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Samstag, 29. November 2025

Utopie und Alltag 1: Im Epizentrum des Bieres

Herzlich willkommen bei der neuen Wochenbriefing-Reihe, Leser! Wenn man eine neue Reihe eröffnet, möchte man das ja gerne so richtig "mit Karacho" tun, und an Stoff dafür mangelte es mir eigentlich auch nicht; allerdings ergab sich dabei das Problem, dass praktisch alle Themen, die ich für eine Behandlung innerhalb des Wochenbriefings ins Auge fasste, alsbald einen Umfang erreichten, der den Gedanken nahelegte, vielleicht lieber einen eigenständigen Artikel daraus zu machen. So erging es mir wie dem Titelhelden von Laurence Sternes Roman "Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman" , der beim Versuch, seine Autobiographie zu schreiben, frustriert feststellt "The more I write, the more I shall have to write!"; und gleichzeitig befürchtete ich, vor lauter separaten Artikeln würde am Ende fürs Wochenbriefing (fast) nichts übrig bleiben. 

Nach einigem Abwägen habe ich mich schließlich für eine Zwischenlösung entschieden: Beim Bericht über das Basic Stupidity Reunion Weekend habe ich mich möglichst kurz gefasst, behalte mir aber vor, die gekürzten bzw. weggelassenen Teile in einem eigenständigen Artikel nachzuliefern; im Übrigen habe ich mich dafür entschieden, das "Selbsterlebte" drinzulassen und die "sonstigen" Themen auszulagern. Ob das nun schon eine programmatische Weichenstellung für die Ausrichtung der neuen Wochenbriefing-Reihe ist, sei mal dahingestellt; aber jedenfalls habe ich einen Artikel zur Änderung der Wahlordnung für Pfarrei- und Gemeinderäte im Erzbistum Berlin schon vor diesem Wochenbriefing fertiggestellt und veröffentlicht, und ein Artikel zu einer neuen Regenbogenflaggen-Affäre in Butjadingen ist in Arbeit. Nun aber genug der Vorrede und Vorhang auf für die erste Folge von Utopie und Alltag...! 


Wir bringen die Band wieder zusammen! 

Okay, ganz so wie in diesem Filmausschnitt sah mein Christkönig-Wochenende nicht aus, aber... sagen wir, es gab gewisse Parallelen. – Im Ernst: Wie einige Leser sich erinnern werden, hatte ich im Mai 30-jähriges Abi-Jahrgangstreffen gehabt, und dabei hatte es auch ein fröhliches Wiedersehen mit einigen früheren Mitschülern gegeben, mit denen ich seinerzeit in einer Band gespielt hatte. Nur und ausgerechnet unser damaliger Leadgitarrist war nicht zum Jubiläumstreffen gekommen, und ich glaube tatsächlich, dass gerade seine Abwesenheit entscheidend dazu beitrug, in uns den Wunsch zu wecken, mal ein Band-Reunion-Treffen zu veranstalten – das dann aber natürlich mit unserem Gitarristen. Uns auf einen Termin zu einigen, nahm einige Verhandlungen in Anspruch; was hingegen den Ort anging, bot unsere frühere Sängerin und Saxophonistin an, das Ganze könne bei ihr stattfinden, denn ihr Zuhause biete sowohl genug Platz, um uns alle einzuquartieren, als auch eine recht stattliche Auswahl an Instrumenten zum gemeinsamen Musizieren. Und so verschlug es uns alle an diesem Wochenende nach Neufahrn bei Freising

Was die im Haushalt vorhandenen Musikinstrumente anging, hatte unsere Gastgeberin uns übrigens nicht zuviel versprochen: Auf uns warteten ein akustisches Klavier, ein elektronisches Schlagzeug, eine Cajón (oder "Krachón", wie meine Kinder gern sagen), ein Altsaxophon, eine Trompete (zu der "unser" Trompeter sein eigenes Mundstück mitbrachte) und eine akustische Gitarre; von den Teilnehmern des Bandwochenendes mitgebracht wurden zwei E-Gitarren, ein E-Bass, ein Gesangsmikrofon und die dazugehörigen Verstärker. 

Was man so braucht für ein Bandwochenende: Socken zum Wechseln, ein Handtuch, ein Glas Honig, einen Verstärker.

Dieses Instrumentarium bespielten wir am Samstag so lange, wie die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarn es erlaubte: von morgens (nach dem Frühstück) bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Mittagsruhe und danach dann wieder bis zum frühen Abend. Während kam es auch immer mal wieder vor, dass einer sich die Akustikgitarre griff und ein bisschen vor sich hin klampfte; und auch wenn ich günstigstenfalls der viertbeste Gitarrist unter den Anwesenden war, konnte es mir dabei nicht versagen, den Anderen den "Kaugummi"-Song von Daniel Kallauch sowie ein Medley aus "Lady in Black" und "Die Sache Jesu braucht Begeisterte" vorzuspielen. 

Am späten Nachmittag bzw. frühen Abend hatte der mittlere Sohn der Gastgeberfamilie ein Handballspiel im Nachbarort; wir holten ihn dort ab und fuhren dann zusammen auf den Weihenstephaner Berg – laut biergartenguide.com das "Epizentrum des Bieres". Wir besuchten das dortige "Braustüberl" jedoch nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Essen

So sieht dort der Schweinsbraten aus. Mit ordentlich Kruste.

Dieser Bär war mir ebenfalls sehr sympathisch.

Und die Tatsache, dass wir uns auf dem Areal einer ehemaligen Benediktinerabtei befanden, nicht minder.

Im Anschluss an das Abendessen entschieden wir uns noch zu einem Abstecher nach Freising, um uns auf dem Domberg umzuschauen. 

Hier die Freisinger Mariensäule vor dem Nachthimmel. 

Gedenktafel für Papst Benedikt XVI., 1977-82 Erzbischof von München und Freising.

Zu erzählen hatten wir uns natürlich auch eine ganze Menge nach so langer Zeit. Aber das Faszinierendste war, dass es sich anfühlte, als hätte sich in unserem Verhältnis zueinander eigentlich gar nichts verändert. Das äußerte sich auch gerade darin, dass wir uns am Samstag ohne große Präliminarien einfach an die Instrumente setzen und losjammen konnten, als wäre die letzte Bandprobe gerade mal eine Woche her. Nicht umsonst habe ich schon in meiner jüngsten Tagespost-Kolumne den Heavy-Metal-Musiker Dave Mustaine (Megadeth) mit der Aussage zitiert, in einer Band zu sein sei das größte Maß an Nähe, das zwischen Menschen möglich ist, ohne Sex miteinander zu haben. Kurz gesagt, es war ein tolles Wochenende, und ich hoffe, wir machen sowas bald mal wieder. Nicht erst in dreißig Jahren... 


Christkönig in Neufahrn 

Am Sonntag stand ich etwas früher auf als der Rest der Truppe, um erst einmal in Ruhe bei einer Tasse Kaffee Invitatorium und Laudes zu beten und dann – effektiv in der Zeit, in der die Anderen frühstückten – in der Neufahrner Pfarrkirche St. Franziskus in die Messe zu gehen. Dazu sei angemerkt: Ähnlich wie in Runding, wo wir letztes Jahr in den Herbstferien waren, gibt es in Neufahrn eine schöne alte Barockkirche, die aber nicht mehr für die normalen Gemeindegottesdienste genutzt wird, und einen Neubau aus der Nachkonzilszeit, der schon durch seine Ausmaße dokumentiert, wie optimistisch man damals bezüglich der Entwicklung der Gottesdienstbesuchszahlen war. In die besagte Barockkirche, St. Wilgefortis, hatten wir am Samstag bei einrm Spaziergang während der Mittagsruhe einen Blick geworfen: 

Fast wie in Spanien, bis auf die weißen Wände. Die wären dort wohl entweder komplett mit Figuren bedeckt oder mindestens vergoldet.

Zu dieser Kirche und ihrem etwas ungewöhnlichen Patrozinium seien übrigens noch ein paar Worte mehr gesagt, ehe ich auf St. Franziskus und die dortige Christkönigs-Messe zu sprechen komme. Die Hl. Wilgefortis, auch Hl. Kümmernis genannt, ist nämlich eine Heilige aus dem Volksglauben, für deren Authentizität es keine seriösen Belege gibt und die auch nie offiziell heiliggesprochen wurde, die sich aber im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit einer breiten Verehrung erfreute und daher 1583/86 ins Martyrologium Romanum aufgenommen, später aber wieder daraus gestrichen wurde. Ihre Verehrung in Neufahrn hat einen konkreten lokalgeschichtlichen Anlass, nämlich die ins 14. Jh. datierte wundersame Auffindung eines Kruzifix, das fortan als Gnadenbild verehrt wurde. Spätestens ab dem 17. Jh. ist nachweisbar, dass dieses stilistisch am Volto Santo von Lucca orientierte Kruzifix, das Christus mit langem Gewand und Krone darstellte, volkstümlich als Darstellung der bärtigen Jungfrau Wilgefortis angesehen wurde. In der Folge erhielt auch die ursprünglich dem Hl. Bartholomäus, später dem Heiligen Geist geweihte Kirche das Patrozinium St. Wilgefortis. Das in den Hochaltar der Kirche eingearbeitete Gnadenbild war bis ins 19. Jh. Ziel von Wallfahrten. 

Die neue Pfarrkirche St. Franziskus wurde 1963 geweiht, vor dem Portal steht eine wohl auch aus dieser Zeit stammende Statue des Kirchenpatrons, die ich persönlich durchaus ansprechend finde: 

Die Innenraumgestaltung hat indes eher den Charme einer Reithalle. 

Gut gefiel mir hingegen der Kreuzweg – der allerdings teilweise von einer Girlande aus bunten Stoffwimpeln verdeckt wurde, aber darauf komme ich etwas weiter unten noch zurück. 


Hier exemplarisch ein paar nicht verdeckte Kreuzwegstationen.

