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Donnerstag, 8. Juni 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #33

Gesegnetes Hochfest des Leibes und Blutes Christi (alias Fronleichnam), liebe Leser! In Berlin, wie auch sonst in weiten Teilen der Republik, ist heute kein gesetzlicher Feiertag, weshalb die "äußere Feier" im Wesentlichen erst am kommenden Sonntag stattfindet; abgesehen natürlich von der zentralen Fronleichnamsfeier des Erzbistums Berlin, die just in dem Moment, da dieses Wochenbriefing online geht, mit einer Messe auf dem Bebelplatz beginnt. Die Erfahrung früherer Jahre hat gelehrt, dass es besser für den Seelenfrieden ist, dieses Event zu meiden; umso mehr freue ich mich auf die Spandauer Fronleichnamsfeier am Sonntag. 

Zunächst aber gilt es, die Ereignisse der zurückliegenden Woche zu würdigen, und diese stehen unter dem Motto 


Ein Herz-Jesu-Monat voller Abenteuer 

Ja, diese Formulierung habe ich schon vor zwei Jahren als Artikelüberschrift verwendet, aber ich finde, wenigstens als Zwischenüberschrift kann ich die heuer ruhig noch einmal aufgreifen; abenteuerlich genug begonnen hat der Monat jedenfalls. 

Am Donnerstagabend ging ich, einer spontanen Eingebung folgend, zur Rosenkranzandacht in der Allerheiligenkirche in Borsigwalde; der Hausmeister, den ich vor ein paar Wochen bei Gartenarbeiten auf dem Grundstück von St. Joseph Tegel getroffen hatte, hatte die Andacht vorbereitet, und dank der Mitwirkung des nigerianischen Pfarrvikars beinhaltete die Andacht auch eine Aussetzung des Allerheiligsten und einen Eucharistischen Segen. Ein würdiger Einstieg in den Herz-Jesu-Monat, wie ich finde. Im Anschluss sprach ich noch ein paar Worte mit dem Hausmeister, der mir u.a. sagte, er vermisse unsere Lobpreisandachten. Als ich erwiderte, wenn wir dieses Format wieder aufnähmen, dann am wahrscheinlichsten wohl in Haselhorst, sagte er: "Auch gut – ich würde dafür auch nach Haselhorst kommen." – Tags darauf war der Herz-Jesu-Freitag im Herz-Jesu-Monat, was ich zum Anlass nahm, für gut eine halbe Stunde in Herz Jesu Tegel zur Anbetung zu gehen – auch wenn ich diese Kirche am liebsten nur noch betreten würde, wenn sonst niemand dort ist (meine Liebste betritt sie überhaupt nicht mehr). 

So richtig fingen die Abenteuer dann aber am Samstag an. Zunächst einmal fand im Garten von St. Stephanus die zweite Wichtelgruppen-Schnupperstunde statt; mit dabei war diesmal eine junge Mutter, die den Vorschlag äußerte, eine an die Wichtelgruppe angegliederte Kleinkindergruppe – insbesondere für jüngere Geschwister der Wichtel und Wölflinge – zu gründen und zu betreuen. Das kommt natürlich auch uns sehr gelegen, da unser Jüngster mit seinen gerade mal zwei Jahren ja eigentlich auch noch deutlich zu jung für die Wichtel ist; zudem verstanden wir uns ausgesprochen gut mit der jungen Dame, und auch sonst verlief die zweite Schnupperstunde wieder recht erfreulich. 

Im Anschluss an die Wichtelgruppenstunde entschieden wir uns nach kurzem Überlegen, noch nach Friedrichshain zur "Fiesta Kreutziga" zu fahren, und ließen uns in diesem Ansinnen auch dadurch nicht beirren, dass die Kinder unterwegs einschliefen. Wir fuhren mit der Ringbahn bis Storkower Straße, dort wurden die Kinder munter, und wir schlenderten bei herrlichstem Frühsommerwetter in Richtung Frankfurter Allee. 


Ein Gefühl wie Urlaub. Ich glaube, soweit man mich überhaupt als Berliner bezeichnen kann, bin ich im Herzen vor allem Friedrichshainer. 


