Frohe und gesegnete Weihnachten, lieber Leser! Eröffnen möchte ich dieses Wochenbriefing mit einem kleinen Gebet, das ich zum vorigen Weihnachtsfest auf der Facebook-Seite des Mittwochsklubs veröffentlicht hatte und heuer mit Hilfe der Erinnerungsfunktion von Facebook wiedergefunden habe:
Lob sei dir, Herr Jesus Christus, für das Geschenk deiner Menschwerdung.
Lob sei dir für deine Gegenwart in der Heiligen Eucharistie.
Lob sei dir für die Verheißung deiner Wiederkunft in Herrlichkeit.
Und nun zu den Neuigkeiten der Woche:
Option Spandau (im engeren Sinne): Ich hatte mich schon so halbwegs darauf eingestellt, dass wir es angesichts der allgemein erschwerten Bedingungen dieses Jahr in keine Christmette schaffen würden, und hatte mir einen groben Plan für eine Hausandacht zurechtgelegt (Psalmen und Fürbitten aus der 1. Vesper von Weihnachten, Weihnachtsevangelium nach Lukas, Lobpreismusik); aber dann studierten wir doch noch einmal die Gottesdienstordnungen der infrage kommenden Pfarreien, stellten fest, dass es um 18 Uhr in der Spandauer Hauptkirche Maria, Hilfe der Christen eine 3G-Christmette gab, und beschlossen dort hinzugehen. Dann wäre dieser Plan aber in letzter Minute beinahe doch noch gescheitert, da wir nicht bedacht hatten, dass das nahe gelegene Einkaufszentrum, in dem wir uns unseren obligatorischen Nasenabstrich holen wollten, an Heiligabend nur bis 16 Uhr geöffnet war. Wir hatten dann aber doch noch Glück: Obwohl in Alt-Tegel schon kurz nach 16 Uhr nahezu sämtliche Gehwege hochgeklappt waren, fanden wir noch eine bis 18 Uhr geöffnete Corona-Schnellest-Stelle in einer Fischfußpflege-Praxis, wo wir ohne Wartezeit drankamen, von einer freundlichen jungen Hijab-Trägerin getestet und mit "Frohe Weihnachten!" verabschiedet wurden; unsere Tochter bekam bei dieser Gelegenheit sogar Schokolade geschenkt.
Anschließend begaben wir uns ohne weitere Zwischenfälle per Bus und Bahn nach Spandau und erreichten die Kirche rechtzeitig vor Beginn des Gottesdienstes. Aber mal ehrlich, Leser: Hättest du vor zwei oder mehr Jahren im Rahmen einer ausgedachten, vage Science-Fiction-mäßig angehauchten Geschichte gelesen, dass eine Familie, die an Weihnachten in die Kirche gehen und zu diesem Zweck mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren will, sich erst mal einen Nasenabstrich abnehmen lassen muss, weil sie andernfalls weder in den Bus noch in die Kirche gelassen würde, hättest du wahrscheinlich gedacht, das sei aber ein bisschen arg übertrieben, oder? Ich finde es wirklich erschreckend, wie schnell wir uns alle daran gewöhnen, so etwas für normal zu halten. Aber lassen wir das und schauen uns lieber ein paar schöne Bilder an:
Die Christmette war übrigens schwach besucht, was aber wohl zumindest zum Teil dadurch bedingt war, dass es am selben Ort um 21:30 Uhr noch eine weitere (unter 2G-Bedingungen) gab; und vielleicht wirkte die Kirche zum Teil auch deshalb so leer, weil sie so groß ist. Von allen Gottesdienstorten im Pastoralen Raum Spandau-Nord/Falkensee, die wir bisher besucht haben, hat mich diese Kirche ehrlich gesagt am wenigsten angesprochen, und ich glaube, das hat nicht unwesentlich mit ihrer Größe zu tun. Vielleicht hängt es mit meiner Herkunft zusammen - damit, dass mich die sehr, sehr kleine Kirche Herz Mariä in meinem Heimatort Burhave einfach nachhaltig geprägt hat -, aber irgendwie finde ich auch, dass kleine und etwas ärmlich wirkende Kirchen eine #benOppigere Ausstrahlung haben als solche Repräsentationsbauten.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich erwähnen, dass es in dem besagten Pastoralen Raum immer noch drei katholische Kirchen gibt, in denen meine Familie und ich überhaupt noch nicht waren -- was sich im Fall von St. Johannes der Täufer (Dallgow-Döberitz) und St. Konrad von Parzham (Falkensee) unschwer dadurch begründen lässt, dass sie so abgelegen in der havelländischen Pampa liegen, aber die dritte im Bunde der noch unbesuchten Kirchen, St. Stephanus in Haselhorst, ist von allen Spandauer Kirchen ausgerechnet die, die am nächsten an unserem Zuhause liegt und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln am unkompliziertesten erreichbar wäre. Tja. Hat sich einfach noch nicht ergeben. Kommt noch.
