Servus, Leser! Die Zeichen stehen schon wieder auf Straßenfest-Crawl, denn in der Gorkistraße in Tegel fand heute von 11-16 Uhr ein "Klimafest" statt und auf dem RAW-Gelände unweit des Bahnhofs Warschauer Straße ab 13 Uhr das Festival "Suppe & Mucke", das langjährigen Lesern dieses Blogs zweifellos ein Begriff ist: Nicht weniger als viermal, nämlich 2016, 2018, 2019 und sogar im Corona-Jahr 2020, habe ich dem Besuch dieses Festivals jeweils einen eigenständigen Artikel gewidmet. Ich gehe allerdings nicht unbedingt davon aus, dass das auch dieses Jahr wieder der Fall sein wird. – Im vorliegenden Wochenbriefing liegt der Fokus weniger auf Selbsterlebtem als in den letzten Wochen, dafür gibt es aber ein paar Reflexionen zur Europawahl und anderen Wahlen sowie Predigtnotizen zum "Gottesurteil auf dem Berg Karmel" (1. Könige 18,20-39), obwohl (oder gerade weil) ich dazu gar keine Predigt gehört habe. Garantiert frei ist diese Ausgabe des Creative Minority Report hingegen von Fußball-Content; ich kann indes nicht versprechen, dass das auch in den nächsten Wochen so bleibt...
Ein erster Eindruck vom Klimafest. |
Was bisher geschah
Das vergangene Wochenende verlief für mich erheblich ruhiger als die beiden vorangegangenen und auch als das aktuelle: Am Samstag fuhr meine Liebste mit unseren Kindern und einer Schulfreundin unserer Großen zum Fort Hahneberg im Spandauer Ortsteil Staaken, wo im Rahmen des "Langen Tags der Stadtnatur" ein Familienfest stattfand; ich blieb derweil zu Hause, und wir trafen uns erst zum Abendessen wieder (bei Würgerking in der Spandauer Altstadt). Den Ereignissen des Sonntags sind die Rubriken "Marmelade im Schuh" und "Endlich (wieder) Nichtwähler" gewidmet. – Die Schul- und Arbeitswoche wurde teilweise davon überschattet, dass eine hartnäckige Erkältung, verschlimmert durch chronischen Schlafmangel, mir zunehmend zu schaffen machte; ich bemühte mich aber trotzdem, mein Pensum in Sachen Kinderbetreuung, religiöse Frühförderung für den Jüngsten, Kochen für die Familie und natürlich Bloggen gewissenhaft zu erfüllen. Inwieweit mir dies bei den ersten beiden Posten dieser Aufzählung gelungen ist, mag anhand der Rubriken "Wenn der Vater mit dem Sohne (und der Tochter)" und "Immer wieder mittwochs" beurteilt werden.
Was ansteht
Am morgigen Sonntag werden wir wohl erneut früh aufstehen und in St. Stephanus Haselhorst zur Messe gehen "müssen", da wir danach zu einem Kinderkonzert des Deutschen Symphonie-Orchesters im "Haus des Rundfunks" wollen; mehr dazu im nächsten Wochenbriefing. – Von der ersten Hälfte der anstehenden Schul- und Arbeitswoche erwarte ich, dass sie im Wesentlichen so abläuft "wie immer"; aber lassen wir uns mal überraschen. Am Donnerstag hat meine Liebste zwar keinen Unterricht, muss dafür aber abends zum Abiball ihrer Schule, was für mich bedeutet, dass ich mir etwas einfallen lassen muss, um die Kinder bei Laune zu halten, und sie wohl auch alleine ins Bett bringen muss. Am Freitag stellt sich die spannende Frage, ob ein "Straßenfest-Crawl" sich auch an einem Schul- und Arbeitstag realisieren lässt – denn es ist Fête de la Musique, in der Fußgängerzone Gorkistraße wird um 14 Uhr der Tegeler Sommer eröffnet, und in Siemensstadt gibt es in unmittelbarer Nachbarschaft der Kirche St. Joseph ab 16 Uhr ein Stadtteilfest, was ja schon allein unter Networking-Gesichtspunkten recht interessant sein könnte. Am Samstag ist dann wieder Wichtelgruppentreffen, ebenfalls in Siemensstadt...
