In den letzten Monaten war ich zusammen mit meiner Liebsten ein paarmal in einem von einer freikirchlichen Gemeinde betriebenen Café im Wedding. Es war sehr nett da, wir haben eine extrem sympathische Familie mit vier kleinen Kindern kennengelernt und uns auch sonst sehr gut unterhalten. Die einmal monatlich stattfindende Veranstaltung, die wir da besucht haben (und sicher auch in Zukunft wieder besuchen werden), hat nach den Worten des Initiators drei Schwerpunkte: "Gemeinschaft, Lobpreis, Zeugnis". Zum Stichwort "Zeugnis" gleich mehr; aber bleiben wir erst mal noch bei der Gemeinschaft. Dieser "Programmpunkt" bestand im Wesentlichen aus gemütlichem Zusammensitzen bei Kaffee und Kuchen (auf Spendenbasis), aber dennoch stand greifbar die Überzeugung im Raum, dass auch dies zum christlichen Charakter der Veranstaltung wesentlich dazugehört. Das fiel mir vor allem deshalb so auf, weil ich bei hauptsächlich auf "Geselligkeit" ausgerichteten Veranstaltungen in katholischen Gemeinden häufig nicht so deutlich diesen Eindruck habe. Darauf komme ich noch ausführlich zurück.
Aber wie war das nun mit dem "Zeugnis"? - Da ich schon in meiner Jugend - vor allem im Alter von 14-16 Jahren, in meiner "ersten Fundi-Phase", wie ich sie gern augenzwinkernd nenne - öfter mal bei freikirchlichen Veranstaltungen war - und auch später noch gelegentlich, zum Teil aus familiären Gründen -, ist mir das Konzept "Zeugnis geben" recht vertraut, und ich habe schon so einige Zeugnisse gehört. Es geht dabei, nicht-Insider-sprachlich ausgedrückt, schlichtweg darum, dass jemand über seinen persönlichen Glaubensweg erzählt. Nicht selten weisen die Lebensgeschichten, die man da zu hören bekommt, ziemlich dramatische Wendungen auf; so habe ich zum Beispiel schon einige Zeugnisse von Menschen gehört, die vor ihrer Bekehrung drogen- oder spielsüchtig oder in Prostitution verstrickt gewesen waren. Es ist aber durchaus nicht so, dass eine solche Vergangenheit etwa eine zwingende Voraussetzung dafür wäre, in freikirchlichen Versammlungen Zeugnis zu geben. Tatsächlich sind Zeugnisse, die von den äußeren Fakten her eher unspektakulär daherkommen - die zum Beispiel auch nicht unbedingt mit einem filmreifen Bekehrungserlebnis aufwarten können -, oft nicht weniger beeindruckend. Das eigentlich Entscheidende ist, dass da ein Mensch steht, der davon erzählt, wie Gott in seinem Leben gewirkt hat und weiterhin wirkt. Und man staunt, wie oft Gott im Leben von Menschen wirkt, die scheinbar eher ungünstige Voraussetzungen dafür mitbringen, und auf was für Wegen Er es tut. Man könnte sagen, jedes Zeugnis ist deshalb wertvoll, weil jedes Zeugnis einzigartig ist - und man weiß nie, ob nicht jemand im Publikum sitzt, dem das jeweilige Zeugnis genau den Impuls gibt, den er braucht.
Nun muss ich allerdings auch gestehen, dass es auf mich als Katholiken manchmal einen recht zwiespältigen Eindruck macht, wenn freikirchliche Christen über ihren Glauben sprechen - und das meine ich nicht nur in Bezug auf die spezielle Form des Zeugnisses. Oft - nicht immer! - nehme ich bei freikirchlichen Christen eine spezifische Form von Religiosität wahr, die mich zwar in Hinblick auf Glaubensstärke, Begeisterung, Entschiedenheit, Hingabe beeindruckt, die mir gleichzeitig aber in Hinblick auf - sagen wir mal - Glaubenswissen und Reife einigermaßen defizitär erscheint. Ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll, ohne dass es anderen Konfessionen gegenüber herabsetzend klingt, aber im Innersten bin ich überzeugt davon, dass die wirkliche Fülle des christlichen Glaubens - "die volle Einheit in Christus", wie es etwa in Lumen Gentium heißt - nur in der Katholischen Kirche zu finden ist. Weil die Kirche, um abermals Lumen Gentium zu zitieren, "in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott" ist. "Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind" - wofür die Glaubenszeugnisse, die man in freikirchlichen Kreisen hören und erleben kann, ja gerade eindringlich, nun ja, Zeugnis ablegen -; aber dennoch sind diese "Elemente der Heiligung und der Wahrheit" unvollständig. Ich frage mich zum Beispiel, wie jemand in einer christlichen Gemeinschaft Erfüllung zu finden glauben kann, der die Sakramente fehlen. Gut, wem die Bedeutung der Sakramente nie wirklich nahe gebracht worden ist, der wird vielleicht nicht wissen und auch nicht meinen, dass ihm etwas fehlt. Ein Mangel ist es trotzdem. Und wenn ich ein wirklich beeindruckendes Glaubenszeugnis höre, dann kommt mir manchmal mehr oder weniger unwillkürlich die Frage in den Sinn: Warum landen diese Leute bei ihrer Suche nach Gott eigentlich in irgendwelchen Freikirchen und nicht bei "uns"?
