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Donnerstag, 21. März 2019

Der Sound der #BenOp, Platz 20-16

Schon seit einigen Wochen beschäftigt mich die Idee, eine Liste von Songs zusammenzustellen, von denen ich finde, dass sie den Spirit der Benedikt-Option einfangen -- oder jedenfalls das, was ich mir darunter vorstelle. Die Meinungen darüber, was unter diesem Begriff eigentlich zu verstehen sei, sind ja durchaus geteilt, und zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil führe ich das darauf zurück, dass die #BenOp - abermals gesagt: so wie ich sie verstehe - weniger ein präzise abgrenzbares inhaltliches Programm darstellt als vielmehr einen bestimmten Stil. Und um diesen zu kommunizieren, sagt ein Lied womöglich mehr als tausend Worte. 

Tausend Worte (oder mehr) werde ich indes - so kennen mich meine Leser - trotzdem machen, um meine Songauswahl zu kommentieren. Daher will ich mich wenigstens bei der Vorrede kurz fassen. Also, zur Sache: Zwanzig Songs habe ich zusammengetragen, das schien mir eine gute Zahl; ein internes Ranking habe ich ihnen, wo ich schon mal dabei war, auch gleich verpasst; und um es spannend zu machen, stelle ich die Songs hier in umgekehrter Reihenfolge vor, und das auch noch über einen Zeitraum von vier Wochen. Fangen wir also an mit den Plätzen 20-16: 


Platz 20: Jeff Beck & Rod Stewart, "People Get Ready" (1985) 


Der 1965 von dem großen Curtis Mayfield geschriebene Song steht, was den Text betrifft, ganz in der Tradition des Gospel-Genres, gewinnt aber erheblich an Brisanz durch den sozialen und politischen Kontext seiner Entstehungszeit. Martin Luther King bezeichnete "People Get Ready" als "inoffizielle Hymne der Bürgerrechtsbewegung" und ließ den Song häufig bei Demonstrationen singen. Die Originalaufnahme von Mayfields damaliger Band The Impressions ist mir allerdings, ehrlich gesagt, vom Arrangement her ein bisschen zu harmlos, daher habe ich nach einer Coverversion gesucht, die einen Zacken schärfer daherkommt. Fündig geworden bin ich bei Gitarrenlegende Jeff Beck und seinem alten Weggefährten Rod Stewart. Auch die Ästhetik des Videos finde ich sehr ansprechend -- der Briefkasten in der Prärie, die Farmhäuser, die Bahngleise, Beck als "Hobo" im offenen Güterwaggon (wo kriegt er da eigentlich den Strom für seine Gitarre her?), die Weite des Horizonts... Und das alles in diesem verträumten Orangebraun. Wer möchte da nicht sofort aufs Land ziehen?  


Platz 19: Aphrodite's Child, "The Four Horsemen" (1972) 


Die wohl bekannteste (und ziemlich sicher rockigste) Nummer des legendären Konzept-Doppelalbums "666" setzt einen angemessen apokalyptischen Grundton für diese Songliste. "Also mir kommt diese sogenannte Benedikt-Option ziemlich apokalyptisch vor." -- "Ja, natürlich ist sie das, was denn sonst?" Im Ernst: Wie kommt es eigentlich, dass der Begriff "apokalyptisch" so einen negativen Klang bekommen hat, sogar unter Christen? Haben die mal nachgeschaut, was in ihrer Bibel ganz hinten drinsteht? Wie sagte Johannes Hartl bei der MEHR 2018 so schön? "Leute, ich hab das Buch zu Ende gelesen. Es ist ein gutes Ende! Wir gewinnen!" (Vermutlich hat er dieses Bonmot nicht erfunden, eine ähnlich formulierte Aussage wird z.B. auch Billy Graham zugeschrieben, aber macht ja nichts.) 

Das Album "666" von Aphrodite's Child jedenfalls basiert weitgehend auf den Kapiteln 6-20 der Offenbarung des Johannes, und die Original-Plattenhülle trug den Hinweis "This album was recorded under the influence of SAHLEP", was seinerzeit allerlei Spekulationen darüber auslöste, was für ein Prophet, Philosoph, Guru oder Dämon sich wohl hinter diesem Namen verberge, aber tatsächlich ist Sahlep lediglich ein Heißgetränk auf der Basis von Milch, Zucker und pulverisierten Orchideenwurzeln. Klingt komisch, is' aber so. Zu "The Four Horsemen" kann man abtanzen wie bekloppt, oder aber man kann ausufernde Diskussionen darüber führen, wieso das vierte Pferd dem Liedtext zufolge grün ist und was das symbolisieren soll. Für Euch getestet, Freunde. Beides. 


