Mittwoch, 30. August 2017

Zwölf Körbe voll

Kurz nachdem wir aus dem Urlaub zurückgekehrt waren, kam meine Liebste auf die Idee, sie könnte ja mal ihren für die Zeit unserer Abwesenheit "stillgelegten" Account auf der Foodsharing-Website reaktivieren. Zwar ist sie mittlerweile in einem Stadium der Schwangerschaft, in dem es nicht ratsam ist, Schweres zu tragen, aber ich bin ja auch noch da. Und ich bin zwar selbst (noch) nicht im Foodsharing-Netzwerk registriert, aber das ist nicht unbedingt schlimm. Wir erinnern uns: 

Das Idealziel von Foodsharing ist, dass möglichst KEINE Lebensmittel, die noch verwertbar sind, im Müll landen. 

Aus diesem Grund gibt es immer mal wieder Abholaktionen für Lebensmittel, an denen man auch teilnehmen kann, ohne registrierter "Foodsaver" zu sein. Man muss halt nur wissen, wann und wo. Und gegebenenfalls Bescheid geben, dass man kommt. Und da kann meine Liebste über ihren Account auch mal mitteilen: Ich kann zwar selber nicht, aber ich schick' meinen Mann. 


Von großer Bedeutung für das Foodsharing-Netzwerk ist die feste und verlässliche Zusammenarbeit mit Unternehmen, die ihre Lebensmittel-Restbestände regelmäßig dem Netzwerk spenden. Ein solches Unternehmen ist eine Bäckerei, die wenige U-Bahn-Stationen von unserer neuen Wohnung entfernt liegt. Im Hinterhaus des Gebäudes, in dessen Vorderhaus die Bäckerei untergebracht ist, wohnen ein paar Leute, die bei Foodsharing aktiv sind; also stellen die Mitarbeiter der Bäckerei abends nach Feierabend die nicht verkauften Backwaren bei diesen Leuten vor die Wohnungstür. Und da kann man dann - innerhalb eines festgesetzten Zeitraums und mit Anmeldung - hinkommen und sich was abholen. Um was für Mengen es sich dabei insgesamt handelt, ist natürlich vom Tagesgeschäft abhängig und variiert, wie ich gehört habe, sehr stark. 

Vorige Woche kam dann über die Foodsharing-Website die Nachricht, für den betreffenden Abend habe sich noch niemand zur Backwarenabholung am besagten Ort angemeldet, und es wäre doch schade, wenn die Lebensmittel letztlich doch weggeworfen werden müssten (siehe oben: Das Idealziel von Foodsharing ist...). "Ich kann da hingehen", entschied ich spontan, also meldete meine Liebste mich an. 

Die besagte Bäckerei hat lange geöffnet, folglich war der Abholtermin für die Reste des Tages ziemlich spät am Abend. Als ich den Abholort im Hinterhaus erreichte, erwarteten mich eine Kiste mit diversem Kleingebäck (unterschiedlich gefüllte Blätterteigtaschen, Käsestangen, Sesamringe...) und ein großer blauer Plastiksack voll mit Brötchen (ich bin ganz, ganz schlecht im Schätzen, aber irgendwas zwischen 150 und 200 Stück waren es wohl) und einigen kleinen Fladenbroten. 

"Kriegst du das alles mit?", fragte mich der junge Mann von der Foodsharing-WG. 
"Öhm. Hat sich außer mir keiner zum Abholen angemeldet?" 
"Nee, du bist der einzige." 
"Na gut. Was ich nicht tragen kann, lass ich dann wohl hier." 
"Ach komm. So viel ist das doch gar nicht. An manchen Tagen ist es viel mehr." 

Lassen wir diese Information mal auf uns wirken. 


Ich packte also den Inhalt der Kiste in eine große Tragetasche, die ich mitgebracht hatte, schulterte den Sack und buckelte das Ganze zur U-Bahn und von der U-Bahn nach Hause. Und dann? Dann stopften wir erst mal unseren Kühlschrank und unseren Gefrierschrank voll. Danach war der Sack immer noch halb voll, also ließen wir ihn erst mal, so wie er war, im Flur stehen. Und überlegten uns, was wir mit den ganzen Backwaren machen sollten. 

Meine Liebste inserierte - abermals über die Foodsharing-Website sowie in einer Facebook-Gruppe - den Hinweis, am nächsten Morgen ab 8 Uhr könne jeder, der wolle, bei uns gratis Brötchen und sonstiges Kleingebäck abholen. Außerdem hängte ich am Morgen einen Zettel an die Wohnungstür, um die Nachbarn zu informieren, falls sie noch was zum Frühstücken bräuchten, sollten sie einfach bei uns klingeln. Es meldete sich exakt niemand, also gönnten wir erst mal uns selbst ein opulentes Frühstück. 

Ich überlasse es meinen Lesern gern selbst, ausgiebig über diesen Sachverhalt zu reflektieren, aber...: Wie viele Bäckereien gibt es wohl in Berlin? Und das hier waren die Reste von einer einzigen! Und dann will man Lebensmittel verschenken und wird sie nicht los... Nun gut: Ein paar Tage später hatten wir es dann doch geschafft, alles, was nicht in unseren Gefrierschrank passte, weiterzuverteilen. Und ich bin fest entschlossen, derartige Aktionen in Zukunft noch öfter durchzuziehen. Man müsste das Ganze wohl bloß besser organisieren, sich sozusagen sein eigenes Sub-Netzwerk für die Weiterverteilung aufbauen, zum Beispiel auch in Zusammenarbeit mit der örtlichen Kirchengemeinde. Da geht was. Und à propos Kirchengemeinde: Am zweiten Tag nach der Abholaktion veranstaltete der Kreis junger Erwachsener des Pastoralen Raums Friedrichshain-Lichtenberg im Garten der Kirche St. Pius eine Grillparty, und da waren meine Liebste und ich eingeladen. Der Kaplan hatte angekündigt, Brot zu besorgen -- aber nach der oben geschilderten Foodsaving-Aktion schrieben wir ihm, er solle lieber was Anderes mitbringen, um das Brot würden wir uns kümmern. Wir packten also fünf Fladenbrote und schätzungsweise 20 Brötchen ein. Viel zu viel natürlich, aber wir weigerten uns standhaft, etwas davon wieder mit zurück zu nehmen. Stattdessen nahmen wir am Ende des Abends andere Reste der Party an uns - hauptsächlich Grillfleisch und Bier


Aber so ist das wohl immer bei Grillpartys. Kennt Ihr vielleicht auch, liebe Leser. Obwohl irgendjemand das ganze Zeug ja angeschleppt haben muss und ja schließlich im Laufe des Abends doch so Einiges verzehrt wird, geht am Ende Jeder zumindest gefühlt mit mehr Lebensmitteln nach Hause, als er mitgebracht hat. 

Und dann behaupten manche Leute, es gäbe heutzutage keine Wunder mehr. 



Montag, 28. August 2017

Der Ärger, der Höck und das Gebet

Ich habe Ärger gehabt; darüber habe ich hier schon geschrieben und will nicht nochmals im Einzelnen darauf eingehen, entscheidend ist eigentlich nur, dass der Ärger sich inzwischen gelegt hat. So gründlich gelegt, dass ich gegen keine der daran beteiligten Personen mehr einen Groll hege, nicht einmal mehr gegen mich selbst, was am schwersten war. Aber die Phase, die sich an den Ärger anschloss - und mit diesem inhaltlich gar nicht so viel zu tun hatte, sondern viel eher mit anderen Misshelligkeiten wie einer schwächelnden Blogstatistik und dem Umstand, dass ich nach dem Umzug in die neue Wohnung immer noch kein funktionierendes Internet und Festnetztelefon zu Hause habe -, war nicht unbedingt einfacher. Diese Phase war geprägt von einer Stimmung, die ich in Anlehnung an Rudyard Kiplings "Genau-so-Geschichten" (in der kongenialen Übersetzung von Gisbert Haefs) "den Höck" nenne. Kipling beschreibt diese Stimmung in einem Gedicht, das er an seine Erzählung "Wie das Kamel seinen Höcker kriegte" anschließt. Hier eine Kostprobe: 

"Ein kamelischer Höck ist ein böses Gepöck, 
kuck es dir im Zoo an in Ruh; 
doch schlimmer, o Schröck, ist der Trübtassenhöck, 
den ich krieg, wenn ich nicht genug tu." 



Ich nehme an, viele meiner Leser werden diese Stimmung kennen. Meine Liebste, so unverwüstlich fröhlich und optimistisch sie meistens ist, kennt sie; die beste Kati von allen kennt sie; und ich kenne sie besser, als mir lieb ist. Wenn man das Gefühl hat, gerade nichts auf die Reihe zu kriegen, sich darüber ärgert, dass man nichts auf die Reihe kriegt, infolge dieses Ärgers erst recht nichts auf die Reihe kriegt, sodass man schließlich nur blöde in der Gegend herumhängt und sich währenddessen darüber ärgert, dass man nur blöde in der Gegend herumhängt - dann hat man den Höck. Und der geht nicht weg, der wird nur immer schlimmer und schlimmer. 

Das Komische ist, dass ich in meiner jüngsten Höck-Phase objektiv betrachtet durchaus Einiges auf die Reihe gekriegt habe: zum Beispiel die Teilnahme an einer Demo, zwei Blogartikel, zwei Beiträge für die Tagespost und einen Wochenkommentar für Radio Horeb. Ach ja, und eine Foodsaving-Aktion, über die ich auch noch was werde schreiben müssen. Aber das Gefühl ging trotzdem nicht weg. Eine Auswirkung davon - und zwar eine dieser typischen Höck-Auswirkungen, die das Problem verschlimmern und in eine Endlosschleife zu treiben drohen - war, dass ich in dieser Phase zu wenig gebetet habe. Das ist, ich kenne mich da, ein absolutes Desaster für mich. Wenn ich das Gebet vernachlässige, leiden alle, ausnahmslos alle Aspekte meines alltäglichen Lebens darunter. Noch vor wenigen Tagen habe ich es nicht einmal geschafft, meinen Hintern hoch zu kriegen, um in der Kirche, die sieben Minuten Fußweg (oder fünf, wenn die Ampel gerade grün ist) von meiner Wohnung entfernt liegt, zur Eucharistischen Anbetung zu gehen. Obwohl ich mir sehr bewusst war, dass genau DAS mir in dieser allgemeinen Stimmungslage (bzw. aus dieser hinaus) enorm geholfen haben würde. 