Marmelade im Schuh
Als ich am Sonntag erwachte, fand ich mich ein Jahr älter, als ich noch am Abend zuvor gewesen war. Der Jüngste sang mir ein Ständchen, während die Große vorerst nicht wach zu kriegen war: Es war noch früher, als sie an Schultagen aufzustehen pflegt. Ein Grund für dieses frühe Aufstehen war, dass meine Schwiegermütter angeboten hatten, ab dem späten Vormittag ein paar Stunden lang etwas mit den Kindern zu unternehmen, damit meine Liebste und ich mal etwas "Zeit für uns" hätten – was indes erforderte, dass wir früher als gewohnt zur Messe gingen, nämlich in St. Stephanus Haselhorst statt in St. Joseph Siemensstadt. Über die Messe, die von Padre Ricardo aus Mexiko zelebriert wurde, gibt es nicht viel Besonderes zu sagen; danach trafen wir uns wie verabredet mit meinen Schwiegermüttern und übergaben die Kinder ihrer Obhut. Anschließend erwogen wir, zum Italian Street Food Festival zu fahren, konnten uns aber doch nicht so recht dazu entschließen – unter anderem, weil wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens eine Stunde dorthin gebraucht hätten. Also gönnten wir uns erst mal Kaffee und Kuchen in der Gorkistraße und genossen dann einen ruhigen, gemütlichen Nachmittag zu Hause. So ist das, wenn man älter wird: Statt den Drang zu verspüren, an seinem Geburtstag "einen drauf zu machen", freut man sich, wenn man sich's zu Hause gemütlich machen kann. Es stand durchaus noch der Gedanke im Raum, am Abend mit den Kindern essen zu gehen, aber als die Omas die Kinder am späten Nachmittag zurückbrachten, zeigte sich, dass der Kleine etwas kränkelte und die Große dafür umso überdrehter war – insgesamt also keine so günstigen Voraussetzungen, um nochmal rauszugehen. Also bestellten wir Sushi und bemühten uns, einigermaßen zeitig ins Bett zu kommen.
Alles in allem muss man also wohl gestehen, dass ich schon aufregendere Geburtstage gehabt habe; aber ich finde trotzdem, dass ich allen Grund habe, froh und dankbar zu sein. Neben meiner lieben Familie haben dazu auch zahlreiche Freunde beigetragen, von denen mich zum Teil ganz unverhoffte Geburtstagsgrüße erreichten; und auch meine Anregung, man könne mir durch ein Abonnement der Patreon-Seite des Mittwochsklubs eine Geburtstagsfreude machen, blieb nicht unerhört. Obwohl da – diesen Hinweis kann ich mir nun doch nicht verkneifen – weiterhin durchaus noch Luft nach oben ist.
Der nächste Geburtstag in unserer Familie wirft übrigens auch schon wieder seine Schatten voraus, nämlich der meiner Liebsten; aber da gebe ich noch rechtzeitig Bescheid.
Endlich (wieder) Nichtwähler!
Außerdem waren am Sonntag ja auch Europawahlen; ich war schon drauf und dran, diesen Abschnitt mit einer Floskel wie "Der eine oder andere wird's mitgekriegt haben" einzuleiten, aber tatsächlich war's ja kaum möglich, es nicht mitzukriegen, so sehr wie man von allen Seiten mit Ermahnungen vollgeballert wurde, wählen zu gehen. Ich muss gestehen, ich hätt's beinahe gemacht. Es gab sogar zwei Parteien, von denen ich mir hätte vorstellen können, sie zu wählen. Hab's dann aber doch bleiben lassen – und kann nach Kenntnisnahme der Ergebnisse versichern, dass, im Widerspruch zur konventionellen Weisheit derer, die einen immer zum Wählen Gehen überreden wollen, meine Stimme – egal welcher der von mir favorisierten Parteien ich sie gegeben hätte – nichts am Gesamtergebnis geändert hätte.
Die Wahlbeteiligung in Deutschland war übrigens für eine Europawahl ungewöhnlich hoch, somit hat die unermüdliche Wahlpropaganda offenbar doch etwas gebracht – nur nicht das, was man sich von ihr versprochen hat. Dass eine hohe Wahlbeteiligung den Parteien der Mitte bzw. den etablierten Parteien nütze, eine niedrige Wahlbeteiligung hingegen den (vermeintlichen oder tatsächlichen) Extremisten, Populisten und Protestparteien, ist auch so ein Stück konventionelle Weisheit, das einem alle Wahljahre wieder aufs Brot geschmiert wird, obwohl es sich inzwischen 'rumgesprochen haben könnte, dass diese Behauptung einer empirischen Überprüfung nicht standhält. Aber es gehört offenbar zu den Ritualen des Parlamentarismus, dass man den Bürger erst einbläut, sie müssten von ihreb Wahlrecht Gebrauch machen, und sich dann beschwert, sie hätten die Falschen gewählt.
