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Mittwoch, 8. Februar 2012

Die Brötchen des Bösen - Eine Hamburger(-)Passion

"Skandalinszenierung: Piusbrüder drohen Hamburger Theater mit Anzeige", so lautete am 22. Januar eine Schlagzeile auf SPIEGEL Online; und noch ehe ich den dazugehörigen Artikel gelesen hatte, hatte ich die Eingebung, bei dem betreffenden Theaterstück könne es sich nur um Rodrigo Garcías 'Gólgota Picnic' handeln. Nicht etwa, dass ich mich in der aktuellen Theaterszene so gut auskennen würde oder gar gewusst hätte, dass das Hamburger Thalia-Theater dieses Stück im Rahmen seiner diesjährigen Lessingtage zeigt; aber zufällig hatte ich rund zwei Wochen zuvor auf arte das Kulturmagazin 'metropolis' gesehen (was ich sonst nie tue), und da hatte es einen Beitrag über Proteste "fundamentalistischer Katholiken" gegen die Pariser Aufführung ebendieses Stückes gegeben. Dieser Beitrag war sogar als "Aufreger der Woche" angekündigt worden; wohlgemerkt, nicht das Theaterstück selbst sollte dieser "Aufreger" sein, sondern die Proteste dagegen. Der Umstand, dass in Paris bis zu 4000 strenggläubige Katholiken singend und betend vor einem Theater demonstrierten, wurde gar mit dem Begriff "Kulturkampf" belegt - eine zumindest ungeschickte Wortwahl, wenn man bedenkt, dass dieses 1873 von Rudolf Virchow geprägte Schlagwort eigentlich staatliche Zwangsmaßnahmen zur Unterdrückung der katholischen Kirche bezeichnet.
-- In der Ankündigung dieses Beitrags auf der arte-Website hieß es:  

"Metropolis geht u. a. der Frage nach, ob Kunst wirklich alles darf. Ist der Protest gegen die gezielt gesetzte Provokation berechtigt? Oder braut sich hier eine militante, religiös motivierte Protestkultur zusammen, die nach dem Vorbild radikaler Muslime unliebsame Kulturschaffende einschüchtern will?"

Zumindest der erste Teil dieser Ankündigung wurde von der Sendung kaum eingelöst. Die Frage, ob die Demonstranten mit ihrem Protest gegen 'Gólgota Picnic' irgendwie Recht haben könnten, wurde gar nicht ernsthaft gestellt, es wurde auch nur in Ansätzen deutlich, was genau die empörten Katholiken gegen die Aufführung des Stückes hatten.(Zudem wurde schlau suggeriert, die Protestierer wüssten dies im Grunde selbst nicht so genau, da sie das Stück ja gar nicht gesehen hätten - was einige hierüber befragte Demonstranten freimütig bestätigten. Hier könnte man allerdings auf eine Szene aus dem Film "Hawaii" verweisen, in der der von Max von Sydow verkörperte Protagonist, ein Missionar, erklärt: "Ich brauche einen Mord nicht erst zu begehen, um zu erkennen, dass er unrecht ist.")

Immerhin war dem 'metropolis'-Beitrag zu entnehmen, dass es sich bei 'Gólgota Picnic' um ein provokant religionskritisches Stück handelt, in dem Religion im Allgemeinen und der Katholizismus im Besonderen als mitverantwortlich für das Böse in der Welt dargestellt werden; sowie auch, dass das Stück eine Parodie der Kreuzigung Christi enthält, in der der Heiland durch eine fast nackte Frau dargestellt wird, die die Dornenkrone auf einem Motorradhelm trägt. Dass strenggläubige Katholiken lieber darauf verzichten, sich ein solches Stück anzusehen, nur um "mitreden" zu können bzw. zu dürfen, wird man verstehen. Ob ihnen dies auch das Recht gibt, verhindern zu wollen, dass andere es sich ansehen, ist natürlich eine zweite Frage. Dass es Bombendrohungen gegen das Theâtre du Rond Point und Morddrohungen gegen dessen Leiter Jean-Michel Ribes gegeben hat, weshalb die Pariser Premiere von 'Gólgota Picnic' unter massivem Polizeischutz stattfinden musste, ist ohne Frage schärfstens zu verurteilen; gleichzeitig erscheint es aber auch kritikwürdig, dass die arte-Reportage mehrere tausend friedliche Demonstranten bedenkenlos mit den Urhebern dieser Drohungen in einen Topf wirft.

