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Donnerstag, 26. Oktober 2017

Seid nicht so bürgerlich!


Dass dem atheistischen, agnostischen, religiös indifferenten oder schlimmstenfalls "religiös liberalen" Mainstream der Gesellschaft ernsthaft gläubige Katholiken mindestens so suspekt sind wie fundamentalistische Muslime, ist ja nun wirklich nichts Neues, und bei wem das bisher noch nicht angekommen gewesen sein sollte, der sollte Claus Kleber dankbar sein, dass er das so griffig auf den Punkt gebracht hat. Freilich fällt es auf, dass Vergleiche wie der von Kleber gezogene in der Regel eher darauf abzielen, Ängste vor dem radikalen Islam zu beschwichtigen, als darauf, vor einem radikalen Katholizismus zu warnen. Das finde ich persönlich etwas lahm, während weniger eskalationsfreudige Gemüter als ich es eher beruhigend finden mögen. 

Sascha Schneider: Titelillustration zu "Orangen und Datteln" von Karl May, 1904. 
Es gibt allerdings auch andere Beispiele. Unlängst sorgte etwa der FAZ-Redakteur Patrick Bahners für Aufsehen, indem er auf Twitter erklärte:
"Die Einbildung, ein von Menschen gemachtes Gesetz müsse über den heiligen Büchern der Religionen stehen, ist der wahre Fanatismus." 
Sicherlich ließe sich trefflich darüber diskutieren, inwieweit Bahners' in offenkundig provozierender Absicht hingeworfenes Kurz-Statement einen sachlich richtigen Kern hat und wo man da genauer differenzieren müsste; aber eine vielköpf'ge Schar von Twitter-Nutzern wollte nicht differenzieren, sondern stand nicht an, Bahners' Fanatismus-Diktum nolens volens zu bestätigen. "Sie scheinen ja noch im Mittelalter zu stecken!", wurde dem FAZ- beschieden, oder, etwas weniger höflich: "Was bist denn du für ein religiöser Spinner?" - "[W]enn Sie irgendwelchen Bronzezeit Aberglauben über das GG packen dann begatten Sie gefälligst Ihr Knie." - "[R]eligiöse Dinge sind Fantasmen, durchaus behandlungsfähig. Hilfe ist möglich." Unter den eher sachlich sein wollenden Reaktionen fand man beispielsweise diese: "Sind Sie wirklich der Auffassung, redigierter bronzezeitlich palästinensischer Bauernaberglaube sollte eine bes. Relevanz haben?" Und, für mein Empfinden noch interessanter, diese: "Wir in Europa haben im Laufe der Geschichte errungen, dass Staat über Religion steht [!]. Wir sind aufgeklärt. Ihr Gedankengut ist Mittelalter."

Tja. Religiöse Toleranz heute: Glaub doch, woran du willst, solange du das nicht übermäßig ernst nimmst und im Zweifel deine religiösen Pflichten deinen staatsbürgerlichen unterordnest. Das ist keine bizarre Randgruppenmeinung, das sieht, wie ich im Rahmen einer Podiumsdiskussion per Nachfrage in Erfahrung bringen konnte, sogar der prominenteste Vorkämpfer für Religionsfreiheit und den Schutz verfolgter Christen in der deutschen Bundespolitik, Volker Kauder (CDU), explizit so. 

So oder so: Dass die öffentliche Meinung keinen qualitativen Unterschied zwischen verschiedenen Religionen sieht, sondern ernstgenommene Religiosität ganz allgemein creepy findet, darüber sollten wir nicht jammern, das sollten wir akzeptieren und dazu stehen. Wenn Religion allgemein nur noch insoweit als sozial verträglich und tolerierbar betrachtet wird, wie stillschweigend vorausgesetzt werden kann, dass ihre Anhänger ja sowieso nicht so richtig echt an sie glauben, dann sind diejenigen, die empört erklären "Ja Moment mal, WIR sind doch nicht RADIKAL!", Teil des Problems

Mir ist klar, dass ich mich mit diesem Artikel gerade bei meinen eigenen Leuten nicht besonders beliebt machen werde. Aber just deshalb schreibe ich ihn. Erinnern wir uns, wie die letzten zehn Punkte für Gryffindor in Harry Potters erstem Jahr zustande kamen. 

