Es gibt mal wieder eine Menge zu berichten, Freunde; sogar so viel, dass ich zeitweilig erwogen habe, einzelne thematische Abschnitte aus dem Wochenbriefing auszulagern, damit es keine Überlänge bekommt. Bin dann aber zu dem Schluss gekommen, dass die Länge des Artikels so gerade noch vertretbar ist. Seht selbst!
Vom volkskirchlichen zum missionarischen Mindset mit Bischof Oster
Vergangenen Samstag war in Berlin DFB-Pokalfinale (Stuttgart gegen Bielefeld; Fans dieser beiden Vereine mögen es mir verzeihen, aber ich finde, daran, dass das das Finale war, sieht man mal wieder, wie sehr der Pokal eine andere Welt ist als die Liga), und aus diesem Anlass war der Sportbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Passauer Bischof Stefan Oster, in der Stadt, um an einem gewissermaßen zum Rahmenprogramm dieses Sportereignisses gehörenden ökumenischen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mitzuwirken. Am Abend zuvor nahm er aber noch einen anderen Termin in Berlin wahr: Im zur derzeit wegen Renovierung geschlossenen Kirche St. Elisabeth in Tempelhof gehörenden Kardinal-Bengsch-Saal hielt er einen Vortrag zum Thema Neuevangelisierung. Diese Veranstaltung war am vorangegangenen Sonntag in der Messe in St. Joseph Siemensstadt in den Vermeldungen angekündigt worden, obwohl sie buchstäblich am anderen Ende Berlins stattfand; eigentlich wären meine Liebste und ich da gern zusammen hingegangen, aber wir kamen dann doch zu dem Schluss, dass diese Veranstaltung für die Kinder wohl nicht so attraktiv sein würde, also einigten wir uns schließlich darauf, dass ich allein hinging. Auf dem Weg dorthin fiel eine S-Bahn aus, und so kam es, dass die "Anmoderation" des Vortrags (durch den örtlichen Pfarrer) schon lief, als ich im Saal ankam; im Übrigen war der Saal, der schätzungsweise 150 Zuhörer fasste, voll besetzt, ja eigentlich sogar mehr als voll besetzt, aber ich wusste mir zu helfen, griff mir einen Stuhl aus einem Nebenraum und setzte mich dazu.
Der Vortrag war brillant. Inhaltlich war mir zwar Vieles daran nicht direkt neu, da ich mich mit der Frage, wie man von einem volkskirchlichen zu einem missionarischen Mindset kommen kann, ja schon länger beschäftige; aber es war schon sehr erfrischend und ermutigend, die Thesen dieses Vortrags aus dem Mund eines Bischofs zu hören, und davon abgesehen ist der Oster einfach ein sehr guter Redner. Ich will hier nur mal ein paar Passagen wiedergeben, die mich besonders angesprochen haben:
"Ich bin ein Kind der Volkskirche und hab die auch noch gern und hab auch viel davon gelernt, aber ich hab den Eindruck, das ist eine Sozialgestalt von Kirche, die vergeht – und die auch eigentlich keine geistliche Kraft mehr hat."
"Katholizismus in einem ländlichen Raum, vielleicht auch in der Stadt oder in der Diasporasituation, ist zunächst mal sehr strukturkonservativ. Und solange wir die Strukturen einigermaßen aufrechterhalten können, solange wir genügend Geld haben – und die katholische Kirche in Deutschland hat immer noch genügend Geld –, ändert sich im Grunde ganz wenig. Und wenn wir die Menschen fragen, die Gläubigen fragen, die Hauptamtlichen fragen: Was ist denn die Strategie für die Kirche von heute und morgen?, dann kommt fast immer nur: Doppelte Anstrengung von dem, was wir eh schon immer g'macht ham. Und wir merken, das stimmt einfach nicht mehr, das geht einfach nicht mehr."
"Wenn ich versuche, in meinem Bistum Evangelisierungsbemühungen zu vertiefen, zu intensivieren, Gruppen zu starten, dann kommt der Widerstand viel stärker von innen als von außen. Der Bischof will uns jetzt wieder katholisch machen, gä. Wir haben doch ein Level von liberalem Katholizismus erreicht, mit dem sind wir doch alle zufrieden. Das ist so der Tenor. Oder: Jetzt macht der da 'ne Gruppe, das ist seine Sekte da jetzt, gä, das sind die ganz Frommen. Aber wir wissen doch eigentlich, wie Katholischsein geht. Weil wir machen das allerweil scho. Der Heilige Allerweil ist der wirkmächtigste Heilige im Bistum Passau."