Und dann kam der Sonntag. 

Aufstehen, kurz ins Bad, anziehen, abwarten, bis der Schatz sich die hüftlangen Haare gekämmt hat, und los zur Kirche. Sonntagspflicht ist eine feine Sache, sie nimmt einem Entscheidungen ab. Wir kamen früh genug in der Kirche an, um vor dem Beginn der Messe noch gemeinsam die Laudes beten zu können. Die Messe selbst war liturgisch nicht unbedingt eine Glanzleistung (wenn auch weit entfernt davon, in dieser Hinsicht wirklich schlimm zu sein), und die Predigt fand ich eher doof; aber es WAR eine Heilige Messe, und das war gut. Im weiteren Verlauf des Tages fühlte ich mich schon mal deutlich besser als an den Tagen zuvor, und am Abend las ich Dorothy Day. 

Ich erwähnte es bereits (wenn auch nur in der Antwort auf einen Kommentar zu einem meiner Blogartikel): Man bekommt leicht ein etwas einseitig verzerrtes Bild von der Ehrwürdigen Dienerin Gottes (so ihr offizieller kirchenrechtlicher Status bzw. Titel) Dorothy Day, wenn man nur ihre kämpferischen und zum Teil recht linksradikal anmutenden Leitartikel aus dem Catholic Worker liest. Das könnte übrigens auch ein Problem einiger heutiger Aktivisten des Catholic Worker Movement sein, aber dazu vielleicht ein Andermal. Glücklicherweise hat meine Liebste, kaum dass ich sie ein bisschen mit meiner Begeisterung für Dorothy Day angesteckt hatte, bei Amazon gleich einen ganzen Stapel Bücher von und über Dorothy Day bestellt, und vier davon sind mittlerweile angekommen. Darunter ein schmales Bändchen, das sich - in Form einer Blütenlese aus dem umfangreichen Gesamtwerk der Autorin - ganz auf die Spiritualität der Dorothy Day konzentriert: "The Reckless Way of Love - Notes on Following Jesus", herausgegeben von Carolyn Kurtz. Und darin las ich an diesem Sonntagabend. 


"Demütig muss man aus einem göttlichen Beweggrund heraus sein, andernfalls ist Demut eine entwürdigende und abstoßende Haltung. Demütig und duldsam sein aus Liebe zu Gott - das ist wundervoll. Aber demütig und duldsam zu sein, weil dein Brot und deine Butter davon abhängen, ist furchtbar. Es bedeutet, das Bewusstsein der eigenen Menschenwürde zu verlieren." 
Als jemand, der theoretisch sehr viel von Demut hält, sich praktisch aber oft damit schwer tut, konnte ich damit eine Menge anfangen. Noch mehr aber mit dem Folgenden: 
"Ich beschloss, sorgfältiger darauf zu achten, bestimmte Formen der Andacht nicht zu versäumen, von denen ich mich aufgrund meiner unregelmäßigen Lebensweise und meiner Müdigkeit allzu gern entschuldigte. Schließlich, wenn ich von sieben Uhr früh bis Mitternacht gearbeitet habe oder fünfzehn Stunden lang im Bus gereist bin, begreife ich umso besser die Worte 'Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?' (Mt 26,40). Das, so habe ich beschlossen, soll mein Motto für das kommende Jahr werden, um meine Besinnung zu festigen.
'Kannst du nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?' 
Ich will daran denken, wann immer ich müde bin und das Gebet auslassen will, die zusätzlichen Gebete, die ich selbst für mich festlegen will. Denn schließlich habe ich vor, in der schlichtesten, demütigsten Weise zu beten, ohne spirituellen Ehrgeiz.
Morgengebete in meinem Zimmer, ehe ich zur Messe gehe. Ich lasse sie immer aus, so gewohnt bin ich es, gerade noch rechtzeitig aus dem Haus zu eilen. Wäre ich weniger träge, ginge es besser...
Um die Mitte des Tages, so schwer es auch zu erhaschen sein mag, fünfzehn Minuten absoluter Stille, um an Gott zu denken und mit Gott zu sprechen.
Die Gegenwart Gottes einüben." 
Das ist doch mal ein Programm. Und wenn es mir schwer fällt, das durchzuhalten, kann ich mich damit trösten, dass es Dorothy auch nicht leicht gefallen ist. 


Sonntag, 27. August 2017

Was ist das für 1 Sprache?

Verreckt die Kirche an ihrer Sprache? Das behauptete jedenfalls die zentrale These eines Bestsellers des aufstrebenden Kommunikationsgurus Erik Flügge, mit dem dieser es - wie ein Bekannter, der sicher nichts dagegen hat, ungenannt zu bleiben, es unlängst in einer Diskussion auf Facebook formuliert hat - geschafft hat, "die Kirche mit einer Mischung aus harscher Kritik, Lob und der Versicherung, ihr nur helfen zu wollen, dazu zu bekommen, ihm Geld zu geben". Vielleicht könnte man die Frage aber auch anders stellen: "Verreckt der Kirche ihre Sprache?" Anders gefragt: Krankt die kirchliche Verkündigung tatsächlich daran, dass die Kirche es versäumt hat, ihre Sprache den kommunikativen Gewohnheiten und dem Auffassungsvermögen "des modernen Menschen" anzupassen, oder eher daran, dass ihre Versuche, genau das zu tun, im Ergebnis oft so tragikomisch ausfallen? Das Phänomen, dass durchaus gut- und ernstgemeinte Bemühungen der Kirche um eine "zeitgemäße Sprache" vielfach kaum von Parodien auf ebendiese Bemühungen zu unterscheiden sind, ist ja mindestens seit den 70er Jahren bekannt - wofür Otto Waalkes' fulminantes "Wort zum Montag" ein Paradebeispiel darstellt (ich habe dazu schon mal was in der Tagespost geschrieben). 

Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel für solche Bemühungen um "zeitgemäße Sprache" stellt die erstmals 2012 erschienene und seither fortlaufend weiter überarbeitete "Volxbibel" dar. Kostprobe gefällig? 
"An einem Tag unterhielten sich zwei Propheten, die beide in einer Propheten-WG wohnten. Der eine sagte ganz plötzlich zum anderen: 'Hau mir in die Fresse!'. Aber der Typ weigerte sich, er wollte ihn nicht schlagen. Der erste Prophet sagte dann: 'Das war ein Befehl von Gott, und du hast ihn nicht ausgeführt! Darum wirst du bei einem Autounfall ums Leben kommen, sobald du von hier verschwindest!' Und tatsächlich: Der Typ ging nach Hause, und auf dem Weg wurde er von einem Auto angefahren und starb noch an der Unfallstelle.
Einige Zeit später traf der Prophet einen anderen Typen. 'Hau mir in die Fresse!', sagte er auch zu dem. Der Mann schlug voll zu, so lange, bis der Prophet blutig am Boden lag.
Dann stellte der Prophet sich auf die Straße, auf welcher der Präsident an diesem Tag vorbeikommen sollte. Er hatte sich einen Verband angelegt, so dass er nicht mehr wie ein Prophet, sondern wie ein Soldat aus dem Krieg aussah.Tatsächlich fuhr der Präsident die Strecke entlang. Er hielt sein Auto an, als er den Typen sah. Nachdem er die Scheibe runtergefahren hatte, sagte der Prophet zu ihm: 'Guten Tag, Herr Präsident! Ich war gerade in einem Kriegsgebiet. Mitten auf dem Schlachtfeld kam ein Soldat vorbei und befahl mir, dass ich auf einen Gefangenen aufpassen sollte. ‚Wenn der fliehen kann, kostet dich das dein Leben, oder du zahlst mir hundertausend Euro, bar auf die Kralle. Ist das klar?‘, sagte er zu mir.'" 
Das ist, auch wenn's nicht unbedingt danach aussieht, 1. Könige 20, 35-39. Voll krass, oder? Geht aber noch krasser. Der Netzaktivist und Satiriker Shahak Shapira hat jüngst ein Buch mit dem interessanten Titel "Holyge Bimbel. Storys vong Gott u s1 Crew" auf den Markt gebracht. Darin liest man etwa über den "Towerbau zu Basel", "Adolf U Eva" oder "Jesus Chrispus IVIER: das Impressium schlägt zurück"; und der Schöpfungsbericht nach Genesis 1, der in der Volxbibel noch vergleichsweise zahm daherkam ("Alles fing damit an, dass Gott das ganze Universum gemacht hat. Er bastelte das riesige Weltall zusammen und mittendrin die Erde. Auf der Erde war noch nichts los. Überall war totales Chaos. Es war stockdunkel, alles stand unter Wasser, und es gab noch kein Licht"), liest sich hier so: 
"Im Anfang war die Universe leer u schwarz wie 1 coke zero am bimsen, also buildete Gott 1 Earth u 1 Heaven. Aber die Earth war dark wie 1 Berghain u needete 1 Boss-Transformation..." 
Nanu, könnte man fragen, was ist denn DA kaputt? Aber keine Panik: Es ist nur eine Übersetzung biblischer Erzählungen in die "VONG-Sprache". Nie vong gehört? Nicht schlimm. Es handelt sich da um einen Sprachtrend aus diesem Internet, der vor allem durch die Facebook-Seite "Nachdenkliche Sprüche mit Bilder" populär gemacht wurde. Die sogenannte "VONG-Sprache" erweckt durch Buchstabendreher, Wortverwechslungen (Malapropismen), Grammatik- und Satzbaufehler, die nicht selten zu zwischen Banalität und Absurdität changierenden Aussagen führen, den Eindruck bildungsferner Dumpfbackigkeit, ist dabei aber in Wirklichkeit hoch artifiziell. Diese Kunstsprache hat Shahak Shapira, der ja wie gesagt unter anderem auch Satiriker ist, nun auf biblische Texte angewandt. Das kann man lustig finden. Man kann es aber auch - wie etwa Dirk von Gehlen in der Süddeutschen Zeitung - für eine evangelistische Meisterleistung halten, gerade noch vergleichbar mit der Lutherbibel. Im Ernst? Durchaus: "Im besten Fall wirkt die 'Holyge Bimbel' auf Bibelleser und auf Netzkenner missionarisch", meint Dirk von Gehlen. Und zwar "in beide Richtungen": "Bibelleser lernen das Netz kennen und Netzkenner kommen in Kontakt mit biblischen Geschichten". Weil das ja normalerweise total voneinander getrennte Welten sind, n'est-ce pas? Grund genug, Shahak Shapira kurzerhand zum "Martin Luther des Internet-Quatsch" zu adeln. 

