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Mittwoch, 21. Juni 2017

Was ist dran an der "Benedict Option"? (Teil 4)

"Man kann nicht in die Vergangenheit zurückreisen, aber man kann nach Norcia gehen." Mit diesem Satz beginnt das 3. Kapitel von Rod Drehers Buch The Benedict Option, überschrieben "Eine Regel zum Leben". Den erzählerischen Rahmen für das Kapitel bilden reale Reiseeindrücke des Autors: 
"An einem warmen Februarmorgen reiste ich zum Kloster des Hl. Benedikt, der Heimat von fünfzehn Mönchen und ihrem Prior, Pater Cassian Folsom. Pater Cassian, ein 61jähriger Amerikaner, hatte das Kloster im Dezember 2000 mit einer Handvoll Benediktiner-Brüder wiedereröffnet, fast zwei Jahrhunderte nachdem der Staat die aus dem 10. Jahrhundert stammende Gebetsfestung geschlossen und ihre Mönche vertrieben hatte. [...] Die meisten der Männer, die das Kloster neubegründet haben, sind junge Amerikaner, die sich entschieden haben, als Benediktinermönche ihr Leben ganz und gar Gott hinzugeben - und nicht einfach als Mönche, sondern als Benediktiner, die entschlossen danach streben, die ganze Fülle ihrer Ordenstradition auszuleben." 
Die Abtei in Norcia, von der Dreher hier spricht, ist, wie wir wissen, inzwischen durch ein Erdbeben zerstört worden; darauf geht er im Nachwort des Buches ein. Im vorliegenden Kapitel hingegen schildert er das Leben in der am Geburtsort des Hl. Benedikt errichteten Abtei vor der Zerstörung - und gibt wieder, wie ihm in Gesprächen mit den dortigen Mönchen die Grund- und Leitgedanken der Ordensregel des Hl. Benedikt, die er durchweg nur The Rule, "DIE REGEL", nennt, nahegebracht wurden. 
"Die Benediktsregel ist eine detaillierte Zusammenstellung von Anweisungen zur Organisation und Leitung einer monastischen Gemeinschaft, in der Mönche (und, in separaten Klöstern, Nonnen) in Armut und Keuschheit zusammen leben. Dies gilt für alle monastischen Gemeinschaften, aber die Benediktsregel fügt noch drei besondere Gelübde hinzu: Gehorsam, Beständigkeit (stabilitas - die feste Zugehörigkeit zur selben Gemeinschaft von Mönchen bis zum Tod) und Bekehrung des Lebens, was soviel bedeutet wie die Hingabe an das lebenslange Werk vertiefter Buße. Die Ordensregel enthält auch Anweisungen zur Unterteilung des Tagesablaufs in Zeiten des Gebets, der Arbeit und der Lektüre der Heiligen Schrift und anderer geistlicher Texte. Der Heilige lehrte seine Anhänger, abgesondert von der Welt zu leben, aber auch Pilger und Fremde zu bewirten, die das Kloster besuchen.
Weit davon entfernt, eine Lebensweise für die Starken und Disziplinierten zu sein, ist Benedikts Regel für die Einfachen und Schwachen gedacht, um ihnen zu helfen, im Glauben zu wachsen und stärker zu werden. [...] Benedikt hatte ein bemerkenswertes Verständnis und Mitgefühl für menschliche Schwäche; daher betont er in der Vorrede zu seiner Ordensregel, er hoffe 'nichts Hartes und Belastendes' einzufordern, sondern lediglich streng genug zu sein, um die Herzen der Brüder dazu zu kräftigen, 'den Weg der Gebote Gottes mit unaussprechlicher Süßigkeit und Liebe zu verfolgen'." 
Man könnte somit sagen, das zentrale Thema des dritten Kapitels ist es, Antwort auf die Frage zu geben: Was ist benediktinisch an der Benedict Option? Dabei stellt der Autor von vornherein klar, dass es nicht darum gehen kann, Regeln für eine klösterliche Lebensweise Punkt für Punkt und wortwörtlich auf das alltägliche Leben christlicher Laien anzuwenden - wohl aber darum, aus den Kerngedanken dieser Regel Impulse zu beziehen: 
"Selbstverständlich ist die Ordensregel für das klösterliche Leben konzipiert, aber ihre Lehren sind einfach genug, dass Laienchristen sie für ihren eigenen Gebrauch adaptieren können. Die Ordensregel bietet Richtlinien für ein ernsthaftes und nachhaltiges christliches Leben, in einer Weise, die uns innerlich neu ordnet, das, was in unseren Herzen zerstreut ist, zusammenfügt und auf das Gebet hin ausrichtet. Wenn man sie auf effektive Weise anwendet, diszipliniert die Regel das Leben, das wir mit Anderen teilen, baut Barrieren ab, die die Liebe Gottes davon abhalten, unter uns zu wirken, und macht uns widerstandsfähiger, ohne unsere Herzen zu verhärten." 
Wichtig ist dabei auch die Klarstellung: 
"Mit der Benedict Option versuchen wir nicht, siebenhundert Jahre Geschichte ungeschehen zu machen, als ob das möglich wäre. Wir versuchen auch nicht, die Welt zu retten. Wir versuchen lediglich, eine christliche Lebensweise aufzubauen, die als Insel der Heiligkeit und Beständigkeit inmitten des Hochwassers der liquiden Moderne steht. Wir streben nicht danach, den Himmel auf Erden zu erschaffen; wir suchen lediglich nach einem Weg, stark im Glauben zu sein in einer Zeit großer Prüfungen. Die Ordensregel mit ihrer Vision eines geordneten, auf Christus als Zentrum ausgerichteten Lebens und die Praktiken, die sie zur Vertiefung unserer Bekehrung empfiehlt, können uns dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen." 
Die Benediktiner von Norcia; Bildquelle hier