"Ich glaub, das Ziel eines Christen von heute und morgen ist, Menschen zu Christus zu führen und selber ein heiliges Leben zu leben."
Innerhalb von fast einer Stunde Redezeit sprach Bischof Oster eine Vielzahl von Aspekten zur Situation des Glaubens und der Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft an, die eigentlich eine genauere Betrachtung verdienen würden, aber das kann ich hier und jetzt nicht leisten; auf den einen oder anderen Punkt komme ich eventuell bei geeigneten zukünftigen Gelegenheiten noch zurück. – An den Vortrag sollte sich eine Diskussion mit dem Publikum anschließen; dazu gab es eine solche Menge von Wortmeldungen, dass der als Moderator agierende Pfarrer darum bat, zunächst nur Fragen an den Bischof zu richten. Bischof Oster beantwortete fünf Fragen, und dies so ausführlich, dass damit nochmals eine halbe Stunde rumging.
Ich hatte eigentlich auf eine Gelegenheit gehofft, im Rahmen der Publikumsdiskussion das Projekt "Pfarrhausfamilie" vorzustellen, sah aber nicht so recht, wie ich dies als Frage an den Bischof hätte formulieren sollen, also hielt ich mich erst mal zurück. Als der "gemütliche Teil" des Abends eingeläutet wurde, besorgte ich mir erst mal eine Laugenbrezel und eine Limo und sondierte dann die Chancen, noch ein paar Worte mit Bischof Oster zu wechseln; aber natürlich war er umgeben von einer Traube von Menschen, die denselben Wunsch verspürten. Ich war schon drauf und dran, aufzugeben, da lief mir - - - die Frau vom Achor-Hof (nennen wir sie ruhig bei ihrem Namen: Claudia) über den Weg. Sie schien sich genauso über diese unverhoffte Begegnung zu freuen wie ich, und irgendwie motivierte mich das, doch noch länger zu bleiben. Kurze Zeit nachdem ich diesen Entschluss gefasst hatte, kam ich mit dem Pfarrer ins Gespräch, und danach stellte ich fest, dass die Traube um Bischof Oster sich inzwischen aufgelöst hatte und er mir fast von selbst über den Weg lief. Also sprach ich ihn doch noch an.
Anknüpfend an das, was er über das volkskirchliche Mindset gesagt hatte, das sich in den Strukturen der Kirche immer noch hartnäckig halte, merkte ich an, ich nähme eine gewisse Lücke zwischen der institutionellen Kirche und dem unorganisierten alltäglichen Laienapostolat wahr: "Beides existiert nebeneinander und kommt nicht so richtig zusammen." Bischof Oster warf ein, dieses Problem sehe er durchaus auch. Daraufhin bemühte ich mich, das Pfarrhausfamilien-Projekt als eine Möglichkeit zu empfehlen, diese Lücke zu überbrücken. Dabei hatte ich durchaus nicht die Erwartung, dass Bischof Oster mich mit diesem Konzept vom Fleck weg für sein Bistum engagieren würde – tatsächlich merkte er an, Kirchenstandorte, die infolge von Pfarreifusionen mehr oder weniger verwaist seien und einer Neubelebung bedürften, gebe es im Bistum Passau nicht im selben Maße wie anderswo –, aber ich betrachtete das Gespräch gewissermaßen als eine Gelegenheit, zu üben, für die Projektidee zu werben. Und ich würde sagen, in dieser Hinsicht verlief es erfolgreich: Die Grundzüge des Konzepts leuchteten dem Passauer Oberhirten unmittelbar ein. Eine kritische Anmerkung hatte er allerdings auch: Er meinte, ein Projekt in der Größenordnung, wie es uns vorschwebt, könne eine Familie allein gar nicht bewältigen; allein um verlässliche Öffnungszeiten für eine offene Kirche zu gewährleisten, brauche man schon ungefähr zehn Leute. Ich nehme diesen Einwand durchaus ernst, würde aber sagen, irgendwie muss man ja mal anfangen – und solange man keine zehn Leute hat, die mitmachen, macht man halt nur so viel, wie man mit weniger Leuten schafft. Wenn man z.B. für die offene Kirche keine festen Öffnungszeiten gewährleisten kann, kauft man sich halt eine Beachflag und stellt sie immer dann vor der Kirche auf, wenn diese geöffnet ist. Nicht problemorientiert denken, sondern lösungsorientiert – ich würde sagen, auch das gehört zu einem missionarischen Mindset.
