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Freitag, 30. Juni 2017

Kompetenzkompetenz und Relevanzrelevanz

Im Laufe des heutigen Vormittags habe ich mir in zwei separaten Facebook-Diskussionen zwei längere Statements aus den Rippen geschwitzt, die ich auf diesem Wege gern einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen und zur Diskussion stellen möchte. 

I. 

Unter Kanzlerin Merkel erleben wir einen enormen Machtzuwachs der Exekutive - einen Machtzuwachs, der einfach dadurch zustande kommt, dass niemand etwas dagegen unternimmt. Es wäre naiv, anzunehmen, dass eine zukünftige andere Regierung den mittlerweile durch Gewöhnung etablierten Handlungsspielraum nicht ebenso konsequent nutzen würde. 

Die USA können hier ein warnendes Beispiel abgeben. Dort hat Obama die Macht der Exekutive konsequent ausgebaut, die Amerikaner haben ihn gewähren lassen -- und jetzt haben sie Trump.

II. 

Die oft gehörte bzw. gelesene Behauptung, durch die "Ehe für alle" ändere sich für niemanden etwas außer für die gleichgeschlechtlichen Paare, die jetzt die Möglichkeit bekommen, ihre Partnerschaft als "Ehe" anerkannt zu bekommen, halte ich für kurzsichtig. Es handelt sich um eine fundamentale Umdefinition des Ehebegriffs und somit um einen eklatanten Zivilisationsbruch. 

Sodann: Dass eine Änderung des staatlichen Eherechts für die Kirche nicht relevant sei, stimmt höchstens in einem oberflächlichen Sinne. Ein Beispiel: Warum wird in der Kirche seit Jahren über wiederverheiratete Geschiedene diskutiert? Es gibt doch überhaupt keine Scheidung! Also, aus kirchlicher Sicht. Entweder wird in einem kirchenrechtlichen Verfahren die Ungültigkeit einer Ehe festgestellt - dann war es nie eine. Oder die Ehe ist gültig - dann gilt sie lebenslänglich. Wo kommt also das Problem mit den wiederverheirateten Geschiedenen her, wenn staatliches Eherecht für die Kirche nicht relevant ist? 

Und schließlich: Man kann in der Theorie noch so viel "Trennung von Staat und Kirche" fordern (halte ich prinzipiell auch für eine gute Idee), aber in der Praxis wird diese Trennung immer wieder an ihre Grenzen stoßen, aus dem einfachen Grund, dass in beiden Institutionen dieselben Menschen leben. Sprich: Katholische Staatsbürger leben simultan in zwei Systemen, die einander immer mehr widersprechen. Daraus ergeben sich sehr ernste Loyalitätskonflikte. Ja, es steht geschrieben "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist". Aber auch: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen".

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Im Übrigen habe ich bereist gestern Abend mein Facebook- und Twitter-Profilbild (vorübergehend) geändert, um die zu erwartende Flut von Regenbogen-Profilbildern gewissermaßen präventiv zu kontern: 


Gestorben für die Wahrheit über die Ehe - und Schutzpatron der Politiker. 
Heiliger Thomas Morus, bitte für uns! 



Donnerstag, 29. Juni 2017

Wenn man aus Versehen die Wahrheit sagt

Der Geist weht bekanntlich, wo er will - und sorgt so allweil für Überraschungen. Zum Beispiel staunte ich nicht schlecht, als ich am frühen Vormittag des Hochfests Peter und Paul auf der Facebook-Seite meines allerzweitliebsten Bistums (Huhn meets Ei-Kenner wissen: Münster!) das folgende Posting las: 
"Bin entsetzt, wie leichtfertig Bundeskanzlerin und Bundestag mit dem hohen Gut der Ehe umgehen. Umdefinierung gibt 2000jährige Kultur auf!"
Angesichts der grammatikalischen Ich-Form konnte man sich natürlich mit Susi-Sorglos-Stimme fragen: "He, wer spricht'n da?" Umso mehr drängte sich diese Frage auf, als dieses Statement zur Ausweitung des Ehebegriffs auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften zwar der offiziellen Position der Katholischen Kirche entspricht - vgl. z.B. Amoris Laetitia, Nr. 251, sowie die Stellungnahmen des Familienbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Heiner Koch (Berlin), und des DBK-Vorsitzenden Reinhard Kardinal Marx (München-Freising) -, aber nicht unbedingt dem allgemeinen Erscheinungsbild der Facebook-Präsenz des Bistums Münster, die ja sonst eher durch Blumenbildchen und 'Inspirational Quotes' der eher multispirituell-esoterischen Art glänzt. Was war da los? 

Als die ersten irritierten Reaktionen eintrafen, sah sich Redaktuer Thomas Mollen zu einer Klarstellung veranlasst: 
"Hallo zusammen, der Text ist ein persönliches Statement unseres Weihbischofs Stefan Zekorn auf seinem Twitter-Account. Dass er hier auf Facebook ohne Kontext erscheint, war ein technisches Versehen."
Ach so. War also nur ein Versehen. Noch dazu ein technisches. Na dann. - Weitere Kommentare von FB-Nutzern kamen hinzu; manche waren empört, andere dankten Weihbischof Zekorn für seine klare Positionierung und äußerten Freude darüber, dass auf der FB-Seite des Bistums auch mal solche Töne zum Klingen kommen. Letztere Kommentare schienen der Redaktion peinlicher zu sein als erstere. Nach kaum einer halben Stunde wurde der Beitrag gelöscht. 

Nun, seien wir ehrlich: Einen Beitrag, der von vornherein nur irrtümlich auf der Seite erschienen ist, wieder zu löschen, ist an und für sich legitim. Dennoch entsteht in diesem konkreten Fall der unschöne Eindruck, die Social-Media-Redaktion des Bistums zensiere ihren eigenen Weihbischof. Darüber hinaus entsteht der ebenfalls etwas irritierende Eindruck, in der Redaktion fürchte man sich mehr vor dem Beifall konservativer[*] Katholiken als vor deren Kritik. 

Symbolbild: Regenbogenflagge an Kirche. (Quelle hier
Ich möchte an dieser Stelle ein Zitat bringen, das auch schon in meinem gestrigen Artikel vorkommt, dort aber angesichts der Länge des Texts vielleicht ein bisschen untergeht. Im vierten Kapitel der "Benedict Option" paraphrasiert Rod Dreher eine Passage aus Václav Havels Essay "Die Macht der Ohnmächtigen"
"Man stelle sich vor - schreibt Havel -, ein Gemüsehändler, der unter kommunistischer Herrschaft lebt, hängt ein Schild in sein Ladenfenster, auf dem steht 'Arbeiter der Welt, vereinigt euch!'. Er tut das nicht unbedingt, weil er daran glaubt. Er will einfach nur keinen Ärger. Und wenn er im Grunde gar nicht recht daran glaubt, wird er das Beschämende dieses Zwangs verbergen, indem er sich selbst sagt: 'Was ist falsch daran, wenn sich die Arbeiter der Welt vereinigen?'. Furcht gestattet es der offiziellen Ideologie, ihre Macht zu bewahren - und verändert schließlich die Überzeugungen des Gemüsehändlers. Jene, die, so Havel, 'in der Lüge leben', kollaborieren mit dem System und kompromittieren damit ihre Integrität als Mensch.
Jeder Akt hingegen, der der offiziellen Ideologie widerspricht, ist eine Verweigerung gegenüber dem System. Was, wenn der Gemüsehändler das Schild eines Tages nicht mehr in sein Ladenfenster hängt? Was, wenn er sich weigert, mitzumachen, nur um unbehelligt zu bleiben? 'Seine Revolte ist ein Versuch, in der Wahrheit zu leben'."
Ich deutete es gestern schon an: Das Propaganda-Banner unserer Tage ist die Regenbogenflagge. Wer sie sich nicht wenigstens im metaphorischen Sinne "ins Fenster hängt", bekommt Probleme - zwar (noch) nicht von Seiten des Staates, aber doch zumindest von einem wütenden Social-Media- oder gegebenenfalls auch Real-Life-Mob. Der Facebook-Redaktion des Bistums Münster ist heute morgen durch ein technisches Versehen eine Gelegenheit in den Schoß gefallen, im Sinne Havels "in der Wahrheit zu leben" - aber offenbar wollte man das lieber doch nicht tun. 

Eine Aussage darüber, ob sie denn inhaltlich mit den Worten von Weihbischof Zekorn übereinstimme, war der Redaktion bislang nicht zu entlocken. 

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[* Nebenbei bemerkt möchte ich mit Dietrich v. Hildebrand in Frage stellen, ob es überhaupt angemessen ist, die Zustimmung zur tradierten Lehre der Katholischen Kirche - auch da, wo sie unpopulär ist - als "konservativ" zu bezeichnen.] 



Mittwoch, 28. Juni 2017

Was ist dran an der "Benedict Option"? (Teil 5)

Ich hatte es schon angekündigt: Im vierten Kapitel von Rod Drehers "The Benedict Option" geht es um Politik. Was, auch das deutete ich an, insofern besonders interessant ist, als das Vorwort und einzelne Passagen des ersten Kapitels den Eindruck erwecken konnten, der Autor plädiere für einen völligen Ausstieg gläubiger Christen aus dem Politikbetrieb. Das, so stellt er nun im vierten Kapitel klar, ist durchaus nicht seine Absicht. Vielmehr geht es ihm - so auch der Titel des Kapitels - um "Eine neue Form christlicher Politik".  

(Ich schicke voraus, dass mir das vorliegende Kapitel auch deshalb besonders aktuell erscheint, weil ja just durchgesickert ist, dass im Bundestag noch diese Woche über die sogenannte "Ehe für alle" entschieden werden soll, und nun zahlreiche konservative Christen in Deutschland, die bislang treu CDU gewählt haben oder sogar Mitglieder dieser Partei waren, politisch desillusioniert sind und nicht wissen, wohin mit sich. Vielleicht kann dieses Benedict Option-Kapitel ihnen Trost bieten. Ich werde noch im Einzelnen darauf zurückkommen.) 