Die Gliederung des mit 30 Seiten sehr umfangreichen Kapitels ist zum größten Teil von der Erläuterung von acht Grundprinzipien der Benediktsregel geprägt: Ordnung - Gebet - Arbeit - Askese - Beständigkeit - Gemeinschaft - Gastfreundschaft - Ausgewogenheit. Es liegt auf der Hand, dass und warum "Ordnung" an erster Stelle steht: Man könnte sagen, das Bestreben, sein Leben einer bestimmten Ordnung zu unterwerfen, ist die notwendige Grundvoraussetzung dazu, überhaupt so etwas wie eine Regel zu etablieren. 
"Wenn Unordnung ein bestimmendes Charakteristikum der modernen Welt ist, dann besteht der fundamentalste Akt des Widerstands darin, Ordnung zu schaffen." 
Nun will und kann ich nicht leugnen, dass dieses Primat der Ordnung für mich persönlich erst einmal eine erhebliche Herausforderung darstellt. Einfacher ausgedrückt: Ordnung liegt mir nicht. Noch nie. Meine Mutter und meine Lehrer können ein Lied davon singen. Meiner Frau gegenüber ist das kein so großes Problem, denn die hat, sofern das überhaupt möglich ist, noch weniger Sinn für Ordnung als ich. Aber Spaß beiseite: Ich bin geneigt, das, was Rod Dreher unter Verweis auf die Benediktsregel über die zentrale Bedeutung von Ordnung für das geistliche Leben sagt, umso ernster zu nehmen, weil mir Ordnung nicht liegt. Ermutigend fand ich in diesem Zusammenhang eine Biographie über den Seligen Karl Leisner, die ich kürzlich gelesen habe und die umfangreiche Auszüge aus Leisners Tagebüchern und Briefen enthält. Besonders an den Tagebucheintragungen Leisners aus seiner Gymnasiastenzeit fällt auf, wie oft und eindringlich er sich selbst zur Ordnung ermahnt. Wäre ihm das Einhalten dieser Ordnung leicht gefallen, wären diese permanenten Selbstermahnungen wohl nicht nötig gewesen. - Aber zurück zur Benedict Option
"Das Leben eines jeden Mönchs und all seine Arbeiten müssen auf den Dienst Gottes ausgerichtet sein. Die Ordensregel lehrt, dass Gott am Anfang und am Ende aller unserer Tätigkeiten stehen muss. Unsere geistlichen Leidenschaften durch den Rhythmus des täglichen Lebens und seine Disziplinen zu fesseln, und dies gemeinsam mit Anderen in unserer Familie und unserer Gemeinschaft zu tun, heißt, ein starkes Fundament des Glaubens aufzubauen, auf dessen Grundlage man ganz Mensch und ganz Christ werden kann." 
Theoretisch überzeugt mich das schon mal. Was die praktische Umsetzung angeht... schauen wir mal. 
"Es ist schwer, sich Regeln zu unterwerfen, die man nicht versteht; aber es ist ein gutes Gegenmittel gegen die fleischliche Begierde nach persönlicher Unabhängigkeit. Es mag an und für sich nicht spirituell verdienstvoll sein, sich dafür zu entscheiden, bei einer Mahlzeit nur zwei statt drei Gänge zu essen; aber die Demut, die man dadurch erreicht, dass man sich freiwillig den Entscheidungen eines Anderen unterwirft, hat transformierende Kraft.
Die klösterliche Ordnung bewirkt nicht nur Demut, sondern auch spirituelle Widerstandsfähigkeit. In gewissem Sinne sind die Benediktiner von Norcia eine Art Marine Corps des religiösen Lebens, das permanent für den geistlichen Kampf trainiert." 
Der hier - und auf den folgenden Seiten noch öfter - anklingende Gedanke, die Mönche als eine geistliche Elitetruppe aufzufassen, hat durchaus etwas Tröstliches: Es kann und muss ja nicht Jeder zur Elite gehören. Salopp ausgedrückt: Ganz so krass drauf sein wie die Mönche muss man demnach wohl nicht unbedingt. Aber, wie schon gesagt, Impulse kann man aus ihrer Lebensweise allemal beziehen - und sollte es auch. 
"Anders ausgedrückt: Dabei, das eigene Tun zu ordnen, geht es letztlich darum, das eigene Herz darin einzuüben, das Richtige, das Wahre zu lieben und zu begehren. Es geht darum, sich Tugend als Gewohnheit anzueignen." 
Dies also zum Thema Ordnung; weiter geht es mit dem Thema Gebet
"Der Apostel Paulus wies die Kirche in Thessalonike an: 'Betet ohne Unterlass!' (1. Thessalonicher 5,17). Benediktiner betrachten ihr gesamtes Leben als einen Versuch, dieses Gebot zu erfüllen. Im engeren Sinne ist Gebet - ob privat oder in Gemeinschaft - Kommunikation mit Gott. In einem weiteren Sinne bedeutet Gebet, ein ununterbrochenes Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu bewahren und bei allem, was man tut, Ihn im Sinn zu haben. Im Leben der Benediktiner steht regelmäßiges Gebet im Zentrum der Existenz der Gemeinschaft." 
Beten, betont Dreher, ist sogar noch wichtiger als arbeiten:
"Man erinnere sich an die Evangeliums-Erzählung über die Schwestern Maria und Marta. Als Jesus sie besuchte, fuhrwerkte Marta in der Küche herum, während Maria zu Jesu Füßen saß und Ihm zuhörte. Als Marta sich beklagte, dass Maria ihr nicht half, erwiderte der Herr, Maria habe 'das bessere Teil erwählt'.
Warum? Weil [...] es zwar wichtig ist, Dinge für den Herrn zu tun, aber noch wichtiger ist es, Ihn mit dem Herzen und dem Verstand kennenzulernen. Und darum hat Kontemplation Priorität." 
Zur Gebetspraxis der Benediktiner führt der Autor aus: 
"Benediktinermönche verbringen eine Menge Zeit mit Gott. Siebenmal am Tag versammeln sie sich um den Altar der Basilika, um die vorgeschriebenen Gebete des Offiziums, auch bekannt als Stundengebet, zu singen. Dabei handelt es sich um spezifische Gebete, die katholische Mönche (und Andere) seit Jahrhunderten zu festgesetzten Stunden des Tages rezitieren. Sie bestehen aus Psalmen, Hymnen, Schriftlesungen und Orationen. [...]
'Wir singen beim Gebet, wir stehen, sitzen, verneigen uns, knien, werfen uns zu Boden', sagt Pater Cassian. 'Der Körper ist am Gebet sehr stark beteiligt. Es ist nicht bloß eine Art intellektueller Meditation. Das ist wichtig.'" 
Hier wie auch an einigen anderen Stellen des Kapitels gleicht Rod Dreher die Lehren und Praktiken der Benediktiner mit seinen persönlichen Erfahrungen ab: 
"Wenn man im Gebet Fortschritte macht - sagt Pater Basil -, dann versteht man allmählich, dass es im Gebet nicht so sehr darum geht, Gott um etwas zu bitten, sondern vielmehr darum, einfach in Seiner Gegenwart zu sein.
Ich erzählte dem Priester, wie mein eigener orthodoxer Priester zu Hause in Louisiana mir - als Reaktion auf eine persönliche Krise - eine strikte Gebetsroutine verordnet hatte: das Jesusgebet ('Herr Jesus, Sohn Gottes, hab Erbarmen mit mir, einem Sünder') jeden Tag für ungefähr eine Stunde zu beten. Anfangs war es öde und schwer durchzuhalten, aber ich tat es aus Gehorsam.
Jeden Tag, eine scheinbar endlose Stunde lang, stilles Gebet. Nach und nach jedoch kam mir diese Stunde immer kürzer vor, und ich entdeckte, dass der Seelenfriede, an dem es mir so auffallend gemangelt hatte, hervortrat.
Nachdem ich geistlich geheilt war, erklärte mir mein Priester seine Beweggründe dafür, mir dieses simple meditative Gebet aufzutragen: 'Ich musste dich aus deinem Kopf herausbekommen.'" 
Leuchtet mir intuitiv irgendwie ein. - Zur herausragenden Wichtigkeit des Betens für das christliche Leben heißt es weiter: 
"Wenn wir unsere ganze Zeit mit Aktivität verbringen - selbst wenn diese Aktivität im Dienst Christi steht - und dabei Gebet und Kontemplation vernachlässigen, gefährden wir unseren Glauben. Der 60er-Jahre-Medientheoretiker Marshall McLuhan, ein praktizierender Christ, sagte einmal, bei jedem, den er kannte, der vom Glauben abgefallen sei, habe dieser Glaubensverlust damit begonnen, dass die betreffende Person aufhörte zu beten. Wenn wir ein in rechter Weise geordnetes christliches Leben führen wollen, muss Gebet die Basis von allem sein, was wir tun." 
An dieser Stelle ein emphatischer Einwurf: Marshall McLuhan! <3 Eins der ersten Bücher, die ich im Rahmen meines Studiums des Faches "Theaterwissenschaft/kulturelle Kommunikation" lesen "musste", und auch eins der eindrucksvollsten, war McLuhans Gutenberg-Galaxis. Dass der große Medientheoretiker als junger Mann unter dem Einfluss Chestertons zum Katholizismus konvertiert war und zeitlebens tief gläubig blieb, wusste ich damals nicht, obwohl es mir im Rückblick scheint, ich hätte beim Lesen der Gutenberg-Galaxis so eine Ahnung gehabt. Muss mir das Buch wohl bei Gelegenheit noch mal zur Brust nehmen. Ende des Exkurses. Bzw. gleich auf zum nächsten Exkurs: Gebet als "Basis von allem, was wir tun" - das erinnert mich ja nun stark an Johannes Hartl und das Gebetshaus Augsburg. Als ich Rod Dreher kürzlich in München traf, erzählte ich ihm u.a. auch davon. Anscheinend hatte er noch nie davon gehört, aber das gilt umgekehrt vielleicht genauso. Könnte interessant sein, da mal einen Kontakt herzustellen. -- Aber weiter im Text: 
"Wer auch nur irgend etwas über die Benediktiner weiß, wird vermutlich schon einmal gehört haben, dass ihr Motto ora et labora - 'Bete und arbeite' - laute. Streng genommen stimmt das nicht ganz. Der Hl. Benedikt hat das so nie gesagt, und obwohl heutige Benediktiner dieses Motto für sich selbst in Anspruch nehmen, ist es erst seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlich. Dennoch ist es keine schlechte Beschreibung der grundsätzlichen Herangehensweise der Benediktiner an das Leben." 
Nach dem Thema Gebet ist nun also das Thema Arbeit an der Reihe. 
"Der Heilige erwartete von jedem seiner Klöster, dass es sich selbst versorgen konnte, und er lehrte - was für einen Römer seiner Epoche ungewöhnlich war -, dass körperliche Arbeit eine heiligende Wirkung haben könne." 
Hmpf - körperliche Arbeit, schon wieder so etwas, was mir nicht besonders liegt. Im weiteren Verlauf des Kapitels geht es allerdings gar nicht so spezifisch um körperliche Arbeit, sondern eher um Arbeit allgemein
"Einige von uns definieren sich über ihre Arbeit und widmen sich ihr in übertriebenem Maße, auf Kosten der Kontemplation. Andere hingegen betrachten Arbeit als etwas, das man tut, um seine Rechnungen zu bezahlen, weiter nichts; das heißt, sie betrachten Arbeit als etwas vom sonstigen Leben - besonders vom spirituellen Leben - Getrenntes.
Das ist ein Fehler, sagt die Ordensregel. Die Arbeit muss nicht uns dienen, sondern Gott und Gott allein. In einem Kapitel zur Unterweisung handwerklich tätiger Mönche sagt Benedikt, wenn diese Mönche anfangen, [ungebührlich] stolz auf ihre Arbeit zu sein, muss der Abt ihnen eine andere Aufgabe geben. So wichtig ist christliche Demut." 
Das ist zweifellos ein recht "unzeitgemäßer" Gedanke; aber es kommt noch schärfer: 
"In der nahen Zukunft werden Christen - besonders in bestimmten Berufsfeldern - von den Umständen dazu gezwungen werden, ihre Einstellung zur Arbeit zu überdenken. In einigen Fällen wird man uns wegen unseres Glaubens zur Tür hinausweisen. In anderen Fällen wird sich uns die Tür von vornherein nicht öffnen - oder wenn doch, werden Männer und Frauen, die auf ihr Gewissen hören, nicht hindurchgehen können. Das wird uns Geld und Ansehen und möglicherweise berufliche Zufriedenheit kosten. Unsere Wahrnehmung von Arbeit im Benediktinischen Sinne, auf eine Weise, die Gott in den Mittelpunkt stellt, neu auszurichten, wird uns helfen, die richtige Entscheidung zu treffen, wenn wir am Arbeitsplatz auf die Probe gestellt werden, und wird uns Kraft geben, wenn wir gezwungen sind, uns einen neuen Beruf zu suchen." 
Hier sind wir an einem der Punkte, an denen nicht wenige Kritiker geneigt sein werden, dem Autor vorzuwerfen, seine Prognosen bezüglich der nahen Zukunft seien allzu düster und alarmistisch. Ausgrenzung und Diskriminierung von Christen am Arbeitsplatz? Wo gibt's denn sowas? -- Doch, doch, das gibt's schon
"Der Ausschluss gläubiger Christen von bestimmten Berufen wird schwer zu akzeptieren sein. Tatsächlich ist es für die heutigen Gläubigen schwer, sich das auch nur vorzustellen - zum Teil deshalb, weil wir als Amerikaner nicht daran gewöhnt sind, unseren beruflichen Ambitionen Beschränkungen aufzuerlegen. Doch der Tag ist nicht mehr fern, an dem das, was christlichen Bäckern, Floristen und Hochzeitsfotografen bereits widerfahren ist, sich in erheblich größerem Umfang ereignen wird. Und viele von uns sind nicht darauf vorbereitet, für ihren Glauben Nachteile in Kauf zu nehmen." 
Mit dem Stichwort "für den Glauben Nachteile in Kauf zu nehmen" leitet Rod Dreher direkt zum Thema Askese über: 
"Deshalb ist Askese - das Aufsichnehmen körperlicher Härten im Interesse eines geistlichen Ziels - ein so wichtiger Bestandteil des gewöhnlichen christlichen Lebens. [...] Askese, abgeleitet vom griechischen Wort askesis, bedeutet soviel wie "Training". Das Leben, das die Ordensregel vorschreibt, ist durch und durch asketisch. Mönche fasten regelmäßig, leben bescheiden, lehnen Bequemlichkeit ab und unterwerfen sich den strengen Regeln des Klosters. [...] Askese ist ein Gegengift gegen die in unserer Kultur weit verbreitete Egozentrik, die uns einredet, die Befriedigung unserer Begierden sei der Schlüssel zum guten Leben. Der Asket weiß, dass wahres Glück nur darin gefunden werden kann, in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes zu leben; und asketische Praktiken trainieren Körper und Seele dazu, Gott über das eigene Selbst zu stellen." 
Nach allem bisher Gesagten brauche ich wohl kaum noch extra zu betonen, dass Askese ebenfalls zu den Dingen gehört, in denen ich nicht besonders gut bin. Wobei der Autor klarstellt, dass man sich unter "Askese" nicht zwangsläufig blutige Selbstgeißelung vorstellen muss. In gewissem Sinne ist Askese lediglich das geistliche Pendant zu dem, was man im weltlichen Kontext "Selbstdisziplin" nennt - und das kann man schließlich üben, und sollte man wohl auch. 
"Ein Christ, der Askese praktiziert, übt sich darin, Nein zu den eigenen Begierden und Ja zu Gott zu sagen. Diese Einstellung ist in der modernen Zeit im Westen so gut wie verschwunden. Wir sind ein Volk geworden, das die Bequemlichkeit ins Zentrum stellt. Wir erwarten von unserer Religion, bequem zu sein. Leiden zu ertragen ergibt für uns keinen Sinn. Und ohne Fasten und andere asketische Disziplinen verlieren wir die Fähigkeit, zu den Begierden unseres Herzens Nein zu sagen.
Den christlichen Asketismus wiederzuentdecken ist eine dringliche Aufgabe für Gläubige, die ihre Herzen - und die Herzen ihrer Kinder - darin einüben wollen, dem Hedonismus und Konsumismus zu widerstehen, der im Zentrum der zeitgenössischen Kultur steht." 
Was ich in diesem Zusammenhang fast noch interessanter finde als meine persönlichen Schwierigkeiten mit dem Thema Askese, ist der Umstand, dass ein Leser in einem Kommentar zu einer früheren Folge meiner Artikelserie zur Benedict Option die Frage aufwarf, wie sich Rod Drehers Thesen denn wohl mit dem von mir schon früher ins Gespräch gebrachten Schlagwort "Punk-Pastoral" vertrügen. Mein spontaner Impuls dazu lautete: Wieso, die Benedict Option IST doch im Grunde Punk-Pastoral! Aber ich sehe ein, dass das nicht unbedingt intuitiv ersichtlich ist. Gerade beim Thema "Askese" nicht. Ich denke aber, gerade hierzu ließe sich eine Menge sagen; seit ich die betreffenden Passagen von Drehers Buch gelesen habe, brütet in meinem Hinterstübchen die Idee zu einem Artikel mit dem Arbeitstitel "Punk und Askese" vor mich hin, aber ich weiß noch nicht, wann der reif sein wird, niedergeschrieben zu werden. Ich könnte jetzt sagen, ich müsste darüber noch nachdenken, aber ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Ich muss vielmehr darauf warten, dass ich mal in der Stimmung bin, den Artikel 'runterzuschreiben, ohne dabei viel nachzudenken. Solche Artikel gelingen mit in der Regel am besten. - Sehr bemerkenswert fand ich auch Drehers Ausführungen darüber, dass Askese nicht zwangsläufig mit "Buße" im Sinne von "Selbstbestrafung" identisch ist: 
"Eine übergewichtige Person hält nicht deshalb Diät, weil sie sich dafür bestrafen will, dass sie dick ist, sondern um gesünder zu werden. Ein Athlet betreibt nicht Fitnesstraining, weil er sich schuldig fühlt, wenn er vor dem Fernseher herumsitzt, sondern um seinen Körper auf den Wettkampf vorzubereiten. So ist es auch mit den Mönchen und ihrer Askese - und so muss es auch mit uns Christen sein. Wir praktizieren Selbstverleugnung, um uns in der Liebe und dem Dienst an Christus und Seinem Volk zu stärken." 
Als nächstes wendet sich der Autor dem Benediktinischen Grundsatz der stabilitas loci zu: 
"Ein Baum, der wieder und wieder entwurzelt und verpflanzt wird, wird es schwer haben, gesunde Früchte hervorzubringen. So ist es auch mit Menschen und ihrem geistlichen Leben. [...] Wenn wir geistlich Wurzeln schlagen wollen - so lehrt Benedikt -, müssen wir lange genug an einem Ort bleiben, um diese Wurzeln in die Tiefe wachsen zu lassen. Die Ordensregel verlangt den Mönchen ab, ein Gelübde der 'Beständigkeit' (stabilitas) abzulegen - was bedeutet, dass sie außer unter besonderen Umständen (zu denen es etwa gehört, als Missionar ausgesandt zu werden) für den Rest ihres Lebens in dem Kloster zu bleiben haben, in dem sie ihre Gelübde abgelegt haben." 
Wenngleich hier klargestellt wird, dass der Grundsatz der stabilitas nicht absolut ausschließt, dass ein Mönch aus besonderen Gründen doch an einen anderen Ort geschickt wird, bleibt festzuhalten, dass die grundsätzliche Bindung an einen konkreten Ort für eine moderne Lebenseinstellung eine enorme Herausforderung darstellt: 
"'Das ist der Punkt, an dem die Benediktinische Lebensweise am deutlichsten gegenkulturell ist', sagt Pater Benedict. 'Es ist die Lebensweise der Maria, nicht der Marta: unablässig zu den Füßen Christi zu verweilen, egal was man dir vorwirft, nicht zu tun.'
Die Bibel zeigt uns, dass Gott manche Menschen dazu beruft, ihre Sachen zu packen und auszuziehen, um Seine Absichten zu erfüllen, räumt Pater Benedict ein. 'Dennoch: In einer Kultur wie der unseren, wo jeder ständig in Bewegung ist, kann die Benediktinische Berufung, unter allen Umständen zu bleiben wo man ist, neue und bedeutende Wege zu Tage fördern, Gott zu dienen.'" 
Und weiter: 
"Pater Martin sagt, diejenigen, die meinen, die stabilitas laufe darauf hinaus, den Menschen einzuschränken und sein persönliches und geistliches Wachstum zu ersticken, verkennen den verborgenen Wert der Hingabe an die Beständigkeit. Sie verankert dich und gewährt dir eine Freiheit, die darin besteht, nicht dem Wind, den Wellen und den Strömungen des täglichen Lebens unterworfen zu sein. Sie schafft die geordneten Bedingungen, unter denen die innere Pilgerschaft der Seele zur Heiligkeit möglich wird." 
Von der stabilitas ist es kein weiter Weg zum Benediktinischen Verständnis von gelebter Gemeinschaft. Hier richtet der Autor seinen Blick (und mithin den des Lesers) zunächst auf den Mangel an gelebter Gemeinschaft, der die moderne Gesellschaft prägt: 
"Die Wurzellosigkeit des zeitgenössischen Lebens hat Gemeinschaftsbindungen ausfransen lassen. Es ist heutzutage weit verbreitet, dass Leute ihre Nachbarn nicht kennen und das auch gar nicht wirklich wollen. Teil einer Gemeinschaft zu sein heißt an ihrem Leben teilzuhaben. Das stellt unweigerlich Anforderungen an das Individuum, die seine Freiheit einschränken." 
Ich sag mal so: Ich bin auf einem Dorf in Niedersachsen aufgewachsen und mit 20 Jahren nach Berlin gezogen. Ich kenne sowohl das Gefühl von Freiheit, das die vielbeschworene Anonymität der Großstadt einem zunächst mal vermitteln kann, wenn man "vom Dorf kommt", als auch deren Schattenseiten. 
"Die Kirche ist nicht immer ein Zeichen des Widerspruchs gegen diesen modernen Mangel an Gemeinschaft. Im ersten Jahrzehnt meines Lebens als erwachsener Christ verließ ich die Kirche, sobald der Gottesdienst vorbei war. Mit den Leuten dort in Kontakt zu kommen interessierte mich nicht. Nur Jesus und ich, das war alles, was ich wollte und brauchte - jedenfalls dachte ich das. Man könnte sagen, ich war nicht interessiert daran, an ihrer Pilgerschaft teilzunehmen; ich zog es vor, ein Tourist in der Kirche zu sein - und war geistlich zu unreif, um zu begreifen, wie schädlich das war.
Diese Konsumentenhaltung gegenüber der Gemeinschaft der Gläubigen reproduziert die Fragmentierung, die die Christenheit in der gegenwärtigen Welt erschüttert. In Benediktinischen Klöstern hingegen sind sich die Mönche stets bewusst, dass sie nicht bloß Individuen sind, die mit anderen Individuen zusammen wohnen, sondern Teil eines organischen Ganzen - eine spirituelle Familie." 
Es ist wohl nicht besonders überraschend, wenn ich an dieser Stelle an das "Dinner mit Gott" des Mittwochsklubs denke. Einerseits soll dieses Veranstaltungsformat ausdrücklich für jeden offen sein, der Lust darauf hat; aber andererseits hat es auch als Treffpunkt für Leute aus der örtlichen Kirchengemeinde seinen Sinn und Wert. Nun, das werde ich wohl auch an anderer Stelle näher ausführen. Erst mal weiter im Text: 
"Im Leben in einer christlichen Gemeinschaft - sei es eine klösterliche Gemeinschaft oder eine normale Pfarrgemeinde - geht es darum, jene Art von Kameradschaft zu begründen, die jeder von uns braucht, um seine persönliche Pilgerschaft zu vollenden. [...] Das heißt, die Kirche existiert als eine von Christus begründete Bruderschaft, auch dann, wenn es sich gerade nicht danach anfühlt." 
Das ist doch mal ein schöner Leitgedanke. Gerade wenn man sich als Kontrast dazu noch einmal die gesellschaftlichen Auswirkungen der Vereinzelung ansieht, die das moderne Leben so mit sich zu bringen scheint: 
"Auf seinen Reisen in Angelegenheiten des Klosters sieht Pater Martin, der Geschäftsführer der Gemeinschaft, eine Leere in den Gesichtern vieler Menschen, denen er begegnet. Sie wirken so angespannt, so beunruhigt, so unsicher. Die Mönche glauben, dass dies die Folge von Einsamkeit, Isolation und einem Mangel an tiefer und lebensspendender Gemeinschaftsbindung ist. Wenn das Leuchten in den Gesichtern der Leute vom Widerschein ihrer Laptops, Smartphones oder Fernsehschirme kommt, dann leben wir in einem Dunklen Zeitalter, sagt Pater Martin." 
Als nächstes steht - was in meiner kurzen Anmerkung zum "Dinner mit Gott" ja auch schon anklang - der Punkt "Gastfreundschaft" auf der Liste. Der ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil viele Kritiker der Benedict Option die im Vorwort und im ersten Kapitel erhobene Forderung nach "Rückzug" im Sinne einer Abschottung von der Außenwelt aufgefasst haben. Genau das ist jedoch nicht gemeint, stellt der Autor klar: 
"Das Benediktinische Verständnis von Gebet, Arbeit, Askese, Beständigkeit und Gemeinschaft erfordert Praktiken, die die Gemeinschaft der Mönche eng zusammenschweißen. Die daraus resultierende Nähe und Verbundenheit wird durch die Absonderung der Mönche von der Welt verstärkt. Dennoch ermahnt Benedikt sie in der Ordensregel, sich bewusst zu sein, dass sie nicht allein für sich selbst leben, sondern auch dazu, Außenstehenden zu dienen.
Der Ordensregel zufolge dürfen wir niemals jemanden abweisen, der unserer Liebe bedarf. Eine Kirche oder sonstige Benedict Option-Gemeinschaft muss offen für die Welt sein - um den Schatz der Liebe Gottes mit jenen zu teilen, denen sie fehlt.
Die Mönche leben überwiegend in Klausur - das heißt, sie bleiben innerhalb der Klostermauern und haben eingeschränkten Kontakt zur Außenwelt. Die spirituelle Arbeit, zu der sie berufen sind, erfordert Stille und Absonderung. Unsere Arbeit erfordert nicht dieselben Strukturen. Als Laienchristen, die inmitten der Welt leben, sind wir berufen, unter gewöhnlicheren gesellschaftlichen Bedingungen nach Heiligkeit zu streben.
Aber selbst die klausurierten Benediktiner praktizieren Gastfreundschaft gegenüber Fremden. Die Ordensregel schreibt vor, dass all jene, die das Kloster als Pilger oder Gäste aufsuchen, 'empfangen werden wie Christus selbst, der sagt, dass er einst sagen wird: Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.'" (Matthäus 25,35
Aber stehen das Konzept einer engen, abgesonderten Gemeinschaft einerseits und der Offenheit gegenüber der Außenwelt andererseits nicht in einem gewissen Widerspruch - oder sagen wir: Spannungsverhältnis - zueinander? Nun, wie so Vieles in der Benediktinischen Spiritualität ist auch dies eine Frage des rechten Maßes
"Der Hl. Benedikt verlangt von seinen Mönchen, offen gegenüber der Außenwelt zu sein - bis zu einem gewissen Punkt: Gastfreundschaft muss mit Umsicht und Besonnenheit ausgeübt werden, auf eine Weise, die es Besuchern nicht erlaubt, die Lebensweise der Mönche nicht zu stören. Zum Beispiel gilt die Vorschrift, bei Tisch zu schweigen, für Gäste wie für Mönche gleichermaßen. [...] Das Kloster empfängt dauernd Besucher, die alle möglichen Probleme haben und Rat, Hilfe oder einfach ein offenes Ohr suchen, und es ist wichtig, dass die Mönche ihre Ordnung aufrecht erhalten, damit sie in der Lage sind, diese Art von Gastfreundschaft zu gewähren." 
Zwingend gegen eine strikte Abschottung nach außen spricht schließlich auch, dass Christen dazu aufgerufen sind, missionarisch zu leben
"Die Kraft der populären Kultur ist so überwältigend, dass strenggläubige Christen oft die Notwendigkeit verspüren, sich hinter Verteidigungslinien zurückzuziehen. Aber Bruder Ignatius, 51, warnt, Christen dürften nicht so beklommen und ängstlich werden, dass sie es unterlassen, die Frohe Botschaft in Wort und Tat mit einer Welt zu teilen, die von Hass und Finsternis gefangen gehalten wird. Es ist umsichtig, vernünftige Grenzen zu ziehen, aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht verhalten wie der ungetreue Knecht im Gleichnis von den Talenten, der von seinem Meister für seine schwache, ängstliche Verwaltung der ihm anvertrauten Güter bestraft wurde.
'Angriff ist die beste Verteidigung. Man verteidigt sich, indem man attackiert', sagt Bruder Ignatius. 'Greifen wir an, indem wir Gottes Königreich vergrößern - zuerst in unseren Herzen, dann in unseren Familien, und dann in der Welt. Ja, man benötigt Grenzen, aber es ist unsere Pflicht, diese Grenzen nicht dort zu belassen, wo sie sind. Wir müssen sie ausweiten, Territorium hinzugewinnen, immer weiter.'" 
Schließlich kommt Dreher auf den Benediktinischen Grundsatz der Ausgewogenheit zu sprechen, dem gewissermaßen die Funktion zukommt, die zuvor genannten Grundsätze ins richtige Verhältnis zueinander zu setzen. 
"Das Benediktinische Leben ist streng, aber wenn man es gemäß der Ordensregel gestaltet, ist es zugleich frei von Fundamentalismus und Extremismus. [...] Seine Ausrichtung auf das Gemeinschaftsleben steht in scharfem Gegensatz zu einer Anzahl anderer christlicher Gruppierungen, die entweder zerbrochen oder sektenähnlich geworden sind, weil ein obsessiv puristischer, autoritärer Führer seine Macht missbraucht hat." 
Hört, hört. 
"Somit ist Ausgewogenheit - oder, anders ausgedrückt, Besonnenheit, Barmherzigkeit und gutes Urteilsvermögen - der Schlüssel zur Leitung des Lebens einer christlichen Gemeinschaft. Dazu gehört auch, die notwendigen Bestandteile des monastischen Lebens - essen, schlafen, beten, arbeiten, lesen - in einem harmonischen Verhältnis zueinander zu erhalten, damit nicht eines davon das Leben eines Mönchs dominiert, sondern alles zu einem gesunden Ganzen vereint wird." 
Ist die Benediktinische "Option" demnach gar nicht so radikal, wie man zunächst annehmen würde? - Doch, schon; oder besser gesagt: Ihre Radikalität liegt auf einer anderen Ebene
"Aber [...] niemand sollte meinen, die Ordensregel ziele auf eine ausgewogene Lebensweise in dem Sinne ab, dass man sich mit Halbheiten und spiritueller Mittelmäßigkeit zufrieden gäbe. Es geht nicht um eine Balance zwischen Gut und Schlecht, sondern zwischen verschiedenen Arten des Guten." 
Und was folgt daraus? 
"Laien können von der Benediktsregel profitieren, [...] wenn sie verstehen, was das Radikale an der Lebensweise des Hl. Benedikt ist: die völlige Aufgabe des Eigenwillens zugunsten des Willens Gottes. Die Methode mag Ausgewogenheit in ihrer Anwendung erfordern, aber das Ziel, das der Herr uns vorgegeben hat, ist außerordentlich: vollkommen zu sein, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist.
Weil Jesus eins mit dem Vater ist, müssen jene, die nach Vollkommenheit streben, Ihm nachzueifern suchen. Natürlich wäre es Häresie, zu glauben, man könne diese Vollkommenheit aus eigener Kraft oder diesseits des Himmels erreichen. Es ist ein Paradox des christlichen Lebens, dass man sich, je heiliger man wird, nur umso eindringlicher seiner Mängel bewusst wird - und damit seiner völligen Angewiesenheit auf die Barmherzigkeit Gottes. Gleichwohl: Die ideale Person ist die, die, indem sie dem Ruf Gottes folgt, Christus in Allem ähnlich wird. Ob sie zu einem klösterlichen Leben oder zum Leben in der Welt berufen ist, zur Gründung einer Familie oder zum Alleinleben, zu körperlicher Arbeit oder zu einem Schreibtischjob, dazu, zu Hause zu bleiben, oder um die Welt zu reisen: Sie muss nach besten Kräften danach streben, wie Jesus zu sein. Der Benediktinische Weg bietet - indem er unseren Körper, unseren Geist und unsere Seele methodisch und praktisch zu einem harmonischen Leben ordnet, in dem Christus als das Zentrum von Allem stets gegenwärtig ist und Alles erfüllt - eine Spiritualität, die für Jeden zugänglich ist. Für den Christen, der dem Weg des Hl. Benedikt folgt, wird das alltägliche Leben zu einem ununterbrochenen Gebet, zugleich Opfer für Gott und Geschenk von Ihm - und so verwandelt Er uns Stück für Stück in ein Abbild Seines Sohnes." 
Klingt anspruchsvoll? Gewiss! 
"Das Benediktinische Beispiel ist ein Zeichen der Hoffnung, aber zugleich auch eine Warnung: Wie auch immer die Umstände sein mögen, ein Christ kann nicht in Treue leben, wenn Gott nur einen Teil seines Lebens ausmacht, ausgeklammert vom übrigen Leben. Letztendlich steht entweder Christus im Mittelpunkt unseres Lebens oder das Selbst und die Götzen, die es sich errichtet. Einen Kompromiss dazwischen gibt es nicht. Mit Seiner Hilfe können wir die Fragmente unseres Lebens zusammensetzen und um Ihn herum ordnen - aber das ist nicht einfach, und wir können es nicht allein tun. Etwas Geringeres anzustreben, würde jedoch darauf hinauslaufen, was der französische katholische Schriftsteller Léon Bloy in die Worte gekleidet hat: 'Die einzige wirkliche Traurigkeit, das einzige wirkliche Scheitern, die einzige große Tragödie des Lebens ist es, kein Heiliger zu werden.'" 
Gegen Ende des Kapitels kommt der Autor nochmals auf seine tiefe Wertschätzung für die Mönche von Norcia zurück: 
"Gegenüber Pater Martin merkte ich an, wie außergewöhnlich es ist, dass ein Ort wie dieser in der modernen Welt überhaupt existiert. Junge Männer, die eine bis in die Frühzeit der Kirche zurückreichende Tradition des Gebets, der Liturgie und des asketischen Gemeinschaftslebens aufgreifen - und die dies mit unverkennbarer Freude tun? Man sollte denken, so etwas könne es heutzutage gar nicht mehr geben.
Aber sie sind hier - ein Zeichen des Widerspruchs gegen die Moderne." 
Was aber - wie schon einmal angemerkt - nicht im Sinne einer "Flucht in die Vergangenheit" zu verstehen sein soll: 
"'Es gibt hier etwas, das sehr alt ist, aber zugleich ist es neu', sagt Pater Martin. 'Die Leute sagen: Ach, ihr versucht ja nur die Uhr zurückzudrehen. Aber das ergibt keinen Sinn. Wenn man etwas im Hier und Jetzt tut, dann heißt das, es geschieht im Hier und Jetzt. Es ist neu, und es ist lebendig! Und davon geht eine große Kraft aus.'" 
Der Schluss des Kapitels ist dann in gewissem Sinne zugleich eine Einleitung zu den sieben folgenden - deren jeweilige Oberthemen in einer Aufzählung am Ende des vorletzten Absatzes angerissen werden: 
"Wie aber holen wir die Benediktinische Weisheit aus dem Kloster heraus und wenden sie auf die Herausforderungen des weltlichen Lebens im 21. Jahrhundert an? Diese Frage ist es, der wir uns nun zuwenden. Der Weg des Hl. Benedikt ist keine Flucht vor der realen Welt, sondern ein Weg, die Welt zu sehen, wie sie wahrhaft ist, und entsprechend in ihr zu leben. Die Benediktinische Spiritualität lehrt uns, die Welt in Liebe zu ertragen und sie in dem Maße und in der Weise zu verändern, wie der Heilige Geist uns verwandelt. Die Benedikt-Option greift die Tugenden der Ordensregel auf, um die Art und Weise zu verändern, wie Christen mit Politik, Kirche, Familie, Gemeinschaft, Bildung und Erziehung, dem Berufsleben, Sexualität und Technologie umgehen.
Dieses Anliegen ist dringlich. Als ich Pater Cassian zum ersten Mal von der Benedikt-Option erzählte, sinnierte er über meine Worte und erwiderte dann ernst: 'Diejenigen, die nicht in irgendeiner Form etwas von dem tun, was du meinst, werden das, was auf sie zukommt, nicht überstehen.'" 
Ja, klar, das klingt jetzt wieder sehr alarmistisch. Aber die folgenden Kapitel werden zeigen, inwieweit an dieser Einschätzung was dran ist. In Kapitel 4 geht es erst einmal um Politik - was nicht zuletzt insofern spannend ist, als Rod Dreher im Vorwort und im ersten Kapitel die bisherigen Ansätze eines christlichen politischen Aktivismus in den USA kurzerhand für gescheitert erklärt hat. In Kürze werden wir erfahren, wie seiner Einschätzung zufolge die Alternativen aussehen könnten...



