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Dies ist leider nicht der Schaukasten der katholischen Kirche St. Willehad -- sondern derjenige der baptistischen Zoar-Kapelle, an der wir auf dem Weg nach St. Willehad vorbeikamen. |
Ich hatte spekuliert, der Umstand, dass das Herz-Jesu-Fest in Nordenham besonders gefeiert wird, habe womöglich auch damit zu tun, dass es das Titularfest
der inzwischen profanierten Kirche im Ortsteil Einswarden gewesen war; nicht im Blick gehabt hatte ich dabei, dass in St. Willehad auch allmonatlich eine Messe zum Herz-Jesu-Freitag (dem ersten Freitag des jeweiligen Monats) gefeiert wird. Insgesamt geht man wohl nicht fehl, wenn man annimmt, dass die Herz-Jesu-Verehrung ein Refugium des eher "konservativ"-frommen bzw. traditionsorientierten Teils der Gemeinde darstellt; davon, wie dieser Gemeindeteil personell aufgestellt ist, vermittelte die Messe zum Herz-Jesu-Fest allerdings kein sehr ermutigendes Bild: Außer den Mitwirkenden (Pfarrer, Küsterin und eine Musikerin, die originellerweise nicht
Orgel, sondern
Geige spielte) und uns nahmen ungefähr fünf überwiegend sehr betagte Personen an der Messfeier teil.
Überrascht war ich, als vor Beginn der Messe die Küsterin auf mich zukam und mich fragte, ob ich den Vortrag der 1. Lesung (Hosea 11,1-9) und der Fürbitten übernehmen möge. Machte ich natürlich gern. Ob die Küsterin mich erkannt hatte oder bloß dachte "Junge Familie, die an einem Werktag in die Messe kommt, das werden schon Leute sein, denen man so eine Aufgabe anvertrauen kann", sei mal dahingestellt.
Zum ersten Mal stutzen musste ich, als der Pfarrer nach dem Kyrie direkt zum Tagesgebet überging. Nanu, dachte ich: kein Gloria? Dabei ist doch Hochfest! Ich ahnte schon fast, dass es folgerichtig auch kein Credo geben würde, trotzdem wartete ich nach der (im Guten wie im Bösen nicht besonders bemerkenswerten) Predigt erst einmal ab, ehe ich zu den Fürbitten ans Ambo trat. Genauer gesagt wartete ich so lange, bis die Geigerin in der Bank hinter mir sich vernehmlich räusperte. -- Davon abgesehen, und vor allem verglichen damit, was ich bei anderen Gelegenheiten an diesem Ort (und durchaus auch woanders, z.B. in Stuttgart) schon so alles erlebt habe, hielten sich die liturgischen Fouls einigermaßen in Grenzen -- wobei ich mich in solchen Fällen immer frage, warum man sich diese Verstöße gegen die liturgische Ordnung dann nicht auch noch hat sparen können; aber der innere Drang, die Messe keinesfalls genau so zu zelebrieren, wie sie im Messbuch steht, scheint bei einigen Priestern schier unbesiegbar zu sein, und die Gemeinde weiß es oftmals schlicht nicht besser. Welchen Sinn soll es beispielsweise haben, den Antwortpsalm (Jesaja 12,2-6) und die zweite Lesung (Epheser 3,8-19) wegzulassen, nur um dann nach der Kommunion einen anderen Psalm (in diesem Fall Psalm 42) zu rezitieren? Nichts gegen Psalm 42, er ist wunderschön, aber was soll sowas? Und sollte es nicht einigermaßen einleuchtend sein, dass die erste Strophe von "Großer Gott, wir loben dich" zwar an und für sich gut und schön ist, aber trotzdem nicht dafür geeignet ist, anstelle des Sanctus gesungen zu werden? -- Meine Liebste ist der Meinung, mangelnder Sinn für Liturgie oder mangelnder Respekt gegenüber liturgischen Vorschriften seien Anzeichen für ein fundamentales Nichtverstehen oder Nicht-Akzeptieren-Wollen der göttlichen Ordnung der Dinge, die sich in der Liturgie widerspiegelt; und ich bin geneigt, ihr Recht zu geben. In besonderem Maße gilt das für die noch auf Pfarrer Bögershausen zurückgehende Unsitte, dass der zelebrierende Priester selbst erst am Ende der Kommunionausteilung kommuniziert. Im direkten Vergleich eher eine Kleinigkeit, aber dennoch auf ähnliche Weise bezeichnend ist der häufig zu beobachtende "kreative" Umgang mit den Interzessionen im Eucharistischen Hochgebet, namentlich mit der Formulierung "alle, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind": Unser Gemeindepfarrer in Berlin sagt an dieser Stelle gern "alle Frauen und Männer, die sich in der Kirche engagieren", was ja schon mal nicht zwingend dasselbe ist wie zum Dienst bestellt zu sein; aber der Pfarrer von St. Willehad legt in Sachen Inklusivität noch eine Schippe drauf, indem er sagt "alle, die sich in der Kirche oder im Sinne des Evangeliums in der Welt engagieren". Grönch.