Aber erteilen wir erst mal meinem Freund Rod das Wort: 
"Die alten, vertrauten Kategorien, die den Rahmen für das politische Denken und den politischen Diskurs bildeten, sind tot oder liegen im Sterben. Wo finden rechtgläubige Christen ihren Platz in dieser anbrechenden Realität? Auf welcher Seite sollten wir stehen? Oder gibt es überhaupt eine [richtige] Seite für uns?
Die Antwort wird diejenigen konservativen Christen, die die Kirche als die Republikanische Partei beim Gebet betrachten oder mit mehr Überzeugung in die Wahlkabine gehen als zum Sonntagsgottesdienst, nicht zufriedenstellen." 
Da haben wir's schon. Die Formulierung mit der "Republikanischen Partei beim Gebet" hat mich zunächst mal beträchtlich amüsiert, aber so ganz fremd ist uns in Deutschland diese Denkweise wohl nicht. Allenfalls sind hier die Zeiten, in denen die CDU aus Sicht konservativer Christen unangefochten das Gute, Schöne, Wahre in der Politik verkörpert hat, schon etwas länger vorbei.  Aber erst mal weiter im Text: 
"Die Benedikt-Option erfordert eine radikal neue Art, Politik zu betreiben: einen praxisorientierten Lokalismus, der an die Pionierarbeit von Ostblock-Dissidenten anknüpfen kann, die während des Kalten Krieges dem Kommunismus trotzten. Eine an westliche Verhältnisse angepasste Variante 'antipolitischer Politik' - um einen von dem tschechischen politischen Gefangenen Václav Havel geprägten Begriff zu verwenden - ist der beste Weg nach vorn für gläubige Christen, die ein praktisches und effektives Engagement im öffentlichen Leben anstreben, bei dem sie nicht Gefahr laufen, ihre Integrität und letztlich ihre Menschlichkeit zu verlieren." 
Der Hinweis auf das Vorbild der tschechischen Dissidenten macht neugierig - so ging's mir jedenfalls bei der erstmaligen Lektüre -, deshalb warne ich schon mal: Es wird ein bisschen dauern, bis er darauf zurückkommt. Im ersten Drittel des Kapitels dreht sich erst mal ziemlich Vieles um die konkrete politische Situation in den USA, und man mag argwöhnen, dass das für den nicht-US-amerikanischen Leser etwas weniger interessant ist als für des Autors Landsleute. Aber andererseits: Für Trump scheint sich der durchschnittliche Deutsche ja kaum weniger zu interessieren als der durchschnittliche US-Bürger. Und zu Trump hat Rod Dreher eine ganze Menge zu sagen. Spoiler: Der Autor ist ausgesprochen anti-Trump. Allerdings auch ein bisschen anti-anti-Trump. Womit ich persönlich mich ganz gut identifizieren kann; zu den Details später. Der erste größere thematische Abschnitt des Kapitels trägt die interessante Zwischenüberschrift "Aufstieg und Fall des werteorientierten Wählers"; und darin zeigt Rod Dreher erst einmal auf, dass der in den USA geradezu sprichwörtliche Wählertypus des "values voter" eine relativ neue Erscheinung ist - bzw. war, da er seine große Zeit im Grunde auch schon wieder hinter sich hat.  
"Noch in den 1960er Jahren waren Fragen der Moral und der Kultur - mit der bedeutenden Ausnahme der Bürgerrechtsfrage - keine ausschlaggebenden Themen in der US-Politik. Amerikaner trafen ihre Wahlentscheidung im Wesentlichen unter ökonomischen Gesichtspunkten, wie schon seit der Weltwirtschaftskrise. In der kulturell christlich geprägten Gesellschaft herrschte ein ausreichender moralischer Konsens, um Fragen von Geschlecht und Sexualität aus der Politik herauszuhalten.
Die Sexuelle Revolution veränderte dies grundlegend. Angefangen mit dem Gerichtsurteil Roe vs. Wade zur Legalisierung von Abtreibung im Jahr 1973, begannen die Amerikaner, sich gemäß ihrer moralischen Gesinnung politisch zu positionieren. Innerhalb der Republikanischen Partei begann der Aufstieg der 'Religiösen Rechten' und zugleich innerhalb der Demokratischen Partei der Aufstieg der Säkularen Linken. Um die Jahrhundertwende war der Kulturkampf unbestritten der Brennpunkt politischer Auseinandersetzungen in Amerika.
'Hatten Wahlen früher die Partei der Arbeiterklasse gegen die Partei der Wall Street in Stellung gebracht', schrieb der Journalist Thomas Byrne Edsall im Atlantic, "so stehen nun Wähler, die an eine festgelegte und universal gültige Moral glauben, solchen gegenüber, die moralische Fragen - vor allem soweit sie die Sexualität betreffen - als veränderlich und als eine Angelegenheit individueller Entscheidungsfreiheit betrachten.'
Das war im Jahr 2003. Heute ist der Kulturkampf, wie wir ihn kennen, vorbei. Die sogenannten 'werteorientierten Wähler' - also religiös und sozial Konservative - wurden besiegt und werden an die Ränder des politischen Spektrums gedrängt. [...] Obwohl Donald Trump die Präsidentschaft zum Teil dank starker Unterstützung von Katholiken und Evangelikalen gewann, ist die Vorstellung, jemand, der so stramm vulgär, heftig streitsüchtig und in moralischer Hinsicht unglaubwürdig ist wie Trump, könne zur Leitfigur einer Erneuerung christlicher Moral und sozialer Einigkeit werden, mehr als illusorisch. Er ist keine Lösung für das Problem von Amerikas kulturellem Niedergang, sondern ein Symptom davon." 
Da sind wir also schon mitten drin in der Trump-Kritik. Ging ja schnell. Im Folgenden setzt der Autor diese Kritik fort, differenziert sie aber auch: 
"Wo finden die einstigen 'werteorientierten Wähler' ihren Platz unter den neuen Verhältnissen? Ehrlich gesagt: gar nicht. Der Präsidentschaftswahlkampf von 2016 hat auf durchdringende, schmerzhafte Weise deutlich gemacht, dass konservative Christen, die einst ihren komfortablen und angestammten Platz in der Republikanischen Partei hatten, politisch heimatlos sind.
Unsere großen Themen - Abtreibung und Religionsfreiheit - spielten im Republikanischen Vorwahlkampf keine Rolle. Donald Trump eroberte die Nominierung der Partei, ohne um die religiös Konservativen werben zu müssen. In seiner Rede auf dem Nominierungsparteitag ignorierte er uns. Während des Hauptwahlkampfs sprangen einige prominente Evangelikale und eine Handvoll führender Katholiken aus nackter Angst vor einer Regierung Hillary Clintons auf den Trump-Zug auf. Bei seinem handstreichartigen Wahlsieg eroberte Trump 52% der katholischen und verblüffende 81% der evangelikalen Wählerstimmen.
Wird Trump sich in seiner Regierung als Freund der christlichen Konservativen erweisen? Möglich. Wenn er Richter an das Oberste Bundesgericht und die niederrangigeren Gerichte beruft, die entschieden die Religionsfreiheit verteidigen, dann mag seine Regierung sich als ein Segen für uns erweisen. Obwohl Trumps Bekehrung zum Anliegen des Lebensschutzes sehr spät und offenbar aus politischen Opportunitätsrücksichten erfolgte, kann man vernünftigerweise davon ausgehen, dass seine Regierung diesem Anliegen nicht so feindlich gegenüberstehen wird wie die seines Vorgängers. Für Christen, die sich innerlich bereits auf weitere vier Jahre fortgesetzter Attacken seitens eines progressiven Weißen Hauses eingestellt hatten, sind das keine Kleinigkeiten.
Dennoch geht von dem neuen Regime in Washington eine Reihe von Gefahren aus - offenkundige wie verborgene Gefahren. Zum einen hat Donald Trumps lange Karriere im Licht der Öffentlichkeit gezeigt, dass er, was immer man sonst über ihn sagen mag, nicht dafür bekannt ist, seine Versprechen zu halten. Die Warnung des Psalmisten, nicht "auf Fürsten zu bauen", bleibt ein exzellenter Ratschlag.
Zum zweiten, die Kirche ist nicht bloß eine Versammlung konservativer Weißer beim Gebet. Viele Hispanics und andere Christen aus ethnischen Minderheiten, ebenso wie alle, die aus welchen Gründen auch immer nicht für den polarisierenden Trump gestimmt haben, hören deswegen nicht auf, Christen zu sein. Die Kirche während der Trump-Jahre zusammenzuhalten wird für uns alle eine enorme Herausforderung darstellen.
Obendrein werden konservative Christen - ob zu Recht oder nicht - in der öffentlichen Wahrnehmung in den nächsten vier Jahren, und sicher auch noch darüber hinaus, mit Trump assoziiert werden. Wenn konservative Kirchenführer in der öffentlichen Darstellung ihres Verhältnisses zur Trump-Regierung nicht außerordentlich vorsichtig vorgehen, wird eine unausweichliche Anti-Trump-Welle dem Ansehen der Kirche schweren Schaden zufügen. Die Wahl Trumps mag einige Probleme für die Kirche lösen, aber angesichts des Charakters dieses Mannes schafft sie gleichzeitig neue Probleme." 
Kurz gesagt: Man kann Trump nicht vertrauen; es gibt aus christlicher Sicht Gründe, anzunehmen, eine von ihm geführte Regierung sei im Vergleich zu einer von Hillary Clinton geführten das kleinere Übel, aber ein Übel ist sie allemal. Und wie groß dieses Übel tatsächlich ist, muss sich erst noch zeigen: 
"Dies führt uns zu den subtileren, aber potentiell noch verheerenderen Auswirkungen dieses unerwarteten Wahlsiegs der Republikanischen Partei. Zunächst einmal wäre die Versuchung der Anbetung der Macht zu nennen - und die Versuchung, die eigene Seele zu kompromittieren, um den Zugang zur Macht zu bewahren. Es gibt viele Arten, ein Körnchen Weihrauch für Caesar zu opfern, und man kann behaupten, dass einige Pro-Trump-Christen diese Linie während des Wahlkampfs überschritten haben.
Zudem besteht die Gefahr, dass Christen dazu zurückkehren, die Hände in den Schoß zu legen. Keine Regierung in Washington, wie ostentativ pro-christlich sie auch sein mag, ist in der Lage, kulturelle Trends aufzuhalten, die in die Richtung von Desakralisierung und Fragmentierung weisen und die sich über Jahrhunderte hinweg aufgebaut haben. Etwas anderes zu erwarten, wäre eine falsche Idolisierung, ja Vergötzung von Politik." 
Aufgemerkt: Es geht in der Politik nicht nur um die Personen, auch nicht nur um die Parteien. Gründe für Christen, von der Politik nicht allzu viel Gutes zu erwarten, gibt es auch unabhängig davon, wer gerade das Ruder in der Hand hält: 
"Ein Grund dafür, dass die zeitgenössische Kirche in so großen Schwierigkeiten steckt, liegt darin, dass die religiös Konservativen der letzten Generation irrtümlich geglaubt haben, sie könnten sich auf die Politik konzentrieren und die Kultur würde sich um sich selbst kümmern. Während der letzten rund dreißig Jahre haben viele von uns geglaubt, sie könnten die Welle des aggressiven Liberalismus der 1960er zurückdrängen, indem sie konservative Republikaner wählten [...], die versprachen, eine sozialpolitisch konservative Gesetzgebung zu fördern und konservative Richter ans Oberste Bundesgericht zu berufen.
Die Ergebnisse an der Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsfront waren ausgesprochen durchwachsen, aber das Urteil über die übergeordnete politische Strategie ist eindeutig: Wir haben versagt. Ein grundsätzliches 'Recht' auf Abtreibung ist nach wie vor unangefochten, und Umfrageergebnisse des Meinungsforschungsinstituts Gallup zu diesem Thema zeigen keine signifikanten Veränderungen von der Zeit von Roe vs. Wade bis heute. Das traditionelle Verständnis von Ehe und Familie wurde weder im Gesetz noch in den Sitten bewahrt, und die Folge davon ist, dass Gerichtshöfe drauf und dran sind, die Religionsfreiheit im Interesse von 'Antidiskriminierung' in dramatischem Ausmaß zurückzudrängen." 
Und das blüht uns ja jetzt in Deutschland höchstwahrscheinlich auch
"Nochmals: Die neue Trump-Regierung mag in der Lage sein, einige dieser Entwicklungen durch ihre Richterberufungen abzuwehren oder zumindest zu verlangsamen - aber das ist ein schwacher Trost. Kann ein von konservativen Parlamentariern verabschiedetes und von konservativen Richtern angewandtes Gesetz die Gesetze des menschlichen Herzens überschreiben? Nein, das kann es nicht. Politik ist kein Ersatz für persönliche Heiligung. Das Beste, was rechtgläubige Christen heute noch von der Politik erhoffen können, ist, dass sie einen Freiraum schafft [oder bewahrt], innerhalb dessen die Kirche ihre Werke der Nächstenliebe, des Kulturaufbaus und der Bekehrung betreiben kann." 
Im zweiten Abschnitt des Kapitels kommt Rod Dreher dann auf konkrete Möglichkeiten und Grenzen politischen Engagements zu sprechen: "Herkömmliche Politik: Was weiterhin getan werden kann" ist der Abschnitt überschrieben. Darin betont er zunächst einmal, wie schon eingangs erwähnt, dass er Christen keine völlige politische Abstinenz empfiehlt. 
"Wohlgemerkt, Christen können es sich nicht leisten, sich vollständig aus dem öffentlichen Diskurs zurückzuziehen. Die Kirche darf sich nicht vor ihrer Verantwortung scheuen, für politische Führungspersönlichkeiten zu beten und prophetisch zu ihnen zu sprechen. Christliche Anliegen sind nicht darauf beschränkt, Abtreibung zu bekämpfen, die Religionsfreiheit und die traditionelle Familie zu verteidigen." 
Gleichzeitig betont er, dass gläubige Christen sich keinesfalls vom als "konservativ" etikettierten politischen Lager vereinnahmen lassen sollten: 
"Konservative Christen können und sollten damit fortfahren, mit Liberalen zusammenzuarbeiten, um Zwangsprostitution, Armut, AIDS und dergleichen zu bekämpfen." 
Wenn es also nicht um einen totalen Rückzug aus dem politischen Diskurs gehen soll - worum dann
"Die eigentliche Frage, der wir uns stellen müssen, ist nicht, ob wir die Politik gänzlich aufgeben sollten, sondern wie wir politische Einflussnahme besonnen einsetzen, insbesondere im Rahmen einer instabilen politischen Kultur. Wann ist es feige, aus einer übertriebenen Angst vor Verunreinigung nicht mit säkularen Politikern zu kooperieren - und wann würde man sich durch Beteiligung korrumpieren?" 
Noch größeren Wert legt der Autor jedoch auf eine andere Feststellung: 
"Vor allem jedoch erfordern es die Zeiten, unsere Aufmerksamkeit der lokalen Kirche und Gemeinschaft zuzuwenden, deren Wohl und Wehe nicht in erster Linie davon abhängt, was in Washington geschieht. Und die Zeiten erfordern eine scharfsichtige Beurteilung der Zerbrechlichkeit dessen, was auf dem Wege der Parteipolitik erreicht werden kann." 
Und was folgt daraus? 
"Yuval Levin, der Herausgeber des Magazins National Affairs [...], argumentiert, dass religiös Konservative besser beraten wären, 'florierende Subkulturen aufzubauen', statt politisch einflussreiche Positionen anzustreben. Warum? Weil in einer Zeit der zunehmenden und unaufhaltsamen Fragmentierung eine gemeinsame Kultur nicht mehr denselben Stellenwert hat wie früher." 
Das heißt nun allerdings wiederum auch nicht, dass Christen sich nur noch in Sichtweite ihres eigenen Kirchturms politisch betätigen sollen: 
"Wenngleich rechtgläubige Christen sich der lokalen Basisarbeit zuwenden müssen, da sie nicht mehr erwarten können, die Politik in Washington in dem Maße beeinflussen zu können, wie sie es früher konnten, gibt es ein Thema, dem sie alle Aufmerksamkeit zuwenden sollten, die sie für die nationale Politik noch erübrigen können: das Thema Religionsfreiheit.
Religionsfreiheit ist von entscheidender Bedeutung für die 'Benedikt-Option'. Ohne eine kraftvolle und erfolgreiche Verteidigung der Schutzrechte des Ersten Verfassungszusatzes werden Christen nicht in der Lage sein, die kommunalen Institutionen aufzubauen, die lebenswichtig sind, um unsere Identität und unsere Werte zu bewahren. Mehr noch: Christen, die innerhalb des umkämpften Freiraums, der uns noch bleibt, nicht entschieden handeln, vergeuden wertvolle Zeit - eine Zeit, die schneller ablaufen könnte, als wir denken." 
Die Sorge um die Zukunft der Religionsfreiheit mag erstaunen angesichts der Tatsache, dass dieses Grundrecht unter den von den Zusätzen zur US-Verfassung garantierten Rechten an erster Stelle steht. Aber wer Nachrichten aus dem land of the free und home of the brave verfolgt, der wird wissen, dass diese Sorge nicht unbegründet ist. Christliche Bäcker, Floristen und Hochzeitsfotografen können ein Lied davon singen. Ich habe entsprechende Fälle bereits im 4. Teil dieser Artikelreihe verlinkt. - Im weiteren Verlauf stellt Rod Dreher seinen Lesern beispielhaft einen umtriebigen Lobbyisten für die Religionsfreiheit vor: 
"Lance Kinzer steckt mitten in jenem politischen Wandel, den christliche Konservative derzeit durchmachen müssen. Nach zehnjähriger Amtszeit in der Legislative des Staates Kansas hat er sein Mandat im Jahr 2014 aufgegeben und bereist nun das Land, um für eine Religionsfreiheits-Gesetzgebung in den Kammern der Bundesstaaten zu werben. 'Ich war ein ganz normaler evangelikal-christlicher Republikaner, mit allem, was dazugehört - wozu insbesondere ein Glaube daran gehörte, dass dieses Land "uns" gehört. Das war vermutlich nicht gesund', sagt er. [...]
Dennoch hat Kinzer sich nicht völlig von der Politik abgewandt. Das oberste Ziel von Benedict Option-Christen in der Welt konventioneller Politik ist es, den Raum zu sichern und auszuweiten, innerhalb dessen wir wir selbst sein und unsere eigenen Institutionen aufbauen können." 
Ich überspringe hier die Details von Kinzers politischer Karriere und den Gründen dafür, dass er sein Abgeordnetenmandat aufgegeben hat, und wende mich lieber praktischen Aspekten der Lobbyarbeit für das Recht auf Religionsfreiheit zu:
"Kinzer ist überzeugt, dass Christen, auch wenn sie ihren Interessenschwerpunkt auf die lokale Ebene verlagern und sich darauf konzentrieren, ihre eigenen örtlichen Kirchengemeinden zu stärken, es sich nicht leisten können, sich ganz aus der Politik zurückzuziehen. In Sachen Religionsfreiheit steht zu viel auf dem Spiel. Welche praktischen Konsequenzen hat dies auf der Graswurzel-Ebene? Kinzer gibt die folgenden Anregungen:
  • Werde auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene aktiv, wende dich mit persönlichen Briefen (nicht mir cut-and-paste-Rundmails aus dem Fundus von Aktivistengruppen) und in Vier-Augen-Gesprächen an Abgeordnete. 
  • Konzentriere dich auf vernünftige, erreichbare Ziele. Versuche nicht, allein den ganzen Kulturkampf auf einmal auszufechten, und vergeude das knappe politische Kapital nicht mit sinnlosen oder unnötig polarisierenden Gesten. 
  • Nichts ist wichtiger, als die Freiheit christlicher Institutionen zu bewahren, zukünftige Generationen im Glauben zu nähren. Angesichts unserer schwachen politischen Position müssen andere Anliegen zurückstehen. 
  • Suche den Kontakt zu lokalen Medien und lade dazu ein, in speziellen Auseinandersetzungen um Religionsfreiheit der religiösen Seite Gehör zu geben. 
  • Bleibe höflich und respektvoll. Gib der Gegenseite keinen Grund, sich in ihrer Auffassung bestätigt zu sehen, 'Religionsfreiheit' wäre nur ein Deckmantel für Bigotterie. 
  • Da die Kirche alle Verbündeten braucht, die sie finden kann, kooperiere konfessionsübergreifend und auch mit nichtchristlichen Religionen. Reiche auch Schwulen und Lesben, die nicht mit uns einverstanden sind, aber bereit sind, unser vom Ersten Verfassungszusatz garantiertes Recht auf Irrtum zu verteidigen, freundschaftlich die Hand." 
Der letzte Punkt scheint mir besonders kommentarwürdig. Besonders, soweit er nichtchristliche Religionen betrifft. In den Sozialen Netzwerken begegnen mir immer mal wieder Klagen konservativer Christen darüber, wie sehr hierzulande der Islam hofiert werde - von Politikern, Medien, aber auch von Repräsentanten der christlichen Kirchen. Was sich beispielsweise an einer Fülle von Grußbotschaften zum Beginn und zum Ende des Ramadan zeige: Der Österlichen Bußzeit der Christen werde ein solches Maß an Aufmerksamkeit nicht zuteil. Und auch sonst werde auf die religiösen Befindlichkeiten von Muslimen in der Öffentlichkeit viel mehr Rücksicht genommen als auf die von Christen. Zum Teil kann ich solche Beschwerden auf einem emotionalen Level nachvollziehen. Für klug halte ich sie jedoch nicht. Religionsfreiheit gibt es nur entweder für alle Religionen oder für keine. Wer gelegentlich mal ein Auge riskiert, um sich öffentliche Social-Media-Diskussionen zuzumuten, in denen es irgendwie um Kritik am Islam geht, wird feststellen können, dass es von Kommentatoren nur so wimmelt, die nur auf die Gelegenheit warten, den Hinweis loszuwerden, das Christentum sei ja (mindestens) genauso schlimm. Auch und gerade die AfD, die von manchen von der CDU enttäuschten Konservativen politisch favorisiert wird, macht bei ihren Angriffen auf den Islam oft genug keinen großen Hehl daraus, dass das Christentum - außer vielleicht als dekoratives kulturelles Relikt - ihr auch nicht wesentlich sympathischer ist. Was will ich mit alledem sagen? Dass es von Fall zu Fall durchaus eine Überlegung wert sein könnte, ob und zu was für Anlässen Christen und Muslime gut daran täten, im öffentlichen Diskurs an einem Strang zu ziehen. -- Ende des Exkurses. Zum Abschluss des zweiten Unterkapitels hat der Autor noch eine wichtige Mahnung an seine Leser: 
"Aber so wichtig Religionsfreiheit auch ist, dürfen Christen dennoch nicht vergessen, dass Religionsfreiheit kein Selbstzweck ist, sondern ein Mittel, das es uns ermöglichen soll, voll und ganz als Christen zu leben. Religionsfreiheit ist ein wichtiger Bestandteil der Bedingungen, die es uns erlauben, mit der eigentlichen Arbeit der Kirche und mit der 'Benedikt-Option' voranzuschreiten. Wenn das Ziel, die Religionsfreiheit zu bewahren, uns abverlangt, jene moralischen Überzeugungen zu kompromittieren, die uns als Christen auszeichnen, dann werden alle Siege, die wir möglicherweise erringen, fadenscheinig sein. Der Auftrag der Kirche ist nicht politischer Erfolg, sondern Treue." 
Symbolbild; Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0120-035 / Weisflog, Rainer / CC-BY-SA 3.0
(gefunden hier
Und dann kommt endlich die lang erwartete "Antipolitische Politik" an die Reihe - so lautet die dritte Zwischenüberschrift. Hier greift Dreher zunächst einmal auf das vorige Kapitel zurück und legt dar, warum eine Orientierung an der Spiritualität der Benediktinerregel, wie er sie empfiehlt, auch eine politische Relevanz hat: 
"Die 'Benedikt-Option' erfordert eine neue christliche Politik - eine, die aus unserer Position einer relativen Machtlosigkeit im zeitgenössischen Amerika erwächst. Es mag seltsam klingen, die Ordensregel des Hl. Benedikt als ein politisches Dokument zu bezeichnen; aber sie ist nichts Geringeres als eine Verfassung, die das Leben einer bestimmten Gemeinschaft regelt. Indem sie vorschreibt, wie die Benediktinischen Tugenden in mönchischen Gemeinschaften gelebt werden sollen, ist die Ordensregel politisch.
[...] Wenn wir an 'Politik' denken, stellen wir uns darunter Wahlkampf, Wahlen, Aktivismus, Gesetzgebungsprozesse vor - all die Elemente des Staatswesens einer Demokratie. Im fundamentalsten philosophischen Sinne jedoch ist Politik der Prozess, durch den wir uns darüber verständigen, wie wir miteinander leben wollen." 
Im Folgenden macht der Autor keinen Hehl daraus, dass er diesen erweiterten Politikbegriff wesentlich interessanter findet als die politischen Prozesse im demokratischen Staat - und auch wesentlich relevanter für die Situation gläubiger Christen in einer säkularen Gesellschaft. 
"Die Politik der 'Benedikt-Option' beginnt damit, anzuerkennen, dass die westliche Gesellschaft post-christlich ist und dass - wenn kein Wunder geschieht - keine Hoffnung besteht, dass sich dieser Zustand in der absehbaren Zukunft ändert. Das bedeutet, dass die Möglichkeiten für rechtgläubige Christen, auf dem Wege konventioneller Politik etwas zu erreichen, sich erheblich verringert haben. Die meisten Amerikaner werden viele Dinge, die traditionsorientierte Christen als gut betrachten, nicht nur ablehnen, sondern sie sogar für böse halten. Der Versuch, unseren verlorenen Einfluss zurückzugewinnen, wird sich als Verschwendung von Energie erweisen - oder Schlimmeres, wenn die finanziellen und sonstigen Ressourcen, die man dem Aufbau alternativer Institutionen für den langfristigen Widerstand widmen könnte, stattdessen für einen zum Scheitern verurteilten Versuch verpulvert werden, an der Macht festzuhalten." 