Was den weiter oben angesprochenen Optimismus hinsichtlich der Entwicklung der Gottesdienstbesuchszahlen angeht, der bei der Planung dieser Kirche waltete, ist festzuhalten, dass die Sitzbänke Platz für über 300 Personen bieten würden; zu der Messe am Christkönigssonntag kamen vielleicht hundert, was ich nun nicht unbedingt als "wenig" bezeichnen würde, allerdings auch nur, weil man es heutzutage gewohnt ist, dass Kirchen nicht voll sind. Gleichwohl merkte man recht deutlich, dass man es im Großraum München, was die personelle Basis der katholischen Volkskirche angeht, mit ganz anderen Dimensionen zu tun hat als in der Berliner Diaspora. So kamen in dieser Messe sechs Messdiener zum Einsatz – wobei "zum Einsatz kommen" vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck ist; viel zu tun hatten sie eigentlich nicht, jedenfalls nichts, wofür nicht auch zwei genügt hätten. "Bei uns zu Hause" würde "sechs Messdiener" bedeuten "Festhochamt mit Weihrauch und allen Schikanen", und tatsächlich wäre das für den Christkönigssonntag ja nicht unangemessen gewesen – hätte aber wohl insgesamt nicht so recht zum Charakter dieser Kirche und/oder der Gemeinde gepasst, aber dazu gleich noch mehr. Musikalisch wurde die Messe von einem kleinen Gospelchor (mit-)gestaltet, und auf die bunten Stoffwimpel, die rundherum die Wände der Kirche schmückten, wollte ich auch noch zu sprechen kommen. Diese waren offensichtlich von Kindern gestaltet worden: Auf jeden der Wimpel hatte ein Kind seinen Namen geschrieben und etwas gemalt, einen Regenbogen etwa, eine Sonne, ein Kreuz oder eine Kirche. Ähnliches sieht man auch in anderen Kirchen zuweilen, da handelt es sich dann in der Regel um Erzeugnisse des jeweils aktuellen Erstkommunionkurses. Aber hier hingen, grob überschlagen, rund 200 solcher Wimpel! Können die ernsthaft alle von einem Erstkommunionjahrgang sein? Das wären acht komplette Schulklassen! – Als ich meiner Gastgeberin (die selbst nicht katholisch ist) davon erzählte, meinte sie, ihrer Einschätzung zufolge gingen in Neufahrn jährlich eher so zwischen 60 und 70 Kinder zur Erstkommunion. Was ja für einen Ort dieser Größe (ca. 21.000 Einwohner) auch schon nicht gerade wenig ist. Sie fügte hinzu, es sei aber erst kürzlich Religiöse Kinderwoche (oder etwas in der Art) gewesen, möglicherweise kämen die Wimpel daher. (Das würde, nebenbei bemerkt, auch die Hoffnung nähren, dass sie nicht dauerhaft da hängen und die Sicht auf den Kreuzweg behindern.) 

Übrigens hatte ich mir, auch wenn das womöglich ein bisschen albern ist, vor meinem Reiseantritt die Google-Bewertungen der Kirche St. Franziskus in Neufahrn angesehen, und da war mir die folgende Rezension besonders ins Auge gefallen: 

"Die Kirche ist modern und sehr schlicht, ihre Stärke ist jedoch der Pfarrer: modern, freundlich und unkompliziert." 

Was ich hieran so faszinierend finde, ist die zweimalige Verwendung der Vokabel "modern", und vor allem das "jedoch" dazwischen. Ich verstehe das so: Wenn ein Kirchengebäude modern ist, ist das nicht so schön, denn ältere Kirchen haben einfach mehr Atmosphäre (diese Meinung wird auch in einer anderen Google-Bewertung explizit vertreten), aber wenn ein Pfarrer modern ist, ist das gut, denn wenn er das nicht ist, erzählt er einem womöglich etwas über Sünde oder so. – Die Messe am Christkönigssonntag hielt indes nicht der Pfarrer (genauer: Pfarradministrator), sondern ein aus Indien stammender Kaplan vom Institut der Schönstatt-Patres. Meine Hoffnung, von diesem Priester eine irgendwie inspirierende Predigt zum Christkönigsfest zu hören zu bekommen, wurde in gewisser Weise durch die Wandmalerei an der Altarwand genährt, die sich dafür angeboten hätte, auf sie Bezug zu nehmen: 

Aber ach: Die Predigt begann mit einer gemütvoll rührseligen Geschichte über eine Frau, die ihre demenzkranke Tante besucht und dabei eine auffällige Halskette trägt – die Tante erkennt sie nicht, meint aber hinterher (wegen der Kette), sie habe Besuch von einer Königin bekommen; am Ende der Predigt erzählte der Kaplan einen Witz, und dazwischen zitierte er Heinz Erhardt. Eine derart banal-harmlose, substanzarme Predigt habe ich wirklich lange nicht gehört, nicht einmal in St. Klara Reinickendorf-Süd, nicht einmal im Urlaub in Burhave. Man muss aber sagen, dass die Predigt sich gerade dadurch gut in das Gesamtbild dieser Messe einfügte. Auch Chorgesang und Orgelspiel wirkten recht seicht und gefällig, und die bunten Stoffwimpel, die teilweise den Kreuzweg verdeckten, hatte so gesehen schon fast etwas Symbolträchtiges. 

Bestimmt gibt es Leute, die sagen würden, gerade das Seichte und Gefällige sei das Erfolgsrezept dieser Gemeinde, aber ich glaube, das ist zu kurz gedacht. Es kann gut sein, dass die Gemeindemitglieder, wenn man sie danach befragte, sagen würden, dass die Predigten, die Musik und die allgemeine Atmosphäre der Gottesdienste ihnen gut gefallen; trotzdem kommen sie nicht deswegen. Kein Mensch geht sonntags morgens in die Kirche, um eine seichte Predigt und seichte Musik zu hören, sondern sie sind da, weil es für sie (noch) zur Normalität gehört, sonntags in die Kirche zu gehen. Und wo sie schon mal da sind, will man ihnen auch ein angenehmes Erlebnis bereiten; das ist alles. Mit einem solchen "Wohlfühlkatholizismus" kann man aber nicht verhindern, dass die Zahl derer, für die der sonntägliche Gottesdienstbesuch schlicht zur Normalität gehört, von Generation zu Generation abnimmt. Schon jetzt ist der Großteil der Messebesucher in St. Franziskus Neufahrn schätzungsweise um die Siebzig; man könnte sagen "Das geht ja noch" – es gibt durchaus Gemeinden, in denen das Durchschnittsalter der Gottesdienstbesucher noch erheblich höher liegt –, aber gerade diese "Das geht ja noch"-Haltung ist eben auch Teil des Problems, denn sie be- oder verhindert die Einsicht, dass das Modell von Katholizismus, das hier praktiziert wird, nicht zukunftsfähig ist. Was das angeht, fühle ich mich in der Diaspora ehrlich gesagt besser aufgehoben. 


Manasse und die Konsequenzen der Abgötterei 

In der zurückliegenden Schul- und Arbeitswoche lief Manches anders als sonst; zum Teil, weil meine Liebste krankgeschrieben war und nicht zur Arbeit, dafür aber zu einigen Arztterminen gehen musste, zum Teil aber auch aus anderen Gründen. So entschied unser Jüngster am Dienstag beim Frühstück, er wolle nicht in die KiTa, sondern lieber zur "Rumpelberggruppe" (d.h. zu der offenen Eltern-Kind-Gruppe in der Gemeinde auf dem Weg, zu der ich mit ihm ein- bis zweimal pro Woche gegangen war, bevor er in die KiTa kam). Am Mittwoch ging er wieder zur KiTa; erst als ich ihn dort abgeliefert hatte und zurück zur S-Bahn ging, fiel mir ein, dass eigentlich dieser Mittwoch, mehr als der vorige, sich dafür angeboten hätte, mit dem Knaben in St. Marien Maternitas zur Messe und zum anschließenden Frühstück zu gehen – denn da feierte eine alte Dame aus der Gemeinde ihren Geburtstag, dieselbe alte Dame, die schon ihren Geburtstag im vorigen Jahr mit der Bemerkung angekündigt hatte, es könnte ihr letzter sein. Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass seitdem schon wieder ein ganzes Jahr vergangen war. – 

Aus der KiTa abgeholt wurde der Knabe indes nicht von mir, sondern von der Oma, sprich: meiner Schwiegermutter. Die hatte nämlich am Montag der vorigen Woche das Tochterkind zu einer Shoppingtour (nachträglich zum Geburtstag) abgeholt und fand nun, zum Ausgleich sollte sie in dieser Woche etwas mit dem Jüngsten unternehmen. Dadurch konnte er natürlich nicht zum JAM mitkommen – und meine Liebste auch nicht, da ja jemand zu Hause sein musste, wenn die Oma den Knaben zurückbrachte. Ehrlich gesagt fand ich's "für mal" aber auch ganz gut, allein mit dem Tochterkind zum JAM zu gehen. 

In der Spiel- und Bastelzeit wurden diesmal Bienenwachskerzen gerollt; unsere Tochter war dabei sehr produktiv und brachte am Ende fünf Kerzen mit nach Hause. 

Im Bild nur drei; keine Ahnung, wo die anderen sind.

Im Elterncafé wurde ebenfalls gebastelt; ein Grund mehr für mich, da nicht hinzugehen. – Im katechetischen Teil ging es weiter um die Könige von Juda, und so skeptisch ich gegenüber der Brauchbarkeit dieses Oberthemas für die Kinderkatechese ursprünglich gewesen war, fand ich es diesmal ausgesprochen interessant und anregend. Es ging nämlich um den König Manasse (ca. 696-642 v. Chr.), und der sagte mir zunächst gar nicht viel; ich hatte bloß die vage Erinnerung, dass das einer der schlechten Könige war, die den Götzendienst tolerierten oder sogar förderten und dafür von Gott gestraft wurden. Das stimmte soweit auch, aber das Interessante war, dass Manasse der Sohn des guten Königs Hiskija war, von dem in der vorigen Woche die Rede gewesen war. Die erste Erkenntnis des Tages lautete also: Wenn jemand gute und fromme Eltern hat, heißt das nicht automatisch, dass derjenige selbst auch gut und fromm wird; es nützt nichts, das, was die Eltern einem vorleben, äußerlich mitzumachen, wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist. Der nächste interessante Punkt war dann, dass König Manasse bei Wahrsagern und Geisterbeschwörern Rat suchte. In diesem Zusammenhang stellte die JAM-Leiterin die Frage in den Raum: Was hat Gott eigentlich gegen Hellseherei, warum will Er nicht, dass wir uns mit Horoskopen, Tarotkarten usw. befassen? – Antwort: Weil Gott will, dass wir Ihm vertrauen. Und wenn wir Gott nicht genügend vertrauen und darum mit Angst in die Zukunft schauen, können böse Mächte unsere Angst benutzen, um uns von Gott abzubringen – "unsere Beziehung zu Gott kaputtzumachen", wie die JAM-Leiterin wörtlich sagte. 

Der Grund, weshalb mich dieser Teil der Katechese besonders ansprach, hing zusammen mit dem Buch, das bei uns gerade als Gutenachtlektüre dran ist, nämlich "Die Rückkehr der Kurzhosengang" von Zoran Drvenkar. An die "Kurzhosengang"-Reihe sind wir geraten, weil ich mal wieder eine Gutenachtlektüre wollte, die nicht dem Fantasy-Genre angehört. Unter diesem Aspekt muss man die Buchauswahl wohl als mittel-erfolgreich bezeichnen: Mit Fantasy im eigentlichen Sinne hat die Kurzhosengang tatsächlich nicht viel zu tun, aber gewisse, sagen wir mal, Mystery-Elemente zeigen sich doch schon recht früh in der Handlung, und im letzten Viertel des ersten Bandes stellt sich dann heraus, dass einer der vier Protagonisten – der auf den Spitznamen Zement hört – Geister sehen und mit ihnen sprechen und zudem voraussehen kann, ob jemand in naher Zukunft sterben wird. – Es ist kaum zu leugnen, dass "Die Kurzhosengang" unterhaltsame Lektüre bietet, witzig, originell und voll von überbordender Fabulierlust; die Fortsetzung ist noch spannender und dichter konstruiert, aber zugleich spielen die angesprochenen Mystery-Elemente hier eine noch deutlich prominentere Rolle als im ersten Teil, und da wird mir beim Vorlesen schon zuweilen etwas unbehaglich – etwa wenn drei der vier Jungs von der Kurzhosengang ein Ouija-Brett befragen, um in Erfahrung zu bringen, wohin ihr Kumpel Zement verschwunden ist. Nun jedenfalls nutzte ich die Gelegenheit, auf dem Heimweg vom JAM an das, was in der Katechese zum Thema Wahrsagerei und Geisterbeschwörung gesagt worden war, anzuknüpfen und zu betonen, in einer ausgedachte Geschichte wie "Die Rückkehr der Kurzhosengang" seien solche Sachen ja vielleicht ganz cool und spannend, aber im wirklichen Leben sei damit nicht zu spaßen. Die Aussage, dass Angst vor der Zukunft, die aus fehlendem Gottvertrauen resultiert, eine Pforte zur Dunklen Seite (sozusagen) ist, konnte ich sogar anhand eines Fallbeispiels aus dem Kurzhosengang-Buch selbst illustrieren (Vorsicht, Spoiler!): Da lebt nämlich der Eisdielenbesitzer – eigentlich ein netter Kerl – so sehr in Sorge, dass ihm oder seinen Bambini etwas zustoßen könnte, dass er auf die Idee verfällt, Zement zu entführen, damit dieser ihn mit seinen paranormalen Fähigkeiten vor allen eventuellen Gefahren warnen kann. 

