Mittwoch, 16. Juni 2021

Camino de Willehado: Der Prophet im eigenen Land (Teil 1 von 3)

Wenn ich einmal ganz, ganz viel Zeit habe, schreibe ich einen wilden Mystery-Thriller über die Suche nach den in der Reformationszeit verloren gegangenen Reliquien des Hl. Willehad. Aber eigentlich ist das nicht das Thema dieses Artikels, und es ist auch nicht der Grund dafür, dass ich unseren spontanen frühsommerlichen Familienurlaub unter das Motto Camino de Willehado gestellt habe. Das hatte andere Gründe. 

Symbolbild: Backfisch in Jakobsmuschel-förmigem Brötchen (von "Micha's Räucherfisch", Fedderwardersiel

Es begann damit, dass meine Liebste sich im Vorfeld der Reise mit der nicht ganz undiffizilen Herausforderung befasste, wie wir unser für den Aufenthalt benötigtes Gepäck so organisieren konnten, dass wir mit zwei kleinen Kindern eine Bahnreise mit fünfmaligem Umsteigen (wenn man den Weg von unserer Wohnung zum Berliner Hauptbahnhof und den Bus vom letzten Bahnhof auf der Strecke bis zu unserer Unterkunft mitzählt) möglichst gut bewältigt bekommen, und dabei zu dem Schluss kam, am besten sollten wir alles in unsere Jakobsweg-Wanderrucksäcke packen, dann hätten wir die Hände frei für die Kinder. 

Unser gemeinsamer Jakobsweg ist bald fünf her, aber an meinem Wanderrucksack hängt immer noch eine Jakobsmuschel als Pilgerabzeichen. Als ich am Morgen des Reiseantritts aus der Dusche stieg, hing mein seinerzeit in einem kleinen Laden für Pilgerbedarf und Reiseandenken direkt neben der Kathedrale von Burgos gekauftes T-Shirt mit der Aufschrift "Camino de Santiago" sauber und trocken an der Wäscheleine, also zog ich es kurz entschlossen an. Meinen in Castrojeriz als Sonnenschutz gekauften Strohhut nahm ich nicht mit, da ich fürchtete, der kräftige Seewind würde mir ihn vom Kopf pusten; stattdessen nahm ich ein ebenfalls vom Jakobsweg mitgebrachtes und erst kürzlich beim Aufräumen wiedergefundenes Bandana mit, auf dem das Jakobsweg-Logo prangt: eine stilisierte Jakobsmuschel mit der Umschrift "Camino de Santiago". 


Schön war es auch, festzustellen, dass das Stundenbuch in der 2. Vesper vom 10. Sonntag im Jahreskreis - und somit am Vorabend unserer Abreise! - eine Fürbitte für Reisende "zu Wasser, zu Land und in der Luft" enthielt ("schenke ihnen eine glückliche Ankunft"); nicht ganz dasselbe wie ein persönlich erteilter Reise- oder Pilgersegen, aber immerhin. 

Für "Camino-Feeling" auf der Reise war also gesorgt; und der Namensbestandteil "Willehado" rührt natürlich daher, dass das Ziel unserer Reise die grüne Halbinsel Butjadingen war, wo der eingangs erwähnte Hl. Willehad wirkte und starb und wo die örtliche katholische Pfarrei seinen Namen trägt. -- Wer meinen Blog schon seit längerer Zeit verfolgt, dem wird bereits aufgefallen sein, dass die Pfarrei St. Willehad in Nordenham - deren Territorium sich auch über die ländlichen Gemeinden Butjadingen und Stadland erstreckt - hier immer wieder eine prominente Rolle spielt; und das aus mehreren Gründen. Zum einen bin ich in diesem Landstrich geboren und aufgewachsen und eben auch "kirchlich sozialisiert" worden und fühle mich der dortigen Kirche daher immer noch verbunden. Zum zweiten hatte ich schon oft den Eindruck, die dortige kirchliche Situation könne in vielfacher Hinsicht als Anschauungsbeispiel für die Malaise des "Systems Volkskirche" betrachtet werden. Und drittens schließlich - was in gewisser Weise eine Synthese aus den beiden vorgenannten Punkten darstellt - spiele ich immer mal wieder mit dem Gedanken, gerade dieser in religiöser Hinsicht weitgehend verödete Landstrich böte Potential für ein missionarisches Projekt im "Punkpastoral"-Stil - etwa in der Art, wie Katharina Fassler es im "Mission Manifest"-Unterkapitel "Der Traum vom lebendigen Pfarrhaus" beschreibt, aber zur Not könnte man statt eines ehemaligen Pfarrhauses auch einen Resthof, einen nicht mehr genutzten Wasserturm oder, noch radikaler, einen Bauwagen am Strand als Operationsbasis nutzen. In Anlehnung an die "Benedikt-Option" (kurz #BenOp) habe ich diesem Gedankenspiel den Namen "Willehad-Option" gegeben. 