Aber konzentrieren wir uns mal aufs Positive: Nicht nur war es schön, an diesem Hochfest überhaupt eine Heilige Messe mitfeiern zu dürfen (und zwar dank niedriger Corona-Inzidenz sogar mit Gemeindegesang und mit der Erlaubnis, am Platz die Maske anzunehmen); zum Abschluss wurde sogar das Allerheiligste ausgesetzt, die Herz-Jesu-Litanei aus dem Gotteslob (Nr. 564) gebetet, das Tantum ergo gesungen (leider in der deutschen Nachdichtung von Friedrich Dörr, die ich ein bisschen kitschig finde) und ganz zum Schluss der Eucharistische Segen gespendet. Sehr schön! Entzückt war ich, dass meine dreieinhalbjährige Tochter sich während zur Wandlung und während der Aussetzung hinkniete, und zwar aus eigenem Entschluss; dass sie auch vor dem Verlassen der Kirche eine Kniebeuge vor dem Altar machte, trug uns ein huldvolles Lächeln seitens der Küsterin ein.
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Auf das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu folgte der Gedenktag des Unbefleckten Herzens Mariens; zu diesem Anlass hatte ich, wie berichtet, eine Andacht vorbereitet, war mir bis zum Samstagmittag jedoch nicht so recht darüber im Klaren, was wir nun mit dieser Andacht machen sollten. Und dann saßen wir, wie einige Tage zuvor, wieder bei einem Mittagspicknick - diesmal nicht im Garten der Kirche, wo bereits Bänke aufgebaut worden waren, um die Vorabendmesse unter freiem Himmel feiern zu können, sondern im angrenzenden "Bürger-Obstgarten" -, und als wir unsere Snacks verspeist hatten und beide Kinder friedlich Mittagsschlaf hielten, fragte ich meine Liebste:
"Wie machen wir's jetzt eigentlich mit unserer Guerilla-Andacht?"
"Also, von mir aus können wir", entgegnete meine Liebste schlicht.
"Jetzt gleich?" (Es war ungefähr 15 Uhr.)
"Ja, ist wohl besser. Das vermindert das Risiko, dass wir den Vorbereitungen für die Abendmesse in die Quere kommen."
Also gingen wir in die Kirche, stöpselten unsere mobile Lautsprecherbox ein und begannen unsere Andacht, zu der meine Liebste an den dafür vorgesehenen Stellen sehr schöne freie Gebete beisteuerte (sie ist einfach die größere Charismatikerin von uns beiden). Alles in allem dauerte die Andacht wohl etwa eine Dreiviertelstunde, und positiv ausgedrückt störte uns niemand dabei -- oder umgekehrt, wir störten niemanden damit. Erst während des letzten Liedes ("Zehntausend Gründe" -- zum Abschluss muss man immer einen Kracher bringen, das habe ich in meiner Zeit als DJ gelernt) kam eine Frau mittleren Alters herein, die vor der Marienfigur eine Kerze anzünden wollte. Falls sie sich über die Musik wunderte, ließ sie sich jedenfalls nichts anmerken. Nahezu unmittelbar nach dem Ende unserer Andacht kam der Küster herein und teilte uns mit, die Vorabendmesse werde draußen stattfinden - was wir allerdings schon gewusst hatten.