An dieser Stelle ein erneuter Exkurs. Gestern las ich auf der Facebook-Wall einer geschätzten Freundin die Sätze: "Nach den schockierend schnellen Entwicklungen zur Ehe für alle schrieb jemand, dass er jetzt aus der CDU austreten würde. Meine Antwort: 'Austreten?? Wann wurde schon mal was durch Austreten verändert?? EINTRETEN, liebe Freunde!!'" -- Ohne es überheblich zu meinen: So habe ich auch gedacht, als ich mit 14 Jahren in die Junge Union eintrat. Es war keine sonderlich erfolgreiche Strategie. Und mit der Lektüre der Benedict Option im Rücken würde ich heute nur umso überzeugter sagen: Nö. Durch die Mitgliedschaft, sogar ausgesprochen aktive Mitgliedschaft in einer Partei verändert man exakt gar nichts. Außer vielleicht sich selbst, und zwar nicht zum Besseren. Eine andere Freundin kommentierte auf Facebook: "Ne ne ne. Sorry. Mit der Einstellung könnte ich auch in die MLPD eintreten mit dem Ziel, daraus die Marianische Liga Papsttreuer Deutscher zu machen." Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Schon früher fand, meiner persönlichen Erfahrung zufolge, die politische Meinungsbildung in Parteien und Verbänden nicht von unten nach oben statt, sondern umgekehrt; und in der Ära Merkel ist das prinzipielle Ignorieren der eigenen Parteibasis ja nun wirklich zur Kunst perfektioniert worden. Und sie kann es sich ja auch leisten: Selbst wenn die eigene Partei wirklich einmal der Kanzlerin die Gefolgschaft verweigern würde, könnte sie problemlos mit Rot-Rot-Grün weiterregieren. -- Erneut: Ende des Exkurses! 