Zum Schluss bietet die Sendung einen prominenten Repräsentanten der katholischen Kirche in Frankreich auf, der sich in aller Deutlichkeit von den Protesten gegen 'Gólgota Picnic' distanziert. Über das Stück selbst äußert er sich überhaupt nicht, empört sich jedoch darüber, dass eine radikale Splittergruppe sich anmaße, für die gesamte katholische Kirche zu sprechen. -- Man könnte nun finden, die Macher der Reportage seien just dieser Strategie der hinter den Protesten stehenden Kreise komplett auf den Leim gegangen, in dem sie die 'Gólgota Picnic'-Gegner durchweg ohne nähere Spezifizierung schlicht als "Katholiken" betiteln (so als träfe diese Bezeichnung, zumindest nominell, nicht auf die Mehrheit der Franzosen zu). Bei der sehr tendenziösen Ausrichtung des ganzen Beitrags muss man aber wohl davon ausgehen, dass dies nicht ohne Absicht geschieht: Es sieht ganz danach aus, als instrumentalisierten hier einige kulturkämpferisch eingestellte Fernsehjournalisten die Aktionen der besagten 'radikalen Splittergruppe', um die ganze katholische Kirche zu diffamieren. Man kennt dergleichen auch aus Deutschland, aber in Frankreich scheint der Gegensatz zwischen Laizisten und Religiösen doch noch ausgeprägter zu sein.

Bei genauem Hinsehen stellt sich der Fall nun aber doch komplizierter dar, als die arte-Reportage glauben machen will. Zwar hielt auch der Erzbischof von Paris, André Vingt-Trois, zeitgleich zur Pariser Premiere von 'Gólgota Picnic' eine Gebetswache in der Kathedrale Nôtre Dame ab und warnte, das Stück sei geeignet, Christen zu schockieren, stellte aber klar, ohne Kenntnis der Intention des Autors könne man nicht von Blasphemie oder Christenfeindlichkeit sprechen. Bereits bei einer früheren Gelegenheit hatte er "verbale oder erst recht physische Gewalt gegen kirchenkritische Kunstwerke" als inakzeptabel bezeichnet. Diese differenzierte Haltung des Vorsitzenden der französischen Bischofskonferenz ist der oben erwähnten radikalen Splittergruppe zweifellos ein Dorn im Auge; man kann aber davon ausgehen, dass diese Kreise - da religiöse Fanatiker ja nicht selten eine Affinität zu Verschwörungstheorien an den Tag legen - dem Pariser Kardinal ohnehin misstrauen, schon allein seines Namens wegen: "Vingt-Trois" heißt nämlich "Dreiundzwanzig", was Grund genug sein dürfte, zu argwöhnen, hinter seiner Karriere in der kirchlichen Hierarchie steckten die Illuminaten.

Nun aber mal die Karten auf den Tisch: Von welcher radikalen Splittergruppe reden wir hier überhaupt? In 'metropolis' war als Wortführer der Protestler ein unangenehm öliger Sprecher des Civitas-Institus zu sehen; das klingt nach Bürgergesellschaft, aber das täuscht: Durch eine kurze Internetrecherche kann man in Erfahrung bringen, dass diese Stiftung den "Lefebvristen" nahe steht - mit anderen Worten: der von dem 1991 verstorbenen ehemaligen Erzbischof von Dakar (Senegal), Marcel Lefebvre, gegründeten "Priesterbruderschaft St. Pius X.", kurz FSSPX (für "Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X.") - derselben Gruppierung also, die dann wenig später das Gastspiel von 'Gólgota Picnic' am Hamburger Thalia-Theater durch eine Strafanzeige zu verhindern versuchte.

In der deutschen Öffentlichkeit erregte diese 1970 gegründete Bruderschaft zuletzt 2009 größere Aufmerksamkeit, als Papst Benedikt XVI. die 1988 verhängte Exkommunikation der vier Bischöfe der FSSPX aufhob und fast gleichzeitig ein Interview veröffentlicht wurde, in dem einer dieser Bischöfe, Richard Williamson, unter Berufung auf ein mehr als fragwürdiges kanadisches Gerichtsgutachten von 1988 - den so genannten 'Leuchter-Report', dessen Verbreitung in Deutschland als Volksverhetzung strafbar ist - Zweifel an den Opferzahlen des Holocausts anmeldete. Im Handumdrehen war die skandalträchtige Schlagzeile "Papst rehabilitiert Holocaustleugner" fertig - und wirkt bis heute nach: "Piusbrüder? Sind das nicht die mit dem Holocaustleugner?", konnte man etwa auf Twitter lesen. Problematisch an dieser Rubrizierung ist allerdings, dass sie genauso auf eine Vielzahl anderer Gruppierungen zuträfe, die mit den Piusbrüdern ansonsten kaum etwas gemein haben. Und wenngleich man zu Recht darauf verweisen kann, dass der FSSPX schon seit den Tagen ihres Gründervaters Lefebvre antisemitische Tendenzen und eine gewisse Nähe zu rechtsgerichteten politischen Ideologien anhaften, wäre es doch eine allzu plakative Verkürzung, die Bruderschaft schlicht als einen 'Verein von Holocaustleugnern' anzusehen.

