Was bisher geschah: Am Montag wurde die Krabbelgruppe, die eigentlich im evangelischen Gemeindehaus hätte stattfinden sollen, erneut ins katholische verlegt; am Dienstag wurde meine Tochter zwei Jahre alt. Dass meine Liebste und ich außerdem unseren dritten Hochzeitstag hatten, hätte ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, beinahe vergessen. Am Donnerstagabend erwischte mich die gefährliche Männergrippe, deren Vorboten schon seit mehreren Tagen zu bemerken gewesen waren, mit voller Wucht, und ich konnte mich nur noch fröstelnd und mit schmerzenden Gliedern ins Bett verkrümeln, während die Liebste neue Flyer für das "Dinner mit Gott" und unsere wöchentlichen Lobpreisandachten designte. Am Freitag ging es mir immerhin schon gut genug, um mit dem Kind einen Ausflug zu Berlins günstigstem Copyshop zu unternehmen und dort die neuen Flyer auszudrucken. Nach einer ziemlich unruhigen Nacht fühlte ich mich am Samstagmorgen wieder erheblich kränker, wollte aber dennoch keinesfalls darauf verzichten, mit Frau und Kind zum ökumenischen Lobpreis-Event EINKLANG zu gehen. Das erwies sich dann auch als richtige Entscheidung, denn dort wurde ich spontan geheilt. Okay, das klingt jetzt vielleicht übertrieben spektakulär, aber jedenfalls fühlte ich mich am Ende der Veranstaltung so gesund wie die ganze Woche nicht. Über das EINKLANG-Event, eine gemeinsame Veranstaltung des Erzbistums Berlin, des ökumenischen Netzwerks "Gemeinsam für Berlin" und des Ökumenischen Rates Berlin-Brandenburg (ÖRBB), werde ich wohl noch ausführlicher berichten müssen, wenn ich in absehbarer Zeit dazu komme; jedenfalls war es vom Feeling her durchaus mit der MEHR zu vergleichen, wenn auch zwei, drei Nummern kleiner. Vom "harten Kern" unserer Pfarrgemeinde waren außer uns noch mindestens acht weitere Leute dort; das ist keine schlechte Quote, allerdings muss ich zugleich anmerken: In Anbetracht der Tatsache, dass die Veranstaltung auf dem Territorium unserer Pfarrei stattfand, war es doch etwas schade, dass die Pfarrei nicht "offiziell" beim EINKLANG vertreten war. Da muss ich mir aber auch und nicht zuletzt an die eigene Nase fassen, schließlich hätte ich, als ich Ende August eine Einladung zu diesem Event bekam, mal gemeinde-intern die Idee ins Gespräch bringen können, für die Pfarrei einen Infostand anzumelden. Andererseits: Muss ich mich eigentlich um alles selber kümmern? -- Im Gespräch mit Vertretern verschiedener Initiativen, die beim EINKLANG einen Infostand hatten, stellten wir fest, dass einige von ihnen bereits von unseren Mittwochsklub-Aktivitäten gehört hatten, auch wenn sie noch nie bei einer unserer Veranstaltungen waren und uns daher noch nicht persönlich kannten. Interessant und ermutigend! Insgesamt war die Veranstaltung eine ausgezeichnete Möglichkeit zum spirituellen Auftanken; die Schattenseite solcher Erlebnisse ist aber natürlich, dass einem die alltägliche volkskirchliche Ödnis im direkten Vergleich nur umso trostloser erscheint... Am Sonntag nach der Messe wäre eigentlich Büchertreff gewesen, aber da einer unserer Mitorganisatoren, dem gerade diesmal eigentlich eine ziemlich zentrale Rolle bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung zugekommen wäre, seine Beteiligung gegen vier Uhr morgens lakonisch per SMS absagte, kamen meine Liebste und ich überein, dass uns kaum etwas anderes übrig blieb, als den Büchertreff ausfallen zu lassen. Stattdessen trafen wir uns mit einer der beiden Patentanten unseres Kindes und gingen zum Herbstfest auf dem Kinderbauernhof Pinke Panke. Wie es mit dem Büchertreff weitergeht, muss man mal sehen. Möglicherweise muss das ganze Veranstaltungskonzept neu überdacht werden, aber in jedem Fall könnten wir mehr und andere Mitarbeiter gebrauchen...
Was ansteht: Meine Liebste hat eine kurze Arbeitswoche, da sie im Land Brandenburg beschäftigt ist, wo am Donnerstag gesetzlicher Feiertag ist, und am Freitag hat sie dann "Brückentag". Zugleich ist dies die eine Woche im Monat, in der abgesehen von der Lobpreis-Andacht am Dienstag keine Mittwochsklub-Veranstaltung ansteht; allerdings werden wir uns am Mittwochabend wahrscheinlich an der Gestaltung der letzten Rosenkranzandacht dieses Oktobers beteiligen. Am Dienstag gibt es im Baumhaus einen Kurs für "Textiles Upcycling"; das wäre theoretisch für die Liebste interessant, da sie z.B. gern lernen möchte, Stoffbeutel mit Reißverschlüssen, zusätzlichen Innentaschen usw. aufzupimpen, aber es bleibt abzuwarten, ob es zeitlich hinhaut. Falls nicht: In vier Wochen findet der Kurs das nächste Mal statt... Am Donnerstagabend soll es in St. Clemens, quasi als Alternativveranstaltung zu Halloween, einen Lobpreis- und Anbetungsabend geben, da wollen wir wahrscheinlich hin. Freitag ist Allerheiligen, da beginnt das Auftaktwochenende zum Firmkurs unseres Pastoralen Raums mit einer Jugendmesse in St. Marien Reinickendorf, aber wahrscheinlich werden wir lieber nach St. Joseph gehen, wo unser Lieblings-Pfarrvikar aus Nigeria die Messe hat. Und am Abend feiert die Kirche Allerheiligen in Borsigwalde ihr Patronatsfest; wäre vielleicht nicht blöd, da hinzugehen, zumal dies die einzige Kirche unseres Pastoralen Raums ist, in der ich bisher überhaupt noch nie war. Wie man hört, hat sie einen recht umtriebigen Förderverein. Am Samstag ist Allerseelen, und am Sonntag habe ich Lektorendienst. Das kann ja was werden.