Eine weitere Lehre aus der Geschichte von König Manasse, die ich ebenfalls nicht unwichtig fand, betraf den Umstand, dass er in assyrischer Gefangenschaft zwar seine Fehler und Missetaten bereute und sich nach seiner Freilassung bemühte, fortan gerecht und gottesfürchtig zu handeln, die Folgen seiner früheren Verfehlungen damit aber nicht einfach aus der Welt schaffen konnte. Dazu erläuterte die JAM-Leiterin: Wenn man etwas Schlechtes und Falsches getan und eingesehen hat, dass es schlecht und falsch war, kann und soll man dafür zwar um Verzeihung bitten, aber die Verzeihung hebt nicht unbedingt den Schaden auf, der angerichtet wurde. So wird zum Beispiel jemand, den man angelogen hat, einem fortan weniger vertrauen, und es wird einen Prozess der Wiedergutmachung bzw. Bewährung erfordern, um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Mir scheint, das ist ein Gedanke, den man sich mal für die Beichtkatechese merken sollte. 


Winter-Wunder-Weihnachtszeit mit Mike Müllerbauer in der Gemeinde auf dem Weg 

Schon seit Wochen gefreut hatte ich mich auf das Konzert des christlichen Kinderliedermachers Mike Müllerbauer in der Gemeinde auf dem Weg am Donnerstag; als ich indes am Dienstag auf dem Weg zur "Rumpelberggruppe" an einem Plakat für dieses Konzert vorbeikam, stellte ich mit Schrecken fest, dass es schon um 16 Uhr beginnen sollte – und das passte uns eigentlich gar nicht: Meine Liebste hatte einen Arzttermin und unsere Tochter einen Schulausflug, von dem sie voraussichtlich erst um 17 Uhr zurück sein würde. Nun konnte ich zwar den Jüngsten von der KiTa abholen und mit ihm allein zu dem Konzert gehen, aber wer holte dann das Tochterkind vom Schulausflug ab? Nun, wir lösten das Problem schließlich so, dass unsere Große am Nachmittag erst einmal mit zu einer Freundin nach Hause ging und später von dort aus abgeholt wurde. Dass sie das Konzert verpasste, war zwar schade, aber wenigstens konnten der Jüngste und ich hingehen. Wir trafen dort nicht nur allerlei Kinder und Eltern, die wir von der "Rumpelberggruppe" her kannten, sondern auch ein paar Kinder aus der KiTa des Knaben. 

Wie manche Leser sich erinnern werden, waren wir am selben Ort schon im Frühjahr 2024 bei einem Mike-Müllerbauer-Konzert gewesen; im direkten Vergleich dazu war dieses Konzert etwas weniger gut besucht, außerdem fand ich es recht auffällig, dass Müllerbauer und sein Bühnenpartner Andy Doncic in diesen eineinhalb Jahren deutlich älter geworden sind. Der hauptsächliche Unterschied zwischen den beiden Konzerten war jedoch ein anderer: Der Auftritt im März 2024 stand unter dem Motto "Best of Müllerpower" und bot folgerichtig einen Querschnitt durch rund 20 Jahre von Müllerbauers Schaffen als Kinder-Lobpreis-Liedermacher; dagegen hieß das aktuelle Programm "Winter-Wunder-Weihnachtszeit" und enthielt hauptsächlich Stücke aus seinem gleichnamigen Weihnachtsalbum von 2017, "Greatest Hits" wie "Komm, wir machen Gott jetzt eine Freude" oder "Vor mir, hinter mir" kamen lediglich als Zugabe zum Einsatz. 

Derweil ist nicht zu leugnen, dass das Weihnachts-Konzertprogramm dramaturgisch gut durchstrukturiert war: Am Anfang standen Lieder, die einfach nur eine winterlich-vorweihnachtliche Stimmung evozieren ("O lieber Schnee", "Plätzchenbäcker sind wir"); dann folgte mit "Wir feiern Weihnachten" ein Lied, dessen Text sich zunächst darum dreht, worauf verschiedene Leute sich im Zusammenhang mit Weihnachten am meisten freuen ("Lukas freut sich auf viele Geschenke, Sonja liebt den Plätzchenduft"), dann aber mit der Frage "Aber warum feiern wir dieses Fest?" den Blick auf den religiösen Gehalt des Weihnachtsfests lenkt. Die weiteren Musikstücke des Konzerts fügten sich dann größtenteils in eine heiter-turbulente Nacherzählung des Weihnachtsevangeliums nach Lukas ein. 

"Euch ist heut der Retter geborn" – rechts Mike Müllerbauer als Hirte, links Andy Doncic als Engel

So gesehen forderte dieses Konzert durchaus auch Vergleiche mit dem Krippenspiel-Musical heraus, das wir am ersten Adventswochenende des Vorjahres am selben Ort gesehen und gehört hatten. Und im direkten Vergleich muss ich leider sagen, dass Mike Müllerbauers Krippenspiellieder für mein Empfinden nicht so ganz an die von Adonia heranreichten. Womit ich nicht sagen will, dass ich sie schlecht fand; nur eben nicht ganz so gut. 

Das Konzert dauerte insgesamt knapp eineinhalb Stunden, und schon nach rund einer Stunde beschwerte sich mein Jüngster bei mir, es dauere ihm zu lange. Wahrscheinlich vermisste er seine Mami und war insgesamt einfach fertig vom Tag. Wir blieben trotzdem bis zum Schluss, aber nicht länger – obwohl man sich im Foyer, wo es u.a. eine Hüpfburg und einen Hot-Dog-Stand gab, durchaus noch eine Weile hätte aufhalten können. – Zu Hause hörten wir uns dann einige der Lieder, die beim Konzert gespielt worden waren, noch einmal bei YouTube an. Mir scheint, sie gewinnen bei mehrmaligem Hören. Vielleicht kann man ja das eine oder andere noch ins Krippenspiel in Haselhorst einbauen... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Können wir um das Kommen Jesu beten? Ja, wir können es. Nicht nur das: Wir müssen es! Wir bitten um Antizipationen seiner welt-erneuernden Gegenwart. Wir bitten ihn in Augenblicken persönlicher Bedrängnis: Komm, Herr Jesus, und nimm mein Leben hinein in die Gegenwart deiner gütigen Macht. Wir bitten ihn, dass er Menschen, die wir lieben oder um die wir Sorge tragen, nahe werde. Wir bitten ihn, dass er in seiner Kirche wirksam gegenwärtig werde. Warum sollten wir ihn nicht bitten, dass er uns auch heute wieder neue Zeugen seiner Gegenwart schenke, in denen er selber kommt? Komm, Herr Jesus!

(Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., Jesus von Nazareth Bd. II) 


Ohrwurm der Woche 

Grace Jones: I've Seen That Face Before (Libertango) 

Bekannt aus dem Film "Frantic", einem Thriller von Roman Polański mit Harrison Ford in der Hauptrolle. Die Kombination aus Astor Piazzollas "Libertango" und dem eindringlichen Gesang von Grace Jones finde ich ausgesprochen effektvoll, und übrigens gehörte "Libertango" auch zu den Stücken, die wir bei unserem Bandwochenende erstmals probierten – mit Klavier und Trompete als "Hauptstimmen", Bass und Gitarre schlichen sich nach und nach hinein, ich selbst spielte Krachón dazu. Mir gefiel unsere Version, aber sie war anders als diese hier. Ziemlich doll anders. 


Vorschau/Ausblick 

Für heute hatten wir uns mal wieder ganz schön viel Programm vorgenommen: vormittags zu den Schöneberger KPE-Pfadfindern, wo sowohl ein Meutentreffen der Wölflingsmädchen als auch ein Wichtelgruppentreffen stattfand, und am Nachmittag dann zur Krippenspielprobe in Haselhorst. Über beides wird es nächste Woche allerlei zu berichten geben. Heute Abend ist obendrein auch noch Community Networking Night im Baumhaus, aber ob wir das zusätzlich zu allem anderen auch noch schaffen (oder wenigstens ich), steht wohl eher zu bezweifeln. Dabei wäre das sicher interessant, zumal es aus dem bzw. über das Baumhaus einige bemerkenswerte Neuigkeiten gibt; es wäre durchaus zu erwägen, diese auch dann im nächsten Wochenbriefing zu thematisieren, wenn ich es nicht zur Community Networking Night schaffe. – Morgen ist 1. Advent, da steht in St. Joseph Siemensstadt der KiWoGo zum Thema "Was hat die Wiederkunft Christi mit der Sintflut zu tun?" an; erwähnt sei außerdem, dass an diesem Wochenende, heute und morgen, im Gemeindesaal von Maria, Hilfe der Christen in Spandau ein Theaterstück mit dem bezeichnenden Titel "Sancta (?) Helena – Ein Reich, ein Kaiser, eine starke Frau" gezeigt wird; als Veranstalter firmiert der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin. "Ein Theaterabend, den Sie verpassen sollten", wie es auf dem Flyer heißt; okay, zugegeben, da enthält der Satz noch ein "nicht", aber ich war mal so frei, das zu korrigieren. Wer anderer Meinung ist, hat von Dezember bis Februar noch weitere Gelegenheiten, das Stück in anderen Berliner Kirchengemeinden zu sehen, aber ich würde es mir höchstens dann ansehen, wenn ich eine Kiste leicht angegammelter Tomaten mit reinnehmen dürfte. 

Am Dienstag haben meine Liebste und ich ein Elterngespräch mit der Vertrauenslehrkraft unseres Tochterkindes, ohne speziellen Anlass, einfach um sich mal zu orientieren, wie sich das Kind in der Schule so macht; da könnte es eventuell Stoff für eine neue Folge der Rubrik "Neues vom Schulkind" geben. Am Mittwoch werden wir wohl wieder zum JAM gehen, und am Donnerstag hat unser Jüngster ein Jiu-Jitsu-Probetraining an einer Kampfsportschule, die er sich letzten Mittwoch zusammen mit der Oma angesehen hat. Der Kursbeschreibung zufolge soll er da neben körperlicher Ertüchtigung auch ein "gesteigertes Selbstbewusstsein, -vertrauen und -verantwortung" sowie nicht zuletzt einen "moralischen Kompass" vermittelt bekommen; man darf gespannt sein. – Schon jetzt ist übrigens abzusehen, dass das zweite Adventswochenende derart vollgepackt mit "Programm" sein wird, dass wir es beim besten Willen nicht schaffen werden, alles mitzumachen, was theoretisch anstünde. Da gilt es also mit Bedacht auszuwählen... aber dazu nächste Woche mehr. Abschließend sei noch auf ein paar Themen hingewiesen, über die ich in der nächsten Woche etwas zu schreiben gedenke – ob innerhalb des Wochenbriefings oder in Form eigenständiger Artikel, muss sich noch zeigen: 

Bis dahin: Bleibt mir gewogen, Leser! 