- Linktipp 1: "invisibilis - der Kirchenwiederfinder: Regina Pacis" (moderne-regional.de)
Aber à propos havelländische Pampa: Bei dem Versuch, mir einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Kirchenstandorte im Pastoralen Raum Spandau-Nord/Falkensee ich bisher besucht habe und welche noch nicht, bin ich darauf aufmerksam geworden, dass es in Finkenkrug, einem Ortsteil von Falkensee, bis vor einigen Jahren eine Kapelle mit dem schönen Namen Regina Pacis, "Friedenskönigin", gab. Genaueres darüber herauszufinden, erwies sich als gar nicht so einfach. Einige Eckdaten konnte ich immerhin dem "Kirchenwiederfinder" von moderne-regional.de entnehmen; insgesamt eine sehr interessante und empfehlenswerte Ressource, auf die ich, wie ich mich kenne, noch öfter zurückgreifen werde.
Über Regina Pacis erfährt man dort jedenfalls, dass die Kapelle in einem 1965 erworbenen Wohnhaus errichtet und 1967 geweiht wurde; 2014 wurde die Kapelle profaniert und das Gebäude verkauft, man darf wohl davon ausgehen, dass es jetzt wieder als Wohnhaus genutzt wird. Mit einiger Mühe und Findigkeit habe ich einen Archivlink zu einem seinerzeit auf der Website der Falkenseer Pfarrei erschienenen Artikel ausgegraben, dem man Näheres zu diesem Vorgang entnehmen kann. Dort erfährt man etwa, dass das Erzbischöfliche Ordinariat den Neubau des Gemeindezentrums St. Konrad nur unter der Bedingung genehmigt hatte, "dass die Pfarrei St. Konrad mit dem Erlös von Immobilienverkäufen den Neubau zum größeren Teil selbst finanziert". -- Bedenkt man, dass die kirchenrechtlichen Hürden für die Profanierung von Sakralräumen bzw. -bauten eigentlich, also theoretisch sehr hoch sind und so etwas, wenn nicht gerade die Hunnen mit Feuer und Schwert vor der Tür stehen, eigentlich so gut wie nie vorkommen sollte, lässt die Nonchalance, mit der ein geweihter Ort zugunsten der Finanzierung eines neuen Gemeindezentrums aufgegeben wird, wohl auf ein arg verweltlichtes Selbstverständnis schließen; aber das ist natürlich nichts, was man speziell den Falkenseer Katholiken ankreiden könnte oder müsste. Der angesprochene Artikel verweist auch auf einen "Sanierungsplan des Erzbistums Berlin" von 2006, der vorsieht, "dass in den Gemeinden 25% der pastoral genutzten Flächen abzubauen sind". Nun kann man sich unter "pastoral genutzten Flächen" natürlich so ziemlich alles Mögliche vorstellen, und ich unterstelle mal, dass das Absicht ist. "Pastoral" wird im amtskirchlichen Sprachgebrauch gern als ein Gummibegriff verwendet, der alles und nichts bedeuten kann und mit dessen Hilfe man es vermeiden kann, eine klare Aussage darüber treffen zu müssen, was man als den eigentlichen Daseinszweck der Institution Kirche betrachtet. Aber wo Worte nichts mehr aussagen, da sprechen Taten eine umso deutlichere Sprache, und ich schätze mal, man wird es kaum erleben, dass eine Pfarrei lieber eine KiTa an einen nichtkirchlichen Träger abgibt als einen Kirchenstandort zu schließen. Dies mal zim Thema Selbstverständnis.