aktuelle Lektüre:
Die Lektüreliste, die mich die vergangenen rd. zwei Wochen beschäftigt hat, ist erfolgreich abgearbeitet, und ich darf sagen, es war die wohl ertragreichste Runde meiner "Lese-Rotation" seit Beginn der "Kaffee & Laudes"-Artikelserie. Vier der fünf Bücher haben sich eine Platzierung in meiner vorerst noch geheimen Rangliste #BenOp-relevanter Lesefrüchte verdient, drei bekommen einen Büchereistempel - das vierte nur deshalb nicht, weil es sich um ein eBook handelt - und das fünfte wird gnadenhalber wenigstens vorläufig in den Büchereibestand aufgenommen. Aber mal der Reihe nach:
Mein erster Eindruck von den Theaterstücken der Hl. Thérèse von Lisieux war ja recht gemischt gewesen, und das ist auch weiterhin so geblieben. Wie aus dem Geleitwort vom Leiter des Theresienwerkes e.V., Anton Schmid, hervorgeht, wurde "Jesus in Betanien", das vierte und kürzeste der acht Stücke, im Jahr 2002 in Augsburg aufgeführt, aber mir scheint es für die Bühne nicht recht viel herzugeben. Hinzu kommt, dass die Intimität, die den Dialog Jesu mit den beiden Schwestern kennzeichnet, in einem kulturellen Klima, das "Intimität" nahezu automatisch mit Sex assoziiert, Fehldeutungen geradezu herausfordert. (Dass Thérèse übrigens Maria von Betanien mit Maria Magdalena und der nicht namentlich genannten Sünderin aus Lukas 7,37 gleichsetzt, entspricht durchaus einer seit dem Mittelalter verbreiteten Lesart.) -- "Der göttliche kleine Bettler in der Heiligen Nacht" ist, wie Andreas Wollbold in seiner Einführung erläutert, "weniger ein Stück mit verschiedenen Ereignissen als der Rahmen für das beliebte Ziehen von Losen, bei denen die Schwestern dem Jesuskind in der Krippe einzelne geistliche Geschenke machen" (S. 11f.); der Text ist durchaus gehaltvoll, aber aufführbar erscheint es mir nicht. -- Mit "Die Flucht nach Ägypten" folgt wieder ein längeres, aus zwei Akten bestehendes Stück; im I. Akt finde ich es etwas irritierend, dass die Heilige Familie nicht etwa von Betlehem, sondern von Nazaret aus zur Flucht vor den Häschern des Herodes aufbricht, aber viel interessanter ist ohnehin der II. Akt, in dem die Heilige Familie in einer Räuberhöhle Unterschlupf sucht. Offenbar basiert dieser Teil des Stücks auf einem apokryphen Kindheitsevangelium. Ich könnte ihn mir - unter Fortlassung des I. Aktes - gut im Stil eines Volksstücks oder Märchenspiels inszeniert vorstellen, gern auch mit Musikeinlagen (warum sollte in einer Räuberhöhle kein Klavier stehen?). -- "Der Sieg der Demut" ist ein besonders interessanter Fall, denn dieses Stück, in dem drei Novizinnen ein Komplott von Teufeln belauschen, wurde angeregt durch Léo Taxils Enthüllungen über angebliche satanistische Rituale der Freimaurer. Nachdem Taxil selbst seine Enthüllungen als Hoax entlarvt hatte, nahm Thérèse Streichungen in ihrem Dramenmanuskript vor; die gestrichenen Passagen lassen sich nur zum Teil rekonstruieren. In Hinblick auf die Aufführbarkeit bereitet das Stück einige Schwierigkeiten, aber eine reizvolle Aufgabe wäre es allemal. -- Thérèses letztes Drama "Der Heilige Stanislaus Kostka" kann man in dramaturgischer Hinsicht als ihr reifstes bezeichnen, wenngleich ich persönlich "Die Engel bei Jesus in der Krippe", "Der Sieg der Demut" und tendenziell auch den II. Akt von "Die Flucht nach Ägypten" reizvoller und spannender finde. In Sachen Aufführbarkeit, und zwar ganz ohne Regietheater-Eigenwilligkeiten, liegt der "Stanislaus" jedenfalls weit vorn. Insgesamt ist also festzuhalten, dass das Bändchen zwar etwas hinter meinen Erwartungen zurückbleibt, aber auch so noch höchst bemerkenswert ist und definitiv in den Büchereibestand aufgenommen zu werden verdient.
Ebenfalls zwiespältig, wenngleich aus anderen Gründen, ist mein Gesamteindruck von Karl Aloys Altmeyers "Katholische Presse unter NS-Diktatur". Altmeyers Loblied auf die (angebliche) Standhaftigkeit der katholischen Kirche und insbesondere ihres publizistischen Arms gegenüber der Nazi-Tyrannei ist derart dick aufgetragen und trieft dermaßen von selbstgerechten Pathos, dass das Buch eigentlich ein Fall für den Giftschrank wäre. Exemplarisch sei hier auf S. 178 verwiesen, wl Altmeyer der Kirche "ein reines Gewissen" attestiert:
"Im Kampf um die katholische Presse gab es nichts was die Bischöfe hätten bereuen müssen. [...] Kein Wort des Nachtrauerns, kein Versinken in der eigenen Ohnmacht, kein selbstmörderisches Revoltieren - sondern das freudige Weiterarbeiten für das Reich Gottes. Hier lebt die Kirche der Hoffnung und der Freude. Diese Kirche über-lebte. Und ihr erstand neu katholische Presse, um an ihrer eigenen Geschichte zu erstarken."
Na klar. (Augenroll-Smiley.)
Erheblich irritiert hat es mich zunächst, dass Altmeyer in einer nebenbei hingeworfenen Anmerkung auf S. 183 unterstellt, das Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller 1939 sei von den Nazis zu propagandistischen Zwecken fingiert worden. Habe dann aber festgestellt, dass diese Theorie zu der Zeit, als Altmeyer sein Buch schrieb (1962), noch herrschende Meinung war.
Der in "Miterbauer des Bistums Berlin" (s.u.) ausführlich gewürdigte Bischof Konrad Graf von Preysing spielt, da er von 1935-40 auch Pressereferent der Fuldaer Bischofskonferenz war, auch in Altmeyers Dokumentation eine nicht unbedeutende Rolle. Sehr stark finde ich einige Passagen aus einer Erklärung Preysings vom 14.02.1936 "zur Inhaltsgestaltung der Kirchenblätter", die Altmeyer auf S. 106ff. als Dokument Nr. 113 wiedergibt:
"Das gesamte im Dienst der Kirche stehende [...] Schrifttum hat zum beherrschenden Ziel die Weckung, Förderung und Pflege des religiösen Lebens. Lehre muss Leben, Erkenntnis Tat werden. Nicht der Glaube, sondern das Leben aus dem Glauben ist letztes Ziel aller Glaubensverkündigung... Das Leben aus dem Glauben umfaßt Natur und Übernatur, Göttliches und Menschliches, Überirdisches und Irdisches... Religion und Leben sind daher unzertrennbar miteinander verbunden, sie durchdringen einander: Religion ist 'der Sauerteig, der alles durchsäuert'. Die im Dienst der Kirche stehende Presse muß daher in der lebendigen Wirklichkeit, im flutenden Leben der Welt stehen, wenn auch ihr wesentlicher Inhalt, die Offenbarung Gottes, nicht von dieser Welt ist" (S. 107).