29 Kommentare:

  1. Da werd ich höchstwahrscheinlich mal wieder was dazu bemerken.

    Einstweilen soviel:

    >>Natürlich ist es Häresie, zu glauben, diese Vollkommenheit könne je [...] diesseits des Himmels erreicht werden.

    Meines Wissens stimmt das so nicht, speziell nicht mit dem "natürlich", als ob man darüber gar nicht weiter reden bräuchte. Und im üblichen nennen-wir's-mal Predigttalk wird das auch tatsächlich immer als selbstverständlich angenommen, aber ohne guten Grund.

    (Führe ich auch noch näher aus.)

    Hier abgesetzt von irgendwas, was noch nachkommt, weil was Häresie und nicht Häresie ist, doch - auch wenn es nicht unmittelbar praktische Folgen zu haben scheint - von einer gewissen einschneidenden Wichtigkeit ist.

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    1. Ich war leider gerade nicht verbunden, von daher ist meine schöne Übersetzung des einschlägigen Artikels aus der Summa theol (II/II 184 II) futsch, deswegen hier auf englisch (wäre eh nur aus dem Englischen gewesen):

      Article 2. Whether any one can be perfect in this life?

      IT WOULD SEEM that none can be perfect in this life. For [...]

      Objection 2. Further, "The perfect is that which lacks nothing" (Phys. iii, 6 [of Aristotle]). Now there is no one in this life who lacks nothing; for it is written (James 3:2): "In many things we all offend"; and (Psalm 138:16): "Thy eyes did see my imperfect being." Therefore none is perfect in this life.

      ON THE CONTRARY, The Divine law does not prescribe the impossible [!!]. Yet it prescribes perfection according to Matthew 5:48, "Be you . . . perfect, as also your heavenly Father is perfect." Therefore seemingly one can be perfect in this life.

      I ANSWER THAT, As stated above (Art. 1), the perfection of the Christian life consists in charity. Now perfection implies a certain universality because according to Phys. iii, 6, "the perfect is that which lacks nothing." Hence we may consider a threefold perfection. One is

      - *absolute*, and answers to a totality not only on the part of the lover, but also on the part of the object loved, so that God be loved as much as He is lovable. Such perfection as this is not possible to any creature, but is competent to God alone, in Whom good is wholly and essentially.

      - Another perfection answers to an absolute totality on the part of the lover, so that the affective faculty always actually tends to God *as much as it possibly can*; and such perfection as this is *not possible so long as we are on the way*, but we shall have it in heaven.

      - The third perfection answers to a totality neither on the part of the object served, nor on the part of the lover as regards his always actually tending to God, but on the part of the lover as regards the *removal of obstacles* to the movement of love towards God[...]. Such perfection as this *can* be had in this life, and in two ways. First, by the removal from man's affections of all that is contrary to charity, such as mortal sin; and there can be no charity apart from this perfection, wherefore it is necessary for salvation. Secondly, by the removal from man's affections not only of whatever is contrary to charity, but also of whatever hinders the mind's affections from tending wholly to God. Charity is possible apart from this perfection, for instance in those who are beginners and in those who are proficient. [Der hl. Thomas hat die Einteilung der Gläubigen in Anfänger, Fortschreitende und Vollkommene vor Augen.]
      [...]
      Reply to Objection 2. Those who are perfect in this life are said to "offend in many things" with regard to venial sins, which result from the weakness of the present life: and in this respect they have an "imperfect being" in comparison with the perfection of heaven. [But that does not mean they cannot be perfect according to the third sense mentioned in the answer. - Den Satz fügt der hl. Thomas nicht an, weil er ihm zu selbstverständlich ist, aber er meint ihn.]

      Man beachte, mit welcher Selbstverständlichkeit ein hl. Thomas mit "Gottes Gesetz verlangt das Unmögliche nicht" argumentiert.