(im erweiterten Sinne:) Am Tag vor Heiligabend stattete ich dem Pfarrbüro meiner bisherigen Pfarrei einen eigentlich schon überfälligen Besuch ab, um die Schlüssel für Kirche und Gemeinderäume zurückzugeben, die ich noch hatte. Einer der Gründe dafür, dass ich das nicht schon längst geran hatte, war, dass ich eigentlich gern vorher geklärt hätte, was z.B. aus der von meiner Liebsten auf eigene Kosten angeschafften Krabbelgruppen-Ausstattung und aus den von mir zum Teil aus eigenen Beständen, v.a. aber durch Spenden von Bloglesern und anderen Kontaktpersonen akquirierten Büchern für das Büchereiprojekt werden würde. Aber nachdem ich, wie berichtet, versucht hatte, dieses Thema im Lokalausschuss anzusprechen, und damit auf demonstratives Desinteresse gestoßen war, war mir im Grunde klar gewesen, dass es nicht sonderlich zielführend war, die Schlüssel gewissermaßen in Geiselhaft zu halten.
Also habe ich zusammen mit meiner Liebsten diejenigen Krabbelgruppensachen, die definitiv zu gut sind, um irgendwie unter die Räder zu kommen, die wir ohne größere Probleme trandportieren konnten und die wir vorläufig, d.h. bis zu einer dauerhaften Lösung, bei uns zu Hause unterbringen können, in unseren Bollerwagen geladen, bevor ich die Schlüssel abgegeben habe. In ähnlicher Weise auch mit den Büchereibüchern zu verfahren, erwies sich hingegen als unpraktikabel, die mussten wir also vorerst zurücklassen. -- Jedenfalls verbrachten wir an diesem Nachmittag alles in allem rund zwei Stunden auf dem Gelände der Pfarrei, trafen in dieser Zeit allerlei Bekannte, darunter einige uns wohlgesonnene Gemeindemitglieder, führten nette Gespräche und bekamen sogar ein paar kleine Weihnachtsgeschenke. Das erfreut doch das Herz.
Und wie nun weiter? Das wird man im neuen Jahr sehen, schätze ich. Dafür, das Veranstaltungsformat "Krabbelbrunch" an neuem Ort weiterzuführen, hatte sich ja neulich schon mal eine Möglichkeit abgezeichnet; in den letzten Wochen hat es zwar keine Gelegenheit gegeben, diese Option weiterzuverfolgen, aber ich denke mal, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Vor allem will und muss ich mich demnächst mal darum kümmern, irgendwo, idealerweise nicht übermäßig weit von meiner Wohnung entfernt, einen Raum für mein Büchereiprojekt zur Verfügung gestellt zu bekommen. Einen Raum und drei bis fünf Regale, mehr braucht es für den Anfang nicht. Da müsste sich doch was machen lassen...
- Linktipp 2: Claire Nowak, "Can You Really Live in the Library?" (Marquette Wire, 21.11.2013)
Ich hatte die Suche nach einem thematisch passenden Linktipp schon fast aufgegeben, als ich über diesen Artikel aus dem Online-Magazin der Marquette University in Milwaukee stolperte. Dass es sich um eine katholische Universität handelt, war für die Auswahl des Linktipps nicht entscheidend, aber ich empfinde es als ein nettes Detail.
Option Portugal (im engeren Sinne): Am ersten Weihnachtstag waren wir bei meinen Schwiegermüttern eingeladen; es gab Ente, und ich bekam dazu ein friesisch-herbes Bier, direkt aus der Flasche. Auf dem rückwärtigen Etikett der Flasche prangte der Hinweis, mit Hilfe eines Gewinncodes auf der Innenseite des Kronkorkens könne man einen Camper-Van gewinnen. Könnten wir ja gut gebrauchen für unsere "Option Portugal", dachte ich mir. Also, wenn ich das Teil jetzt wirklich gewinnen würde, mit dem Code aus dem Kronkorken einer Bierflasche, die ich mir beim Weihnachtsessen aufgemacht habe --- also wenn DAS kein Zeichen wäre...! Vor meinem geistigen Auge sah ich uns schon auf einem Campingplatz in Südportugal Lobpreisandachten und Familienkatechese für deutsche Auswandererfamilien veranstalten, aber als ich die Website der Brauerei aufrief, konnte ich nicht den kleinsten Hinweis auf dieses Preisausschreiben entdecken -- was, wie ich bei genauerer Betrachtung des Bierflaschenetiketts feststellte, daran lag, dass das Preisausschreiben schon seit Monaten vorbei war. Tja. (Das Bier war aber noch gut.)