Insgesamt und grundsätzlich halte ich es mit den handelsüblichen Argumenten für das Wählen so wie der alte Cat Stevens in "Father and Son": "If they were right, I'd agree". Wenn es tatsächlich stimmte, dass man, indem man alle soundsoviel Jahre ein Kreuz auf einen Stimmzettel malt, "Politik mitgestalten" könnte, fände ich das prima und würde mir die Gelegenheit dazu gewiss nicht entgehen lassen. Ich halte es jedoch für offenkundig, dass das nicht stimmt – außer vielleicht bei Kommunalwahlen, und da relativiert es sich wieder dadurch, dass es auf kommunaler Ebene nun wirklich effizientere Wege der politischen Beteiligung gibt als das Wählen. –
Wozu mir einfällt: Kommunalwahlen gab's an diesem Sonntag auch, in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg; das scheint im Vergleich zur Europawahl in der öffentlichen Wahrnehmung etwas untergegangen zu sein. In Brandenburg, also quasi vor unserer Haustür, hat jedenfalls die AfD gewonnen, und zwar mit Karacho. Und im Herbst ist in Brandenburg auch noch Landtagswahl; das kann ja noch spannend werden. Durchaus erwartungsgemäß hatten auch die Senioren beim Gemeindefrühstück in St. Marien Maternitas am Mittwoch so allerlei Anmerkungen zu den Wahlergebnissen vom Sonntag, aber darauf komme ich weiter unten (unter "Immer wieder mittwochs") zurück.
Gegenüber der, wie ich immer wieder feststelle, doch recht verbreiteten Auffassung, das Wahlrecht im demokratischen Staat impliziere gewissermaßen eine moralische Pflicht, von diesem auch Gebrauch zu machen, möchte ich übrigens auf den Historiker und Politikwissenschaftler Hans Buchheim (1922-2016) verweisen, der anno 1968 bei einem Vortrag auf dem Katholikentag in Essen betonte, es sei "zwar eine gängige Forderung der sogenannten Politischen Bildung", dass jeder Staatsbürger sich an der politischen Willensbildung beteiligen müsse, aber es sei "trotzdem falsch und undemokratisch", dies jedem Einzelnen als Pflicht aufzuerlegen: "Vielmehr ist das Recht auf politische Abstinenz eines der Grundrechte einer freien Gesellschaft". Die Begründung hierfür ist frappierend:
"Wenn alle politischen Entscheidungen frei getroffen werden sollen, dann muss das auch für die Grundentscheidung gelten, ob man sich überhaupt der Politik zuwenden will oder nicht. Wenn die Grundentscheidung nicht frei ist, dann können auch die folgenden Entscheidungen nicht frei sein. Aus den gleichen Gründen kann Wahlrecht auch niemals Wahlpflicht sein. Es ist eine der Segnungen der politischen Demokratie, dass sie, obgleich sie in fundamentaler Weise auf die politische Integration angewiesen ist, doch niemanden zwingt, sich mit Politik zu befassen oder sich politisch zu betätigen. Dagegen müssen wir feststellen, dass in den autoritären und totalitären Systemen dieses Recht auf Abstinenz von der Politik den Untertanen nicht zugestanden wird".
Übrigens möchte ich mit diesen Anmerkungen durchaus niemandem ausreden, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Im Gegenteil, wenn jemand nach bestem Wissen und Gewissen eine Wahlentscheidung trifft und für sich selbst überzeugt ist, damit das Richtige getan zu haben, finde ich das eher beneidenswert. Wenn allerdings jemand glaubt, durch ein Kreuz auf dem Wahlzettel Europa, die Demokratie oder das Klima retten zu können, nötigt mir das eher ein Kopfschütteln ab.
Wenn der Vater mit dem Sohne (und der Tochter)
Nachdem unser Jüngster, wie oben bereits erwähnt, am Sonntagabend ziemlich kränklich gewirkt hatte, ging es ihm am Montagmorgen unverkennbar besser; ich beabsichtigte trotzdem, den Tag mit ihm möglichst ruhig anzugehen, zumal ich, wie ebenfalls schon erwähnt, selbst etwas angeschlagen war. Die Hoffnung, der Knabe würde – nachdem er, als wir das Tochterkind zur Schule gebracht hatten, erst mal auf den Spielplatz wollte, sich dort aber nicht allzu lange aufgehalten hatte – ausnahmsweise mal zu Hause Mittagsschlaf halten, erfüllte sich indes nicht, und so erklärte ich mich schließlich einverstanden, als er vorschlug, doch nochmal rauszugehen – und seinen Roller mitzunehmen. Das erste Ziel war der Spielplatz um die Ecke, aber nachdem wir dort keine seiner regelmäßigen Spielkameraden trafen, verkündete er: "Jetzt will ich zur Kirche!" Das war mir recht; wir steuerten also St. Joseph Tegel an, und dort angekommen, hielten wir eine Lobpreisandacht mit nicht weniger als sieben Liedern ab – zwei am Anfang, zwei mittendrin und drei am Schluss.