Also, da ich gerade mit Verve darauf zusteuere, mich mit Freunden anzulegen, nehmen wir doch zum Beispiel mal The GermanZ. Die von Klaus Kelle initiierte Online-Zeitung hat gerade die Einstellung ihres Erscheinens angekündigt, und die letzten Ausgaben wurden vom Herausgeber und den regelmäßigen Kolumnisten dazu genutzt, die Leser dafür zu beschimpfen, dass es zu wenige von ihnen gibt. Sorry, das war jetzt um des Effekts willen etwas zugespitzt formuliert. Ich schätze Klaus Kelle und die mir persönlich bekannten TheGermanZ-Mitarbeiter sehr, habe allen schuldigen Respekt vor dem Engagement und Idealismus, die sie in dieses Projekt investiert haben, und habe daher durchaus auch Verständnis dafür, dass angesichts des ausgebliebenen Erfolgs auch eine gewisse Bitterkeit aufkommt. Davon abgesehen habe ich einige Beiträge auf TheGermanZ durchaus mit Gewinn gelesen und hätte mir sehr wohl vorstellen können, dass diese Publikation geeignet wäre, eine Lücke in der deutschsprachigen Presselandschaft zu schließen. Dennoch hat mich ihre programmatische Ausrichtung immer wieder an eine Passage aus Rod Drehers The Benedict Option erinnert: 
"Mit wenigen Ausnahmen sind christlich-konservative politische Aktivisten so ineffektiv wie exilierte russische Aristokraten, die in ihren Pariser Salons sitzen, Tee aus Samowaren trinken und Pläne zur Restauration der Monarchie schmieden. Man wünscht ihnen alles Gute, aber tief im Innern weiß man, dass diese Leute nicht die Zukunft sind."
-- Inwiefern? Insofern, als mir das Profil von The GermanZ weitgehend auf eine Klientel zugeschnitten schien, die auf die Renaissance einer gesellschaftspolitisch konservativen und ökonomisch liberalen "bürgerlichen Mitte" hofft. Ein Teil dieser Zielgruppe träumt von einer konservativen Rebellion innerhalb der CDU, andere setzen ihre Hoffnungen auf die FDP und wiederum andere womöglich gar auf die AfD. Vielleicht gibt es auch noch welche, die darauf hoffen, dass endlich Kaiser Barbarossa aus dem Kyffhäuser herausgeritten kommt, das erschiene mir vergleichsweise noch als die realistischste Variante. -- Im Ernst: Das Problem ist nicht, dass - wie es in den Abschieds-Jeremiaden der TheGermanZ-Kolumnisten anklang - "die bürgerliche Mitte das Kämpfen verlernt" hätte, sondern vielmehr, dass es die bürgerliche Mitte nicht mehr gibt. Dass ich persönlich ihr keine Träne nachweine, steht auf einem anderen Blatt, aber das hindert mich nicht daran, mit denjenigen meiner Freunde mitzufühlen, denen es da anders geht. Gleichwohl: Unter den 5 Phasen der Trauer ist Leugnen nur die erste. Aus dieser Phase muss man irgendwann mal rauskommen, und ich finde, es ist höchste Zeit dafür. 