All dies führt dazu, dass ich jedesmal, wenn ich in Nordenham und/oder Butjadingen bin, das Gefühl habe, nicht einfach in Urlaub zu sein, sondern auf einer Mission ("Sie können uns nicht aufhalten, wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs!"). Gleichwohl ist es natürlich auch Urlaub, und ich denke mir, "Urlaub mit Kindern an der Nordsee unter zwar gelockerten, aber prinzipiell immer noch bestehenden Corona-Bedingungen" ist durchaus auch ein interessantes Thema, um drüber zu bloggen. Da aber die Schilderung unserer kirchenbezogenen Erlebnisse und Aktivitäten während dieses Urlaubs mitsamt den dadurch ausgelösten oder angeregten Reflexionen wohl schon allein ausreichend Stoff für eine dreiteilige Artikelserie bietet, denke ich mir, die touristischen Aspekte lagere ich lieber aus in einen separaten Artikel ("Camino de Willehado - Tourist Edition"). Punktuelle Überschneidungen werden sich allerdings wohl nicht ganz vermeiden lassen. 

*

Wenn ich über die "kirchliche Situation" im Gebiet der Pfarrei St. Willehad sprechen will, dann bietet sich vielleicht an, zunächst auf den lokalen Pastoralplan einzugehen, den die Gremien der Pfarrei in einem jahrelangen Prozess erarbeitet haben und der im vergangenen Jahr "am Fest des Pfarrpatrons St. Willehad", dem 8. November, veröffentlicht wurde. Diesen Pastoralplan gibt es auch online, es hat also jeder die Möglichkeit, persönlich zu überprüfen, ob er mit meiner Ansicht übereinstimmt, dass das Ergebnis in einem bizarren Missverhältnis zu dem Aufwand steht, der dafür betrieben wurde. 

Das ist indes - wieder einmal - nichts, was allein auf diese Pfarrei zuträfe. Über den ganz realen Irrsinn kirchlicher Organisationsentwicklungsprozesse im Allgemeinen und "lokaler Pastoralpläne" im Speziellen habe ich mich schon früher geäußert, daher hier nur soviel: Aus der Thermodynamik wissen wir, dass jede Form von Energie schließlich in nicht mehr nutzbare Wärmeenergie umgewandelt wird. Das ist ein natürlicher Prozess, den man eigentlich nicht noch künstlich forcieren müsste. Aber genau das passiert, wenn man Pfarreien dazu verpflichtet, einen lokalen Pastoralplan zu erarbeiten: Wertvolle und zumeist knappe Ressourcen an Arbeitszeit und -kraft, Kreativität und Motivation werden verheizt, um nichts anderes zu erzeugen als heiße Luft - oder oftmals wohl sogar nur lauwarme. 

Was nun konkret den Pastoralplan von St. Willehad angeht, kann man Manches daran auf den ersten Blick durchaus vielversprechend finden: Die Titelseite trägt als Motto das Jesuswort "Ihr seid das Salz der Erde" (Mt 5,13), den einzelnen thematischen Abschnitten ist jeweils ein biblisches Leitwort vorangestellt, und auf der rückwärtige Umschlagseite liest man ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry,  das ich sehr mag und das ich auch schon mal in einem Thesenpapier für den Lokalausschuss meiner Wohnortgemeinde verwendet habe: 

"Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer." 