"Ein Teil des Wandels, den wir vollziehen müssen, besteht darin, zu akzeptieren, dass gläubige Christen in den kommenden Jahren möglicherweise vor der Wahl stehen werden, entweder gute Amerikaner oder gute Christen zu sein. In einer Nation, in der 'Gott und Land' [traditionell] so eng miteinander verwoben sind, ist die Vorstellung, dass Bürgerschaft und religiöser Glaube in einem radikalen Spannungsverhältnis zueinander stehen könnten, ungewohnt." 
Jetzt wird er wieder alarmistisch, der Rod! Oder? 
"Alexis de Tocqueville war überzeugt, dass die Demokratie den Verlust des christlichen Glaubens nicht überleben könne. Selbstregierung erfordert gemeinsame Überzeugungen hinsichtlich moralischer Wahrheiten. Der christliche Glaube verwies die Menschen über sich selbst hinaus und lehrte sie, dass Gesetze fest in einer moralischen Ordnung verwurzelt sein müssen, die von Gott geoffenbart und garantiert worden ist.
Wenn eine demokratische Nation ihren Glauben verliert, so Tocqueville, fällt sie einem ungeordneten Individualismus, Materialismus und 'demokratischen Despotismus' zum Opfer [...]. Darum 'muss das Christentum innerhalb der neuen Demokratien um jeden Preis festgehalten werden'.
Das haben wir nicht getan. Wenn Tocqueville Recht hat, müssen konservative Christen sich jetzt auf sehr düstere Zeiten gefasst machen. Die Wahl von 2016 war ein Menetekel. Amerikaner hatten die Wahl zwischen einer Establishment-Demokratin, die zentralen christlichen Werten und der Religionsfreiheit zutiefst feindselig gegenüberstand, und einem Republikanischen Außenseiter ohne besondere religiöse Bindung, der sich als Starker Mann verkaufte, der durch schiere Willenskraft Ordnung zu schaffen versprach." 
Es kommt noch schärfer: 
"In seinem 2016 erschienenen Buch 'Conserving America?' [...] stellt Patrick J. Deneen, ein politischer Theoretiker der [katholischen] Universität Notre Dame, die These auf, dass der Liberalismus der Aufklärung, aus dem beide US-Parteien hervorgegangen sind, auf der Prämisse aufbaut, Menschen seien von Natur aus 'frei und unabhängig' und der Zweck einer Regierung sei es, das autonome Individuum freizusetzen. [...]
Dies widerspricht dem, was sowohl die Heilige Schrift als auch die Erfahrung uns über die menschliche Natur lehren. Der Zweck der Zivilisation, so Deneen, 'ist es stets gewesen, familiäre, gesellschaftliche und kulturelle Strukturen zu erhalten und zu unterstützen, die persönliche und generationsübergreifende Formen von Verpflichtung und Dankbarkeit, von Pflicht und Schuldigkeit lebendig erhalten und vertiefen.'
Anders ausgedrückt: Zivilisation ist nicht dafür da, dem Individuum zu ermöglichen, zu tun und zu lassen, was es will. Dies zu glauben ist ein anthropologischer Irrtum. Eine Zivilisation, in der niemand eine Verpflichtung gegenüber der Vergangenheit, der Zukunft, gegenüber einander oder gegenüber irgend etwas Höherem als der eigenen Befriedigung verspüren würde, wäre in gefährlichem Maße fragil. In den Jahrzehnten des Niedergangs des Weströmischen Reiches beschrieb Augustinus die Gesellschaft als vergnügungssüchtig, selbstbezogen und planlos in den Tag hinein lebend." 
Und schließlich: 
"Eine Demokratie kann, da sie die Herrschaft des Volkes vorschreibt, nur so stark sein wie die Menschen, die in ihr leben." 
Klingt plausibel. Aber was ist denn jetzt zu tun
"Was für eine Art von Politik sollten wir im Rahmen der 'Benedikt-Option' betreiben? Wenn wir unsere Auffassung von Politik so erweitern, dass sie auch die Kultur miteinbezieht, können wir feststellen, dass es praktisch unbegrenzte Möglichkeiten für Aktivität und Dienst gibt. Der christliche Philosoph Scott Moore sagt [...:] 'In der Politik geht es darum, wie wir unser gemeinsames Leben in der polis ordnen - ob das nun eine Stadt, eine Gemeinde oder auch eine Familie ist. [...] Es geht darum, wie wir zusammen leben, wir wir das, was uns am wichtigsten ist, identifizieren und bewahren, wie wir Freundschaft pflegen und unsere Kinder erziehen, wie wir lernen, darüber zu denken und zu sprechen, welche Art zu leben wirklich das Gute Leben ist.'
Betrachtet man  Politik in diesem Sinne, dann können amerikanische Christen viel von den Erfahrungen der tschechischen Dissidenten unter dem Kommunismus lernen. Die Essays, die der tschechische Dramatiker und politische Gefangene Václav Havel und sein Umfeld unter einem Ausmaß an Unterdrückung und Verfolgung verfassten, das weit über alles hinausgeht, was amerikanischen Christen aller Wahrscheinlichkeit nach in naher Zukunft bevorstehen könnte, präsentieren eine kraftvolle Vision authentischer christlicher Politik in einer Welt, in der wir eine machtlose, verachtete Minderheit sind.
Havel, der 2011 verstarb, vertrat ein Konzept, das er 'antipolitische Politik' nannte und dessen Wesenskern er als 'in der Wahrheit leben' beschrieb. Seine berühmteste und eindringlichste Äußerung war ein umfangreicher, 1978 entstandener Essay mit dem Titel 'Die Macht der Ohnmächtigen' [...].
Man stelle sich vor - schreibt Havel -, ein Gemüsehändler, der unter kommunistischer Herrschaft lebt, hängt ein Schild in sein Ladenfenster, auf dem steht 'Arbeiter der Welt, vereinigt euch!'. Er tut das nicht unbedingt, weil er daran glaubt. Er will einfach nur keinen Ärger. Und wenn er im Grunde gar nicht recht daran glaubt, wird er das Beschämende dieses Zwangs verbergen, indem er sich selbst sagt: 'Was ist falsch daran, wenn sich die Arbeiter der Welt vereinigen?'. Furcht gestattet es der offiziellen Ideologie, ihre Macht zu bewahren - und verändert schließlich die Überzeugungen des Gemüsehändlers. Jene, die, so Havel, 'in der Lüge leben', kollaborieren mit dem System und kompromittieren damit ihre Integrität als Mensch.
Jeder Akt hingegen, der der offiziellen Ideologie widerspricht, ist eine Verweigerung gegenüber dem System. Was, wenn der Gemüsehändler das Schild eines Tages nicht mehr in sein Ladenfenster hängt? Was, wenn er sich weigert, mitzumachen, nur um unbehelligt zu bleiben? 'Seine Revolte ist ein Versuch, in der Wahrheit zu leben' - und sie wird ihn eine Menge kosten. Vielleicht verliert er seine Arbeit und seine Stellung in der Gesellschaft. Vielleicht dürfen seine Kinder nicht auf die Hochschule gehen dürfen, auf die sie wollen - oder auf überhaupt keine Hochschule. Leute werden ihn drangsalieren und ausgrenzen. Aber indem er Zeugnis für die Wahrheit ablegt, hat er etwas potentiell Machtvolles vollbracht.
Er hat gesagt, dass der Kaiser nackt ist. Und da der Kaiser tatsächlich nackt ist, ist etwas extrem Gefährliches passiert: Durch sein Handeln hat der Gemüsehändler [...] es allen ermöglicht, einen Blick hinter den Vorhang zu werfen. Er hat allen gezeigt, dass es möglich ist, in der Wahrheit zu leben." 
So, da wären wir endlich bei den tschechischen Dissidenten angekommen. Havels Beispiel mit dem Gemüsehändler gefällt mir übrigens sehr. Beim wiederholten Lesen verwandelte sich das Banner mit dem kommunistischen Slogan übrigens vor meinem geistigen Auge unversehens in eine Regenbogenflagge. Say no more. - Und was, außer sich der offiziellen Propaganda zu verweigern, kann und soll man noch tun? 
"Die Antwort besteht demnach darin, 'Parallelstrukturen' zu schaffen und zu erhalten, in denen die Wahrheit in Gemeinschaft gelebt werden kann. Ist das nicht eine Form von Eskapismus, ein Rückzug in ein Ghetto? Ganz und gar nicht, sagt Havel: Eine gegenkulturelle Gemeinschaft, die sich der Verantwortung entzöge, für andere da zu sein und ihnen zu helfen, wäre letztlich nur 'eine kultiviertere Art, in der Lüge zu leben'.
Ein gutes Beispiel dafür, wie ein besseres Leben unter solchen Bedingungen aussehen könnte, kommt von dem verstorbenen Mathematiker und Dissidenten Václav Benda. Benda, ein gläubiger Katholik, war überzeugt, dass der Kommunismus die Bevölkerung dadurch in einem eisernen Griff hielt, dass er die Menschen voneinander isolierte, ihre sozialen Bindungen fragmentierte. Das tschechische Regime ging massiv gegen die Katholische Kirche vor und zwang viele Gläubige dazu, ihren Glauben nur noch im privaten Rahmen zu praktizieren, verborgen hinter den Wänden ihres Heims, wo er nicht die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich ziehen konnte.
Bendas spezieller Beitrag zur Dissidentenbewegung war die Idee der 'parallelen polis' - einer abgetrennten, aber durchlässigen Gesellschaft, die neben der offiziellen kommunistischen Ordnung existierte. [...]
Unter erheblichem Risiko für sich selbst und seine Familie (er und seine Frau hatten sechs Kinder) verweigerte Benda sich der Ghettoisierung. Er sah keine Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit den Kommunisten, aber er lehnte auch Quietismus ab - als eine Haltung, die es versäumte, rechte christliche Sorge für Gerechtigkeit, Nächstenliebe und evangeliumsgemäßes Zeugnis für Christus im öffentlichen Raum zu zeigen. Für Benda konnte Havels Aufforderung zum 'Leben in der Wahrheit' nur Eines bedeuten: als Christ in Gemeinschaft zu leben.
Benda sprach sich nicht für einen Rückzug in ein christliches Ghetto aus. Er beharrte darauf, dass die parallele polis ihre Aufgabe im Kampf für 'die Bewahrung oder Erneuerung der nationalen Gemeinschaft im umfassendsten Sinne des Wortes' sehen müsse - 'verbunden mit der Verteidigung aller Werte, Institutionen und materiellen Bedingungen, von denen eine solche Gemeinschaft abhängt'. [...]
In diesem Verständnis geht es bei der parallelen polis nicht etwa darum, einen geschützten Raum für Christen aufzubauen, sondern vielmehr darum, gemeinsame Praktiken und gemeinsame Institutionen zu etablieren (oder wiederzubeleben), die die Isolation und Fragmentierung der gegenwärtigen Gesellschaft überwinden können." 
Auch hier also wieder die Klarstellung, dass es - anders als es auf den ersten Blick den Anschein haben konnte - bei der Benedict Option gerade nicht um "Ghettobildung" oder "Wagenburgmentalität" gehen soll. Eine christliche Gemeinschaft muss nicht nur für sich selbst da sein, sondern auch und gerade für andere. Nur die Reihenfolge gilt es einzuhalten: Um für andere da sein zu können, muss die Gemeinschaft erst mal eine Gemeinschaft sein. Dazu in Kürze noch mehr. 
"Ob man es nun 'antipolitische Politik' nennt oder 'parallele polis': Wie könnte die Vision der tschechischen Dissidenten in unseren Verhältnissen aussehen? Havel gibt eine Reihe von Beispielen. Man denke an Lehrer, die sicherstellen, dass Kinder Dinge lernen, die ihnen in den staatlichen Schulen nicht beigebracht werden. Man denke an Schriftsteller, die über die Dinge schreiben, an die sie wirklich glauben, und Wege finden, ihre Werke an die Öffentlichkeit zu bringen, koste es was es wolle. Man denke an Priester und Pastoren, die einen Weg finden, ihre religiöse Berufung trotz Anfeindungen und gesetzlichen Hürden auszuleben, und an Künstler, die sich einen Scheiß [!] um die offiziell herrschende Meinung kümmern. Man denke an junge Leute, die sich entschließen, dass Erfolg in den Augen der Gesellschaft ihnen egal ist, und die 'aussteigen', um nach einem Leben in Integrität zu streben, was es sie auch kosten mag. Diese Leute, die sich weigern, sich  anzupassen, und stattdessen ihre eigenen Strukturen aufbauen, leben die Benedikt-Option." 
Damit kann ich eine Menge anfangen. Ich hoffe, meine Leser auch. 
"Wenn wir darauf hoffen, dass unser Glaube eines Tages die Welt verändert, müssen wir vor Ort beginnen. Benedict Option-Gemeinschaften sollten klein sein, weil 'jenseits eines gewissen Punktes menschliche Bindungen wie persönliches Vertrauen und persönliche Verantwortung nicht mehr funktionieren'. Und sie sollten 'auf natürliche Weise von unten wachsen' - das soll heißen, sie sollen sich organisch entwickeln und nicht durch eine zentrale Planung verordnet werden. Dieses Gemeinschaftskonzept geht vom Herzen des Einzelnen aus und verbreitet sich von dort aus in die Familie, die Kirchengemeinde, die Nachbarschaft und darüber hinaus." 
Werbeblock: Ich glaube, mit dem Mittwochsklub sind meine Liebste und ich im Prinzip schon auf dem richtigen Weg. 
"Um herauszufinden, was unsere Nachbarn brauchen und wollen, müssen wir ihnen nahe sein. In Bendas Zeit hatten die Tschechen kaum eine Vorstellung von Gemeinschaft untereinander. Das totalitäre Regime hatte ihnen das genommen. Bendas Ansatz, die Menschen zu repolitisieren, bestand darin, ihr grundlegendes Bedürfnis nach Gemeinschaft, nach Geselligkeit zu aktivieren, in welcher Form auch immer es ihnen zusagte." 
Der letzte Satz versöhnt mich sogar ein bisschen mit solchen kirchlichen Kreisen und Gruppen, bei denen ich mich bisher immer darüber geärgert habe, dass sie außer gemütlichem Beisammensein gar nichts machen, oder jedenfalls nichts mit spezifisch christlichem Inhalt. Ich fände es nach wie vor besser, wenn in solchen Gruppen mehr Inhaltliches geboten würde, aber immerhin habe ich jetzt gelernt: Geselliges Beisammensein an und für sich kann auch schon ein revolutionärer Akt sein. Danke, Rod, danke, Václav! 
"Eine Freundin von mir, die früher ein wildes, hedonistisches Leben führte, konvertierte zum Christentum, nachdem sie die wahrhaft glückliche Familie ihres Bruders gesehen und die Erfahrung gemacht hatte, dass das Leuchten in ihren Gesichtern und die Liebe in ihren Herzen aus ihrem Glauben an Christus hervorgingen. Sie sagte mir: 'Später wurde mir klar, dass ich bloß jemanden gebraucht hatte, der mir die Erlaubnis gibt, gesund zu sein.' In dem Maße, wie der Westen sich der spirituellen Trägheit hingibt, wird es immer mehr Menschen geben, die nach etwas Echtem, etwas Sinnvollem und, ja, etwas Gesundem suchen. Es ist unser Auftrag als Christen, ihnen das anzubieten." 
Aber sowas von. - Wir nähern uns allmählich dem Schluss des Kapitels, was man daran merkt, dass die Absätze mit resümierendem Charakter zunehmen: 
"So heftig und raumgreifend parteipolitische Auseinandersetzungen auch sein mögen: Christen müssen sich klar vor Augen halten, dass konventionelle amerikanische Politik das, was in unserer Gesellschaft und Kultur falsch läuft, nicht beheben kann. Sie ist dazu ungeeignet, weil sowohl ihr linker wie ihr rechter Flügel davon ausgeht, das eigentliche Ziel aller Politik sei es, die individuelle Entscheidungsfreiheit zu begünstigen und zu erweitern. Die Linke und die Rechte sind sich bloß darin uneinig, wo die Grenzen zu ziehen sind. Das Programm keiner Partei ist völlig vereinbar mit der christlichen Wahrheit." 
Das gilt für Deutschland auch, möchte ich anmerken. 
"Im Gegensatz dazu geht die Politik der Benedikt-Option davon aus, dass die Verwirrung im öffentlichen Leben Amerikas aus der Verwirrung in der amerikanischen Seele hervorgeht. Die Politik der Benedikt-Option setzt bei der These an, dass die wichtigste politische Tätigkeit unserer Zeit darin besteht, eine innere Ordnung in Harmonie mit dem Willen Gottes wiederherzustellen. [...] Alles Weitere folgt auf natürliche Weise daraus.
Das bedeutet vor allem, auf die Liebe ausgerichtet zu sein. Wir werden zu dem, was wir lieben, und gestalten die Welt gemäß unserer Liebe. Wir sollten nicht aus einer Haltung von Furcht und Abscheu agieren, sondern aus Zuneigung und Zuversicht in Gott und Seinen Willen.
Wenn wir wahrhaft auf Gott ausgerichtet sind, brauchen wir uns über unmittelbare Ergebnisse unserer Bemühungen nicht zu sorgen - und das ist gut so." 
Und inwiefern und warum ist das gut so? 
"Benedict Option-Gemeinschaften aufzubauen, wird vielleicht unsere Nation nicht unmittelbar zurück auf die richtige Spur bringen, aber es lohnt sich dennoch. Jene, die sich dem Aufbau solcher Strukturen widmen, sollten sich von kurzfristigen Fehlschlägen nicht entmutigen lassen. Die wird es zwangsläufig geben." 
Das hat doch nun etwas sehr Ermutigendes. Finde ich. 
"Lasst euch von der Schlichtheit dieser Aufgabe nicht täuschen. Es handelt sich um Politik auf der fundamentalsten Ebene. Es ist Politik in Kriegszeiten, und wir führen nichts Geringeres als einen Krieg um das, was C.S. Lewis 'die Abschaffung des Menschen' nannte." 
Da fällt mir jetzt wieder dieses Mädel aus dem Café J ein, das sich über die allzu martialische Rhetorik von Johannes Hartls Vortrag "Erwecke die Helden" beschwerte. Ich schätze mal, an der Benedict Option hätte diese junge Dame auch keine rechte Freude. Wahrscheinlich aber auch noch aus anderen Gründen. 
"Im besten Falle legen Benedict Option-Gemeinschaften ein unwillkürliches politisches Zeugnis gegenüber der säkularen, liberalen Kultur ab, indem sie einen wirkungsvollen Kontrast zu einem Bündel aus zunehmend kalten und gleichgültigen politischen und ökonomischen Vorgängen bilden. Der Staat wird in Zukunft nicht in der Lage sein, sich um alle menschlichen Bedürfnisse zu kümmern - erst recht nicht, wenn die derzeitigen Prognosen bezüglich wachsender ökonomischer Ungleichheit sich bewahrheiten. Die schiere Menschlichkeit christlichen Mitgefühls und das Konzept menschlicher Würde, das sich in ihm ausdrückt, wird sich als außerordentlich attraktive Alternative erweisen - vergleichbar dem evangelisierenden Zeugnis der frühen Kirche inmitten des dahinschwindenden Heidentums im verbrauchten und entkräfteten Römischen Reich." 
Werden wir kurz vor Schluss noch einmal ganz praktisch:
"Wie soll man anfangen mit der antipolitischen Politik der Benedikt-Option? Grenze dich kulturell vom Mainstream ab. Schalte den Fernseher ab. Leg das Smartphone weg. Lies Bücher. Spiel Spiele. Mach Musik. Feiere mit deinen Nachbarn. Es genügt nicht, nur das Schlechte zu vermeiden - man muss auch das Gute ergreifen. Gründe eine Kirche oder eine Gruppe innerhalb deiner Kirche. Eröffne eine klassische christliche Schule oder schließe dich einer bestehenden an und unterstütze sie. Lege einen Garten an und beteilige dich an einem lokalen Wochenmarkt. Bring deinen Kindern bei, Instrumente zu spielen, und gründe eine Band. Tritt der Freiwilligen Feuerwehr bei." 
Diese Passage hatte ich auszugsweise schon einmal zitiert. Aus gutem Grund hatte ich dort ein paar Sätze weggelassen. Bei "Gründe eine Kirche" sehe ich einige meiner katholischen Leser (besonders einen - ich winke mal freundlich!) heftig zusammenzucken; man kann an dieser Stelle vielleicht beschwichtigend darauf hinweisen, dass das Buch schließlich unter anderem auch für protestantische Leser geschrieben ist, und vielleicht auch darauf, dass man diese Formulierung nicht zwingend im Sinne von "Mach deine eigene Konfession auf" verstehen muss: Es kann ja auch lediglich die Gründung einer Kirchengemeinde im Rahmen einer bestehenden Konfession gemeint sein. Auch das geht in der Katholischen Kirche natürlich nicht "einfach so", aber unmöglich ist es, wie ich gehört habe, auch nicht - wenn der Ortsbischof sich breitschlagen lässt, mitzuspielen. Ansonsten ist es für den katholischen Blutdruck vielleicht einfach besser, sich auf die "Gruppe innerhalb deiner Kirche" zu konzentrieren und die drei Wörter "eine Kirche oder" kurzerhand zu streichen. Was genau mit einer "klassisch christlichen Schule" gemeint ist, darauf wird in Kapitel 6 näher eingegangen. Und zum Stichwort "Wochenmarkt" fiele mir auch noch was ein, aber das hebe ich mir wohl lieber für einen eigenständigen Artikel auf. 
"Es geht nicht darum, dass wir aufhören sollten, wählen zu gehen oder uns anderweitig in der konventionellen Politik zu engagieren. Es geht vielmehr darum, dass das allein nicht mehr genügt. Als 1992 durch das Gerichtsurteil im Fall Planned Parenthood vs. Casey das 'Recht' auf Abtreibung bestätigt wurde, sah die Pro-Life-Bewegung ein, dass es auf kurze Sicht nicht möglich sein würde, das Roe vs. Wade-Grundsatzurteil zu revidieren. Also erweiterte die Bewegung ihre Strategie. Sie hörte nicht auf, Lobbyisten und Aktivisten zu beschäftigen, die den Guten Kampf in Washington und den Hauptstädten der Bundesstaaten kämpften; aber auf lokaler Ebene eröffneten kreative Lebensschützer Krisenschwangerschafts-Beratungszentren, und diese erlangten bald zentrale Bedeutung für das Anliegen des Lebensschutzes und retteten zahllosen Ungeborenen das Leben. Dies ist ein Vorbild, dem wir traditionsorientierte Christen folgen sollten. Die Zeiten haben sich dramatisch gewandelt, und wir können uns nicht länger darauf verlassen, dass Politiker und Aktivisten den Kulturkampf für uns führen." 
(Werbeblock Nr. 2: Unterstützt 1000plus!!) 

