte Ketchup auf Hot Dogs verbieten, bis hin zu diesem Meme:
Insgesamt scheint es jedenfalls, dass die Freude über den neuen Papst in der katholischen Welt, quer durch die innerkirchlichen "Lager", sehr groß ist – so groß, dass jedem, der etwas Kritisches über ihn sagt, ein vielstimmiges "Ach, halt die Klappe!" (oder zumindest "Ach komm, wart's doch erst mal ab") entgegenschallt. Man kann wohl sagen, Papst Leo hat die Herzen im Sturm erobert. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.
Geistlicher Impuls der Woche
Auch heute wird der christliche Glaube in nicht wenigen Fällen als etwas Absurdes angesehen, als etwas für schwache und wenig intelligente Menschen; vielfach werden andere Sicherheiten wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen bevorzugt. Es handelt sich um Umfelder, in denen es nicht leicht ist, das Evangelium zu bezeugen und zu verkünden, und in denen Gläubige verspottet, bekämpft, verachtet oder bestenfalls geduldet und bemitleidet werden. Doch gerade deshalb sind dies Orte, die dringend der Mission bedürfen, denn der Mangel an Glauben hat oft dramatische Begleiterscheinungen: dass etwa der Sinn des Lebens verlorengeht, die Barmherzigkeit in Vergessenheit gerät, die Würde des Menschen in den dramatischsten Formen verletzt wird, die Krise der Familie und viele andere Wunden, unter denen unsere Gesellschaft nicht unerheblich leidet.
Vielfach wird Jesus, obwohl er als Mensch geschätzt wird, auch heute bloß als eine Art charismatischer Anführer oder Übermensch gesehen, und zwar nicht nur von Nichtgläubigen, sondern auch von vielen Getauften, die so schließlich in einen faktischen Atheismus geraten. Dies ist die Welt, die uns anvertraut ist und in der wir, wie Papst Franziskus uns so oft gelehrt hat, berufen sind, den freudigen Glauben an Jesus, den Erlöser, zu bezeugen. Deshalb ist es auch für uns unerlässlich, immer neu zu bekennen: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes" (Mt 16,16).
Im Zuge meiner seelisch-emotionalen Einstimmung auf die oben ausführlich geschilderte "Abi 95"-Jubiläumsfeier habe ich etwas gemacht, was ich schon lange nicht mehr gemacht hatte, nämlich: mir Musik-CDs aus der Bibliothek ausleihen. Ein Grund, warum ich das lange nicht gemacht habe: Wer hat heutzutage noch einen CD-Player? In unserem Haushalt befindet sich ein alter, gebrechlicher Laptop, der über ein eingebautes CD-Laufwerk verfügt, und mit viel Geduld und gutem Zureden konnte ich diesen tatsächlich dazu bringen, die geliehenen Scheiben abzuspielen. Darunter waren zwei Alben von R.E.M. – aus der Zeit, bevor die Band, zumindest diesseits des Großen Teichs, im Mainstream ankam: "Document" (1987) und "Green" (1988). Das fünfte und sechste Studioalbum der Band übrigens, so etwas gab es damals noch, dass eine Gruppe erst mit ihrer siebten Langspielplatte ihren großen Durchbruch schaffte, statt sich bis dahin schon längst aufgelöst zu haben. Nun ist es natürlich so ein typisches Hipster-Ding, zu sagen "Ich hab die schon gehört, bevor es cool war, und überhaupt, früher, als sie sich noch nicht verkauften, warnse besser"; aber trotzdem ist es nun einmal so, dass Mainstream-Erfolg für eine Alternative Rock-Band ein Problem ist und zu Identitätskrisen führen kann. Und icv sag mal: Wer R.E.M. "nur" von ihren beiden erfolgreichsten Platten, "Out of Time" (1991) und "Automatic for the People" (1992), kennt, wird vermutlich komisch gucken, wenn ich sage, dass R.E.M. eigentlich eine Postpunk-Band war. Gut fand ich die beiden zuletzt genannten Platten trotzdem immer noch, und das Album "Monster"(1994), mit dem sie zu einem raueren, rotzigeren Sound zurückzukehren versuchten und einen Großteil ihrer neuen Fans damit erfolgreich wieder vergraulten, auch; die weiteren Veröffentlichungen der Gruppe rauschten dann mehr oder weniger an mir vorbei, bis zu der Single "Imitation of Life" von 2001, die ich dann auch wieder sehr schön fand. Trotz alledem würde ich behaupten, auf den Alben "Document" und "Green" sind R.E M. auf eine Weise bei sich selber, wie sie es später nicht mehr waren, und der hier ausgewählte Song vom Album "Green" gehört zu meinen definitiven Lieblingsstücken von dieser Band. Obendrein passen die Verse "Should we talk about the weather, should we talk about the government?" gut zu dem, was ich im letzten Absatz dieses Blogartikels sagen möchte.
Übrigens habe ich das Originalvideo zum Song hier nicht verlinkt, und zwar wegen der darin zu sehenden nackten Brüste. Ich persönlich finde den Anblick zwar nicht so schlimm, dachte mir aber, ich nehme lieber mal Rücksicht auf Leser, die daran Anstoß nehmen könnten.
Vorschau/Ausblick
Wie schon angekündigt, fand heute bei uns zu Hause eine Kinderparty statt, zehn Kinder waren eingeladen, acht davon kamen, dazu fünf Mütter (zeitweilig sechs) und ein Vater – damit war die Bude also ganz schön voll, und eventuell werde ich im nächsten Wochenbriefing noch auf diesen turbulenten Tag zurückkommen. Am morgigen fünften Sonntag der Osterzeit findet in St. Joseph Siemensstadt die zweite Runde der diesjährigen Erstkommunion statt, in Rom hingegen die feierliche Amtseinführung von Papst Leo XIV. (EWTN überträgt live). Am Montagmorgen habe ich dann erst mal einen erneuten Arzttermin im Zusammenhang mit meinem "Loch im Bauch" (Gebet ist willkommen!). Weiter steht für die kommende Woche noch nichts Besonderes im Terminkalender, was sich – je nachdem, wie der Arzttermin verläuft – als recht günstig erweisen könnte. Auf jeden Fall habe ich die Absicht, die kommende Woche – wie auch schon die letzten Tage – dazu zu nutzen, in Ruhe an einigen Artikeln zu arbeiten, die außerhalb der Wochenbriefing-Reihe erscheinen sollen. Dazu gehört auch ein Update zum Pfarrhausfamilien-Projekt; mal sehen, wie bald ich damit fertig werde.