Nun ist Dirk von Gehlen sicherlich zu Gute zu halten, dass er seine Lobsprüche auf Shapiras Werk ganz so ernst wohl doch nicht meint; sein Fazit lautet nämlich, die "Holyge Bimbel" sei "bei aller theoretischen Einordnung vor allem eins: wirklich sehr sehr lustig!" -- Nun, meinetwegen. Allerdings wissen wir ja nun nicht erst seit gestern, dass Humor in offiziellen und halboffiziellen kirchlichen Pressestellen oft ein eher trauriges Thema ist. Der ist meist nämlich umso dünner gesät, je mehr man sich um ihn bemüht. Und so konnte es nicht ausbleiben, dass in der einen oder anderen kirchlichen Social-Media-Redaktion Leute auf die Idee verfielen, die VONG-Sprache sei der Zug, auf den es dringendst aufzuspringen gelte - nachdem das Übersetzen von Bibelzitaten oder geistlichen Liedtexten in WhatsApp-Bildsymbole, sogenannte Emojis, ja nachgerade schon ein bisschen oll ist. Folgerichtig begrüßte der Twitter-Account des Bistums Mainz seine jugendlichen Diözesanen unlängst zum Schulbeginn mit den Worten:
"Remember: halo Schüler! Au weng du 1 Larry bimst so vong Noten her: Gott <3 di vong Niceigkeit her! Halo I bims deim Bistum M1! 0:) "
Symbolbild; Quelle: Pixabay


Ich bin nun in der glücklichen Lage, mir jedweden eigenen Kommentar zu dieser Leistung sparen zu können - denn ein Bekannter von mir, der sich für den Gesamtbereich Religion - und somit erst recht für das Eigenmarketing der christlichen Kirchen hierzulande - eher aus unbeteiligter Perspektive interessiert, teilte diesen Tweet kurz darauf auf seiner Facebook-Seite, mit der lakonischen Anmerkung "Kirche im Wandel der Zeit". Und die Reaktionen, die er damit erntete, sprechen in Hinblick darauf, "wie sowas bei den Leuten ankommt", Bände: 
"Ich sags ja immer: Weihrauch und Myrrhe sind Einstiegsdrogen!"
"Passt doch: Glauben statt denken."
"Wie peinlich und erbärmlich!"
"Da gibt es viele andere 'moderne' Dinge, die die Kirche sich endlich mal zu eigen machen muss."
"Wie stehen die mittlerweile zu Kondomen?"
"Dazu fällt mir eigentlich nur das Wort 'Idiot' ein."
"Deswegen Atheist." 
I rest my case, wie der Angloamerikaner so sagt... 



Warum an etwas glauben, wenn man auch an nichts glauben kann?

Mein Wochenkommentar auf Radio Horeb, ausgestrahlt am 26.08.2017 



„Demokratie ist alles“ – so lautet das Motto einer bundesweiten Plakatkampagne, die vom Verein „Artikel 1 – Initiative fürMenschenrechte“ initiiert wurde. Jedes Motiv dieser bei einem Kreativwettbewerb preisgekrönten Plakatserie ist einem bestimmten Grundrecht gewidmet; neben Plakaten zu Meinungs- und Pressefreiheit, Freizügigkeit, Berufs- und Versammlungsfreiheit gibt es auch eines, das sich dem Grundrecht auf Religionsfreiheit widmet. Angesichts starker säkularistischer Tendenzen in der Gesellschaft, angesichts der immer weiter um sich greifenden Auffassung, Religion sei allenfalls als Privatangelegenheit des Einzelnen zu tolerieren und habe im öffentlichen Raum nichts zu suchen, möchte man ein solches positives Bekenntnis zur Religionsfreiheit zunächst einmal begrüßenswert finden. Bei näherer Betrachtung erweckt das betreffende Plakat allerdings den Eindruck, selbst von einem recht eingeschränkten Verständnis von Religions-, Glaubens- und Gewissensfreiheit geprägt zu sein.

Das Plakat zeigt eine junge Frau, die durch ihr Kopftuch als Muslima gekennzeichnet ist; und dieser Frau wird der Satz in den Mund gelegt: „Ich könnte auch an nichts glauben und damit glücklich sein.“ Darunter, in erheblich kleinerer Schrift: „Muss ich aber nicht.“ – Darauf, dass es sich bei der dargestellten Person um eine Muslima handelt, braucht man wohl nicht näher einzugehen; man kann durchaus annehmen, dies sei lediglich dadurch bedingt, dass das Kopftuch als visuelles Kennzeichen für Religiosität einfach eingängiger, im wahrsten Sinne des Wortes also „plakativer“ ist als andere religiöse Symbole. Kettenanhänger in Kreuzform beispielsweise werden schließlich durchaus auch von Nichtchristen getragen. Gehen wir ruhig dennoch davon aus, dass die Aussageabsicht des Plakats sich genauso auf Christen bezieht wie auf Muslime. So oder so hinterlässt der Plakattext den geneigten Betrachter einigermaßen ratlos. Während der Nachsatz „Muss ich aber nicht“ – der allen Plakatmotiven dieser Kampagne gemeinsam ist – das Recht der jungen Dame betont, sich hinsichtlich ihres Glaubens von der säkularen Mehrheitsgesellschaft zu unterscheiden, erweckt der diesem Satz vorangehende Text aber den Eindruck, dass das Phänomen des religiösen Glaubens nicht sonderlich ernst genommen, geschweige denn verstanden wird. Ist es wirklich denkbar, dass eine gläubige Person von sich selbst sagen würde „Ich könnte auch an nichts glauben“? Zwar ist es auch aus christlicher Sicht durchaus richtig, dass der Glaube ein Akt des Willens ist und die Entscheidung zum Glauben freiwillig erfolgen muss. Auf theologische Feinheiten einzugehen – etwa darauf, dass der Glaube im christlichen Verständnis zugleich auch eine Gnade ist – würde hier zu weit führen; festzuhalten ist jedenfalls, dass ein Glaube, den man bei Bedarf jederzeit „ablegen“ könnte – worauf die Aussage „Ich könnte auch an nichts glauben“ ja hinausliefe – die Bezeichnung „Glaube“ im Grunde gar nicht verdient. Religiöser Glaube ist zwar mehr als ein bloßes „Für-wahr-Halten“ eines Sachverhalts – also etwa der Existenz Gottes –, aber er ist nicht weniger als das. Anders ausgedrückt: Glaube geht von der objektiven Wahrheit seines Gegenstandes aus. Wie könnte also jemand, der heute an etwas glaubt, morgen aus reiner Willkür beschließen, daran nicht mehr glauben zu wollen? Und wenn das so wäre: Wieso sollte eine solche rein willkürliche Glaubensentscheidung eigentlich größeren rechtlichen Schutz genießen als irgendwelche anderen persönlichen Vorlieben, also beispielsweise die Vorliebe für einen bestimmten Kleidungs-, Ernährungs- oder Musikstil? Diese Frage erscheint umso dringlicher, als der Plakattext der dargestellten Person die Überzeugung in den Mund legt, sie könne, auch wenn sie an nichts glaubte, „damit glücklich sein“. Wenn der Glaube dieser Person nicht einmal notwendig für ihr Glück ist, wieso sollte das Gesetz ihn dann besonders schützen? Letztendlich erscheint die Religionsfreiheit so als purer Luxus – als etwas, was die säkulare Gesellschaft, die sich so viel auf ihre Toleranz zu Gute hält, sich „leistet“, worauf sie aber im Grunde auch ganz gut verzichten könnte.