Und nun aber wirklich zum Schlussplädoyer: 
"Es kann nicht oft genug betont werden: Gläubige müssen die gewöhnliche Falle meiden, zu glauben, Politik könne kulturelle und religiöse Probleme lösen.
Das [fehlgeleitete] Vertrauen auf Republikanische Politiker und die von ihnen ernannten Richter, die Arbeit zu leisten, die nur kultureller Wandel und religiöse Bekehrung vollbringen können, ist ein bedeutender Grund dafür, dass wir Christen uns vielfach als so matt und kraftlos wahrnehmen. Die tiefgreifenden kulturellen Kräfte, die den Westen seit Jahrhunderten von Gott entfernt haben, werden nicht durch eine einzige Wahl aufgehalten oder zurückgedrängt werden - oder überhaupt durch Wahlen.
Wir glaubenstreuen Christen haben uns das innere Exil in einem Land, von dem wir dachten, es wäre das unsere, nicht ausgesucht, aber so ist die Situation nun einmal. Wir sind jetzt eine Minderheit, also lasst uns eine kreative Minderheit sein - eine, die warme, lebendige, lichterfüllte Alternativen zu einer zunehmend kalten, toten und dunklen Welt anbietet. [...] Der Verlust politischer Macht ist womöglich genau das, was die Seele der Kirche rettet. Indem wir aufhören zu glauben, das Schicksal des Amerikanischen Imperiums läge in unseren Händen, bekommen wir die Hände frei, um für das Königreich Gottes in unseren eigenen kleinen Auen zu arbeiten." 

(Ja, er schreibt shires. Wie in "Auenland". Sind wir nicht alle irgendwie Hobbits? Na, jedenfalls: Tolkien rulez. Forsetzung folgt!) 



Montag, 26. Juni 2017

Punk und Askese

Seit ich in Berlin lebe, habe ich zahlreichen Freunden und Bekannten beim Umzug geholfen; einigen davon mehrmals. Innerhalb Berlins wird einfach extrem viel umgezogen. Es gibt Statistiken darüber, aber die mag sich der geneigte Leser selbst bei Google heraussuchen. Von meinen diversen Umzugshilfe-Aktionen ist mir eine besonders im Gedächtnis geblieben: Ein Kumpel von mir, den ich in seiner Eigenschaft als Barmann in einer Punk-Kneipe kennengelernt hatte, zog aus einer Zweier-WG in ein linksautonom-punkiges "Hausprojekt" um. Ich könnte nicht sagen, ob es sich im technischen Sinne um ein besetztes Haus handelte oder um eine irgendwie legalisierte Form von "selbstverwaltetem Wohnen"; jedenfalls sah das Haus, von außen wie von innen, so aus, wie Otto Normalbürger sich ein "besetztes Haus" vorstellt. Da ich das Haus nicht zu meinem Vergnügen besuchte, sondern um zusammen mit anderen freiwilligen Helfern Möbel und Umzugskisten hineinzuschleppen, erinnere ich mich vor allem noch an das enge Treppenhaus, die diversen Durchgangszimmer sowie die Tatsache, dass überall irgendwelcher Kram herumstand, von dem man nicht so genau wusste, ob das Müll war oder ob dieser Kram noch irgendeinen Nutzen für die Hausbewohner hatte. Insgesamt erschien mir das Haus eng, dreckig, heruntergekommen und im Verhältnis zur Wohnfläche von zu vielen Leuten bewohnt. Aber mein Kumpel freute sich wie Bolle, hier einzuziehen. Das war die Art, wie er leben wollte. 

Die Erinnerung an dieses Erlebnis ist in mir kürzlich wieder wach geworden, als ich meine zugegebenermaßen noch einigermaßen unpräzisen Vorstellungen von "Punk-Pastoral" mit meinen Lektüreeindrücken von Rod Drehers "Benedict Option" in Beziehung zu setzen versuchte. Dazu muss ich zunächst mal anmerken, dass - was manchen Lesern bereits aufgefallen sein mag - der Begriff "Punk", so wie ich ihn verwende, nicht unbedingt ganz deckungsgleich ist mit der Punk-Bewegung im engeren Sinne; sofern sich letztere überhaupt klar definieren und abgrenzen lässt, was ich eher bezweifeln würde. Was ich - im positiv-wertschätzenden Sinne - unter "Punk" verstehe, ist eine bestimmte Art von Verweigerungshaltung gegenüber bürgerlichen Vorstellungen von Solidität und Wohlanständigkeit. Das ist natürlich ein weites Feld; eine solche Verweigerungshaltung kann in der Praxis allerlei unterschiedliche Formen annehmen, die ich durchaus nicht durchweg sympathisch und lobenswert finde. Einen gewissen Sympathievorschuss haben Punks bei mir aber doch. In einer autobiographisch angehauchten Kurzgeschichte aus meinem unveröffentlichten Zyklus "Nur nicht nach Hause" schrieb ich: 
"Ich habe ja schon in meiner Jugend gelegentlich in der Punk-Szene meiner heimatlichen Kleinstadt 'hospitiert'. Soll heißen, ich war nicht Bestandteil dieser Szene, war aber immer mal wieder 'mit dabei' [...] In meiner Heimatstadt gehen Punks in der Regel aufs Gymnasium, und die meisten machen auch tatsächlich ihr Abitur. Woanders würde das vielleicht ihrer 'credibility' Abbruch tun, aber da, wo ich herkomme, ist das Bestandteil ihrer Gruppenidentität." 
Nun kann ich mir zwar sehr gut vorstellen, dass viele, vielleicht die meisten meiner damaligen Punk-Freunde inzwischen einen stinknormalen Job, ein Haus oder eine Eigentumswohnung, ein Auto und 1,4 Kinder haben, zweimal im Jahr in Urlaub fahren und SPD wählen; aber darum soll's hier nicht gehen. Auf der anderen Seite aber auch nicht zwingend um diejenigen Punks, die mitsamt ihren Hunden vor dem Edeka-Markt herumlümmeln und die Supermarkt-Kunden um die Pfandmünzen aus ihren Einkaufswagen anschnorren. Zu deren Gunsten möchte ich allerdings noch anmerken, dass ich Bettelei als Konzept zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht zwangsläufig ehrenrühriger finde als manche Formen von Berufstätigkeit, einschließlich solcher, die ich selbst mal ausgeübt habe. Einige meiner Leser werden das vermutlich anders sehen und meinen, wer bettelt, statt zu arbeiten, sei ein Schmarotzer, der der Gesellschaft auf der Tasche liegt, ohne ihr etwas zurückzugeben. Ich will die Legitimität dieser Sichtweise nicht in Zweifel ziehen, ich habe lediglich eine Frage dazu: 

Würden Sie mit dem Hunde-Punk vor dem Edeka tauschen wollen? 

Vermutlich nicht. Und, sehen Sie, da wird es nun interessant. 

(Bildquelle hier.) 

Auf der Straße zu sitzen und zu betteln, ohne für das empfangene Geld eine Gegenleistung anzubieten, ist vielleicht eine besonders radikale Methode, sich den Zwängen des Arbeitsmarkts zu entziehen und trotzdem zu überleben, aber es ist ja nicht die einzige. Auf der faulen Haut zu liegen ist an und für sich nicht unbedingt Punk-Gesinnung. Man kann als Punk sogar sehr fleißig sein, nur eben nicht im Sinne dessen, was der gern zumindest oberflächlich in linker Theorie geschulte Punk "kapitalistische Verwertungszusammenhänge" nennt. Und dieser Unwille, die eigene Arbeitskraft kapitalistisch verwerten zu lassen, führt in der Regel dazu, dass Punks - auch diejenigen, die sehr wohl arbeiten - in materiell recht bescheidenen Verhältnissen leben. Das sieht man ja schon an Wohnverhältnissen wie den eingangs geschilderten. Man kann sagen: Punk bedeutet, ein Konzept von Freiheit zu leben, für das man auf viele Annehmlichkeiten verzichtet. In gewissem Sinne ist es ein asketischer Lebensstil

-- Ich ahne hier Widerspruch. Manch ein Leser wird einwenden mögen, er verbinde mit "Punk" vor allem die Vorstellung von Leuten, die den lieben langen Tag Bier trinken und/oder kiffen, und das sei ja nun nicht sonderlich asketisch. Da möchte ich darauf hinweisen, dass es innerhalb der Punk-Szene bereits seit den frühen 80ern auch die sogenannte Straight Edge-Bewegung gibt, die gerade als Reaktion auf bzw. Abgrenzung von exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum in der Szene entstanden ist und Rauschmittel komplett ablehnt. Einige Edger verzichten sogar auf Koffein, einige sind Vegetarier oder Veganer, und manche sind sogar auch in Hinblick auf ihr Sexualverhalten recht sittenstreng. Ich gebe zu, das ist eine Minderheit; ich will nur sagen: Die gibt es halt auch. Ich kenne da ein paar. 

Das in der einleitenden Umzugsgeschichte erwähnte Haus war bei weitem nicht das einzige selbstverwaltete Punk-Wohnprojekt, das ich in meiner Studentenzeit (und später) zu sehen bekommen habe, und oft habe ich mich als Gast in solchen Häusern oder Wohnungen ausgesprochen wohl gefühlt. Ein bisschen Idealisierung kommt in der Retrospektive wohl auch noch dazu, wie so oft im Leben. So oder so möchte ich aus heutiger Sicht die Behauptung wagen: Was Stichworte wie "intensives Gemeinschaftsleben unter Gleichgesinnten", "freiwillige Armut" und "Gastfreundschaft" angeht, hat so eine Punk-WG durchaus etwas "Benediktinisches" im Sinne der Benedict Option an sich. Bei allen Unterschieden, die es selbstverständlich auch gibt. Worin der wesentliche und entscheidende Unterschied zwischen einem linksautonom-punkigen Wohnprojekt und einer geistlichen Gemeinschaft besteht, lässt sich aber wohl ganz simpel und evident auf den Punkt bringen: Er besteht natürlich in der geistlichen Ausrichtung. Und dieser Unterschied hat erhebliche Auswirkungen. Wo der Geist Gottes nicht herrscht, da ziehen leicht allerlei Ungeister ein, und so kann es kaum verwundern, dass sich in autonomen Wohnprojekten und deren Umfeld oft fragwürdige Ideologien breit machen, die von Fall zu Fall auch dazu führen können, dass die "Basisdemokratie" in ausgesprochene Tyrannei umschlägt. Auch dazu habe ich schon mal was geschrieben

Vergessen wir in diesem Zusammenhang jedoch nicht, was die Hl. Theresia Benedicta vom Kreuz (Edith Stein) sagte: "Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht." Ideologische Prägungen, die z.T. dezidiert antichristliche Elemente aufweisen, mögen eine schwer zu überwindende Hürde für die Evangelisation darstellen; umgekehrt erscheint mir jedoch der Gedanke nicht völlig abwegig, ein Punk, der schließlich in gewissem Sinne bereits "der Welt abgeschworen" hat, könnte eher für den Dienst am Reich Gottes zu gewinnen sein als jemand, der gänzlich in seiner bürgerlichen Existenz aufgeht. 

Unabhängig von dieser Frage scheint es mir jedenfalls evident, dass ein urbanes "Benedict Option"-Projekt von der Punk-Szene eine ganze Menge lernen kann - von ihren Stärken, etwa was Selbstorganisation und Netzwerkbildung angeht; aber auch und nicht zuletzt von ihren Fehlern, die es zu vermeiden gilt. 