Dazu zwei Fragen: a) Warum ist mir das nicht egal? b) Was hat das mit dem eingangs aufgeworfenen Thema dieses Beitrags zu tun? Die Antwort auf beide Fragen ist dieselbe. Sofern die beschriebene Zielgruppe, für die ich das TheGermanZ-Publikum mal exemplarisch als pars pro toto gewählt habe, sich - zum Teil mit großem Nachdruck - zum christlichen Glauben bekennt, macht sie auf mich häufig den Eindruck, dieses Bekenntnis so eng mit ihrem Kampf für die verlorene Sache der bürgerlichen Mitte zu verknüpfen, dass man denken könnte, sie hielten beides für ein und dasselbe. Möglicherweise tun sie das tatsächlich. Rod Dreher spricht in diesem Zusammenhang von einem Typus konservativer Christen, "die die Kirche als die Republikanische Partei beim Gebet betrachten". Aber es geht nicht nur um Parteipräferenzen oder bestimmte politische Positionen, sondern vielmehr um ein bestimmtes bürgerlich-konservatives Milieu. Ebenso wie diese Milieukonservativen mindestens bis gegen Ende der Ära Kohl offen oder insgeheim der Meinung waren, der Staat gehöre ihnen, haben sie auch geglaubt, die Kirche gehöre ihnen - und haben das Erscheinungsbild von Kirchengemeinden in einem solchen Maße dominiert, dass sie andere Milieus effektiv daraus vertrieben haben. Nun, da dieses Milieu wegbricht, haben wir den Salat. Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, wie viele vor allem junge Menschen im Laufe der letzten paar Generationen vom Glauben abgefallen sind, weil sie mit dem Eindruck aufwuchsen, Christsein sei gleichbedeutend mit bürgerlicher Wohlanständigkeit, vulgo Spießigkeit. -- Das ist die eine Seite des Problems. Die andere ist, dass viele konservative Christen allzu lange an der Vorstellung einer moral majority festgehalten haben - der Vorstellung, die Mehrheit oder zumindest eine qualifizierte Minderheit der Bevölkerung sei im Prinzip auf ihrer Seite, man müsse es nur schaffen, sie zu mobilisieren. Das ist nicht der Fall. Gerhard Schröder hatte nicht Unrecht, als er 1998 für sich in Anspruch nahm, die Neue Mitte zu repräsentieren. Keine 20 Jahre später hat sogar die CDU die damalige Neue Mitte links überholt. Es wäre illusorisch, wollte man bestreiten, dass diese politischen Entwicklungen einen tatsächlichen Wertewandel in der Gesellschaft widerspiegeln. Das neue Bürgertum will Ökostrom, gender-neutrales Kinderspielzeug und Laktoseintoleranz Ehe für alle, und seine spirituellen Bedürfnisse befriedigt der Spießbürger von heute eher mit Yoga, Qi Gong und Feng Shui. Die Vorstellung, man könne in einer zunehmend post-christlichen Gesellschaft eine Rückkehr zu christlichen Werten auf politischem Wege, durch das Wählen der richtigen Partei (welche auch immer das sein sollte), bewerkstelligen, ist bizarr. 

Was folgt aus alledem? Ich will es kurz machen: Es kommt die Zeit und ist vielleicht schon da, dass bürgerlich-konservative Christen sich zwischen ihrem christlichen Glauben und ihrer bürgerlichen Wohlanständigkeit werden entscheiden müssen. Und wer sich allzu sehr davor fürchtet, aus Sicht der Wohlanständigen als "radikal" zu gelten, der läuft Gefahr, die falsche Entscheidung zu treffen. 


Dienstag, 17. Oktober 2017

Eine Art Stockholmsyndrom

Ansgar Mayers Nemesis war ich nie. Zwar hielt er mich für einen Nazi, weil ich das Projekt #EBKHACK nicht so richtig toll fand, aber ich glaube, das haben wir geklärt. Nach dieser Auseinandersetzung folgte er mir sogar zeitweilig auf Twitter, und ich ihm auch - bis zu dieser Geschichte mit dem sächsischen Wahlergebnis und dem tschechischen Atommüll. Sogar da hatte ich noch, bevor die Sache richtig hochkochte, versucht, ihm nahezulegen, er solle seine Äußerung noch einmal überdenken. Er reagierte trotzig, und ein paar Stunden später brach dann der Shitstorm aus. Tja. 