Was ich übrigens auch noch loswerden möchte: Die Reaktionen auf meinen jüngsten Artikel zur Stimmungslage unter den CDU-Wählern haben mir einmal mehr demonstriert, dass ich wahrscheinlich deutlich mehr Traffic auf meinem Blog haben könnte, wenn ich mehr über Politik schreiben würde (bzw. über das, was man gemeinhin unter der Bezeichnung "Politik" zu verstehen pflegt). Ich glaube aber, ich werde aus dieser Erfahrung lieber die Konsequenz ziehen, zukünftig wieder weniger über Politik zu schreiben. Weil ich es ehrlich gesagt befremdlich finde, wie wichtig viele Leute dieses Thema finden, und dies weder unterstützen noch mich da mit 'reinziehen lassen möchte. Dass Leute sich derart darüber ereifern können, wer gerade an der Regierung ist und welche Partei man wählen oder nicht wählen sollte, scheint mir für eine maßlose Überschätzung von Politik zu sprechen – eine Überschätzung sowohl des tatsächlichen Handlungsspielraums der Regierenden als auch der tatsächlichen Auswirkungen des Regierungshandelns auf das alltägliche Leben, von Fragen des ewigen Lebens, also des Seelenheils, mal ganz zu schweigen. Ehrlich, Leute, statt politische Debatten im Fernsehen zu suchten, solltet ihr lieber mehr im Garten arbeiten, wenn ihr einen habt. Legt einen Teich an, bastelt mit euren Kindern ein Insektenhotel. Wenn ihr keinen Garten habt, lest ein gutes Buch, spielt Brettspiele, lernt ein kreatives Hobby, meinetwegen Teppiche knüpfen oder Möbel tischlern. Glaubt mir, die Welt hat mehr davon, und ihr selbst erst recht.
Die in der Überschrift formulierte Frage wollte ich eigentlich schon seit Wochen mal in den Raum stellen, und ich vermute, unmittelbar nach der Verabschiedung des größten Schuldenpakets der bundesdeutschen Geschichte in der letzten Sitzung des "alten", bereits abgewählten Bundestags wäre die Antwort anders ausgefallen als in der kurzen Phase zwischen dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD und der dramatisch-chaotischen Kanzlerwahl, und nach dieser noch einmal anders. Ein ziemliches Wechselbad der Gefühle, was?
Kreativ umgestaltetes Wahlplakat in Berlin-Prenzlauer Berg
Der wesentliche Grund dafür, dass ich diese Frage überhaupt stelle, ist dieser: Praktisch immer, wenn ich auf meinem Blog etwas über Wahlen schreibe – sei es im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2021, der Europawahl 2024 oder nun eben der jüngsten Bundestagswahl –, ernte ich Reaktionen, die mir zeigen, dass ein nicht ganz kleiner Teil meines Stammpublikums sich zu den folgenden Standpunkten bekennt:
a) Bürger einer parlamentarischen Demokratie haben eine moralische Verpflichtung, an Wahlen teilzunehmen.
b) Gläubige Katholiken in Deutschland können guten Gewissens keine andere Partei wählen als die CDU (bzw., wenn sie ihr Wahlrecht in Bayern ausüben, die CSU).
Sicherlich sind die Anhänger der ersten These mit denen der zweiten nicht hundertprozentig deckungsgleich, aber ich habe den Eindruck, die Schnittmenge ist doch sehr groß.
Nun würde ich persönlich, wie ich schon öfter mehr oder weniger ausführlich dargelegt habe, beiden Thesen nicht zustimmen, aber das muss mich ja nicht von dem Versuch abhalten, mich in die Lage derer zu versetzen, die das eben doch tun. Und ich muss sagen, ich beneide sie nicht darum, wie die derzeitige politische Situation auf sie wirken muss.
Die Erwartung oder Hoffnung konservativer CDU-Wähler, unter der Führung von Angela Merkels altem Intimfeind Friedrich Merz würde die Union wieder auf den rechten Weg (pun intended) zurückfinden, mag man von vornherein als einen klassischen Fall von "Glaubt ihr das eigentlich echt?" betrachtet haben; aber in welchem Ausmaß und mit was für einer Unverfrorenheit diese Erwartungen enttäuscht worden sind, das hat schon etwas Grausames. Schon der Taschenspielertrick, den bereits abgewählten Bundestag zum letztmöglichen Zeitpunkt noch einmal zusammentreten zu lassen, um eine Grundgesetzänderung durchzudrücken, für die man im neuen Bundestag keine Mehrheit mehr bekommen hätte, müsste eigentlich jedem CDU-Politiker die Zunge verdorren lassen, der es fortan noch wagt, von politischer Moral bzw. "Anstand" zu sprechen. Gar nicht erst davon zu reden, dass die Unmenge an Schulden, die auf diesem Wege aufgenommen wurde, nun auch nicht gerade von finanzpolitischer Verantwortung (angeblich eine Kernkompetenz der Union) zeugt; und dass man sich, um sich der Zustimmung der Grünen zu versichern, darauf eingelassen hat, ein so fragwürdiges Konzept wie "Klimaneutralität" als Staatsziel im Grundgesetz festzuschreiben, wäre nochmals ein Thema für sich.
Und dann: Koalitionsverhandlungen mit einer SPD, die zwar vom Wähler eine saftige Klatsche für ihr bisheriges Regierungshandeln erhalten hat, aber in dem Wissen, dass die Union auf sie als Koalitionspartner angewiesen ist, ihre Haut dennoch teuer verkauft. Da war es im Grunde von vornherein klar, dass das, was dabei herauskommen würde, konservative CDU-Wähler kaum befriedigen konnte. Gleichwohl habe ich den Eindruck, dass in dieser Phase bei altgedienten CDU-Anhängern die Bereitschaft sehr groß war, sich die Dinge schönzureden und sich mit dem Gedanken zu trösten, eine unionsgeführte Regierung werde allemal besser (oder zumindest weniger schlimm) sein als die Ampel. Sicherlich war es Balsam für manch eine Seele, dass mit Wolfram Weimer ein ausgewiesener Konservativer zum Kulturstaatsminister (und damit zum Nachfolger von Claudia Roth, of all people) nominiert wurde; möglicherweise tstsächlich eine richtungsweisende Personalentscheidung – Kultur kommt vor Politik, sagt auch die #BenOp. Davon abgesehen bleibt es aber doch sehr fraglich, was aus dem versprochenen "Politikwechsel" tatsächlich wird.
Im Zusammenhang mit dem noch vom alten Bundestag beschlossenen Schuldenpaket habe ich in den Sozialen Netzwerken allerlei Witzeleien gesehen, die darauf hinausliefen, Merz glaube wohl, dass der Schaden, den er anrichtet, bevor er seinen Amtseid als Bundeskanzler abgelegt hat, gewissermaßen "nicht zählt". Ich muss sagen, mir ist das ein bisschen zu nah an der Wahrheit, um darüber lachen zu können. Gerade unter konservativen Unionsanhängern schien es nicht wenige zu geben, die tatsächlich so dachten. So unzufrieden sie mit Merz' Schulden-Deal und mit den Zugeständnissen sein mochten, die der SPD im Zuge der Koalitionsverhandlungen gemacht wurden – bald setzte die alte Nibelungentreue zur Partei wieder ein, und alles war vergeben und vergessen: Hauptsache, einer von "unseren Leuten" wird Bundeskanzler. Ich muss sagen, diese Form von Tribalismus war mir schon immer fremd. In schwachen Momenten denke ich mir ja manchmal "Wenn ich damals in der Jungen Union geblieben wäre, wäre ich heute mindestens Landtagsabgeordneter, vielleicht auch Staatssekretär oder Landrat"; aber dann denke ich wieder: Nee. Um im Politikbetrieb Karriere zu machen, hätte ich einfach nicht die nötige Parteidisziplin, den nötigen Korpsgeist aufgebracht.
Wie viele konservative Unionsanhänger angesichts von Friedrich Merz' Niederlage im 1. Wahlgang der Bundeskanzlerwahl insgeheim dachten "Geschieht ihm recht", weiß man nicht; öffentlich äußerte sich jedenfalls kaum jemand so. Geäußert wurde stattdessen Bestürzung – und ein Unmut, der sich nicht gegen Merz richtete, sondern gegen diejenigen, die nicht für ihn gestimmt hatten.