- Linktipp 3: "Camping in Portugal -- Die besten Spots, Infos und Tipps" (Komm wir machen das einfach!)
(im erweiterten Sinne:) Ein paar Tage vor Weihnachten waren meine Liebste und ich in ernster Stimmung und sprachen über die totalitären Tendenzen, die sich in der Gesellschaft zunehmend breit machen. Ja, okay, zugegeben: Dass wir auf dieses Gesprächsthema kamen, hatte durchaus etwas mit den auf Facebook, Twitter und Co. grassierenden Debatten über Corona-konformes Verhalten an den Feiertagen ("Was tun, wenn Querdenker zum Essen kommen?") zu tun, aber sehen wir davon mal ab. Selbst wenn ich der Überzeugung wäre, mRNA-Impfstoffe seien die beste Erfindung seit geschnittenem Brot, fände ich es beunruhigend, wie lustvoll große Teile der Bevölkerung ihre Rechte und Freiheiten opfern, wenn man ihnen nur das Gefühl gibt, damit auf der moralisch richtigen Seite zu stehen und Andersdenkende verachten zu dürfen. Im Übrigen bin ich überzeugt, dass die Coronavirus-Pandemie lediglich die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass diese Tendenzen sich ungehemmter ausleben können, dass sich aber, wenn es dieses Virus nicht gäbe, früher oder später irgendein anderer Anlass dafür hätte finden lassen. -- Damit jetzt aber genug der Kontextualisierung; eigentlich ging es in dem Gespräch zwischen meiner Liebsten und mir, von dem ich berichten wollte, gar nicht um Corona, sondern darum, dass unsere lieben Landsleute - um es mit einer Formulierung Johann Wilhelm Ludwig Gleims zu sagen - "der Despotie so hold" sind, dass sie vermutlich noch Beifall klatschen würden, wenn die Regierung nach dem Vorbild der Volksrepublik China ein "Social Credit"-System zur Durchsetzung ihrer gesellschaftspolitischen Agenda einzuführen beschlösse. "Mir macht das angst", sagte meine Liebste, woraufhin ich mich sagen hörte: "Ich habe keine Angst." Eine erstaunliche Aussage, wenn man bedenkt, dass normalerweise ich derjenige von uns beiden bin, der mehr dazu neigt, sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Aber dieses war offenbar mal wieder einer dieser "Du bist Frodo und ich bin Sam"-Momente, die es bei uns eben auch mal gibt.
Wie ich meiner Liebsten erklärte, war mir anlässlich der Frage, ob man Angst vor den genannten Entwicklungen haben müsse, spontan Psalm 118, Vers 6 durch den Kopf gegangen: "Der Herr ist bei mir, ich fürchte mich nicht. Was können Menschen mir antun?". -- Ich habe eine besondere Beziehung zu Psalm 118, seit der Zeit, als ich gerade anfing, das Stundengebet zu praktizieren, und mich noch nicht wirklich damit auskannte. Ich weiß nicht, woran es lag - ob die erste Stundenbuch-App, die ich auf meinem Mobilgerät installiert hatte, sich nicht automatisch aktualisierte oder ob ich einfach zu blöd war, die App richtig zu bedienen -, jedenfalls wurde mir tage- und wochenlang, wenn ich eine der Kleinen Horen beten wollte, immer und immer und immer Psalm 118 angezeigt. Wahrscheinlich hatte ich diese Ermutigung nötig.
"Aber vielleicht", meinte meine Liebste, "kommt es irgendwann wirklich dazu, dass wir nach Portugal oder sonstwohin ziehen und auf dem Land als Selbstversorger leben müssen."
"Wenn es dazu kommt", erwiderte ich, "dann machen wir das."