Wenn es dem Plakat darum geht, das Recht des Einzelnen zu betonen, sein religiöses Bekenntnis frei zu wählen und gegebenenfalls zu auch wechseln – ein Recht, das beispielsweise in vielen islamisch dominierten Ländern nicht gewährt wird –, dann muss man konstatieren, dass der allzu saloppe Tonfall diesem Anliegen eher schadet. Dass es Menschen gibt, die – in Ländern, in denen keine Religionsfreiheit herrscht – um ihres Glaubens willen ihren Wohlstand, ihre Freiheit oder sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, erscheint aus dieser Perspektive jedenfalls völlig unverständlich. Möglicherweise ist dieses Unverständnis aber die natürliche Folge einer Sicht auf Religion, die mehr oder weniger explizit davon ausgeht, diese habe „Privatsache“ zu sein. Dabei zeigt sich die Bedeutung und der Wert der Religionsfreiheit doch eigentlich erst dann, wenn das religiöse Bekenntnis den rein privaten Rahmen überschreitet – wenn es darum geht, seinen Glauben auch in der Öffentlichkeit ungehindert praktizieren zu dürfen, und noch weit mehr dann, wenn jemand aufgrund seiner religiösen Überzeugungen Gewissensentscheidungen trifft, die im Widerspruch zu den Ansichten der Mehrheitsgesellschaft stehen. Ginge es nur darum, was ein Mensch in seinem Innern glaubt, gäbe es wohl kaum einen Staat der Welt, der damit ein Problem hätte. Zwar mögen wir glauben, eine freiheitliche, demokratische Gesellschaft wie die unsere, die Toleranz als einen der höchsten Werte überhaupt betrachtet, wäre weit entfernt davon, religiöse Menschen in Gewissensnöte zu bringen; doch das könnte sich schnell als Irrtum erweisen, wenn das herrschende Verständnis von religiöser Toleranz sich zunehmend in der Haltung „Glaub doch, woran du willst, solange du es für dich behältst“ erschöpft. In den USA etwa – einem Land, von dem man sagen könnte, es sei als Staatswesen geradezu auf dem Prinzip der Religionsfreiheit begründet worden – mehren sich seit einigen Jahren die Fälle, in denen Menschen aufgrund ihrer Glaubensüberzeugungen in Konflikt mit dem Gesetz geraten. So wurden Bäcker, Floristen und Fotografen, die aus Gewissensgründen keine Dienstleistungen für gleichgeschlechtliche Hochzeitsfeiern übernehmen wollten, des Verstoßes gegen Antidiskriminierungsgesetze beschuldigt und mit ruinösen Schmerzensgeldforderungen überzogen, und eine Standesbeamtin wurde aus ähnlichen Gründen sogar für eine Woche inhaftiert. Es steht kaum zu bezweifeln, dass derartige Konflikte auch hierzulande drohen – und dass diejenigen, die sich in ihrem Handeln auf ihr von religiösen Überzeugungen geprägtes Gewissen berufen, schlechte Karten gegenüber einer öffentlichen Meinung haben dürften, die das Grundrecht auf Religionsfreiheit zunehmend nur noch negativ versteht: als das Recht des nicht-religiösen Menschen, von Religion unbehelligt zu bleiben. Genau diesem Verständnis leistet die oben geschilderte Plakatkampagne jedoch – vielleicht sogar unabsichtlich – Vorschub, indem sie den Menschen, der „an nichts glaubt und damit glücklich ist“, implizit zur Norm erhebt und dem religiösen Menschen, vermeintlich wohlwollend, unterstellt, dieser „könne das auch“.  



Dienstag, 22. August 2017

Salomonisch

Nehmen wir mal König Salomo – und sein sprichwörtliches „Salomonisches Urteil“. Wir erinnern uns: dieser Fall mit den zwei Frauen, die sich um ein Kind streiten, und beide Frauen behaupten, die Mutter des Kindes zu sein. Hatte König Salomo da zunächst tatsächlich die Absicht, das Kind in zwei Hälften teilen zu lassen, und hat sich erst durch die Liebe der wahren Mutter zu ihrem Kind eines Besseren belehren lassen? – Nun ja: Könnte sein. Schließlich war König Salomo nur ein Mensch. Vielleicht hatte er schon einen sehr anstrengenden Tag gehabt, vielleicht ging ihm das Geschrei der beiden Frauen auf die Nerven und er wollte langsam mal Middach machen; und da sagte er sich vielleicht: Was soll's, dann kriegt halt jede Frau ein halbes Kind, und ich hab meine Ruhe.

Valentin de Boulogne: Das Urteil Salomos (ca. 1625; gemeinfrei) 

So ähnlich verhalten sich im Evangelium vom vergangenen Sonntag ja auch die Jünger, als im heidnischen Gebiet von Tyrus und Sidon eine kanaanäische Frau Jesus anfleht, ihre Tochter von einem Dämon zu erlösen. Als fromme Juden ihrer Zeit haben die Jünger überhaupt keine Veranlassung, einer heidnischen Frau gegenüber besonders hilfsbereit zu sein. Und im Grunde sind sie das auch nicht – aber das Geschrei der Frau geht ihnen auf die Nerven, also sagen sie sinngemäß zu Jesus: „Och komm schon, Meister, sei doch nicht so. Tu der Frau doch ihren Willen, Du kannst es doch – dann haben wir unsere Ruhe.“ Aber darauf lässt Jesus sich nicht ein.

Ich bin kein Theologe und will nicht behaupten, ich hätte diese Perikope, die schon größeren Denkern als mir Kopfzerbrechen bereitet hat, verstanden. Aber da sie in der Leseordnung des Jahreskreises nun mal regelmäßig auftaucht, habe ich im Laufe meines Katholikendaseins schon so allerlei Predigten dazu gehört, überzeugende und weniger überzeugende. Und ich muss sagen, zu den weniger überzeugenden zähle ich jene, die darauf abzielen, Jesus offenbare mit der Aussage„Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt“ ein defizitäres Verständnis seiner eigenen Sendung und müsse sich durch die Beharrlichkeit der Frau erst eines Besseren belehren lassen. Was, frage ich mich angesichts solcher Deutungen, ist mit der göttlichen Natur Jesu? Wenn wir daran glauben, dass Jesus der Mensch gewordene logos Gottes ist, wie könnte es dann möglich (oder gar notwendig) sein, Ihn über die Tragweite Seiner eigenen Mission zu belehren? Müssten wir nicht annehmen, dass Er schon im Voraus wusste, was die Frau zu Ihm sagen würde – und also auch, dass Er ihr schließlich doch helfen würde?

Wenn das Ergebnis aber von vornherein feststand, wozu dann das ganze Vorgeplänkel? Wollte Jesus damit den Jüngern eine Lektion erteilen, oder der Frau, oder beiden? Und worin bestand diese Lektion? War es nicht ziemlich fies von Jesus, die Nichtjuden, für die die kanaanäische Frau pars pro toto steht, als „Hunde“ zu bezeichnen, denen Er nicht das geben dürfe, was den „Kindern“, also dem Volk Israel, zustehe?

In einer Diskussion auf Facebook habe ich gelesen – was ich mangels altsprachlicher Kenntnisse nicht nachprüfen kann –, dass das Wort für „Hunde“, das Jesus an dieser Stelle benutzt, keineswegs „räudige Straßenköter“ bedeutet – dafür hätte es eine andere Vokabel gegeben –, sondern vielmehr die Haushunde in ihrer Eigenschaft als durchaus geschätzte und wertvolle, aber natürlich nicht den Kindern gleichrangige, Hausgenossen bezeichnet. Man mag zunächst einmal finden, das sei bestenfalls ein gradueller Unterschied. Interessant ist aber, dass die Frau ihre Kategorisierung als „Hund“ in ihrer Antwort aufgreift und somit annimmt. Und es sieht ganz danach aus, dass Jesus sie genau dafür lobt, wenn Er erwidert: „Frau, dein Glaube ist groß.“

Tatsächlich gibt es noch eine Reihe anderer Bibelstellen, die darauf schließen lassen, dass Gottes Heilsplan für die Menschen eine feste Reihenfolge hat: dass das – wenn man das so ausdrücken kann – „Heilsangebot“ des Neuen Bundes sich zuerst an das Volk Israel – als Gottes „Erste Liebe“ – richtet und dass Jesus also zunächst einmal tatsächlich explizit zu diesem gesandt ist, wohingegen der Auftrag, „in alle Welt“ hinauszugehen und die Heilsbotschaft „allen Völkern“ zu bringen, erst Seinen Jüngern erteilt wird. Was bedeutet das nun für die Szene mit der kanaanäischen Frau? Jesus erfüllt ihr zwar ihre Bitte, macht ihr aber gleichzeitig klar, dass sie keinen Anspruch darauf hat. Und gerade indem sie das akzeptiert – indem sie demütig die Rolle des „Hundes“ annimmt, der nur um die Brotkrumen betteln kann, die vom für die Kinder Israels bereiteten Mahl übrig bleiben – „qualifiziert“ sie sich dafür, Erhörung zu finden.

Ich sehe natürlich ein, dass es eine erheblich größere Herausforderung bedeutet, DAS einer Gemeinde begreiflich zu machen, als ihr zu erzählen, Jesus habe halt auch noch was lernen müssen – und zwar etwas, was für uns heute ganz selbstverständlich ist: dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder wovon auch immer, gleich wertvoll seien. Da kann man sich dann entspannt zurücklehnen und sich mit einer Frau identifizieren, die Jesus eine Lektion in diversity erteilt. Schon klar...



[Mit Dank an Leserin Crescentia für die Anregung zum einleitenden Absatz.]  



Montag, 21. August 2017

Hass hilft nicht gegen Hass

...oder: Warum es unter allen Umständen eine gute Idee ist, auf einer Demo den Rosenkranz zu beten

Claudia hat bereits berichtet: Bei der Aktion „Mit dem Rosenkranz zur Anti-Nazi-Demo“ waren wir nur ein kleines Häuflein, haben uns aber nicht davon abhalten lassen, die Sache durchzuziehen (und haben, bevor es losging, zur nicht ganz ironiefreien Selbstaufmunterung den Kinder-NGL-Klassiker „Wo zwei oder drei...“ gesungen). Einmal den freudenreichen und einmal den schmerzensreichen Rosenkranz haben wir inmitten der von linken bis linksradikalen Gruppierungen dominiertenGegendemonstration zum Rudolf-Heß-Gedenkmarsch gebetet, dazwischen eine von mir (mit einigem Aufwand) aus dem Martyrologium Germanicum zusammengestellte Märtyrer-Litanei:

Heiliger Maximilian Kolbe – bitte für uns!
Heilige Theresia Benedicta vom Kreuz – bitte für uns!
Seliger Bernhard Lichtenberg – bitte für uns!
Seliger Karl Leisner – bitte für uns!
Seliger Johannes Prassek – bitte für uns!
Seliger Eduard Müller – bitte für uns!
Seliger Hermann Lange – bitte für uns!
Seliger Franz Jägerstätter – bitte für uns!
Seliger Rupert Mayer – bitte für uns!
Seliger Alois Andritzki – bitte für uns!
Seliger Nikolaus Groß – bitte für uns!
Seliger Edward Klinik – bitte für uns!
Seliger Francziszek Kesy – bitte für uns!
Seliger Georg Häfner – bitte für uns!
Seliger Marian Górecki – bitte für uns!
Seliger Bronislaw Komorowski – bitte für uns!
Seliger Francziszek Rogaczewski – bitte für uns!
Seliger Gerhard Hirschfelder – bitte für uns!
Seliger Anizet Koplin – bitte für uns!
Seliger Josef Cebula – bitte für uns!