Das wesentliche Merkmal der Piusbruderschaft ist vielmehr ihre ultra-traditionalistische Auslegung des Katholizismus, die sich in einer entchiedenen Opposition gegen die Reformen des II. Vatikanischen Konzils äußert. So lehnen die Piusbrüder die Liturgiereform ebenso ab wie Ökumene und interreligiösen Dialog und vertreten in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre ausgesprochen rigoristische Positionen. Zusammenfassend gesagt sind sie überzeugt, dass die katholische Kirche seit dem II. Vatikanischen Konzil vom rechten Wege abgekommen ist, und verstehen sich als Gralshüter des 'wahren' Katholizismus. Und genau diese Haltung drückt sich auch in ihren Protesten gegen die Aufführungen von 'Gólgota Picnic' in Paris und Hamburg aus.

Für die Entscheidung des Thalia-Theaters, 'Gólgota Picnic' zu den Lessingtagen einzuladen, dürfte wohl nicht nur die Einschätzung ursächlich gewesen sein, ein Stück, bei dem die Bühne mit 25.000 Hamburgerbrötchen gepflastert ist, passe gut nach Hamburg. Thalia-Intendant Joachim Lux begründete die Entscheidung für das Gastspiel damit, dass die "Auseinandersetzung mit Religion [...] für das Festival ein Thema" sei; dagegen ist erst einmal nichts zu sagen, außer vielleicht, dass man da durchaus auch ein weniger polarisierendes Stück hätte nehmen können. Wenn man denn gewollt hätte. Spätestens nach den Pariser Ereignissen dürfte es für jeden absehbar gewesen sein, dass 'Gólgota Picnic' auch in Hamburg für einen Skandal gut sein würde - und was wäre das Theater ohne Skandale? So ein zünftiger Theaterskandal bringt nicht nur Publicity, er unterstreicht auch die gesellschaftspolitische Relevanz der altehrwürdigen Institution Bühne, und wenn der Skandal darin besteht, dass ein Grüppchen ewiggestriger Ultrareligiöser Zeter und Mordio über angebliche Blasphemie und Pornographie schreit und die Aufführung verbieten lassen will, dann steht das Theater geradezu als Garant von Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst, ja von demokratischem Pluralismus schlechthin da. Was könnte man sich als Intendant Besseres wünschen?

Und genau so kam es dann ja auch. Die öffentlichen Reaktionen auf die causa 'Gólgota Picnic' fielen nahezu einhellig aus: Landauf, landab ergriffen Redaktionen, Blogs und Kommentatoren auf Plattformen wie Facebook und Twitter Partei für das Theater und gegen die Protestler. Der Tenor dieser Meinungsäußerungen lässt sich kaum besser zusammenfassen als durch den nur ein Wort umfassenden Kommentar von Tim Seidel auf der Facebook-Pinnwand des Thalia-Theaters: "Mittelalter!" -- Diese Einschätzung berücksichtigt allerdings nicht, dass die 'Gólgota Picnic'-Gegner für ihren Protest zum Teil durchaus moderne Mittel wählten: so etwa den Versuch, den Betrieb des Thalia-Theaters durch eine Überschwemmung mit eMails und Faxen lahmzulegen. Der Versuch scheiterte jedoch mangels Masse: Drei- bis vierhundert Mails und Faxe innerhalb von drei bis vier Tagen reichten für einen Zusammenbruch der internen Kommunikation im Theater schlicht nicht aus.

Dass auch zur Protestversammlung in der Gaußstraße nur rund 40 Gläubige erschienen, ließ die Hamburger Proteste gegen 'Gólgota Picnic' vollends zur Farce werden. Die Presse veralberte die Demonstranten mit Schlagzeilen à la "Die wollen nur beten", und das Thalia-Theater postete auf Facebook ein Foto der menschenleeren Gaußstraße und witzelte dazu "frei nach O. Waalkes": "Die radikalfundamentalistischen Piusbrüder machen in Hamburg eine Protestkundgebung. Der eine hatte keine Gummistiefel mit und der andere hat sich alleine nicht getraut."

Auf den ersten Blick sieht der Fall 'Gólgota Picnic' somit nach einem klaren Misserfolg für die Piusbrüder aus; aber dieser Eindruck könnte trügen. Immerhin hat die Bruderschaft wieder einmal Publicity bekommen, und mehr noch: Denjenigen Gläubigen, die sich durch die brachiale Religionsfeindlichkeit von Werken wie 'Gólgota Picnic' angegriffen fühlen, hat sie sich als die einzige öffentlich wahrnehmbare Interessenvertretung empfohlen. Die gemäßigte und zurückhaltende Stellungnahme der offiziellen katholischen Kirche, also des Erzbistums, ging in Hamburg wie schon in Paris im allgemeinen Medienecho so gut wie gänzlich unter.