Auf dem Straßenfest selbst war's leider weniger idyllisch. Vielleicht waren wir einfach nur zu spät dran: Wir sahen einige Kinder mit geschminkten Gesichtern und Luftballons, was darauf schließen ließ, dass es ein Kinderprogramm gegeben hatte, das nun aber offenbar schon vorbei war; die Atmosphäre war geschwängert von Zigarettenrauch, schon getrunkenem Bier und (in vergleichsweise geringerem Ausmaß) Gras, fast alle Leute waren schwarz gekleidet und wirkten, gelinde gesagt, nicht sehr fröhlich. Das habe ich aus früheren Jahren anders in Erinnerung. Auffällig war auch, dass ich fast niemanden sah, den ich "von früher her" kannte. Okay, einige meiner ehemaligen Bekannten sind tot, andere vielleicht weggezogen. Und wie gesagt, vielleicht hätte das Straßenfest einen weniger trübseligen Eindruck auf mich gemacht, wenn wir zu einer früheren Uhrzeit dort aufgetaucht wären; aber mir drängt sich dennoch der Eindruck auf, dass das Milieu, in dem Veranstaltungen wie die "Fiesta Kreutziga" oder "Suppe & Mucke" gedeihen und blühen konnten, zum einen durch Corona, zum anderen durch die fortschreitende Spaltung der linken Szene durch immer extremere und absurdere identitäre Ideologien erheblichen Schaden genommen hat.

Immerhin, der Besuch beim "Schenkladen"-Stand lohnte sich, denn dort fanden wir einen neuen Kinderzimmerteppich. 



Aber dann verkrümelten wir uns recht bald auf einen nahegelegenen Spielplatz, und da sich die Hoffnung, auf dem Straßenfest etwas zu essen zu bekommen, nicht erfüllt hatte, gingen wir zum Abschluss dieses ereignisreichen Tages in einen Burrito-Laden mit dem lustigen Namen "No Hablo Español" – eher ein Imbiss als ein Restaurant, aber ein durchaus sympathischer Laden, auch wenn man zugeben muss, dass das Essen nur halb so lecker war, wie ich es mir vorgestellt hatte. 


Spannend war übrigens auch, dass unser Jüngster am frühen Nachmittag spontan und eigenständig beschlossen hatte, einen zweiten Anlauf zur Windelfreiheit zu unternehmen, und das ging auch fast den ganzen Tag gut – bis kurz bevor wir nach Hause kamen, genauer gesagt. 

Tags darauf war Dreifaltigkeitssonntag und zudem "Familientag" in St. Stephanus; da wollten wir natürlich hin, also gingen wir auch in St. Stephanus zur Messe – und zwar um 9:30 Uhr, da wir schlichtweg nicht mitgekriegt hatten, dass um 11 Uhr noch eine weitere Messe, als Dankgottesdienst der Erstkommunionkinder, auf dem Programm stand. Etwas Gutes hatte es indes doch, dass wir in die frühere Messe gingen, aber darauf komme ich später; erst einmal zu dem nicht so Guten: Außer uns waren fast nur alte Leute in der Messe, von denen uns einige schon bei unserem Eintreten deutlich zu verstehen gaben, dass sie die Anwesenheit einer Familie mit kleinen Kindern als störend empfanden. Kurz gesagt, wir konnten mal wieder Stoff für den noch ausstehenden Blogartikel meiner Liebsten sammeln, und das, obwohl die Kinder sich während des größten Teils der Messe wirklich untadelig benahmen. 

Zelebriert wurde die Messe von einem Ruhestandsgeistlichen aus Falkensee, der wie wohl recht viele Priester seiner Altersklasse (er ist, wie er nebenbei erwähnte, Geburtsjahrgang 1952) der Auffassung zu sein schien, das Wichtigste an der Messe sei das, was er den Leuten zu sagen habe: Schon seine Begrüßungsworte waren im Grunde eine Predigt, nach dem Schlusssegen hielt er dann noch einen Vortrag über eine Pilgerreise nach Lourdes, an der er über Pfingsten teilgenommen hatte, und die eigentliche Predigt bestand aus exegetischen Spitzfindigkeiten und Ausführungen zur Dogmengeschichte, sehr gelehrt und "linkshirnig". Kein Wunder, dass die Kinder da unruhig wurden. Als das Tochterkind mittendrin anfing, die Kreuzwegstationen an den Wänden zu betrachten und mit halblauter Stimme zu rekapitulieren, was sie vom Inhalt der einzelnen Stationen behalten hatte, sah ich überhaupt nicht ein, wieso ich sie dabei hätte unterbrechen sollen: Ich fand, das hatte mehr spirituelle und katechetische Substanz als das, was der Priester vorne erzählte. 