Auch wenn wir mangels Masse nicht besonders auffällig waren, einige unserer unmittelbaren Nachbarn im Demonstrationszug haben sich sicherlich gewundert – und sich wundern ist ja oft schon die Vorstufe zu einem Denkanstoß. Aber es kommt ja nicht allein und nicht in erster Linie auf die Außenwirkung an.






Claudia beschrieb ja bereits die große Ruhe inmitten des Demonstrationslärms. Ich kann das bestätigen – und möchte hinzufügen: Wenngleich man anerkennen muss, dass die Gegendemonstration zum Nazi-Aufmarsch – soweit ich es aus nächster Nähe mitbekommen habe – gemessen am Anlass als ausgesprochen friedlich bezeichnet werden darf und zum Teil sogar von einer recht fröhlichen Stimmung geprägt war, waren auf Plakaten und in Sprechchören zum Teil durchaus aggressive Parolen zu lesen und zu hören, und für die über einen Lautsprecherwagen verbreiteten Redebeiträge galt das nicht minder. Dazu haben wir einen klaren Kontrapunkt gesetzt. Inwiefern? Nun ja: Wenn man 53mal (bzw. eigentlich sogar 106mal, es waren ja zwei Rosenkränze) betet „...bitte für uns Sünder...“, dann wird zumindest einem selbst (wenn es schon sonst kaum einer mitkriegt) ziemlich deutlich, dass es nicht darum geht, dass die Anderen die Bösen sind. Sondern dass es um unsere Sünden geht – um das Potential zum Bösen, das in jedem von uns steckt.

Wird dann noch (was, wie z.B. Tante Wiki weiß, vielfach üblich ist, auch wenn es nicht zwingend zum Rosenkranz gehört) nach jedem Gesätz das Fatima-Gebet einschaltet –

„O mein Jesus,
verzeih uns unsere Sünden,
bewahre uns vor dem Feuer der Hölle,
führe alle Seelen in den Himmel,
besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen“ –

dann wird einem noch etwas Anderes klar. Diejenigen, die der Barmherzigkeit Jesu am meisten bedürfen, das könnten durchaus die Nazis auf der anderen Seite sein. Oder auch die mehr oder minder gewaltbereiten Extremisten in den eigenen Reihen, die man möglicherweise bei der nächsten anstehenden Demo (i.e., dem Marsch für das Leben) auf der Gegenseite wiedertreffen wird. Oder auch jemand ganz Anderes. Wer es tatsächlich ist, der der Barmherzigkeit Jesu am meisten bedarf, darüber urteilt das Gebet nicht; das weiß Jesus selbst am besten. Aber wer es auch sei, man betet auch und ganz besonders für diese Personen.

Und deshalb denke ich, es ist unter allen Umständen eine gute Idee, auf einer Demo den Rosenkranz zu beten. Was mich betrifft: jederzeit gerne wieder – und beim nächsten Mal gerne mit größerer Beteiligung...





Sonntag, 20. August 2017

Heul doch nicht, Pissgesicht

Ich bin nur ein Arbeiterkind - gleichzeitig aber auch Doktor der Philosophie, und das ist ein Problem. Also, die Kombination aus beidem ist ein Problem, nämlich eines, das einem einen bunten Strauß aus unterschiedlichen Akzeptanzschwierigkeiten beschert. Denn das Milieu, in dem man aufgewachsen ist, das wird man nicht los, was auch immer man später im Leben lernt; aber das, was man später im Leben lernt, das wird man auch nicht los, das kommt einfach zu dem Anderen dazu. (Weder das Eine noch das Andere will ich wirklich loswerden, aber das macht die Gesamtsituation nicht unbedingt einfacher.) 

Es gibt einen Song von Peter Fox, in dem Beispiele für Dinge aufgezählt werden, die ein anständiger Mensch nicht tun würde - die aber, da kein Mensch immer anständig ist, so ziemlich jedem mal passieren. Dazu gehört: "Einem Dummen zeigen, dass du schlauer bist". Und was immer man sonst von Peter Fox halten mag: Da hat er Recht. Das ist fies. Aber es unterläuft einem leicht, wenn man's kann. Und man kann das, wenn man aus einer Arbeiterfamilie kommt, aber einen Doktortitel in Philosophie hat. Das ist also, nur mal als Beispiel, etwas, wo ich immer sehr aufpassen muss, mich im Zaum zu halten. Es drohen einem aber auch noch ganz andere Fallen. 

Symbolbild, Quelle: Pixabay 
Ich habe mich zu dem, worauf ich hier eigentlich hinaus will, schon einmal geäußert, und zwar ironischerweise im Zusammenhang mit dem Projekt "Valerie und der Priester". Warum ironischerweise? Weil der konkrete Anlass, hier und jetzt darauf zurückzukommen, aus einer Debatte über das "V&P"-Nachfolgeprojekt "Gott im Abseits" hervorgegangen ist. Aber im Grunde ist der Anlass nebensächlich. Der wäre es normalerweise gar nicht wert, dass vernunftbegabte Menschen sich deswegen streiten. 

Worum also geht's eigentlich? Um erlerntes Kommunikationsverhalten. Im Allgemeinen neigt das Arbeiterkind dazu, wenn es Scheiße riecht, laut und deutlich zu sagen: "Hier reicht's nach Scheiße". Möglicherweise lernt das Arbeiterkind im Laufe seines Bildungswegs, dass es unter Umständen besser ankommt, diese Beobachtung in etwas zurückhaltendere Worte zu kleiden. Wenn die Scheiße es aber zu arg in die Nase sticht, wird es instinktiv zur alten Direktheit zurückkehren. Als Arbeiterkind findet man es völlig normal, jemandem, den man als einigermaßen gleichrangig betrachtet oder dafür hält, zu sagen: "Ich finde, das und das, was du gemacht hast, war totale Scheiße." (Das "Ich finde" wird da gegebenenfalls auch mal weggelassen.) Wenn der so Angesprochene darauf antwortet "Ich kann deine Scheiß-Fresse auch nicht leiden", ist das vielleicht keine ganz sachgemäße Reaktion, aber das Arbeiterkind kann damit umgehen. Nötigenfalls setzt es gegenseitig zwei, drei zünftige Schläge aufs Maul, und dann kann man sich bei einem großen Bier vom Fass seiner grundsätzlichen gegenseitigen Wertschätzung versichern (was den einen oder anderen "Deine Mudder"-Witz nicht ausschließt, unter Umständen sogar erfordert).  Man geht auseinander, und keiner hat an seiner Würde Schaden genommen. 

Was das Arbeiterkind hingegen überhaupt nicht beherrscht, ist subtile Bosheit. Auch hier gilt: Im Laufe seines Bildungswegs erlernt das Arbeiterkind unter Umständen durchaus, wie so etwas theoretisch geht. Es liegt ihm aber nicht. Was nicht bedeutet, dass es nicht in der Lage wäre, subtile Bosheit als solche zu erkennen. Es kann aber nicht adäquat darauf reagieren. Wie gesagt: Mit direkten Beleidigungen umzugehen, dafür gibt es in seiner Welt sozusagen ein kulturell eingeübtes Protokoll. Teilt man ihm aber eher durch die Blume mit "Du bist wertlos und hast überhaupt keine Meinung zu haben", ist das - sonst keinem verbalen oder zur Not auch körperlichen Schlagabtausch abgeneigte - Arbeiterkind unversehens entwaffnet, rennt nach Hause und kauert sich schluchzend in einen Winkel. 

So ging es mir vor ein paar Tagen. Nicht wortwörtlich so, aber es war schon nah dran. 

Nun, mit etwas Abstand, denke ich mir - sicher wissen kann ich es natürlich nicht -: Bei Leuten, die in einem anderen Milieu aufgewachsen sind, ist es womöglich genau umgekehrt. Da lernt man vielleicht von klein auf, in Form subtiler Bosheiten zu kommunizieren, und kann diese genauso souverän austeilen wie einstecken. Aber wenn in diesen Kreisen mal jemand "Arschloch!" sagt, sind alle schockiert und hüsteln in ihre Stoffservietten. 

Und das war es dann - aus meiner Sicht -, was im vorliegenden Fall zu dem führte, was eine persönlich unbeteiligte Freundin als "Fiasko aus Beschimpfungen, Entfreundungen und gegenseitige[m] Blockieren[]" beschrieben hat. Mit dem ursprünglichen Thema der Auseinandersetzung hatte das längst nichts mehr zu tun. Sondern nur noch mit der Frage, wer eigentlich wen zuerst beleidigt habe. Das bereits heulend in der Ecke liegende Arbeiterkind empfindet es schlicht und einfach als Mobbing, wenn nun noch unbeteiligte Dritte auf der Bildfläche erscheinen und Haltungsnoten verteilen. Wie früher meine Grundschulklassenlehrerin, nur dass die vermutlich auch noch meine Mutter angerufen hätte. 