Eine Begleiterscheinung dieser Konstellation war, dass die bereits in der 'metropolis'-Sendung unbeantwortet gebliebene Frage, ob Kunst wirklich alles dürfe oder ob es womöglich doch legitim sei, im Namen des Glaubens gegen die öffentliche Herabwürdigung ebendieses Glaubens zu protestieren, auch in der Hamburger Debatte so gut wie keine Rolle spielte. Lediglich das Hamburger Verwaltungsgericht musste sich mit dieser Frage auseinandersetzen, da es im Eilverfahren über einen Antrag der Piusbruderschaft zu entscheiden hatte, die Aufführung von 'Gólgota Picnic' zu unterbinden. Die Entscheidung fiel sehr eindeutig aus: "Die Aufführung des Theaterstücks beeinträchtige nicht die individuelle Freiheit des Antragstelles, seinen Glauben als Christ zu praktizieren. Er könne der Aufführung fernbleiben." Damit bekannte das Gericht sich - in offenbarem Widerspruch zu seiner eigenen Klarstellung, der "Straftatbestand des § 166 StGB (Beschimpfung von Bekenntnissen) [...] schütze allein den öffentlichen Frieden und nicht das religiöse Empfinden Einzelner" - im Prinzip zu der verbreiteten Auffassung, dass Religion Privatsache sei: Antireligiöse Polemik erscheint im Lichte dieser Urteilsbegründung allein als Angriff auf das "religiöse Empfinden Einzelner" - und für dessen Schutz seien in erster Linie diese Einzelnen selbst verantwortlich, denen es ja schließlich freistehe, Dinge zu meiden, die ihre religiösen Gefühle verletzen könnten.

Für Theatermacher und andere Kulturschaffende ergibt sich daraus, dass das Verletzen religiöser Gefühle eine bequeme und, man möchte sagen, wohlfeile Möglichkeit darstellt, einen kleinen Skandal zu provozieren, ohne dabei zu viel zu riskieren. Ein paar Leute, die sich darüber aufregen, wird es immer geben - sonst würde ja kein Skandal daraus -, aber diese Leute sind weitgehend isoliert, haben keinen wirklichen gesellschaftlichen oder politischen Einfluss und haben den Großteil der öffentlichen Meinung von vornherein gegen sich; die Künstler können also darauf bauen, in jedem Fall als moralische Sieger aus dem Skandal hervorzugehen. Für die jeweils betroffenen Religionsgemeinschaften hingegen ergibt sich ein Dilemma. Empören sie sich lautstark, stehen sie als intolerant und banausisch da; reagieren sie moderat und gelassen, rufen sie damit radikale Splittergruppen wie die Piusbrüder auf den Plan, die die Empörung monopolisieren und für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren.

An dieser Stelle erscheint es mir sinnvoll, an zwei andere Theaterskandale der letzten Jahre zu erinnern, in denen es auf die eine oder andere Weise um die 'Verletzung religiöser Gefühle' ging: Johann Kresniks 'Zehn Gebote' in Bremen 2004 sowie die Auseinandersetzung um Hans Neuenfels' Inszenierung der Mozart-Oper 'Idomeneo' an der Deutschen Oper Berlin 2006.

Kresniks Stück, das ja bereits im Titel eindeutige religiöse Bezüge erkennen ließ, sollte nach dem Willen des Bremer Theaters eigentlich im dortigen - evangelischen - Dom aufgeführt werden; verhindert wurde dies durch eine Kampagne, die sehr wesentlich von der BILD lanciert bzw. gefördert wurde. Anlass dafür war die Bekanntmachung, Kresnik suche für seine Inszenierung noch Komparsinnen - nämlich ältere Frauen, die nackt an Nähmaschinen sitzen und Deutschlandflaggen nähen sollten. "Dieses Schock-Drehbuch besudelt unseren Dom", empörte sich daraufhin Springers heißes Blatt; Auftakt zu einer Kampagne 'Saubere Kirche', die gegen die "Darstellung von Nacktheit in deutschen Gotteshäusern" Sturm lief. "Ein gewisser Lukas Cranach steht ganz oben auf der Liste der notorischen Schmierfinken", scherzte das Feuilleton der FAZ treffend. Immerhin hatte die Kampagne den 'Erfolg', dass die Domgemeinde die Aufführung in ihren Räumlichkeiten untersagte; daraufhin sprang die ebenfalls evangelische Friedenskirche ein - und zog sich den Zorn konservativer Protestanten zu, die mit Transparenten mit Slogans wie "Jesus Christ spricht: Mein Haus soll ein Bethaus sein" (Lk 19,46) vor der Kirche demonstrierten. Die Premiere der 'Zehn Gebote' fand unter massivem Polizeischutz statt.