Die Open-Air-Messfeier war durchaus gut besucht; dennoch senkten wir, ebenso wie tags zuvor in St. Willehad, den Altersdurchschnitt durch unsere Anwesenheit ganz erheblich, und zwar selbst dann, wenn man unsere Kinder nicht mitrechnete. Neben dem Diakon und dem Ministranten und Lektor waren wir eindeutig die einzigen Unter-50-Jährigen unter den Anwesenden, und die beiweitem meisten Mitfeiernden waren wohl jenseits der 70. Angesichts dieser Altersstruktur war es wohl einigermaßen folgerichtig, dass auf dem Liederzettel, der vor Beginn der Messe ausgeteilt wurde, ausschließlich Stücke des
NGL-Genres vertreten waren. Das einzige
nicht dieser Stilrichtung zugehörige Lied, das in dieser Messe gesungen wurde -
"Maria, breit' den Mantel aus" - stand
nicht auf dem Zettel und wurde als bekannt vorausgesetzt. Begleitet wurde der Gemeindegesang übrigens auf dem
Akkordeon - von einer Frau, die schon in meiner Kindheit sehr aktiv in der Kirchengemeinde war und ihre Aktivität seither sukzessive ausgeweitet hat -- wie man
diesem Presseartikel entnehmen kann, den ich mal gänzlich unkommentiert für sich selbst sprechen lassen will. Meine musikalische Schmerzgrenze wurde überschritten durch ein Lied, das
ebenfalls nicht auf dem Zettel stand, weil es wohl als bekannt vorausgesetzt wurde; ein Lied, das ich schon als Kind innig verabscheut habe:
"Lasst uns miteinander". Das wurde zum
Gloria gesungen, und zu meinem Leidwesen kann man nicht einmal behaupten, dass es
völlig unpassend gewesen wäre, denn es ließe sich durchaus argumentieren, dass der Text des Liedes auf einer Passage aus dem Gloria basiere (
"Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir rühmen dich und danken dir, denn groß ist deine Herrlichkeit"). Trotzem: grässlich!
Des Gedenktags des Unbefleckten Herzens Mariens wurde an ein paar Stellen der Messe durchaus gedacht - dazu gehörte das bereits erwähnte Marienlied sowie der Umstand, dass nach der Kommunion der
Engel des Herrn gebetet wurde; im Großen und Ganzen wurde sie aber als
Vorabendmesse zum 11. Sonntag im Jahreskreis gefeiert. Das Evangelium vom Tag war somit
Markus 4,26-34 - das Gleichnis vom Wachsen der Saat und das Gleichnis vom Senfkorn -, und man kann von Glück sagen, dass niemand auf die Idee gekommen war, dies zum Anlass zu nehmen,
"Kleines Senfkorn Hoffnung" auf den Liederzettel zu setzen. Na ja, vielleicht auch nicht: Das hätte wenigstens gezeigt, dass die in dieser Gemeinde für die "Liturgie" Verantwortlichen sich
irgend etwas bei der Liedauswahl denken.
Und dann kam die größte Überraschung dieser Messe, nämlich die Predigt. Von der war ich wider Erwarten beeindruckt -- ja, es wäre tatsächlich eine Untertreibung, hier ein schwächeres Wort als "beeindruckt" zu verwenden. Das lag nicht an ihrer rhetorischen Qualität; unter diesem Aspekt musste man die Predigt vielmehr als teilweise zerfahren und unausgegoren bezeichnen, was für Pfarrer Jasbinschek leider nicht untypisch ist. Aber wenn man diese Mängel wegdenkt, dann war das, was übrig blieb, tatsächlich die stärkste Predigt, die ich seit einer ganzen Weile gehört hatte. Weichen und Zunder, kann man da nur sagen!