Patronatsfest in St. Rita
Wie schon angekündigt, fuhren wir am Sonntag ausnahmsweise mal nach St. Rita in die Messe, da die dortige Gemeinde ihr Patronatsfest nachfeierte: Die Hl. Rita von Cascia (1381-1447) ist eine Heilige aus dem Augustinerorden, weshalb das 1935 errichtete Augustinerkloster im Westen von Berlin-Reinickendorf – wo die Seelsorge für die katholische Bevölkerungsminderheit schon seit 1929 in den Händen dieses Ordens lag – nach ihr benannt wurde, und ebenso die erst 1951/52 an das Kloster angebaute Pfarrkirche. Der Gedenktag der Hl. Rita ist der 22. Mai, ihr Todestag; der fiel in diesem Jahr auf einen Donnerstag, eine Messe gab es da in "ihrer" Kirche nicht, die wurde am Sonntag nachgeholt, weshalb da nicht die Texte vom 6. Sonntag der Osterzeit zum Einsatz kamen, sondern die aus dem Proprium der Heiligen (1. Lesung Sprichwörter 2,1-15; 2. Lesung Römer 12,9-21; Evangelium Johannes 15,1-14).
Dem Wochenplan der Pfarrei zufolge hätte Pater Mephisto die Messe zelebrieren sollen; tatsächlich konzelebrierte er aber nur, denn als Hauptzelebranten und Festprediger hatte er einen Ordensbruder aus dem Wallfahrtsort Maria Eich bei München eingeladen. Der Zelebrationsstil dieses Paters mutete zunächst einigermaßen "konservativ" an: Es kam viel Weihrauch zum Einsatz, es gab eine gesungene Eröffnung und ein gesungenes Tagesgebet. Auch die Predigt begann durchaus vielversprechend – nämlich mit der Feststellung, wir lebten "in einer Welt, die uns oft vorkommt, als sei sie verrückt geworden; vom "Geschwindigkeitswahn der Veränderung" war die Rede und davon, dass der moderne Mensch "abgestumpft und blind" sei "durch die wiederkehrenden Krisen unserer Zeit". Als der Pater über die Biographie der Hl. Rita sprach, verschwieg er auch nicht, dass sie, als ihre Söhne nach der Ermordung ihres Mannes eine Blutrache beabsichtigten, gebetet haben soll, ihre Söhne sollten lieber sterben als zu Mördern werden – eine Bitte, die ihr durch den Tod ihrer Söhne im Zuge einer Pestepidemie dann auch tatsächlich gewährt wurde. "Ein schwieriger Gedanke für uns moderne Menschen." Im Ganzen versandeten die interessanten Ansätze der Predigt jedoch allzu bald in jenem so verbreiteten, von gravitätischen Kunstpausen und Redundanzen geprägten Sprachduktus, den ich hier schon öfter kritisiert habe ("Rita betete um Frieden. Um Frieden betete sie"), und am Ende wusste man nicht mehr so richtig, was der Prediger eigentlich sagen wollte.
Zu Beginn des eucharistischen Teils der Messe gab es noch einmal reichlich Weihrauch, und eine gesungene Präfation gab es auch; als der Zelebrant jedoch die Aufforderung "Erhebet die Herzen" durch die Frage "Wo habt ihr die Herzen?" ersetzte, dachte ich: Nanu, was ist denn jetzt los? Sind wir hier im Kasperletheater? Am Ende des Eucharistischen Hochgebets wurde die Gemeinde aufgefordert, die Schlussdoxologie ("Durch Ihn und mit Ihm und in Ihm...") gemeinsam mit den zelebrierenden Priestern zu sprechen; das kannte ich so bisher nur vom ehemaligen Tegeler Gefängnispfarrer. (Damit übrigens niemand glaubt, ich hielte mich hier über Fragen des persönlichen Geschmacks auf: Die Gemeinde Teile des Eucharistischen Hochgebets mitsprechen zu lassen – abgesehen von den vorgeschriebenen Akklamationen, versteht sich –, wird in der Instruktion Redemptionis Sacramentum als schwerwiegender Missbrauch eingeordnet.) Dass beim Vaterunser kaltblütig ein Robbenbaby gemeuchelt wurde, war nach alledem auch keine Überraschung mehr; dennoch war ich einigermaßen konsterniert, nachdem der zelebrierende Priester zunächst einen ganz anderen Eindruck auf mich gemacht hatte. Manchmal drängt sich einem ja wirklich der Gedanke auf, manche Geistliche können abends nicht ruhig schlafen gehen, wenn sie am Tag nicht ein paar mittelschwere liturgische Missbräuche begangen haben; und ich habe manchmal den Eindruck, besonders ausgeprägt ist das, zumindest hierzulande, bei Ordensgeistlichen. Ich frage mich wirklich, woran das liegen könnte. Hat da jemand eine Idee?