-- Nur dass von dieser Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer in diesem Pastoralplan nichts, aber auch gar nichts zu spüren ist. Stattdessen dominieren nichtssagende Worthülsen und ausgelutschte Gemeinplätze, und um die inhaltliche Dürftigkeit des Texts zu kaschieren, hat man ihn mit extra großem Zeilenabstand und einigen bunten Bildchen auf 20 Seiten gestreckt. Das Ganze kommt einem so vor, als hätte jemand einen Schulaufsatz zum Thema "Mein schönstes Ferienerlebnis" schreiben sollen, hätte aber in den Ferien leider nichts Schönes erlebt und darum notgedrungen bei seiner Banknachbarin abgeschrieben. Die Krönung ist dann der letzte Satz des Abschnitts "Epilog": "Durch diesen Pastoralplan konnten Sie sich einen Eindruck von unserer Pfarrei verschaffen, die wir Ihnen mit unseren Schwerpunkten vorgestellt haben." Nein, tut mir leid: Das konnte ich nicht. Nicht nur kann ich auf diesen Seiten nichts erkennen, was einer Vision für die zukünftige Entwicklung der Pfarrei ähnlich sähe; der Pastoralplan verrät mir auch nichts über die Motivation der Verantwortlichen, also darüber, was sie dazu bewegt, sich gerade in der Kirche zu engagieren und nicht im Bürgerverein oder bei den Kaninchenzüchtern. Zwar ist auf annähernd jeder Seite von der "Botschaft Jesu" und von "gelebtem Glauben" die Rede, aber das bleibt vage und formelhaft; man sollte denken, jemand, der wirklich von der Liebe Christi ergriffen und von dem Wunsch beseelt ist, andere für Christus und für die Mitarbeit am Aufbau des Reiches Gottes zu begeistern, der müsste anders darüber reden. Gerade in einem so programmatischen Text, an dem, wie gesagt, jahrelang gearbeitet wurde. 

Dieser Mangel an Sprach- und Auskunftsfähigkeit über den Glauben ist ein Problem, das die Pfarrei St. Willehad gewiss nicht mehr und nicht weniger betrifft als zahllose andere Pfarreien auch. "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt", mahnte der Apostel Petrus (1 Petr 3,15); ich fürchte sehr, dass er mit dieser Aufforderung heutzutage und hierzulande bei vielen haupt- und ehrenamtlichen Kirchenfunktionären nur leere Blicke ernten würde. Wie ist es dazu gekommen? 

Recht aufschlussreich in Hinblick auf diese Frage finde ich ein Buch, das ich vor ungefähr 30 Jahren vom damaligen Pfarrer von Herz Jesu Einswarden und Herz Mariä Burhave zur Firmung geschenkt bekommen habe und das meine Mutter kürzlich wiedergefunden hat: 


Im Wesentlichen handelt es sich um einen Bildband, dessen Struktur sich am Apostolischen Glaubensbekenntnis orientiert: Zu jedem einzelnen Satz des Credo gibt es ein großformatiges Foto und einen "Impuls" von der Art, die durch den inflationären Einsatz von Zeilenumbrüchen irgendwie nach Lyrik aussehen sollen; zum Beispiel: "Gott / hat uns / die Erde gegeben / als Garten. // Seine Liebe / begegnet uns / in allen Geschöpfen. // Alle Geschöpfe / sind unsere / Geschwister". -- Mein Eindruck von diesem Buch war zwiespältig. Gemessen an den Ansprüchen, die Leute wie meine Liebste und ich an eine sinnvolle und nachhaltige Kinder- und Jugendkatechese stellen würden, sind die Texte entschieden zu schwammig, gefühlsduselig, vom Jargon der neuen Innerlichkeit angekränkelt und auf spirituelle Wellness ausgerichtet und bergen dadurch die Gefahr, die konkreten Glaubensaussagen des Credo eher zu vernebeln als zu verdeutlichen. Andererseits steht zu befürchten, dass das katechetische Niveau, das dieses erstmals 1986 erschienene Buch widerspiegelt, heutzutage in der landläufigen Erstkommunion- und Firmvorbereitung nicht einmal mehr annähernd erreicht wird. 