Ich glaube, eine so präzise und differenzierte Beschreibung des Weltauftrags kirchlicher Publizistik habe ich sonst noch nirgends gelesen, und da sollte sich auch und gerade heute manch einer ein Beispiel dran nehmen.
Dass Preysing 1940 als Pressereferent der Fuldaer Bischofskonferenz zurücktrat, und zwar aus Protest gegen die ewige Anbiederei des Konferenzvorsitzenden Kardinal Bertram (Breslau) bei den Nazis (vgl. Knauft. S. 111), erwähnt Altmeyer bezeichnenderweise nicht. Andererseits finden sich in der Dokumentation durchaus Belege dafür, dass auch Kardinal Bertram dem Regime gegenüber zuweilen recht scharfe Töne anzuschlagen vermochte. So schrieb er am 17.09.1936 an Goebbels:
"Man scheint den Strömungen Rechnung tragen zu wollen, die die Sittenlehre von der Glaubenslehre lösen und dem Einfluß der Kirche entziehen wollen... Unnatürlich und innerlich unmöglich ist die Absonderung des sogenannten 'rein Religiösen' als ausschließliches Betätigungsfeld der Kirche und kirchlichen Presse. Das bedeutet Spaltung des Menschen, Trennung von Leib und Seele, von Religion und Leben; das heißt dem Baum nur die Wurzeln lassen, ohne äußeres Wachstum, ohne Blüten und Frucht; das bedeutet nicht nur Ausschaltung des Christentums aus der Öffentlichkeit, sondern Verkümmerung, Siechtum und Absterben der Religion Christi, eine Entwicklung, gegen die sich die Kirche mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln wenden muß..." (S. 138, Dokument Nr. 155)
Das zunehmend repressive Vorgehen des Regimes gegen die Kirche wird in den von Altmeyer zusammengestellten Dokumenten ausgesprochen deutlich. Aus einem Hirtenbrief Preysings vom 30.11.1937 (Dokument Nr. 208) erfährt man, dass "[z]wölf Druckereien in Deutschland, die die Enzyklika 'Mit brennender Sorge...' gedruckt haben, [...] den Eigentümern entschädigungslos enteignet" wurden, "weil sie, wie ein Erlaß des Reichsinnenministers behauptet, sich durch den Druck der Enzyklika staatsfeindlich betätigt haben" (S. 172f.); weiter stellt Preysing in diesem Hirtenbrief fest:
"Der gläubige Katholik steht in Deutschland unter Ausnahmerecht. Er muß Spott und Hohn, Unfreiheit und Bedrängnis für seinen Glauben dulden, ohne sich verteidigen zu können, während die Kirchenfeinde Freiheit des Wortes, des Angriffes und des Spottes genießen..." (S. 173)
Wo wäre heute ein Bischof, der so etwas öffentlich sagt? -- Aus einem Schreiben von Walter Tießler, dem Verbindungsmann zwischen Parteikanzlei und Propagandaministerium, an Reichsleiter Bormann vom 13.08.1941 (Dokument Nr. 235, S. 192f.) geht hervor, dass Goebbels es befürwortet haben würde, "den Schein gegenüber den Kirchen während des Krieges zu wahren":
"Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man während des Krieges so getan, als wenn man mit den Kirchen loyal zusammenarbeite. Nach dem Kriege aber hätte der Führer bei der Bekanntgabe der großen sozialen Maßnahmen mit angekündigt, daß das gesamte Eigentum der Kirchen nunmehr dem deutschen Volk gehört. In der Siegesstimmung und der Freude über den sozialen Aufbau nach dem Kriege wäre es kinderleicht gewesen, diese Maßnahmen durchzuführen" (S. 192).
Im selben Schreiben erwähnt Tießler seinen "Vorschlag, den Bischof aufzuhängen" (S. 193); gemeint ist, wie Altmeyer anmerkt, der Bischof von Münster, Graf von Galen. Am 10.12.1941 beschwerte sich Kardinal Bertram bei Hitler darüber, dass der "Neudruck christlich-religiöser Schriften, sogar der Bibel, [...] verboten" worden sei (S. 193, Dokument Nr. 237); fast gleichzeitig klagte der Münchner Kardinal Faulhaber in seiner Silvesterpredigt, neuerdings sollten "für den Religionsunterricht auch der Katechismus und die anderen Religionsbücher nicht mehr erscheinen dürfen" (S. 194, Dokument Nr. 238).
Wie es in Diktaturen oft der Fall zu sein scheint - ich sag nur "Banalität des Bösen" -, fehlt es im Fundus der von Altmeyer dokumentierten Verboten und Gängeleien der katholischen Presse durch das NS-Regime allerdings auch nicht an Skurrilem und unfreiwillig Komischem. So erhielt die Zeitschrift "Hoffnung" am 22.12.1938 eine scharfe Rüge aus dem Propagandaministerium wegen eines Artikels mit dem Titel "Auf der Autobahn": Dieser sei "geeignet [...], die Reichsautobahnen in den Augen der Leser ganz allgemein herabzuwürdigen", und dies trotz der Tatsache, dass die in dem Text geschilderte "Autostraße Köln-Bonn nicht zu den Straßen des Führers gehört, sondern eine Schöpfung des dem Zentrum angehörenden früheren Oberbürgermeisters Adenauer ist", was indes "den wenigsten Lesern bekannt sein" dürfte (S. 141, Dokument Nr. 158). Noch schöner ist ein Prüfbericht der Reichspressekammer über die katholische Frauenzeitschrift "Monika":
"Die Beiträge 'Der Märchen-Kaffeewärmer' und 'Vom Hammelfleisch' auf S. 10 der Monatsausgabe sind unzulässig. In der Halbmonatsausgabe und Wochenausgabe sind folgende Veröffentlichungen nicht mit den Bestimmungen meines Erlasses in Einklang zu bringen:
'Von den Hagebutten', 'Für unsere Märchenstube', 'Alles für die Baby-Puppe' und 'Von bösen Krabbeltieren und sonstigen Dingen'. In dem letztgenannten Beitrag ist überdies eine unzulässige Textreklame enthalten.
Aufgabe einer katholischen Zeitschrift ist, worauf ich Sie schon seinerzeit hinwies, die Pflege religiösen Gedankengutes, wobei jeder Teil des Inhalts seinen Ausgang vom Religiösen nehmen muß" (S. 141, Dokument Nr. 159).
Nicht uninteressant ist auch eine Bestimmung der Reichspressekammer über die Zulässigkeit von Stellenanzeigen in katholischen Zeitschriften: Diese sollten nur erlaubt sein, sofern
"der Bewerber eine Tätigkeit ausüben soll, die ihrem Wesen nach unmittelbar mit dem katholischen Bekenntnis in Verbindung gebracht werden kann. Wenn z.B. in einem katholischen Haushalt eine Erzieherin für die Kinder angestellt werden soll, so kann im Rahmen der auszuübenden Tätigkeit das konfessionelle Moment für den Anzeigenden eine Rolle spielen.