Aufhorchen ließ zunächst, dass Pfarrer Jasbinschek
Kardinal Marx' Amtsverzichts-Angebot kritisierte; nun gut,
"kritisierte" ist vielleicht etwas zu viel gesagt, er drückte sich sehr zurückhaltend und etwas vage aus, aber wenn man seine Äußerungen ein bisschen zuspitzte, konnte man den Vorwurf heraushören, die Rücktrittsabsicht des Erzbischofs von München und Freising verrate ein defizitäres Amtsverständnis und ein fehlerhaftes Verständnis von Verantwortung. Im Gesamtkontext der Predigt blieb das allerdings eher eine Randbemerkung. Im Kern ging es in Pfarrer Jasbinscheks Auslegung des Gleichnisses vom Wachsen der Saat - so wie ich sie verstand, jedenfalls - darum, dass man, wenn man für das Reich Gottes wirken wolle, nicht auf schnelle Erfolge aus sein dürfe, oder andersherum ausgedrückt: dass man sich vom Ausbleiben unmittelbar augenfälliger Erfolge nicht entmutigen lassen solle. Und das ist ja ein ausgesprochen
#BenOp-relevantes Thema. Der Pfarrer illustrierte dies mit einer
angeblich wahren Geschichte über einen französischen Bauern, der in einer durch Bodenerosion verödeten Gegend in den Cevennen im Alleingang Hunderttausende Bäume pflanzte; diese Geschichte fand ich so großartig, dass ich wohl bei anderer Gelegenheit noch einmal darauf werde zurückkommen müssen. Abschließend sagte der Pfarrer noch: "Ich glaube, dass wir die Kirche nicht durch
Pläne voranbringen, sondern in erster Linie durch das
Gebet." Wow!
Im Anschluss an die Messe kamen wir noch kurz mit einigen Gemeindemitgliedern ins Gespräch, die sich gebührend entzückt von unseren Kindern zeigten und ansonsten (abgesehen von der oben erwähnten Frau mit dem Akkordeon, die mich noch von früher her kennt) wohl einfach neugierig waren, was uns wohl in "ihren" Gottesdienst verschlagen hatte. Die "Takeaways" aus diesem Gespräch lauteten im Wesentlichen: Die katholische Kirche gelte ja im Allgemeinen als hoffnungslos rückständig, aber so ganz langsam und allmählich bewege sie sich ja doch, und gerade diese Gemeinde sei "sehr fortschrittlich"; zudem sei hier die Gemeinschaft sehr gut. Dies unterstreichend, verriet eine grauhaarige Dame, sie sei "eigentlich evangelisch", habe aber Anschluss an die katholische Gemeinde gesucht und gefunden, da es in der evangelischen Kirche - aus pandemischen Gründen, versteht sich - schon seit Monaten keine Gottesdienste mehr gegeben habe. Auf Nachfrage präzisierte sie, Andachten gebe es in der örtlichen evangelischen Kirche durchaus, "aber man will ja auch mal zur Kommunion gehen" (sie sagte tatsächlich "Kommunion" und nicht "Abendmahl", das fand ich auffällig). Wir sagten zu alledem nicht viel.
Kommentarwürdig finde ich aber doch, wie sich die Gemeinde von Herz Mariä Burhave verändert hat im Vergleich zu der Zeit, als ich noch dort gewohnt habe. Ich erinnere mich gut, dass ich vor rund 30 Jahren mal - mit dem begrenzen analytischen Instrumentarium, das mir als Teenager eben zu Gebote stand - den Versuch einer kritischen Darstellung der verschiedenen Fraktionen innerhalb der Pfarrgemeinde in mein Tagebuch gekritzelt habe; ich hoffe, ich finde dieses Tagebuch irgendwann mal wieder. Jedenfalls wurde das Erscheinungsbild der Gemeinde damals einerseits stark durch eine Anzahl betagter Schlesierinnen mit einem sehr traditionsorientierten Frömmigkeitsstil bestimmt, andererseits gab es auch damals schon eine eher NGL- und Batikhalstuch-orientierte Fraktion, deren Mitglieder ebenfalls überwiegend weiblich, aber im Durchschnitt etwa eine Generation jünger waren als die schlesischen Witwen und sich im Vergleich zu diesen durchaus mit einigem Recht als der "fortschrittlichere" Teil der Gemeinde empfinden durften. Dass sie sich 30 Jahre später immer noch so sehen, ist nicht unbedingt verwunderlich (ich erwähne es immer wieder gern: Auch im ZK der SED haben die alten Herren bis zuletzt voller Überzeugung gesungen "Wir sind die junge Garde des Proletariats"); und ebenso wenig muss man sich wundern, dass sie mangels solider Katechese bis heute nicht richtig mitbekommen haben, dass die esoterisch und universalistische angehauchte Spiritualität, die sie aus ihren bevorzugten NGL-Songtexten herausgehört oder -gelesen haben, nicht so ganz mit der Glaubenslehre der katholischen Kirche deckungsgleich ist. Anders als vor 30 Jahren haben sie heute allerdings niemanden mehr, gegen den sie opponieren könnten oder müssten: Zum einen, weil sie sich - wofür die Frau mit dem Akkordeon das Paradebeispiel ist - längst selbst an die Schlüsselstellen der Gemeinde gesetzt haben, und zum anderen, weil es außer ihnen schlichtweg niemanden mehr gibt. Die schlesischen Kriegswitwen sind längst ausgestorben, und ihre Enkel - so wie ich - sind weggezogen. Umgekehrt hat die Fraktion der "Boomer Catholics" - wie ich aus dem Umstand schließe, dass ich einen großen Teil der Gottesdienstteilnehmer bei dieser Vorabendmesse nicht kannte - Zuwachs durch Zugezogene erhalten, aber eben nur von Leuten, die im Wesentlichen so sind wie sie selber. Sicherlich trägt das dazu bei, dass sie die Gemeinschaft in dieser Kirchengemeinde so toll finden. Aber dass die Gemeinde mit einer solchen Mitgliederstruktur nicht besonders viel Zukunft hat, müsste eigentlich offensichtlich sein.