Als Blamage für die Deutsche Oper Berlin wie auch für den damaligen Innensenator Körting ging der Skandal um Neuenfels' 'Idomeneo'-Inszenierung in die Geschichte ein. Stein des Anstoßes war eine Szene, in der die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Buddha, Jesus und Mohammed auf die Bühne gebracht wurden - im Kontext der Opernhandlung ein deutliches Bild für die Auffassung, ohne Religion(en) sei die Welt ein besserer, friedlicherer Ort. Proteste von Christen, Buddhisten oder gar Anhängern der alten griechischen Götter wurden offenbar nicht befürchtet - wohl aber Aktionen islamischer Fundamentalisten. Innensenator Körting informierte die Opernintendantin Kirsten Harms telefonisch, es gebe Sicherheitsbedenken gegen die Aufführung - woraufhin Frau Harms entschied, die Aufführung abzusetzen. Dieser Entschluss zog breite Kritik aus allen politischen Lagern - in der Tat: auch aus CDU und CSU! - nach sich; von "Feigheit" und "Selbstzensur" war die Rede; selbst Sprecher muslimischer Organisationen in Deutschland gaben zu Protokoll, sie sähen keinen Anlass für eine Absetzung des Stücks. Die Peinlichkeit der ganzen Affäre wurde noch gesteigert dadurch, dass es sich lediglich um die Wiederaufnahme einer Inszenierung von 2003 handelte, gegen die es zuvor nie Proteste gegeben hatte. In Folge eines Gutachtens der Polizei, das die Gefahr islamistischer Terrorakte als gering einstufte, wurde der 'Idomeneo' schließlich doch wieder gezeigt.

Im direkten Vergleich zu 'Gólgota Picnic' erwecken diese Beispiele den Eindruck, dass religiös motivierte Proteste gegen Theateraufführungen - oder auch nur die theoretische Möglichkeit solcher Proteste - 2004 und 2006 tendenziell ernster genommen wurden als 2012. Über die Ursachen dieser Entwicklung zu spekulieren, ist hier nicht der Platz. Gemeinsam ist allen drei Fällen jedoch, dass die maßgeblichen Feuilletons nach erfolgter Aufführung nahezu einhellig zu dem Schluss kamen, die jeweilige Inszenierung sei an sich die ganze Aufregung gar nicht wert. Umso interessanter ist es, sich einmal anzusehen, wie der Jesuitenpater Hermann Breulmann, der im Auftrag des Erzbistums Hamburg eine Aufführung von 'Gólgota Picnic' besuchte, über das Stück urteilt. Breulmann kommt zu dem Ergebnis, 'Gólgota Picnic' sei durchaus "ein moralistisches Stück" - jedoch, und das dürfte nun wirklich überraschen, "auch ein leibfeindliches Stück, weil der gefallene Engel schwebte am Anfang und Schluss über dem Ganzen. Selbst bei den vielen Nackten war letztlich die Frage der Gleichgültigkeit, auch der Weltfeindlichkeit [...], auch Thema dieses [...] Stückes." Diese Weltfeindlichkeit sieht Breulmann in engem Zusammenhang mit den antireligiösen, speziell antichristlichen Tendenzen von 'Gólgota Picnic': "[D]ass der Mensch, der Christ, auch die Inkarnation, letztlich auch eine Bejahung der Welt ist: dass Gott sich nicht aussuchen konnte, in welchem Menschen er Mensch wurde, sondern dass er letztlich eine Liebeserklärung, ein letztes Ja zu dieser Welt und zu den Menschen gesagt hat, und diese von daher im Letzten auch liebeswürdig sind - das wurde in diesem Stück von Anfang an bestritten." Gerade angesichts dieser Verweigerungshaltung gegenüber der göttlichen Liebe sei 'Gólgota Picnic' "[a]uch ein Stück der Einsamkeit, [...]. Aber einer spirituellen Einsamkeit, die auch nachdenklich machte. Und die, wie die Schauspieler mir sagten, für sie auch eine Art Gebet waren." Auf die Frage angesprochen, ob das Stück blashemisch sei, räumt Pater Breulmann ein, es habe "auch blasphemische Elemente, wobei ich sagen würde: Blasphemisch ist Jeremia auch schon gewesen, als er die Tempelgötter lächerlich machte. Ich glaube auch, dass ein blasphemischer Kern im Zentrum unseres Glaubens steht. Jesus ist wegen Gotteslästerung auch gekreuzigt worden. Der Satz 'Mein Gott, warum hast Du mich verlassen' ist ja nicht nur ein geistlich-beruhigender Satz, sondern auch ein Satz, der einen tiefen Riss noch mal ins Zentrum des christlichen Glaubens hineinsetzt."

Es liegt auf der Hand, dass die Piusbrüder und ihre Gesinnungsgenossen angesichts solcher Äußerungen Zeter und Mordio schreien und dem Pater Breulmann umgehend den Scheiterhaufen an den Hals wünschen würden. Das spricht aber - auch wenn sie selbst das Gegenteil behaupten würden - weniger für ihre Glaubenstreue als für ihre Verbohrtheit. Pater Breulmanns feinsinnige Interpretation von 'Gólgota Picnic' belegt eindrucksvoll, dass die Kirche es nicht nötig hat, nach Verboten zu schreien, weil sie in der Lage ist, Antworten zu geben. Auch wenn zu befürchten ist, dass diese Antworten nur vergleichsweise Wenige erreichen.