Ein Indiz hierfür mag man in einem Beitrag zum Thema Erstkommunion erkennen, den die Social-Media-Abteilung des Erzbistums Hamburg unlängst auf Instagram und Facebook veröffentlicht hat und der mir während des Urlaubs vor die Augen gekommen ist. Darin wird die Erstkommunion eines Mädchens aus Sicht ihrer Mutter kommentiert - "Dieses große Ritual in der Kirche. Einer Kirche, die uns manchmal ganz schön verzweifelt da stehen lässt. Wir machen es trotzdem. Geben das Kind zur Erstkommunion. Warum? Weil unsere Gemeinde klasse ist. Weil in unserer Kirche getanzt, gelacht und geklatscht wird." Ach so. Aha. Ist das alles? Nein, nicht ganz: 

"Aber auch, weil es ein Zeichen ist. All die religiösen Geschenke und der Blumenkranz im Haar sind eine Tür. Da gibt es noch was. Da ist diese Kraft. Diese Liebe. Das Göttliche. Ist da und liebt. Immer." 

Tanzen, lachen und klatschen, und irgendwie ist da dann noch eine Tür zu irgendwas Göttlichen -- darum geht's also bei der Erstkommunion? -- Gewiss: Wenn man davon ausgeht, dass dieser Text die authentischen Empfindungen und Wahrnehmungen einer Erstkommunion-Mutter widerspiegelt, dann ist er ein Dokument, das man zur Kenntnis nehmen sollte -- und das zu denken geben sollte. Wenn eine Bistumsredaktion diesen Text aber ohne jeden Kommentar, ohne jede Einordnung für ihre mediale Selbstdarstellung nutzt, ja geradezu zur Eigenwerbung einsetzt, muss man sich schon fragen, ob die eigentlich noch alle Latten am Zaun haben

Kritische Kommentare zu diesem Beitrag konnten daher nicht ausbleiben. "In Hinsicht auf die Erstkommunion Gott zu entpersonalisieren, in dem man von 'dem Göttlichen' spricht, das ist schon eine Schamlosigkeit, die alles toppt, was ich bisher an diözesanen Apostasien gelesen habe", merkte etwa ein befreundeter Netzkatholik an, und eine andere Freundin und Bloggerkollegin, die übrigens - was ich in diesem Zusammenhang durchaus irgendwie relevant finde - die Taufpatin meiner Tochter ist, warf die Frage auf, ob in der Erstkommunionvorbereitung "irgendwann, irgendwie nebenbei auch erwähnt" worden sei, "dass es sich bei der Eucharistie um den Herrn persönlich handelt und um die innigste Vereinigung mit Ihm". Die Redaktion reagierte, wie man es von Social-Media-Redaktionen deutscher Bistümer leider gewohnt ist, nämlich nassforsch und uneinsichtig. Die Kolumne, deren Abschluss der kritisierte Text darstelle, sei "bewusst 'etwas lockerer' geschrieben" und der "Anspruch dieses Formats" liege "nicht darin, theologische Abhandlungen zu verfassen". Es steht zu befürchten, dass die Verantwortlichen tatsächlich nicht kapiert haben, was die kritischen Kommentatoren an diesem Beitrag auszusetzen haben.