Über die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes, für die die Band Rita(r)dando und der Frauenchor Blue Ladies verantwortlich zeichneten, könnte man mit eineinhalb zugekniffenen Augen behaupten, sie habe insofern gut zur Liturgie gepasst, als sie ebenso wie diese relativ gut anfing und immer schlimmer wurde; aber schauen wir's uns ruhig mal etwas differenzierter an: Die Gruppe Rita(r)dando hatte ich ja bereits letztes Jahr in der unsäglichen Karnevalsmesse am selben Ort erlebt und hinsichtlich ihres musikalischen Könnens, unbeschadet der eher fragwürdigen Liedauswahl, als "überraschend gut" bewertet; diesen Eindruck bestätigte die Band auch diesmal wieder: Die Leute können was, die spielen durchaus in einer anderen Liga als manche anderen NGL-Bands, die ich schon hier und da in Gottesdiensten gehört habe. Aber auch die seinerzeit festgehaltene Beobachtung, die Gruppe neige zuweilen allzu sehr zu einem "Pop-Schlager-Sound à la Flippers", bestätigte sich leider erneut. Das finde ich umso ärgerlicher, als das NGL in seiner Blütezeit in den 70er Jahren – oder sagen wir präziser: der Sacropop à la Peter Janssens, Ludger Edelkötter etc. – meiner Überzeugung nach eigentlich ein religiös motiviertes Subgenre des Krautrock war (eine These, zu der ich eigentlich mal ein Buch schreiben müsste, wenn ich nur mal die Zeit fände). Der Schlager-Stil war bei einem anstelle eines Antwortpsalms vorgetragenen Lied, "Mache ein Zuhause für dein Wort" von Stephanie Dormann, besonders ausgeprägt. – Zu den Fürbitten steuerten Rita(r)dando und Blue Ladies einen gesungenen Antwortvers bei, in dem die Hl. Rita um Fürsprache angerufen wird, und zwar auf die Melodie von "Der Himmel geht über allen auf" aus dem Skandal-Musical "Ave Eva". Dass zur Gabenbereitung "Nimm, o Gott, die Gaben, die wir bringen" (GL 188) dargeboten wurde, dessen Melodie bekanntlich aus "Jesus Christ Superstar" stammt, ist bei NGL-Messen ja schon so ziemlich Standard; dass aber zum Agnus Dei – oder sagen wir: da, wo das Agnus Dei eigentlich hingehört hätte – "Hevenu Schalom Aleichem" gesungen wurde (wobei ein Teil der Gemeinde eifrig mitklatschte), ging mir dann doch über die Hutschnur. Als Danklied nach der Kommunion wurde eine weitere fröhliche Mitklatsch-Nummer, "He's Got the Whole World in His Hand", gesungen. Zum Auszug schließlich gab es die Weltjugendtagshymne "Jesus Christ, You Are My Life", und ich stelle fest, dass ich auf dieses Stück, obwohl ich es an und für sich als "gar nicht so schlecht" einordnen würde, zunehmend allergisch reagiere. Diese Reaktion müsste ich vielleicht mal genauer analysieren.
Übrigens verfügt die Kirche St. Rita über eine Kinderspielecke mit einem Mal- und Basteltisch, und da unser Jüngster schon beim Betreten der Kirche verkündete, er wolle malen, suchten wir uns Plätze in unmittelbarer Nähe dieser Kinderspielecke – mit dem vorhersehbaren Ergebnis, dass unsere Große ebenfalls während der Messe malen und basteln wollte. Der Erfolg dieser Maßnahme war, dass die Kinder "beschäftigt" waren und sich während des größten Teils der Messe einigermaßen ruhig und friedlich verhielten; aber eigentlich hätte ich mir gewünscht, dass zumindest unsere Große (die sich ja allmählich dem Erstkommunion-Alter nähert) sich ein bisschen mehr auf den Gottesdienst konzentriert. Ich bin geneigt zu sagen, das illustriert recht gut, dass diese Kinderspielecke – wie auch andere Formen von Kinderbetreuung in anderen Kirchen – für die Erwachsenen da ist, in dem Sinne, dass sie einen möglichst störungsfreien Ablauf des Gottesdienstes gewährleisten soll. Unter katechetischen Gesichtspunkten finde ich sie eher kontraproduktiv.