Mittwoch, 1. Februar 2012

Was bitte ist denn der Herr Heveling für einer?

Vorgestern glaubte ich noch, der Piratenpartei ihr schärfster Kritiker (und ich lege Wert auf die Feststellung, dass das, entgegen landläufiger Meinung, eine grammatikalisch absolut korrekte Formulierung ist!) wäre ich. Aber dann kam er: Ansgar Heveling, 39 Jahre alt, seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages -- für die CDU. Noch vor Kurzem kannte ihn außerhalb seines Wahlkreises Krefeld I -Neuss II, wo ihm 42,3% der Wähler ihre Stimme gegeben haben, kaum jemand; dann aber erschien im Handelsblatt ein Gastkommentar von ihm, in dem er die "Netzgemeinde", wie er sie nennt, frontal angriff und dem Web 2.0 den baldigen Untergang prophezeite. Hevelings in apokalyptischen Sprachbildern schwelgende Warnung vor einer dunklen Bedrohung aus dem Internet, der es mit gesetzlichen Maßnahmen wie dem jüngst im US-Kongress bis auf weiteres gescheiterten "Stop Online Piracy Act" (SOPA) entgegenzutreten gelte, erregte umso größeres Aufsehen, als Heveling Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft im Bundestag ist. Die Reaktion der "Netzgemeinde" auf Hevelings Äußerungen ließ nicht auf sich warten - und dürfte den erkennbar wenig internetaffinen Rheinländer sowohl in ihrer Vehemenz als auch in ihrer puren Quantität eher unvorbereitet getroffen haben. Die online-Kommunikationsplattform Twitter wurde geradezu überschwemmt von einer nicht enden wollenden Serie von Witzen, in denen unter dem Stichwort #hevelingfacts die (vermeintlich oder tatsächlich) antiquierte und technologiefeindliche Weltsicht des CDU-Hinterbänklers aufs Korn genommen wurde - hier ein paar Highlights:

"Ansgar Heveling ist in Eile, er muss das Drei-Uhr-Drehflügelflugzeug nach Belgisch-Kongo erreichen."
oder:
"Ansgar Heveling fährt nie mit der Bahn. Denn Geschwindigkeiten über 30 km/h machen einen Menschen schwachsinnig."

Damit nicht genug, wurde noch im Laufe des Montags, an dem Hevelings Gastkommentar im Handelsblatt erschienen war, seine Internetseite gehackt - mit der Folge, dass dort ein Artikel unter der Überschrift "Ich habe versagt" erschien, in dem zu lesen war: "Jeder kleine Gnom in der Internetwelt kennt nun den Admin-Benutzernamen samt Kennwort dieser Seite." Mag man diesen Akt von "Vandalismus", wie SPIEGEL online schreibt, "widersinnig" finden - "nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass es hier doch um Netz- und Meinungsfreiheit gehen soll" -; mag man die "Hevelingfacts" auf Twitter mehr oder weniger amüsant und gelungen finden und/oder darauf verweisen, dass Spott "auch eine gewisse stabilisierende Funktion im Rahmen eines sozialen Systems" habe und somit völlig legitim sei; letztlich kommt man nicht um die Erkenntnis herum, dass die Thesen des Herrn Heveling noch nach einer anderen Antwort verlangen als der des schlichten Lächerlichmachens. So wirkt es doch einigermaßen befremdlich, dass die offizielle Stellungnahme des Bundesvorsitzenden der Piratenpartei, Sebastian Nerz, nicht über das Niveau eines mittelprächtigen "Hevelingfacts"-Tweets hinausgeht:

"Ich würde [Heveling] dringend raten, sich einmal mit den technologischen Entwicklungen seit 1960 zu beschäftigen. Das eine oder andere neuartige Gerät könnte empfehlenswert sein. Aus pädagogischen Gründen halte ich es aber für sinnvoll, mit dem Farbfernsehen zu beginnen und sich erst später mit fortschrittlicheren Entwicklungen wie BTX oder betamax zu beschäftigen, ansonsten könnte eine Überforderung eintreten."

Sehr lustig, Herr Nerz! All die Witze über Drehflügelflugzeuge, Belgisch-Kongo und die Gefahren des Bahnfahrens sind als Witze gut und fein, aber zur politischen Auseinandersetzung mit Hevelings Thesen taugt es nicht, ihn schlicht zum Steinzeitmenschen zu stempeln, dem technische Neuerungen unheimlich sind, weil er sie einfach nicht versteht. Tatsächlich schreibt Heveling ja ausdrücklich: "Natürlich verändert die fortschreitende Digitalisierung unsere Gesellschaft. Vieles wird einfacher. Auch dieser Text ist mit Hilfe der Errungenschaften der Digitalisierung entstanden." Nicht die technischen Möglichkeiten des Internets an sich sind es, die ihm Sorge bereiten, sondern "die Menschen, die hinter den Maschinen sitzen und eine andere Gesellschaft wollen. Die die totale Freiheit apostrophieren und damit letztlich nur den 'digitalen Totalitarismus', wie es Jaron Lavier genannt hat, meinen". Der Mann, den Heveling hier als Kronzeugen aufruft, heißt zwar Lanier, aber allein die Tatsache, dass der etwas bieder und pausbäckig dreinschauende CDU-Mann diesen rastamähnigen Informatiker und Medienphilosophen anführt - von ihm dürfte er auch den Begriff "digitale Maoisten" übernommen haben -, hätte Nerz & Co. doch zu denken geben können.