Es gab indes auch Kommentare, die den Beitrag verteidigten. "Kinder muss man genau da abholen", meinte beispielsweise eine mir nicht näher bekannte Facebook-Nutzerin: "sie begeistern, ihnen zeigen, dass sie ganz wichtig sind für Jesus" -- ja aber Moment mal, von Jesus war in dem Beitrag doch überhaupt keine Rede, und genau das war Gegenstand der Kritik

Offen gestanden kann ich mir kaum etwas Bizarreres vorstellen als die Auffassung, man könne oder müsse kirchenfern sozialisierte Menschen an den christlichen Glauben "heranführen", indem man alles explizit und spezifisch Christliche erst mal weglässt. Ein methodischer Griff ins Klo wie das berüchtigte "Schreiben nach Gehör", oder eigentlich noch schlimmer. Die in der pastoralen Praxis so allgegenwärtigen Metaphern vom "Abholen" und "Mitnehmen" ergeben nur dann einen Sinn, wenn derjenige, der die anderen abholen und mitnehmen will, selbst weiß, wo's langgeht. Heutzutage und hierzulande hat man aber immer öfter den Eindruck, der institutionelle Apparat der Kirche - auf allen ebenen, von den Ortspfarreien bis zu den Bistümern - sei voll mit Leuten, die das eben nicht wissen; und die womöglich gar meinen, es käme gar nicht so darauf an, wohin man "die Leute" mitnimmt, denn letztlich sei ja der Weg das Ziel. Anders ausgedrückt: Wenn man, offen oder insgeheim, der Auffassung ist, Gott sei bloß eine Metapher - ein Konzept, das den Menschen dabei helfen soll, ein Gefühl von Sinn (sense of purpose) in ihrem Dasein zu finden, nett zueinander zu sein und die Umwelt zu schonen, dann kommt es tatsächlich nicht so genau darauf an, in was für Begriffen oder Bildern wir von Gott sprechen, solange es den genannten Zwecken dient. Ganz anders verhält es sich natürlich, wenn man an einen persönlichen Gott glaubt, der wirklich in der Welt - und erst recht in der Kirche - lebt und herrscht. Deshalb werden Menschen, die in einer Weise von oder sogar mit Gott sprechen, als existierte Er tatsächlich, vom volkskirchlichen Mainstream oft als so lästig empfunden. 

-- So, lieber Leser. Du magst vielleicht denken, diese Exkurse über den Pastoralplan von St. Willehad, das Buch "Unsere Firmung" und den unsäglichen Erstkommunion-Beitrag des Erzbistums Hamburg (dabei gehört St. Willehad doch zum Bistum Münster!) führe vom eigentlichen Thema, nämlich unserem Trip nach Butjadingen, weg; ich aber sage: Ganz im Gegenteil, es führt zum Thema hin! Zur chronologischen Schilderung der Ereignisse werde ich trotzdem erst in der nächsten Folge kommen. Aber die kommt bald -- versprochen! 


3 Kommentare:

  1. Jetzt fürchte ich mich. Und zwar deshalb, weil ich annehme, dieser Exkurs über nicht einmal mißlungene (was mißlingen will, muss ja erstmal stattfinden) Exegese ist der Auftakt zu etwas noch viel Schlimmeren.
    Budjadingen, mir graut vor dir.

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  2. Aus der norddeutschen Diaspora I:

    Bis auf die ersten 3,5 Jahre habe ich mein gesamtes Leben in der norddeutschen Diaspora - genau: in Schleswig-Holstein - verbracht.

    Seit gut 25 Jahren gehören wir zum Erzbistum Hamburg, das nach über einem Jahrtausend Mitte der 1990er Jahre wiedergegründet wurde.

    Was ich da bzgl. Erstkommunionvorbereitung lesen muss, ist an Schwachsinn wahrscheinlich durchaus noch zu toppen - es bestärkt mich jedoch nur in meinem pessimistischen Eindruck, den ich hier Jahr für Jahr zunehmend gewinne.

    Wir haben uns alters- - und z. T. krankheitsbedingt - längst in eine innere Emigration zurückgezogen und hoffen, die verworren Zeit und das weitgehend glaubenslose Umfeld gerade auch seelisch einigermaßen unbeschadet zu überstehen.

    Wir haben vornehmlich nur in einzelne Gemeinden bei uns und woanders in Schleswig-Holstein etwas Einblick - Fazit:

    Business as usual seitens der Hauptamtlichen.

    Die bald 16jährige Enkelin kriegt schon mehrere Jahre auf ihrem Gymnasium keinen kath. Religionsunterricht mehr, da es keine Lehrkräfte gibt. Vielleicht ist es besser so, ehe ihr noch irgendwelcher häretischer Unfug erzählt und beigebracht wird.