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    2. Auch wenn's der heilige Thomas ist: Klar verlangt Gottes Gesetz nicht das Unmögliche. Klar ist es auch für jeden Menschen in jeder einzelnen Situation *theoretisch möglich*, das Richtige zu wählen und nicht zu sündigen. Aber *in der Praxis* wird - nicht "muss" - doch jeder Mensch immer wieder in manchen dieser Situationen sündigen. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass selbst die kanonisierten Heiligen jemals auf Erden "Vollkommenheit" erreicht haben (okay, abgesehen von Maria, aber die zählt hier nicht).

      Die Unterscheidung zwischen Vollkommenheit im zweiten und Vollkommenheit im dritten Sinne kommt mir einfach irgendwie gekünstelt vor - worin liegt denn der große Unterschied zwischen vollkommener Liebe zu Gott (im Rahmen der eigenen Fähigkeiten) und vollkommener Anstrengung (im Rahmen der eigenen Fähigkeiten) bei der Entfernung von Hindernissen, die der Liebe zu Gott entgegenstehen? *Beides* wird doch niemand auf Erden vollkommen erreichen, oder?

      Und noch etwas: Auch lässliche Sünden sind Sünden! (Und wer sündigt, der ist nicht perfekt.)

      - Crescentia.

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    3. Tja, ob gekünstelt oder nicht können wir gerne dahingestellt sein lassen. Nur wenn ein hl. Thomas sich traut, zu einer derartigen Künstelei zu greifen, dann dürfen wir das auch.

      Ich finde zunächst einmal den Prämissenunterschied bedeutsam: Wir hören "seid vollkommen", denken "geht nicht" und befinden uns dabei unwillkürlich (das ging mir ja und geht mir instinktiv wohl immer noch auch mal so) in der Position von geprügelten Hunden, denen Luther, denen Calvin und denen (einmal stellvertretend für die ganze moderne Richtung aufgeführt:) Immanuel Kant jeweils eins übergezogen haben: Luther "die beste Tat des Menschen ist eine läßliche Sünde", Calvin "sei froh, wenn Gott in seiner Willkür dich zu denen rechnet, die Er in den Himmel aufnimmt, an sich selber bleibst du immer der alte Sünder, genau wie die, die in die Hölle kommen", Kant (echtes Zitat): "die völlige Angemessenheit des Willens aber zum moralischen Gesetze ist Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt in keinem Zeitpunkte seines Daseins fähig ist", also nicht einmal im Himmel (!), und schon allein deswegen müsse die Seele unsterblich sein, damit er sich fortwährend wenigstens *verbessern* könne in die Richtung (er kommt also recte nie in den Himmel, sondern bleibt auf ewig im Fegefeuer)...

      und wir stehen also da, lecken unsere Wunden und winseln, und wenn wir dann hören "seid vollkommen!", denken wir instinktiv, ja okay, Gott fordert Unmögliches von uns, wir haben's ja auch nicht besser verdient, wer sind wir, die wir uns da beschweren könnten.

      (Denn die einzelne Sünde ist vermeidbar - wenn wir überhaupt das glauben - aber der Vollkommene, so denken wir, ist doch der, der die Sünden, und zwar alle, nicht nur vermeiden könnte, sondern tatsächlich vermeidet - also erfüllt keiner von denen, die der Herr angesprochen hat, tatsächlich sein Gebot).

      Da kann ich nur sagen:

      Glückliches Mittelalter!

      Glückliches Mittelalter, indem es ein Mann wie Thomas, speziell ein Mann wie Thomas, ein offenkundig heiligmäßiger Mann (die wir doch aus unseren Zeiten als tendenziell die Leute kennen, die am ehesten die härtere Auslegung des Gesetzes Gottes wählen und am demütigsten bezüglich der Möglichkeiten des Menschen sind) - in dem es, sag' ich, ein Mann wie Thomas für *selbstverständlich* befindet (!), wenn er hört:

      "Unser Herr hat geboten: Seid vollkommen",

      daß er dann denkt: "Klar ist: unser Herr gebietet nichts Unmögliches. Also laß uns mal herausfinden, was er eigentlich gemeint hat";

      und dan zum Beispiel draufkommt, was ja auch eine Tatsache ist: *Selbst* die Heiligen im Himmel können Gott unmöglich so lieben, wie er es wirklich verdienen würde, denn das kann nur Gott selbst. (Und der Heiland sagt sogar noch ausdrücklich "wie euer Vater im Himmel vollkommen ist")...

      Also muß unser Herr etwas anderes meinen, und zwar. Etc.

      Das mag eine Künstelei sein, aber die gläubige Zuversicht und Einsicht in die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, die sie zu solchen Künsteleien greifen läßt, möchte ich ehrlich gesagt auch haben, bzw. vielleicht habe ich mich zu ihr durch mühsame Willensentscheidungen zum größeren Teil durchgerungen, aber daß sie mir so instinktiv natürlich ist, wie sie den Menschen im Mittelalter gewesen sein muß, das würde ich auch gern haben.

      [Auf "auch läßliche Sünden sind Sünden" hätte man damals vermutlich übrigens geantwortet: Die schweren Sünden sind das, was eigentlich mit "Sünde" gemeint ist, die läßlichen heißen Sünden auf Grund einer gewissen Ähnlichkeit...]

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    4. Aber zur Frage:

      >>worin liegt denn der große Unterschied zwischen vollkommener Liebe zu Gott (im Rahmen der eigenen Fähigkeiten) und vollkommener Anstrengung (im Rahmen der eigenen Fähigkeiten) bei der Entfernung von Hindernissen, die der Liebe zu Gott entgegenstehen?

      Zunächst einmal: von "Anstrengung im Rahmen der Möglichkeiten" spricht unser Heiland nicht. Das ist die Interpretation, *weil* Vollkommenheit nicht möglich sei, müsse man *wenigstens* sich anstrengen, scheitere dabei aber natürlich ebenso an diesem Gebot usw. Und das mag als Interpretation ja eventuell auch zu verteidigen, dennoch lohnt es sich, daß unser Heiland (an speziell dieser Stelle) nichts von Bemühungen, sondern "seid vollkommen" sagt.

      Aber als Antwort auf die Frage: es macht durchaus einen Unterschied aus, erstens darin, daß die vollkommene Liebe (zweiten Grades) nach Thomas und logischerweise immer aktuell, nicht nur habituell sein müßte ("ich liebe jetzt gerade"), was für die Hindernisentfernung so nicht gilt, zweitens weil mit Hindernis eben gerade nicht die Sünden gemeint sind, zumindest nicht die Vergebenen, sondern "nur" u. a. die Laster. Wenn also ein Mensch zufällig läßlich sündigt, dann ist das sicher für sich genommen schlecht, aber seine Vollkommenheit im Sinne des dritten Grades des Heiligen Thomas beinflußt das nicht im mindesten, solange kein Laster daraus wird, und seine Vollkommenheit im Sinne des (gewissermaßen) vierten Grades des Heiligen Thomas, also der "third perfection - first" ohne das "secondly", die einzige, für die er im eigentlichen Sinn Heilsnotwendigkeit fordert*, stört das - an und für sich - nicht einmal, *wenn* ein Laster daraus wird, denn wir erinnern uns, läßliche Sünden sind der Liebe nicht entgegengesetzt. (Weswegen, und das war nicht nur bei Thomas so, sondern bis in unser Jahrhundert in den traditionellen Katechismen, das Hauptproblem bei den läßlichen Sünden ist, daß wir durch die Gewöhnung daran zu schweren Sünden geneigter werden. (Und *das* ist dann natürlich beim Laster schon ein Hindernis, deswegen oben nur "an und für sich").

      Ja und selbst wenn er eine Todsünde geht - sofern ihm auch das nur unterlaufen sollte und er nach der Beichte bis auf seine Sündenstrafen wieder in dem gleichen psychischen Zustand sein sollte wie vorher (das wäre freilich, einschneidend wie Todsünden sind, something of a hypothesis), dann würde auch die seine Vollkommenheit wohl nur zwischen Sünde und Beichte stören...

      und das ist wohl ein entschiedener Unterschied.

      [* Man muß dazu bedenken, daß der hl. Thomas unter der Prämisse operierte, daß ein allgemein gehaltener Befehl unseres Herrn, ausgesprochen und in der Bibel überliefert, ebenso ein Befehl des Verfassers in den Apostelbriefen usw. prinzipiell immer unter schwerer Sünde zu befolgen ist. Daher muß er die Vollkommenheit, die lediglich für gewöhnlich die schweren Sünden zu vermeiden in der Lage ist, eine Form von Vollkommenheit (vierten Grades bzw. "dritten Grades erstens ohne zweitens" nennen), sonst hätte er aus ihren läßlichen Sünden schwere gemacht. Es ist natürlich klar, daß im zumindest modernen protestantischen Narrativ, wie es etwa in Paul Youngs "Hütte" präsentiert wird - ob das so auf Luther und/oder Calvin zurückgeführt werden kann, weiß ich nicht, halte es aber für wahrscheinlich", in dem Intention der Bergpredigt eine ganz andere ist, nämlich "Ich geb' euch so viele Gebote, daß ihr euch ja nicht erfrechen könnt, sie etwa einzuhalten, sondern euch voll Verzweiflung über eure Unzulänglichkeit in den allein rettenden Fiduzialglauben stürzt", das Interpretationsziel ein ganz anderes ist.]

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    5. Da, wo ich "im Rahmen der eigenen Fähigkeiten" geschrieben habe, hat sich das bloß auf den Unterschied zwischen Vollkommenheit Nummer 1 und Nummer 2 bezogen (auch die Heiligen im Himmel können Gott nie so lieben, wie Er es verdient, sondern nur, wie es eben ihren geschöpflichen Fähigkeiten entspricht).

      Zu der Sache mit den lässlichen Sünden hätte ich ein paar Fragen (falls du dich damit näher auskennst) : Was genau sind für Thomas zum Beispiel dann lässliche Sünden? Und *wieso* sind sie anscheinend nicht so richtig Sünde? Ich meine, nehmen wir das Lügen als Beispiel. Nicht jede Lüge ist doch eine Todsünde. Aber eine lässliche Notlüge und eine Lüge, mit der man jemanden wirklich schwer betrügt, sein Vertrauen missbraucht und ihm schadet, sind ja nicht ihrem *Wesen* nach unterschieden, sondern eher ihrem Grad nach. Es gibt viele Zwischenstufen zwischen einer geringfügigen und einer schwerwiegenden Lüge. Ich verstehe einfach grundsätzlich nicht so ganz, wie man den grundlegenden Unterschied zwischen lässlicher und schwerer Sünde festmacht. Und, Thomas verwendet "Todsünde" und "schwere Sünde" doch gleichbedeutend, oder? Das scheint mir dann tendentiell eben darauf hinauszulaufen, dass man entweder alle Sünden gleich auch zu Todsünden erklärt, also die Zahl der Sünden, die zur Verdammnis führen können, vermehrt, oder dass man alle lässlichen Sünden praktisch als Nicht-Sünden einstuft, also die Zahl der Taten, die man vermeiden sollte, verkleinert. Beides irgendwie nicht ideal.

      (Mir ist übrigens gerade erst aufgefallen, wie sehr dieses "Das Gesetz ist da, um uns zu zeigen, wie sündig wir sind"-Denken sogar bei einem so über Konfessionsgrenzen hinweg geschätzten Autor wie C. S. Lewis in einem so ausdrücklich ökumenisch ausgerichteten Buch wie "Mere Christianity" auftaucht... Ist wohl doch irgendwie eine sehr prägende Ansicht für die Protestanten gewesen.)

      - Crescentia.

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    6. Tjaja, daß Mere Christianity ein zumindest im sagen-wir-mal Tonfall ein durch und durch protestantisches Werk ist, daß vielleicht sogar die Bemerkung von Msgr. Knox aus einem anderen Zusammenhang, "using 'Christian' in ist Irish sense of 'non-Catholic'" angebracht wäre (okay, das wäre dann doch übertrieben), habe ich immer gesagt, seit ich es gelesen habe... nicht daß das so wichtig wäre.

      Kenne ich mich näher damit aus? Nun, kennt sich jemand näher damit aus, der die Summa theol immerhin mal über einen längeren Zeitraum gelesen hat, aber sonst nichts...?

      Das jedenfalls ist klar, auch der hl. Thomas gebraucht die Wörter "Todsünde" und "schwere Sünde" als Synonyme, und *nur* diese ist "contra legem". Das, was die läßliche ist, nennt er "praeter legem". (Was das dann heißt...) Und die läßlichen und schweren Sünden *sind* dem Wesen und nicht dem Grade nach unterschiedlich, was auch der Grund dafür ist, daß aus der einen nie durch bloße (nicht wesensverändernde) Umstände die andere werden kann.

      (Jou. Selbstverständlich kann aus einer Todsünde *dann* eine läßliche werden, wenn ein Wissens- oder Willensmangel dazu führt, daß der Mensch, um in den modernen Jargon zu verfallen, das Gebot nicht mit vollem persönlichen Einsatz übertritt; das leugnet Thomas nicht, lehrt es vielleicht auch irgendwo, aber jedenfalls steht das nicht besonders in seinem Blickfeld.)

      Du hast natürlich das auf geführt, was unter den läßlichen Sünden die schweren Kaliber sind, z. B. die Lüge. Es gibt natürlich auch unter den läßlichen Sünden schwerere und leichtere. Gerade bei dem von Dir genannten Beispiel sind Notlüge und Betrug allerdings sehr wohl und zwar sogar ziemlich offensichtlich dem Wesen und nicht nur dem Grade nach verschieden, weil bei letzterer ein Element der Boshaftigkeit (unthomistisch gesagt) bzw. ein zusätzlicher Verstoß gegen die Tugenden der Gerechtigkeit (jemandem schwer schaden) und Freundschaft (Vertrauen mißbrauchen) hinzukommt.

      Aber ich zitiere besser mal den entsprechenden Artikel: (im nächsten Kommentar)

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    7. I/II 88 Art. Wird die läßliche Sünde passend von der Todsünde unterschieden?

      ES SCHEINT, DASS die läßliche Sünde nicht passend von der Todsünde unterschieden wird. Denn Augustinus sagt (Contra Faust[inum?] xxii, 27): „Die Sünde ist ein Wort, eine Tat oder ein Verlangen, was dem ewigen Gesetze entgegengesetzt ist.“ Aber die Tatsache, daß sie dem ewigen Gesetze entgegengesetzt ist, macht sie eine Todsünde. Daher ist jede Sünde eine Todsünde. Daher ist die läßliche Sünde nicht unterschieden von der Todsünde.

      (2) Außerdem sagt der Apostel (1 Cor 10,31): „Ob ihr eßt oder trinkt oder was auch immer ihr sonst tut, tut alles zur Ehre Gottes.“ Jeder nun, der sündigt, bricht dieses Gebot, denn die Sünde tut man nicht zur Ehre Gottes. Folglich, da ein Gebot zu brechen heißt eine Todsünde zu begehen, scheint, daß jeder, der sündigt, schwer sündigt.

      (3) Außerdem hängt jeder, der einer Sache mit Liebe anhängt, ihr entweder als sie Genießender oder als sie Gebrauchender an, wie Augustinus sagt (De Doctrina Christiana i,3,4). Aber keiner hängt beim Sündigen einem veränderlichen Gut als es Gebrauchender an: denn er bezieht es nicht auf jenes Gut, das uns Glückseligkeit gewährt, worin im eigentlichen Sinn das Gebrauchen besteht gemäß Augustinus (ebd.). Daher genießt jeder, der sündigt, ein veränderliches Gut. Nun ist „das zu genießen, was wir gebrauchen sollten, menschliche Perversion“, wie wiederum Augustinus sagt (Qq. lxxxiii, qu. 30), und da Perversion eine Todsünde bezeichnet, scheint, daß jeder, der sündigt, schwer sündigt.