Donnerstag, 27. November 2025

Neues aus Synodalien: Der Diözesanrat mauert sich ein

Über den Presseverteiler des Erzbistums Berlin wurde ich am vorletzten Samstagabend informiert, dass der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin bei seiner jüngsten Vollversammlung eine Änderung der Wahlordnung für die Pfarrei- und Gemeinderäte im Erzbistum beschlossen hat. Da stellt sich natürlich zuallererst die Frage: Dürfen die das? Darf der Diözesanrat die Wahlordnung für die Pfarrei- und Gemeinderäte ändern? Aus kirchenrechtlicher Sicht lautet die Antwort: Eigentlich nicht. Eigentlich darf das nur der Bischof (bzw. in diesem Falle: Erzbischof), dem gegenüber der Diözesanrat lediglich eine beratende Funktion hat. Allerdings ist Erzbischof Koch grundsätzlich keiner, dem man es zutrauen würde, Beschlüssen des Diözesanrats seine Zustimmung zu verweigern, und so ist wohl auch im vorliegenden Fall nicht damit zu rechnen. Aber worum geht's dabei denn nun eigentlich? – In der Pressemitteilung des Diözesanrats steht der Beschluss unter dem Motto "Völkischer Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit haben keinen Platz in Pfarrei- und Gemeinderäten"; das klingt erst mal nach handelsüblichem virtue signalling und obendrein nach "Hat man schon mal gehört", aber es gilt zu bedenken, dass es sich diesmal nicht einfach nur um ein appellatives Statement handelt, sondern eben ganz konkret um eine Änderung der Wahlordnung: Künftig soll jeder, der im Erzbistum Berlin für einen Sitz in einem Pfarrei- oder Gemeinderat kandidieren will, schriftlich versichern müssen, dass er mit "völkischem Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" nichts am Hut hat. Und da habe ich mich dann doch gefragt: Haben die sie noch alle? 

Symbolbild: Augen zu und durch. 

Vermutlich muss ich diese spontane Reaktion jetzt erst mal erklären, zumindest einigen meiner Leser. Es ist ja nicht so, als hätte ich ernsthaft die Absicht, noch einmal in meinem Leben für ein solches Gremium zu kandidieren, und falls ich das doch wollte, könnte ich guten Gewissens behaupten, dass die vom Diözesanrat aufgestellten Ausschlusskriterien mich nicht betreffen. Ich würde eine solche politisch-ideologische Unbedenklichkeitserklärung aber trotzdem nicht unterschreiben wollen, und was noch schwerer wiegt, ich möchte auch niemanden wählen, der keine Bedenken hat, das zu tun. 

Ehe ich dies näher begründe, sollten wir vielleicht erst einmal einen Blick auf die klassische Frage "Was soll das?" werfen; oder anders formuliert: Warum macht der Diözesanrat sowas, was verspricht er sich davon? Betrachtet man den Beschluss des Diözesanrats als einen Versuch der Institutionalisierung von virtue signalling, dann kommt man wohl schwerlich umhin, festzustellen, dass die Wirkung zwiespältig ist: Es entsteht der Eindruck, Menschen, die für Pfarrei- und Gemeinderäte kandidieren wollen, würden unter Generalverdacht gestellt, völkische Nationalisten, Rassisten, Antisemiten und überhaupt Menschenfeinde zu sein, und es bedürfe einer formellen Erklärung, um sie von diesem Verdacht zu reinigen. Oder befürchten die Damen und Herren im Diözesanrat etwa tatsächlich eine massive Unterwanderung kirchlicher Gremien durch rechtsextreme Finsterlinge, gegen die es wirksame Maßnahmen zu ergreifen gelte? Zuzutrauen wär's ihnen. 

Die Diözesanratsvorsitzende Karlies [sic] Abmeier, die übrigens zur Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd gehört, wird in der Pressemitteilung mit der Aussage zitiert: "Alle, die in Gremien des Bistums mitwirken möchten und sich zur Wahl stellen, bekennen sich aktiv zu den Werten unserer Kirche." Nun, wer mich kennt, wird wissen, dass ich auf kaum etwas so allergisch reagiere wie auf dieses Gelaber von "Werten". Wer in der Kirche, als Funktions- und Verantwortungsträger in der Kirche, von christlichen Werten spricht, signalisiert damit, dass er mit dem christlichen Glauben nicht viel anzufangen weiß, ja dass ihm dieser womöglich nicht recht geheuer ist. Dabei hätte es im vorliegenden Fall ja gar keine große Mühe gekostet, aus dem Glauben statt aus irgendwelchen "Werten" heraus zu argumentieren und also beispielsweise zu erklären, ein im christlichen Glauben verwurzeltes Menschenbild schließe Rassismus und andere Formen "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" aus, weil allen Menschen, unabhängig von ihren sonstigen Eigenschaften, die unverlierbare Würde zukomme, "als Bild Gottes" (Genesis 1,27) erschaffen zu sein. Aber das reicht anscheinend nicht. Vielleicht, weil ein solches Argument den Glauben an Gott voraussetzt, und das will und kann der Diözesanrat nicht einmal in den eigenen Reihen tun; stattdessen von "Werten" zu reden, erscheint da unverfänglicher. Es kommt aber noch etwas anderes hinzu. Erst kürzlich hat mich eine Passage aus Evelyn Waughs großartigem Roman "Wiedersehen mit Brideshead" zu einem Beitrag für die Tagespost inspiriert, und diese Passage möchte ich nun auch hier zitieren. Da äußert nämlich der Erzähler des Romans die Einschätzung, Katholiken schienen ihm "ebensolche Menschen zu sein wie alle anderen", aber sein Freund und Kommilitone Sebastian, ein junger katholischer Aristokrat, widerspricht ihm: 

"Mein lieber Charles, gerade das sind sie nicht – [...] sie haben einen ganz anderen Standpunkt gegenüber dem Leben; sie halten ganz andere Dinge für wichtig als die übrigen Menschen." 

Hingegen sucht der Verbands- und Gremienkatholizismus unserer Tage seine sogenannte "gesellschaftliche Relevanz" aber gerade darin, mit Fleiß dieselben Dinge für wichtig zu halten wie die übrigen Menschen. Stünde der Berliner Diözesanrat auf einem genuin christlichen, ja idealerweise gar einem genuin katholischen "Standpunkt gegenüber dem Leben", würde ihm womöglich auffallen, dass nicht nur die Positionen eines politischen Lagers mit diesem Standpunkt schwerlich vereinbar sind, sondern dass sich solche Unvereinbarkeiten quer durch alle politischen Lager finden lassen. Man stelle sich mal vor, was los wäre, wenn der Diözesanrat all denen die Kandidatur für Pfarrei- und Gemeinderäte verbieten wollte, die Parteien angehören oder unterstützen, die beispielsweise für die Legalisierung von Abtreibung eintreten. Oder wenn – was ich persönlich ausgesprochen sinnvoll fände – statt eines Bekenntnisses zu den "Werten unserer Kirche" ganz direkt ein förmliches Bekenntnis zur Glaubenslehre ebendieser Kirche gefordert würde? Wenn alle, die für ein kirchliches Gremium kandidieren wollen, auf die Einhaltung der Kirchengebote, einschließlich des sonntäglichen Messbesuchs, verpflichtet würden? Träumen kann man ja mal. 

Stattdessen sucht der Verbands- und Gremienkatholizismus den Schulterschluss mit "Politik und Zivilgesellschaft"; genauer gesagt mit dem Teil von Politik und Zivilgesellschaft, der es, nicht zuletzt aus Eigeninteresse, als oberste Bürgerpflicht propagiert, "gegen Rechts" zu sein. Sieht man sich die Presseberichterstattung über den Beschluss des Diözesanrats an, dann scheint es, dass dieser Beschluss, auch wenn darin keine Partei namentlich erwähnt wird, vorrangig als gegen die AfD gerichtet wahrgenommen wird – gegen eine Partei also, die durch sämtliche Versuche, sie politisch zu isolieren und von der Teilhabe am politischen Tagesgeschäft auszuschließen, immer nur stärker geworden ist, eine Partei, die nach aktuellen Umfragen bundesweit rund ein Viertel aller Wählerstimmen auf sich vereinigen könnte und die aller Voraussicht nach im kommenden Jahr mehrere Landtagswahlen gewinnen wird. Ob die Kirche gut daran tut, all den Menschen, die ihre politischen Interessen durch diese Partei vertreten sehen, so demonstrativ zu signalisieren "Wir wollen euch nicht, wir geben euch keine Stimme in unserem Rat", darf wohl bezweifelt werden. Und das meine ich nicht nur und nicht in erster Linie in einem taktischen Sinne, also mit Blick auf die "gesellschaftliche Relevanz", auf die die Funktionärselite der Kirche doch so großen Wert zu legen scheint; wiewohl auch da die Frage berechtigt erscheint, ob die institutionelle Kirche es sich wirklich leisten kann, sich an den Rockzipfel einer politischen Klasse zu hängen, die mehr und mehr das Vertrauen der Bevölkerung verliert. Viel bedeutender erscheint mir indes der Aspekt der seelsorgerischen Verantwortung. Ich fühle mich da stark an den Fall eines Pfarrers aus dem Emsland erinnert, der anno 2015 in den Medien dafür abgefeiert wurde, dass er "Rassisten zum Kirchenaustritt aufrief". Dazu merkte ich seinerzeit an: 

"Es trifft zu, dass Rassismus und fremdenfeindliches Verhalten dem christlichen Glauben widersprechen. Mit einem heutzutage nicht mehr besonders populären Begriff könnte man hier von Sünde sprechen. Und welchen Umgang mit den Sündern empfiehlt der Lingener Pfarrer seiner Gemeinde? Ruft er dazu auf, für ihre Bekehrung zu beten, Gott zu bitten, dass er ihre verhärteten Herzen erweichen möge? Ermahnt er diejenigen Sünder, die an diesem Sonntag vielleicht in der Kirche anwesend sind, zu Umkehr und Buße? Nein, er weist ihnen einfach die Tür. Und bekommt dafür auch noch hundertfachen Applaus. [...] [W]as ist eigentlich aus dem christlichen Grundsatz geworden, die Sünde zu hassen, nicht aber den Sünder?" 

Und weiter: 

"Unabhängig vom konkreten Anlass ist es fatal, wenn 'Kirche' (ohne bestimmten Artikel) sich einbildet, eine Gemeinschaft der Reinen zu sein. Das ist sie nicht. Die Kirche ist eine Gemeinschaft von Sündern. Wäre dem nicht so, dann hätte Jesus Christus nicht für unsere Sünden sterben müssen." 