- Linktipp 4: "Biden Stimulus Bill May Drive Catholic Schools out of Early Childhood Services, School Officials Say" (National Catholic Register, 02.12.2021)
Währenddessen im Land of the Free and Home of the Brave: Die Regierung von US-Präsident Biden plant im Rahmen eines groß angelegten Infrastruktur-Konjunkturprogramms Fördermittel in Höhe von 400 Milliarden (!) Dollar für Kleinkindbetreuung und frühkindliche Bildung locker zu machen. Toll, oder? Theoretisch können auch Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft an diesem Förderprogramm partizipieren. Noch toller, oder? -- Na ja, wie man's nimmt. Die Ausschüttung der Fördermittel ist nämlich an Bedingungen geknüpft: Geld gibt's nur für solche Einrichtungen, die sich zur Einhaltung einer "Antidiskriminierungs"-Richtlinie verpflichten, die, man ahnt es schon, u.a. Toleranz in Sachen sexueller Orientierung und Gender-Identität vorschreibt. Kritiker der Vorlage bemängeln, durch diese Richtlinie erscheine das Konjunkturpaket wie maßgeschneidert für den Zweck, religiös orientierte Träger aus dem Kinderbetreuungs-Sektor zu vertreiben. Derweil erklärt Thomas Carroll, der Leiter der Schulabteilung der Erzdiözese Boston, man werde sich nicht auf einen Handel einlassen, der der Kirche praktisch abverlange, ihren Glauben zu verleugnen: "In der katholischen Kirche haben wir eine 2.000-jährige Lehrtradition. Die geben wir nicht einfach auf, um Geld von der Regierung zu bekommen."
Was es sonst Neues gibt: Die Woche begann mit einer Pressemitteilung des Erzbistums Berlin: "Sechs neue Pfarreien im Erzbistum Berlin im Jahr 2022". Nanu, möchte man da ja erst mal denken: Was ist denn da los? Wachstum gegen den Trend? Eine plötzliche Bekehrungswelle? Ja, Pustekuchen. Was in Wirklichkeit passiert, ist dass sechs Pastorale Räume ihre "Entwicklungsphase" abschließen und zu Pfarreien erhoben werden. Rein formal betrachtet ist die Überschrift der Pressemeldung also korrekt: Es handelt sich rechtlich tatsächlich um die Neugründung von Pfarreien, die es vorher nicht gab. Nur dass die betreffenden Pastoralen Räume bisher aus jeweils zwei bis vier Pfarreien bestanden, die nunmehr aufgehoben, abgeschafft, abgewickelt werden. Die "Gründung von sechs neuen Pfarreien" läuft mithin darauf hinaus, dass es im Erzbistum Berlin fortan netto elf Pfarreien weniger geben wird.
Die Pressemitteilung vor diesem Hintergrund als "Verarsche" zu bezeichnen, wäre viel zu milde: Es ist Orwellsches Neusprech in Reinkultur. Der Satz "Zum 1. Januar 2022 werden im Erzbistum sechs neue Pfarreien errichtet" ist ein Satz wie "Transfrauen sind Frauen": der Versuch, mittels Sprachregelung die Realität außer Kraft zu setzen und eine alternative Realität zu schaffen. Die Korruption der Sprache zielt auf die Korruption der Wahrnehmung und des Denkens.
Ich bin durchaus bereit, anzunehmen, dass Kardinal Woelki gute Absichten hatte, als er in seiner Amtszeit als Erzbischof von Berlin den Pastoralen Prozess "Wo Glauben Raum gewinnt" ins Leben rief und damit den waghalsigen Versuch unternahm, die Flächensanierung der pfarrlichen Strukturen im Erzbistum als etwas Positives, ja geradezu als einen geistlichen Aufbruch zu verkaufen. Wahrscheinlich war auch Wunschdenken im Spiel. Aber die Auswirkungen kann man nur bizarr nennen. Es wird ein unfassbarer Aufwand betrieben, um den Schein zu wahren -- mit Festgottesdiensten, gestalteten Kerzen, Arbeitsgruppen, lokalen Pastoralplänen... eine gigantische Beschäftigungstherapie für haupt- wie ehrenamtliche Mitarbeiter, von denen man doch denken sollte, sie hätten auch ohnedies genug zu tun.