      (4) Außerdem wendet sich jeder, der sich dem einen Begriff nähert, durch diese Tatsache selbst von dem Gegenteil ab. Nun nähert sich jeder, der sündigt, einem veränderlichen Gut und wendet sich folglich von dem Unveränderlichen Gut ab, sündigt also schwer. Daher ist es unpassend, die läßliche Sünde von der schweren zu unterscheiden.

      ANDERERSEITS sagt Augustinus (Tract. xli in Joan.): „Ein Verbrechen ist eines, das die Verdammnis verdient, und eine läßliche Sünde eine, die das nicht tut.“ Aber ein Verbrechen bezeichnet eine schwere Sünde. Daher wird die läßliche Sünde passend von der Todsünde unterschieden.

      ICH ANTWORTE, DASS gewisse Begriffe nicht erscheinen, einander entgegengesetzt zu sein, wenn man sie in ihrem eigentlichen Sinn nimmt, sehr wohl aber, wenn man sie metaphorisch hernimmt: „lächeln“ ist nicht entgegengesetzt zu „trocken sein“, aber wenn wir von den lächelnden Weiden sprechen, wenn sie mit Blumen bedeckt und frisch von grünem Grase sind, dann *ist* das der Dürre entgegengesetzt. Gleichermaßen ist es so: Wenn man „Tod-“ wörtlich versteht als den Tod des Körpers betreffend, dann impliziert es kein Gegenteil zu „läßlich“ und gehört auch nicht derselben Gattung an. Wenn man „Tod-“ aber metaphorisch verwendet, wie wenn man es auf die Sünde anwendet, dann *ist* es dem Läßlichen entgegengesetzt.

      Denn die Sünde ist, wie wir oben gesagt haben (I/II 71 I ad 3, 72 V, 74 IX ad 2), eine Krankheit der Seele und heißt „Tod-“ bzw. tödlich durch den Vergleich mit einer Krankeit, welche dann tödlich heißt, wenn sie einen irreparablen Defekt in der Zerstörung eines Prinzips [gemeint wohl einer lebenswichtigen Grundfunktion] verursacht, wie oben gesagt (I/II 72 V). Nun ist das Prinzip des geistlichen Lebens, welches ein Leben im Einklang mit der Tugend*** ist, die Ordnung auf das letzte Ziel hin, wie oben erwähnt (I/II 72 V, 87 III); und wenn diese Ordnung zerstört ist, kann sie durch kein intrinsisches Prinzip repariert werden, sondern nur von der Macht Gottes, wie oben erwähnt (I/II 87 III), weil Unordnungen in Dingen, die sich auf das Ziel beziehen, durch [Neuausrichtung auf, nehme ich an?] das Ziel repariert werden, ebenso wie ein Irrtum über Schlüsse durch die Wahrheit der Prämissen repariert werden kann. Daher heißen diese Sünden Todsünden, also unreparierbare Sünden.

      [wird mitten in der Übersetzung fortgesetzt]

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    8. Folglich sind Tod- und läßliche Sünde einander entgegengesetzt als reparierbar und nicht reparierbar, und ich sage das in bezug auf das intrinsische Prinzip, nicht die göttliche Macht, die alle Krankheiten des Leibes und der Seele heilen kann. Daher wird die läßliche Sünde passend von der Todsünde unterschieden.

      Ad 1. Die Einteilung der Sünde in „läßlich“ und „schwer“ ist nicht die Einteilung einer Gattung in ihre Arten, die einen gleichen Anteil an der Gattungsnatur haben, sonder es ist die Einzeilung eines analogen Begriffs in seine Teile, von denen er ausgesagt wird, erst von dem einen, dann von dem anderne. Daher bezieht sich die vollkommene Idee von „Sünde“, die Augustinus gibt, auf die Todsünde. Die läßliche Sünde andererseits heißt Sünde in bezug auf eine unvollkommene Idee von Sünde und im Verhältnis zur Todsünde, so wie man auch ein Akzidens ein Seiendes nennt im Verhältnis zur Substanz und in bezug auf die unvollkommene Idee des Seins. Denn sie ist nicht „gegen“ das Gesetz****, denn wer läßlich sündigt, tut weder, was das Gesetz verbietet, noch läßt er aus, was das Gesetz vorschreibt; aber er handelt „neben“ dem Gesetz, indem er die vernünftige Verhaltensweise nicht einhält, die das Gesetz intendiert.

      Ad 2. Dieses Gebot des Apostels ist ge-, nicht verbietend, daher gilt es nicht für alle Zeiten. [!! - nämlich weil das zu schwer wäre!] Folglich handelt nicht jeder, der nicht aktuell alle seine Handlungen auf die Ehre Gottes bezieht, gegen dieses Gebot. Um daher zu vermeiden, jedesmal, wo man darin versagt, eine Handlung auf Gottes Ehre zu beziehen, ist es genüg, sich selbst und alles, was man hat, auf Gott habituell zu beziehen. Nun schließt die läßliche Sünde bloß den aktuellen Bezug der menschlichen Handlung auf Gottes Ehre aus, aber nicht den habituellen, weil sie nicht die Tugend der Liebe ausschließt, welche den Menschen habituell auf Gott bezieht. Daher folgt nicht, daß wer läßlich sündigt, schwer sündigt.

      Ad 3. Wer läßlich sündigt, hängt an dem zeitlichen Gut nicht als es Genießender, weil er darein nicht sein letztes Ziel setzt, sondern schon als es Gebrauchender, indem er es auf Gott bezieht, dies freilich nicht aktuell, sondern nur habituell.

      Ad 4. Das veränderliche Gut wird nicht angesehen als Gegenbegriff zum Unveränderlichen Gut, es sei denn man setzt sein [letztes] Ziel darein; denn was auf das Ziel bezogen wird, hat nicht den Charakter der Finalität.

      *** Man beachte: Der hl. Thomas fordert nur „im Einklang mit der Tugend“, was man doch sonst vielleicht voreilig als die niedrigste Stufen des überhaupt zulässigen ansehen könnte, müsse man nicht *mehr* tun in bezug auf Tugend als nur im Einklang mit ihr zu leben?

      **** „Gesetz“ ist hier das göttliche, und zwar soweit es gewissermaßen *mit voller Wucht* ge- und verbietet – so dürfte sich das erklären lassen. Ob z. B. ein staatliches Gesetz zu verletzen eine Todsünde ist, was St. Thomas an anderer Stelle prinzipiell bejaht (aber natürlich nicht aus eigenem Recht, sondern auf Grund des in der göttlichen Ordnung begründeten Gehorsamsanspruchs), hängt davon ab, ob es befehlen darf, was es befiehlt, vielleicht auch, ob es befehlen sollte, was es befiehlt, ganz sicher aber davon, ob es selbst beabsichtigt, derartige Verpflichtungen aufzuerlegen – man kann z. B. in Deutschland unschwer herausfinden, daß der Gesetzgeber das zumindest in Ordnungswidrigkeitendingen ausdrücklich nicht beabsichtigt („kein ethisches Unwerturteil treffen will“), a fortiori in den Gesetzesbestimmungen, bei denen der Verstoß nicht einmal ordnungswidrig ist.

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    9. Zu dem was Du gesagt hast

      >>Das scheint mir dann tendentiell eben darauf hinauszulaufen, dass man entweder alle Sünden gleich auch zu Todsünden erklärt, also die Zahl der Sünden, die zur Verdammnis führen können, vermehrt, oder dass man alle lässlichen Sünden praktisch als Nicht-Sünden einstuft, also die Zahl der Taten, die man vermeiden sollte, verkleinert. Beides irgendwie nicht ideal.

      Ob man das „praktisch als Nicht-Sünden erklären“ nennt, sei einmal dahingestellt (immerhin spricht der hl. Thomas einen Artikel weiter tatsächlich davon, Todsünde und schwere Sünde verhalten sich zueinander wie Substanz und Akzidens) – jedenfalls soll man sie ja weiterhin vermeiden.

      Man verkleinert also die Zahl der Taten, die man vermeiden soll, nicht; aber wenn es so wäre, wieso wäre das problematisch, wenn man mehr Sachen machen dürfte und die Moral einfacher wäre? Die Moral ist sicher manchmal schwer, das ist aber keinerlei Selbstzweck.

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    10. In der Metapher macht die Unterscheidung (Todsünde tötet die Seele, bricht also die Beziehung zu Gott ganz ab, lässliche schwächt/verletzt sie nur) schon Sinn. Aber ich finde die Erklärung mit dem "praeter legem" immer noch irgendwie seltsam. Thomas schreibt ja: "Denn sie ist nicht „gegen“ das Gesetz, denn wer läßlich sündigt, tut weder, was das Gesetz verbietet, noch läßt er aus, was das Gesetz vorschreibt; aber er handelt „neben“ dem Gesetz, indem er die vernünftige Verhaltensweise nicht einhält, die das Gesetz intendiert." Das klingt jetzt irgendwie so, als wäre das Vermeiden von Todsünden das Erfüllen des Gesetzes "nach dem Buchstaben" und das Vermeiden auch von lässlichen Sünden das Erfüllen des Gesetzes auch "nach dem Geist"... hab ich das so richtig verstanden? Aber wenn wir jetzt mal beim Beispiel der Notlüge bleiben: Die verstößt doch eindeutig "gegen" die Regel "Du sollst nicht lügen".

      Zum letzten Punkt: Du schreibst: "Man verkleinert also die Zahl der Taten, die man vermeiden soll, nicht; aber wenn es so wäre, wieso wäre das problematisch, wenn man mehr Sachen machen dürfte und die Moral einfacher wäre? Die Moral ist sicher manchmal schwer, das ist aber keinerlei Selbstzweck." Klar. Ich meinte damit einfach eher, dass es ein Problem wäre, wenn man Notlügen, Unfreundlichkeiten und ähnliche lässliche Sünden mit der Vorstellung "das sind ja praktisch gar keine richtigen Sünden, ist also nicht so wichtig, sie zu meiden" beiseiteschieben würde. Aber klar, es wird ja gesagt, man soll sie meiden, da sie auch zu Lastern werden können und für Todsünden bereit machen usw.

      - Crescentia.

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    11. Beim Beispiel der Notlüge: die ist zwar ein *praktisch* wahrscheinlich relativ relevantes Beispiel für eine läßliche Sünde, aber eben nicht unbedingt ein wirkliches Paradebeispiel für sie. Sie gehört unter den läßlichen Sünden höchstwahrscheinlich zu den schwersten, jedenfalls zu den schwereren; Leute mit regelmäßiger Beichtpraxis, die nicht gerade eine Lebensbeichte ablegen und sich daher um die großen Brocken kümmern müssen, beichten sie vermutlich fast immer; der hl. Thomas diskutiert an anderer Stelle auch, ob sie nicht bei Leuten ab einer gewissen religiösen Entwicklungsstufe immer eine schwere Sünde sei, und verneint das dann mit der Bemerkung, es gehe nicht an, daß der religiös Fortgeschrittenere schlechter dran ist als der weniger Fortgeschrittene.

      Ansonsten ist deine Argumentation genaugenommen, ob nicht auch die Notlüge eine schwere Sünde (unter diesen dann eine leichtere) ist.

      Die Antwort dürfte sein, daß "du sollst nicht lügen" zwar "eine Regel" ist, aber eben eine, die einen konkreten Fall von "dem, was das Gesetz intendiert", nämlich der Wahrhaftigkeit, in eine Regel faßt; aber eben nicht "das Gesetz" im hier gemeinten Sinn.

      Und diese andere Grundannahme, daß alle Verbote, die in der Bibel stehen (außer natürlich atl. Zeremonial- und Judizialgesetze) unter schwerer Sünde einzuhalten sind, wie ist das *damit* zu vereinen?

      Nun, ich mag mich täuschen, aber "du sollst nicht lügen" steht in der Bibel meines Wissens tatsächlich nirgendwo *ausdrücklich* drin. Das Gebot, das wir uns als Kinder so eingeprägt haben, heißt in Wirklichkeit "du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten", wobei - wie der hl. Thomas an der entsprechenden Stelle auch bemerkt - das "wider Deinen Nächsten" auch andeutet, daß der eigentliche Gesetzesverstoß hier auch einen Verstoß gegen die Nächstenliebe und nicht nur die Wahrhaftigkeit beinhaltet.

      >>Ich meinte damit einfach eher, dass es ein Problem wäre, wenn man Notlügen, Unfreundlichkeiten und ähnliche lässliche Sünden mit der Vorstellung "das sind ja praktisch gar keine richtigen Sünden, ist also nicht so wichtig, sie zu meiden" beiseiteschieben würde.

      Ich weiß nicht. Ich glaube fast, daß sogar sehr nützlich sein kann, so etwas, wenn es einem unterläuft, lieber nicht zu überdramatisieren, als (z. B.) unter dem Anspruch psychisch und physisch krank zu werden.

      Zumal Notlügen und Unfreundlichkeiten ja sowieso auch dem Begeher keinen Spaß machen.

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  2. Wenn ich mich mal wieder zu Wort melden darf....Was mich an der Dreherschen und Deiner Argumentation irritiert - und ich habe deshalb auch bis zu diesem Kapitel gewartet - ist der Punkt: Was ist da eigentlich neu (außer dem vielleicht etwas apokalyptischen Unterton und dem - Verzeihung - bizarren Niedergangsnarrativ)? Solche Ansätze werden schon lange im katholischen (und natürlich auch außerhalb) Raum gelebt. Das ist doch der Hintergrund diverser Laienorganisationen der Orden bzw der Neuen geistlichen Bewegungen. Auch kommunitäre Gruppe gibt es von den linken Catholic Workers über die Archegemeinschaften Jean Vaniers (der übrigens wirklich tiefgründiges über Gemeinschaft geschieben hat) bis zu Sant' Egidio. Alle versuchen das Evangelium "mitten in der Welt" (Foucauld) zu leben. Dieses Rad braucht man sicher nicht neu erfinden.

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    1. Es geht ja auch gar nicht darum, das Rad neu zu erfinden. Sondern im Gegenteil gerade darum, Bewegungen bzw. Gemeinschaften wie die genannten als Anregung/Impuls dafür zu betrachten, wie man im eigenen Leben und im persönlichen Umfeld Nachfolge Christi verwirklichen kann.

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  3. Ja, war ja eh klar, ich kommentier mal wieder was. Wird wieder lang, aber der Text war auch lang und zu den meisten Dingen wollte ich eben doch irgendwie wenigstens kurz was schreiben.

    Tja, ich stehe ja dem ganzen Konzept (wie unschwer klar geworden ist) etwas skeptisch gegenüber. Man erlaube mir freilich zur allgemeinen Begründung, wer mag kann es auch Entschuldigung nennen, die persönliche Vorbemerkung, erstens daß das *Aber* so gut wie immer interessanter ist als das *Ja*, zweitens daß (was zugegeben auch so eine Art Steckenpferd ist wie das, was ich kürzlich bei einem anderen Kommentator kritisierte) ich der zugegeben weit verbreiteten Meinung durchaus nicht bin, man müsse nur hauptsächlich in die vom gegenwärtigen Zustand aus richtige Richtung anstacheln, dann sei das jedenfalls zu loben, man müsse immer 2a fordern, um a zu bekommen.
    Das hin- und herschwingende Pendel mag unser Schicksal sein (und ich gebe gerne zu, daß wir froh sein können, wenn es auch mal wieder herschwingt), es kann aber nicht unser Ziel sein. Und wir leiden nicht unter zu wenig Moralpredigt im amerikanischen Pep-talk-Sinn, sondern wenndann unter zu viel – wenn auch aus allgemeinkirchlicher Sicht vielleicht erst auf den zweiten Blick und in einem weiteren Sinn (das wäre natürlich freilich eigentlich begründungspflichtig, vielleicht erkläre ich das noch). Sowohl aus intellektueller Redlichkeit, das sowieso, aber auch weil es letzten Endes auch das zweckmäßigste sein dürfte müssen wir uns das fragen, was denn genau wir eigentlich wollen; überall da, wo der Begriff „goldene Mitte“ überhaupt angebracht ist, müssen wir zur Mitte hin, nicht zum entgegengesetzten Rand.