Nun könnte man hier natürlich einwenden, anders als weiland Pfarrer Brandebusemeyer [sic] wolle der Berliner Diözesanrat die bösen Rechten ja weder aus der Körperschaft der Kirchensteuerzahler noch vom Empfang der Sakramente ausschließen, sondern ihnen "nur" die Kandidatur für kirchliche Gremien verweigern. Aber damit verweigert man eben all jenen Kirchenmitgliedern, die diese Leute – sofern sie kandidieren könnten bzw. dürften – womöglich wählen würden, die Repräsentation in diesen Gremien. Ist das nicht irgendwie... äh... demokratiefeindlich? Und ist nicht Demokratiefeindlichkeit just einer jener Satane, denen man feierlich widersagen muss, wenn man künftig für ein kirchliches Gremium im Erzbistum Berlin kandidieren will? Müssten die Damen und Herren im Diözesanrat sich demnach nicht eigentlich selbst rausschmeißen? 

Derweil heißt es in derselben Pressemitteilung, mit der der Diözesanrat sich selbst für seine stramme Haltung "gegen Rechts" applaudiert, mit Blick auf den "gemeinsamen Wahltermin aller Gremien im November 2026", man wolle sich darum bemühen, "Menschen für eine Kandidatur zu gewinnen und die Wahlbeteiligung zu steigern". Genau mein Humor... 


Dienstag, 25. November 2025

52mal Kinder, Kirche und noch irgendwas mit K: Ein Rückblick

Wieder ist ein Kirchenjahr (so gut wie) rum – ein ungewöhnlich ereignisreiches, wie ich meinen möchte, aber dies hier soll kein Jahresrückblick werden (der wäre dann im Januar dran), sondern vielmehr ein Fazit der Wochenbriefing-Reihe "Die 3 K der Woche", die zuverlässig 52 Wochen lang erschienen ist. Und wie schon beim Abschluss der Reihe "Creative Minority Report" soll es dabei vorrangig um eine Übersicht darüber gehen, welche der Wochenbriefing-Ausgaben des zurückliegenden Kirchenjahres die meisten Aufrufe zu verzeichnen gehabt haben – und warum (soweit sich das feststellen lässt). Sparen wir uns also weitere Vorbemerkungen und kommen direkt zur Sache! 

Diese Darstellung der Heiligen Familie hängt neuerdings (?) im Eingangsbereich des Gemeindehauses von St. Stephanus Haselhorst – vermutlich um die Zugehörigkeit der Gemeinde zur Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland zu illustrieren.

Neben Pfingstnovene und Männergrippe, einem Nachhall der Regenbogenflaggen-Affäre in Butjadingen und einem Vorausblick auf die Verleihung des Josef-Pieper-Preises an Bischof Robert Barron in Münster steht vor allem die KiTa-Eingewöhnung meines Jüngsten im Mittelpunkt dieses Wochenbriefings; und der Hinweis auf die in diesem Zusammenhang notwendig gewordene Masern-Impfung löste im Kommentarbereich eine heftige Debatte über Impfpflicht und Gemeinwohl aus, die zweifellos wesentlich zu den hohen Zugriffszahlen beigetragen hat.  


Thematisch bunt gemischt, von KiWoGo und JAM bis hin zu "Wehklagen in Wokistan" über den Beginn der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps. Die Leserkommentare kreisen hingegen wesentlich um die im Artikel nur beiläufig an geschnittene Frage, wie viel Freiheit sich ein Priester gegenüber den Texten des Messbuchs herausnehmen darf oder sollte. 


In diesem Wochenbriefing geht es u.a. um einen "Gebetsabend der Geistlichen Gemeinschaften" in der Hedwigskathedrale, das Sommerfest der Gemeinde auf dem Weg, die erfolgreiche Demonstration gegen die geplante Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht und das Interesse der Schulfreundinnen unserer Tochter am JAM. Auch diesmal entzündete sich wieder eine engagierte Kommentardebatte an einer Nebenbemerkung – diesmal zur Neugestaltung der Hedwigskathedrale. 


Ein thematisch buntes Wochenbriefing, in dem es u.a. um einen jung und hip sein wollenden Gottesdienst in Prenzlauer Berg, erste Eindrücke vom Buch "Urworte des Evangeliums" sowie erste Eindrücke von einer Infoveranstaltung des neuen Jugendpastoral-Teams des Erzbistums Berlin geht. Die Kommentardebatte entzündete sich jedoch hauptsächlich an einem Abschnitt über die vorgezogene Bundestagswahl, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch bevorstand, zu der ich meine Stimme aber bereits vorzeitig per Briefwahl abgegeben hatte. Ich muss sagen, manchmal träume ich davon, wie es wäre, wenn meine Leser über andere Themen meines Blogs genauso engagiert debattieren würden wie über Parteipolitik. 


Top-Thema dieses Beitrags ist das 30-jährige Jubiläumstreffen meines Abi-Jahrgangs am Gymnasium Nordenham; zwei der sieben Leserkommentare stammen von Teilnehmern dieser Veranstaltung. Daneben geht es u.a. um erste Eindrücke vom Pontifikat Leos XIV. und um Gottvertrauen als Superkraft. 


Ein Artikel, der es auch ohne große Kommentarschlacht zu recht beachtlichen Zugriffszahlen gebracht hat; das wohl bedeutsamste Thema ist eine erste Annäherung an das neue Schlagwort "Kingdom-minded Network Christianity" – ein Thema übrigens, das man wohl mal wieder aufgreifen und vertiefen sollte. Davon abgesehen geht's u.a. um einen neuen "Heidi"-Film, einen Kinderwortgottesdienst zum Primat des Papstes sowie eine Halbjahresbilanz meiner im weitesten Sinne blogrelevanten Aktivitäten. 


Das Wochenbriefing zur Papstwahl. Daneben geht es aber u.a. auch um ein Gottesdienst-Double-Feature in Haselhorst, eine Novene für das Pfarrhausfamilien-Projekt sowie nicht zuletzt um das "Merz-Konklave", sprich: die um ein Haar gescheiterte Wahl des Friedrich Merz zum Bundeskanzler. "[D]er Eindruck, Merz' Kanzlerschaft sei schon gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hatte", lasse sich "nicht so ohne Weiteres wegwischen", merkte ich an; ich würde mal die These wagen, das habe sich seither mehr und mehr bestätigt. 


Fertiggestellt während der Gemeindefreizeit der EFG The Rock Christuskirche in einem Feriendorf in den Brandenburgischen Wäldern, schildert dieses Wochenbriefing u.a. eine Einschulungsfeier an der Schule des Tochterkindes, eine Messe zum Fest Kreuzerhöhung in St. Joseph Siemensstadt, einen Besuch beim "Festival für selbstgebaute Musik" und einen Besuch beim Reliquienschrein der Hl. Thérèse von Lisieux, der in der Kirche St. Clemens im Berlin-Kreuzberg ausgestellt wurde. Außerdem geht's um Reaktionen der postchristlichen Linken auf die Ermordung Charlie Kirks und ein Gebet für den "Marsch für das Leben", an dem ich dieses Jahr nicht teilnehmen konnte. 


Das Wochenbriefing zum Ende der Sommerferien enthält u.a. eine Kritik zu einem Festival am Strandbad Tegel, eine vergleichsweise wohlwollende Würdigung einer Predigt des Pfarrers von St. Klara Reinickendorf-Süd, den Bericht über einen Trip zur Spandauer Großsiedlung Falkenhagener Feld, um dort ein aufsehenerregendes Marien-Wandbild in Augenschein zu nehmen, sowie Anmerkungen zu Irme Stetter-Karps Klagen über den mangelnden Enthusiasmus der Bischöfe für den Synodalen Weg und zur Idee der "palliativen Pastoral" als sanfte Selbstzerstörung der Volkskirche. 


Im Mittelpunkt dieses Wochenbriefings stehen u.a. ein von den Absolventen eines Glaubenskurses für Jugendliche (mit-)gestalteter freikirchlicher Gottesdienst, Feierlichkeiten zur Heiligsprechung von Carlo Acutis, ein Probetraining bei einer christlichen Fußball-Hobbygruppe, der Beginn eines Eltern-Glaubenskurses in der Gemeinde auf dem Weg sowie Anmerkungen zu einem rbb-Bericht über die Finanzen des Erzbistums Berlin. 


-- Ich würde sagen, diese Übersicht vermittelt schon ein recht gutes Bild von der thematischen Vielfalt der "3 K der Woche"-Reihe; zugleich dokumentiert sie aber auch, wie wenig vorhersehbar es ist, welche Themen beim Publikum besonders große Resonanz finden. Die thematische Buntheit ist auf jeden Fall etwas, was ich mir bewahren möchte, wenn ich das Format "Wochenbriefing" ab dem kommenden Samstag unter neuem Titel fortsetze; davon abgesehen gilt wie bei allen bisherigen Wochenbriefing-Reihen, dass das inhaltliche Profil und die Struktur der neuen Reihe nicht von vornherein festgelegt ist, sondern sich über die kommenden Wochen noch entwickeln muss. Was ich jetzt schon sagen kann, ist, dass der "Geistliche Impuls der Woche" und der "Ohrwurm der Woche" als feste wöchentliche Rubriken erhalten bleiben werden; darüber hinaus steht zu erwarten, dass die Rubrik "Schwarzer Gürtel in KiWoGo" weiterhin zwar nicht jede Woche, aber doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit vertreten sein wird. Gute Chancen, regelmäßig und häufig im Wochenbriefing vertreten zu sein, hat auch die noch junge Rubrik "Neues von den Pfadfindern"; derweil lässt die unlängst beschlossene Einrichtung einer "Synodalkonferenz" erwarten, dass die Rubrik "Neues aus Synodalien" künftig wieder eine größere Rolle spielen wird als zuletzt. Dem oben festgehaltenen Gedanken, man sollte das Thema Kingdom-minded Network Christianity "wohl mal wieder aufgreifen und vertiefen", gedenke ich durch eine neue Rubrik "Sind wir nicht alle ein bisschen KiNC?" Rechnung zu tragen. All diesen Rubriken ist es indes zuzutrauen, dass sie auch mal eigenständige Artikel außerhalb der Wochenbriefing-Reihe produzieren. Umgekehrt wäre evtl. zu erwägen, die nach zwölf Ausgaben als eigenständige Artikelserie vorerst wieder eingestellte "Blogoezese-Rundschau" in Form einer Rubrik innerhalb des Wochenbriefings wiederauferstehen zu lassen. 

Was derweil die Überschrift für die Wochenbriefing-Reihe des kommenden Kirchenjahres betrifft, habe ich mich noch immer nicht endgültig festgelegt.. Es wird wohl auf eine Last-Minute-Entscheidung zwischen "In Tempore Leonis" und "Utopie und Alltag" hinauslaufen... 