Übrigens, da wir gerade bei #CatholicParentingGoals sind, hier noch eine kleine Anekdote außerhalb der chronologischen Reihenfolge: Am Freitagnachmittag hatte das Tochterkind eine Spielverabredung mit einem etwa gleichaltrigen Freund, und hinterher erzählte sie mir, sie habe beim Schaukeln mit ihm darüber gesprochen, dass man ein neues Leben bekommt, wenn man an Jesus glaubt. Ganz schön beachtlich für eine Fünfjährige, finde ich...! 

Nun aber zurück zum Sonntag: Das Gute daran, dass wir früh in der Messe gewesen waren, war, dass wir anschließend bis zum Beginn des Familientags-Programms noch zur EFG The Rock Christuskirche gehen konnten, wo wir üblicherweise mittwochs zum JAM gehen. Dort sind die Sonntagsgottesdienste meist nachmittags, einmal im Monat jedoch – und so auch an diesem Sonntag – um 11 Uhr. Meine Liebste ging mit unserem Jüngsten in den Eltern-Kind-Raum, während ich mit dem Tochterkind zur Kinderkatechese ging. Diese wurde – wie man sich ja schon denken konnte – von Mitarbeitern geleitet, die wir (und die uns) schon vom JAM kannten, und einige der teilnehmenden Kinder kannten wir ebenfalls dorther. Zuerst gab's Kinderlobpreis mit Bewegungsliedern, danach ging es um Gideons Sieg über die Midianiter. Ich machte mir mental so allerlei Notizen, zumal ich – wie an dieser Stelle verraten sei – kürzlich angefragt worden bin, in der Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus im Arbeitskreis für Kinderwortgottesdienste mitzuarbeiten. 

Um 12 gingen wir dann wieder über die Straße zum Gemeindezentrum von St. Stephanus. Der Familientag war ausgesprochen gut besucht, sehr viel besser als die erste Veranstaltung dieser Art vor rund drei Monaten; ich bekam allerdings vom Erwachsenenprogramm so gut wie nichts mit, da ich praktisch die ganze Zeit beim Kinderprogramm involviert war. 

Die Katze, die es sich zu den Füßen der Muttergottes im Pfarrgarten gemütlich gemacht hatte, zog zeitweilig erhebliche Aufmerksamkeit seitens der Kinder auf sich.

Das Kinderprogramm war jedenfalls ziemlich prima, nicht zuletzt deshalb, weil es wieder (d.h. wie beim ersten Familientag) einen Trommelworkshop gab. 

Aus Datenschutzgründen nur ein Symbolbild "mit ohne Leute drauf".

Im Anschluss an den Workshop konnte ich es nicht lassen, der Kursleiterin – die denselben Vornamen trägt wie meine Tochter – davon zu erzählen, wie mich der rhythmisch wackelige Gemeindegesang beim "Gloria" von Kathi Stimmer-Salzeder am Pfingstmontag in St. Joseph veranlasst hatte, darüber nachzudenken, wie es wäre, wenn die Trommelgruppe mal einen Gottesdienst musikalisch begleitete. Sie hörte interessiert zu und fing direkt an, das besagte "Gloria" auf der Djembé zu spielen. Gefiel mir ausgesprochen gut. 

Im Übrigen kam am Rande des Familientags eine mehrfache Mutter auf mich zu und äußerte Interesse an der Wichtelgruppe. Ich würde sagen, die ganze Sache entwickelt sich recht vielversprechend. 

Am Montag war wie üblich "Omatag"; diesmal trafen wir (d.h. die Kinder und ich) uns mit meinen Schwiegermüttern im Botanischen Volkspark Blankenfelde-Pankow, zu dessen Attraktionen einerseits der Weltacker zählt – ein Projekt, von dem ich vor Jahren in einer Broschüre der Katholischen Landjugendbewegung Bayerns (!) gelesen und daraufhin einmal mit meiner damals noch sehr kleinen Tochter einen Ausflug dorthin gemacht hatte –; 




und andererseits ein Damwildgehege. 


Derweil hatte meine Liebste eine Notenkonferenz und konnte erst zur Abendessenszeit zu uns stoßen. Zu diesem Zweck gingen wir in ein nahe gelegenes mexikanisches Restaurant ("Centenario"); ich nahm an, das sei eine günstige Gelegenheit für einen Burrito-Quervergleich Friedrichshain vs. Blankenfelde. Tatsächlich zeigte sich jedoch, dass das, was einem in dem einen und in dem anderen Laden als Burrito mit Rindfleisch serviert wurde, kaum miteinander zu vergleichen war. Geschmacklich war der "Centenario"-Burrito erheblich besser, aber gleichzeitig hatte ich Zweifel, ob das überhaupt ein stilechter Burrito war. Von einem solchen würde ich nämlich eigentlich erwarten, dass Fleisch, Reis und Bohnen zusammen in eine Tortilla eingewickelt werden, während hier der Reis und die Bohnen als Beilage serviert wurden. Kurzum, die Suche nach dem ultimativen Burrito hat ihr Ziel noch nicht erreicht. 