Noch schräger finde ich es allerdings, dass auch Leute, deren politischer Standpunkt eher am linken Rand der SPD oder noch ein bisschen weiter links zu verorten ist – von Ralf Stegner bis hin zu irgendwelchen Leuten aus der Theologenbubble auf Bluesky – Merz' Scheitern im 1. Wahlgang beklagten und erklärten, sie seien zwar auch nicht für Merz als Bundeskanzler, aber Deutschland brauche doch jetzt eine stabile und handlungsfähige Regierung. Da hätte ich gern gefragt: Warum bzw. wozu? Ich persönlich würde ja eher – angelehnt an eine bekannte Äußerung Christian Lindners – sagen "Lieber nicht regiert werden als schlecht regiert werden"; aber anscheinend ist diese Auffassung, quer durch alle politischen Lager, nicht sonderlich mehrheitsfähig. Da frage ich mich: Was glauben die Leute denn, was passieren würde, wenn Deutschland mal für eine gewisse Zeit eine bloß geschäftsführende Regierung ohne eigene parlamentarische Mehrheit hätte? Dass dann morgen früh die Sonne nicht mehr aufginge? Oder dass kein Strom mehr aus der Steckdose käme? Nun, im Ernst gesagt glaube ich zwar nicht, dass irgendjemand Ersteres annimmt, Letzteres (oder vergleichbar Dramatisches) aber vielleicht schon. Und von denen, die das glauben, wüsste ich dann ja doch gerne, wie sie sich diesen Zusammenhang und Hergang konkret vorstellen. Es mag ja sein, dass unter den Leuten, die sagen "Deutschland braucht, gerade jetzt!!!, eine stabile und handlungsfähige Regierung", einige sind, die mehr von politischen Prozessen verstehen als ich und mir überzeugend begründen könnten, warum sie das meinen. Aber ich habe den Verdacht, die große Mehrheit weiß das selber nicht und plappert derartige Statements bloß nach.
Wie dem auch sei: Natürlich weiß ich im Einzelnen nichts über die Motive derjenigen 18 Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, die im 1. Wahlgang einem Kanzler Merz ihre Zustimmung verweigert haben, und kann daher nicht ausschließen, dass da zum Teil auch kleinliche und nicht sehr ehrenwerte Motive im Spiel gewesen sein mögen. Ich würde aber sagen, im Sinne des "benefit of the doubt" sollte man ruhig davon ausgehen, dass sie lediglich ihrem Gewissen gefolgtsind, dem sie als Abgeordnete schließlich in erster Linie verpflichtet sind. Dass die meisten von ihnen sich dann doch dazu bewegen ließen, im 2. Wahlgang für Merz zu stimmen, ist – auch wenn ich es durchaus für denkbar gehalten hätte, dass Merz im 2. Wahlgang noch weniger Stimmen erhalten würde, nachdem der 1. erwiesen hatte, dass er seine Koalition nicht verlässlich hinter sich hat – sicherlich verständlich. Das Risiko war einfach zu groß. Wäre im 2. Wahlgang wieder keine absolute Mehrheit zustande gekommen, hätte es einen 3. geben müssen, bei dem eine relative Mehrheit ausgereicht hätte, und da wäre alles möglich gewesen; da hätte theoretisch sogar Alice Weidel zur Bundeskanzlerin gewählt werden können, und dann hätte Bundespräsident Steinmeier eine Woche Zeit gehabt, um zu entscheiden, ob er sie ernennt oder stattdessen Neuwahlen anordnet. So ein Szenario galt es (aus Sicht aller Fraktionen außer der AfD) natürlich unbedingt zu vermeiden, also musste der 2. Wahlgang "klappen". Diesen Wahlgang noch am selben Tag anzusetzen, statt sich die Zeit zu nehmen, koalitionsintern noch einmal nachzuverhandeln, mag man als einen gewagten Schachzug betrachten, aber man könnte sagen, der Erfolg gibt diesem Vorgehen Recht. Was indes nichts daran ändert, dass, wie mein Kollege Sebastian Sasse es in der Tagespost formulierte, der "Schatten des Scheiterns" auf Merz' Kanzlerschaft lastet. Auch im 2. Wahlgang bekam die Koalition nicht alle ihre Stimmen zusammen, und wenn das schon bei der Kanzlerwahl so war, die ja die Voraussetzung für alles Weitere ist, wie soll das dann erst bei konkreten Sachfragen werden, die zwischen den Koalitionspartnern umstritten sind?
In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass mein marxistischer Kumpel, bei dem ich zu Weihnachten Gänsebraten essen war, ziemlich unmittelbar nach der Wahl prognostiziert hat, die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD würden bis in den Sommer hinein verschleppt werden, dann würden sie für gescheitert erklärt werden und "irgendwann mitten im Sommerloch, wenn alle im Urlaub sind", gäbe es plötzlich Schwarz-Blau. Wenn man dieser Denkrichtung folgen wollte, hätte man natürlich spekulieren können, ein Scheitern von Schwarz-Rot unter Merz im 1. Wahlgang der Kanzlerwahl hätte den Weg frei machen können für Schwarz-Blau unter Linnemann oder schlimmstenfalls unter Jens Spahn, aber das war wohl schlecht möglich, nachdem die AfD gerade kurz zuvor vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft worden war. Ob das gutes oder eher schlechtes Timing war, wird sich zeigen, wenn (oder, mit mehr Wohlwollen gesagt, falls) die schwarz-rote Koalition in ein bis zwei Jahren platzt und sich die Frage nach einer Einbindung der AfD in die Regierungsverantwortung von neuem stellt. Wenn sie, was derzeit nicht allzu unwahrscheinlich anmutet, bis dahin in den Umfragen und in den Landtagen noch stärker geworden ist, als sie es jetzt schon ist, dann, mit Verlaub gesagt, hat man den Salat.
(Da mir bewusst ist, dass jeder, der die AfD nicht für das alleinige und absolute Böse in der deutschen Politik hält, heute leicht in den Verdacht gerät, mit dieser Partei zu sympathisieren, möchte ich betonen: Das tue ich nicht. Hingegen bekenne ich mich zu der Ansicht, dass es im allgemeinen Interesse, und ja, gerade auch zum Wohle der Demokratie in unserem Land, wünschenswert und ratsam wäre, die extreme Dämonisierung dieser Partei etwas herunterzufahren und den Umgang mit ihr zu normalisieren.)
Nun mag man sich als bürgerlich-konservativer Wähler natürlich mit Recht fragen: Wenn der Klein hier kein gutes Haar an der Union lässt, die AfD aber auch nicht mag, wen sollen wir seiner Meinung nach denn dann wählen? Denen, die so fragen, möchte ich zunächst einmal entgegnen: Moment mal, ich habe nie von euch verlangt, dass ihr überhaupt wählt; im Gegenteil, ihr seid diejenigen, die das von mir verlangen! – Ich gebe zu, wenn ich mich zur traditionellen CDU-Klientel zählte und zugleich überzeugt wäre, dass die Teilnahme an Wahlen eine Bürgerpflicht sei, wüsste ich auch nicht, was ich jetzt machen sollte. Von daher habe ich auch ein gewisses Verständnis für diejenigen, die auch beim nächsten Mal doch wieder CDU wählen, weil sie einfach keine Alternative (no pun intended) sehen. Aber diese sollten dann vielleicht ein bisschen vorsichtiger mit moralistischen Urteilen über jene sein, die nach reiflicher Überlegung zu einer anderen Wahlentscheidung (oder auch Nichtwahlentscheidung) gelangen.