Samstag, 22. November 2025

Die 3 K der Woche (52): Kinder, Kirche, Konzepte

Servus, Leser! Das heutige Wochenbriefing kommt ein bisschen verspätet – was wesentlich damit zusammenhängt, dass ich derzeit (ohne Frau und Kinder) in Neufahrn bei Freising, am Basic Stupidity Reunion Weekend teilnehme: Basic Stupidity war der Name der Band, in der ich in meinen späten Teenagerjahren Schlagzeug gespielt und gelegentlich auch gesungen habe, und am Rande des 30-jährigen Abi-Jubiläumstreffens in Nordenham in diesem Frühjahr haben wir beschlossen, dass wir uns mal wieder treffen sollten. Dass dieses Treffen nun ausgerechnet in Neufahrn bei Freising stattfindet, rührt daher, dass unsere damalige Sängerin und Saxophonistin dort ein Haus hat und sich erboten hat, uns dort für ein Wochenende zu beherbergen. Über dieses Wochenende wird es zweifellos allerlei zu berichten geben, aber in diesem Wochenbriefing stehen erst mal noch andere Themen im Vordergrund. Seht selbst! 

Symbolbild: Siemensstadt in einem Sektglas

Es fehlten eigentlich nur die Heiligen und die Tattoos 

Am vorigen Samstag, dem 15. November – Gedenktag des Hl. Albertus Magnus und des Hl. Leopold von Österreich – fand in St. Stephanus Haselhorst die erste Ausgabe des neuen Veranstaltungsformats "Religiöse Kindertage" statt; wie mancher Leser sich vielleicht erinnern wird, stand diese erste Veranstaltung unter dem Motto "Heilige & Tattoos", und insofern ist die Überschrift meines Berichts durchaus mit Augenzwinkern zu verstehen: Sowohl Heilige als auch Tattoos spielten durchaus eine gewisse Rolle im Programm des Tages, allerdings längst keine so zentrale, wie man vielleicht geneigt gewesen wäre anzunehmen. Das soll jedoch keine Kritik sein. Insgesamt hat mir die Veranstaltung viel zu gut gefallen, als dass ich in nennenswertem Maß Kritik an ihr üben wollte. Was nicht ausschließt, dass in Zukunft Manches noch besser laufen könnte; aber mal der Reihe nach. 

Die erste potentiell heikle Frage bei jedweder Art von neuem Veranstaltungsangebot, nicht-nur-aber-besonders im kirchlichen Bereich, lautet bekanntlich "Kommen da überhaupt Leute?". Was das betraf, lagen für den ersten Religiösen Kindertag in St. Stephanus ein paar Tage zuvor vier Anmeldungen vor, wobei meine beiden Kinder noch nicht mitgerechnet waren; tatsächlich erschienen dann aber nicht weniger als 13 Kinder, und zu meiner besonderen Freude zählte zu diesen auch ein Mädchen, das wir vom JAM in der schräg gegenüber gelegenen EFG The Rock Christuskirche kennen und das – wie vor ein paar Wochen schon mal erwähnt – auf Wunsch seiner Mutter derzeit in St. Stephanus zur Erstkommunionvorbereitung geht. Hinzu kam rund eine Handvoll Jugendlicher bzw. junger Erwachsener, die einen mit den "Teenie-Mitarbeitern" beim JAM vergleichbaren Status hatten, d.h. sie waren in gewissem Sinne zugleich Teilnehmer und Leitungsassistenten. Als "nicht mehr so junge Erwachsene" waren der Gemeindereferent, seine Frau und ein alter Bekannter von beiden, der über langjährige Erfahrung als Pfadfinderleiter (beim VCP, glaube ich) verfügt, sowie meine Liebste und ich beteiligt; wobei unsere Beteiligung an der Leitung der Veranstaltung, da wir ja nicht beim Vorbereitungstreffen gewesen waren, eher spontan und improvisiert war, aber genau damit kennen wir uns ja aus. 

Dass ich im obigen Absatz zweimal das JAM, das wöchentliche Kinderprogramm der EFG The Rock Christuskirche, erwähnt habe, kommt natürlich nicht von ungefähr: Schon als ich erstmals von den Plänen für das Veranstaltungsformat "Religiöse Kindertage" hörte, hatte ich den Gedanken, im günstigsten Fall könnte dabei so etwas Ähnliches wie das JAM herauskommen. Wohlgemerkt etwas Ähnliches; von einem bewährten und gut funktionierenden Konzept zu lernen, heißt schließlich nicht, es 1:1 kopieren zu wollen. Anders ausgedrückt: Dass ich das JAM-Konzept als vorbildlich für die Gestaltung eines Religiösen Kindertages betrachte, bedeutet nicht, dass jede Abweichung von diesem Vorbild automatisch ein Mangel wäre. Dazu wird im Detail noch mehr zu sagen sein; eine grundsätzliche konzeptionelle Gemeinsamkeit besteht jedenfalls hinsichtlich der wesentlichen Bestandteile des Programmablaufs: Spiel- und Bastelangebote, katechetische Inhalte, Singen, Beten und Essen. 

Am Abend vor der Veranstaltung hatte ich noch überlegt, ob ich meine Gitarre mitnehmen sollte, hatte mir dann aber gedacht "Ach was, im Gemeindesaal von St. Stephanus gibt es doch eine Gitarre" und hatte mir daraufhin nur eine kleine Dose Plektren in die Manteltasche gesteckt. Während der Ankunftsphase beim Religiösen Kindertag griff ich mir die besagte "Hausgitarre", um zu prüfen, wie schlimm sie verstimmt war (Ergebnis: nicht so schlimm, wie man hätte denken können, aber doch ziemlich), und während ich sie nachstimmte, meinte der Gemeindereferent, wo ich schon mal dabei sei, könne ich doch zur Begrüßung das Lied spielen, das ich auch beim Kinderwortgottesdienst immer (bzw. oft) spiele – also "Alles was ich hab". Das tat ich, darauf folgte eine kurze Vorstellungsrunde, und dann ging's erst mal rüber in die Kirche zur liturgischen Eröffnung; das heißt, es wurde gebetet, ein paar Lieder aus dem Gotteslob wurden gesungen, und anhand der Heiligenfiguren in der Kirche gab es eine erste kurze Einführung in das Thema "Heilige". Danach ging es aber erst einmal wieder zurück ins Gemeindehaus, wo allerlei Spiele gespielt wurden; das machte offenkundig allen Beteiligten großen Spaß, nahm allerdings mehr Zeit in Anspruch, als im Ablaufplan eigentlich dafür vorgesehen war. Und dann musste auch schon das Essen vorbereitet werden (es sollte Kürbissuppe geben). Da nicht alle Kinder gleichzeitig in der Küche mithelfen konnten, gab es parallel zum Kochen ein paar Alternativangebote. Im Saal konnte man unter Anleitung der Frau des Gemeindereferenten Schneemänner aus Weihbachtsgebäck basteln: 

Im Garten brachte währenddessen der Pfadfinderleiter interessierten Teilnehmern bei, Holz zu hacken und trotz Nieselregens Feuer zu machen. Meine Große entschied sich für die Schneemänner, aber der Jüngste wollte zum Holzhacken, also ging ich mit ihm nach draußen. Ich muss gestehen, ich hatte durchaus Bedenken, die Kinder mit Äxten hantieren zu lassen, aber der Pfadfinderleiter beruhigte mich: "Ich mach' das nicht zum ersten Mal." Tatsächlich handhabte er die Situation sehr souverän, und es klappte auch alles gut. 

Derweil nahm das Kochen selbst ebenfalls mehr Zeit in Anspruch als geplant, und so stellte sich, noch bevor das Essen fertig war, bereits Zeitdruck ein: Ab 13 Uhr feierte Padre Ricardo in der Kirche eine Messe für die Ortsgruppe der Legio Mariae, und anschließend wollte diese den Gemeindesaal nutzen – bis dahin mussten wir also raus sein. Dieser Umstand trug nicht unwesentlich dazu bei, dass gerade die Aspekte, die der Programmankündigung zufolge eigentlich im Mittelpunkt der Veranstaltung hätten stehen sollen, mehr oder weniger "nebenbei" abgehandelt werden mussten. Das Thema "Heilige" kam während des Essens zur Sprache – wobei meine Liebste die Initiative ergriff, indem sie die Kinder befragte, was sie über ihre jeweiligen Namenspatrone wissen oder ob sie ggf. noch weitere Heilige kennen; und dann stellte der Gemeindereferent noch zwei Heilige vor, nämlich Mutter Teresa von Kalkutta und den Hl. Franz Xaver. Nach dem Essen malten dann ein paar der "Teenie-Mitarbeiter" (wie ich sie jetzt einfach mal nenne) denjenigen Kindern, die das wollten, Henna-Tattoos auf den Handrücken. Das lief ein bisschen gehetzt ab – es blieb kaum noch Zeit, die Farbe trocknen zu lassen, ehe wir den Saal räumen mussten. 

Dieses Foto habe ich erst einen Tag später aufgenommen, da war das Tattoo schon nicht mehr ganz frisch.

Was soll man nun also insgesamt zu diesem ersten Religiösen Kindertag sagen? – Die unerwartet hohe Teilnehmerzahl, verbunden mit der Tatsache, dass die Veranstaltung offenbar allen so gut gefallen hat, dass man ihnen zutrauen darf, freiwillig nochmal wiederzukommen, ist ohne Frage als Erfolg zu werten; da kann man auch die im Eifer des Gefechts unterlaufenen Pannen im Ablauf verschmerzen – was nicht bedeuten soll, dass man sich nicht Gedanken darüber machen sollte, wie man dergleichen zukünftig vermeidet. Zu den Henna-Tattoos etwa meinte meine Liebste, schlauer wäre es gewesen, wenn es die am Anfang gegeben hätte, als "Eintrittskarte" gewissermaßen; dann hätten sie während der Begrüßungsrunde und der Andacht trocknen können. Aber davon mal ganz abgesehen: Im Vorfeld hatte ich noch gedacht, vier Stunden Programm müsse man erst mal gefüllt kriegen; wie sich nun gezeigt hat, ist das offenbar kein Problem. Ich würde daher dafür plädieren, fürs nächste Mal lieber weniger Spiele einzuplanen, um mehr Zeit fürs "Inhaltliche" zu haben – oder noch besser wäre es, sich ein Programmelement auszudenken, das sowohl spielerisch ist als auch einen Bezug zum vorgesehenen katechetischen Inhalt der Veranstaltung hat. 

Dass die nächste Ausgabe dieses Veranstaltungsformats – mit Rücksicht auf Krippenspielproben und Sternsingeraktion – erst im Februar steigen soll, ermöglicht zwar gründliche Vorbereitung, aber eigentlich finde ich es trotzdem schade: Nach dem Erfolg der ersten Veranstaltung müsste man eigentlich möglichst schnell nachsetzen, um den Schwung auszunutzen, würde ich denken. – Ein anderes Thema ist die Werbung: Die Teilnehmerzahl bei der ersten Veranstaltung war im Grunde umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass dafür praktisch ausschließlich intern geworben worden war: im Erstkommunionkurs, bei den Teilnehmern der Religiösen Kinderfreizeit in den diesjährigen Sommerferien und bei ehemaligen Mitgliedern der Haselhorster Pfadfindergruppe. Über solche persönlichen Einladungen hinaus hatte es lediglich einen "Einladungszettel" (als Flyer würde ich ihn nicht bezeichnen) gegeben, der in den Kirchen St. Joseph und St. Stephanus ausgelegt worden war; nicht einmal im Terminkalender auf der Website der Pfarrei die Veranstaltung aufgeführt worden. Nun muss man sicherlich anerkennen, dass die "interne Werbung" funktioniert hat, und sicherlich ist es auch gut und richtig, Angebote für die Zielgruppen zu machen, die man auf diesem Wege erreicht. Hingegen bin ich nicht überzeugt, dass man sich damit zufrieden geben sollte, nur diese Zielgruppen zu erreichen. Womit ich sagen will: Für die Zukunft würde ich mir mehr Werbung "nach außen" wünschen, was allerdings auch erfordern würde, die Veranstaltung nach außen hin nicht übermäßig "churchy" aussehen zu lassen. Wie man das hinkriegt und gleichzeitig den katechetischen Anteil des Programms eher verstärkt, ist eine Herausforderung, für die ich zugegebenermaßen keine Patentlösung in der Schublade habe – aber schauen wir mal... 