Zu seiner "tollen" Idee mit dem Flüchtlingsboot als Fronleichnamsaltar habe ich mich nie geäußert, und zu der #gutmensch-Graffiti-Kampagne auch höchstens privat. Schaut man sich allerdings die Reaktionen an, die diese und andere von Ansgar Mayer verantworteten PR-Aktionen des Erzbistums Köln bei Anderen hervorgerufen haben, dann wird man wohl sagen können, dass der scheidende Kommunikationsdirektor erheblich dazu beigetragen hat, Kardinal Woelki zu einer Hassfigur bei konservativen Katholiken zu machen. (Bei mir übrigens nicht. Ich schätze Kardinal Woelki nach wie vor, auch wenn ich mir bei manchem, was er sagt und tut, an den Kopf fasse.) 

Angesichts des Schadens, den Ansgar Mayer dem Erzbistum Köln insgesamt und der Person des Erzbischofs im Besonderen mit seiner Tätigkeit als Kommunikationsdirektor zugefügt hat, muss man sich schon sehr wundern, wie entschieden Kardinal Woelki - wenn man einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers Glauben schenken darf - bis zuletzt an seinem Mitarbeiter festgehalten hat. "Dem Vernehmen nach", so heißt es da, sei der Erzbischof nach der Affäre um Mayers "Atommüll"-Tweet "entschlossen" gewesen, "seinem obersten Öffentlichkeitsarbeiter die Stange zu halten". "'Das stehen wir gemeinsam durch', soll Woelki zur Kritik gesagt haben." -- Nun gut, zum Teil kann ich nachvollziehen, was für Solidarisierungseffekte da am Werk waren. Unter den negativen Reaktionen, die Kardinal Woelki für diverse Aspekte seiner öffentlichen Selbstdarstellung - etwa die Videoreihe "Wort des Bischofs" - geerntet hat, waren allerlei grobe Beschimpfungen, insbesondere von Leuten, denen erkennbar weniger der Verkündigungsauftrag der Kirche am Herzen lag, sondern die schlichtweg keine Flüchtlinge, keine Muslime oder ganz allgemein keine "Fremden" mögen. Wenn man ständig aus so einer Ecke angepöbelt wird, und dann kriegt der Kommunikationsdirektor Dampf dafür, dass er sich mit der AfD und deren Wählern angelegt hat, dann ist es emotional naheliegend, erst mal zu sagen: Komm, Ansgar, von den Rechten lassen wir uns doch nicht kleinkriegen, das wäre ja noch schöner. 

Das Problem. das hier lauert, ist jedoch - wie man ja z.B. auch an der Unterstellung sieht, wer den #EBKHACK nicht für die beste Idee seit geschnitten Brot hielt, müsse ja wohl ein Nazi sein - die Versuchung, aufgrund solcher Erfahrungen jede Kritik als "rechts" einzuordnen und damit zu delegitimieren. Das ist zur Zeit übrigens gerade in innerkirchlichen Debatten sehr en vogue, ob bei häretisch.de oder bei La Civiltà Cattolica

Nun hat Ansgar Mayer seinen Posten beim Erzbistum aber doch aufgegeben - aus eigenem Entschluss, wie es heißt. Er wolle sich "auf neue Aufgaben in Hamburg konzentrieren". Und verabschiedet wird er mit viel Lob. Im weltlichen Bereich mag das so üblich sein; und noch ehe ich ein "aber" in die Tastatur gehämmert habe, fällt mir auf, dass genau das das Problem ist, das ich mit den Abschiedsworten des Generalvikars Meiering für seinen scheidenden Mitarbeiter habe: Sie sind durch und durch weltlich. "Es tut uns leid, dass Dr. Mayer uns verlässt", heißt es in der Pressemitteilung. "Mit ihm ist es uns gelungen, [...] eine Unternehmenskommunikation auf der Höhe der Zeit aufzubauen". Hört, hört: Unternehmens[!]kommunikation. Höhe der Zeit. Ich sag einfach mal: Identität-Relevanz-Dilemma. Wer öfter liest, was ich so schreibe - sei es hier oder in anderen Publikationen -, wird wissen, was ich meine. (Und wer es nicht weiß, muss abwarten, bis mein Buch zu diesem Thema erscheint. Aber pssst.) Jedenfalls scheint mir die zitierte Einlassung einen Eindruck zu bestätigen, den ich schon öfter hatte: dass Leute wie Ansgar Mayer nicht das eigentliche Problem sind - sondern nur ein Symptom dafür, dass die Entscheidungsträger in den deutschen Bistümern ganz allgemein sehr fragwürdige Prioritäten setzen. 