Die befreundete Familie, die uns gewissermaßen zu dieser Veranstaltung "eingeladen" hatte, war übrigens nicht in der Messe, fand sich aber rechtzeitig zum Beginn des "geselligen Teils" ein, bei dem es Grillwurst und Käsestullen sowie allerlei Knabberkram und Getränke für lau gab und die Kinder trotz ungemütlichen Nieselwetters im Klostergarten herumtollten. Zudem gab es die Möglichkeit, in der Rita-Kapelle einen Einzelsegen mit einer Reliquie der Hl. Rita zu erhalten, und auch die Tatsache, dass der Diakon diesen Segen spendete, konnte uns nicht davon abhalten, von dieser Gelegenheit Gebrauch zu machen. Alles in allem war es also wohl doch die richtige Entscheidung, an diesem Sonntag nach St. Rita zu gehen, aber einen gewissen spirituellen Hunger hinterließ es doch.
Wenn der Vater mit dem Sohne
Nachdem wir am Sonntag im Anschluss an das Rita-Fest nach Röntgental gefahren waren, um uns mit meinen Schwiegermüttern, einer Cousine meiner Liebsten und deren Sohn in einem Restaurant zu treffen, fiel der reguläre "Omatag" am Montag aus; stattdessen unternahm ich mit dem Jüngsten mal wieder einen Ausflug ins Umland. Zunächst verschlug es uns diesmal in die Ofenstadt Velten – wo wir eigentlich nur hatten umsteigen wollen, aber infolge einer Zugverspätung verpassten wir am Bahnhof Velten unseren Bus und fanden daraufhin, wir könnten uns ruhig erst mal im Städtchen umsehen. Tatsächlich gefiel mir Velten ziemlich gut.
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Die Stadt scheint alles zu haben, was man zum Leben braucht. |
Unser nächstes Ausflugsziel war Leegebruch, ein Vorort von Oranienburg; die dortige St.-Petrus-Kirche erreichten wir genau in dem Moment, als die Glocken zum Regina Coeli zu läuten begannen. In die Kirche hinein kamen wir nicht, aber das hatte ich auch nicht unbedingt erwartet.
Am Dienstag nach der "Rumpelberggruppe" hielten wir in St. Joseph Tegel eine schöne und ausgedehnte "Beten mit Musik"-Andacht (mit fünf Liedern!) ab, während draußen drei Bauarbeiter die Fugen im Mauerwerk ausbesserten. Bevor wir wieder gingen, hatte der Knabe ein paar Fragen an die Bauarbeiter – bezüglich ihrer Arbeit und ihrer Werkzeuge –, und einer von den dreien schien sehr erfreut über sein Interesse und erklärte ihm sehr geduldig und freundlich alles, was er wissen wollte. – Darüber, ob ich tags darauf wie üblich mit dem Jüngsten in Heiligensee zur Messe gehen sollte, war ich zunächst etwas unschlüssig, in erster Linie deshalb, weil wir am späten Vormittag zu einem Kinderarzttermin mussten, was bedeutete, dass für das Frühstück nach der Messe nicht viel Zeit blieb. Und dann stellte ich beim Blick in den Zelebrationsplan auch noch fest, dass für diesen Mittwoch gar keine Heilige Messe angekündigt war, sondern eine Wortgottesfeier mit dem Diakon. Sollte ich mir das wirklich antun? Nun, letztlich erübrigte sich die Frage dadurch, dass der Knabe am Mittwochmorgen so schwer aus dem Bett zu kriegen war, dass wir es sowieso nicht pünktlich nach St. Marien Maternitas geschafft hätten. Glück für den Diakon, schätze ich.
Zum JAM am Nachmittag kam ich aber wieder mit, auch wenn ich mir zeitweilig wünschte, ich wäre doch lieber nach Hause gegangen. Die Schulfreundin unserer Tochter, die schon mehrmals zum JAM mitgekommen war, war mal wieder dabei, was ich im Prinzip gut fand, was aber auch dazu beitrug, dass die beiden Mädchen sehr albern und überdreht waren; aufs Elterncafé hatte ich keine Lust, folglich fand ich es besonders ärgerlich, dass die Eltern nach der gemeinsamen Eröffnung recht nachdrücklich zum Verlassen des Saales aufgefordert wurden, in dem das Kinderprogramm stattfand. Kurz entschlossen setzte ich mich ins Foyer und kümmerte mich um meinen eigenen Kram, bis es Abendessen gab. Unser Jüngster ging übrigens mit zum Elterncafé, da er sich nicht von seiner Mami trennen mochte; das Tochterkind erzählte mir beim Abendessen, in der Kinderkatechese sei es um die Bekehrung des Paulus gegangen.
Weißt du, wo der Himmel ist?