Da liegt es nun nahe, sich zu fragen, zu welchem Grad oder Anteil "wir", also die katholischen Christen, daran womöglich selbst schuld sind.
Okay, wir hatten in der diesjährigen Osternacht wieder einige Erwachsenentaufen. In der Kirche, in der meine Liebste und ich Osternacht gefeiert haben, waren es drei oder vier. Irgendwo habe ich kurz vor Ostern gehört, wie viele es insgesamt im Erzbistum Berlin seien; ich habe mir die Zahl nicht gemerkt, aber es waren deutlich mehr als ich erwartet hätte. Es gibt sie also, die Leute die erst im Erwachsenenalter den Glauben für sich entdecken und dann "bei uns landen". Diese Leute kommen auch nicht irgendwie aus dem Nichts, sondern es gibt Angebote und Anlaufstellen für sie, wie zum Beispiel den Alpha-Kurs. Die Motivation, dort hinzugehen, müssen sie allerdings schon selbst mitbringen.
Von was für Faktoren ist es nun also abhängig, wohin sich jemand wendet, der Antworten auf Glaubensfragen sucht - beziehungsweise jemand, der, wie Blaise Pascal es ausdrückte, das "gott-förmige Loch" in seiner Seele entdeckt hat und es zu füllen sucht - kurz gesagt also: jemand, der Gott sucht? Meine Liebste, die sich im fortgeschrittenen Teenageralter auf diese Suche begeben hat, ist da ein gutes Beispiel. Ich will nicht ins Detail gehen, das kann sie besser selbst tun; aber Eines kann ich aus ihren Erfahrungen doch mitteilen: Wenn jemand gerade erst anfängt, sich für den christlichen Glauben (oder für Religion überhaupt) zu interessieren, wird derjenige mit den theologischen Unterschieden zwischen den verschiedenen Konfessionen zunächst mal nicht besonders viel anfangen können, ja sie nicht einmal verstehen. Sondern er wird da hingehen, wo er das Gefühl hat, etwas zu finden, das seine Sehnsucht erfüllt. Was also tun "wir" als katholische Christen dafür, Menschen, die auf der Suche sind, dieses Gefühl zu geben? Die Dringlichkeit dieser Frage hängt natürlich damit zusammen, wie überzeugt wir davon sind, dass es, um das "gott-förmige Loch" wirklich und gänzlich zu füllen, die Sakramente der Kirche braucht. Wenn wir davon überzeugt sind, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns darum zu bemühen, dass die Suchenden den Weg zu uns finden und nicht irgendwo anders hin.
Wenn ich - ich deutete es bereits an - meine Erlebnisse aus dem freikichlichen Café im Wedding mit manchen Erlebnissen in katholischen Lokalitäten vergleiche, dann stelle ich mir die Frage, ob es womöglich ein typisches Volkskirchenproblem ist, dass wir mit Menschen, die auf der Suche sind, gar nicht wirklich rechnen und ihnen deshalb auch relativ wenig anzubieten haben. Die Pfarrgemeinde als Struktur ist nicht missionarisch. Gemeindekreise und -gruppen haben eine Tendenz dazu, geschlossene Zirkel derer zu bilden, die schon immer da waren; man kann zwar, wenn man beispielsweise neu ins Gemeindegebiet gezogen ist, in diese Zirkel aufgenommen werden, aber das muss man dann wirklich wollen - leicht gemacht wird es einem nicht. Und dann stellt sich die Frage, warum jemand, der auf der Suche nach Gott ist, in diese Gruppen hineinkommen wollen sollte, wenn es darin um alles Mögliche geht, aber nicht um Gott. (Ehe sich jemand beschwert: Ich spreche hier lediglich aus eigener Erfahrung und Beobachtung der Erfahrungen Anderer. Es kann natürlich sein, dass es Gemeinden gibt, wo das ganz anders ist. Die würde ich dann gern mal kennenlernen.)