Illustration:(c) Peter Esser 

Ansgar Mayer selbst wünsche ich für die Zukunft nur Gutes. Ich hoffe, er findet (oder hat bereits?) in Hamburg eine berufliche Perspektive, die seinen Qualifikationen, seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. Und die möglichst wenig mit der Kirche zu tun hat. 



Sonntag, 1. Oktober 2017

Zu Gast in Deinem Zelt II: Man müsste Gitarre spielen können

Mir kommt es zwar so vor, als wären die Sommerferien gerade erst vorbei, aber andernorts bereitet man sich schon wieder auf die nächsten vor. So zum Beispiel - aus nachvollziehbaren Gründen - bei "Willi's, der Urlauberkirche in Butjadingen". Im diesjährigen Sommerurlaub haben meine Liebste und ich es, wie berichtet, nicht geschafft, von den Aktivitäten dieses Urlauberseelsorgeprojekts mehr zu Gesicht zu bekommen als ein verschlossenes Zelt. Aber jetzt sucht "Willi's" Mitarbeiter für die Urlaubssaison 2018, und noch ehe ich die PDF-Datei mit der Stellenausschreibung geöffnet hatte, warf meine Liebste ein: "Vielleicht sollten wir uns da bewerben." 

Sie meinte das ernst, und auch ich fand den Gedanken durchaus nicht uninteressant. Gesucht werden mehrere Teams, die im Zeitraum vom 30. Juni bis 25. August jeweils einen 14-tägigen Einsatz übernehmen. Mal rechnen: Da wird das Baby so acht bis zehn Monate alt sein. Was machen Kinder in dem Alter so? Einschlägige Ratgeber sagen: krabbeln und brabbeln, mit Bauklötzen spielen, aber selbstständig laufen wahrscheinlich noch nicht. Na, dann wär's ja ungefährlich. Okay, vielleicht ist unser Kind auch motorisch hochbegabt, aber wenn ja, dann hat es das nicht von mir


Also, ganz ohne Flachs: Mit Frau und Kind im Sommer zwei Wochen in Butjadingen am Strand verbringen und Urlauberseelsorge machen, das könnte ich mir tatsächlich ganz gut vorstellen. Zumal die Oma - also meine Mutter - auch ganz in der Nähe wäre; kinderbetreuungstechnisch eigentlich eine Win-Win-Situation. Also schaute ich mir die Ausschreibung mal etwas genauer an. Gemeinsam mit meiner Liebsten, versteht sich. 

"[I]n der Sommersaison 2018", heißt es da, solle "zum 2. Mal ein ökumenisches Kirchenzelt am Burhaver Strand aufgebaut werden. Dieses steht so zentral, dass Camping- & Strandgäste, aber auch Gäste der umliegenden Orte die Angebote des Kirchenzeltes nutzen können." -- Interessant. Das muss dann wohl ein anderer Stellplatz sein als im vergangenen Sommer, denn den würde ich nicht direkt als "zentral" bezeichnet haben, sondern eher als "in the middle of nowhere". Was natürlich insbesondere dann ein Problem darstellt, wenn man zudem noch - wie bereits geschildert - so gut wie keine Werbung für das Angebot macht, jedenfalls keine, mit der man irgend jemanden erreicht, der nicht aktiv nach einem Urlauberseelsorge-Angebot sucht. Na, ich will mich nicht über Gebühr wiederholen, auch wenn ich mich - wie man wohl merkt - immer noch aufregen könnt'. Lieber mal weiter im Text: 

"Im Kommunikationszentrum 'OASE' oder am Strand in Tossens sollen 2018 wieder Angebote gemacht werden." Na, das will ich doch wohl hoffen, sonst hätte man sich die pompöse Wiedereröffnung der OASE auch gleich sparen können. Zumal ich, auch wenn ich noch nicht drin war, den Eindruck habe, dass das Haus beträchtliches Potential hat, das nur darauf wartet, genutzt zu werden. 