Das war eine aufregende Woche, Freunde! Natürlich war das Top-Thema die Wahl des neuen Papstes, aber auch sonst war allerlei los – so viel, dass ich auf das eine oder andere Thema, das ich hier aus Platzgründen nur verhältnismäßig kurz anschneiden konnte, wohl an anderer Stelle noch werde zurückkommen müssen... Aber seht selbst!
Screenshot vom EWTN-Livestream auf YouTube. Keine Urheberrechtsverletzung beabsichtigt.
Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst
Der 3. Sonntag der Osterzeit war in diesem Jahr der erste Sonntag im Monat Mai, und diesen Umstand nahmen wir zum Anlass, wieder einmal zuerst in St. Stephanus Haselhorst in die Messe zu gehen und anschließend noch den freikirchlichen Gottesdienst der schräg gegenüber gelegenen EFG The Rock Christuskirche zu besuchen. Da meine Blogstatistik mir den Eindruck vermittelt, dass ich in jüngster Zeit einige neue Leser gewonnen habe, denke ich mir, ich sollte vielleicht ein paar erläuternde Worte zu diesem "Gottesdienst-Double-Feature" einschieben: Unseren ersten Kontakt zur EFG The Rock Christuskirche hatten wir schon, bevor wir in der örtlichen katholischen Pfarrei aktiv wurden; seit ein paar Jahren gehen wir dort regelmäßig mit unseren Kindern zum Kinderprogramm ("Jungschar am Mittwoch", kurz JAM) und kennen folglich einige Leute aus der Gemeinde recht gut – sowohl Mitarbeiter als auch andere Kinder und deren Eltern. Die Sonntagsgottesdienste dieser Gemeinde finden üblicherweise nachmittags statt – außer am ersten Sonntag im Monat, und an diesem beginnt der Gottesdienst genau dann, wenn die Heilige Messe in der benachbarten St.-Stephanus-Kirche gerade vorbei ist. So entstand die Idee, beide Gottesdienste unmittelbar nacheinander zu besuchen; allzu oft machen wir das allerdings nicht so, zuletzt im Februar und davor im ganzen Kalenderjahr 2024 nur zweimal. Nun sollte es aber mal wieder soweit sein. Im Bus nach Haselhorst trafen wir Pater Brody, der offenbar auf dem Weg nach St. Bernhard Tegel-Süd war, um dort die Messe zu halten; ich bemerkte ihn allerdings erst kurz bevor er ausstieg, unser Jüngster erst danach ("Das war ein Pfarrer! Den kenn' ich!") und er uns offenbar überhaupt nicht.
Die Messe in St. Stephanus zelebrierte Padre Ricardo aus Mexiko in einem schönen goldenen Gewand, in den ersten Reihen saßen ungefähr zehn Erstkommunionkinder (die Erstkommunion für den Gemeindeteil St. Joseph-St. Stephanus findet an den nächsten beiden Sonntagen statt; die "erste Runde" werde ich also verpassen – zu den Gründen siehe die Rubrik "Vorschau/Ausblick" –, aber mein Bedauern darüber hält sich aus bekannten Gründen in Grenzen). Die Predigt war nicht weiter der Rede wert, aber das war nicht schlimm, zumal die Lesungstexte (1. Lesung: Apostelgeschichte 5,27-32.40b-41; 2. Lesung Offenbarung 5,11-14; Evangelium: Johannes 21,1-19) sehr gut für sich selbst sprechen konnten. Zudem lädt ja gerade so ein "Gottesdienst-Double-Feature" dazu ein, darüber zu reflektieren, dass in einer Heiligen Messe – sehr im Unterschied zu einem freikirchlichen Gottesdienst – die Qualität der Predigt gar nicht so entscheidend für das Ganze ist. Und das hat ja auch was Beruhigendes.
Drüben bei den Freikirchlern begann der Gottesdienst ganz ähnlich wie beim letzten Mal, als wir dort gewesen waren: Erst gab's ein Lied, dann Begrüßungsworte eines Gemeindeältesten, Geburtstagsglückwünsche an Gemeindemitglieder sowie Veranstaltungshinweise für die kommende Zeit. Unter den Veranstaltungshinweisen möchte ich einen hier erwähnen; der bezog sich nämlich auf eine Online-Männergruppe (namens "Klickstopp"), deren Gründung vor drei Monaten angekündigt worden war. Dazu, was ich grundsätzlich von der Idee halte, habe ich mich da ja bereits geäußert; interessant fand ich aber vor allem, wie der Mitarbeiter (den wir vom JAM kannten) das Thema der kommenden Veranstaltung vorstellte. "Wie viele von euch sind Mitglied in einem Fitnessstudio?", fragte er die Anwesenden; schätzungsweise fünf oder sechs Personen meldeten sich. "Und wie viele von euch gehen da wirklich regelmäßig trainieren?" Nur eine Hand blieb oben. Das war offenbar so ungefähr das Ergebnis, das der Mitarbeiter erwartet hatte, und offenkundig verstand das Publikum auch intuitiv, worauf er damit hinauswollte. Welchen Sinn hat die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio, wenn man dann nicht trainiert? "Die einen sagen, ich bin Sponsor des Fitnessstudios. Die anderen sagen knallhart: Selbstbetrug." – Mich erinnerte das spontan daran, wie der Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd beiverschiedenenGelegenheiten meinte, sogenannte distanzierte Kirchenmitglieder ausdrücklich dafür würdigen zu müssen, dass sie "die Arbeit der Kirche mit ihrer Kirchensteuer unterstützen"; was ich stets als bezeichnend für die verfehlten Anschauungen dieses Geistlichen empfunden habe. Für die Freikirchler liegt die Assoziation zum Thema Kirchensteuer natürlich nicht so nahe, daher kann man wohl davon ausgehen, dass der angekündigte Online-Männerkreis zum Thema "Selbstbetrug: Wo fängt das an, was kann man dagegen tun?" andere Schwerpunkte haben würde; erwähnen will ich aber noch das Symbolbild zur Veranstaltungsreihe "Klickstopp – Männer im Kampf um Reinheit" (!), das an die Wand projiziert wurde: Das zeigte nämlich die Silhouette einer Gruppe schwer bewaffneter Soldaten im Sonnenuntergang. In volks- bzw. großkirchlichen Kreisen, und wahrscheinlich auch nicht nur da, wäre eine derart martialische Bildsprache sicherlich auf allerlei Kritik gestoßen. Aber wenn man gezielt Männerpastoral machen will – da würde, beispielsweise, Pater Paulus von den Franziskanern der Erneuerung sicherlich zustimmen –, dann muss man eben auch und gerade an diejenigen Aspekte von Maskulinität appellieren, die in unserer effeminierten Gesellschaft eher verpönt sind.