In gewissem Sinne bestätigt die dummdreiste Replik des Oberpiraten Nerz auf Hevelings Polemik nur allzu deutlich dessen Vorwurf, dass "die 'digital natives' den realen Menschen zum Dinosaurier erklären". Oder, neutraler ausgedrückt: Das Problem scheint zu sein, dass Heveling und die Menschen, für die er spricht, tatsächlich in einer anderen Realität leben als die "Netzgemeinde", als deren politische Vertretung sich beispielsweise die Piraten gern sehen möchten; und beide Seiten bestehen darauf, dass ihre Realität die richtige sei.

Nähert man sich Hevelings Philippika hingegen in der redlichen Absicht, seine Thesen ernst zu nehmen, muss man bald feststellen, dass der Autor dies dem geneigten Leser nicht gerade leicht macht. Das beginnt damit, dass nicht recht verständlich wird, was er eigentlich will. Wenn es ihm nur darum geht, eine "Regulierung" des Internets durch Gesetze à la SOPA zu propagieren - und tatsächlich hat Heveling erst kürzlich ein Unterstützungsschreiben für den gescheiterten Gesetzentwurf unterzeichnet -, dann muss man sich fragen, was dieses ganze seherische Geraune vom "Endkampf", in dem "digitales Blut" fließen werde, eigentlich bezwecken soll - und ob sprachliche Bilder der Art, dass sich "nach dem Abzug der digitalen Horden [...] nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen", nicht auf eine bedenkliche Geisteshaltung bzw. -verfassung schließen lassen. Hinzu kommt, dass Hevelings Text wenig echte Argumente enthält, diesen Mangel aber durch propagandistisch-manipulative Rhetorik wettzumachen sucht. Bezeichnend ist da nicht zuletzt sein Rückgriff auf die Französische Revolution, die laut Heveling für "Freiheit, Demokratie und Eigentum" gestritten habe. Nun haben wir allerdings alle mal in der Schule gelernt, dass das zentrale Motto der Französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" lautete. Heveling versucht hier also zu schummeln, und man muss sagen, dass er das nicht ungeschickt macht. Den Begriff "Freiheit" lässt er unverändert stehen - und daran tut er gut, denn für Freiheit ist ja jeder, wiewohl vermutlich fast jeder etwas anderes darunter versteht; das ist ja gerade das Schöne an dem Begriff. An die Stelle von "Gleichheit" setzt er "Demokratie" - die ja durchaus etwas mit Gleichheit zu tun hat, Gleichheit in Hinblick auf die staatsbürgerlichen Rechte etwa; andere Aspekte von Gleichheit deckt der Begriff Demokratie hingegen nicht, oder nicht zwangsläufig, ab - soziale Gleichheit etwa, und was Heveling von dieser hält, wird spätestens deutlich, wenn er die soziale Kategorie der "Brüderlichkeit" kurzerhand unter den Tisch fallen lässt und stattdessen "Eigentum" einsetzt. Eine Begriffstrias derart abzuwandeln, dass man ihren ersten Bestandteil beibehält, den zweiten durch einen immerhin noch verwandten Begriff und den dritten dann gleich durch einen offenkundigen Gegensatz ersetzt, das ist ein rhetorischer Trick wie aus dem Lehrbuch; aber wie zahlreiche Kommentare auf Twitter beweisen, lässt die kritische Öffentlichkeit ihm das nicht durchgehen.

Dass Heveling sich überhaupt auf das Erbe der Revolution beruft, nachdem er den Begriff "Revolution" zuvor eindeutig abwertend gebraucht hat, ist noch aus anderen Gründen bezeichnend. Offenkundig will er damit dem Eindruck entgegenwirken, er sei ganz einfach stockkonservativ. Neinnein, beteuert er, ganz im Gegenteil: Ich stehe auf dem Boden der Ideen von 1789, und es geht mir gerade darum, sie zu bewahren, zu verteidigen! Wenige Absätze später will er die Bürger folgerichtig gleich "auf die Barrikaden" schicken - wer denkt da nicht an Eugène Delacroix' herrliches Gemälde "Die Freiheit führt das Volk"? Dass Heveling seine Barrikadenkämpfer statt mit Säbeln und Gewehren nur mit einem "gebundenen Buch" bewaffnen will, mag der eine beruhigend, der andere skurril finden; aber wenn man sich ansieht, an was für Bücher er da denkt, wird es gleich wieder interessant. "Goethe" - na ja, geschenkt; "die Bibel" - da dürften sich die Geister schon scheiden - "oder auch Marx" - nanu? Eine überraschende captatio benevolentiae an die Linke - mit der Heveling offenkundig erneut bezweckt, dem Verdacht zu entgehen, er sei ein verschnarchter Reaktionär.