    Das will, davon gehe ich aus, auch Mr. Dreher; in der Beziehung kritisiere ich nichts an seinem Konzept, will nur (was taktisch natürlich falsch sein mag) selber der Kritik ausweichen, auch wenn das, was ich vielleicht an Kritik noch finden werde, im einzelnen durchaus stimmen könne, solle ich doch einfach meine Kritikastermentalität sein lassen.

    Im Zusammenhang damit, das noch als Vorbemerkung, halte ich es durchaus *nicht* für ein uneingeschränktes Lob, wenn eine Aufforderung, zumal wenn sie nicht im Gewande echter Freiwilligkeit, sondern unter „als Christ sollst du“ daherkommt, „anspruchsvoll“ ist. Das christliche Leben ist sicherlich bisweilen anspruchsvoll - *da müssen wir durch*. Aber der Anspruch ist immer begründungspflichtig. (In einem ähnlichen Gesichtspunkt muß eine Aufforderung meines Erachtens nicht allein deswegen gut sein, weil sie mir persönlich gegen den Strich geht.)

    *Noch* eine Vorbemerkung zum Sprachgebrauch: allein schon um nicht immer zu Halbsätzen greifen zu müssen, sage ich im Einklang mit der allgemein Umgangssprache sowie dem kirchlichen Sprachgebrauch bis 1983 einschließlich II. Vatikanums „Laie“ immer im Gegensatz nicht nur zu „Kleriker“ sondern auch zu „Mönch“. Damit nicht ein *noch* schlimmerer Haarspalter, wie ich es bin, daran Anstoß nimmt, erwähne ich das mal gleich…

    Eins sticht mir auf jeden Fall ins Auge:

    >>Eine Kirche oder sonstige Benedict Option-Gemeinschaft

    Sorry, Mr. Dreher. Aber unter „Kirche“ mit dem unbestimmten Artikel versteht der Normalmensch eine *Konfession*, der Katholik vielleicht noch eine Ortskirche. Und das, worum es vielleicht trotz aller Untergangswarnungen tatsächlich geben könnte, nämlich eine innerkirchliche Spiritualitätsform, die sich im katholischen Bereich als „Verein von Gläubigen“, früher pia unio genannt, aufstellt und, warum nicht?, vielleicht auch örtlich einander in die Nähe zieht, ist auch mit einer „sonstigen“ Gemeinschaft, die „Kirchen“ gegenübersteht, relativ schlecht beschrieben. Wenn man dazu noch kommt, daß der Autor dem (wie der Rezensent ein paar Beiträge weiter zurück mit Recht geschrieben hat) hochsympathischen und -freundlichen Volk der US-Amerikaner angehört, in dem aber eben zufällig die Kirchengründerei *tatsächlich* eine Art bedauerlicher Volkssport ist, dann muß man sich, denke ich, für die Alarmglocken nicht wirklich entschuldigen.

    (wird fortgesetzt)

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  4. (Fortsetzung)

    Apropos Verein von Gläubigen. Was der Autor hier weitläufig beschreibt, hört sich doch im Ansatz schwer danach an, als ob es das nicht nur (wie viele bemerkt haben) „schon gibt“, sondern als ob es auch einen bestimmten Namen dafür schon gibt. Der Name ist „Dritter Orden“. Wobei zu bemerken ist: Auch zum Drittordensmitglied wird man (meines Wissens) berufen; die Berufung erfolgt (meines Wissens) ebensowenig mit Heilsnotwendigkeit wie (z. B.) die zum Weltpriester; und vor allem: es gibt in der Kirche viele Orden mit vielen Charismen und fast alle mit Drittorden. Nun ist sicherlich die Spiritualität der Zisterzienser beider Observanzen den Benediktinern recht ähnlich, und der Karthusianer vielleicht auch noch; aber das ist bei weitem nicht alles in der Vielfalt der katholischen* Kirche, und sie haben alle ihre Drittorden, und daneben gibt es auch noch Gemeinschaften, die mit Ordensgemeinschaften gar nichts zu tun haben…

    [* ich sage das hier nicht, um dem Verfasser seine Zugehörigkeit zur nichtkatholischen Ostkirche vorzuwerfen, sondern um auf die Bedeutung „allumfassend“ hinzuweisen: es gehört eben alles in die katholische Kirche hinein, außer das Verkehrte, versteht sich.]

    Dennoch: Der Ansatz, die Benediktsregel herzunehmen und zu sagen: so, daran kann sich das Drittordensmitglied und vielleicht auch der sonstige Laie in seinem Laienleben ein Beispiel nehmen, daran dann wieder nicht, das ist spezifisch mönchisch… das ist, versteht sich, ein interessantes Unterfangen, denn jenen großartigen christlichen (man darf ihn glaubich so nennen:) Vätertext, der die Benediktsregel ist, kann man ganz sicher auch im Laienstand mit Gewinn lesen. Nur scheint der Verfasser das nicht gemacht zu haben; und ich traue dem Rezensenten durchaus zu, daß er das herausgearbeitet hätte, wenn es dagestanden wäre. So liest man immerzu „der Mönch“ und denkt sich zu dem vorgegebenen Thema: ja, der Mönch, okay, aber wir jetzt?

    Das hätte freilich etwas Detailkram erfordert, den man sich (man verstehe mich nicht falsch) sicher auch sparen kann, wenn man einfach so, auch als Laie, die Benediktsregel mit Gewinn liest; aber eher weniger, wenn man in groß angelegter Form eine „Benedikt-Option“ für die Laienschaft von heute herausdeutet.

    Um jetzt in den Zitier- und Kommentiermodus zu verfallen:

    >>“Die meisten der Männer, die das Kloster neubegründet haben, sind junge Amerikaner, die sich entschieden haben, als Benediktinermönche ihr Leben ganz und gar Gott hinzugeben - und nicht einfach als Mönche, sondern als Benediktiner, die entschlossen danach streben, die ganze Fülle ihrer Ordenstradition auszuleben."

    Man nenne mich naiv, aber was ist das denn anderes als „einfach als Mönch“? Die Berufung des Mönchs ist hoch genug, sogar arguably die höchste in der Kirche; da muß man nicht auch noch drauf bestehen, daß man mehr ist als einfach nur ein Mönch.

    >>Dabei stellt der Autor von vornherein klar, dass es nicht darum gehen kann, Regeln für eine klösterliche Lebensweise Punkt für Punkt und wortwörtlich auf das alltägliche Leben christlicher Laien anzuwenden - wohl aber darum, aus den Kerngedanken dieser Regel Impulse zu beziehen: "Selbstverständlich ist die Ordensregel für das klösterliche Leben konzipiert, aber ihre Lehren sind einfach genug, dass Laienchristen sie für ihren eigenen Gebrauch adaptieren können. Die Ordensregel bietet Richtlinien für ein ernsthaftes und nachhaltiges christliches Leben, in einer Weise, die uns innerlich neu ordnet, das, was in unseren Herzen zerstreut ist, zusammenfügt und auf das Gebet hin ausrichtet. Wenn man sie auf effektive Weise anwendet, diszipliniert die Regel das Leben, das wir mit Anderen teilen, baut Barrieren ab, die die Liebe Gottes davon abhalten, unter uns zu wirken, und macht uns widerstandsfähiger, ohne unsere Herzen zu verhärten."

    Was denn nun?

    (wird fortgesetzt)

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  5. (Fortsetzung)

    Es ist sehr richtig festgestellt, daß es nicht darum geht, die Benediktinerregel im Laienstand anzuwenden, sondern Impulse daraus zu beziehen. Kleiner Tipp: diese Impulse müssen durchaus nicht *selbst* als „Regel“ faßbar sein; man kann durchaus, wie man das so altmodisch nennt, ein „gutes Buch lesen“, z. B. die Benediktinerregel, und dann geradezu unbemerkt sich davon beeinflussen lassen. Man *könnte* freilich auch daran gehen, diese Impulse (etwas salbungsvoll gesagt) in die Niederungen des konkreten ausdrückbaren Klein-klein herabzuziehen. Wenn aber der Autor schreibt, wie gesagt,

    >>aber ihre Lehren [nicht einmal: einige derselben!] sind einfach genug, dass Laienchristen sie für ihren eigenen Gebrauch adaptieren können. Die Ordensregel bietet Richtlinien für ein ernsthaftes und nachhaltiges christliches Leben, in einer Weise, die uns innerlich neu ordnet, das, was in unseren Herzen zerstreut ist, zusammenfügt und auf das Gebet hin ausrichtet. Wenn man sie auf effektive Weise anwendet, diszipliniert die Regel das Leben, das wir mit Anderen teilen, baut Barrieren ab, die die Liebe Gottes davon abhalten, unter uns zu wirken, und macht uns widerstandsfähiger, ohne unsere Herzen zu verhärten."

    dann kann er offensichtlich nur von der *Regel selbst* sprechen und nicht von daraus gezogenen Impulsen; und die kann, wie er ja selber eigentlich nicht bestreitet, der Laie (so) nicht einhalten.

    >>“wir suchen lediglich nach einem Weg, stark im Glauben zu sein in einer Zeit großer Prüfungen. Die Ordensregel mit ihrer Vision eines geordneten, auf Christus als Zentrum ausgerichteten Lebens und die Praktiken, die sie zur Vertiefung unserer Bekehrung empfiehlt, können uns dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen."

    Und wieder: „die Ordensregel“, und zwar ausdrücklich einschließlich „der Praktiken, die sie empfiehlt“. Nichts mit „einige davon“, nichts mit „geeignete Abwandlung“, gar nichts.

    >>Man könnte sagen, das Bestreben, sein Leben einer bestimmten Ordnung zu unterwerfen, ist die notwendige Grundvoraussetzung dazu, überhaupt so etwas wie eine Regel zu etablieren.


    If men must live without wives, let them at least not live without a Rule, sagte dazu Chesterton. Keine Kritik, nur eine kleine Humoreinlage. (Wobei Humor nicht unbedingt „falsch“ heißen muß.)

    Auch wenn ersteres, die Frau als den Mann zur Ordnung zwingend, beim Rezensenten anders sein mag.


    >>"Wenn Unordnung ein bestimmendes Charakteristikum der modernen Welt ist, dann besteht der fundamentalste Akt des Widerstands darin, Ordnung zu schaffen." 

    Wenn sie das ist, dann sei einmal dahingestellt, ob das so ist. Daß freilich Unordnung ein bestimmendes Charakteristikum der modernen Welt ist, halte ich durchaus nicht für offensichtlich. Ich verbinde genaugenommen die Fähigkeit, je nach Wichtigkeit der fraglichen Sache auch mal fünfe gerad sein zu lassen, wie der Türhüter der Goldenen Halle bei Bedarf sagen zu können „Grima forbade any weapon whatsoever, but in need a man will trust his own counsel. I believe you are men worthy of honor and having no ill purposes; you may come in“, eher mit den Orten und Gemeinschaften, wo das Christentum und speziell das katholische noch lebendig ist. Graham Greene schreibt, wie ein Kapitän einen englischen Offizier (der ihn bei harmloser, nach dem Buchstaben des Gesetzes aber strafbarer Kommunikation mit seiner Tochter im Feindesland ertappt hatte) versucht zu bestechen, nachdem er herausgefunden hat, daß sie beide katholisch sind: „Es war das größte Kompliment, das er seiner Religion machen konnte; er hätte nie versucht, einen Anglikaner zu bestechen“ (worauf der Offizier das Geld nicht annimmt, aber auch die „Spionage“ nicht weitermeldet)… Ist es also die Ordnung der katholischen Kirche, mit dem Schriftwort „jeder übertreffe den anderen in der Ehrerweisung“ (weil man immer etwas finden kann, worin der andere einem an Ehre voransteht), oder die Preußens?

    (wird fortgesetzt)

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  6. (Fortsetzung)

    Jedenfalls ist der moderne Angriff, den Mr. Dreher meint, mit bloßer „Unordnung“ zu schwach beschrieben. Unordnung ist nicht das Problem, Unordnung haben wir immer gehabt: „A paar Jahr drauf, i war a Ministrant, da nimmt der Pfarrer mei Muatta bei der Hand. 'Sie, guate Frau, i muaß eahna was sang, es is a Kreiz mit dem Buam, er is so ungezong. Er macht nur Blödsinn, tuat im Beichtstuhl raucha; so oan kemma in der Kirch net braucha.' Mei Muatta hat gwoant, sie hat's net glaabt, was soi i lang re'n? Recht hat er ghabt: I bin a Haberfeld-, Haberfeld-, Haberfeldtreiber, raucha, sauffa, vogelwuide Weiber, treib mi rum bei der Nacht und schlaf am Tag, mei ganzes Lem is a Haberfeld-Rock“ - aber der Haberfeldtreiber aus dem Schlager, der keine größeren Probleme hat und am Ende voll Einsicht vermutlich noch ins Fegfeuer kommt, kommt einem doch heutzutage fast als guter Katholik vor. Eine Falschordnung-, nicht ganz normale Unordnung ist das spezielle Problem, das der Autor an sich anspricht.

    >>Es ist schwer, sich Regeln zu unterwerfen, die man nicht versteht; aber es ist ein gutes Gegenmittel gegen die fleischliche Begierde nach persönlicher Unabhängigkeit.

    Mit Verlaub: sofern man den *Grund* dafür kennt, *warum* man sich den Regeln unterwirft, ist das nicht schwer oder jedenfalls nicht wesentlich schwerer als sich Regeln zu unterwerfen, die man sehr wohl versteht. Vielleicht sogar einfacher: wenn man die Regel nämlich nicht versteht, hat man immer noch die Genugtuung, sich „blöde Regel! Aber ich gehorche“ denken zu können; versteht man sie, steht dieser Ausweg nicht oder wenigstens nicht so wirklich offen.
    Ich kann in der Beziehung sagen, daß ich, wenn auch ohne eigenes Verdienst, hier wenigstens ein *bißchen* aus eigener Erfahrung rede, denn anders als wohl zu Mr. Drehers Zeiten in Amerika und heute in Deutschland gab es zu meiner Zeit noch die Wehrpflicht.

    Andererseits: es gibt einfach keinen Grund, warum die Begierde nach persönlicher Selbständigkeit als „fleischlich“ im Sinne von sündhaft zu qualifizieren wäre – beim Laien. Der Christ ist ein freier Mensch und muß nur dem Teufel (und seiner Bosheit; und seinen Verlockungen) widersagen.

    >>“In gewissem Sinne sind die Benediktiner von Norcia eine Art Marine Corps des religiösen Lebens, das permanent für den geistlichen Kampf trainiert." Der hier - und auf den folgenden Seiten noch öfter - anklingende Gedanke, die Mönche als eine geistliche Elitetruppe aufzufassen, hat durchaus etwas Tröstliches: Es kann und muss ja nicht Jeder zur Elite gehören. Salopp ausgedrückt: Ganz so krass drauf sein wie die Mönche muss man demnach wohl nicht unbedingt. Aber, wie schon gesagt, Impulse kann man aus ihrer Lebensweise allemal beziehen - und sollte es auch.

    Das ist sehr richtig.