Bald darauf wurden die Kinder, nach Altersgruppen sortiert, 'rausgeschickt – was ein gewisses Konfliktpotential mit sich brachte, denn die Kinderkatechese für die 6-12Jährigen wurde wieder von derselben Mitarbeiterin geleitet, die mir letztes Mal nicht hatte erlauben wollen, als stiller Beobachter mitzukommen. Tatsächlich entschied sich das Tochterkind diesmal aber von sich aus, lieber mit der Mama und dem kleinen Bruder nach oben in den "Mini-Raum" zu gehen. Daraus zog ich die Konsequenz, während des Lobpreis-Blocks (vier Lieder, von denen ich allerdings nur eins kannte) noch im Hauptgottesdienst zu bleiben; danach holte ich mir beim Dönermann um die Ecke ein Getränk und verkrümelte mich anschließend ebenfalls in den "Mini-Raum". Übrigens wurde die Predigt aus dem Hauptgottesdienst theoretisch hierher übertragen, aber der Ton der Übertragung war leise gedreht. Übertragen wurden hingegen die Folien, die während der Predigt an die Wand projiziert wurden wie bei einer PowerPoint-Präsentation (oder präziser gesagt, wahrscheinlich war es eine). Ich möchte dazu nur soviel sagen: So Vieles es gibt, was ich an freikirchlichen Christen im Allgemeinen und an dieser Gemeinde im Besonderen schätze, und so sehr ich den regelmäßigen Kontakt zu dieser Gemeinde als Bereicherung des Glaubenslebens meiner Familie erlebe, hat so ein Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst doch regelmäßig den Effekt, dass ich froh bin, katholisch zu sein. Das habe ich wohl schon öfter angedeutet, und irgendwann werde ich wohl mal ausführlicher darauf eingehen müssen.
Im Anschluss an den Gottesdienst gab es wie üblich Kaffee, Kuchen und Pasta (wie ich immer gerne sage: Jeden Sonntag Gemeindefest!), und dabei geriet ich an einen Tisch mit einem jungen Mann, der anscheinend zum ersten Mal (oder zu einem der ersten Male) hier war, und einem etwa gleichaltrigen Pärchen, das offenbar als sein persönliches Welcome-Team agierte. Da machte ich mir natürlich eifrig mentale Notizen. Ich muss sagen, für mich mit meinem eher introvertierten und skeptischen Naturell wäre es wohl etwas too much gewesen, wie sie ihn mit Fragen zu seinem Glaubenshintergrund löchern und ihn auf weitere "sucherorientierte" Angebote der Gemeinde hinwiesen; aber der junge Mann schien das nicht so zu empfinden, und insgesamt kann man wohl sagen, dass "bei uns" tendenziell eher zu wenig in Sachen "Besucherbetreuung" unternommen wird. Auch dazu vielleicht ein andermal mehr...
Eine Novene für das Pfarrhausfamilien-Projekt
Ich erwähnte es schon: Die Website praymorenovenas.com hatte eine Novene zu Maria Knotenlöserin ausgerufen, beginnend am vorletzten Freitag, dem 2. Mai. Dass dieser Termin einigermaßen willkürlich angesetzt war, weil es keinen spezifischen Gedenktag für Maria Knotenlöserin gibt, war mir zunächst nicht klar, aber um in den Marienmonat Mai zu starten, ist so eine Novene ja allemal keine schlechte Idee, und zudem hat meine Familie derzeit ja einen konkreten Grund, den Beistand der Knotenlöserin zu erbitten – nämlich die unklare Situation in Hinblick auf das Pfarrhausfamilien-Projekt, die man durchaus als einen Knoten betrachten kann, den wir nicht aus eigener Kraft lösen können. Daher hatte ich aus dem Internet eine Vorlage für eine Novene zu Maria Knotenlöserin herausgesucht, die sich gegenüber verschiedenen anderen dadurch auszeichnete, dass sie für jeden Tag ein Gebet von Papst Franziskus enthielt. Gleich der erste Tag dieser Novene stand unter dem Motto "Maria, Stern der Neuevangelisierung", aber das fiel uns zuerst gar nicht so auf – bis wir zu der Frage "Welchen Knoten will ich zur Knotenlöserin bringen?" kamen. An dieser Stelle dachte meine Liebste laut darüber nach, dass in den letzten Wochen die Aussicht, vielleicht bis auf Weiteres doch einfach zu bleiben wo wir sind und unser Leben weiterzuführen wie bisher, gefühlt an Attraktivität gewonnen habe; dann setzten wir die Novene mit dem Abschnitt "Gedanken" fort, und ob man's glaubt oder nicht, dieser Abschnitt begann mit den Sätzen:
"'Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen' (Mk 16,15). Der Herr sendet uns. Er gibt uns Mut und Ausdauer, die frohe Botschaft zu leben und andere damit bekannt zu machen."
Na wenn das mal keine prompte Antwort war! Und weiter hieß es:
"Bitten wir Maria, Stern der Neuevangelisierung, dass sich die Knoten der Mutlosigkeit, Selbstgenügsamkeit und Angst lösen. Dann werden wir die Freude spüren, zu Christus zu gehören."
Der zweite Tag der Novene stand unter dem Motto "Maria, Mutter des Glaubens"; da waren die Texte nicht ganz so sehr "on the nose", aber das für diesen Tag ausgewählte Gebet von Franziskus – aus der Enzyklika Lumen Fidei – enthielt immerhin die Zeilen "Erwecke in uns den Wunsch, seinen Schritten zu folgen, indem wir aus unserem 'Land wegziehen' und seine Verheißung annehmen". Man könnte sagen, die Anzeichen verdichten sich. Gewissermaßen zum Ausgleich waren die "Gedanken" zum 6. Tag der Novene mit dem Stichwort "Bleibt" überschrieben – aber das bezog sich natürlich auf den Satz "Bleibt in meiner Liebe" aus Johannes 15,9... Wie dem auch sei, demnächst wird mal eine Entscheidung fallen müssen, nicht zuletzt auch mit Blick auf die berufliche Situation meiner Liebsten. Wir brauchen also mehr denn je euer Gebet, Freunde...!
Das Merz-Konklave: Sechs Stunden Staatskrise
Am Dienstagvormittag gab's erst mal Schwarzen Rauch aus dem Bundestag: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik kam bei einer ordentlichen Bundeskanzlerwahl im ersten Wahlgang nicht die erforderliche absolute Mehrheit für den Kandidaten zustande. Ich muss gestehen, mir war zunächst gar nicht klar, was für ein großes Ding das ist. Warum sieht das Grundgesetz denn überhaupt drei Wahlgänge vor, wenn jedermann davon ausgeht, dass es schon im ersten Wahlgang klappen "muss"? Jedenfalls war es amüsant zu beobachten, wie die gesamte politische Klasse der Republik prompt die Nerven verlor. Wenngleich die Wahl im eilig anberaumten zweiten Wahlgang dann doch klappte, lässt sich der Eindruck, Merz' Kanzlerschaft sei schon gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hatte, nicht so ohne Weiteres wegwischen. Aber das ist wohl eher ein Thema für einen eigenständigen Artikel. In gewissem Sinne war ich jedenfalls ganz froh, dass das Thema Kanzlerwahl abgehakt war, bevor das "Extreme Konklave Mitfiebering" losging...