Das ist auch - noch vor allen persönlichen und sachlichen Gründen, die speziell meine bisherige Pfarrei betrafen - ein Hauptgrund dafür, dass ich mich aus der Gremienarbeit zurückgezogen habe. Denn durch die Mitarbeit in den Gremien trägt man eben, ob man will oder nicht, zur Legitimation dieses sogenannten Pastoralen Prozesses bei, oder schärfer ausgedrückt, man wird zum Komplizen einer Lüge gemacht. Natürlich kann man aufstehen und sagen "Das ist doch alles komplett sinnlos, was wir hier machen"; aber was man dann nicht kann, ist, sich wieder hinsetzen und damit weitermachen.
Mancher wird nun meinen, dass ich übertreibe, gar aus einer Mücke einen Elefanten mache, aber weißte was, Leser: Genau das - dass man denkt "Na, so eine große Sache ist das ja nun auch nicht" - ist Teil der Strategie. Ich kann nur immer wieder auf Vaclav Havels Beispielerzählung über den Gemüsehändler verweisen: Ein Gemüsehändler, der unter einem kommunistischen Regime lebt, kann davon ausgehen, dass er Probleme bekommt, wenn er nicht am 1. Mai oder bei ähnlichen Anlässen ein Transparent mit der Aufschrift "Proletarier aller Länder, vereingt euch!" ins Schaufenster seines Ladens hängt. Also hängt er das Transparent auf, um keinen Ärger zu bekommen, aber gleichzeitig schämt er sich ein bisschen dafür. Um dieses Schamgefühl zu beschwichtigen, sagt er sich: Na ja -- was ist eigentlich falsch daran, dass sich die Proletarier aller Länder vereinigen sollen? Und so fängt er nach und nach an, die Propaganda zu akzeptieren und an sie zu glauben. Diesen Mechanismus kann man derzeit überall beachten, sei es bei den Themen sexuelle Orientierung und Gender-Identität, in der Corona-Impfdebatte oder beim "Synodalen Weg". Aber jetzt hör ich besser mal auf -- und komme lieber zum letzten Linktipp für diese Woche:
- Linktipp 5: "Lieferengpass: McDonalds rationiert die Pommes Frites" (Kleine Zeitung, 22.12.2021)
Ohrwurm der Woche: Jona Lewie, "Stop the Cavalry" (1980)
Dies war, neben "Fairytale of New York" von den Pogues feat. Kirsty MacColl, schon immer einer meiner liebsten Weihnachts-Popsongs, auch schon, als ich außer dem Wort "Christmas" noch nichts von Text verstand. Das heißt folglich auch, dass mir die Anti-Kriegs-Message des Songs zunächst völlig entging, aber irgendwann kam ich natürlich doch dahinter. Und auch wenn ich die derzeitige Lage nun wirklich nicht mit Krieg auf eine Stufe stellen will, muss ich doch sagen, dass die Refrainzeile "Wish I was at home for Christmas" mich heuer besonders angesprochen hat. Auch der Vers "She's been waiting two years long" gewinnt anlässlich dieser zweiten Corona-Weihnacht eine besondere Bedeutung.
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Aus der Lesehore:
Ein kleines Kind wird geboren, es ist der große König. Als die Weisen die Geburt des Königs verkündeten, erschrak Herodes und suchte das Kind zu töten, um seine Herrschaft nicht zu verlieren. Hätte er an das Kind geglaubt, hätte er hier in Sicherheit herrschen können und ohne Ende im ewigen Leben. Warum fürchtest du dich, Herodes, bei der Kunde von der Geburt des Königs? Er kommt doch nicht, dich zu stürzen, sondern den Teufel zu überwinden. Aber du erkennst es nicht, du erschrickst und wütest. Um den einen zu verderben, den du suchst, ermordest du grausam die vielen Kinder. Du mordest den Leib der Kleinen, aber die Furcht mordet dein Herz. Du meinst ein langes Leben zu gewinnen, wenn es dir gelingt, den umzubringen, der das Leben selber ist. Der Quell der Gnade, so klein und so groß, der noch in der Krippe liegt, erschreckt dich auf deinem Thron.
Die Kinder sterben für Christus und wissen es nicht. Gott macht die Kinder, die noch nicht sprechen können, fähig, Zeugnis zu geben für ihn. Sie können noch nicht sprechen, und schon bekennen sie Christus! Noch vermögen sie nicht die Glieder zum Kampf zu regen, und schon gewinnen sie die Palme des Sieges!
(Quodvultdeus, Predigt über das Glaubensbekenntnis)