Nachdem meine Liebste von der Arbeit gekommen war, gingen wir alle zusammen die Große von der Schule abholen. Auf dem Heimweg stritten sich die Kinder permanent, wobei die Gründe oder Anlässe zum Teil gar nicht ersichtlich waren; auf diese Weise waren wir schon fast zu Hause angekommen, ehe es mir einfiel, die Frage zu stellen, wo unsere Tochter eigentlich ihr Lieblings-Kuscheltier gelassen hatte. Die bittere Wahrheit: Sie hatte es in der Schule vergessen. (Bei dieser Gelegenheit mal wieder eine Bemerkung zum Thema "Warum ich es gut finde, dass unsere Tochter auf eine freie Alternativschule geht": Neulich, am Rande der Fronleichnamsfeier des Erzbistums Berlin auf dem Bebelplatz, unterhielten wir uns mit einer Bekannten, die wir nicht so oft sehen, und dabei kam die Rede auch darauf, dass unsere Tochter ihren allerliebsten Kuschelhund überallhin mitnimmt, also auch in die Schule; und die besagte Bekannte war erstaunt, dass die Schule das erlaubt. Unserer Tochter hingegen ist die Vorstellung einer Schule, die das nicht erlauben würde, vollkommen fremd – und mir zunehmend auch.) Angesichts der Aussicht, womöglich die Nacht ohne ihr Lieblings-Kuscheltier verbringen zu müssen, war unsere Große jedenfalls am Boden zerstört und flehte mich an, zur Schule zurückzufahren und das Tier zu holen. Ich befürchtete zwar, das Schulgebäude würde schon abgeschlossen sein, wenn ich ankam, war jedoch bereit, es auf den Versuch ankommen zu lassen – "aber nur wenn du mitkommst". (Diese Bedingung diente nicht zuletzt dazu, meine Liebste, die einen langen Arbeitstag ohne Pausen hinter sich hatte, nicht mit zwei gerade ziemlich auf Krawall gebürsteten Kindern allein zu lassen.) Das Tochterkind war damit einverstanden, also zogen wir los – und trafen auf dem Bahnsteig "Pater Brody", der eigentlich gerade in die entgegengesetzte Richtung unterwegs war, der aber, als er mich erkannte, auf uns zukam, um uns zu begrüßen. Dabei fiel ihm auf, wie verheult das Tochterkind aussah, und er fragte, was denn los sei. Ich erzählte es ihm, er reagierte teilnahmsvoll und wünschte uns Glück für unseren Rettungsversuch. Und tatsächlich hatten wir Glück: Als wir ankamen, war der Haupteingang der Schule noch offen, beim Betreten des Gebäudes liefen wir direkt der Vertrauenslehrerin des Tochterkindes über den Weg, und die konnte sich sogar noch erinnern, wo sie den Kuschelhund zuletzt gesehen hatte, nämlich in der Werkstatt. Und da war er auch noch. Happy End!
Der Mittwoch bekommt diese Woche mal wieder seine eigene Rubrik (s.u.); am Donnerstag war der Gedenktag des Hl. Antonius von Padua, was eigentlich ein guter Anlass für eine weitere Lobpreisandacht gewesen wäre. Die Ausführung dieses Vorgabens zögerte sich aber aus verschiedenen Gründen so lange hinaus, bis der Jüngste hochgradig mittagsschlafreif war, und folgerichtig schlief er (wieder einmal) auf dem Weg zur Kirche ein. Am Freitag, also gestern, ging ich mit ihm wieder zur Eltern-Kind-Gruppe in der "Gemeinde auf dem Weg", wo es ihm ausgesprochen gut gefiel; danach wollte der Knabe mit seinem Roller zur Skate-Anlage beim Humboldt-Gymnasium, und so blieb wieder keine Zeit für "Beten mit Musik". In diesem Zusammenhang fiel mir ein bzw. auf, dass wir schon allzu lange keine Familien-Gebetszeit mehr gehabt haben; eigentlich hatten wir mal vorgehabt, eine solche mindestens zweimal in der Woche nach dem Abendessen abzuhalten, und ich finde, dieses Vorhaben sollten wir dringend wieder aufgreifen. Gestern Abend waren die Voraussetzungen dafür, damit anzufangen, allerdings denkbar ungünstig, da der Jüngste keinen Mittagsschlaf gehabt hatte und daher am Abend völlig überdreht war...