Schwarzer Gürtel in KiWoGo
Wie schon angekündigt, hatte ich am Mittwochabend nach dem JAM noch einem Termin, nämlich ein Treffen des KiWoGo-Arbeitskreises – das dankenswerterweise in in St. Stephanus stattfand, sodass ich vom JAM aus nur einmal über die Straße gehen musste. Ziel des Treffens war die Planung der noch ausstehenden Kinderwortgottesdienste bis zu den Sommerferien; angedacht waren drei Termine, einer pro Kalendermonat. Allerdings hatte sich schon im Vorfeld gezeigt, dass gleich der erste dieser Termine – der 6. Sonntag der Osterzeit – nicht funktioniert, da an diesem Termin der Dankgottesdienst der Erstkommunionkinder stattfinden soll. Schade fand ich das vor allem insofern, als ich mir die Lesungstexte für diesen Sonntag bereits angeschaut hatte und zur 2. Lesung – Offenbarung 21,10-14.22-23, die Vision vom Himmlischen Jerusalem – einen Impuls in dem Buch "Voll cool – Noch mehr Andachten für dich" gefunden hatte, der sich um die Frage drehte "Ist es im Himmel langweilig?". Dazu hätte ich gerne etwas gemacht, aber na ja, vielleicht ergibt sich die Gelegenheit ja mal in einem anderen Jahr. Zu den Texten des angedachten Ausweichtermins – des 7. Sonntags der Osterzeit, also eine Woche später – hatte erst einmal keine zündende Idee, aber es ergaben sich ohnehin noch andere Einwände gegen diesen Termin; zum Beispiel und vor allem, dass er an einem "langen Wochenende" (nach Himmelfahrt) liegt und man damit rechnen muss, dass viele Familien dieses für einen Kurzurlaub nutzen wollen. Nach einigem Abwägen entschieden wir uns daher dafür, den Termin ersatzlos zu streichen, und fassten stattdessen ins Auge, einen Programmbeitrag für das Pfarrfest in St. Stephanus am 7. Juli beizusteuern. Wie der Gemeindereferent berichtete, wird das Gemeindefest im Garten von St. Stephanus in diesem Jahr nämlich als Fest der gesamten Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland gefeiert, in den kommenden Jahren soll diese Ehre dann wohl anderen Gemeindeteilen zuteil werden. Als KiWoGo-Termine im laufenden Schuljahr blieben so jedenfalls nur noch der 29. Juni, das Hochfest Peter und Paul, sowie der 20. Juli, der 16. Sonntag im Jahreskreis (und letzter Sonntag vor den Sommerferien), und da fiel es nicht schwer, die inhaltlichen Schwerpunkte für den Kinderwortgottesdienst herauszuarbeiten: Im Evangelium zum Hochfest Peter und Paul – Matthäus 16,13-20 – geht es um das Christusbekenntnis des Petrus und um Jesu Zusage "Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen"; da bietet es sich wohl an, das Petrusamt in den Fokus zu rücken und dabei auch Erinnerungen an die dann ja immer noch nicht allzu lange zurückliegende Wahl des neuen Papstes zu aktivieren. Und am 16. Sonntag im Jahreskreis gibt es das Evangelium von Maria und Marta (Lukas 10,38-42), dazu hatten wir erst im November eine Kinderkatechese im Rahmen eines Familientages in St. Stephanus; die könnte man im Großen und Ganzen wiederholen. Im Detail wird es an beiden KiWoGo-Entwürfen noch Manches zu klären und auszufeilen geben, aber wir haben ja noch etwas Zeit bis dahin...
Keine Wölflinge im Tal von Achor
Am Donnerstag war in Berlin Feiertag und in Brandenburg nicht, was zur Folge hatte, dass das Tochterkind schulfrei hatte, meine Liebste hingegen zur Arbeit musste; ich nahm dies zum Anlass, mit den Kindern einen Ausflug zum Achor-Hof zu unternehmen, wo, wie ich dem Kalender auf der Website entnommen hatte, von Donnerstag bis Sonntag eine Gruppe Wölflinge zu Gast sein sollte. Als wir kurz vor Mittag auf dem Hof ankamen, war allerdings niemand da. Da es ja noch recht früh am Tag war, dachte ich, sie würden vielleicht noch kommen, aber solange wir dort waren, erfüllte diese Hoffnung sich nicht. Fand ich ein bisschen schade, zumal ich gehofft hätte, das Interesse meiner Kinder an der Pfadfinderei wieder neu erwecken zu können; außerdem hätte es mich interessiert, zu welchem Pfadfinderverband diese Wölflinge wohl gehörten. – Nun, wie dem auch sei: Die Kinder ließen es sich nicht verdrießen, sich rund eine Stunde lang auf dem Gelände aufzuhalten und sich an der Natur zu erfreuen; und gerade als ich sie überzeugt hatte, mal auf den nahe gelegenen Spielplatz der evangelischen Kirchengemeinde zu wechseln, lief uns doch noch die Frau vom Achor-Verein über den Weg, die uns schon bei unseren ersten Besuchen so überaus freundlich empfangen hatte. Sie begrüßte uns freudig und teilte uns praktisch im selben Atemzug mit, sie habe leider gar keine Zeit für uns, da sie ihren "Bürotag" habe und in naher Zukunft einige Veranstaltungen anlägen, die noch allerlei Planungsarbeit erforderten. Das hielt sie indes nicht davon ab, uns auf die Schnelle ein Lunchpaket für den Spielplatz zusammenzustellen, einschließlich einer Thermoskanne mit Kaffee für mich. Dabei fragte sie beiläufig, wie es bei uns denn so laufe, und diese Vorlage nutzte ich, um ihr in kurzen Worten von unserem Pfarrhausfamilien-Projekt zu erzählen. Sie war – "keine Zeit" hin oder her – sofort Feuer und Flamme, meinte, das sei ja ein tolles Projekt, und hatte auch prompt einige Hinweise auf Lager, wie man dafür Fördermittel bekommen könne. Wir einigten uns darauf, uns demnächst per Telefon und/oder E-Mail genauer darüber auszutauschen. Man darf gespannt sein...
Kaffeepause für Papi, sponsored by Achor e.V.
Habemus Leonem XIV!
Das "Extreme Konklave Mitfiebering" begann für mich sozusagen in mehreren Stufen: Schon am Dienstagnachmittag gab es im Livestream von EWTN eine Sondersendung, bei der mein alter Freund Rudolf Gehrig mitwirkte und die ich zumindest teilweise mitzuverfolgen versuchte, nicht so sehr, weil ich davon nennenswerte neue Erkenntnisse erwartete, sondern lediglich "zur Einstimmung". Erschwert wurde das allerdings dadurch, dass ich, während die Live-Sendung lief, das Tochterkind von der Schule abholen und außerdem einkaufen musste. Bei den nächsten Stufen erging es mir nicht viel besser: Die Missa pro eligendo Romano Pontifice am Mittwochvormittag kollidierte zeitlich mit der Messe in St. Marien Maternitas Heiligensee mit anschließendem Frühstück, der Einzug der Kardinäle in sie Sixtinische Kapelle mit dem JAM und der erste Wahlgang mit dem Treffen des KiWoGo-Arbeitskreises. Aber mal der Reihe nach: Als ich mit meinem Jüngsten in St. Marien Maternitas ankam, fand dort gerade eine Maiandacht statt (anstelle des sonst üblichen Rosenkranzes); die kurze Pause zwischen Maiandacht und Messe nutzte ich, um in die Konklave-Vorberichterstattung auf EWTN 'reinzuschauen, und als ich meinem Jüngsten erklärte, worum es da ging, sagte er: "Ich freu mich schon auf den neuen Papst." – "Ich auch", pflichtete ich ihm bei.