Wenn es in kirchlichen Räumen "offene Veranstaltungen" gibt, die - dem Anspruch nach - darauf ausgerichtet sind, dass da jeder hinkommen kann, dann handelt es sich zumeist um sogenannte "niederschwellige Angebote". Ich fürchte, dass dieser Begriff vielfach falsch verstanden bzw. verwendet wird. Eigentlich sollte "niederschwellig" doch bedeuten, dass man es den Leuten möglichst leicht macht, den Schritt über die Schwelle zu wagen. Nightfever, würde ich sagen, ist ein Paradebeispiel für ein niederschwelliges Angebot im guten Sinne. Vielfach wird unter diesem Begriff aber ein Angebot verstanden, dass inhaltlich möglichst anspruchslos ist, um nur ja niemanden zu "überfordern"; sprich: es soll möglichst wenig mit dem Glauben zu tun haben. Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass mit Leuten, die dezidiert auf der Suche nach Gott sind, gar nicht gerechnet wird. Denn diese Leute würden sich bei einem so verstandenen "niederschwelligen Angebot" zwangsläufig fragen "Was soll ich hier?" und lieber woanders hingehen.
Zum Beispiel: Warum sollte ich in eine kirchliche Einrichtung gehen, um Fußball zu schauen? Das kann ich auch in soundsovielen normalen Kneipen. Der einzige nachvollziehbare Grund, zum Fußballschauen in ein Lokal in kirchlicher Trägerschaft zu gehen, wäre, dass man Freunde hat, die auch da hingehen - weil es mehr Spaß macht, sich das Spiel zusammen mit Freunden anzuschauen als mit Fremden in einer Kneipe. Die logische Folge ist, dass solche Angebote eine Tendenz zur Cliquenbildung entwickeln und somit gerade kein Kontaktangebot für Außenstehende sind.
Zugegeben: Veranstaltungsangebote, in denen erst einmal nicht um den Glauben geht und die gerade dadurch einen Erstkontakt mit Außenstehenden ermöglichen sollen, gibt es im freikirchlichen Bereich auch. Im frommen Jargon werden diese Angebote als "Fischteich" bezeichnet. Ich war auch mal Fisch in einem baptistischen Fischteich, zu einer Zeit, als ich meine "erste Fundi-Phase" schon hinter mir hatte. Es handelte sich um eine Volleyballgruppe. Mit ein paar Leuten aus dieser Gruppe habe ich mit 18 Jahren Wanderurlaub in Schweden gemacht. Es war eine der spannendsten Urlaubsreisen meines Lebens, aber in religiöser Hinsicht hat sie mich nicht viel weitergebracht. Eher im Gegenteil, könnte man sagen - aber auch hier will ich nicht ins Detail gehen.
Ich will dennoch keineswegs behaupten, dass "niederschwellige Kontaktangebote" der inhaltlich eher anspruchslosen Art grundsätzlich schlecht oder unnütz wären. Beim "Mittwochsklub" machen wir sowas ja durchaus auch. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, wozu man das macht - wo man damit hinwill. Damit solche Veranstaltungen eine sinnvolle Funktion im Interesse von Mission bzw. Neuevangelisierung erfüllen, sind zwei Dinge notwendig. Der erste Schritt muss sein, die Leute, die sich womöglich "zufällig" da "hinverirren", wirklich willkommen zu heißen und einzubinden; der zweite, sie dann auch zu Veranstaltungen einzuladen, in denen es mehr um Inhaltliches geht. Oder, allgemeiner ausgedrückt: Man muss solche eher unverbindlichen Erstkontakte als Gelegenheiten nutzen, Zeugnis zu geben. (Womit ich nicht zwingend einen Vortrag meine.)