Was also müsste sich ändern, damit die Kirche an diesem Ort die kommenden Jahrzehnte überlebt? -- Es mag ein naheliegender Gedanke sein, auf dieselbe oder ähnliche Weise, wie die liberalen "Boomer"-Katholiken im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in dieser und vielen anderen Gemeinden das Ruder übernommen haben, müsste es einer Handvoll engagierter und glaubensfester junger Leute möglich sein, das Ruder der Gemeinde wieder in eine andere Richtung zu drehen. Man könnte sogar der Meinung sein, das sei im Wesentlichen das, was meine Liebste und ich in unserer Berliner Pfarrei zu tun versuchen. Aber ich sehe das nicht ganz so, und das nicht nur, weil in unserer Gemeinde (im "Pastoralen Raum" insgesamt sieht das schon wieder anders aus) die engagierten Laien tendenziell eher weniger liberal sind als die Hauptamtlichen. Mein wesentlicher Einwand lautet vielmehr: Wenn man Gemeindeerneuerung als Machtkampf betrachtet und betreibt, dann liegt da kein Segen drauf. Dass die hypothetische "Handvoll engagierter und glaubensfester junger Leute" eine Menge dafür tun kann, dem kirchlichen Leben in einer Pfarrei oder Ortsgemeinde eine neue Richtung zu geben, ist sicherlich richtig und auch gut so; aber dabei darf nicht es nicht darum gehen, Schlüsselpositionen in der Gemeinde zu besetzen, um eigene Vorstellungen durchzudrücken und andere Interessengruppen innerhalb der Gemeinde an den Rand zu drängen. Das Ziel muss vielmehr sein, in erster Linie dem Wirken des Geistes Gottes in der Gemeinde Raum zu geben. Dafür ist es wesentlich, dem Gebet und dem Hören auf Gottes Wort Priorität einzuräumen. Und schließlich sollte uns gerade das oben angesprochene Gleichnis vom Wachsen der Saat daran erinnern, dass wir mit allem, was wir tun, letztlich nur Samen ausstreuen können; und dann müssen wir es Gott überlassen, was Er daraus wachsen lässt.
Abschließend noch eine Bemerkung, die ich mir schlechterdings nicht verkneifen kann: Irgendwie finde ich es ja lustig, dass die - ihrer Selbstwahrnehmung zufolge - "fortschrittlichen" Boomer-Katholiken, wenn sie auf jüngere Gottesdienstbesucher treffen, meist quasi automatisch annehmen, diese müssten gerade aufgrund ihres Alters in "kirchenpolitischer" Hinsicht ganz auf ihrer Linie oder allenfalls noch "liberaler" als sie selbst sein. Diese irrige Annahme ist ihrer Auffassung von "Fortschritt" zwar in gewissem Sinne inhärent, aber genau das macht die Sache aus meiner Sicht nur umso lustiger. Unter diesem Aspekt finde ich es ja doch ein bisschen schade, dass die Gemeindemitglieder, mit denen wir im Anschluss an die Messe sprachen, nichts von unserer Andacht mitgekriegt haben. Ich vermute mal, sie hätten überhaupt nicht gewusst, wie sie die in ihrem kirchenpolitischen Koordinatensystem hätten einordnen sollen...