Die Messe hätte laut Zelebrationsplan eigentlich von Pater Mephisto zelebriert werden sollen, aber tatsächlich war der Gastpriester aus dem Erzbistum München und Freising mal wieder da, der gebürtig aus der Heiligenseer Gemeinde stammt. Er hielt eine schöne Osterpredigt, die allerdings weder auf die Lesungstexte vom Tag noch auf das Konklave Bezug nahm; immerhin wurde aber in den Fürbitten gebetet "Sende deinen Heiligen Geist den Kardinälen in Rom, die einen neuen Papst wählen", und im Gebet für die Verstorbenen im Rahmen der Interzessionen des Hochgebets wurde besonders "unseres Bruders Papst Franziskus" gedacht, "den du aus dieser Welt zu dir gerufen hast. Durch die Taufe gehört er Christus an, Ihm ist er gleich geworden im Tod, lass ihn mit Christus zum Leben auferstehen."
Die Tischgespräche beim anschließenden Frühstück drehten sich sehr viel mehr um die Bundeskanzlerwahl als um das Konklave; erst als die Runde sich bereits aufzulösen begann, warf an einem Ende der langen Tafel jemand die Frage auf, wer denn nun wohl Papst werden würde. Auf gut Berliner wurde spekuliert, ob es wohl "een Farbija" werden würde; davon abgesehen war die Hoffnung zu vernehmen, der nächste Papst würde "ein bisschen moderner" sein, damit es in der Kirche "mal vorwärts geht und nicht immer nur zurück". Der ebenfalls geäußerte Wunsch, der künftige Papst möge "offener gegenüber der Weltkirche" sein – "Wir hier in Deutschland sind ja nur ein ganz kleiner Punkt auf der katholischen Landkarte" –, wurde offenkundig nicht als im Widerspruch zu den vorgenannten Forderungen stehend empfunden. Insgesamt könnte man es als bemerkenswert betrachten, dass solche Erwartungen an den nächsten Papst nach dem Pontifikat von Franziskus formuliert werden, aber ich habe den starken Verdacht, dass wir es hier lediglich mit einem reflexartigen und unreflektierten Widerkäuen von seit Jahrzehnten ins kollektive Bewusstsein eingeprägten talking points zu tun haben. Und das bei einem Publikum, das regelmäßig und sogar werktags in die Messe geht... Nun ja, so ziemlich bei der ersten Gelegenheit schwenkte die Diskussion wieder auf Aktualia aus der bundesrepublikanischen Politik um, und da war das Niveau der Meinungsäußerungen durchaus ähnlich.
Den Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle verfolgte ich im Livestream immerhin so lange, wie beim JAM freies Spiel angesagt war; und dann hieß es erst mal warten. Während des KiWoGo-Arbeitskreistreffens (s.o.) schaute ich immer mal wieder mehr oder weniger verstohlen auf mein Mobilgerät, aber da wir bei der Sitzung so zügig vorankamen, war ich schon wieder zu Hause, bevor der Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle zum ersten Mal rauchte. Immerhin entdeckte ich in dieser Phase, dass die Konklave-Live-Berichterstattung von Thy Geekdom Come auf der App Formerly Known As Twitter ausgesprochen amüsant war. Für die Nachwelt sei übrigens dokumentiert, dass die Tatsache, dass der erste Wahlgang des Konklaves erheblich länger dauerte als erwartet, allerlei Spekulationen auslöste, was da wohl los sei; aber als dann schließlich doch Rauch aus dem Schornstein kam, war er schwarz.
Am Donnerstag gegen Mittag bekam ich, während die Kinder es sich auf Liegestühlen im Garten des Achor-Hofs gemütlich machten, an meinem Mobilgerät beinahe in Echtzeit mit, wie erneut Schwarzer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle drang; womit schon mal klar war, dass es kein außergewöhnlich kurzes Konklave geben würde. Am Nachmittag, auf der Rückfahrt nach Berlin, schaute ich mir ausgiebig den Livestream vom nicht-rauchenden Schornstein an, was auch die Neugier der Kinder weckte. Wir waren gerade mal seit einer Viertelstunde wieder zu Hause, als der Schornstein plötzlich weiß rauchte.
Ein weiterer Screenshot, Quelle siehe oben.
Als dann Kardinalprotodiakon Mamberti auf die Loggia trat und den Vornamen des soeben zum Papst gewählten Kardinals als "Robertum" angab, dachte ich eine Sekunde lang tatsächlich "Sarah?", aber eigentlich konnte ich mir das nicht vorstellen, so sehr ich Kardinal Sarah auch für einen guten Mann halte. Und dann folgte ja auch noch ein "Franciscum", und Kardinal Sarah hat meines Wissens keinen zweiten Vornamen. Demnach musste es also offenbar jemand sein, den ich nicht so recht "auf dem Zettel" gehabt hatte. –
Bei der Gelegenheit: Ist eigentlich im Vorfeld jemandem aufgefallen, wie viele der als "papabile" eingeschätzten Kardinäle eine Variante des Namens Petrus als Vornamen haben? Man hätte ja denken können, dass das die ohnehin unvermeidlichen Spekulationen bezüglich der Weissagungen des Malachias noch weiter anheizen würde. – Inwiefern? Nun ja: Die Weissagung über den letzten Papst, der Petrus Romanus (Peter der Römer) heißen soll und über den es heißt, zu seine Amtszeit werde von "vielen Bedrängnissen" geprägt sein, die Siebenhügelstadt (also Rom) werde zerstört werden und anschließend werde "der schreckliche Richter sein Volk richten", hat erheblich an Brisanz gewonnen, seit die Liste der Päpste, die in den Weissagungen des Malachias vor diesem Petrus Romanus genannt werden, an ihr Ende gekommen ist, nämlich mit Benedikt XVI., auf dessen Pontifikat sich demnach das Motto "Gloria olivæ" ("Ruhm des Ölbaums") hätte beziehen müssen. Folgerichtig gab es schon 2013 allerlei Spekulationen darüber, dass der nächste Papst jener ominöse Petrus Romanus sein müsse, und es fehlte dann auch nicht an Stimmen, die meinten, das Franziskus-Pontifikat stelle eine Erfüllung dieser Prophezeiung dar. Nun war Franziskus aber ja doch nicht der letzte Papst; was also machen die Anhänger der Weissagungen des Malachias aus diesem Umstand? Abgesehen davon, dass diese Weissagungen heute vielfach als eine Fälschung aus dem späten 16. Jahrhundert betrachtet werden, wird einerseits gern argumentiert, aus dem Wortlaut der Prophezeiung gehe gar nicht zwingend hervor, dass Petrus Romanus unmittelbar auf Gloria olivæ folge, es könnte also durchaus noch eine unbestimmte Anzahl von Päpsten geben, die in der Prophezeiung schlichtweg nicht erwähnt werden; und andererseits gibt es natürlich auch noch Leute, die meinen, der Rücktritt Benedikts XVI. sei ungültig gewesen, Franziskus sei daher nie rechtmäßiger Papst gewesen und deswegen sei der echte Petrus Romanus eben erst jetzt dran. Nun war von den diversen Peters unter den papabili zwar niemand im strengen Sinne Römer, aber ich schätze mal, wenn beispielsweise Pietro Parolin, der fast zwölf Jahre lang Kardinalstaatssektetär war und damit natürlich fest in Rom verwurzelt ist, der neue Papst geworden wäre, dann hätten wir zu diesem Thema so einiges zu hören bekommen.