Am Himmelfahrtstag wollten meine Schwiegermütter die Kinder auf einen Ausflug mitnehmen (mit dem Auto) und hatten vorgeschlagen, dass wir uns dazu in Bernau treffen sollten; für den Messebesuch am Morgen stellte uns das vor die Alternative, früh nach St. Stephanus Haselhorst zu fahren und nach der Messe von dort aus nach Bernau zu fahren, oder gleich nach Bernau zu fahren und dort in der unweit des Bahnhofs gelegenen Herz-Jesu-Kirche in die Messe zu gehen. Da war ich noch nie gewesen und meine Liebste schon seit vielen Jahren nicht mehr; wir beschlossen also, es mal auszuprobieren.
Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, aber wenn ich einen Gottesdienst in einer Kirche besuche, in der ich noch nie zuvor war, halte ich unwillkürlich nach Indizien dafür Ausschau, was mich da wohl erwartet. Solche Indizien können aber natürlich trügerisch sein. So kann man von der Innenraumgestaltung einer Kirche nicht unbedingt auf die theologische, liturgische und/oder "kirchenpolitische" Ausrichtung der Gemeinde schließen; einmal, weil die Innenraumgestaltung in der Regel schon mindestens einige Jahrzehnte alt ist und eine Gemeinde sich in dieser Zeit wandeln kann, aber auch, weil es für die Gläubigen in der Diaspora oft nicht so einfach ist, sich auszusuchen, wo sie zur Messe gehen wollen, und auch das geistliche Personal sich seinen Einsatzort nicht unbedingt aussuchen kann – und schon gar nicht danach, ob ihnen der Kirchenraum zusagt. Gleichwohl ist zu bedenken, was mein Freund Rod Dreher im Liturgie-Unterkapitel der "Benedikt-Option" schreibt:
"Stell Dir vor, Du besuchst eine katholische Messe in einer öden vorstädtischen Kirche aus den 70ern, die aussieht wie eine umfunktionierte Pizza-Hut-Filiale. Am nächsten Sonntag nimmst Du an einem Hochamt in der St.-Patricks-Kathedrale in New York City teil. Die Schriftlesungen sind an beiden Orten dieselben, und Jesus ist in der Eucharistie in 'Unserer Lieben Frau von der Pizza Hut' genauso real präsent wie in der Kathedrale. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass Du in der vorstädtischen Kirche größere Mühe haben wirst, eine Empfindung für die Heiligkeit der Messe in Dir zu wecken, als in der Kathedrale" (S. 173/Paperback-Ausgabe S. 185).
Unter diesem Aspekt sagt es dann eben schon etwas aus, wenn der oder das Tabernakel außerhalb des Altarraums steht und der Altarraum mit Wandtafeln "geschmückt" ist, die aussehen wie nackte Spanplatten aus dem Baumarkt.
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Der im Stil des Historismus gehaltene Kreuzweg stellt dazu einen recht intensiven Kontrast dar. |
Als der Geistliche jedoch seine Predigt mit einer Erinnerung an die Zeit eröffnete, als er "in solchem Alter war wie die älteren Ministranten/-innen", dachte ich: Auweia. Korrekt gegendert war das natürlich nicht, aber ein gewisses "Appeasement" gegenüber der Gender-Ideologie zeigt sich in dieser Formulierung wohl doch. Inhaltlich ging es in dieser Eröffnungs-Anekdote darum, dass der Prediger seinerzeit nicht in dieselbe kirchliche Jugendgruppe gehen wollte, in der sein älterer Bruder und dessen Freunde waren, und darum in einer von Jesuiten geleiteten Jugendgruppe landete; und ich dachte unwillkürlich: Das war dann wohl der Anfang allen Übels. – Der weitere Verlauf der Predigt war inhaltlich im Guten wie im Bösen nicht sonderlich bemerkenswert; "allein ich gähnete für Langeweile", wie Moses Mendelssohn mal in einer Theaterkritik schrieb. Zum Beispiel darüber, dass zum Thema Himmelfahrt wieder einmal die Tatsache strapaziert wurde, dass es im Englischen zwei verschiedene Wörter für "Himmel" gibt – für das Himmelsgewölbe über uns (sky) und den Ort, wo Gott wohnt (heaven). Am Ende der Predigt rezitierte der Priester drei Strophen aus dem Lied "Weißt du, wo der Himmel ist?" von Wilhelm Willms. Urgh. Der 2002 verstorbene Willms gilt ja weithin als der "Poet" unter den klassischen NGL-Textern, und ich muss sagen, ich habe das nie verstanden: Die meisten seiner Liedtexte empfinde ich als banal und unfreiwillig komisch, von schiefen Metaphern und plumpem Reimgeklingel geprägt. Das fällt umso mehr auf, wenn diese Texte nicht gesungen, sondern im typisch zerdehnten, Bedeutungsschwere suggerierenden Predigtstil vorgetragen werden.