"Für diese Urlauberkirche suchen wir (studentische) Teams – bestehend aus zwei bis drei Personen m/w." Okay, "studentische" steht in Klammern, dann gehe ich mal davon aus, dass das nicht unbedingt zwingend ist. Und immerhin waren meine Frau und ich zumindest mal Studenten. Dass die Ausschreibung sich besonders an diese wendet, dürfte u.a. mit der verbreiteten Auffassung zu tun haben, Studenten hätten einerseits "Zeit für sowas" und bräuchten andererseits das Geld. Womit wir dann auch gleich bei den "Eckdaten" wären: 
  • Ein Team (2-3 Personen m/w) ist 14 Tage bei uns zu Gast und arbeitet in der Urlauberkirche mit 
  • Jede Person bekommt 300 € Aufwandsentschädigung, sowie 50 € Taschengeld als Fahrtkostenzuschuss 
  • Eine Unterkunft wird durch die Gemeinde nach Absprache in Burhave und/oder in Tossens gestellt (Rat-Schinke-Haus, OASE oder Wohnwagen) 
  • Die Teams versorgen sich vor Ort selbst 

...und haben dafür wohlgemerkt 300 € pro Person zur Verfügung, vorausgesetzt, die 50 € für die Fahrtkosten haben ausgereicht. Bei einem 14-tägigen Einsatz macht das also ein Budget von knapp 21,50 € pro Tag und Person. Bei freier Unterkunft halbwegs vertretbar, und ein bisschen Askese darf man den Interessenten ja wohl zumuten. Dann kommen wir mal zum Inhaltlichen. 

Folgende Struktur ist hier vor Ort geplant: 
  • Programmangebote in Burhave in enger Kooperation mit „Kirche unterwegs“, sowie in Tossens für Kinder, Jugendliche, Familien und Erwachsene entwickeln, vorbereiten und durchführen 
  • Programm ist Mo-Fr 10.30 Uhr und abends um als 19-Uhr-Gute-Nacht-Geschichte 
  • Vorbereitung und Durchführung von Grillabenden  
  • Mitwirkung bei der Weiterentwicklung von „Willi’s – Die Urlauberkirche in Butjadingen“ ggf. auch nach der Saison 
Ich muss sagen, insbesondere der erste und der letzte Punkt erscheinen mir durchaus interessant. Also, dass man nicht nur für die Durchführung, sondern auch für die Entwicklung von Programmangeboten zuständig sein und sich auch bei der Weiterentwicklung des Urlauberkirche-Konzepts einbringen darf und soll. 

Der Haken an der Sache versteckt sich in den Punkten dazwischen. Zunächst mal: Zweimal am Tag "Programm", einmal vormittags und einmal abends - und was macht man den ganzen Rest des Tages, mit den knapp 21,50 €, die einem zur Verfügung stehen? -- Scherz beiseite: Wie letztens schon angemerkt, scheint es mir recht unbefriedigend, wenn das Zelt den Großteil des Tages über leer steht; zwar kann man kaum erwarten, dass den ganzen Tag über irgendwie "Programm" stattfindet, aber das muss es ja auch gar nicht. Im Gegenteil, die Fokussierung auf "Programm" scheint mir ein grundlegender Webfehler des ganzen Konzepts zu sein. Ich jedenfalls stelle mir unter Urlauberseelsorge nicht unbedingt und nicht in erster Linie Bespaßung vor. Viel wichtiger fände ich es, dass einfach jemand da ist, präsent, ansprechbar. So ein Zelt könnte sich ja auch gerade als ein Ort der Stille und des Rückzugs im Urlaubstrubel anbieten. 