Dass es Kardinal Parolin nicht geworden ist, finde ich aber auch noch aus anderen Gründen erfreulich, wozu es nicht zuletzt gehört, dass er von vielen tatsächlichen und/oder angeblichen Vatikanexperten als haushoher Favorit, ja als fast schon sicherer Franziskus-Nachfolger gehandelt worden war. Besonders weit aus dem Fenster gelehnt hatte sich diesbezüglich der berüchtigte Dampfplauderer Andreas Englisch, und dem hätte ich einfach nicht gegönnt, dass er Recht behält. (Übrigens habe ich mir ein paar Minuten seines Auftritts bei der Phoenix-Runde zur Papstwahl angetan und muss sagen: Bei "Experten" seines Kalibers frage ich mich immer, ob die gar keine Angst haben, es könnte mal jemand merken, dass sie nur ausgedachten Quatsch daherreden.)
Nun aber: Kardinal Prevost! Naturgemäß wurde man aus den Sozialen Netzwerken innerhalb kürzester Zeit mit allerlei Einschätzungen überschüttet, was das nun für einer sei, und diese ergaben ein recht facettenreiches, um nicht zu sagen widersprüchliches Bild; die Einschätzung, er sei ein "Mann der Mitte", wie es z.B. im Kölner Domradio hieß, schien mir da noch am plausibelsten: Wenn einer in einem Konklave von 133 Kardinälen mindestens 89 Stimmen bekommen hat, dann kann er wohl nicht allzu weit auf einem "Flügel" zu verorten sein. Zunächst einmal freute ich mich jedenfalls über seinen Papstnamen Leo XIV. und bedauerte es zugleich ein wenig, nicht darauf gewettet zu haben, dass der nächste Papst sich so nennen würde; denn ich war schon seit Jahren der Meinung, das sei ein passender und naheliegender Name für einen künftigen Papst. Seinen ersten Auftritt vor dem versammelten Volk fand ich dann auch recht überzeugend; wozu es, wie ich nicht verschweigen will, auch gehörte, dass er anders als sein Vorgänger in zeremonieller Kleidung auf der Loggia erschien. Sowas ist ja auch ein Statement. "Sieht cool aus", meinte mein Jüngster, und die Große merkte an: "Ich freue mich schon darauf, ihn kennenzulernen."
Ich wünsche der katholischen Welt, dass sie diese Vorfreude teilt.
Und noch ein Screenshot. Quelle wie gehabt.
Geistlicher Impuls der Woche
Die weiße Gestalt dort! Man möchte die Augen schließen vor ihr. "Der Diener aller Diener Gottes", lautet ihr schönster Titel. "Tu es Petrus!" Ja, von Petrus zu Pius reicht die ungebrochenste Linie der ganzen Weltgeschichte. In Pius ist Petrus und mehr als Petrus. Mit seinem Herzschlag stärker als nit seinem Verstand begreift Seydel plötzlich das Geheimnis der Menschwerdung der Gottheit, an dem die Päpste in ihrer Art teilnehmen. Achille Ratti, ein gewöhnlicher Mensch und Priester, kein gottbegnadeter Geist, sondern ein stiller Gelehrter, zärtlicher Bibliothekar und tüchtiger Alpinist in seinen kräftigen Jahren. Eines Tages treten die Kardinäle zusammen, gewöhnliche Erdenmenschen alle siebzig, und erheben Achille Ratti auf Petri Stuhl. Und nun ist der Mensch Pius nicht mehr nur Mensch allein. Ein Tropfen des köstlichen Balsams, der sich seit dem Tage des Galiläischen Fischers, der mit dem Herrn umging, angesammelt hat, verwandelt den gewöhnlichen Menschen und fügt etwas zu seiner Natur hinzu, das nicht von dieser Welt ist. Einem flachköpfigen Intellektuellen könnte Seydel dies nicht erklären, aber er ist überzeugt davon, dass auch dieser flachköpfige Intellektuelle es jetzt und hier mit allen Nerven spüren würde wie er selbst. "Ecce sacerdos", denkt er. Du hoher Priester, der du zurückreichst in die unerschöpfliche Tiefe der Zeiten, der du fast zweitausend Jahre alt bist als Träger deines Amtes, hilf uns Verlorenen, führe unsere Sache, denn du musst die einzige Macht auf Erden sein, die gut ist und von Gott.
(Franz Werfel, Der veruntreute Himmel)
Ohrwurm der Woche
The Connells: '74‐'75
Platz 7 in meinen "Abi 95 Top 100": In dem Jahr, in dem ich Abi machte – 1995 – war dieser Song in Deutschland ein überraschend großer Hit; überraschend nicht zuletzt für die Band selbst, denn daheim in den USA war die Single zwei Jahre zuvor sang- und klanglos untergegangen und die Band hatte sich eigentlich nicht viel davon versprochen, die Platte auch in Europa herauszubringen. Tatsächlich wurde "'74-'75" in Norwegen und Schweden sogar ein Nummer-1-Hit. Die Zahlen im Songtitel beziehen sich auf einen High-School-Abschlussjahrgang, und folgerichtig treten im Video zum Song Absolventen des Abschlussjahrgangs '74/'75 der Broughton High School in Raleigh, North Carolina, auf, und ihr Aussehen zwanzig Jahre später wird ihren Fotos aus dem High-School-Jahrbuch gegenübergestellt. Über den Songtext heißt es in der englischsprachigen Wikipedia-Version treffend, er reflektiere nostalgisch über das Verstreichen der Zeit und darüber, wie Leute, die man früher gekannt hat, sich verändern. Dass dieser Song im unmittelbaren Vorfeld meines 30jährigen Abi-Jubiläumstreffens erhöhtes Ohrwurmpotential hat, dürfte damit hinreichend begründet sein; aber das ist noch nicht alles: Ich erinnere mich lebhaft daran, wie ich einmal um die Abi-Zeit herum mit einigen Freunden im Außenbereich eines Lokals in Nordenham saß, und da lief dieses Lied – und einer meiner Freunde merkte an, das Lied passe auch deshalb gut zu unserem Abi-Jahrgang, weil die meisten von uns in den Jahren 1974 und '75 geboren seien. (Nun ja: Ich nicht. Ich bin Geburtsjahrgang '76 und gehöre damit zu den "Küken" meines Abijahrgangs.)
Vorschau/Ausblick
Wenn dieser Artikel online geht, bin ich gerade in Nordenham, wo die lang erwartete 30-Jahre-Jubiläumsfeier meines Abiturjahrgangs stattfindet. Ich gehe davon aus, dass es darüber einiges zu berichten geben wird, sei es im nächsten Wochenbriefing oder vielleicht auch in einem separaten Artikel. Am morgigen Sonntag gedenke ich in St. Willehad in die Messe zu gehen, und wenn die Angaben im Gemeindeblatt ("Willehad aktuell") stimmen, wird diese von Pastor Kenkel zelebriert. Sollte mich freuen. Außerdem ist morgen Muttertag, da trifft es sich natürlich gut, dass ich gerade bei meiner Mutter zu Besuch bin. Am Abend geht's aber zurück nach Berlin, denn ab Montag erwartet uns eine "ganz normale" Schul- und Arbeitswoche. Genauer gesagt ist es die erste "ganz normale" Schul- und Arbeitswoche seit den Osterferien, insofern, als sie keine Feier- und Brückentage enthält. Und für den kommenden Samstag haben wir eine Kinderparty bei uns zu Hause geplant. Einfach so, zur Feier der Tatsache, dass wir so schön aufgeräumt und entrümpelt haben, dass man sowas in unserer Wohnung machen kann.