Nun ist sicherlich auch eine schwache Predigt noch kein zwingender Indikator dafür, wie die Gemeinde und/oder ihr geistliches Personal insgesamt eingestellt ist, aber man muss leider sagen, dass es nach der Predigt – oder genauer gesagt nach dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, an dem es nichts auszusetzen gab, außer dass mir schien, dass der Zelebrant das Wort "katholische" ein bisschen vernuschelte; das muss aber nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben – praktisch nur noch bergab ging. Wenn ich bedenke, dass ich an den Fürbitten beim Erstkommunion-Gottesdienst in Siemensstadt kritisiert habe, durch die Nennung der Ukraine und des Nahen Ostens in der Bitte um Frieden werde diese Bitte "unterschwellig politisiert", fühle ich mich jetzt veranlasst, dem Gemeindereferenten, der diese Fürbitten formuliert hat, Abbitte zu leisten, denn in Herz Jesu Bernau wurde beim Thema Frieden explizit und ausschließlich "für die Menschen in Gaza" und "für die Menschen in der Ukraine" gebetet und nicht für die Menschen in Israel und Russland, die auch unter dem jeweiligen Krieg leiden. Auch eine Bitte "für die Menschen, die unter dem Klimawandel leiden" fehlte nicht. – Als Höhepunkt des Ganzen wurde auch hier die Gemeinde am Ende des Eucharistischen Hochgebets aufgefordert, aufzustehen und die Schlussdoxologie gemeinsam zu sprechen, und auch hier wurde beim Vaterunser ein Robbenbaby geschlachtet.
Eigentlich sollte man solche Fälle direkt zur Anzeige bringen. Das Problem dürfte allerdings sein, dass das zu nichts führt. Ich erinnere mich da an einen Priester in Stuttgart, dessen Zelebration ein wahres Feuerwerk an groben liturgischen Missbräuchen darstellte und der, als ich mich nach der Messe bei ihm beschwerte, ungerührt erwiderte, ich könne ihn ja beim Bistum anzeigen, "oder gleich beim Papst". Solche Leute glauben einfach, sie könnten sich alles erlauben, erst recht wenn sie eine Gemeinde hinter sich haben, die überzeugt sind, was der Priester mache, sei automatisch richtig und über jede Kritik erhaben. In dieser Hinsicht funktioniert liturgischer Missbrauch genauso wie andere Formen von Missbrauch, und man täte gut daran, auch da mal die systemischen Ursachen anzugehen.
Erwähnt sei schließlich noch, dass die musikalische Gestaltung der Messe über weite Strecken "konservativ" war, d.h. es wurden überwiegend traditionelle Choräle aus dem 15.-18. Jahrhundert gespielt und gesungen; zum Auszug gab es dann das Präludium des "Te Deum" von Marc-Antoine Charpentier (ca. 1692 od. '96) – das den meisten Menschen heutzutage allerdings hauptsächlich als Eurovisions-Fanfare bekannt sein dürfte. Ob das so eine glückliche Assoziation ist?
Jedenfalls wurde der spirituelle Hunger, den ich schon nach der Sonntagsmesse in St. Rita verspürt hatte, nach dieser Messe in Bernau noch schlimmer, weshalb ich mir sagte, vielleicht sollte ich mir zur Entschädigung die Messe zu Christi Himmelfahrt in St. Joseph Siemensstadt auf YouTube ansehen. Aber ich hatte Pech: Ausgerechnet diese Messe wurde nicht live übertragen und erschien auch später nicht als Aufzeichnung auf dem YouTube-Kanal von St. Joseph.
Rückblick auf den Marienmonat
Heute ist der letzte Tag des Monats Mai, und ich darf zu Protokoll geben, dass dies für meinen Blog ein ausgesprochen ergiebiger Monat war: Zwölf neue Artikel (dieser hier mit eingerechnet) sind erschienen, drei mehr als im Mai des vorigen Jahres; damit erhöht sich die Zahl der im laufenden Kalenderjahr erschienenen Artikel auf 42, sieben mehr als im Vergleichszeitraum 2024. Mein am 13. Mai erschienener Artikel zur Stimmungslage der CDU-Wähler nach dem Amtsantritt der Merz-Regierung ist nach aktuellem Stand der meistgelesene und mit großem Abstand meist-kommentierte des laufenden Kalenderjahres; in Verbindung mit der Tatsache, dass es auch im zweit-meistgelesenen Artikel des laufenden Jahres, "Kommt nach dem Februar der Merz?", um deutsche Politik geht, könnte man den Eindruck haben, es wäre dem Erfolg meines Blogs zuträglich, wenn ich mehr über Politik schreiben würde, aber wie neulich schon mal ausgeführt, habe ich eigentlich eher die Absicht, das Gegenteil zu tun. Denn was nützt mir der Erfolg, wenn ich nicht schreiben kann, was ich will?