Mittwoch, 21. Juni 2017

Was ist dran an der "Benedict Option"? (Teil 4)

"Man kann nicht in die Vergangenheit zurückreisen, aber man kann nach Norcia gehen." Mit diesem Satz beginnt das 3. Kapitel von Rod Drehers Buch The Benedict Option, überschrieben "Eine Regel zum Leben". Den erzählerischen Rahmen für das Kapitel bilden reale Reiseeindrücke des Autors: 
"An einem warmen Februarmorgen reiste ich zum Kloster des Hl. Benedikt, der Heimat von fünfzehn Mönchen und ihrem Prior, Pater Cassian Folsom. Pater Cassian, ein 61jähriger Amerikaner, hatte das Kloster im Dezember 2000 mit einer Handvoll Benediktiner-Brüder wiedereröffnet, fast zwei Jahrhunderte nachdem der Staat die aus dem 10. Jahrhundert stammende Gebetsfestung geschlossen und ihre Mönche vertrieben hatte. [...] Die meisten der Männer, die das Kloster neubegründet haben, sind junge Amerikaner, die sich entschieden haben, als Benediktinermönche ihr Leben ganz und gar Gott hinzugeben - und nicht einfach als Mönche, sondern als Benediktiner, die entschlossen danach streben, die ganze Fülle ihrer Ordenstradition auszuleben." 
Die Abtei in Norcia, von der Dreher hier spricht, ist, wie wir wissen, inzwischen durch ein Erdbeben zerstört worden; darauf geht er im Nachwort des Buches ein. Im vorliegenden Kapitel hingegen schildert er das Leben in der am Geburtsort des Hl. Benedikt errichteten Abtei vor der Zerstörung - und gibt wieder, wie ihm in Gesprächen mit den dortigen Mönchen die Grund- und Leitgedanken der Ordensregel des Hl. Benedikt, die er durchweg nur The Rule, "DIE REGEL", nennt, nahegebracht wurden. 
"Die Benediktsregel ist eine detaillierte Zusammenstellung von Anweisungen zur Organisation und Leitung einer monastischen Gemeinschaft, in der Mönche (und, in separaten Klöstern, Nonnen) in Armut und Keuschheit zusammen leben. Dies gilt für alle monastischen Gemeinschaften, aber die Benediktsregel fügt noch drei besondere Gelübde hinzu: Gehorsam, Beständigkeit (stabilitas - die feste Zugehörigkeit zur selben Gemeinschaft von Mönchen bis zum Tod) und Bekehrung des Lebens, was soviel bedeutet wie die Hingabe an das lebenslange Werk vertiefter Buße. Die Ordensregel enthält auch Anweisungen zur Unterteilung des Tagesablaufs in Zeiten des Gebets, der Arbeit und der Lektüre der Heiligen Schrift und anderer geistlicher Texte. Der Heilige lehrte seine Anhänger, abgesondert von der Welt zu leben, aber auch Pilger und Fremde zu bewirten, die das Kloster besuchen.
Weit davon entfernt, eine Lebensweise für die Starken und Disziplinierten zu sein, ist Benedikts Regel für die Einfachen und Schwachen gedacht, um ihnen zu helfen, im Glauben zu wachsen und stärker zu werden. [...] Benedikt hatte ein bemerkenswertes Verständnis und Mitgefühl für menschliche Schwäche; daher betont er in der Vorrede zu seiner Ordensregel, er hoffe 'nichts Hartes und Belastendes' einzufordern, sondern lediglich streng genug zu sein, um die Herzen der Brüder dazu zu kräftigen, 'den Weg der Gebote Gottes mit unaussprechlicher Süßigkeit und Liebe zu verfolgen'." 
Man könnte somit sagen, das zentrale Thema des dritten Kapitels ist es, Antwort auf die Frage zu geben: Was ist benediktinisch an der Benedict Option? Dabei stellt der Autor von vornherein klar, dass es nicht darum gehen kann, Regeln für eine klösterliche Lebensweise Punkt für Punkt und wortwörtlich auf das alltägliche Leben christlicher Laien anzuwenden - wohl aber darum, aus den Kerngedanken dieser Regel Impulse zu beziehen: 
"Selbstverständlich ist die Ordensregel für das klösterliche Leben konzipiert, aber ihre Lehren sind einfach genug, dass Laienchristen sie für ihren eigenen Gebrauch adaptieren können. Die Ordensregel bietet Richtlinien für ein ernsthaftes und nachhaltiges christliches Leben, in einer Weise, die uns innerlich neu ordnet, das, was in unseren Herzen zerstreut ist, zusammenfügt und auf das Gebet hin ausrichtet. Wenn man sie auf effektive Weise anwendet, diszipliniert die Regel das Leben, das wir mit Anderen teilen, baut Barrieren ab, die die Liebe Gottes davon abhalten, unter uns zu wirken, und macht uns widerstandsfähiger, ohne unsere Herzen zu verhärten." 
Wichtig ist dabei auch die Klarstellung: 
"Mit der Benedict Option versuchen wir nicht, siebenhundert Jahre Geschichte ungeschehen zu machen, als ob das möglich wäre. Wir versuchen auch nicht, die Welt zu retten. Wir versuchen lediglich, eine christliche Lebensweise aufzubauen, die als Insel der Heiligkeit und Beständigkeit inmitten des Hochwassers der liquiden Moderne steht. Wir streben nicht danach, den Himmel auf Erden zu erschaffen; wir suchen lediglich nach einem Weg, stark im Glauben zu sein in einer Zeit großer Prüfungen. Die Ordensregel mit ihrer Vision eines geordneten, auf Christus als Zentrum ausgerichteten Lebens und die Praktiken, die sie zur Vertiefung unserer Bekehrung empfiehlt, können uns dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen." 
Die Benediktiner von Norcia; Bildquelle hier