Was können wir nun aus alledem lernen? Ehrlich gesagt warte ich diesbezüglich noch auf eine Erleuchtung, aber meine kluge Frau hat mir schon mal ein paar Fingerzeige gegeben. Sie meint, lernen könne man daraus zum Beispiel, dass und warum solche Kommunikationsfallen, die ja schon im "Real Life" nicht selten dräuen, durch die Mechanismen Sozialer Netzwerke noch erheblich verschärft werden. Weil man sich da nicht in die Augen sehen kann, vor allem aber, weil persönliche Auseinandersetzungen dort mehr oder weniger zwangsläufig vor den Augen Dritter ablaufen, die ihrerseits immer nur einen beschränkten Blickwinkel darauf haben, was eigentlich gerade abgeht. Das Hauptproblem ist womöglich aber, dass es - im Unterschied zum Prinzip "Kneipenschlägerei mit Versöhnungsbier" - keinen kulturell eingeübten Weg gibt, aus solchen Auseinandersetzungen ohne Gesichtsverlust wieder herauszukommen. Da müsste wohl mal jemand was erfinden. 

All dies in Rechnung gestellt, finde ich, dass das "Fiasko aus Entfreundungen und gegenseitigem Blockieren" im Endergebnis einen noch verhältnismäßig überschaubaren Umfang gehabt hat. Dafür bin ich meinen verbleibenden Freunden sehr dankbar. Und mit dem Heulen habe ich inzwischen auch wieder aufgehört. 


[Schlussanmerkung: Wer mit der Überschrift nichts anmerken kann, dem sei gesagt, dass das in meiner Grundschulzeit ein beliebter Spottgesang war, gern in betont leierndem Tonfall vorgetragen.] 



Mittwoch, 16. August 2017

In der Abseitsfalle

Schreck und graus: Die Deutsche Bischofskonferenz hat ein „Nachfolgeprojekt“ zu „Valerie und der Priester“ lanciert. So ähnlich, nur anders. Unter dem Namen „Gott im Abseits“. Und mit vertauschten Geschlechterrollen, das heißt: mit einem männlichen Journalisten und einer Ordensschwester (oder mehreren). Plötzlich finde ich es gar nicht mehr so schlimm, kein funktionierendes WLAN zu Hause zu haben.

(Ja, ich schreibe dies in einem... äh... Lokal. Gerngeschehen.)

Meine erste Reaktion auf die ungebeten über mich hereingebrochene Information bestand darin, mich mit einer Freundin und Bloggerkollegin über die Frage auszutauschen, ob man die Projektverantwortlichen bei der DBK nicht einfach in die Wüste schicken könnte, ehe sie noch mehr Unheil anrichten. Oder in ein Bergkloster in den Anden, zwecks ca. dreijähriger Schweigeexerzitien. 
„Wir wollen ihnen ja nichts Böses.“
„Ja, aber sie wollen uns etwas Böses! Auch wenn sie es nicht merken und denken, es wäre etwas Gutes. Das sind die Schlimmsten!“

Unerbittlich spülte mir Facebook einen Teaser-Text zur ersten Folge von „Gott im Abseits“ in die Timeline. „Ich finde die katholische Kirche schwierig“, bekennt da der „kirchenferne Journalist“, der die zweifelhafte Aufgabe übernommen hat, die neue Valerie zu werden, „weil sie an ihren althergebrachten Strukturen nicht rütteln will, Frauen systematisch draußen hält, sich von der Welt um sie herum immer mehr entfernt und weil sie nicht unsere Sprache spricht.“. Ächz bzw. gähn. In der FB-Gruppe „Ein ungenanntes Bistum“ wurde ich zudem über einen Artikel auf katholisch.de informiert, in dem der junge Mann – nennen wir ihn mal Valerio – zu Protokoll gibt: „Die katholische Kirche ist mehr als der Papst und die alten Kardinäle, die sich zu manchen gesellschaftlichen Themen äußern, als wären wir noch im 16. Jahrhundert.“ Ein befreundeter Priester kommentierte treffend: 
„Die gesamtgesellschaftliche Norm ist heute wohl der großstädtische Journalist anfang 20 mit geringer Kenntnis festen Vorurteilen, verschwurbelter Sprache und großem Selbstbewusstsein?“

Foto: Tim Green (Quelle hier

Nein, ich bin nicht „gespannt“, wie sich „das Projekt entwickelt“.
Nein, ich will nicht „abwarten, ob es vielleicht besser wird, als ich denke“.
Ich will auch nicht darüber diskutieren, ob auch „Valerie und der Priester“ vielleicht besser war, als ich meine. Ob es, über bloße „Reichweite“ hinaus, doch irgend etwas Sinnvolles „gebracht“ hat.


Ich will einfach nur, dass es aufhört.  


Montag, 14. August 2017

Spandau: Nazi-Demo wegbeten!

Die Katholische Kirche feiert heute den Gedenktag des Hl. Maximilian Kolbe, der vor 76 Jahren - nachdem er zwei Wochen lang im Hungerbunker überlebt hatte - im Lager Auschwitz durch eine Injektion getötet wurde. Der Ordenspriester, Missionar und Publizist war erstmals im Dezember 1939 und erneut im Februar 1941 von der Gestapo festgenommen worden und im Mai 1941 nach Auschwitz verlegt worden. Als mehrere Gefangene als Vergeltungsmaßnahme für die vermeintliche Flucht eines anderen Häftlings in den Hungerbunker gesperrt werden sollten, meldete Pater Kolbe sich freiwillig, um dem Familienvater Franciszek Gajowniczek dieses Schicksal zu ersparen. Gajowniczek erreichte ein Alter von 93 Jahren und starb 1995. 

Am kommenden Sonnabend, dem 19. August, ist der 30. Todestag des NS-Spitzenfunktionärs und verurteilten Kriegsverbrechers Rudolf Heß. Zu diesem Anlass ist in Berlin-Spandau eine Demonstration unter dem Motto "Mord verjährt nicht! Gebt die Akten frei - Recht statt Rache" angemeldet worden, die offenkundig - ebenso wie die "Rudolf-Heß-Gedenkmärsche", die von 1988 bis 2004 an seinem Begräbnisort Wunsiedel oder vereinzelt auch an anderen Orten stattfanden - darauf abzielt, Heß zum Märtyrer zu stilisieren. Angesichts des erwarteten Aufmarschs von bis zu 1.000 Neonazis hat ein Bündnis verschiedener Vereine, Parteien und zivilgesellschaftlichen Institutionen zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. Unter den Erstunterzeichnern des Aufrufs "Gemeinsam gegen Nazi-Heldengedenken" sind auch "Katholische Pfarrgemeinden in Spandau" aufgeführt.  

Rudolf Heß war seit 1920 Mitglied der NSDAP, die damals noch "Deutsche Arbeiterpartei" (DAP) hieß, war ein schwärmerischer Verehrer Adolf Hitlers und trug erheblich zur Ausgestaltung des "Führerkults" in der NS-Bewegung bei; ab 1933 trug er den Titel "Stellvertreter des Führers". Während das Ausmaß seines Einflusses innerhalb der sehr komplexen Hierarchie des NS-Systems unter Historikern umstritten ist, steht fest, dass Heß persönlich an der Ausarbeitung der Nürnberger Rassegesetze beteiligt war; noch während des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses 1946 bekannte er sich als überzeugter Nationalsozialist und glühender Anhänger Hitlers. 

Diese Fakten lassen wohl kaum einen Zweifel an der Gesinnung derjenigen zu, die zu Heß' 30. Todestag eine Gedenkveranstaltung für ihn ausrichten wollen. Das dürfte Grund genug sein, sich dem "Nazi-Heldengedenken" entschieden entgegenzustellen - auch und gerade aus einer christlichen Haltung heraus. 

Das Wrack der Messerschmidt Bf 110, mit der Rudolf Heß 1941 nach Schottland flog (Bild: gemeinfrei). 
Dennoch mag es - aus mehr als nur einem Blickwinkel - als nicht unproblematisch erscheinen, wenn katholische Pfarreien in der Unterzeichnerliste des besagten Aufrufs Seite an Seite etwa mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, dem vom Verfassungsschutz beobachteten Bündnis "Aufstehen gegen Rassimus", dem Berliner und Spandauer Bündnis gegen Rechts sowie den lokalen Verbänden von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke erscheinen. Für ein gewisses Unbehagen daran gibt es mehrere nachvollziehbare Gründe. Mit dem Slogan "gegen rechts" verbindet sich heutzutage Manches, was es Menschen, die sich in unterschiedlichem Maße als nicht unbedingt links definieren, schwer macht, sich damit zu identifizieren. Von seiner Entstehungsgeschichte her bedeutet der Begriff "rechts" im politischen Koordinatensystem zunächst einmal "konservativ" - wird aber heute zunehmend gleichbedeutend mit "rechtsextrem" verwendet, und diese begriffliche Unklarheit führt nicht selten dazu, dass tatsächlich kaum mehr zwischen klassisch konservativen und rechtsextremen Standpunkte unterschieden wird bzw. beides munter in einen Topf geworfen wird. Einen Topf, in dem sich zunehmend auch "christliche Fundamentalisten" und/oder "Ultrakatholiken" wiederfinden. Da mag es nahe liegen, zu sagen: "Was heißt hier 'gegen rechts'? 'Rechts' ist nicht gleich 'Nazi'!" -- Im vorliegenden Falle geht es nun aber tatsächlich um Nazis. Und nun? 