Im Übrigen war der Monat Mai sehr wesentlich geprägt von der Wahl und dem Amtsantritt des neuen Papstes Leo XIV. sowie, in unserem persönlichen "Nahbereich", von der mehr oder weniger notgedrungenen Entscheidung, den Start des Projekts "Pfarrhausfamilie" erst einmal zu verschieben (dafür aber umso gezielter darauf hinzuarbeiten, dass es möglichst zum Beginn des Schuljahres 2026/27 losgehen kann). – Den Monat Mai, wie es die Tradition verlangt, als Marienmonat zu feiern, ist bei alledem, wie ich gestehen muss, ein bisschen kurz gekommen. Abgesehen davon, dass mittwochs in St. Marien Maternitas anstelle des sonst üblichen Rosenkranzgebets Maiandachten abgehalten wurden, in die der Jüngste und ich zweimal so mehr oder weniger mittendrin hineinstolperten, waren wir in diesem Jahr bei keiner einzigen Maiandacht, geschweige denn dass ich selbst eine gestaltet hätte; und wenn ich abends im Bett Rosenkranz beten wollte, verlor ich dabei regelmäßig den Faden und schlief schließlich ein. Da ist also für die Zukunft durchaus Luft nach oben. Erwähnt sei aber noch, dass unser Jüngster und ich im Mai wieder sieben "Beten mit Musik"-Andachten in St. Joseph Tegel abgehalten haben; das macht insgesamt 32 im laufenden Kalenderjahr, eine ziemlich beachtliche Zahl, würde ich meinen.
Geistlicher Impuls der Woche
Heute ist unser Herr Jesus Christus in den Himmel aufgestiegen. Mit Ihm steige auch unser Herz empor. Er ist aufgestiegen, aber nicht von uns gegangen. So sind auch wir mit Ihm schon dort, wenn unser Leib auch noch nicht erfahren hat, was uns verheißen ist. Er ist schon über die Himmel erhoben. Dennoch leidet Er noch auf Erden alle Mühen und Plagen, die wir, Seine Glieder, empfinden. Das bezeugte er von oben, als er rief: "Saul, Saul, warum verfolgst du mich?" (Apg 9,4), und: "Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen" (Mt 25,35). Warum mühen nicht auch wir uns so auf der Erde, daß wir durch Glauben, Hoffnung und Liebe, die uns mit Ihm verbinden, schon jetzt mit Ihm im Himmelreich ausruhen? Obwohl Er dort ist, ist Er bei uns, und obwohl wir noch hier sind, sind wir auch bei Ihm. Er verließ den Himmel nicht, als Er von dort zu uns herabstieg. Auch ist Er von uns nicht fortgegangen, als Er wieder zum Himmel zurückkehrte.
(Augustinus, Predigt zu Christi Himmelfahrt)
Ohrwurm der Woche
Jay-Z: Hard Knock Life (Ghetto Anthem)
Vorschau/Ausblick
Die geplanten Aktivitäten für die kommenden Tage – angefangen damit, dass ich heute Abend eigentlich zur Community Networking Night im Baumhaus gehen wollte – stehen insofern unter Vorbehalt, als mich am Abend des Himmelfahrtstags die schröckliche Männergrippe auf die Matte geschickt hat; seither habe ich möglichst viel Zeit im Bett verbracht und werde das wohl auch noch etwas länger tun. Morgen wäre theoretisch wieder Gelegenheit für ein Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst, aber vielleicht schicke ich Frau und Kinder lieber allein dorthin und sehe mir auf der Couch die Live-Übertragung der Messe aus St. Joseph Siemensstadt an. Spätestens am Montag bin ich aber hoffentlich wieder fit, denn da soll die KiTa-Eingewöhnung unseres Jüngsten beginnen. Am Donnerstag habe ich einen erneuten Arzttermin – "nur" ein Vorgespräch zur geplanten OP, aber etwas nervös bin ich deswegen doch –, und am Freitag starten die Kinder einen neuen gemeinsamen Schwimmkurs, der idealerweise mit der Seepferdchen-Prüfung abgeschlossen werden soll. Und dann ist die Woche auch schon wieder rum!