Immerhin wurde die Antonius-Statuette in unserem Bücherregal festlich geschmückt. |
Immer wieder mittwochs
Am Dienstag, dem Gedenktag des Apostels Barnabas (der, wir erinnern uns, der Lieblingsheilige des Tegeler Pfarrers ist), machte die Schulfreundin, bei der unser Tochterkind von Freitag auf Samstag übernachtet hat, einen Gegenbesuch bei uns und blieb ebenfalls über Nacht; wie man sich vorstellen kann, brachte das allerlei Unruhe mit sich, aber am Mittwoch waren die Kinder trotzdem früh genug wach, dass wir zur gewohnten Zeit losgehen konnten. Folgerichtig schafften der Jüngste und ich es, nachdem wir die Mädchen zur Schule gebracht hatten, auch noch pünktlich zur Messe in St. Marien Maternitas – die diesmal von Pater Mephisto gehalten wurde; tatsächlich hatte ich schon auf dem Weg zur Kirche darüber nachgedacht, dass wir ihn schon ziemlich lange nicht mehr gesehen hatten. (Soweit ich es anhand meiner Wochenbriefings nachvollziehen kann, war das zuletzt am Aschermittwoch der Fall gewesen.) In seinen Begrüßungsworten machte Pater Mephisto besonders auf die 1. Lesung aufmerksam: das Gottesurteil auf dem Berg Karmel aus 1. Könige 18,20-39. In dieser ganzen Woche, so betonte er, gehe es in der jeweiligen 1. Lesung um das Wirken des Propheten Elíja, und es lohne sich, diese ganze Geschichte einmal im Zusammenhang zu lesen. Dieser Empfehlung kann ich nur beipflichten: Schon in meiner allerersten Kinderbibel habe ich die Abschnitte über den Propheten Elíja mit Begeisterung gelesen, und den über das Gottesurteil auf dem Karmel ganz besonders. Indes kann auch ein Bibeltext, den man schon seit einer gefühlten Ewigkeit kennt, immer wieder neue Denkanstöße vermitteln; und so stellte ich fest, dass diese 1. Lesung zum Mittwoch der 10. Woche im Jahreskreis allerlei enthält, wozu ich gern mal eine Predigt hören würde (oder bei Bedarf vielleicht auch selber eine schreiben könnte). Zum Beispiel:
- In Vers 22 sagt Elíja: "Ich allein bin als Prophet des HERRN übrig geblieben; die Propheten des Baal aber sind vierhundertfünfzig." An dieser Stelle konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass verglichen mit so einem Zahlenverhältnis die rechtgläubigen Katholiken in Deutschland gegenüber den Verfechtern des Schismatischen Weges noch gar nicht so schlecht dastehen.
- Wenn Elíja die Baalspriester verspottet, weil ihr Gott offensichtlich nicht auf ihre Gebete reagiert – "Ruft lauter! Er ist doch Gott. Er könnte beschäftigt sein, könnte beiseitegegangen" (in anderen Übersetzungen, etwa in der Elberfelder, steht an dieser Stelle "austreten gegangen", und ich gehe davon aus, dass damit tatsächlich gemeint ist "Vielleicht ist euer Gott gerade auf dem Klo") "oder verreist sein. Vielleicht schläft er und wacht dann auf" (V. 27) –, erinnert das frappierend daran, wie heutzutage manche Vulgäratheisten in den Sozialen Medien über Christen spotten. Das heißt, gerade das allzu anthromorphistische, materialistisch-krude heidnische Gottesbild, über das Elíja sich hier lustig macht, wird heute Christen unterstellt. Oder sollte man annehmen, dass sich darin vor allem die Gottesvorstellungen der Atheisten ausdrücken, und müsste man darauf eigentlich erwidern "An das, was du dir unter Gott vorstellst, glaube ich auch nicht"?