Übrigens verweist das oben angesprochene - in meinen Augen falsche - Verständnis des Begriffs "niederschwellig" im Sinne von "Man darf die Leute nicht überfordern" auf ein meiner Meinung nach gravierendes Problem: Wer so denkt, kommt offenbar gar nicht auf die Idee, dass ein starkes und entschiedenes Bekenntnis zum Glauben für Außenstehende attraktiv sein könnte. Zugegeben: Es gibt Ausdrucksformen von Frömmigkeit, von denen auch ich mir vorstellen kann, dass sie auf Menschen, die zwar irgendwie auf der Suche nach Sinn und Orientierung sind, dem Gesamtbereich "Religion" und speziell dem christlichen Glauben aber noch unentschieden gegenüberstehen, eher abschreckend wirken können. Da gilt es Augenmaß zu wahren und eine gewisse Sensibilität dafür aufzubringen, was der konkrete Mensch, mit dem man es gerade zu tun hat, sucht und braucht und auf was für einem Streckenabschnitt seiner persönlichen spirituellen Suche er sich gerade befindet. Der durch Abnutzung recht grässlich tönende pastorale Grundsatz "Man muss die Leute da abholen, wo sie stehen" hat da, richtig verstanden, durchaus seinen Sinn. Problematisch wird es, wenn man selbst gar keine Vision davon hat, wo man die Leute von diesem Punkt aus hinführen will. Mit einer lauen "Ich bin okay, du bist okay"-Pastoral spricht man jedenfalls ganz logischerweise nur die Lauen an - und, was noch gravierender ist: Man belässt sie in ihrer Lauheit.
Und was wird aus den Leuten, die alles Andere als lau sind? Die das "gott-förmige Loch" in sich als ein inneres Brennen empfinden? Die werden nach einer Glaubenserfahrung suchen, die groß genug ist, um dieses Loch zu füllen. Wenn sie die bei uns nicht finden, werden sie eher zu den Freikirchen gehen.
Ich jedenfalls mag mich damit nicht zufrieden geben.
Nun muss ich allerdings auch gestehen, dass es auf mich als Katholiken manchmal einen recht zwiespältigen Eindruck macht, wenn freikirchliche Christen über ihren Glauben sprechen - und das meine ich nicht nur in Bezug auf die spezielle Form des Zeugnisses. Oft - nicht immer! - nehme ich bei freikirchlichen Christen eine spezifische Form von Religiosität wahr, die mich zwar in Hinblick auf Glaubensstärke, Begeisterung, Entschiedenheit, Hingabe beeindruckt, die mir gleichzeitig aber in Hinblick auf - sagen wir mal - Glaubenswissen und Reife einigermaßen defizitär erscheint. Ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll, ohne dass es anderen Konfessionen gegenüber herabsetzend klingt, aber im Innersten bin ich überzeugt davon, dass die wirkliche Fülle des christlichen Glaubens - "die volle Einheit in Christus", wie es etwa in Lumen Gentium heißt - nur in der Katholischen Kirche zu finden ist. Weil die Kirche, um abermals Lumen Gentium zu zitieren, "in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott" ist. "Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind" - wofür die Glaubenszeugnisse, die man in freikirchlichen Kreisen hören und erleben kann, ja gerade eindringlich, nun ja, Zeugnis ablegen -; aber dennoch sind diese "Elemente der Heiligung und der Wahrheit" unvollständig. Ich frage mich zum Beispiel, wie jemand in einer christlichen Gemeinschaft Erfüllung zu finden glauben kann, der die Sakramente fehlen. Gut, wem die Bedeutung der Sakramente nie wirklich nahe gebracht worden ist, der wird vielleicht nicht wissen und auch nicht meinen, dass ihm etwas fehlt. Ein Mangel ist es trotzdem. Und wenn ich ein wirklich beeindruckendes Glaubenszeugnis höre, dann kommt mir manchmal mehr oder weniger unwillkürlich die Frage in den Sinn: Warum landen diese Leute bei ihrer Suche nach Gott eigentlich in irgendwelchen Freikirchen und nicht bei "uns"?
Da liegt es nun nahe, sich zu fragen, zu welchem Grad oder Anteil "wir", also die katholischen Christen, daran womöglich selbst schuld sind.
Okay, wir hatten in der diesjährigen Osternacht wieder einige Erwachsenentaufen. In der Kirche, in der meine Liebste und ich Osternacht gefeiert haben, waren es drei oder vier. Irgendwo habe ich kurz vor Ostern gehört, wie viele es insgesamt im Erzbistum Berlin seien; ich habe mir die Zahl nicht gemerkt, aber es waren deutlich mehr als ich erwartet hätte. Es gibt sie also, die Leute die erst im Erwachsenenalter den Glauben für sich entdecken und dann "bei uns landen". Diese Leute kommen auch nicht irgendwie aus dem Nichts, sondern es gibt Angebote und Anlaufstellen für sie, wie zum Beispiel den Alpha-Kurs. Die Motivation, dort hinzugehen, müssen sie allerdings schon selbst mitbringen.