Die Gliederung des mit 30 Seiten sehr umfangreichen Kapitels ist zum größten Teil von der Erläuterung von acht Grundprinzipien der Benediktsregel geprägt: Ordnung - Gebet - Arbeit - Askese - Beständigkeit - Gemeinschaft - Gastfreundschaft - Ausgewogenheit. Es liegt auf der Hand, dass und warum "Ordnung" an erster Stelle steht: Man könnte sagen, das Bestreben, sein Leben einer bestimmten Ordnung zu unterwerfen, ist die notwendige Grundvoraussetzung dazu, überhaupt so etwas wie eine Regel zu etablieren. 
"Wenn Unordnung ein bestimmendes Charakteristikum der modernen Welt ist, dann besteht der fundamentalste Akt des Widerstands darin, Ordnung zu schaffen." 
Nun will und kann ich nicht leugnen, dass dieses Primat der Ordnung für mich persönlich erst einmal eine erhebliche Herausforderung darstellt. Einfacher ausgedrückt: Ordnung liegt mir nicht. Noch nie. Meine Mutter und meine Lehrer können ein Lied davon singen. Meiner Frau gegenüber ist das kein so großes Problem, denn die hat, sofern das überhaupt möglich ist, noch weniger Sinn für Ordnung als ich. Aber Spaß beiseite: Ich bin geneigt, das, was Rod Dreher unter Verweis auf die Benediktsregel über die zentrale Bedeutung von Ordnung für das geistliche Leben sagt, umso ernster zu nehmen, weil mir Ordnung nicht liegt. Ermutigend fand ich in diesem Zusammenhang eine Biographie über den Seligen Karl Leisner, die ich kürzlich gelesen habe und die umfangreiche Auszüge aus Leisners Tagebüchern und Briefen enthält. Besonders an den Tagebucheintragungen Leisners aus seiner Gymnasiastenzeit fällt auf, wie oft und eindringlich er sich selbst zur Ordnung ermahnt. Wäre ihm das Einhalten dieser Ordnung leicht gefallen, wären diese permanenten Selbstermahnungen wohl nicht nötig gewesen. - Aber zurück zur Benedict Option
"Das Leben eines jeden Mönchs und all seine Arbeiten müssen auf den Dienst Gottes ausgerichtet sein. Die Ordensregel lehrt, dass Gott am Anfang und am Ende aller unserer Tätigkeiten stehen muss. Unsere geistlichen Leidenschaften durch den Rhythmus des täglichen Lebens und seine Disziplinen zu fesseln, und dies gemeinsam mit Anderen in unserer Familie und unserer Gemeinschaft zu tun, heißt, ein starkes Fundament des Glaubens aufzubauen, auf dessen Grundlage man ganz Mensch und ganz Christ werden kann." 
Theoretisch überzeugt mich das schon mal. Was die praktische Umsetzung angeht... schauen wir mal. 
"Es ist schwer, sich Regeln zu unterwerfen, die man nicht versteht; aber es ist ein gutes Gegenmittel gegen die fleischliche Begierde nach persönlicher Unabhängigkeit. Es mag an und für sich nicht spirituell verdienstvoll sein, sich dafür zu entscheiden, bei einer Mahlzeit nur zwei statt drei Gänge zu essen; aber die Demut, die man dadurch erreicht, dass man sich freiwillig den Entscheidungen eines Anderen unterwirft, hat transformierende Kraft.
Die klösterliche Ordnung bewirkt nicht nur Demut, sondern auch spirituelle Widerstandsfähigkeit. In gewissem Sinne sind die Benediktiner von Norcia eine Art Marine Corps des religiösen Lebens, das permanent für den geistlichen Kampf trainiert." 
Der hier - und auf den folgenden Seiten noch öfter - anklingende Gedanke, die Mönche als eine geistliche Elitetruppe aufzufassen, hat durchaus etwas Tröstliches: Es kann und muss ja nicht Jeder zur Elite gehören. Salopp ausgedrückt: Ganz so krass drauf sein wie die Mönche muss man demnach wohl nicht unbedingt. Aber, wie schon gesagt, Impulse kann man aus ihrer Lebensweise allemal beziehen - und sollte es auch. 
"Anders ausgedrückt: Dabei, das eigene Tun zu ordnen, geht es letztlich darum, das eigene Herz darin einzuüben, das Richtige, das Wahre zu lieben und zu begehren. Es geht darum, sich Tugend als Gewohnheit anzueignen." 
Dies also zum Thema Ordnung; weiter geht es mit dem Thema Gebet
"Der Apostel Paulus wies die Kirche in Thessalonike an: 'Betet ohne Unterlass!' (1. Thessalonicher 5,17). Benediktiner betrachten ihr gesamtes Leben als einen Versuch, dieses Gebot zu erfüllen. Im engeren Sinne ist Gebet - ob privat oder in Gemeinschaft - Kommunikation mit Gott. In einem weiteren Sinne bedeutet Gebet, ein ununterbrochenes Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu bewahren und bei allem, was man tut, Ihn im Sinn zu haben. Im Leben der Benediktiner steht regelmäßiges Gebet im Zentrum der Existenz der Gemeinschaft." 
Beten, betont Dreher, ist sogar noch wichtiger als arbeiten:
"Man erinnere sich an die Evangeliums-Erzählung über die Schwestern Maria und Marta. Als Jesus sie besuchte, fuhrwerkte Marta in der Küche herum, während Maria zu Jesu Füßen saß und Ihm zuhörte. Als Marta sich beklagte, dass Maria ihr nicht half, erwiderte der Herr, Maria habe 'das bessere Teil erwählt'.
Warum? Weil [...] es zwar wichtig ist, Dinge für den Herrn zu tun, aber noch wichtiger ist es, Ihn mit dem Herzen und dem Verstand kennenzulernen. Und darum hat Kontemplation Priorität." 
Zur Gebetspraxis der Benediktiner führt der Autor aus: 
"Benediktinermönche verbringen eine Menge Zeit mit Gott. Siebenmal am Tag versammeln sie sich um den Altar der Basilika, um die vorgeschriebenen Gebete des Offiziums, auch bekannt als Stundengebet, zu singen. Dabei handelt es sich um spezifische Gebete, die katholische Mönche (und Andere) seit Jahrhunderten zu festgesetzten Stunden des Tages rezitieren. Sie bestehen aus Psalmen, Hymnen, Schriftlesungen und Orationen. [...]
'Wir singen beim Gebet, wir stehen, sitzen, verneigen uns, knien, werfen uns zu Boden', sagt Pater Cassian. 'Der Körper ist am Gebet sehr stark beteiligt. Es ist nicht bloß eine Art intellektueller Meditation. Das ist wichtig.'" 
Hier wie auch an einigen anderen Stellen des Kapitels gleicht Rod Dreher die Lehren und Praktiken der Benediktiner mit seinen persönlichen Erfahrungen ab: 
"Wenn man im Gebet Fortschritte macht - sagt Pater Basil -, dann versteht man allmählich, dass es im Gebet nicht so sehr darum geht, Gott um etwas zu bitten, sondern vielmehr darum, einfach in Seiner Gegenwart zu sein.
Ich erzählte dem Priester, wie mein eigener orthodoxer Priester zu Hause in Louisiana mir - als Reaktion auf eine persönliche Krise - eine strikte Gebetsroutine verordnet hatte: das Jesusgebet ('Herr Jesus, Sohn Gottes, hab Erbarmen mit mir, einem Sünder') jeden Tag für ungefähr eine Stunde zu beten. Anfangs war es öde und schwer durchzuhalten, aber ich tat es aus Gehorsam.
Jeden Tag, eine scheinbar endlose Stunde lang, stilles Gebet. Nach und nach jedoch kam mir diese Stunde immer kürzer vor, und ich entdeckte, dass der Seelenfriede, an dem es mir so auffallend gemangelt hatte, hervortrat.
Nachdem ich geistlich geheilt war, erklärte mir mein Priester seine Beweggründe dafür, mir dieses simple meditative Gebet aufzutragen: 'Ich musste dich aus deinem Kopf herausbekommen.'" 
Leuchtet mir intuitiv irgendwie ein. - Zur herausragenden Wichtigkeit des Betens für das christliche Leben heißt es weiter: 
"Wenn wir unsere ganze Zeit mit Aktivität verbringen - selbst wenn diese Aktivität im Dienst Christi steht - und dabei Gebet und Kontemplation vernachlässigen, gefährden wir unseren Glauben. Der 60er-Jahre-Medientheoretiker Marshall McLuhan, ein praktizierender Christ, sagte einmal, bei jedem, den er kannte, der vom Glauben abgefallen sei, habe dieser Glaubensverlust damit begonnen, dass die betreffende Person aufhörte zu beten. Wenn wir ein in rechter Weise geordnetes christliches Leben führen wollen, muss Gebet die Basis von allem sein, was wir tun." 
An dieser Stelle ein emphatischer Einwurf: Marshall McLuhan! <3 Eins der ersten Bücher, die ich im Rahmen meines Studiums des Faches "Theaterwissenschaft/kulturelle Kommunikation" lesen "musste", und auch eins der eindrucksvollsten, war McLuhans Gutenberg-Galaxis. Dass der große Medientheoretiker als junger Mann unter dem Einfluss Chestertons zum Katholizismus konvertiert war und zeitlebens tief gläubig blieb, wusste ich damals nicht, obwohl es mir im Rückblick scheint, ich hätte beim Lesen der Gutenberg-Galaxis so eine Ahnung gehabt. Muss mir das Buch wohl bei Gelegenheit noch mal zur Brust nehmen. Ende des Exkurses. Bzw. gleich auf zum nächsten Exkurs: Gebet als "Basis von allem, was wir tun" - das erinnert mich ja nun stark an Johannes Hartl und das Gebetshaus Augsburg. Als ich Rod Dreher kürzlich in München traf, erzählte ich ihm u.a. auch davon. Anscheinend hatte er noch nie davon gehört, aber das gilt umgekehrt vielleicht genauso. Könnte interessant sein, da mal einen Kontakt herzustellen. -- Aber weiter im Text: 
"Wer auch nur irgend etwas über die Benediktiner weiß, wird vermutlich schon einmal gehört haben, dass ihr Motto ora et labora - 'Bete und arbeite' - laute. Streng genommen stimmt das nicht ganz. Der Hl. Benedikt hat das so nie gesagt, und obwohl heutige Benediktiner dieses Motto für sich selbst in Anspruch nehmen, ist es erst seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlich. Dennoch ist es keine schlechte Beschreibung der grundsätzlichen Herangehensweise der Benediktiner an das Leben." 
Nach dem Thema Gebet ist nun also das Thema Arbeit an der Reihe. 
"Der Heilige erwartete von jedem seiner Klöster, dass es sich selbst versorgen konnte, und er lehrte - was für einen Römer seiner Epoche ungewöhnlich war -, dass körperliche Arbeit eine heiligende Wirkung haben könne." 
Hmpf - körperliche Arbeit, schon wieder so etwas, was mir nicht besonders liegt. Im weiteren Verlauf des Kapitels geht es allerdings gar nicht so spezifisch um körperliche Arbeit, sondern eher um Arbeit allgemein
"Einige von uns definieren sich über ihre Arbeit und widmen sich ihr in übertriebenem Maße, auf Kosten der Kontemplation. Andere hingegen betrachten Arbeit als etwas, das man tut, um seine Rechnungen zu bezahlen, weiter nichts; das heißt, sie betrachten Arbeit als etwas vom sonstigen Leben - besonders vom spirituellen Leben - Getrenntes.
Das ist ein Fehler, sagt die Ordensregel. Die Arbeit muss nicht uns dienen, sondern Gott und Gott allein. In einem Kapitel zur Unterweisung handwerklich tätiger Mönche sagt Benedikt, wenn diese Mönche anfangen, [ungebührlich] stolz auf ihre Arbeit zu sein, muss der Abt ihnen eine andere Aufgabe geben. So wichtig ist christliche Demut." 
Das ist zweifellos ein recht "unzeitgemäßer" Gedanke; aber es kommt noch schärfer: 
"In der nahen Zukunft werden Christen - besonders in bestimmten Berufsfeldern - von den Umständen dazu gezwungen werden, ihre Einstellung zur Arbeit zu überdenken. In einigen Fällen wird man uns wegen unseres Glaubens zur Tür hinausweisen. In anderen Fällen wird sich uns die Tür von vornherein nicht öffnen - oder wenn doch, werden Männer und Frauen, die auf ihr Gewissen hören, nicht hindurchgehen können. Das wird uns Geld und Ansehen und möglicherweise berufliche Zufriedenheit kosten. Unsere Wahrnehmung von Arbeit im Benediktinischen Sinne, auf eine Weise, die Gott in den Mittelpunkt stellt, neu auszurichten, wird uns helfen, die richtige Entscheidung zu treffen, wenn wir am Arbeitsplatz auf die Probe gestellt werden, und wird uns Kraft geben, wenn wir gezwungen sind, uns einen neuen Beruf zu suchen." 
Hier sind wir an einem der Punkte, an denen nicht wenige Kritiker geneigt sein werden, dem Autor vorzuwerfen, seine Prognosen bezüglich der nahen Zukunft seien allzu düster und alarmistisch. Ausgrenzung und Diskriminierung von Christen am Arbeitsplatz? Wo gibt's denn sowas? -- Doch, doch, das gibt's schon
"Der Ausschluss gläubiger Christen von bestimmten Berufen wird schwer zu akzeptieren sein. Tatsächlich ist es für die heutigen Gläubigen schwer, sich das auch nur vorzustellen - zum Teil deshalb, weil wir als Amerikaner nicht daran gewöhnt sind, unseren beruflichen Ambitionen Beschränkungen aufzuerlegen. Doch der Tag ist nicht mehr fern, an dem das, was christlichen Bäckern, Floristen und Hochzeitsfotografen bereits widerfahren ist, sich in erheblich größerem Umfang ereignen wird. Und viele von uns sind nicht darauf vorbereitet, für ihren Glauben Nachteile in Kauf zu nehmen." 
Mit dem Stichwort "für den Glauben Nachteile in Kauf zu nehmen" leitet Rod Dreher direkt zum Thema Askese über: 
"Deshalb ist Askese - das Aufsichnehmen körperlicher Härten im Interesse eines geistlichen Ziels - ein so wichtiger Bestandteil des gewöhnlichen christlichen Lebens. [...] Askese, abgeleitet vom griechischen Wort askesis, bedeutet soviel wie "Training". Das Leben, das die Ordensregel vorschreibt, ist durch und durch asketisch. Mönche fasten regelmäßig, leben bescheiden, lehnen Bequemlichkeit ab und unterwerfen sich den strengen Regeln des Klosters. [...] Askese ist ein Gegengift gegen die in unserer Kultur weit verbreitete Egozentrik, die uns einredet, die Befriedigung unserer Begierden sei der Schlüssel zum guten Leben. Der Asket weiß, dass wahres Glück nur darin gefunden werden kann, in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes zu leben; und asketische Praktiken trainieren Körper und Seele dazu, Gott über das eigene Selbst zu stellen." 
Nach allem bisher Gesagten brauche ich wohl kaum noch extra zu betonen, dass Askese ebenfalls zu den Dingen gehört, in denen ich nicht besonders gut bin. Wobei der Autor klarstellt, dass man sich unter "Askese" nicht zwangsläufig blutige Selbstgeißelung vorstellen muss. In gewissem Sinne ist Askese lediglich das geistliche Pendant zu dem, was man im weltlichen Kontext "Selbstdisziplin" nennt - und das kann man schließlich üben, und sollte man wohl auch. 
"Ein Christ, der Askese praktiziert, übt sich darin, Nein zu den eigenen Begierden und Ja zu Gott zu sagen. Diese Einstellung ist in der modernen Zeit im Westen so gut wie verschwunden. Wir sind ein Volk geworden, das die Bequemlichkeit ins Zentrum stellt. Wir erwarten von unserer Religion, bequem zu sein. Leiden zu ertragen ergibt für uns keinen Sinn. Und ohne Fasten und andere asketische Disziplinen verlieren wir die Fähigkeit, zu den Begierden unseres Herzens Nein zu sagen.
Den christlichen Asketismus wiederzuentdecken ist eine dringliche Aufgabe für Gläubige, die ihre Herzen - und die Herzen ihrer Kinder - darin einüben wollen, dem Hedonismus und Konsumismus zu widerstehen, der im Zentrum der zeitgenössischen Kultur steht." 
Was ich in diesem Zusammenhang fast noch interessanter finde als meine persönlichen Schwierigkeiten mit dem Thema Askese, ist der Umstand, dass ein Leser in einem Kommentar zu einer früheren Folge meiner Artikelserie zur Benedict Option die Frage aufwarf, wie sich Rod Drehers Thesen denn wohl mit dem von mir schon früher ins Gespräch gebrachten Schlagwort "Punk-Pastoral" vertrügen. Mein spontaner Impuls dazu lautete: Wieso, die Benedict Option IST doch im Grunde Punk-Pastoral! Aber ich sehe ein, dass das nicht unbedingt intuitiv ersichtlich ist. Gerade beim Thema "Askese" nicht. Ich denke aber, gerade hierzu ließe sich eine Menge sagen; seit ich die betreffenden Passagen von Drehers Buch gelesen habe, brütet in meinem Hinterstübchen die Idee zu einem Artikel mit dem Arbeitstitel "Punk und Askese" vor mich hin, aber ich weiß noch nicht, wann der reif sein wird, niedergeschrieben zu werden. Ich könnte jetzt sagen, ich müsste darüber noch nachdenken, aber ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Ich muss vielmehr darauf warten, dass ich mal in der Stimmung bin, den Artikel 'runterzuschreiben, ohne dabei viel nachzudenken. Solche Artikel gelingen mit in der Regel am besten. - Sehr bemerkenswert fand ich auch Drehers Ausführungen darüber, dass Askese nicht zwangsläufig mit "Buße" im Sinne von "Selbstbestrafung" identisch ist: 
"Eine übergewichtige Person hält nicht deshalb Diät, weil sie sich dafür bestrafen will, dass sie dick ist, sondern um gesünder zu werden. Ein Athlet betreibt nicht Fitnesstraining, weil er sich schuldig fühlt, wenn er vor dem Fernseher herumsitzt, sondern um seinen Körper auf den Wettkampf vorzubereiten. So ist es auch mit den Mönchen und ihrer Askese - und so muss es auch mit uns Christen sein. Wir praktizieren Selbstverleugnung, um uns in der Liebe und dem Dienst an Christus und Seinem Volk zu stärken." 
Als nächstes wendet sich der Autor dem Benediktinischen Grundsatz der stabilitas loci zu: 