- Bemerkenswert ist es in jedem Fall, wie sicher Elíja sich ist, dass ihn sein Gott erhören wird und es ihm also nicht so ergehen wird wie den Baalspriestern. Den "Versuchsaufbau" mit dem Brandopferaltar, den Gott selbst entzünden soll, mag man als einen klassischen Fall von "Don't try this at home, kids" betrachten und sich, wie es Jesus in der Wüste gegenüber dem Satan getan hat, darauf berufen, dass es in der Schrift auch heißt "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen" (Mt 4,7; vgl. Deut 6,16); aber eine Lektion zum Thema Gottvertrauen steckt wohl doch darin.
- Nicht Bestandteil der Lesung ist V. 40, in dem Elíja das versammelte Volk dazu aufruft, die Baalspriester niederzumachen, was dann auch prompt geschieht: Es hat sich erwiesen, dass sie einen falschen Gott verkündigt haben, und damit ist ihr Leben verwirkt. Das entspricht nun nicht gerade unseren heutigen Vorstellungen von religiöser Toleranz; sollte man daher einfach froh und dankbar sein, dass die Leseordnung diesen Vers auslässt, oder ist es doch möglich, etwas Sinnvolles dazu zu sagen, ohne sich entweder auf die schiefe Bahn des historischen Relativismus zu begeben ("So war das damals eben, heute sind wir da weiter") oder sich dem Verdacht auszusetzen, religiös motivierte Gewalt gutzuheißen?
Beim Gemeindefrühstück im Anschluss an die Messe dauerte es kaum zehn Minuten, bis jemand – ich glaube, es war der "Erzlaie" – die Frage in den Raum warf, ob die Anwesenden denn mit den Wahlergebnissen zufrieden seien. "Nein!", rief daraufhin einer der alten Herren am Tisch. "Die AfD hat noch zu wenig Stimmen gekriegt." Der weitere Verlauf des Tischgesprächs legte allerdings die Vermutung nahe, dass das entweder ironisch gemeint war oder höchstens im Sinne von "Vielleicht braucht es noch mehr Stimmen für die AfD, damit die etablierten Parteien endlich aufwachen und bessere Politik machen". Tatsächlich hätte diese Gesprächsrunde – wenn nicht alle so beharrlich durcheinander geredet hätten, dass ich kaum mal einen ganzen Satz mitbekam, zumal mein Jüngster ja auch noch meine Aufmerksamkeit beanspruchte – ein interessantes Anschauungsbeispiel für ein gutbürgerlich-konservatives Milieu abgeben können, das zwar wohl mit einigen Positionen der AfD übereinstimmt (mit anderen aber auch nicht: Von "dumpfen Vorurteilen" gegenüber Migranten und "allen, die irgendwie anders aussehen" grenzte man sich entschieden ab), aber die Vorstellung, diese Partei tatsächlich zu wählen, schlichtweg degoutant findet. Dass die AfD gerade im Osten Deutschlands so erfolgreich ist, wurde darauf zurückgeführt, dass die Leute dort noch aus DDR-Zeiten daran gewöhnt seien, vom Staat zu erwarten, dass er sich um alle Probleme kümmert; immerhin ein interessanter Gedanke, den man mal vertiefen könnte oder sollte. Derweil urteilte der "Erzlaie", gerade der Umstand, dass in den Medien permanent auf der AfD herumgehackt werde, veranlasse viele Leute, sie zu wählen: "Das ist die Psychologie der Massen." (Frappierend finde ich es übrigens immer, dass Leute, die sich auf die Psychologie der Massen berufen, stillschweigend vorauszusetzen scheinen, dass sie selbst nicht zur "Masse" gehören.) – Auf der anderen Seite wurde dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" vorgeworfen, es sei schlechter Stil, eine Partei nach einer einzelnen Person zu benennen. "Unmöglich" sei das und zeige, dass die Parteigründerin eine "Egomanin" sei. Wofür das BSW inhaltlich steht und ob nicht manches davon gerade konservativen Gemütern durchaus sympathisch sein könnte, kam da gar nicht in den Blick.
Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.
Schließlich, Brüder: Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein.