Am Dienstag gab es keine besonderen Vorkommnisse, am Mittwoch (also gestern) gingen wir wie üblich zum JAM. Außerdem hat gestern die Novene zum Heiligsten Herzen Jesu begonnen, und nachdem mich die erst kurz zurückliegende Pfingstnovene auf den Gedanken gebracht hat, man sollte überhaupt mal wieder mehr Novenen beten, ist mir gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass ich noch einen zwei Jahre alten Andachtszyklus zur Herz-Jesu-Novene (mit Lobpreismusik und Texten aus dem Stundenbuch) in der digitalen Schublade hatte, der "nur noch" an die aktuellen Daten angepasst werden musste. Wer noch mit einsteigen möchte: Die Texte und Lieder für die ersten vier Tage sind unter diesem Link zu finden, die weiteren Tage werden demnächst ergänzt. 


Tegel, Willehad, Synodalien 

Zu diesen Themen will ich mich in dieser Ausgabe des Wochenbriefings mal einigermaßen kurz fassen; einerseits, weil es da so besonders viel Neues im Augenblick nicht gibt, und andererseits, weil dieser Artikel auch ohnedies schon lang genug zu werden verspricht. In Tegel traf ich am Montag, bevor ich mit den Kindern zum "Omatag" aufbrach, den oben bereits erwähnten nigerianischen Pfarrvikar und eine Frau aus der Gemeinde, nämlich dieselbe, die wir am Pfingstsonntag in St. Afra gesehen hatten. Ein konspiratives Treffen war das nicht gerade, wir liefen uns einfach so über den Weg. Aber ein interessantes Gespräch ergab sich daraus allemal. 

In St. Willehad hat derweil Pfarrer Karl Jasbinschek am Pfingstmontag sein 40jähriges Priesterjubiläum gefeiert. Interessant finde ich daran vor allem, dass der Geistliche in einem leider hinter einer Bezahlschranke verborgenen Artikel der Kreiszeitung Wesermarsch mit der Aussage zitiert wird, er wolle noch "ein paar Jahre" Pfarrer in Nordenham bleiben, aber nicht bis zur Altersgrenze von 75 Jahren. Da Pfarrer Jasbinschek derzeit 68 Jahre alt ist, heißt das, dass er nicht die Absicht hat, noch weitere sieben Jahre in seiner jetzigen Stellung zu verbleiben. Angesichts der anstehenden Bildung "Pastoraler Räume" neige ich dazu, es für fraglich zu halten, ob Nordenham Überhaupt noch einmal einen eigenen Pfarrer bekommt. – Das Thema "Pastorale Räume" wird auch in der aktuellen Ausgabe der Pfarrnachrichten von St. Willehad (vom 27.05.) angesprochen; dort heißt es u.a.: 

"Das Offizialat will Pfarreien zu pastoralen Räumen verbinden, in denen Frauen und Männer, freiwillig Engagierte und Hauptberufliche das Evangelium vor Ort verkünden und leben können. Die Pfarreien bleiben aber selbstständig im Kirchengemeindeverband [...]. Die Selbständigkeit der Pfarreien unterscheidet den Kirchengemeindeverband von den bisherigen Fusionen." 

Da möchte ich mal kurz die Frage einschalten: Bezweifelt eigentlich irgend jemand ernsthaft, dass die Pastoralen Räume lediglich eine Vorstufe zu künftigen weiteren Pfarreifusionen darstellen? – Aber mal weiter: 

"Für die St.-Willehad-Gemeinde Nordenham (3254 Mitglieder) ist ein Zusammenschluss mit St. Marien Brake (2359), St. Benedikt Jever (3606), St. Bonifatius Varel (3648), St. Willehad Wangerooge (188) und St. Willehad Wilhelmshaven (8370) geplant. [...] Kirchenausschuss, Pfarreirat und die Seelsorger sind weiterhin im Gespräch, wie es in unserem pastoralen Raum weitergehen wird. Wir werden berichten" – 

und ich werde das weiterhin im Auge behalten. 