Das gilt aber nicht für andere in einem Haushalt angestellte Personen, z.B. Köchin, Hausmädchen Hausmeister, Diener, Chauffeur usw." (S. 111, Dokument Nr. 117).
Ein bisschen um die Ecke gedacht, sehe ich da gewisse strukturelle Parallelen zu heutigen Debatten über kirchliches Arbeitsrecht.
Für den Band "Miterbauer des Bistums Berlin" gilt weiterhin, was ich schon letzte Woche festgestellt habe, nämlich dass die Qualität der Einzelbeiträge recht uneinheitlich ist. Diversity-beflissene Leser dürfte es interessieren, dass unter den 14 Personen, die in diesem Buch als "Miterbauer" des Hauptstadtbistums gewürdigt werden, eine einzige Frau ist: die Sozialarbeiterin Dr. Margarete Sommer, die als Geschäftsführerin des "Hilfswerks beim Bischöflichen Ordinariat Berlin" während der NS-Zeit wesentlichen Anteil daran hatte, verfolgten Juden bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder bei der Emigration aus Deutschland zu helfen oder sie, soweit dies nicht mehr möglich war, mit Lebensmitteln, Bekleidung und Geld zu versorgen. Der Beitrag über sie ist der längste des Bandes, allerdings ist er insofern eine Kuriosität, als er zum größten Teil aus einer kommentierten Nacherzählung eines Fernsehspiels besteht, dessen Drehbuch auf Erinnerungen Margarete Sommers basiert.
Rückhaltlos begeistert war ich von dem Beitrag über Friedrich Radek, verfasst vom Herausgeber Knauft selbst. Just zu diesem gibt es übrigens keine weiterführenden Literaturangaben, und auch der Wikipedia-Artikel über Radek nennt als einzige Quelle diesen Aufsatz von Knauft. Wer also war dieser Friedrich Radek? Ein Priester, der den größten Teil seines Lebens und Wirkens in der Diaspora Vorpommerns verbracht hat. Erstmals hellhörig wurde ich, als es hieß, bereits als Kaplan im oberschlesischen Biskupitz - wo seinerzeit, einer Anekdote zufolge, "der Nachtwächter noch katholisch sein" durfte, "der Obernachtwächter aber schon nicht mehr"
(S. 137) - habe Radek eine Pfarrbücherei (!) gegründet, "die nach drei Jahren bereits über 3.000 Bände zählte mit einer Jahresausleihe von mehr als 21.000 Büchern" und die "den preußischen Regierungsbeamten in Oppeln ein Dorn im Auge" war (S. 134). 1912 wurde er Kaplan in Nauen, wo es zu seinen Aufgaben gehörte, "in dem riesigen Havelländischen Luch die katholischen Viehhüter in den einsamen kleinen Höfen zu besuchen" (S. 137). Hach. Als Pfarrer von Stralsund (ab 1922) zeigte sich Radek als ebenso tatkräftig wie streitlustig, letzteres durchaus auch auf politischem Gebiet. Noch zur Weimarer Zeit äußerte er sich kritisch über die reich gefüllten Schatzkammern mancher Wallfahrtskirchen:
(S. 137) - habe Radek eine Pfarrbücherei (!) gegründet, "die nach drei Jahren bereits über 3.000 Bände zählte mit einer Jahresausleihe von mehr als 21.000 Büchern" und die "den preußischen Regierungsbeamten in Oppeln ein Dorn im Auge" war (S. 134). 1912 wurde er Kaplan in Nauen, wo es zu seinen Aufgaben gehörte, "in dem riesigen Havelländischen Luch die katholischen Viehhüter in den einsamen kleinen Höfen zu besuchen" (S. 137). Hach. Als Pfarrer von Stralsund (ab 1922) zeigte sich Radek als ebenso tatkräftig wie streitlustig, letzteres durchaus auch auf politischem Gebiet. Noch zur Weimarer Zeit äußerte er sich kritisch über die reich gefüllten Schatzkammern mancher Wallfahrtskirchen:
"Wieviele Kirchenfeinde würden weniger heranwachsen, wenn die Reichtümer der Schatzkammern für Kirchenbauten, Krankenhäuser und andere Wohlfahrtseinrichtungen verwendet würden. Vielleicht räumen einmal die Kirchenfeinde die Schatzkammern aus und bauen mit dem Erlös sozialistisch oder Freimaurer-Krankenhäuser" (S. 140).
Ein echter Knüller ist Radeks "auf dem Dekanatskonvent am 24. Mai 1934" vorgetragenes "geistliches Wort" über "Klerikale Trägheit":
"Dem faulen Arbeiter und Angestellten wird seine Faulheit recht fühlbar zum Bewußtsein gebracht durch seine Entlassung aus der Arbeit, also aus der Brotstelle. Der faule Handwerker, der faule Kaufmann verliert seine Kundschaft. Dem faulen Arzt, dem faulen Rechtsanwalt schwindet die Praxis. Der faule Offizier, der faule Beamte wird nicht befördert. Welchen irdischen Nachteil zieht sich der faule Geistliche zu?" (S. 143).
Besonders hart tadelt Radek "[g]etarnte Formen des Müßigganges:
"Man sammelt Marken, Münzen, Schmetterlinge, Steine, treibt Rosenzucht, Taubenzucht, Bienenzucht, sitzt stunden- und stundenlang am Klavier, treibt Kunst und Kunstgeschichte -- alles sehr schön und sogar zu loben, wenn wirklich nur freie Zeit dafür verwendet wird. Wenn die Liebhaberei die Hauptsache und die Berufsarbeit nur eine lästige Abhaltung werden, dann ist der Vorwurf des geschäftigen Müßigganges nur zu berechtigt" (S. 144).
Und nun die Pointe: "Wenn Hitler und Goebbels auf uns als Mitarbeiter angewiesen wären, wo stände dann heute der Nationalsozialismus?" (ebd.)
"Weniger spektakulär" - so Knauft -, aber für mein Empfinden erheblich interessanter als alle "politischen Kontroversen" war allerdings "die alltägliche Arbeit von Erzpriester Radek in der zerstreuten Gemeinde und in den sozial-caritativen Institutionen der Diaspora" (S. 142). Zum Beispiel:
"Das St.-Josef-Stift in Stralsund wurde umgebaut und erweitert, so daß nun 80-100 Kinder untergebracht werden konnten. In dieser Kommunikantenanstalt wurden Jungen und Mädchen aus den entlegenen Dörfern Vorpommerns für einige Monate aufgenommen und auf die Erstkommunion vorbereitet. Einige der Kinder hatten noch nie eine katholische Kirche gesehen, geschweige denn am Religionsunterricht teilgenommen" (ebd.).