Freilich: Sich als gläubiger Katholik an der Gegendemo zum Heß-Gedenkmarsch zu beteiligen, hieße, gemeinsam mit den Leuten auf die Straße zu gehen, die einen für nicht viel besser als die Nazis halten, gegen die man Stellung bezieht. Ich kann verstehen, wenn man da Bedenken hat. Man steht einfach so oft auf unterschiedlichen Seiten der Barrikade - metaphorisch gesprochen, zuweilen aber auch ganz physisch, beispielsweise beim Marsch für das Leben, der auch schon wieder vor der Tür steht (nämlich vier Wochen nach der Heß-Demo). Manch ein konservativer Katholik mag da sagen: "Ich bin zwar mit dem Anliegen einverstanden, möchte es aber nicht verantworten, zusammen mit Ex-Kommunisten, Abtreibungsbefürwortern und Gender-Extremisten zu demonstrieren." Nun gut, letztlich ist das wohl eine Gewissensfrage - aber eins möchte ich dabei zu bedenken geben: Wenn wir so argumentieren, was sollen wir dann antworten, wenn wir gefragt werden, wie wir es verantworten können, beim Marsch für das Leben gemeinsam mit der AfD zu demonstrieren? 

Ich weiß - wir können sagen: "Die AfD nimmt als solche nicht am Marsch für das Leben teil, und wenn Mitglieder der Partei es tun, dann tun sie es als Privatpersonen. Es werden keine Partei-Logos und keine parteipolitischen Slogans geduldet, und die Partei ist auch nicht Mitveranstalter des Marsches. Deshalb ist das etwas Anderes." Diese Aussage ist sachlich korrekt, und ich habe auch selbst schon so argumentiert. Aber wäre es nicht noch besser, sagen zu können: "Das Anliegen ist mir wichtig genug, um es auch gemeinsam mit Personen oder Gruppen zu vertreten, mit denen ich in anderen Fragen ganz und gar nicht einverstanden bin"? Und sollte das dann nicht auch für eine klare Positionierung gegen die Glorifizierung von NS-Kriegsverbrechern gelten?

Aber es geht nicht nur um Äquidistanz, und es geht auch nicht nur darum, sich gegenüber Leuten, die einen gern in die "rechte Ecke" stellen möchten, keine Blöße zu geben. Noch weit mehr geht es darum, auch dann konsequent für das einzustehen, woran man glaubt, wenn es im Horizont des gängigen politischen Lagerdenkens widersprüchlich wirkt - und sich dabei vor Beifall von der falschen Seite ebensowenig zu fürchten wie vor Diffamierung.

Ich halte es übrigens für wahrscheinlich, dass es auch den Vertretern linker Gruppierungen seltsam erscheinen dürfte, gemeinsam mit den Leuten zu demonstrieren, die sie vier Wochen später vom Straßenrand aus obszön beschimpfen und mit Kondomen und Tampons bewerfen wollen. Sollen wir ihnen dieses Unbehagen ersparen? Ich denke nicht! Dass eine solche Irritation dazu beitragen könnte, festgefügte ideologische Voreingenommenheiten zu erschüttern, mag wenig wahrscheinlich sein; aber haben wir als Christen nicht die Pflicht, es wenigstens zu versuchen? Schließlich haben wir einen Missionsauftrag, und der erstreckt sich auch auf linke Aktivisten. Auch die brauchen Christus, wenn sie es auch vielleicht nicht wahrhaben wollen. Wie aber sollte man ihnen die Frohe Botschaft bringen, wenn man ihnen konsequent aus dem Weg ginge?

-- An dieser Stelle ein persönliches Wort. Ich laboriere ja an der schwer besiegbaren Vorstellung, dass radikale Christen und radikale Linke mehr gemeinsam haben, als (vermutlich) beide Seiten wahrhaben möchten. Um eine Formulierung zu benutzen, zu der mich jüngst eine Freundin und Mitkatholikin angeregt hat: In meinem inneren Spanischen Bürgerkrieg erschieße ich mich täglich gegenseitig. Umso mehr, seit ich Dorothy Day lese. In der von ihr mitbegründeten Zeitung The Catholic Worker schrieb sie im November 1949:
"Zweifellos sind wir mit der Kommunistischen Partei uneins, aber wir sind auch mit den anderen politischen Parteien uneins, die sich der Aufrechterhaltung des status quo verschrieben haben. Wir denken nicht, dass das gegenwärtige System es verdient, aufrecht erhalten zu werden. Wir und die Kommunisten haben die gemeinsame Idee, dass etwas Anderes notwendig ist, dass eine andere Vision von Gesellschaft verfochten und angestrebt werden muss. Zweifellos sind wir nicht und immer wieder nicht einverstanden mit den Mitteln, die sie wählen, um ihre Ziele zu erreichen, denn, wie wir vielfach wiederholt haben: Die Mittel werden schließlich selbst zum Zweck."
Zu Themen wie beispielsweise Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung hätten Christen und Linke einander zweifellos allerlei zu sagen. Ohne Frage haben sie sehr unterschiedliche Vorstellungen nicht nur davon, auf welchem Wege diese Ziele zu erreichen sind, sondern auch davon, was diese Begriffe überhaupt bedeuten. Und es ist wichtig, diese Gegensätze nicht herunterzuspielen oder zu verwischen. Aber um sich darüber zu verständigen, wo man miteinander uneins ist und warum, muss man erst mal überhaupt miteinander reden. Wenn die andere Seite dazu nicht bereit ist, sollten wir es umso mehr sein. Und was wäre dafür geeigneter als ein Anlass, bei dem man sich tatsächlich einig ist - einig in der Gegnerschaft gegen die Relativierung von Nazi-Verbrechen? --

Was ich mit alledem sagen will: Ich halte es für wichtig, dass nicht nur auf der Unterzeichnerliste des Aufrufs "Gemeinsam gegen Nazi-Heldengedenken" die katholischen Pfarreien Spandaus verzeichnet sind, sondern dass gläubige, entschiedene Katholiken bei der Gegendemonstration gegen den Nazi-Aufmarsch in signifikanter Anzahl auftauchen und auch als Gruppe sichtbar und identifizierbar sind, Damit die Botschaft ankommt, und zwar auf allen Seiten. Ich würde mir bei der Demo einen "katholischen Block" wünschen, idealerweise angeführt von Priestern in Soutane. Bringt Banner mit, betet den Rosenkranz. singt Hymnen - was auch immer, aber sorgt dafür, dass Ihr erkannt werdet! Wenn die Linken dann ein Problem damit haben, mit Euch zusammen zu demonstrieren, ist das deren Problem.

Ich selbst habe jedenfalls fest vor, hinzugehen.

Samstag, 12. August 2017

Nennen wir's doch die "Willehad-Option"!

Nachdem die Diskussion über meinen vorigen Artikel ziemlich stark von der eigentlich eher "anekdotischen" Bezugnahme auf "Minervas Hexenhof" dominiert worden ist - dazu vielleicht irgendwann noch mal ein Nachtrag -, möchte ich die Aufmerksamkeit meiner Leser nun aber mal darauf lenken, dass ich mir mit der Bemerkung 
"[G]etan werden muss etwas - nicht nur für die Urlauber, sondern erst recht für die Einheimischen. Sonst wird es in zehn, fünfzehn oder spätestens zwanzig Jahren in Butjadingen keine Katholische Kirche mehr geben
gegen Ende des besagten Artikels durchaus absichtsvoll eine Vorlage zugespielt habe -- denn ich müsste wohl nicht der Tobi sein, wenn ich mir zum Was und Wie dieses Handlungsbedarfs nicht schon so meine Gedanken gemacht hätte. Nicht nur, weil ich emotional einfach sehr an diesem Fleckchen Erde (und der dortigen Kirche) hänge. Sondern auch, weil sich im Mikrokosmos des Gemeindegebiets von St. Willehad das mähliche Abnippeln der alten Volkskirche besonders deutlich beobachten lässt - weshalb sich, so meine ich zumindest, ebendieser Mikrokosmos auch für die Entwicklung von Pilotprojekten eignet, die einen Ausweg aus der gegenwärtigen Krise aufzeigen könnten. 

Standbild des Pfarrpatrons vor der katholischen KiTa in Nordenham. 
Schon vor ein paar Monaten hatte ich hier über den geplanten Verkauf eines der Pfarrei gehörenden Hauses im Nordseebadeort Tossens berichtet und dabei mein Bedauern geäußert, dass die Pfarrei das Haus nicht, statt es zu verkaufen, für ein irgendwie "punkpastorales" Projekt zur Verfügung stellt. Wobei ich das nicht unbedingt als Kritik an den Entscheidungsträgern in der Pfarrei meinte - denn dass die von allein auf so eine Idee hätten kommen sollen, wäre schlicht nicht zu erwarten gewesen, und woher hätten sie die Leute für so ein Projekt auch nehmen sollen? 

Überrascht war ich allerdings, als mein Artikel über das Haus in Tossens Reaktionen hervorrief wie "Warum kauft ihr das Ding nicht einfach?". Was gar so einfach freilich nicht ist - und das meine ich nicht in erster Linie finanziell. Das Geld würde man schon irgendwie auftreiben (dazu später mehr). Gravierender ist, dass es für meine Liebste und mich derzeit nicht in Frage kommt, nach Butjadingen zu ziehen. In sechs bis zehn Jahren könnte das eine interessante Option werden, aber zum gegebenen Zeitpunkt definitiv nicht, aus einer Reihe privater und beruflicher Gründe. (Hinzu kommt, dass ich in der Pfarrei St. Willehad, und nicht zuletzt auch in den Gremien der Pfarrei, umstritten bin. Was ebenfalls ein Grund dafür sein dürfte, dass bei einem Projekt, das letztlich auf die Kooperation oder zumindest Koexistenz mit der Ortspfarrei angewiesen wäre, nicht ausgerechnet ich in der ersten Reihe stehen sollte.) Dennoch sagten wir uns: Sich ein Konzept dafür zu überlegen, was man in einem Haus wie diesem veranstalten könnte, kann ja nicht schaden. Haben wir ein Konzept, findet sich vielleicht auch jemand, der's macht - zumindest ist die Wahrscheinlichkeit dafür größer, als wenn man kein Konzept hat. Und wenn es jetzt und mit diesem Haus nicht klappen sollte, wird es sicherlich in Zukunft noch Gelegenheiten geben, bei denen man so ein Konzept - mit gewissen Anpassungen - noch gebrauchen kann. 