Judy Garland: I Got Rhythm
Dass dieser Klassiker aus der Feder von George und Ira Gershwin es zum Ohrwurm der Woche gebracht hat, ist, wie ich gestehen muss, primär einer Folge meiner neuen Lieblingsfernsehserie zu verdanken: "Young Sheldon". Ja, ich bin total verliebt in diese Serie; vielleicht muss ich mal darüber bloggen, was ich an ihr so toll finde. Jedenfalls: In Folge 16, "Killerasteroiden, Rebellion und Lampenfieber", beschließt Sheldon, nachdem er bei einer Wissenschaftsausstellung an seiner Schule nur einen Trostpreis gewonnen hat, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen und stattdessen lieber Schauspieler werden zu wollen. Beim Vorsprechen für die Schultheatergruppe singt er u.a. "I Got Rhythm" und steppt dazu, zuerst solo, dann im Duett mit dem Schauspiellehrer. Ich vermute, dass diese Sequenz nicht zuletzt dazu konzipiert war, die Talente des Hauptdarstellers Iain Armitage – dessen Mutter Theaterproduzentin ist und der schon vor seinem Schauspieldebüt einen YouTube-Kanal mit Musical-Rezensionen ("Iain Loves Theatre") betrieb – bestmöglich zur Geltung zu bringen, aber wie dem auch sei: Der Song ist nicht umsonst ein Evergreen, er sprüht einfach vor guter Laune. – Und dann wartete ich neulich morgens mit den Kindern auf die S-Bahn, um die Große zur Schule zu bringen, und kam spontan auf die Idee, zur Überbrückung der Wartezeit auf YouTube in verschiedene Versionen von "I Got Rhythm" 'reinzuhören. Die von Judy Garland gesungene Version gefiel mir am besten – während die Kinder von einer Taube begeistert waren, die über den Bahnsteig stolzierte und dabei den Kopf im Rhythmus der Musik zu bewegen schien. Die "tanzende Taube" war noch für den Rest des Tages und den nächsten ein angesagtes Gesprächsthema...
Ich bleibe dabei: Vers 40 ist inspirierter Bibeltext; wenn man eine *Bahnlesung* unternimmt, dann läuft - anders als bei einer Auswahl von passenden Texten zu einem Heiligenfest - ein bewußtes Weglassen darauf hinaus, gewissermaßen die Bibel zu zensieren. Und dabei hätte man es ja sogar einfach; sie sagt ja gar nicht, daß Elija auch damit Recht gehabt habe so zu handeln. Sie sagt nur, was passiert ist. Ein Atheist, der das Lektionar kennte (fast ein Widerspruch, klar) würde uns für solches Whitewashing in der Luft zerreißen.
AntwortenLöschenDemgegenüber ist dann doch ziemlich sekundär, was man da jetzt „mitnehmen kann“ oder an Handlungsanweisungen fürs Leben oder sowas. Ich meine aber, mich zu erinnern, das auch als Bub in der Kinderbibel schon cool gefunden zu haben. Definitiv cool fand ich als Jugendlicher in der Erwachsenenbibel den Mattatias, der den Kollaborateur halt einfachmal so umbringt und dabei noch nicht einmal den Sonderstatus eines Propheten anführen kann. Danach zieht er sich mit seinen Söhnen in die Berge zurück und führt einen am Ende siegreichen Guerillakrieg. Yes!
Aber falls man das doch dem Volk nicht zumuten will, dann könnte man eine so vorgehen wie seinerzeit in Morallehrbüchern bei den Abschnitten zur Homosexualität: eine ausdrückliche Rubrikenvorschrift, daß dieser Vers nur auf Latein vorgetragen werden darf …
Oder man läßt die Bahnlesung überhaupt sein und liest zu Heiligen und Votivmessen. Wobei ich ja zugebe: ich bin selber am Mittwoch extra im neuen Ritus in die Messe gegangen wegen dem Fest der seligen Märtyrer von Dachau, und so komisch die Praxis ist, Heiligenfeste quasi ohne eigene Lesung zu haben: darauf hat diese schon wirklich sehr gut gepaßt…
Mir ist es durchaus auch schon verschiedentlich schwer gefallen zu wählen, aber ich habe nur ein einziges Mal NICHT gewählt:
AntwortenLöschenUnmittelbar nach Bekanntwerden der Lügen und dem Tod Uwe Barschels in der nach ihm benannten Affäre habe ich bei der dann anberaumten Landtagswahl KEINER Partei meine Stimme gegeben - zu sehr hatte mich das Verhalten U. Barschels mit dessen öffentlich feierlich gegebenem Ehrenwort enttäuscht und erschüttert. Mein damaliges Verhalten halte ich bis heute für richtig und angemessen.
Ich bin seit über 50 Jahren CDU-Stammwähler und damit in der Tradition meiner Eltern und Großeltern, die vordem als überzeugte Katholiken Zentrum wählten. Das Zentrum hat dann1933 beim sog. Ermächtigungsgesetz Hitler zur Diktatur mit verholfen und ist deshalb nach dem Krieg weg vom Fenster - völlig zu Recht.