Nun stelle man sich mal vor, jemand würde heutzutage den Vorschlag wagen, die Erstkommunionvorbereitung für kirchenfern aufgewachsene Kinder auf solche Art zu organisieren...
Kritisch bewertet Knauft Radeks Engagement in der CDU der DDR, deren Charakter als pseudodemokratisches Feigenblatt in einem totalitären System er nicht durchschaut habe, sowie insgesamt einen gewissen Mangel an Distanz zum DDR-Regime, der sich auch in seiner Auszeichnung mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR zeigte. Zum Bruch mit dem Regime kam es allerdings, als der Staat im Frühjahr 1958 die Schließung des katholischen St.-Josefs-Kinderheims in Stralsund "und eine sofortige Verlegung sämtlicher Kinder in ein staatliches Heim" anordnete.
"Man warf der Kirche vor: Veruntreuung von Staatsgeldern, pädagogisches Versagen und einseitige Nichteinhaltung der Vereinbarungen, die zwischen dem Staat und den Trägern des Hauses getroffen wurden, als man ihnen Kinder übergab in der Erwartung, daß sie im Heim zu sozialistischen Menschen erzogen würden" (S. 150).Daraufhin gab Radek unter Protest seinen Orden zurück. Übrigens war das Kinderheim "in der NS-Zeit schon einmal geschlossen" worden (S. 149).
Interessanter als erwartet war auch der Beitrag über Wilhelm Weskamm, Bischof von Berlin von 1951 bis zu seinem Tod 1956; und zwar vor allem wegen der Einblicke in die Geschichte des Katholizismus in der DDR, die dieser Beitrag gewährt. Bevor Wilhelm Weskamm als Nachfolger Kardinal Preysings zum 4. Bischof von Berlin ernannt wurde, war er Weihbischof im damals noch zum Erzbistum Paderborn gehörenden Magdeburg und erlebte so die Komplikationen, die die deutsche Teilung für die kirchliche Administration mit sich brachte, an vorderster Front mit. Zugleich erlebten die kirchlichen Strukturen in seinem Zuständigkeitsbereich einen massiven Umbruch durch den Zuzug katholischer Vertriebener aus den Ostgebieten. In dieser Zeit ermahnte Weskamm "seine" Gläubigen:
"Manche Worte müssen wir heute neu verstehen. So auch 'Gemeinde'... Sind wir hier untereinander Fremde, Unbeteiligte, die sich treffen wie in der Bahn und sich umeinander nicht weiter kümmern, oder gehören wir innerlich irgendwie zusammen?" (S. 200)
Noch Fragen in Sachen #BenOp-Relevanz? -- Als der Priesternachwuchs in der DDR akut gefährdet war, weil "im Westen ausgebildete Theologen ab Oktober 1951 keine Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung für die DDR mehr erhielten" (S. 201), ein eigenes Priesterseminar auf dem Territorium der DDR aber noch nicht existierte, verfasste Bischof Weskamm "eine pastorale Handreichung, eine Art Notprogramm mit dem Titel 'Die "eiserne Ration" des Christen - Wie können christliche Gemeinden und christliches Leben auch ohne Priester weiterbestehen?', die in mehreren Jurisdiktionsbezirken der DDR verbreitet wurde" (S. 202). Interessant! Ich nehme mal an, diese Denkschrift dürfte im Diözesanarchiv zu finden sein. -- In seiner "Schlußansprache beim 75. Deutschen Katholikentag 1952 in Berlin" warnte Bischof Weskamm vor der "Gefährdung der Kinder in einer gottlosen, materialistischen Atmosphäre und Erziehung":
"Es geht hier um das nackte Leben, um die nackte Existenz, um die Frage, ob wir in Gott lebendig bleiben oder zugrunde gehen, ob Menschen gottlos werden oder den Weg zu Gott gehen" (S. 202).Die von Weskamm geleitete "Berliner Ordinarienkonferenz" (BOK) ließ am 11. Januar 1953 "in allen Gottesdiensten ein gemeinsames Hirtenwort mit dem Titel 'Über christliche Elternpflicht in unseren Tagen' verlesen" (S. 203):
"Darin stellen die Bischöfe und Bischöflichen Kommissare zunächst 'mit tiefem Schmerz' fest: 'Unsere Schule ist religionslos, hat in ihrem Lehrplan keinen Raum für Religion... In diesen religionslosen Schulen wird der Materialismus gelehrt: vom materialistischen Geist sind die Lehr- und Lernbücher getragen und durchtränkt.' Dann appellieren sie an die Eltern, der marxistischen Ideologie in der Familie keinen Raum zu geben: 'Kinder, für die das gemeinsame Beten mit den Eltern nicht eine feiertägliche Ausnahme ist, sondern selbstverständlich wie das tägliche Brot, sind am sichersten gefeit gegen alle religionslosen und religionswidrigen Einflüsse, woher sie auch kommen mögen.'" (ebd.)
Alles heute wieder höchst aktuell! -- Als eher ärgerlich würde ich den Beitrag über den Priester und Liturgiewissenschaftler Johannes Pinsk einordnen; er stammt von Johannes Günther, dessen geschwollene Schreibe mich schon in seinem Beitrag über Ernst Thrasolt genervt hat, aber hier kommt noch hinzu, dass Günther sich befleißigt, Pinsk durch die "nachkonziliare" Brille zu betrachten, was einen unvoreingenommen Zugang zu seinem Wirken und seinen Positionen effektiv verstellt. Das beginnt auf S. 209 mit der Feststellung: "Ökumenisches Engagement ist in der vorkonziliaren Zeit nicht ohne Risiko." Fun Fact: Die Rechtschreibautomatik möchte aus "vorkonziliar" "Gorgonzola" machen. Auf S. 210 wird der Ökumeniker Otto Karrer mit der Aussage zitiert: "Johannes Pinsk verdient als einer der ersten Vorkämpfer der ökumenischen Öffnung unsere Dankbarkeit." Na ist ja schön. Verfasser Günther fügt hinzu:
"Sein ökumenischer Einsatz zieht im Laufe der Zeit immer weitere Kreise, so daß scherzhaft über ihn gesagt wird, er sei entweder auf Reisen oder er predige in evangelischen Kirchen. Das findet durchaus nicht allgemeine Billigung. Er gilt vielen als Außenseiter. Heute - man denke an das Wort der Würzburger Synode: 'Die ökumenische Aufgabe duldet keinen Aufschub... Ökumenische Orientierung muß neuer Stil der Kirche werden' - ist dagegen der ein Außenseiter, der sich ökumenischem Engagement verschließt." (ebd.)