    Es sei nur angemerkt: Interessant, das mit dem Marine Corps. Der europäische Normalmensch kennt das Marine Corps vor allem aus dem Film „Full Metal Jacket“ … Die Amerikaner haben ja eine eigenartige Beziehung zum Marine Corps; es fällt zum Beispiel auf, daß er hier nicht etwa „Special Forces“ oder dergleichen sagt. Das Marine Corps ist im eigentlichen Sinne keine Elitetruppe, sondern ein gewöhnlicher Truppenteil (genauer: eine Teilstreitkraft) mit allerdings elitärem Anspruch (wie ihn etwa bei uns die Fallschirmjäger haben)… und was die in besagtem Film kritisierte „Härte“ speziell psychischer Art betrifft, sei daran erinnert, daß ehemalige Offiziere der – auch vom nationalsozialistischen Hautgout abgesehen – ausbildungsmäßig ja sicher auch nicht gerade verweichlichten Wehrmacht (!) in den 50er Jahren bei der Aufstellung der Bundeswehr zitiert werden konnten mit Sätzen wie
    >>Ein anderer, für solche Fragen nicht minder kompetenter Stäbler in der Bonner Ermekeilkaserne prophezeite nach Lektüre des auf harten Drill abgestellten Vorschriften-Entwurfs - wenige Tage vor der Kemptener Katastrophe -: "Wenn die das so machen, dann haben sie spätestens in vier Wochen eine Schweinerei à la Marine - Korps."

    (wird fortgesetzt)

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  7. (Fortsetzung)

    (Quelle zu letzterem: Spiegel vom 12.6.57. Hochinteressanter Artikel). Hochinteressant ist es auch, „Full Metal Jacket“ einmal „08/15 in der Kaserne“ gegenüberzustellen. Aber ich schweife ab.

    >>"Als Jesus sie besuchte, fuhrwerkte Marta in der Küche herum, während Maria zu Jesu Füßen saß und Ihm zuhörte. Als Marta sich beklagte, dass Maria ihr nicht half, erwiderte der Herr, Maria habe 'das bessere Teil erwählt'.
    Warum? Weil [...] es zwar wichtig ist, Dinge für den Herrn zu tun, aber noch wichtiger ist es, Ihn mit dem Herzen und dem Verstand kennenzulernen. Und darum hat Kontemplation Priorität."

    Man muß ja die Leute bisweilen daran erinnern, da ist Mr. Dreher nicht der einzige: aber die hl. Martha gehört zu den Heiligen der Kirche; und sie wurde bezeichnenderweise *dann* getadelt, als sie selber ihre Schwester für ihren Mangel an Aktion tadelte – aber auch erst dann. Alles *abgesehen* von diesem „warum läßt mich meine Schwester die ganze Arbeit machen“ muß nicht unbedingt ein Beispiel sein, wie man es nicht machen wollte.
    Nun ist ein Laie (vermutlich, ich rede hier als Blinder von der Farbe, übrigens auch sogar der Weltpriester), obwohl er sich hin und wieder zur Kontemplation aufschwingen kann, aber eben gerade der, der mit Martha und anders als Maria das Schlechtere erwählt hat. Ein bißchen Spezifikum müssen die Mönche schließlich auch noch haben!

    >>'Wir singen beim Gebet, wir stehen, sitzen, verneigen uns, knien, werfen uns zu Boden', sagt Pater Cassian. 'Der Körper ist am Gebet sehr stark beteiligt. Es ist nicht bloß eine Art intellektueller Meditation. Das ist wichtig.'

    Kein Einspruch; nur Kontext: Mr. Dreher, auch wenn er orthodox ist und mal katholisch war, redet zu einem nennenswert aus Protestanten bestehenden Publikum. Als Katholik kann man sich gar nicht vorstellen, was daran so besonders sein soll; die Protestanten sitzen aber nur herum, zumindest war das in dem protestantischen Hochzeitsgottesdienst und den protestantischen Schulgottesdiensten (genauer: den ökumenischen protestantischen Ritus' unter Leitung eines protestantischen Pfarrers) so, die ich besucht habe.

    >>"Der Heilige erwartete von jedem seiner Klöster, dass es sich selbst versorgen konnte“

    was auch so gemeint war: autark, eigener Karpfenteich usw. Ob das *selbst* ein Kloster heute noch so durchhalten kann oder ob es diese Regel so interpretiert, immerhin durch die eigene Arbeit so viel Geld zu verdienen, um das Benötigte einkaufen zu können, sei einmal dahingestellt. Der Laie wenigstens wird wohl kaum umhinkommen, am Wirtschaftsleben teilzunehmen; jedenfalls wird man das Gegenteil nicht von ihm verlangen können.

    >>dass körperliche Arbeit eine heiligende Wirkung haben könne."

    Gewiß. Und speziell wenn man auf sie nicht unbedingt angewiesen ist und sie z. B. Eine angenehme Abwechslung gegenüber einer geistigen Arbeit, einer Schreibtischtätigkeit usw. ist, dann kann sie auch *Spaß* machen. Ich will aber lieber nicht wissen, ob nicht einer, der körperlich arbeiten *muß*, die Arbeit von einem, der lediglich körperlich arbeiten *will*, überhaupt bereit ist, als Arbeit anzuerkennen.

    >>Die Arbeit muss nicht uns dienen, sondern Gott und Gott allein.

    Die ersten acht Wörter sind allgemein christlich, das „allein“ ist mönchisch.

    (wird fortgesetzt)

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  8. (Fortsetzung)

    >>In einem Kapitel zur Unterweisung handwerklich tätiger Mönche sagt Benedikt, wenn diese Mönche anfangen, [ungebührlich] stolz auf ihre Arbeit zu sein, muss der Abt ihnen eine andere Aufgabe geben. So wichtig ist christliche Demut."

    Das Entscheidende bei so etwas ist immer die Auslegung: Das Dings ist hier, daß ich mir sehr gut einen guten Abt oder auch übrigens einen in dem, was man heute wohl Teampsychologie nennt, einsichtsvollen Abt-Eilungsleiter (der nicht einmal Christ sein muß) vorstellen kann, der sagt: „Also Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet, dafür muß ich ihnen Dank aussprechen. Aber darüber sind Sie einfach zu arrogant geworden; auf lange Sicht gesehen brauchen Sie mal eins auf den Deckel, das ist jetzt wichtiger als der Projektfortschritt. Also, nehmen Sie es mir nicht persönlich, aber sie machen jetzt erstmal Routineaufgaben. Der Wechsel in der Projektleitung wird über Rundmail kommuniziert werden.“
    Und ich kann mir andererseits sehr gut einen Moralisten vorstellen, der schon bei dem Unterschied zwischen dem Wort „Stolz“ mit allem, was so bezeichnet wird, und der Wurzelsünde Hoffart nicht verstanden hat, die erklärende Einfügung in eckigen Klammern als verweichlicht-weginterpretierendes Wischiwaschi streicht und auf jeden draufhaut, der sich ein bißchen anmerken läßt, daß er mit seiner eigenen Arbeit ein wenig zufrieden ist, und zwar ganz besonders wenn er das zu Recht ist.
    Es kommt halt immer darauf an.

    >>Unsere Wahrnehmung von Arbeit im Benediktinischen Sinne, auf eine Weise, die Gott in den Mittelpunkt stellt, neu auszurichten, wird uns helfen, die richtige Entscheidung zu treffen, wenn wir am Arbeitsplatz auf die Probe gestellt werden, und wird uns Kraft geben, wenn wir gezwungen sind, uns einen neuen Beruf zu suchen."

    Mit Verlaub, das sind zwar echte Probleme, die aber durch ein bloßes (arguably) häufigeres Betonen von etwas, daß sowieso jeder Christ weiß (in der Arbeit ist zuerst Gott zu dienen) nicht gelöst werden kann. Ich wage die Voraussage: auch dann tut Scheitern immer noch weh, und übrigens vermutlich das unverschuldete, bei dem man wirklich in heroischem Einstehen für seinen Glauben vor die Tür gewiesen wurde, noch am wenigsten. So jemand braucht dann eine Gemeinschaft, bei der er sich ausheulen kann; und dann nicht nur eine Einstellung, die ihm Kraft gibt, wenn er gezwungen ist, sich einen neuen Beruf zu suchen, sondern auch einen neuen Beruf.

    >>Ausgrenzung und Diskriminierung von Christen am Arbeitsplatz? Wo gibt's denn sowas? -- Doch, doch, das gibt's schon:

    Mag sein. Trotzdem, denke ich, wird die angebrachte Haltung – allein schon, weil wir dazu keine Alternative haben – eine gewisse gläubige Gelassenheit sein: Es wird wenig so heiß gegessen, wie es gekocht wird, und wenn der Herrgott schon zugelassen hat, daß ich in so eine Lage reingekommen bin, dann soll Er mich auch irgendwie durchfüttern.

    >>Das Leben, das die Ordensregel vorschreibt, ist durch und durch asketisch. Mönche fasten regelmäßig, leben bescheiden, lehnen Bequemlichkeit ab und unterwerfen sich den strengen Regeln des Klosters. […]

    Häm.
    Also ich bin ja kein Mönch.
    Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, daß die Benediktiner, daß vielleicht der hl. Benedikt sogar selber hier ganz gern Einspruch erheben wollen würden: Sorry, aber so ist es auch wieder nicht! Wir betreiben Askese, ja; aber wir sind nicht „durch und durch“ asketisch; wir leben in angemessener mönchischer Armut und Bescheidenheit, ja, aber auch damit übertreiben wir es nicht; wir ehren die Wüstenväter, einen hl. Franziskus, einen sel. Charles de Foucauld, aber betreiben – unser Gründer wollte das ausdrücklich so – einen gemäßigten Weg; und ach ja, in der Benediktsregel steht selber drin, daß im Kloster der Cellerar gleich nach dem Prior kommt.

    (wird fortgesetzt)

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    1. Auf den Abt-Eilungsleiter erlaube ich mir übrigens noch mal hinzuweisen. Jaja, ich weiß, Selbstlob, aber den Einfall fand ich ganz gut...

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  9. (Fortsetzung)

    Und der normale Katholik geht durch einen Getränkemarkt und sieht ein nach einem der härtesten Orden überhaupt benanntes „Paulaner“; ein „Weihenstephan“; ein „Franziskaner Weißbier“; ein tatsächlich immer noch klösterliches „Weltenburg Dunkel“ und einen ebenso klösterlichen „Andechser Doppelbock“ usw. Nur so…

    >>Wir sind ein Volk geworden, das die Bequemlichkeit ins Zentrum stellt.
    Ja; spätestens beim Sündenfall. Im Ernst: Es gibt *tatsächlich* moderne Zeitprobleme; umso wichtiger, nicht einfach die alte Lamentatio von den moralisch viel besseren früheren Zeiten damit zu vermengen. „Ins Zentrum stellen“ ist eine Floskel, die alles oder nichts heißen kann, und was das betrifft, worüber man tatsächlich etwas sagen kann, nämlich ob die Menschen Bequemlichkeit wollen: natürlich wollen sie, und zwar schon immer; und innerhalb gewisser Grenzen (Maßhaltung etc.) ist dazu zu sagen: „warum denn auch nicht“. Wir sind durch technischen Fortschritt und die lange Friedensperiode (aber den alten Moltke, von wegen, allein schon um der Verweichlichung entgegenzuwirken müsse immer mal wieder ein Krieg kommen, wollen wir doch wirklich nicht ausgraben??) in der Lage, es uns bequemer zu machen; nichts weiter.

    >>Wir erwarten von unserer Religion, bequem zu sein. Leiden zu ertragen ergibt für uns keinen Sinn.

    Das erste stimmt nicht; das zweite stimmt zumindest dann nicht, wenn der betreffende Mensch irgendwann einmal über die Bedeutung des Offertoriums aufgeklärt worden ist. Wohl aber wollen wir nicht unbedingt grundlos leiden. Und, wie Chesterton sagt (Quelle jetzt nicht auffindbar): „Menschen können unter ganz erstaunlichen Einschränkungen glücklich sein, wenn sie sich nur sicher sein können, daß es mit den Einschränkungen irgendwo ein Ende hat“.

    >> Und ohne Fasten und andere asketische Disziplinen verlieren wir die Fähigkeit, zu den Begierden unseres Herzens Nein zu sagen.

    Gewiß; das ist übrigens der Grund für die kirchliche Fastenzeit. Es wäre ein Grund, diese von amtskirchlicher Seite wieder mit mehr Nachdruck zu verlangen; es ist sicher auch ein Grund, sich freiwillig Fasten aufzuerlegen. Eher kontraproduktiv ist es (wie immer), den Leuten vorzuhalten, daß sie nicht mehr tun, als sie müssen – wobei man argumentieren kann, daß die Kirche derzeit mit ihren zwei Pflichttagen, dem irgendwie ersetzbaren Opfer am Freitag und dem „irgendwie Bußzeit“ in der restlichen Fastenzeit einerseits nicht dazu ausreicht, den Gläubigen ein näher bestimmtes akzeptables Mindestmaß anzubieten, andererseits mit der Aufforderung, die Fastenzeit *irgendwie*, aber doch als Bußzeit zu begehen, ihre Gläubigen überfordert, denn ein Irgendwie läßt sich leichter einhalten als etwas konkretes.

    >> Den christlichen Asketismus wiederzuentdecken ist eine dringliche Aufgabe für Gläubige, die […] die Herzen ihrer Kinder darin [] einüben wollen, dem Hedonismus und Konsumismus zu widerstehen.

    Sorry, aber bei diesem Einschub mit den Herzen der Kinder stellt sich leider ein komisches Bild von einem Kind auf, das ein Eis haben will und eine Mahnung bekommt, daß ein Christ dem Hedonismus und Konsumismus widerstehen soll…

    (wird fortgesetzt)

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    1. >>denn ein "Irgendwie" läßt sich leichter einhalten als etwas Konkretes:

      Sorry, gemeint war, auch wenn es auf den ersten Blick komisch klingt (aber auch nur auf diesen), das Gegenteil: ein Irgendwie läßt sich *weniger* leicht einhalten als etwas konkretes.

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  10. (Fortsetzung)

    >>- Sehr bemerkenswert fand ich auch Drehers Ausführungen darüber, dass Askese nicht zwangsläufig mit "Buße" im Sinne von "Selbstbestrafung" identisch ist: "Eine übergewichtige Person hält nicht deshalb Diät, weil sie sich dafür bestrafen will, dass sie dick ist, sondern um gesünder zu werden. Ein Athlet betreibt nicht Fitnesstraining, weil er sich schuldig fühlt, wenn er vor dem Fernseher herumsitzt, sondern um seinen Körper auf den Wettkampf vorzubereiten.

    So richtig das ist: Man macht lange Märsche natürlich nicht (primär bzw. ausschließlich) zur Selbstbestrafung, aber eben auch nicht, sagt Chesterton, um ein bißchen in einen trainierten Zustand zu kommen, sondern um die Landschaft zu sehen. Und man fordert sich im sportlichen Training viel ab, weil das Ausreizen der Leistungsgrenzen *selbst* Spaß macht, und will man dafür irgendwie eine Begründung suchen, damit es nicht ganz sinnlos ist, dann sagt man halt „hilft der Gesundheit“ und, warum nicht, auch „Buße“.

    >>Als nächstes wendet sich der Autor dem Benediktinischen Grundsatz der stabilitas loci zu:

    Es sei gleich vorbemerkt, daß es sich hier um einen spezifisch mönchischen handelt, der allenfalls Impulse geben kann.
    >>'Das ist der Punkt, an dem die Benediktinische Lebensweise am deutlichsten gegenkulturell ist', sagt Pater Benedict. 'Es ist die Lebensweise der Maria, nicht der Marta: unablässig zu den Füßen Christi zu verweilen, egal was man dir vorwirft, nicht zu tun.'