Ein Haus voll Glorie schauet: 90 Jahre St. Joseph Siemensstadt 

Der heutige Berliner Ortsteil Siemensstadt entstand ab 1904 als "Wohnkolonie" für Beschäftigte der Firma Siemens auf einem zuvor weitgehend unbebauten Gelände zwischen den damals noch selbständigen Städten Spandau und Charlottenburg, wurde 1908 nach Spandau eingemeindet und trägt seit 1914 seinen heutigen Namen. Da zu den von Siemens angeworbenen Arbeitskräften, die sich hier ansiedelten, eine signifikante Zahl von Katholiken gehörte, wurde bereits 1915 der Kirchenbauverein Siemensstadt gegründet, der das Ziel verfolgte, der Siedlung zu einem eigenen katholischen Gotteshaus zu verhelfen. Nach dem I. Weltkrieg wurde zunächst eine Baracke als Behelfskirche eingerichtet, 1934 begann dann der Bau der heutigen Kirche St. Joseph, die am 17. November 1935 geweiht wurde. Das ist jetzt, wie man unschwer errechnen kann, 90 Jahre her, und deshalb gab es am vergangenen 33. Sonntag im Jahreskreis eine Festmesse zum 90jährigen Weihejubiläum. Da gingen wir natürlich hin; wobei man einräumen muss, dass wir wahrscheinlich auch ohne diesen besonderen Anlass dort in die Messe gegangen wären. 

Nun, jedenfalls schlug sich der festliche Anlass u.a. darin nieder, dass es einen Großen Einzug, sechs Messdiener und reichlich Weihrauch gab, außerdem hatte das Erzbistum einen Domkapitular als Hauptzelebranten und Gastprediger geschickt, während der ortsansässige Pfarrvikar lediglich konzelebrierte. An der musikalischen Gestaltung waren neben einem Gastorganisten auch zwei Sängerinnen beteiligt. Ausgesprochen überrascht war ich, als diese zum Gloria den Lobpreis-Klassiker "Zehntausend Gründe" (mit sehr dezenter Orgelbegleitung) anstimmten; meine Liebste und ich ließen uns mitreißen und sangen laut und kräftig mit, ohne uns von der Tatsache verunsichern zu lassen, dass wir die einzigen waren – es waren auch keine Liedzettel ausgeteilt worden, demnach war es anscheinend gar nicht vorgesehen und womöglich auch gar nicht erwünscht, dass die Gemeinde mitsang, aber der Gedanke kam mir erst mit einiger Verzögerung, und #sorrynotsorry, aber ein Gottesdienst ist schließlich kein Konzert. Einige weitere Beiträge dieses Gesangsduos waren nicht ganz so nach meinem Geschmack; so etwa das anstelle des Antwortpsalms gesungene "Du großer Gott, wenn ich die Welt betrachte", das 1999 unter dem Titel "Wie groß bist Du" von dem Volksmusik-Barden und "Kastelruther Spatzen"-Mitbegründer Oswald Sattler popularisiert wurde, oder der methodistische Hymnus "I Surrender All", der zur Kommunion gesungen wurde. Auch mit den Liedern für die Gemeinde war ich nicht durchweg einverstanden. So wurde zum Credo "Ich glaube an den Vater" von Markus Pytlik gesungen, und zu diesem Lied habe ich ein sehr zwiespältiges Verhältnis. Ich finde es schon ganz grundsätzlich fragwürdig, das Glaubensbekenntnis in der Messe durch ein Lied zu ersetzen, dessen Inhalt nur so ungefähr einem lehramtlich approbierten Credo-Text entspricht; in dieser Hinsicht ist Pytliks Liedtext sicher keiner der schlimmsten, aber ich mag das Lied einfach nicht, ich finde es süßlich und klebrig wie ein Gummibärchen, das schon jemand anderes im Mund gehabt hat. Und zum Sanctus gab's das "Heilig" aus Schuberts "Deutscher Messe" (GL 388), und das ist geradezu ein pet peeve von mir: Ich bin mir bewusst, dass es gerade in manchen ästhetisch konservativen Kreisen sehr geschätzt wird, aber ich betrachte Schuberts "Deutsche Messe" schlichtweg als nicht liturgietauglich

Am unzufriedensten war ich dann aber doch mit der Predigt. Gehalten wurde sie von dem vom Erzbistum zur Zelebration dieser Messe entsandten Domkapitular, an den ich noch vage Erinnerungen aus der Zeit hatte, als er Pfarrer in Neukölln war; inzwischen ist er in der Personalabteilung des Erzbistums, folglich war ich nicht übermäßig überrascht, dass er redete wie ein typischer Apparatschik. Ich fürchte, um präzise zu beschreiben, was ich damit meine, fehlt mir hier beim Bandwochenende gerade die Muße, aber die ganze Messe und somit auch die Predigt gibt's ja bei YouTube, da kann sich gerne jeder selber ein Bild machen, und vielleicht sage ich zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr dazu. 

Als der örtliche Pfarrvikar vor der Kommunion ansagte, diejenigen Gottesdienstteilnehmer, die "noch nicht katholisch" seien, sollten dies zu erkennen geben, indem sie eine Hand auf die Brust legen, dachte ich leicht amüsiert, das Wörtchen "noch" in "noch nicht katholisch" drücke einen bemerkenswerten missionarischen Optimismus aus; tatsächlich hatte der Pfarrvikar aber einen ganz konkreten Grund, das so zu formulieren: Es gibt in der Gemeinde derzeit wieder einen Tauf- und Konversionskurs für Erwachsene, und einige Teilnehmer dieses Kurses waren in der Messe anwesend. Dieser Umstand gab mir einmal mehr Anlass, darüber zu sinnieren, dass in dieser Gemeinde wirklich gute, zukunftsweisende Aufbauarbeit geleistet wird; aber gleichzeitig konnte ich den Gedanken nicht unterdrücken: "Und die korrupte Amtskirche reißt's mit dem Hintern wieder ein." 

Bei alledem stellte es sich als ein Glücksfall heraus, dass unsere Freunde vom JAM – das oben schon mal erwähnte Mädchen, das im aktuellen Erstkommunionkurs ist, und dessen Vater – mit uns in der Messe waren. Die brachten nämlich eine ganz andere Perspektive mit, besonders der Vater, der mir hinterher erzählte, ihm habe die Messe ausgesprochen gut gefallen, und zwar gerade auch die Predigt. So hatte es ihn als Nichtkatholiken zum Beispiel sehr angesprochen, dass der Prediger mit Bezug auf die 1. Lesung (Jesaja 56,1.6-7) betont hatte, die Kirche solle "ein Haus für alle Menschen sein", wo nicht schon "am Eingang gefragt wird: Wer bist du, wo kommst du her, glaubst du an Gott?". Davon abgesehen hatte er aus der Predigt vor allem einen Appell zur Nächstenliebe und zum tätigen Christsein im Alltag herausgehört, und dagegen ist ja nun wirklich nichts zu sagen. 

Tatsächlich hatte ich schon während der Messe mehrfach darüber sinniert, wie sie wohl auf jemanden wirken würde, der normalerweise eher freikirchliche Gottesdienste gewohnt ist. Was die rituellen Elemente anging, die bei dieser Festmesse, wie schon erwähnt, tendenziell noch ausgeprägter waren als bei einer "ganz normalen" Sonntagsmesse – die Gewänder, die Messdiener mit Weihrauch und Leuchtern, die ritualisierten und teilweise gesungenen Dialoge zwischen Zelebrant und Gemeinde ("Der Herr sei mit euch" – "Und mit deinem Geiste") –, hätte ich mir sowohl vorstellen können, dass sie auf jemanden, der so etwas nicht kennt, faszinierend wirken, als auch, dass sie ihn eher befremden, oder auch eine Mischung aus beidem. Andere Beobachtungen waren überraschender: zum Beispiel, dass – ganz im Gegensatz zu verbreiteten Klischeevorstellungen über Evangelikale einerseits und Katholiken andererseits – die katholische Messe dem Hören auf Gottes Wort erheblich größeren Raum gibt, als es zumindest meiner Wahrnehmung zufolge in freikirchlichen Gottesdiensten der Fall zu sein pflegt: Da scheint es oft eher so zu sein, dass über einzelne Bibelverse ellenlang gepredigt wird. Und dann wäre da noch der Aspekt der participatio actuosa – nicht umsonst ein Leitgedanke der liturgischen Bewegung im 20. Jahrhundert und folgerichtig auch der Liturgiereform nach dem II. Vatikanischen Konzil. Die Teilnahme an einem freikirchlichen Gottesdienst besteht in der Hauptsache darin, eine Predigt anzuhören; und dass an denjenigen Bestandteilen des Gottesdienstes, die es neben der Predigt auch noch gibt – Begrüßung, Vermeldungen, Lobpreis, Gebetsgemeinschaft, ggf. Zeugnisse – vielleicht (aber auch nur vielleicht!) mehr verschiedene Personen beteiligt sind als in einer katholischen Messe, ändert nichts Grundsätzliches daran, dass der Großteil der Gemeindemitglieder nichts anderes zu tun hat als auf ihren Stühlen zu sitzen und zuzuhören. Das ist in der katholischen Messe nicht nur graduell, sondern prinzipiell anders, und wenn jetzt jemand kommt und meint, in der Hauptsache bestehe die "tätige Teilnahme" der Gemeinde doch nur darin, auf Kommando aufzustehen oder sich hinzuknien und auf bestimmte Sätze des Zelebranten festgelegte und eingelernte Antworten zu geben, dann sage ich: Was heißt hier "nur"? Gerade in solchen ritualisierten und symbolischen Handlungen verwirklicht sich Gemeinde, vergegenwärtigt ("aktualisiert") sich das Volk Gottes. Daher halte ich es, nebenbei bemerkt, für einen zentralen Fehler von Lothar Zenettis Traum von der erneuerten Gemeinde, dass er die Antwort auf der Frage, warum er "Freiheit, Familiarität und Freude, vor allem aber auch jene Gelöstheit und Offenheit, jene Erlebnis-Intensität, die das Wehen und Wirken des Heiligen Geistes wohl erst ermöglicht", weit eher in freikirchlichen als in katholischen Gemeinden findet, ausgerechnet in der Form des Gottesdienstes sucht – anstatt, wie ich schon mal schrieb, auf die Idee zu kommen, "dass das intensive Gemeinschaftsgefühl, das er in der Freikirche erlebt hat, nicht zuletzt auch daher rühren könnte, dass die Gemeindemitglieder sich eben nicht nur sonntags im Gottesdienst treffen". Aber das ist wohl ein Thema für sich. 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo: Der Advent steht vor der Tür 