Liegt es an mir, dass ich bei dieser Wortwahl Assoziationen von Mobbing auf dem Schulhof habe? Übrigens bin ich zu jung, als dass ich die "Würzburger Synode" miterlebt hätte, aber mir drängt sich hier der Eindruck auf, jene, die in dieser Synode rückblickend einen ersten verhängnisvollen Schritt hin zum heute von DBK und ZdK angestrebten Schismatischen Weg (den nenne ich jetzt nur noch so!) sehen, hätten möglicherweise nicht so ganz unrecht. -- Immerhin räumt Günther ein:
"Heutige Irrwege des Ökumenismus - etwa Vernachlässigung der geistlichen Dimension des Ökumenismus, Verkürzung des Glaubens auf die ausschließlich horizontale Ebene der Mitmenschlichkeit, Vorwegnahme dessen wozu die 'offiziellen' Kirchen noch unterwegs sind, wie beispielsweise Interkommunion - hätten niemals seine Billigung gefunden." (ebd.)
Interessant erscheint es mir auch dass Pinsk "mit einer Arbeit über die 'Missa Sicca', also über die 'trockene Messe'" promovierte: "eine 'Messe' ohne ihr eucharistisches Herzstück, durch die die im Mittelalter weit verbreiteten Meßstiftungen hatten abgegolten werden sollen" (S. 213). Heute nennt man das "Wort-Gottes-Feier", oder? Okay, kleiner Scherz. Aber nicht nur.
Mit Blick auf Pinsks Beschäftigung "mit der geschichtlich gewordenen Gestalt der Liturgie" attestiert ihm Günther "eine Auffassung, deren Einseitigkeit heute - nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - weithin kaum noch verstanden werden dürfte":
"Gregorianik und lateinische Kirchensprache sind ihm [...] unverzichtbare Wesenselemente der Liturgie. [...] Mit der Zulassung der Volkssprache gemäß der Liturgie-Konstitution hätte sich Pinsk kaum abgefunden" (S. 215).
Das ist natürlich ganz, ganz schlimm -- zumal Günther meint: "Aber gerade indem das Konzil über seine Auffassungen hinweggegangen ist, hat es der von ihm geforderten Christozentrik ein weltweites Verständnis verschafft" (S. 216). Das möchte ich dann allerdings doch bezweifeln. Auf S. 220f. wirft Günther schließlich die alles entscheidende Frage auf:
"Wo würden wir Pinsk heute - nach dem Konzil - anzusiedeln haben? Würde er uns lehren zurückzuschauen wie die Frau des Lot? Würde er die Brücke zur Überlieferung abbrechen wie Aaron bei der Aufstellung des Goldenen Kalbes? Fänden wir ihn also im Lager der Rückschrittlichen oder eher bei den Fortschrittsbeflissenen?"
Ich sag mal: WTF?
Der Band schließt mit einem Beitrag über den Jesuitenpater Gebhard Graf von Stillfried-Rattonitz, als dessen wesentlicher Beitrag zur Geschichte des Bistums die Gründung der Sozialberatungsstelle "Offene Tür Berlin" (OTB) hervorgehoben wird. Den Beitrag fand ich im Ganzen eher so mittel-interessant, aber ein paar Details ließen mich dann doch aufhorchen. Etwa, wenn es auf S. 230 heißt, "auch in Fragen der Sexualmoral" habe Stillfried "nicht die Bahnen der kirchlichen Lehre" verlassen: Wieso wird das so betont? Die "Offene Tür Berlin" gibt es heute immer noch, und auf der Website der Einrichtung heißt es unter der Rubrik "Über uns":
"Die Offene Tür Berlin ist eine gemeinnützige Beratungseinrichtung, die Menschen auf der Basis von gegenseitigem Respekt, unabhängig von ihrem religiös-weltanschaulichen Hintergrund und ihrer sexuellen Orientierung, unterstützt und begleitet."
-- Nicht dass ich da von der Sache her etwas dagegen hätte, aber warum wird ausgerechnet das Kriterium der "sexuellen Orientierung" so hervorgehoben? Mich stimmt das misstrauisch. Ebenfalls auf S. 230 liest man:
"Die Beichten in der 'Offenen Tür' - ebenso wie Gottesdienste und Kurz-Andachten ein ständiges seelsorgliches Angebot - erreichten 1965 ihren Höchststand mit gut 2.200 und gingen dann auf rund 800 jährlich zurück. Zahlen, die doch einen gewissen Wandel kennzeichnen."
Allerdings. Sollte man das unter den "Früchten des Konzils" verbuchen? Ich frag ja nur.
Zusammenfassend lässt sich jedenfalls festhalten, dass allein die Beiträge über Sonnenschein, Klausener, Coppenrath, Preysing, Radek und Weskamm genug Interessantes und Bemerkenswertes enthalten, um dem Band "Miterbauer des Bistums Berlin" ein hohes Maß an #BenOp-Relevanz zu sichern -- und einen Platz im Büchereiregal sowieso.
Irene Zimmermanns "Liebe, Stress, Gitarrenständchen" fand ich zwar über weite Strecken irgendwie doof, andererseits aber auch ganz süß -- auf eine süße Art doof oder vielleicht auch umgekehrt. Die Handlung ist arg überkonstruiert; da wäre weniger mehr gewesen. Im Kern geht es darum, dass die Familie der Protagonistin Henriette, kurz Henri, in den Sommerferien umzieht, während Henris Boyfriend Tom Sprachlernurlaub in den USA macht. Mitten im Umzugsstress verknallt sich Henri Knall auf Fall in den neuen Nachbarsjungen David, gesteht sich diese Gefühle allerdings erst ein, als sie die (falsche) Nachricht erhält, ihr Tom habe sich am Urlaubsort ebenfalls eine Andere angelacht. Wäre das Buch für eine ältere Zielgruppe konzipiert, würden Henri und David an dieser Stelle zusammen im Bett landen, so aber küssen sie sich nur -- und noch ehe Tom aus Californioh zurückkehrt und sich alle Missverständnisse aufklären, verschwindet David nachhaltig aus Henriettes Leben, weil er mit seinen Eltern nach Frankreich (warum nicht gleich Französisch-Polynesien?) übersiedeln muss. Am Ende herrscht allgemeine Versöhnung; das hätte schlimmer kommen können. Hier und da überrascht das Buch übrigens durch wirklich charmante Details; ich finde es daher vertretbar, es zumindest vorläufig in die Jugendbuchabteilung der Pfarrbücherei aufzunehmen.