Von was für Faktoren ist es nun also abhängig, wohin sich jemand wendet, der Antworten auf Glaubensfragen sucht - beziehungsweise jemand, der, wie Blaise Pascal es ausdrückte, das "gott-förmige Loch" in seiner Seele entdeckt hat und es zu füllen sucht - kurz gesagt also: jemand, der Gott sucht? Meine Liebste, die sich im fortgeschrittenen Teenageralter auf diese Suche begeben hat, ist da ein gutes Beispiel. Ich will nicht ins Detail gehen, das kann sie besser selbst tun; aber Eines kann ich aus ihren Erfahrungen doch mitteilen: Wenn jemand gerade erst anfängt, sich für den christlichen Glauben (oder für Religion überhaupt) zu interessieren, wird derjenige mit den theologischen Unterschieden zwischen den verschiedenen Konfessionen zunächst mal nicht besonders viel anfangen können, ja sie nicht einmal verstehen. Sondern er wird da hingehen, wo er das Gefühl hat, etwas zu finden, das seine Sehnsucht erfüllt. Was also tun "wir" als katholische Christen dafür, Menschen, die auf der Suche sind, dieses Gefühl zu geben? Die Dringlichkeit dieser Frage hängt natürlich damit zusammen, wie überzeugt wir davon sind, dass es, um das "gott-förmige Loch" wirklich und gänzlich zu füllen, die Sakramente der Kirche braucht. Wenn wir davon überzeugt sind, dann haben wir auch eine Verantwortung, uns darum zu bemühen, dass die Suchenden den Weg zu uns finden und nicht irgendwo anders hin.
Wenn ich - ich deutete es bereits an - meine Erlebnisse aus dem freikichlichen Café im Wedding mit manchen Erlebnissen in katholischen Lokalitäten vergleiche, dann stelle ich mir die Frage, ob es womöglich ein typisches Volkskirchenproblem ist, dass wir mit Menschen, die auf der Suche sind, gar nicht wirklich rechnen und ihnen deshalb auch relativ wenig anzubieten haben. Die Pfarrgemeinde als Struktur ist nicht missionarisch. Gemeindekreise und -gruppen haben eine Tendenz dazu, geschlossene Zirkel derer zu bilden, die schon immer da waren; man kann zwar, wenn man beispielsweise neu ins Gemeindegebiet gezogen ist, in diese Zirkel aufgenommen werden, aber das muss man dann wirklich wollen - leicht gemacht wird es einem nicht. Und dann stellt sich die Frage, warum jemand, der auf der Suche nach Gott ist, in diese Gruppen hineinkommen wollen sollte, wenn es darin um alles Mögliche geht, aber nicht um Gott. (Ehe sich jemand beschwert: Ich spreche hier lediglich aus eigener Erfahrung und Beobachtung der Erfahrungen Anderer. Es kann natürlich sein, dass es Gemeinden gibt, wo das ganz anders ist. Die würde ich dann gern mal kennenlernen.)
Wenn es in kirchlichen Räumen "offene Veranstaltungen" gibt, die - dem Anspruch nach - darauf ausgerichtet sind, dass da jeder hinkommen kann, dann handelt es sich zumeist um sogenannte "niederschwellige Angebote". Ich fürchte, dass dieser Begriff vielfach falsch verstanden bzw. verwendet wird. Eigentlich sollte "niederschwellig" doch bedeuten, dass man es den Leuten möglichst leicht macht, den Schritt über die Schwelle zu wagen. Nightfever, würde ich sagen, ist ein Paradebeispiel für ein niederschwelliges Angebot im guten Sinne. Vielfach wird unter diesem Begriff aber ein Angebot verstanden, dass inhaltlich möglichst anspruchslos ist, um nur ja niemanden zu "überfordern"; sprich: es soll möglichst wenig mit dem Glauben zu tun haben. Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass mit Leuten, die dezidiert auf der Suche nach Gott sind, gar nicht gerechnet wird. Denn diese Leute würden sich bei einem so verstandenen "niederschwelligen Angebot" zwangsläufig fragen "Was soll ich hier?" und lieber woanders hingehen.