Platz 18: Gil Scott-Heron, "The Revolution Will Not Be Televised" (1971) 


Ja, sicher: Wenn HipHop-Pionier Gil Scott-Heron "Revolution" sagt, denkt er dabei in erster Linie an ein Aufbegehren der afroamerikanischen Bevölkerung gegen rassistische Unterdrückung. Das kommt in einigen Details des Texts recht unmissverständlich zum Ausdruck. Aber in der Hauptsache geht es in diesem Song (bzw. vertonten Gedicht) um Medien- und Konsumkritik, das macht sowohl der Titel deutlich wie auch der Umstand, dass der Text zu großen Teilen auf zeitgenössische Werbeslogans anspielt. Medien- und Konsumkritik, das ist durchaus ein #BenOp-Thema; und noch deutlicher (hoffentlich) wird der Zusammenhang, wenn man berücksichtigt, was Scott-Heron in einem TV-Interview über sein wohl bekanntestes Werk sagte: 
"Du musst dein Bewusstsein ändern, ehe du deine Lebensweise ändern kannst. [...] Wenn wir also sagen, die Revolution wird nicht im Fernsehen übertragen, dann meinen wir damit, das, was die Menschen wirklich verändert, ist etwas, das nicht auf Film festgehalten werden kann." 
Noch 2005 erklärte der 2011 verstorbene Scott-Heron in der taz: "Revolution findet im Kopf statt. In dem Moment, in dem man bestimmte Erscheinungen nicht mehr akzeptiert und der Meinung ist, die Gesellschaft sollte sich in eine andere Richtung entwickeln, in dem Moment wird man zum Revolutionär." 

Right On, Brothers and Sisters! 


Platz 17: Emerson, Lake & Palmer, "Jerusalem" (1973) 


Ein Werk mit einer erstaunlichen Entstehungsgeschichte: Der Text ist dem Prolog eines zwischen 1804 und 1808 entstandenen Gedichtbands von William Blake entnommen und spielt auf eine Legende an, derzufolge Jesus von Nazaret als Kind oder Jugendlicher mit seinem Onkel Joseph von Arimathäa, einem Kaufmann, England besucht habe. Man beachte übrigens die in der Formulierung "these dark satanic mills" anklingende Industrialisierungskritik! Die Vertonung stammt von Hubert Parry aus dem Jahr 1916, aber natürlich haben Emerson, Lake & Palmer jede Menge ProgRock-Bombast darüber ausgegossen. Besonders der martialische Charakter der zweiten Strophe ("bring me my chariot of fire", allein schon!) wird dadurch sehr schön unterstrichen, wie ich finde. Letztlich stellt der Text aber doch klar, dass es einen geistigen Kampf gilt. "Denn", wie der Apostel Paulus betont, "wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen" (Epheser 6,12). 


Platz 16: Johnny Cash, "The Man Comes Around" (2002) 


Und es wird abermals apokalyptisch, diesmal aber mit erheblich größerem Ernst als bei der Orchideenwurzelpulver saufenden griechischen Hippie-Kapelle. "The Man Comes Around" ist einer von Johnny Cashs letzten Songs, der Titelsong seines letzten zu seinen Lebzeiten erschienenen Albums, und darf daher wohl ohne allzu übertriebenes Pathos als sein Vermächtnis gelten. Der Text ist rappelvoll mit Bibelzitaten und biblischen Motiven, überwiegend aus der Offenbarung des Johannes, aber auch aus verschiedenen anderen Büchern des Alten und Neuen Testaments; und es geht darin um nichts Geringeres als das Jüngste Gericht. Wahrscheinlich gab und gibt es niemanden, der über so ein Thema so eindringlich und mit einem solchen Ernst singen könnte wie der späte Johnny Cash. Hörbefehl! 


So, und für wessen Geschmack da jetzt noch nicht das Richtige dabei war, der darf sich damit trösten, dass dies ja nur das untere Viertel der Hitliste war. Nächste Woche gibt's hier die Plätze 15-11. Stay tuned! 



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