Vorbehaltlos begeistert bin ich indes von Haley Stewarts "The Grace of Enough". Die Vision einer materiell bescheidenen, naturverbundenen und familienzentrierten Lebensweise, die das Buch vorstellt, umfasst auch Aspekte wie community building in der Nachbarschaft und in der Kirchengemeinde, und ein Kapitel über Natürliche Familienplanung gibt es auch. Jedes Kapitel endet mit praktischen Tipps und Anregungen zum selbständigen Weiterdenken, und ganz am Ende folgt noch ein Anhang für Reflexionsfragen, die z.B. auch zur Diskussion in einer study group geeignet sind. Insgesamt eine hervorragende Ergänzung zur #BenOp, würde ich sagen -- auch wenn ich kurz vor Schluss über die folgende Passage stolperte:
"Should we just build an ark—maybe let in a chosen few and emerge when things look better and the storm has passed? No, that’s not really an option." (S. 142)Auweia. Ich schätze mal, falls Freund Rod das gelesen haben sollte, würde er diese Sätze - das Bild der "Arche" in auffälliger Verknüpfung mit dem Begriff "Option" - als frontalen Angriff auffassen. Dabei würde ich sagen, das, wovon Haley sich hier so demonstrativ abgrenzt, ist doch bloß eine verzerrte, verfälschte Lesart der #BenOp, wenn auch eine, der man auf Schritt und Tritt begegnet, besonders in den Kritiken von Leuten, die Rods Buch nicht oder nur ungenau gelesen, geschweige denn verstanden haben. Im Wesentlichen, wage ich zu behaupten, wollen Rod und Haley dasselbe. Vielleicht muss ich mal ein bisschen zwischen ihnen vermitteln.
Die Leseliste für die kommenden Wochen ist ausgesprochen bunt gemischt:
Wieder ein Buch aus dem Paket, das Ich von meinem Bruder bekommen habe. Autor Manfred Scheuer ist seit 2015 Bischof von Linz, und was fällt uns zum Stichwort "Linz" ein? Richtig, dort hat das Nachrichtenportal kath.net seinen Sitz, folglich kann man sich vorstellen, dass die Amtsführung Seiner Exzellenz von konservativ-katholischer Seite ausgiebig kritisch begleitet wird. Als das vorliegende Buch erschien - 2007 nämlich -, war Scheuer noch Bischof von Innsbruck, außerdem aber auch Postulator im Seligsprechungsprozess für den 1943 wegen "Wehrkraftzersetzung" hingerichteten Franz Jägerstätter, und um den geht es in dem Buch. Den Überschriften im Inhaltsverzeichnis nach zu urteilen handelt es sich aber wohl weniger um eine Biographie Jägerstätters; vielmehr - so heißt es im Klappentext - "reflektiert und meditiert" das Buch "das Lebenszeugnis dieses beeindruckenden Mannes und führt den Leser zur tiefen Bedeutung des christlichen Martyriums". Als Anhang enthält das Buch drei Vorträge, die in den Jahren 2005-2007 beim jährlichen Jägerstätter-Gedenken in Innsbruck gehalten wurden, und einer dieser Vorträge stammt von jemandem namens Wolfgang Palaver. Na, da sind wir aber mal gespannt.
Außerdem fällt mir, wenn ich an Franz Jägerstätter denke, mich aber nicht auf seinen Namen besinnen kann, immer Hansi Hinterseer ein. Der Selige möge es mir verzeihen.
Ein Fundstück aus einer Büchertelefonzelle. Dem Titel nach ist mir das Buch natürlich ein Begriff, darüber hinaus allerdings kaum -- auch den Film habe ich nicht gesehen. Insofern unklare Erwartungen. Mit nennenswerter #BenOp- oder Punkpastoral-Relevanz rechne ich nicht unbedingt, außer vielleicht, dass Milieustudien aus der Kreuzberger "Szene" vor der Wende irgendwie aufschlussreich und anregend sein könnten. Schauen wir mal.
Und noch ein Buch aus dem Bücherpaket meines Bruders. "Ein Buch, das Mut macht sich aus fremdbestimmten Lebensumständen zu lösen und den eigenen Weg zu gehen", steht hinten auf dem Umschlag. Ich verkneife mir mal jegliche küchenpsychologischen Spekulationen darüber, was meinen Herrn Bruder wohl an dem Buch interessiert haben könnte. Was mein eigenes Interesse daran betrifft, na gut, ich habe Walter Kohl vor Jahren mal in der einen oder anderen Fernsehtalkshow gesehen, und da hat er einen recht guten Eindruck auf mich gemacht. Davon abgesehen: Mit dem Schicksal, der "Sohn vom Kohl" zu sein (wie es ebenfalls hinten auf dem Schutzumschlag heißt), kann sich ja wohl so ziemlich jeder von uns mehr oder weniger identifizieren: Helmut Kohl war einfach die Vaterfigur schlechthin. Als er Bundeskanzler wurde, war ich in der ersten Klasse, und als er abgewählt wurde, schon an der Uni; und wie die Gruppe Kraftklub - wenn auch in anderem Zusammenhang - mal sang: "Einer ganzen Generation geht's ähnlich." Das Walter Kohl aus dem Prozess der Abnabelung von der übermächtigen Vaterfigur ein Geschäftsmodell gemacht hat, sehe ich heute allerdings ein wenig kritischer als damals, als ich ihn in den Fernsehtalkshows sah. Nach dem Erfolg von "Leben oder gelebt werden" (2011), für das er einen Preis mit dem herrlich bescheuerten Namen "Mut zur Courage" erhalten hat, veröffentlichte er noch das Lebenshilfe-Ratgeber-Buch "Leben was du fühlst" (2013) und ein Jahr darauf "Was uns wirklich trägt. Über gelingendes Leben" -- zusammen mit Anselm Grün! Da hört meine Toleranz nun wirklich auf. Ich stelle gerade fest, dass ich mich so richtig in eine Unlust auf die Lektüre von Kohl juniors Erstlingswerk hineinschreibe. Aber ich werde dem Buch trotzdem eine Chance geben.
An dieses Buch, das ich aus einer Büchertauschkiste in einem sehr netten Café an der Schönhauser Allee gezogen habe, knüpfe ich geradezu irrational hohe Erwartungen -- obwohl (oder weil?) ich nur recht vage Vorstellungen von seinem Inhalt habe. Auch den Film habe ich nicht gesehen. Was ich mir darunter vorstelle, ist eine Art "Herr der Fliegen"-Variante unter Rucksacktouristen und Surfer-Hippies, und was ich mir in puncto #BenOp-Relevanz davon verspreche bzw. erhoffe, ist eine Darstellung der Risiken und Nebenwirkungen des Versuchs, eine utopische Gemeinschaft zu erschaffen. Übrigens stammt die deutsche Übersetzung von Rainer Schmidt, der auch Donna Tartts Roman "The Secret History" ins Deutsche übersetzt hat; und da ich diesen Roman sowohl im Original als auch auf Deutsch mehrmals gelesen habe, kann ich sagen, dass seine Übersetzung exzellent ist. Das lässt mich hoffen, dass Schmidt bei "The Beach" ähnlich gute Arbeit geleistet hat.