    Hmja, das ist ja eben das Zeugnis, das der Mönch durch sein bloßes Dasein gibt. Aber Pater Benedict nennt das mit recht „benediktinische Lebensweise“, nicht „Benedict-Option-Lebensweise“; von denen, die in der Rolle der hl. Martha stehen (ohne Maria zu tadeln, hoffen wir), ist das nicht so direkt nachzuahmen.

    >>Wenn das Leuchten in den Gesichtern der Leute vom Widerschein ihrer Laptops, Smartphones oder Fernsehschirme kommt, dann leben wir in einem Dunklen Zeitalter, sagt Pater Martin.

    Nu ja. Bei aller gerechtfertigten Kritik: ein bißchen erinnert das eben *doch* an die alte Technikfeindlichkeit des moralisch besseren Teils der Gesellschaft, der Fernseher ist der Feind der Moral usw.

    >> weil viele Kritiker der Benedict Option die im Vorwort und im ersten Kapitel erhobene Forderung nach "Rückzug" im Sinne einer Abschottung von der Außenwelt aufgefasst haben. Genau das ist jedoch nicht gemeint

    mhm, ich hatte mir ehrlich gesagt auch nicht gedacht, daß Mr. Dreher in der Hauptsache fordert, fordert und noch einmal fordert und zwar im Grunde all das zu leisten, was Mönche leisten, und ihnen dann nicht einmal die Befriedigung gönnt, hinter sich die Klostertüre zuzumachen… sorry…

    >>Unsere Arbeit erfordert nicht dieselben Strukturen. Als Laienchristen, die inmitten der Welt leben, sind wir berufen, unter gewöhnlicheren gesellschaftlichen Bedingungen nach Heiligkeit zu streben.

    Na endlich.

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  11. (Fortsetzung)

    Wenn Mr. Dreher jetzt noch anerkennt, daß wir nicht deswegen auf die Beschaulichkeit (das Wort kommt nicht von ungefähr von lateinisch „contemplari“ „betrachten“ als Lehnübersetzung) eines Klosters verzichten, um die ganze Anstrengung eines solchen dann trotzdem zu haben… Das Interessante hier ist jedenfalls offensichtlich, wie man das macht… und auch, ob „nach Heiligkeit streben“ „nach Unübertreffbarkeit streben“ ist. Im landläufigen Adhortationswesen ist es das, schließlich habe der Heiland ja gesagt „seid vollkommen!“ (eine der beiden Catch-all-Klauseln neben „seid wachsam!“ für all die wünschenswerten Verhaltensweisen, die man gerne verpflichtend hätte, was man aber sonst nicht begründen kann) … aber jenes landläufige Verständnis von einem „offenkundigen Paradox“, das man „selbstverständlich nicht erfüllen“ könne, was aber „natürlich dann heißt, daß man immer danach streben muß, immer noch mehr und mehr zu tun“ ist aber, wie oben mit dem Artikel zum Thema vom hl. Thomas dargelegt, so selbstverständlich nicht. Das göttliche Gesetz erfordert nicht das Unmögliche, ist ihm selbstverständlich. Es sei übrigens angemerkt, daß die Vollkommenheit vom Herrn als Begründung dafür eingefordert wird, warum man die Feinde lieben müsse (was übrigens auch *die* unmögliche Forderung der Bergpredigt, als die sie gern präsentiert wird, um nur ja den Anspruch des Herrn als unerfüllbar und damit besonders hochstehend darzustellen, schlicht nicht ist); es wäre eine offenkundige Unvollkommenheit, Kompromisse mit dem allgemeinen Prinzip, daß der Feind ein Geschöpf Gottes und als solches liebenswert ist, einzugehen; aber der Vater ist vollkommen und ihr sollt das auch nicht sein, also sollt ihr die Feinde lieben.

    >>Aber Bruder Ignatius, 51, warnt [...]. Es ist umsichtig, vernünftige Grenzen zu ziehen, aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht verhalten wie der ungetreue Knecht im Gleichnis von den Talenten, der von seinem Meister für seine schwache, ängstliche Verwaltung der ihm anvertrauten Güter bestraft wurde.

    Und, eins, zwei, drei, schon haben wir es geschafft, in eine offenkundige Klugheits- und Mäßigungsfrage, in der es darum geht, zwischen einander praktisch gesehen entgegengesetzten Prinzipien eine austarierte Lösung zu finden (das ist in der Moral nicht immer so, manchmal aber schon), die Drohung mit dem ewigen Höllenfeuer und dem Heulen und Zähneknirschen hineinzutragen. Bravo.

    Muß das sein? Sorry.

    >>'Angriff ist die beste Verteidigung. Man verteidigt sich, indem man attackiert', sagt Bruder Ignatius. 'Greifen wir an, indem wir Gottes Königreich vergrößern - zuerst in unseren Herzen, dann in unseren Familien, und dann in der Welt. Ja, man benötigt Grenzen, aber es ist unsere Pflicht, diese Grenzen nicht dort zu belassen, wo sie sind. Wir müssen sie ausweiten, Territorium hinzugewinnen, immer weiter.'"

    Das ist an und für sich sehr schön gesagt. Auf Grund der Befindlichkeiten der modernen Menschen wäre es nur freundlich gewesen, zwischen „Pflicht“ und „diese Grenzen nicht dort zu belassen“ ein „zu versuchen“ einzuschieben. Eines der praktisch erfrischendsten Dinge am Christentum außer (versteht sich) der Erlösung von echten Sünden ist, daß wir bei der Beurteilung dessen, was Sünden sind, anhand unserer *Bemühungen* beurteilt werden und anhand dieser *angesichts dessen, was man von uns erwarten konnte* und nicht anhand der Logik der Welt „Bemühung interessiert mich nicht, das Ergebnis zählt“.

    (wird fortgesetzt)

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  12. (Fortsetzung)

    >>"Aber [...] niemand sollte meinen, die Ordensregel ziele auf eine ausgewogene Lebensweise in dem Sinne ab, dass man sich mit Halbheiten und spiritueller Mittelmäßigkeit zufrieden gäbe.

    Gewiß; im Leben eines Mönchs hat spirituelles Mittelmaß keinen Platz. - Aber wenn ich einmal (wie die Redewendung lautet) „ganz ketzerisch fragen darf“ (womit kein Verstoß gegen die christliche Lehre gemeint ist, sondern gegen unsere elitistische und hochmoderne Gewohnheit, „Mittelmaß“ entgegen der Wortbedeutung immer mit „schlecht“ zu assoziieren - „die Urkunden für die zweiten Plätze hängen unten in den Toiletten“, wie es im Film „Top Gun“ heißt): ist das beim Laien notwendig auch so?
    Ist es nicht so, daß ein (hypothetischer) Laie, der es mit der Gnade Gottes geschafft hat, moralisch so drauf zu sein, daß er für gewöhnlich nicht schwer sündigt; der zumindest so halbwegs mit seinen beruflichen und familiären Pflichten zurandekommt; der am Sonntag in die Kirche geht und täglich betet und vielleicht noch etwas mehr tut; der regelmäßig beichtet; der zumindest *etwas* Energie darauf verwendet, vielleicht noch weitere Fehler auszumerzen und sein Niveau im allerdings Schneckentempo zu steigern; ist es so jemand, wenn er bei aller Einsicht in seine Verbesserungsfähigkeit mit sich selber auch jetzt schon nicht unzufrieden ist und spirtuelle Ängste, er sei nicht gut genug (sofern sie nicht wegen einer konkreten schweren Sünde auftreten) mit der Bemerkung „ich kann das jetzt nicht brauchen“ beiseitelegt, ist eine derartige Existenz (die doch zweifelsohne als Mittelmaß zu bezeichnen ist) wirklich etwas so Schlimmes?

    >> "Laien können von der Benediktsregel profitieren, [...] wenn sie verstehen, was das Radikale an der Lebensweise des Hl. Benedikt ist: die völlige Aufgabe des Eigenwillens zugunsten des Willens Gottes.

    Der Laie hat seinen Eigenwillen dem Willen Gottes zu unterwerfen, nicht aber völlig aufzugeben. Um Msgr. Knox zu zitieren: „That [this is possible] is the whole meaning of Gethsemane.“

    >>Wie auch immer die Umstände sein mögen, ein Christ kann nicht in Treue leben, wenn Gott nur einen Teil seines Lebens ausmacht, ausgeklammert vom übrigen Leben. Letztendlich steht entweder Christus im Mittelpunkt unseres Lebens oder das Selbst und die Götzen, die es sich errichtet. Einen Kompromiss dazwischen gibt es nicht.

    Das ist freilich richtig bzw. „an sich richtig“ - beim zweiten Satz würde ich gern hinzufügen: „sofern der Betreffende von Christus und seinen Pflichten ihm gegenüber weiß“. Es bedarf aber jedenfalls der Vervollständigung, daß Gott aus keinem Teil des Lebens *aus*geklammert werden darf, sehr wohl aber sich nur ein Teil des Lebens *unmittelbar* mit Gott beschäftigen muß.

    >> Léon Bloy: 'Die einzige wirkliche Traurigkeit, das einzige wirkliche Scheitern, die einzige große Tragödie des Lebens ist es, kein Heiliger zu werden.'"

    Mich würde zu diesem Zitat, das man ja hin und wieder hört, gerne einmal der Zusammenhang interessieren: Meint er „in den Himmel Kommender“, oder meint er „kanonisierbarer Held“? (Und bevor jemand fragt, *ja*, das ist ein Unterschied.) In beiden Fällen stimmt das, im ersten Fall uneingeschränkt, im zweiten en un certain sense; aber im zweiten Fall wird man sagen müssen, daß dies die Tragödie des jeweils einzelnen Menschen ist, wenn man aber das Leben der *Kirche* betrachtet, es durchaus auch eine Tragödie ist, wenn sich nur die Heiligen (im zweiteren Sinn) in ihr aufgehoben fühlen.

    (wird fortgesetzt)

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  13. (Fortsetzung)

    >>Als ich Pater Cassian zum ersten Mal von der Benedikt-Option erzählte, sinnierte er über meine Worte und erwiderte dann ernst: 'Diejenigen, die nicht in irgendeiner Form etwas von dem tun, was du meinst, werden das, was auf sie zukommt, nicht überstehen.'"

    Sorry. Aber auch wenn ich dem Verfasser glaube, daß Pater Cassian das so gesagt hat: beim Berichten hätte er wenigstens das Wort „du“ streichen und durch „etwas von der Art“ o. ä. ersetzen sollen… Im übrigen darf man solchem „Alarmistisch-Klingenden“ durchaus ein „Tue recht und scheue niemand“ bzw. „tue pflicht und scheue niemand“ entgegensetzen. So viel Vertrauen darf man Gott schon entgegenbringen, daß er seine Gläubigen befähigt, das, was auf sie zukommt, jedenfalls irgendwie zu überstehen.

    Mit Bitte um Entschuldigung und danke für die Geduld etc., falls das jemand (meinerseits unverdienterweise) gelesen haben sollte. Wird nicht mehr fortgesetzt.

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    1. Das ist das, was mich an Drehers Stil (bzw. hier dem der von ihm ausgewählten Zitate) wirklich am meisten stört: diese *unterschwelligen* Höllendrohungen oder -warnungen (wie du sie auch oben bei dem Gleichnis mit dem anvertrauten Geld schon erwähnt hast).
      Nicht nur, dass man Zeiten schrecklicher Christenverfolgungen auf sich zukommen sieht, nein, wer nicht genau dieser bestimmten "Option" (interessanterweise impliziert dieses Wort eine *Wahlmöglichkeit* unter anderen, keine Verpflichtung, keine Exklusivität!) folgt, der wird diese Verfolgungen auch nicht überstehen können, jedenfalls nicht, ohne seine Seele zu verlieren. (Lassen wir jetzt einmal beiseite, dass alle Sünden, auch die Apostasie, vergeben werden können, zur Not auch erst in der Todesstunde, wenn jemand erst dann zur Reue findet, und dass z. B. auch in der Zeit der antiken Christenverfolgungen viele Christen unter Druck dem Kaiser opferten und später dann, wenn die Verfolgung wieder nachgelassen hatte, Buße taten und wieder in die Kirche aufgenommen wurden, und jetzt wahrscheinlich nicht in der Hölle schmoren.) Hier bei Dreher sieht man jedenfalls immer wieder dieses verdeckte, wie man auf Englisch so schön sagt, fear-mongering (zu Deutsch "Panikmache" - ich mag das englische Wort irgendwie lieber). Tu das, folge meinem Rat, sei lieber mal vorsichtig, bereite dich lieber mal vor, sonst wirst du es wohl nicht schaffen... Man predigt ja nicht offen fire-and-brimstone - aber, hm, man ist schon besorgt, dass man, wenn man das nicht so und so macht, diesem Gebot nicht genügen könnte, so wird es nicht weitergehen... So etwas erinnert mich vom Stil her eher an "Die Warnung" und ähnliche häretische Privatoffenbarungen.
      [Und ja, mir ist bewusst, dass es durchaus auch Gelegenheiten geben kann, an denen das Thema Hölle zu erwähnen ist. Und daher sollte man aufpassen, es nicht zu allen unpassenden Gelegenheiten auch noch aufzubringen. Man hat Leuten nicht einzureden, sich vor der Hölle zu fürchten, solange sie keine Todsünden begehen, Punkt, Basta, aus!]

      Ansonsten fand ich das, worum es in diesem Artikel ging, tatsächlich sogar hauptsächlich sehr anregend (auch wenn ich auch hier meine Abneigung gegen Drehers Schreibstil im Ganzen immer noch gemerkt habe - weiß auch nicht genau, woher die kommt, vielleicht ist es mir irgendwie zu sehr spirituelles Fitnesstrainersprech (und Fitnesstrainersprech hat mir noch nie gefallen)). Ordnung im Leben, klare Regeln, klare *Gebetszeiten*, Mäßigung in allen Dingen, Ausgleich der verschiedenen Lebensbereiche, Heiligung durch sinnvolle Arbeit, Gemeinschaft mit anderen Gläubigen und Offenheit und Gastfreundschaft für Außenstehende: das sind ja alles wirklich tolle, wichtige Anregungen (wo es mir wohl auch helfen würde, wenn ich mich mehr danach richten täte, z. B. was die geregelten Gebetszeiten angeht...).
      Natürlich sollte man dabei auch noch im Hinterkopf behalten, dass manchen Leuten z. B. Flexibilität und Spontaneität (beides nicht so ganz meins...) mehr liegen als Ordnung, dass manche Leute einfach nicht so viel Ordnung im Leben brauchen wie andere, um zurechtzukommen. Ebenso, wie man sich z. B. speziell bei dem Punkt der stabilitas loci im Klaren sein sollte, dass die nun wirklich (auch innerhalb der Ordenswelt - der Jesuitenorden ist ganz anders aufgebaut, zum Beispiel) ein Spezialcharisma ist, und nun wirklich nichts Schlimmes daran ist, wenn es manchen Leuten eher liegt, herumzureisen und nicht vierzig Jahre am selben Ort zu leben und im selben Job zu arbeiten. Aber ansonsten, also solange die Anregungen als *Anregungen* verstanden werden, anstatt als die einzige Möglichkeit, selig zu werden, und solange sie in der Praxis auf die richtige Art und Weise fürs Laienleben übersetzt werden, finde ich das Ganze jetzt richtig gut. Klar, es war schade, dass nicht die Benediktsregel selber genauer angeschaut wurde (vielleicht kommt da ja noch was?), aber ansonsten: sehr interessant.

      - Crescentia.

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  14. >>Ansonsten fand ich das, worum es in diesem Artikel ging, tatsächlich sogar hauptsächlich sehr anregend.

    Ich auch (auch wenn das naturgemäß ein wenig untergegangen sein mag)...

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