Es gab im Laufe der Zeit auch sehr wenige einzelne Wahlen, wo ich aus Protest gegen den Kurs der Union einer christlichen Splitterpartei meine Stimme gab - aber nur ein einziges Mal bei einer Landtagswahl der SPD - wg. eines damals sehr fähigen Verkehrsstaatssekretärs, der entscheidende Verbesserungen im ÖPNV anschob. Für mich als täglichem Pendler mit der Bahn vorteilhaft und überzeugend. Trotzdem habe ich diese Wahl alsbald bitter bereut: Es gab einen Wechsel des Ministerpräsidenten und "mein" inzwischen zum Verkehrsminister avancierter Mann überwarf sich mit der neuen Ministerpräsidentin und verließ das Kabinett in SH.
Seitdem kommt NIEMALS mehr von mir ein Kreuz zur SPD geschweige denn zu einer noch "linkeren" Partei, wozu ich insbesondere auch die Grünen zähle. Auch die "Reichenpartei" FDP kommt für mich nicht in Frage.
Bei der letzten Bundestagswahl fiel uns die Wahl auch schwer: Der CDU-Wahlkreiskandidat gefiel uns überhaupt nicht - wir vergaben daherkeine Erststimme sondern lediglich eine Zweitstimme für die CDU und zwar ausschließlich wg des uns überzeugenden Listenplatz 1-Spitzenkandidaten auf der parteieigenen Landesliste.
Der CDU-Wahlkreiskandidat kam in der Tat auch diesmal nicht mehr in den Deutschen Bundestag, denn andere hatten wohl einen ähnlich schlechten Eindruck wie meine Frau und ich von ihm gehabt.
So bin ich also mit meinem bisherigen Wahlverhalten insgesamt mit mir im Reinen und recht zufrieden.
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist."
AntwortenLöschenErnst-Wolfgang Böckenförde
Wenn nun der säkulare Staat übergriffig wird, z.B. die Freiheit seiner Bürger massiv einschränkt, was dann? Nicht wählen zu gehen erscheint mir dann als kollektives Harakiri.
Überhaupt nicht zu wählen, ist auch mMn ein unentschuldbarer Fehler, zumal, wenn man es sich vorher am Wahlstand z.B. der Familienpartei hat gut gehen lassen.
LöschenWo ich aber schon seit viele Jahren nicht mehr wähle, sind kirchliche Gremien. Denn ich kenne idR die Kandidaten nicht bzw. kann trotz gelegentlicher Vorstellung nicht einschätzen , ob sie auf meiner Linie sind.
Wenn uns Politik nicht rettet, wie der Blogbetreiber in der Überschrift behauptet, dann ist zumindest festzuhalten, dass Politik auch in den Untergang führen kann. Abtreibung, Homo"ehe", Geschlechterwechsel und bspw. die Genderideologie sind Themen die unsere Politik negativ in Gesetze zementiert, die uns wahrlich nicht retten, sondern direkt in den Untergang führen. Es wird sich zeigen, ob man da als katholischer Christ mit einem Achselzucken zur Tagesordnung übergehen kann. Ich muss die Wahrheit nicht nur wissen, sondern sie auch wollen, bzw. aussprechen.
AntwortenLöschenNochmals: Nicht zu wählen, halte ich für verantwortungslos. Bei über 40 Möglichkeiten der Wahl wird es doch zumindest EINE Gruppierung geben, die man auch als überzeugter Katholik wählen kann, oder?
LöschenWenn man wenig oder gar keine Zeit hat, sich näher mit den einzelnen Parteien zu befassen, so konnte man zumindest sich über den sog. Wahl-o-mat im Vorfeld der Wahl mit geringem Zeitaufwand einen Überblick verschaffen, welche Gruppierung denn eigenen Corstellubgen am ehesten entspricht.
Zu der Sache mit den Baalspriestern:
AntwortenLöschen1. Ja, das Original lässt sich genau übersetzen mit "vielleicht ist er pinkeln gegangen".
2. Den Mord an den Götzendienern hat der Prophet nicht auf Gottes Geheiß begangen. Bei allen anderen Sachen hat er Gottes Weisung gehört und ausgeführt. Hier steht nun gerade nicht, daß Gott irgendetwas gesagt hat.
In der Folge wird der Prophet erst depressiv und bekommt dann die Weisung, zum Gottesberg zu gehen. Dort erlebt er Gottes Stimme ausdrücklich nicht als Donner oder Erdbeben, sondern als sanftes Säuseln - also so ziemlich als das Gegenteil von Mord und Totschlag.