Zum Beispiel: Warum sollte ich in eine kirchliche Einrichtung gehen, um Fußball zu schauen? Das kann ich auch in soundsovielen normalen Kneipen. Der einzige nachvollziehbare Grund, zum Fußballschauen in ein Lokal in kirchlicher Trägerschaft zu gehen, wäre, dass man Freunde hat, die auch da hingehen - weil es mehr Spaß macht, sich das Spiel zusammen mit Freunden anzuschauen als mit Fremden in einer Kneipe. Die logische Folge ist, dass solche Angebote eine Tendenz zur Cliquenbildung entwickeln und somit gerade kein Kontaktangebot für Außenstehende sind.
Zugegeben: Veranstaltungsangebote, in denen erst einmal nicht um den Glauben geht und die gerade dadurch einen Erstkontakt mit Außenstehenden ermöglichen sollen, gibt es im freikirchlichen Bereich auch. Im frommen Jargon werden diese Angebote als "Fischteich" bezeichnet. Ich war auch mal Fisch in einem baptistischen Fischteich, zu einer Zeit, als ich meine "erste Fundi-Phase" schon hinter mir hatte. Es handelte sich um eine Volleyballgruppe. Mit ein paar Leuten aus dieser Gruppe habe ich mit 18 Jahren Wanderurlaub in Schweden gemacht. Es war eine der spannendsten Urlaubsreisen meines Lebens, aber in religiöser Hinsicht hat sie mich nicht viel weitergebracht. Eher im Gegenteil, könnte man sagen - aber auch hier will ich nicht ins Detail gehen.
Ich will dennoch keineswegs behaupten, dass "niederschwellige Kontaktangebote" der inhaltlich eher anspruchslosen Art grundsätzlich schlecht oder unnütz wären. Beim "Mittwochsklub" machen wir sowas ja durchaus auch. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, wozu man das macht - wo man damit hinwill. Damit solche Veranstaltungen eine sinnvolle Funktion im Interesse von Mission bzw. Neuevangelisierung erfüllen, sind zwei Dinge notwendig. Der erste Schritt muss sein, die Leute, die sich womöglich "zufällig" da "hinverirren", wirklich willkommen zu heißen und einzubinden; der zweite, sie dann auch zu Veranstaltungen einzuladen, in denen es mehr um Inhaltliches geht. Oder, allgemeiner ausgedrückt: Man muss solche eher unverbindlichen Erstkontakte als Gelegenheiten nutzen, Zeugnis zu geben. (Womit ich nicht zwingend einen Vortrag meine.)
Übrigens verweist das oben angesprochene - in meinen Augen falsche - Verständnis des Begriffs "niederschwellig" im Sinne von "Man darf die Leute nicht überfordern" auf ein meiner Meinung nach gravierendes Problem: Wer so denkt, kommt offenbar gar nicht auf die Idee, dass ein starkes und entschiedenes Bekenntnis zum Glauben für Außenstehende attraktiv sein könnte. Zugegeben: Es gibt Ausdrucksformen von Frömmigkeit, von denen auch ich mir vorstellen kann, dass sie auf Menschen, die zwar irgendwie auf der Suche nach Sinn und Orientierung sind, dem Gesamtbereich "Religion" und speziell dem christlichen Glauben aber noch unentschieden gegenüberstehen, eher abschreckend wirken können. Da gilt es Augenmaß zu wahren und eine gewisse Sensibilität dafür aufzubringen, was der konkrete Mensch, mit dem man es gerade zu tun hat, sucht und braucht und auf was für einem Streckenabschnitt seiner persönlichen spirituellen Suche er sich gerade befindet. Der durch Abnutzung recht grässlich tönende pastorale Grundsatz "Man muss die Leute da abholen, wo sie stehen" hat da, richtig verstanden, durchaus seinen Sinn. Problematisch wird es, wenn man selbst gar keine Vision davon hat, wo man die Leute von diesem Punkt aus hinführen will. Mit einer lauen "Ich bin okay, du bist okay"-Pastoral spricht man jedenfalls ganz logischerweise nur die Lauen an - und, was noch gravierender ist: Man belässt sie in ihrer Lauheit.
Und was wird aus den Leuten, die alles Andere als lau sind? Die das "gott-förmige Loch" in sich als ein inneres Brennen empfinden? Die werden nach einer Glaubenserfahrung suchen, die groß genug ist, um dieses Loch zu füllen. Wenn sie die bei uns nicht finden, werden sie eher zu den Freikirchen gehen.
Ich jedenfalls mag mich damit nicht zufrieden geben.