    Unsere hiesige über den ganzen Landkreis verteilte sog. Großpfarrei besteht aus 6 Gemeindestandorten, zwischen denen die 2 Priester am Wochenende mit dem Auto hin- und herfahren, um in jeder Gemeinde einen Gottesdienst zu halten. Darüber hinaus sind noch ein paar nebenamtl. Diakone und 2 oder 4 Gemeindereferentinnen mit Wortgottesfeiern im Angebot.

    Persönliche Seelsorge: Fehlanzeige.

    Der letzte, der uns bzw. meine Frau vor 8 Jahren nach einer schweren Fuß-OP etwa ein halbes Jahr lang wöchentlich besuchte, ihr die hl. Kommunion brachte und mit uns regelmäßig sehr anrührende Wortgottesdienste in unserer Wohnung hielt, war ein afrikanischer Diakon, der hier sein praktisches Jahr machte, sehr engagiert und glaubenstreu war, und den man dafür nicht nur langjährig hinhielt, bevor er dann nach langer Zeitverzögerung endlich doch noch zur Priesterweihe zugelassen wurde, sondern den sogar eine der damaligen Gemeindereferentinnen wegzumobben versuchte.

    Nun, er hat's überstanden buchstäblich mit Gottes Hilfe und ist nach offenbar auch nicht ganz leichter Kaplanszeit inzwischen Pastor in MV, wo er sich z. Zt. nach eigenem Bekunden wohl fühlt.

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  3. Aus der norddeutschen Diaspora II:

    Ab dem 70.Geburtstag kriegt man als Gemeindemitglied unserer Großpfarrei zum Geburtstag jährlich eine vorgedruckte Glückwunschkarte mit handschriftlicher Unterschrift des Pfarrers - das ist's an persönl. Seelsorge.

    Zum 80. Geburtstag wird man dann - nach vorheriger tel. Abklärung von jemandem aus der Gemeinde persönl. besucht - wenn gewünscht.

    Bei meiner Frau fiel das wg. der Pandemie verständlicherweise aus. Sie kriegte wiederum ein vorgedrucktes Schreiben - diesmal mit Unterschrift unseres hiesigen nebenamtl. Diakons.

    Höflicherweise antwortete sie persönlich in einem längeren handschriftlichen Antwortbrief. Reaktion: Fehlanzeige, obwohl wir auch z. B. mit der Telefonnummer im Telefonbuch stehen.

    So geht - bzw. geht eben nicht - die vielbeschworene Pastoral im Diaspora-Erzbistum Hamburg.

    Noch Fragen?

    Braucht man sich da noch zu wundern, wenn in einigen Jahren vielleicht alles den Bach hinunter gegangen ist?

    Die Hauptamtlichen sind natürlich voll beschäftigt - nach meinem/unserem Eindruck  mit einer Menge unnützem Scheiß wie z. Zt. der Umsetzung gendergerechter Sprache etc. - die Seelsorge bleibt auf der Strecke.

    Bei den "Evangelen" scheint's allerdings kaum besser zu sein:

    Ich antwortete einem Pastor in der Nachbarschaft auf ein von ihm in unserer Lokalzeitung zu Trinitatis verfasstes "Wort zum Sonntag", was ich persönlich über die Hl. Dreifaltigkeit zu wissen glaube.

    Reaktion bis dato: Fehlanzeige.

    Er hatte allerdings auch schon vorsorglich vorgewarnt, dass ihm Leute suspekt seien, die sich im Besitz der Wahrheit wähnten.

    Letzteres hatte ich zwar gar nicht behauptet, scheint aber wohl doch so oder ähnlich bei meinem Adressaten angekommen zu sein, obwohl Dialogverweigerung nach dem ollen Habermas ja nun auch und erst recht keine Lösung ist.

    Was bleibt uns da also besseres, als in den verschiedensten Anliegen unverdrossen und geradezu stoisch weiter zu beten?

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