Dass gerade Grillpartys einen offenbar so zentralen Bestandteil des Konzepts darstellen, erscheint mir in diesem Zusammenhang ebenfalls recht bezeichnend. Aber da diese vermutlich nicht vom Selbstversorgungs-Budget bestritten werden müssen, hat das für die "Teamer" natürlich unbestreitbare Vorteile. 

(Über den Satzbau-Holperer in der Passage mit der Gute-Nacht-Geschichte möchte ich übrigens milde hinwegsehen. Der Satz ist vermutlich mehrfach umformuliert worden, und am Ende standen dann ein paar Partikel da, wo sie nicht hingehören. Sowas kommt vor.) 

Bleiben noch die "Voraussetzungen für eine Mitarbeit" zu betrachten: 
  • Teilnahme an einem Präventionskurs zur Kindeswohlgefährung, der durch das Bistum Münster anerkannt ist 
  • Abgabe eines erweiterten Führungszeugnisses 
  • Interesse an der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Familien und Erwachsenen 
  • Erfahrungen in der katholischen / evangelischen Kinder- & Jugendarbeit 
  • Lust und Laune mit den Urlaubern Zeit zu gestalten und zu teilen
Gegen so einen Präventionskurs hätte sie nichts, meinte meine Liebste; na gut, sie ist Lehrerin, da hat man Erfahrung mit dergleichen. Auf mich hingegen wirken solche Fortbildungen ungefähr so attraktiv wie ein Zahnarzttermin, aber okay, allein daran würde ich's nicht scheitern lassen wollen. Problematischer ist der Punkt "Erfahrungen in der katholischen / evangelischen Kinder- & Jugendarbeit", denn das dürfte sich, wenn mich mein Eindruck nicht ganz stark trügt, auf die Arbeit in einschlägigen Verbänden beziehen. Und damit können wir nicht nur nicht dienen, sondern es sieht mir auch nach einem klaren Signal aus, dass kein Interesse daran besteht, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die in der Lage wären, außerhalb der Box zu denken. Was natürlich auch das Potential der oben angesprochenen "Weiterentwicklung" erheblich einschränkt. Bemerkenswert ist auch, was im Anforderungsprofil nicht vorkommt: nämlich irgendwas mit Glauben oder so

"Ich schätze, wir werden unser eigenes Zelt aufstellen müssen", resümierte ich. Meine Liebste war nicht abgeneigt. "Wir könnten da zum Beispiel das Stundenbuch beten", regte sie an. "Wenn jemand kommt und mitbeten will, schön; und wenn nicht, dann machen wir das eben alleine. Und ansonsten sind wir einfach da, als Kontaktangebot, und schauen, was passiert." 

Mal sehen: Viellicht machen wir das wirklich. Hängt natürlich unter anderem auch davon ab, wie sich das Leben mit Kind bis dahin so entwickelt, aber was das angeht, sind wir beide recht optimistisch. Ein Problem sehe ich an ganz anderer Stelle: Uns fehlt jemand, der Gitarre spielen kann. So eine Gitarre ist nicht einfach nur ein Musik-, sondern auch und nicht zuletzt ein Pastoralinstrument. Mit einer Gitarre findet man immer ein Publikum. Wenn irgendwo, wo viele Leute sind, jemand eine Gitarre auspackt und anfängt zu spielen, dann hören ihm Leute zu, ganz egal, was er spielt. So gesehen wäre es eigentlich perspektivisch - und auch unabhängig von dem konkreten Urlauberseelsorge-Projekt - eine feine Sache, Gitarre spielen zu können. Aber ob ich das in meinem Alter und mit meinen dicken Fingern (und dass ich motorisch nicht gerade hochbegabt bin, habe ich ja auch schon angedeutet) noch lerne? 

Vielleicht wäre es doch die einfachere Lösung, sich einen Mitstreiter zu suchen, der das schon kann