Dieses Buch habe ich schon letztes oder sogar vorletztes Jahr von einem recht prominenten schwulen Filmemacher aus meinem Bekanntenkreis geschenkt bekommen (was ich natürlich nur erwähne, weil ich hoffe, den einen oder anderen Leser damit schockieren zu können). Jedenfalls hatte der das Buch, wenn ich mich recht entsinne, in einem Antiquariat oder auf einem Flohmarkt aufgegabelt und meinte, das könnte mich interessieren. Bisher hatte ich mich noch nicht an den Trumm herangetraut (1137 Seiten plus 35 Seiten Anhang!), aber nun sehe ich die Gelegenheit, das Thema "christliche Opposition gegen den Nationalsozialismus" mittels dieses Bandes um eine evangelische Perspektive zu ergänzen. Ob ich es tatsächlich schaffe, es komplett zu lesen, muss aber vorerst noch dahingestellt bleiben.
Linktipps:
Über die schwangeren Holzfiguren, die während der Amazonas-Synode eine so zwielichtige Rolle gespielt haben, ist ja ausgiebig debattiert worden: Handelt es sich um heidnische Götzenbilder, gar um Darstellungen der indigenen Gottheit "Pachamama", oder nicht? Handelte es sich bei den Ritualen im Umfeld der Amazonas-Synode, in denen diese Figuren eine Rolle spielten, und bei der Aufstellung im Altarraum einer Kirche um Götzendienst? Muss man eine dämonische Beeinflussung der Synode befürchten? Hätten wir gemäß Matthäus 24,15 schon beim ersten Auftauchen dieser Figuren in die Berge fliehen sollen, und zwar ohne noch einmal ins Haus zurückzugehen? War es richtig, die Figuren aus der Kirche Santa Maria in Transpontina zu entfernen und in den Tiber zu werfen, und wenn nein, warum nicht? Einigen Aspekten dieses Fragenkomplexes widmet sich Bloggerkollegin "Mary of Magdala" und kommt dabei zu einem besonnener abgewogenen Gesamturteil, als ich es mir zutrauen würde. -- Und mehr als das will ich zu diesem Thema weder sagen noch hören...!
Vorige Woche hatte ich hier einen auf häretisch.de erschienenen Artikel am Wickel, dem es recht offenkundig darum zu tun war, das Phänomen der eucharistischen Anbetung bzw. deren wachsende Popularität schlechtzureden. Nun hat sich Bloggerkollege "Sophophilo" (kenne ich den eigentlich? Und wenn nein, warum nicht?) denselben Artikel vorgeknöpft -- und konstatiert nüchtern, derartige Wortspenden seien im Prinzip nichts Neues: "Die Theologie in Deutschland und auch die Reflektionsprozesse in den deutschen Kirchenbehörden" seien vielmehr schon "seit ein paar Jahren (ausgelöst durch das Phänomen 'Nightfever') damit beschäftigt, nicht selten missgünstig auf die eucharistische Anbetung zu blicken". Warum? Weil sie ihnen schlichtweg nicht ins Konzept passt. Weil sie dem "im Kern des theologischen Mainstreams" nicht bloß als Tatsache behaupteten, sondern aktiv vorangetriebenen Trend zur "Entsakralisierung" widerspricht, und weil nicht sein kann, was nicht sein darf. -- Ein, wie ich finde, kluger und lesenswerter Artikel, der bei mir - auch in Hinblick auf die neulich mal verhandelte Frage "Wie tot ist eigentlich die Blogoezese?" - den Eindruck hinterlässt, den oder das Blog "Invenimus Messiam" sollte ich zukünftig im Auge behalten.
Heilige der Woche:
Heute, Montag, 28. Oktober: Hll. Simon und Judas, Apostel und Märtyrer. In den Evangelien ist von diesen beiden Jünger Jesu kaum mehr als der Name überliefert, und selbst die Namensnennung ist uneinheitlich: So erscheint in den Apostellisten bei Matthäus (10,2-4) und Markus (3,16-19) an zehnter Stelle der Name Thaddäus (laut einigen Textzeugen auch "Lebbäus"), bei Lukas (6,14-16) hingegen "Judas, der Sohn (oder Bruder) des Jakobus"; auch im Johannesevangelium wird an einer Stelle (14,22) ein "Judas - nicht der Iskariot" erwähnt. Simons Beiname Kananaios (bei Matthäus und Markus) bzw. Zelotes (bei Lukas) bringt ihn mit einer militanten Gruppierung im damaligen Judentum in Verbindung, die die Messias-Erwartung dezidiert politisch-revolutionär verstand; der Umstand, dass ein (ehemaliger?) Anhänger dieser Bewegung unter den Zwölf Aposteln Jesu war, beschäftigt von jeher die Phantasie "historisch-kritischer" Exegeten und literarischer Bearbeiter des Lebens Jesu, und diesem Umstand verdankt Simon der Zelot auch eine beachtliche Solonummer in der Rockoper "Jesus Christ Superstar", wo er Jesus angesichts der jubelnden Massen beim Einzug in Jerusalem am Palmsonntag dazu überreden will, einen Aufstand gegen die römische Besatzung anzuzetteln: "You'll get the power and the glory forever and ever and ever!" Worauf Jesus erwidert:
"Neither you, Simon, nor the fifty thousand,
Nor the Romans, nor the Jews,
Nor Judas, nor the Twelve
Nor the priests, nor the scribes,
Nor doomed Jerusalem itself
Understand what power is,
Understand what glory is,
Understand at all."
Und ich muss sagen: Ja, natürlich ist "Jesus Christ Superstar" in vielen Punkten heterodox und streift zuweilen sogar das Gebiet der Blasphemie, aber diese Stelle, doch doch, Mr. Rice, Hut ab. -- Okay, Ende der Abschweifung. Da unter den im Matthäus- und Markusevangelium namentlich genannten "Brüdern" Jesu - nach katholischer Auffassung entweder Stiefbrüder aus einer früheren Ehe des Joseph oder aber Angehörige eines größeren Familienverbands, also etwa Vettern - ein Simon und ein Judas sind, wurden die Apostel Simon und Judas in der Tradition zuweilen mit diesen gleichgesetzt; demnach wäre Simon auch Leiter der Jerusalemer Urgemeinde und Judas der Verfasser des Judasbriefs im Neuen Testament. Laut außerbiblischer Überlieferung gingen die Apostel Simon und Judas später gemeinsam als Glaubensboten nach Mesopotamien und Persien und erlitten gemeinsam das Martyrium: Simon wurde zersägt, Judas mit einer Keule erschlagen. Übrigens wird Judas Thaddäus traditionell als Helfer für "hoffnungslose Fälle" angerufen
Donnerstag, 31. Oktober: Hl. Wolfgang (ca. 924-994), Glaubensbote und Bischof. Leitete die Trierer Domschule, wurde 964 Benediktinermönch, 968 zum Priester geweiht. Ging als Missionar zu den Ungarn, ehe er 972 Bischof von Regensburg wurde.
Aus dem Stundenbuch:
Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. (Epheser 2,20f.)