Das war Ende Mai, und inzwischen hat sich ein bisschen was getan - nicht zuletzt auch dadurch, dass meine Liebste und ich kürzlich persönlich vor Ort waren und uns ein bisschen umgesehen haben. An dieser Stelle erhebt sich natürlich die Frage, wie tief ich mir eigentlich in die Karten schauen lassen will bzw. sollte. Aber ich sag mal so: Mitstreiter bräuchte ein solches Projekt ohnehin - in erster Linie jemanden, der bereit wäre, das Haus tatsächlich zu bewohnen, idealerweise eine Familie; aber auch noch weitere Unterstützer -, und da scheint es ja nicht ganz abwegig, dass man diese unter den Lesern meines Blogs finden könnte. Allzu sehr ins Detail gehen werde ich hier nicht (interessierte Leser dürfen gern persönlich bei mir nachfragen), aber ein paar Eckdaten dazu, was uns so vorschwebt, möchte ich doch schon mal vorstellen. 

Ich darf vorstellen: DasHaus! 

Zunächst ganz grundsätzlich: Worum es bei dem ganzen Projekt gehen soll, wäre eine Kombination aus "alternativem Wohnprojekt", Gästehaus und Exerzitienzentrum, entschieden katholisch ausgerichtet und gleichzeitig mit einem nicht geringen "Punk-Faktor". Wie schon gesagt, könnte man sich ein solches Konzept sicherlich auch an anderen Orten vorstellen; ich habe aber mal zusammengetragen, was konkret für genau dieses Haus spricht. Das lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen: 
  • Die Größe. Man könnte unschwer 8-10 Personen in dem Haus unterbringen, unter etwas "asketischen" Bedingungen, wie etwa in einer Pilgerherberge im Stil von Grañón, wahrscheinlich noch mehr. Das Obergeschoss ist bereits für die Nutzung als Gästehaus "vor-optimiert": Es gibt drei kleine und ein etwas größeres Gästezimmer, eine Wohnküche und zwei Badezimmer. Das Erdgeschoss wäre eher als "Familienwohnung" geeignet, wobei das Wohnzimmer gleichzeitig auch als Gemeinschaftsraum zu nutzen wäre - dazu später mehr. 
  • Die Lage. Etwa auf halbem Wege zwischen dem Strand und dem eigentlichen Dorf Tossens gelegen, ist das Haus gewissermaßen abgeschieden und zentral zugleich und bietet somit die perfekte Balance zwischen Zurückgezogenheit und Erreichbarkeit, letztere gleichermaßen für Einheimische wie für Urlauber. Obendrein befindet sich direkt nebenan das "Kommunikationszentrum OASE" der katholischen Pfarrei, das auch einen geweihten Sakralraum beherbergt. 
Soweit, so schön. Nun mal angenommen, man hätte das Haus und hätte auch Leute, die bereit sind, es zu bewohnen. Was wäre dann zu tun? Meine Liebste bringt es wie folgt auf den Punkt: 
"Erst mal müsste man in Haus und Garten eine ganze Menge in Ordnung bringen, Kontakt zu den Einheimischen aufbauen und pflegen, eventuell eine Foodsharing-Initiative starten - und ansonsten für das Projekt beten. Und damit wäre dann auch schon ein Jahr rum." 
Tatsächlich bieten die genannten Punkte aber bereits ein ganz beachtliches Potential an Synergieeffekten. Die notwendigen Instandsetzungsarbeiten in Haus und Garten - die Fenster im Erdgeschoss müssen erneuert werden, einige Räume haben grässliche Teppichböden, die nicht nur aus ästhetischen, sondern auch aus hygienischen Gründen hochproblematisch sind; im Garten müsste der Baum- und Strauchbestand gründlich ausgelichtet werden, der Carport (oder sagen wir lieber Schuppen) sieht akut einsturzgefährdet aus, und dann gibt es da noch einen schlammigen Tümpel... -, könnte man teilweise in Form von Exerzitien gestalten. Hat doch was sehr Benediktinisches. Ob der besagte Tümpel noch zu retten (und zu einem schönen Fischteich umzugestalten) ist, mag fraglich sein, aber es wäre so schön symbolisch... 





Sodann könnte man sich über das Foodsharing-Netzwerk zum Regionalbeauftragten für die Wesermarsch ernennen lassen (da gibt es nämlich noch keinen), regelmäßig den Nordenhamer Wochenmarkt und evtl. auch noch einige Bäckereien und sonstige Lebensmittelläden abgrasen und in großem Stil Marmelade und Gemüsesuppe einkochen - und dann im Sinne benediktinischer Gastfreundschaft jeden zufällig vorbeikommenden Besucher mit einem Marmeladenbrot u./o. einem Teller Suppe begrüßen... A propos benediktinische Gastfreundschaft: Zur "Hausordnung" sollte es auch gehören, immer mindestens einen Schlafplatz für unangekündigte Gäste freizuhalten. Platz ist ja genug. 

Als Kontaktangebot für Einheimische böte sich eine Teestunde an, die man unkompliziert durch Aushänge im Supermarkt und beim Bäcker bewerben könnte. Idealerweise sollte sie täglich stattfinden - wenn keiner kommt, trinken die Hausbewohner den Tee eben alleine. - Das Wohnzimmer im Erdgeschoss böte sich dafür an; es grenzt an eine Terrasse, zu der von der Einfahrt ein gepflasterter Fußweg führt, allerdings müssten sowohl die Terrasse als auch dieser Weg erst mal wieder hübsch hergerichtet werden, dann könnte man die Terrassentür als Besuchereingang nutzen. 

Verbindet man die Teestunde mit dem Stundengebet (Terz oder Non, je nachdem, ob vormittags oder nachmittags), hat man gleich eine Querverbindung zum Punkt "für das Projekt beten" hergestellt. Aber auch davon abgesehen wäre die Pflege des Stundengebets ein wichtiger Punkt der "Hausordnung". Wenn es gut läuft, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass die Pfarrei sich mittelfristig bereit findet, einmal in der Woche (oder so) den Sakralraum der "OASE" für Vesper oder Komplet zur Verfügung zu stellen. In diese Richtung mal weitergedacht: Wenn man im Haus einen Priester zu Gast hat, könnte man mit der Pfarrei vermutlich auch darüber reden, diesen in der "OASE" mal eine Messe für die Bewohner und Gäste des Hauses zelebrieren zu lassen - die dann aber natürlich auch allen anderen Interessierten offen stehen sollte. 

Soweit erst mal ein paar konzeptionelle Schlaglichter. Wie schon angedeutet, ist der Punkt, an dem das Konzept derzeit am meisten hakt, derjenige, dass irgendjemand dauerhaft in dem Haus wohnen (und dadurch dann auch der primäre Ansprechpartner für Nachbarn und Gäste sein) wollen muss. -- Und was ist nun mit dem Geld? Nun ja: Tatsächlich kenne ich niemanden, der eine Summe, die sowohl den Kaufpreis für das Haus (samt Grunderwerbsnebenkosten) als auch die nötigsten Investitionen für Instandsetzung und -haltung und die Betriebskosten für das erste Jahr abdecken würde, einfach so bei sich rumliegen hat. Trotzdem bin ich der Meinung: Wären wir erst mal so weit, dass nur noch das Geld fehlt, dann würde das Geld schon irgendwo her kommen. Hierzu etwas aus der Rubrik "Von Dorothy Day lernen heißt siegen lernen"
"Im Frühjahr 1937 expandierte [die Catholic Worker Farm], indem eine weitere Farm mit einem kleinen Haus und zwei Scheunen am Fuß des Hügels, zu der eine steile, steinige Straße von einer Viertelmeile Länge führte, zuerst gemietet und dann gekauft wurde. Es gelang ihnen, diese untere Farm für 4.000 Dollar zu erwerben - wie Dorothy behauptete, durch das Beten der sogenannten "Gib-mir-Novene", besser bekannt als Rosenkranznovene. Drei Novenen lang (also dreimal neun Tage) bat man um etwas, das man brauchte, und dann, ob die Bitte erhört worden war oder nicht, begann man drei weitere Novenen in Dankbarkeit. Wenn das nicht wirkte, wiederholte man den gesamten Zyklus, und ehe man damit fertig war, hatte man das erhalten, wofür man gebetet hatte. 'Das ist die Art von Geschichten', schrieb Dorothy, 'die die Leute auf die Palme bringt, die uns abergläubisch nennen.'"
(aus: Kate Hennessy: "Dorothy Day - The World will be saved by Beauty", Simon & Schuster 2017, S. 106.) 
Meine Liebste hat bereits damit angefangen. Gebete für eine spezielle Novene zusammenzustellen... 



P.S.: Es soll nicht verschwiegen werden, dass ganz in der Nähe ein abschreckendes Beispiel in Sachen Hausprojekt zu bewundern ist - die ehemalige Christkönig-Kirche in Stollhamm, die 2014 profaniert und 2015 mitsamt zwei Nebengebäuden an Privatleute verkauft wurde. Die Käufer beabsichtigten, den denkmalgeschützten Kirchenraum unter dem Namen "K3" ("Kleine Kultur Kapelle") als Veranstaltungsort zu nutzen und durch Ferienwohnungen in den Nebengebäuden querzufinanzieren. Im Herbst 2016 gab es dann auch eine Eröffnungsveranstaltung im K3, aber seitdem scheint das Projekt irgendwie in halbfertigem Zustand steckengeblieben zu sein. Darüber wird es evtl. noch mehr zu sagen geben - wenn ich mit dem Eigentümer Kontakt aufgenommen haben werde...