Kurz nachdem wir aus dem Urlaub zurückgekehrt waren, kam meine Liebste auf die Idee, sie könnte ja mal ihren für die Zeit unserer Abwesenheit "stillgelegten" Account auf der Foodsharing-Website reaktivieren. Zwar ist sie mittlerweile in einem Stadium der Schwangerschaft, in dem es nicht ratsam ist, Schweres zu tragen, aber ich bin ja auch noch da. Und ich bin zwar selbst (noch) nicht im Foodsharing-Netzwerk registriert, aber das ist nicht unbedingt schlimm. Wir erinnern uns:
Das Idealziel von Foodsharing ist, dass möglichst KEINE Lebensmittel, die noch verwertbar sind, im Müll landen.
Aus diesem Grund gibt es immer mal wieder Abholaktionen für Lebensmittel, an denen man auch teilnehmen kann, ohne registrierter "Foodsaver" zu sein. Man muss halt nur wissen, wann und wo. Und gegebenenfalls Bescheid geben, dass man kommt. Und da kann meine Liebste über ihren Account auch mal mitteilen: Ich kann zwar selber nicht, aber ich schick' meinen Mann.
Von großer Bedeutung für das Foodsharing-Netzwerk ist die feste und verlässliche Zusammenarbeit mit Unternehmen, die ihre Lebensmittel-Restbestände regelmäßig dem Netzwerk spenden. Ein solches Unternehmen ist eine Bäckerei, die wenige U-Bahn-Stationen von unserer neuen Wohnung entfernt liegt. Im Hinterhaus des Gebäudes, in dessen Vorderhaus die Bäckerei untergebracht ist, wohnen ein paar Leute, die bei Foodsharing aktiv sind; also stellen die Mitarbeiter der Bäckerei abends nach Feierabend die nicht verkauften Backwaren bei diesen Leuten vor die Wohnungstür. Und da kann man dann - innerhalb eines festgesetzten Zeitraums und mit Anmeldung - hinkommen und sich was abholen. Um was für Mengen es sich dabei insgesamt handelt, ist natürlich vom Tagesgeschäft abhängig und variiert, wie ich gehört habe, sehr stark.
Vorige Woche kam dann über die Foodsharing-Website die Nachricht, für den betreffenden Abend habe sich noch niemand zur Backwarenabholung am besagten Ort angemeldet, und es wäre doch schade, wenn die Lebensmittel letztlich doch weggeworfen werden müssten (siehe oben: Das Idealziel von Foodsharing ist...). "Ich kann da hingehen", entschied ich spontan, also meldete meine Liebste mich an.
Die besagte Bäckerei hat lange geöffnet, folglich war der Abholtermin für die Reste des Tages ziemlich spät am Abend. Als ich den Abholort im Hinterhaus erreichte, erwarteten mich eine Kiste mit diversem Kleingebäck (unterschiedlich gefüllte Blätterteigtaschen, Käsestangen, Sesamringe...) und ein großer blauer Plastiksack voll mit Brötchen (ich bin ganz, ganz schlecht im Schätzen, aber irgendwas zwischen 150 und 200 Stück waren es wohl) und einigen kleinen Fladenbroten.
"Kriegst du das alles mit?", fragte mich der junge Mann von der Foodsharing-WG.
"Öhm. Hat sich außer mir keiner zum Abholen angemeldet?"
"Nee, du bist der einzige."
"Na gut. Was ich nicht tragen kann, lass ich dann wohl hier."
"Ach komm. So viel ist das doch gar nicht. An manchen Tagen ist es viel mehr."
Lassen wir diese Information mal auf uns wirken.
Ich packte also den Inhalt der Kiste in eine große Tragetasche, die ich mitgebracht hatte, schulterte den Sack und buckelte das Ganze zur U-Bahn und von der U-Bahn nach Hause. Und dann? Dann stopften wir erst mal unseren Kühlschrank und unseren Gefrierschrank voll. Danach war der Sack immer noch halb voll, also ließen wir ihn erst mal, so wie er war, im Flur stehen. Und überlegten uns, was wir mit den ganzen Backwaren machen sollten.
Meine Liebste inserierte - abermals über die Foodsharing-Website sowie in einer Facebook-Gruppe - den Hinweis, am nächsten Morgen ab 8 Uhr könne jeder, der wolle, bei uns gratis Brötchen und sonstiges Kleingebäck abholen. Außerdem hängte ich am Morgen einen Zettel an die Wohnungstür, um die Nachbarn zu informieren, falls sie noch was zum Frühstücken bräuchten, sollten sie einfach bei uns klingeln. Es meldete sich exakt niemand, also gönnten wir erst mal uns selbst ein opulentes Frühstück.
Ich überlasse es meinen Lesern gern selbst, ausgiebig über diesen Sachverhalt zu reflektieren, aber...: Wie viele Bäckereien gibt es wohl in Berlin? Und das hier waren die Reste von einer einzigen! Und dann will man Lebensmittel verschenken und wird sie nicht los... Nun gut: Ein paar Tage später hatten wir es dann doch geschafft, alles, was nicht in unseren Gefrierschrank passte, weiterzuverteilen. Und ich bin fest entschlossen, derartige Aktionen in Zukunft noch öfter durchzuziehen. Man müsste das Ganze wohl bloß besser organisieren, sich sozusagen sein eigenes Sub-Netzwerk für die Weiterverteilung aufbauen, zum Beispiel auch in Zusammenarbeit mit der örtlichen Kirchengemeinde. Da geht was. Und à propos Kirchengemeinde: Am zweiten Tag nach der Abholaktion veranstaltete der Kreis junger Erwachsener des Pastoralen Raums Friedrichshain-Lichtenberg im Garten der Kirche St. Pius eine Grillparty, und da waren meine Liebste und ich eingeladen. Der Kaplan hatte angekündigt, Brot zu besorgen -- aber nach der oben geschilderten Foodsaving-Aktion schrieben wir ihm, er solle lieber was Anderes mitbringen, um das Brot würden wir uns kümmern. Wir packten also fünf Fladenbrote und schätzungsweise 20 Brötchen ein. Viel zu viel natürlich, aber wir weigerten uns standhaft, etwas davon wieder mit zurück zu nehmen. Stattdessen nahmen wir am Ende des Abends andere Reste der Party an uns - hauptsächlich Grillfleisch und Bier.
Aber so ist das wohl immer bei Grillpartys. Kennt Ihr vielleicht auch, liebe Leser. Obwohl irgendjemand das ganze Zeug ja angeschleppt haben muss und ja schließlich im Laufe des Abends doch so Einiges verzehrt wird, geht am Ende Jeder zumindest gefühlt mit mehr Lebensmitteln nach Hause, als er mitgebracht hat.
Und dann behaupten manche Leute, es gäbe heutzutage keine Wunder mehr.