Ein weitere Mangel von Hevelings Polemik besteht darin, dass trotz seiner Bemühungen, die dunkle Bedrohung aus dem Internet zu personalisieren, sein Feindbild - die "Netzgemeinde" - nicht recht plastisch wird. Wer genau sind denn nun die "digitalen Maoisten", und was tun sie unserer Gesellschaft und Kultur Furchtbares an? Und kann Herr Heveling sich mal entscheiden, ob er die 'verlorene Generation' von Web-2.0-Junkies dämonisieren oder mit onkelhafter Herablassung bemitleiden will? Zugegeben, für Hevelings Beobachtung, dass "Narzissmus und Nerdzismus Zwillinge" seien, lassen sich, nicht zuletzt in den Reihen der Piratenpartei, durchaus anschauliche Belege finden. Und ebenso unstrittig dürfte sein, dass es eine Menge Internet-Nutzer gibt, die eine Plattform wie Twitter tatsächlich in erster Linie dafür nutzen, ihre "zweite Pubertät zu durchleben". Aber gerade die bedrohen wohl kaum die Grundfesten unserer Zivilisation. Kann es also sein, dass Heveling in Wirklichkeit Angst vor jenen anderen hat, die entdeckt haben, dass soziale Netzwerke und Kommunikationsplattformen im Internet noch ganz andere Möglichkeiten bieten - Möglichkeiten der Vernetzung und Mobilisierung, die - wie nicht nur der "Arabische Frühling" gezeigt hat - ganz konkrete gesellschaftliche und politische Veränderungen bewirken können? Es sieht stark danach aus, aber direkt zugeben kann Herr Heveling das nicht, da er sich ja sonst doch als das zu erkennen geben müsste, was er so gern nicht sein will: ein kulturpessimistischer Reaktionär.

Den löblichen Versuch, sachlich auf Hevelings Anwürfe zu antworten, hat - wiederum im Handelsblatt - Frank Rieger, Internetexperte und Sprecher des Chaos Computer Club, unternommen. Gerade der ruhige, besonnene Ernst, mit dem Rieger sich - nach einem durchaus kämpferischen Einstieg - der Frage nach dem Schutz geistigen Eigentums im Internet widmet, ist aber zugleich eine Schwäche seiner Replik: Sie langweilt den Leser mit Fakten und Argumenten, wo Heveling erschütterndes Pathos bietet. Wer nicht sowieso schon, zumindest tendenziell, Riegers Auffassungen teilt, wird schwerlich die Geduld haben, das alles durchzulesen - schon gar nicht online.

Schließlich meldete sich - abermals im Handelsblatt - auch noch Hevelings Fraktionskollegin Dorothee Bär, stellvertretende CSU-Generalsekretärin und Vorsitzende des CSU-Netzrats, zu Wort. Womöglich in der Hoffnung, Heveling würde in Folge der hochkochenden Debatte seinen Platz in der Enquete-Kommission verlieren und sie könnte ihn dann beerben, feuert sie aus allen Rohren gegen den Kollegen, dem sie vorwirft, als Politiker seinen Beruf verfehlt zu haben: "Politik ist dazu da, den Menschen zu helfen - nicht sie zu verunsichern." Ach so. Und Meteorologen sind dazu da, gutes Wetter anzusagen und kein schlechtes, oder wie muss ich das verstehen? Spricht es nicht für ein verqueres Demokratieverständnis, zu behaupten, Volksvertreter müssten diese oder jene Positionen vertreten, sonst seien sie keine? "Ganz sicher aber sind in der 'Enquetekommission Internet und digitale Gesellschaft' Mutmacher gefragt - keine Angstmacher", säuselt die Bär weiter und gibt damit nicht nur ein astreines Bewerbungsschreiben auf Hevelings Posten ab, sondern erhebt ihr Konzept der Wohlfühlpolitik auf eine neue Stufe der Unerträglichkeit. Und das aus dem Mund bzw. der Feder einer CSU-Politikerin? Ist das nur populistische Anbiederei, oder ist die ideologische Orientierungslosigkeit der Merkel-CDU jetzt auch in der bayerischen Schwesterpartei angekommen?

Ansgar Hevelings Handelsblatt-Gastkommentar, bei allem, was man gegen ihn einwenden kann und muss, rockt. Man kann sich darüber aufregen, man kann darüber streiten, und das ist doch schon mal was. Derjenige von Dorothee Bär ist nur schleimig und klebrig. Die Frau hat vermutlich noch eine große politische Karriere vor sich. Liebe Netzgemeinde - habt Ihr DAS gewollt?