Am Dienstagabend traf ich mich mit dem Gemeindeteferenten zu einem Planungstreffen für die Kinderwortgottesdienste im Advent; wie schon mal notiert, soll es deren ganze drei geben, nämlich am 1., 3. und 4. Adventssonntag; und wie ich nicht ohne gelingen Schrecken festgestellt habe, ist es bis zum ersten dieser drei Termine gar nicht mehr lange hin. Damit nicht genug, hatten wir auch noch weitere Gesprächsthemen, so die Manöverkritik zum ersten Religiösen Kindertag (s.o.) samt Ausblick auf zukünftige Veranstaltungen dieses Formats, außerdem das anstehende Krippenspiel und was sonst noch so ins Ressort "Kinder, Jugend und Familie" fällt. Insgesamt, so würde ich behaupten, war es ein ausgesprochen produktives Treffen. Der Gemeindereferent und ich haben durchaus oft unterschiedliche Ansätze, setzen unterschiedliche Schwerpunkte, aber in der Regel kriegen wir es ganz gut hin, uns damit gegenseitig anzuregen und nicht etwa gegenseitig zu blockieren

Dazu, zum Evangelium des 1. Adventssonntags – Matthäus 24,37-44, ein Auszug aus den Endzeitreden Jesu – einen Kinderwortgottesdienst zu gestalten, fiel mir spontan erst mal nicht sonderlich viel ein, aber im Gespräch ergab sich dann doch so allerlei. So regte ich an, den Vergleich der Wiederkunft des Menschensohns mit den "Tagen Noachs"' zum Anlass zu nehmen, das Wissen der Kinder über die Sintfluterzählung des Alten Testaments zu aktivieren; davon ausgehend sinniert ich über Kontrast zwischen Noah, der sich dem Auftrag Gottes gemäß auf die Flut vorbereitet, und den anderen Leuten, die einfach ihr ganz normales Leben weiterleben, und fand, es biete sich an, dies als ein Beispiel dafür herabzuziehen, dass man in den Augen der Anderen durchaus auch mal sonderbar oder sogar verrückt wirkt, wenn man Gott gehorcht. Derweil merkte der Geneindereferent an, die Parallele, die Jesus zwischen Seiner Wiederkunft und der Sintflut zieht, könne durchaus als "Drohbotschaft" verstanden werden, und wir könnten es redlicherweise weder den Kindern noch uns selbst ersparen, auf diese Implikationen einzugehen. Das wollen wir in Dialogform gestalten, und ich muss sagen, ich bin ziemlich gespannt darauf. Für den 3. und 4. Adventssonntag haben wir auch schon einige Ideen gesammelt, aber darauf komme ich zu gegebener Zeit zurück. 


Ein sehr geistlicher Mittwoch 

Wer meinen Blog schon länger verfolgt, wird sich vielleicht erinnern, dass ich mit meinem Jüngsten, als dieser noch nicht in die KiTa ging, fast jeden Mittwoch in St. Marien Maternitas in Heiligensee zur Werktagsmesse mit anschließendem Gemeindefrühstück gegangen bin, und ab und zu äußert der Knabe den Wunsch, das mal wieder zu machen – auch um den Preis, an dem betreffenden Tag nicht in die KiTa gehen zu können, in der es ihm im Allgemeinen gut gefällt. Am vergangenen Mittwoch war's mal wieder soweit; und da meine Liebste am Vormittag keinen Unterricht hatte, kam sie kurzerhand zur Kirche mit, nachdem wir gemeinsam die Große zur Schule gebracht hatten. Zu unserem Glück wurde die Messe von dem nigerianischen Pfarrvikar zelebriert; einerseits war dieser Mittwoch der Gedenktag der Hl. Elisabeth von Thüringen, andererseits aber auch Red Wednesday, der Aktionstag des päpstlichen Hilfswerks Kirche in Not für die Solidarität mit verfolgten Christen in aller Welt – und beides wurde in dieser Messe gewürdigt. Bemerkenswert und irgendwie durchaus erfrischend fand ich es dabei, dass in einer Messe zum Gedenktag der Hl. Elisabeth von Thüringen nicht das Lied "Wenn das Brot, das wir teilen" gesungen wurde (etwa zur Gabenbereitung). Was derweil den Red Wednesday betraf, merkte der Pfarrvikar an, er wisse gar nicht, ob es auch in Berlin Kirchen gebe, die zu diesem Anlass rot angestrahlt würden. Aber die gibt's sehr wohl, und eine davon ist St. Stephanus in Haselhorst. Dort gab es am Abend auch eine Andacht zum Red Wednesday, da hätten wir theoretisch nach dem JAM auch noch hingehen können, aber das wäre vielleicht doch ein bisschen viel gewesen für einen Tag. 

Nach der Messe gab's ein leckeres Frühstück, und ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass ich es sehr rührend fühlte, wie sehr die alteingesessene Stammbesetzung dieser wöchentlichen Veranstaltung sich freute, meinen kleinen Sohn mal wieder zu sehen. Gerade wenn man bedenkt, dass wir, als wir vor mehr als zwei Jahren anfingen, da hinzugehen, zunächst ja durchaus gewisse Irritationen ausgelöst haben. 

Am Nachmittag ging die ganze Familie zusammen zum JAM, das erneut vergleichsweise schwach besucht war; die Mitarbeiterin, die diesmal die Katechese für die 6-12Jährigen leitete und die bekannt dafür ist, ihre Katechesen als Rollenspiele zu gestalten, sagte daher schon in der Ankunftsphase zu mir, falls ich die Absicht hätte, wieder bei den "Kids" zu bleiben, statt ins Elterncafé zu gehen, dann müsse ich aber auch mitspielen und nicht nur zugucken, denn sonst bekäme sie nicht alle Rollen besetzt. Meine Tochter fand, ich solle unbedingt mitspielen, also machte ich das. Inhaltlich ging es um König Hiskija von Juda und insbesondere um die Belagerung Jerusalems durch Sanherib (vgl. 2. Könige 18-19, 2. Chronik 32, Jesaja 36-37), und mir fiel dabei die Rolle des Propheten Jesaja zu. Gefiel mir. 

Ich als Jesaja. 

Im Anschluss an das Rollenspiel ging ich noch kurz ins Elterncafé, und auch da war es nicht schlecht: Mit der gemeinsamen Lektüre des Markusevangeliums war man dort bis Kapitel 6,6-13, also zur Aussendung der Jünger, vorgedrungen, und daraus ergab sich eine recht spannende Diskussion zum Thema Mission; und auch die abschließende Gebetsanliegen-Runde war sehr gut. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Legt das Alte ab, ihr kennt das neue Lied: Zum neuen Menschen gehört der neue Bund, passt das neue Lied. Das neue Lied passt nicht zu dem alten Menschen, nur neue Menschen lernen es, die durch die Gnade aus alten zu neuen Menschen geworden sind, und zum neuen Bund gehören, zum Reich des Himmels. Danach seufzt all unsere Liebe und singt das neue Lied. 

Ein jeder fragt, wie er dem Herrn singen soll. Singt Ihm, aber nicht schlecht! Er will nicht, dass wir Seine Ohren beleidigen. Singt gut, Brüder! Wenn du vor einem musikkundigen Hörer singst und man dir sagt: "Singe so, dass du seinen Beifall findest", dann fürchtest du dich, ohne Unterricht in der Musik zu singen. Du möchtest dem Künstler nicht missfallen, denn was der Unkundige an dir nicht bemerkt, das tadelt der Künstler. Wer möchte da nicht Gott ein gutes Singen anbieten, Ihm, der Richter über den Sänger ist, der alles genau prüft und der gut zuhört? Wann könntest du eine so auserlesene Kunst anbieten, dass du diesem vollkommenen Gehör in nichts missfällst? Siehe, Er selbst gibt dir so etwas wie die Weise des Singens: Such keine Worte, als könntest du erklären, worüber Gott sich freut. Singe mit Jubel! Denn das heißt, gut für Gott singen: Singen mit Jubel! Was ist das: Singen mit Jubel? Inne werden, dass es unmöglich ist, in Worten auszusprechen, was das Herz singt! Wenn Menschen bei der Ernte singen, im Weinberg oder bei irgendeinem tief bewegenden Tun, und wenn sie dann anfangen mit den Worten der Lieder vor Freude zu jubeln, dann sind sie wie voll von Freude und können ihren Jubel nicht in Worte fassen. Dann verzichten sie auf die Silben und Worte und gehen über zum Jubeln in Tönen. Der Ton des Jubilierens macht offenbar, dass das Herz gebiert, was es nicht aussprechen kann. Wem aber gebührt dieser Jubel mehr als dem unaussprechlichen Gott? 

(Augustinus, Auslegung zu Psalm 33) 


Ohrwurm der Woche 

Paul Simon: Diamonds on the Soles of Her Shoes 


Ein tiefer Griff ins Nähkästchen meiner popmusikalischen Sozialisation: Paul Simons Album Graceland war meine erste eigene, d.h. von eigenem Geld gekaufte Vinyl-LP. Da war ich wohl so ungefähr 14 und die Platte galt bereits als Klassiker. Zu Recht, wie ich bis heute finde; auch wenn die guten Songs fast alle (nämlich bis auf "You Can Call Me Al") auf der ersten Seite drauf sind und die zweite (mit Ausnahme von "You Can Call Me Al") dagegen doch stark abfällt. – "Diamonds on the Soles of Her Shoes" war die vierte Single-Auskopplung aus diesem Album, und auch wenn man sicherlich sagen kann, dass der Song mit seinen deutlichen Anleihen bei südafrikanischer Folklore für das "westliche" Ohr um einiges sperriger klingt als etwa der Titelsong des Albums oder eben "You Can Call Me Al", aber gerade so, finde ich, repräsentiert er besonders gut den Geist und die Atmosphäre dieser Langspielplatte. Zudem – und das ist der entscheidende Auslöser für diesen Ohrwurm der Woche – gehörte "Diamonds on the Soles of Her Shoes" von jeher zu den All Time Favourites meiner Band, auch wenn (oder gerade weil?) es uns, meiner Erinnerung zufolge, nie gelungen ist, diesen Song wirklich überzeugend nachzuspielen. Wird es beim Basic Stupidity Reunion Weekend einen neuen Anlauf geben, diesen Gipfel zu erklimmen? Ich werde berichten. 


Vorschau/Ausblick 

Das Bandwochenende ist noch nicht vorbei; heute Abend steht u.a. noch ein Besuch des Weihenstephaner Braustüberls auf dem Programm. Für den morgigen Christkönigssonntag habe ich den wohllöblichen Vorsatz gefasst, in der örtlichen St.-Franziskus-Kirche in die Messe zu gehen, und gegen Mittag trete ich dann den Rückweg nach Berlin an. Und dann erwartet uns die letzte Schul- und Arbeitswoche des Monats November, die letzte Woche vor Beginn der Adventszeit. Am Donnerstag gibt Kinderliedermacher Mike Müllerbauer ein Adventskonzert in der Gemeinde auf dem Weg, da wollen wir sicherlich hin; und dann ist es auch schon nicht mehr weit bis zum nächsten Wochenende, das ein erneutes Pfadfindertreffen und eben den ersten Advents-KiWoGo verheißt. Beides werden aber wohl eher Themen für das übernächste Wochenbriefing...