"Ein Baum, der wieder und wieder entwurzelt und verpflanzt wird, wird es schwer haben, gesunde Früchte hervorzubringen. So ist es auch mit Menschen und ihrem geistlichen Leben. [...] Wenn wir geistlich Wurzeln schlagen wollen - so lehrt Benedikt -, müssen wir lange genug an einem Ort bleiben, um diese Wurzeln in die Tiefe wachsen zu lassen. Die Ordensregel verlangt den Mönchen ab, ein Gelübde der 'Beständigkeit' (stabilitas) abzulegen - was bedeutet, dass sie außer unter besonderen Umständen (zu denen es etwa gehört, als Missionar ausgesandt zu werden) für den Rest ihres Lebens in dem Kloster zu bleiben haben, in dem sie ihre Gelübde abgelegt haben." 
Wenngleich hier klargestellt wird, dass der Grundsatz der stabilitas nicht absolut ausschließt, dass ein Mönch aus besonderen Gründen doch an einen anderen Ort geschickt wird, bleibt festzuhalten, dass die grundsätzliche Bindung an einen konkreten Ort für eine moderne Lebenseinstellung eine enorme Herausforderung darstellt: 
"'Das ist der Punkt, an dem die Benediktinische Lebensweise am deutlichsten gegenkulturell ist', sagt Pater Benedict. 'Es ist die Lebensweise der Maria, nicht der Marta: unablässig zu den Füßen Christi zu verweilen, egal was man dir vorwirft, nicht zu tun.'
Die Bibel zeigt uns, dass Gott manche Menschen dazu beruft, ihre Sachen zu packen und auszuziehen, um Seine Absichten zu erfüllen, räumt Pater Benedict ein. 'Dennoch: In einer Kultur wie der unseren, wo jeder ständig in Bewegung ist, kann die Benediktinische Berufung, unter allen Umständen zu bleiben wo man ist, neue und bedeutende Wege zu Tage fördern, Gott zu dienen.'" 
Und weiter: 
"Pater Martin sagt, diejenigen, die meinen, die stabilitas laufe darauf hinaus, den Menschen einzuschränken und sein persönliches und geistliches Wachstum zu ersticken, verkennen den verborgenen Wert der Hingabe an die Beständigkeit. Sie verankert dich und gewährt dir eine Freiheit, die darin besteht, nicht dem Wind, den Wellen und den Strömungen des täglichen Lebens unterworfen zu sein. Sie schafft die geordneten Bedingungen, unter denen die innere Pilgerschaft der Seele zur Heiligkeit möglich wird." 
Von der stabilitas ist es kein weiter Weg zum Benediktinischen Verständnis von gelebter Gemeinschaft. Hier richtet der Autor seinen Blick (und mithin den des Lesers) zunächst auf den Mangel an gelebter Gemeinschaft, der die moderne Gesellschaft prägt: 
"Die Wurzellosigkeit des zeitgenössischen Lebens hat Gemeinschaftsbindungen ausfransen lassen. Es ist heutzutage weit verbreitet, dass Leute ihre Nachbarn nicht kennen und das auch gar nicht wirklich wollen. Teil einer Gemeinschaft zu sein heißt an ihrem Leben teilzuhaben. Das stellt unweigerlich Anforderungen an das Individuum, die seine Freiheit einschränken." 
Ich sag mal so: Ich bin auf einem Dorf in Niedersachsen aufgewachsen und mit 20 Jahren nach Berlin gezogen. Ich kenne sowohl das Gefühl von Freiheit, das die vielbeschworene Anonymität der Großstadt einem zunächst mal vermitteln kann, wenn man "vom Dorf kommt", als auch deren Schattenseiten. 
"Die Kirche ist nicht immer ein Zeichen des Widerspruchs gegen diesen modernen Mangel an Gemeinschaft. Im ersten Jahrzehnt meines Lebens als erwachsener Christ verließ ich die Kirche, sobald der Gottesdienst vorbei war. Mit den Leuten dort in Kontakt zu kommen interessierte mich nicht. Nur Jesus und ich, das war alles, was ich wollte und brauchte - jedenfalls dachte ich das. Man könnte sagen, ich war nicht interessiert daran, an ihrer Pilgerschaft teilzunehmen; ich zog es vor, ein Tourist in der Kirche zu sein - und war geistlich zu unreif, um zu begreifen, wie schädlich das war.
Diese Konsumentenhaltung gegenüber der Gemeinschaft der Gläubigen reproduziert die Fragmentierung, die die Christenheit in der gegenwärtigen Welt erschüttert. In Benediktinischen Klöstern hingegen sind sich die Mönche stets bewusst, dass sie nicht bloß Individuen sind, die mit anderen Individuen zusammen wohnen, sondern Teil eines organischen Ganzen - eine spirituelle Familie." 
Es ist wohl nicht besonders überraschend, wenn ich an dieser Stelle an das "Dinner mit Gott" des Mittwochsklubs denke. Einerseits soll dieses Veranstaltungsformat ausdrücklich für jeden offen sein, der Lust darauf hat; aber andererseits hat es auch als Treffpunkt für Leute aus der örtlichen Kirchengemeinde seinen Sinn und Wert. Nun, das werde ich wohl auch an anderer Stelle näher ausführen. Erst mal weiter im Text: 
"Im Leben in einer christlichen Gemeinschaft - sei es eine klösterliche Gemeinschaft oder eine normale Pfarrgemeinde - geht es darum, jene Art von Kameradschaft zu begründen, die jeder von uns braucht, um seine persönliche Pilgerschaft zu vollenden. [...] Das heißt, die Kirche existiert als eine von Christus begründete Bruderschaft, auch dann, wenn es sich gerade nicht danach anfühlt." 
Das ist doch mal ein schöner Leitgedanke. Gerade wenn man sich als Kontrast dazu noch einmal die gesellschaftlichen Auswirkungen der Vereinzelung ansieht, die das moderne Leben so mit sich zu bringen scheint: 
"Auf seinen Reisen in Angelegenheiten des Klosters sieht Pater Martin, der Geschäftsführer der Gemeinschaft, eine Leere in den Gesichtern vieler Menschen, denen er begegnet. Sie wirken so angespannt, so beunruhigt, so unsicher. Die Mönche glauben, dass dies die Folge von Einsamkeit, Isolation und einem Mangel an tiefer und lebensspendender Gemeinschaftsbindung ist. Wenn das Leuchten in den Gesichtern der Leute vom Widerschein ihrer Laptops, Smartphones oder Fernsehschirme kommt, dann leben wir in einem Dunklen Zeitalter, sagt Pater Martin." 
Als nächstes steht - was in meiner kurzen Anmerkung zum "Dinner mit Gott" ja auch schon anklang - der Punkt "Gastfreundschaft" auf der Liste. Der ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil viele Kritiker der Benedict Option die im Vorwort und im ersten Kapitel erhobene Forderung nach "Rückzug" im Sinne einer Abschottung von der Außenwelt aufgefasst haben. Genau das ist jedoch nicht gemeint, stellt der Autor klar: 
"Das Benediktinische Verständnis von Gebet, Arbeit, Askese, Beständigkeit und Gemeinschaft erfordert Praktiken, die die Gemeinschaft der Mönche eng zusammenschweißen. Die daraus resultierende Nähe und Verbundenheit wird durch die Absonderung der Mönche von der Welt verstärkt. Dennoch ermahnt Benedikt sie in der Ordensregel, sich bewusst zu sein, dass sie nicht allein für sich selbst leben, sondern auch dazu, Außenstehenden zu dienen.
Der Ordensregel zufolge dürfen wir niemals jemanden abweisen, der unserer Liebe bedarf. Eine Kirche oder sonstige Benedict Option-Gemeinschaft muss offen für die Welt sein - um den Schatz der Liebe Gottes mit jenen zu teilen, denen sie fehlt.
Die Mönche leben überwiegend in Klausur - das heißt, sie bleiben innerhalb der Klostermauern und haben eingeschränkten Kontakt zur Außenwelt. Die spirituelle Arbeit, zu der sie berufen sind, erfordert Stille und Absonderung. Unsere Arbeit erfordert nicht dieselben Strukturen. Als Laienchristen, die inmitten der Welt leben, sind wir berufen, unter gewöhnlicheren gesellschaftlichen Bedingungen nach Heiligkeit zu streben.
Aber selbst die klausurierten Benediktiner praktizieren Gastfreundschaft gegenüber Fremden. Die Ordensregel schreibt vor, dass all jene, die das Kloster als Pilger oder Gäste aufsuchen, 'empfangen werden wie Christus selbst, der sagt, dass er einst sagen wird: Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.'" (Matthäus 25,35
Aber stehen das Konzept einer engen, abgesonderten Gemeinschaft einerseits und der Offenheit gegenüber der Außenwelt andererseits nicht in einem gewissen Widerspruch - oder sagen wir: Spannungsverhältnis - zueinander? Nun, wie so Vieles in der Benediktinischen Spiritualität ist auch dies eine Frage des rechten Maßes
"Der Hl. Benedikt verlangt von seinen Mönchen, offen gegenüber der Außenwelt zu sein - bis zu einem gewissen Punkt: Gastfreundschaft muss mit Umsicht und Besonnenheit ausgeübt werden, auf eine Weise, die es Besuchern nicht erlaubt, die Lebensweise der Mönche nicht zu stören. Zum Beispiel gilt die Vorschrift, bei Tisch zu schweigen, für Gäste wie für Mönche gleichermaßen. [...] Das Kloster empfängt dauernd Besucher, die alle möglichen Probleme haben und Rat, Hilfe oder einfach ein offenes Ohr suchen, und es ist wichtig, dass die Mönche ihre Ordnung aufrecht erhalten, damit sie in der Lage sind, diese Art von Gastfreundschaft zu gewähren." 
Zwingend gegen eine strikte Abschottung nach außen spricht schließlich auch, dass Christen dazu aufgerufen sind, missionarisch zu leben
"Die Kraft der populären Kultur ist so überwältigend, dass strenggläubige Christen oft die Notwendigkeit verspüren, sich hinter Verteidigungslinien zurückzuziehen. Aber Bruder Ignatius, 51, warnt, Christen dürften nicht so beklommen und ängstlich werden, dass sie es unterlassen, die Frohe Botschaft in Wort und Tat mit einer Welt zu teilen, die von Hass und Finsternis gefangen gehalten wird. Es ist umsichtig, vernünftige Grenzen zu ziehen, aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht verhalten wie der ungetreue Knecht im Gleichnis von den Talenten, der von seinem Meister für seine schwache, ängstliche Verwaltung der ihm anvertrauten Güter bestraft wurde.
'Angriff ist die beste Verteidigung. Man verteidigt sich, indem man attackiert', sagt Bruder Ignatius. 'Greifen wir an, indem wir Gottes Königreich vergrößern - zuerst in unseren Herzen, dann in unseren Familien, und dann in der Welt. Ja, man benötigt Grenzen, aber es ist unsere Pflicht, diese Grenzen nicht dort zu belassen, wo sie sind. Wir müssen sie ausweiten, Territorium hinzugewinnen, immer weiter.'" 
Schließlich kommt Dreher auf den Benediktinischen Grundsatz der Ausgewogenheit zu sprechen, dem gewissermaßen die Funktion zukommt, die zuvor genannten Grundsätze ins richtige Verhältnis zueinander zu setzen. 
"Das Benediktinische Leben ist streng, aber wenn man es gemäß der Ordensregel gestaltet, ist es zugleich frei von Fundamentalismus und Extremismus. [...] Seine Ausrichtung auf das Gemeinschaftsleben steht in scharfem Gegensatz zu einer Anzahl anderer christlicher Gruppierungen, die entweder zerbrochen oder sektenähnlich geworden sind, weil ein obsessiv puristischer, autoritärer Führer seine Macht missbraucht hat." 
Hört, hört. 
"Somit ist Ausgewogenheit - oder, anders ausgedrückt, Besonnenheit, Barmherzigkeit und gutes Urteilsvermögen - der Schlüssel zur Leitung des Lebens einer christlichen Gemeinschaft. Dazu gehört auch, die notwendigen Bestandteile des monastischen Lebens - essen, schlafen, beten, arbeiten, lesen - in einem harmonischen Verhältnis zueinander zu erhalten, damit nicht eines davon das Leben eines Mönchs dominiert, sondern alles zu einem gesunden Ganzen vereint wird." 
Ist die Benediktinische "Option" demnach gar nicht so radikal, wie man zunächst annehmen würde? - Doch, schon; oder besser gesagt: Ihre Radikalität liegt auf einer anderen Ebene
"Aber [...] niemand sollte meinen, die Ordensregel ziele auf eine ausgewogene Lebensweise in dem Sinne ab, dass man sich mit Halbheiten und spiritueller Mittelmäßigkeit zufrieden gäbe. Es geht nicht um eine Balance zwischen Gut und Schlecht, sondern zwischen verschiedenen Arten des Guten." 
Und was folgt daraus? 
"Laien können von der Benediktsregel profitieren, [...] wenn sie verstehen, was das Radikale an der Lebensweise des Hl. Benedikt ist: die völlige Aufgabe des Eigenwillens zugunsten des Willens Gottes. Die Methode mag Ausgewogenheit in ihrer Anwendung erfordern, aber das Ziel, das der Herr uns vorgegeben hat, ist außerordentlich: vollkommen zu sein, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist.
Weil Jesus eins mit dem Vater ist, müssen jene, die nach Vollkommenheit streben, Ihm nachzueifern suchen. Natürlich wäre es Häresie, zu glauben, man könne diese Vollkommenheit aus eigener Kraft oder diesseits des Himmels erreichen. Es ist ein Paradox des christlichen Lebens, dass man sich, je heiliger man wird, nur umso eindringlicher seiner Mängel bewusst wird - und damit seiner völligen Angewiesenheit auf die Barmherzigkeit Gottes. Gleichwohl: Die ideale Person ist die, die, indem sie dem Ruf Gottes folgt, Christus in Allem ähnlich wird. Ob sie zu einem klösterlichen Leben oder zum Leben in der Welt berufen ist, zur Gründung einer Familie oder zum Alleinleben, zu körperlicher Arbeit oder zu einem Schreibtischjob, dazu, zu Hause zu bleiben, oder um die Welt zu reisen: Sie muss nach besten Kräften danach streben, wie Jesus zu sein. Der Benediktinische Weg bietet - indem er unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele methodisch und praktisch zu einem harmonischen Leben ordnet, in dem Christus als das Zentrum von Allem stets gegenwärtig ist und Alles erfüllt - eine Spiritualität, die für Jeden zugänglich ist. Für den Christen, der dem Weg des Hl. Benedikt folgt, wird das alltägliche Leben zu einem ununterbrochenen Gebet, zugleich Opfer für Gott und Geschenk von Ihm - und so verwandelt Er uns Stück für Stück in ein Abbild Seines Sohnes." 
Klingt anspruchsvoll? Gewiss! 
"Das Benediktinische Beispiel ist ein Zeichen der Hoffnung, aber zugleich auch eine Warnung: Wie auch immer die Umstände sein mögen, ein Christ kann nicht in Treue leben, wenn Gott nur einen Teil seines Lebens ausmacht, ausgeklammert vom übrigen Leben. Letztendlich steht entweder Christus im Mittelpunkt unseres Lebens oder das Selbst und die Götzen, die es sich errichtet. Einen Kompromiss dazwischen gibt es nicht. Mit Seiner Hilfe können wir die Fragmente unseres Lebens zusammensetzen und um Ihn herum ordnen - aber das ist nicht einfach, und wir können es nicht allein tun. Etwas Geringeres anzustreben, würde jedoch darauf hinauslaufen, was der französische katholische Schriftsteller Léon Bloy in die Worte gekleidet hat: 'Die einzige wirkliche Traurigkeit, das einzige wirkliche Scheitern, die einzige große Tragödie des Lebens ist es, kein Heiliger zu werden.'" 
Gegen Ende des Kapitels kommt der Autor nochmals auf seine tiefe Wertschätzung für die Mönche von Norcia zurück: 
"Gegenüber Pater Martin merkte ich an, wie außergewöhnlich es ist, dass ein Ort wie dieser in der modernen Welt überhaupt existiert. Junge Männer, die eine bis in die Frühzeit der Kirche zurückreichende Tradition des Gebets, der Liturgie und des asketischen Gemeinschaftslebens aufgreifen - und die dies mit unverkennbarer Freude tun? Man sollte denken, so etwas könne es heutzutage gar nicht mehr geben.
Aber sie sind hier - ein Zeichen des Widerspruchs gegen die Moderne." 
Was aber - wie schon einmal angemerkt - nicht im Sinne einer "Flucht in die Vergangenheit" zu verstehen sein soll: 
"'Es gibt hier etwas, das sehr alt ist, aber zugleich ist es neu', sagt Pater Martin. 'Die Leute sagen: Ach, ihr versucht ja nur die Uhr zurückzudrehen. Aber das ergibt keinen Sinn. Wenn man etwas im Hier und Jetzt tut, dann heißt das, es geschieht im Hier und Jetzt. Es ist neu, und es ist lebendig! Und davon geht eine große Kraft aus.'" 
Der Schluss des Kapitels ist dann in gewissem Sinne zugleich eine Einleitung zu den sieben folgenden - deren jeweilige Oberthemen in einer Aufzählung am Ende des vorletzten Absatzes angerissen werden: 
"Wie aber holen wir die Benediktinische Weisheit aus dem Kloster heraus und wenden sie auf die Herausforderungen des weltlichen Lebens im 21. Jahrhundert an? Diese Frage ist es, der wir uns nun zuwenden. Der Weg des Hl. Benedikt ist keine Flucht vor der realen Welt, sondern ein Weg, die Welt zu sehen, wie sie wahrhaft ist, und entsprechend in ihr zu leben. Die Benediktinische Spiritualität lehrt uns, die Welt in Liebe zu ertragen und sie in dem Maße und in der Weise zu verändern, wie der Heilige Geist uns verwandelt. Die Benedikt-Option greift die Tugenden der Ordensregel auf, um die Art und Weise zu verändern, wie Christen mit Politik, Kirche, Familie, Gemeinschaft, Bildung und Erziehung, dem Berufsleben, Sexualität und Technologie umgehen.
Dieses Anliegen ist dringlich. Als ich Pater Cassian zum ersten Mal von der Benedikt-Option erzählte, sinnierte er über meine Worte und erwiderte dann ernst: 'Diejenigen, die nicht in irgendeiner Form etwas von dem tun, was du meinst, werden das, was auf sie zukommt, nicht überstehen.'" 
Ja, klar, das klingt jetzt wieder sehr alarmistisch. Aber die folgenden Kapitel werden zeigen, inwieweit an dieser Einschätzung was dran ist. In Kapitel 4 geht es erst einmal um Politik - was nicht zuletzt insofern spannend ist, als Rod Dreher im Vorwort und im ersten Kapitel die bisherigen Ansätze eines christlichen politischen Aktivismus in den USA kurzerhand für gescheitert erklärt hat. In Kürze werden wir erfahren, wie seiner Einschätzung zufolge die Alternativen aussehen könnten...