Unter "Neues aus Synodalien" könnte ich nun noch darauf eingehen, wie sich der Limburger Bischof und DBK-Vorsitzende Georg Bätzing in schönster virtue-signalling-Manier zur Zerstörung eines Staudamms in der Ukraine geäußert hat, anstatt sich mit Dammbrüchen ganz anderer Art zu befassen, für die er weit unmittelbarer zuständig und verantwortlich ist; aber das lasse ich lieber. Wobei ich mir den Hinweis nicht verkneifen kann, dass ich spontan daran denken musste, was Max Goldt (in "Wenn man einen weißen Anzug anhat", S. 23) im Zusammenhang mit dem 11. September 2001 über "Kommentarwichsmaschinen des öffentlichen Lebens" sagte. Sowas kann man sich aber wohl nur erlauben, wenn man Max Goldt ist. Bzw. heutzutage möglicherweise nicht mal mehr dann. 


Was ich gerade lese 

Es hat sich wohl schon abgezeichnet: Der Umstand, dass mir die Aufgabe zugefallen ist, eine organisatorisch und konzeptionell an die Pfadfinder angegliederte Kindergruppe zu leiten, obwohl ich keinerlei Erfahrung oder Vorkenntnisse in Sachen Pfadfinderei habe, hat mich dazu veranlasst, mich ein wenig tiefer in die Materie einzuarbeiten. Gar nicht mal so sehr, weil das für die praktische Arbeit mit der Wichtelgruppe unbedingt notwendig wäre, sondern vielmehr, weil ich neugierig geworden bin. Also habe ich mir mal einige Materialien von der Katholischen Pfadfinderschaft Europas besorgt. – Über die Unterschiede zwischen KPE- und DPSG-Pfadfindern habe ich ja schon vor längerer Zeit etwas geschrieben, zu einem Zeitpunkt, als mir die ganze Materie nur vom Hörensagen ein Begriff war; inzwischen hatte ich aber einmal – letztes Jahr an Fronleichnam übrigens, in Teltow – Gelegenheit, einen leibhaftigen Stamm von KPE-Pfadfindern kennenzulernen, und das war eine sehr sympathische Begegnung. Was die Katholischen Pfadfinder Haselhorst angeht, gehören diese zwar (bisher) keinem Verband an, aber man darf wohl behaupten, dass sie der KPE tendenziell näher stehen als der DPSG. Zu den oben aufgeführten Materialien, in die ich mich gerade einzuarbeiten begonnen habe, wurde mir gesagt, dass es ein vergleichbares Zeremoniell bei den DPSG-Pfadfindern nicht gebe, und ebensowenig Prüfungen für den Erwerb von Abzeichen – das gelte bei der DPSG wohl als zu autoritär und zu kompetitiv. Wozu ich gleich mal anmerken möchte: Nach meiner Erfahrung stehen Kinder und jüngere Teenager total auf kompetitive Aufgaben. Vor allem Jungs, aber nicht nur Jungs. 

Das Büchlein mit dem Zeremoniell der KPE wird eingeleitet durch ein Kapitel "Sieben Gründe, warum wir ein Zeremoniell haben" – was ja schon mal unterstreicht, wie wenig selbstverständlich das ist. Diese Sieben Gründe finde ich durchaus lesenswert und diskussionswürdig, allerdings können sie nicht gänzlich verhindern, dass der ganze pfadfinderische Kult um das korrekte Anlegen der Kluft, um Fahnen und Abzeichen und die Form des Grüßens meinem inneren Hippie rein vom Bauchgefühl her eine Spur zu paramilitärisch erscheint. Aber okay, wenn meine Kinder zu den Pfadfindern gehen, dann haben sie damit gleich etwas, womit sie sich von mir abgrenzen können; das soll ja in einem bestimmten Alter sehr wichtig sein, und da gäbe es bestimmt schlechtere Möglichkeiten. 

Ausgesprochen super finde ich, dass zur Grundausstattung der KPE-Wölflinge – den "Fünf Gegenständen", die sie bei "allen Unternehmungen der Meute" bei sich tragen sollen, neben einer Rolle Schnur, einem Taschentuch, Notizblock und Stift auch ein Rosenkranz gehört und dass die Wölflinge neben Pflanzenbestimmung und Tierbeobachtung, Feuermachen und Orientierung im Gelände auch Gebete, den Ablauf der Heiligen Messe und die Feste im Kirchenjahr lernen und dass sie zur Mitarbeit in der Kirchengemeinde angehalten werden. Noch spannender wird es natürlich bei den größeren Pfadfindern, bei denen man über die gemeinsamen Gruppenaktivitäten hinaus auch noch Sonderabzeichen fürs Reiten, Schwimmen, Kochen, Kampfsport, Fotografie, fürs Erlernen von Musikinstrumenten und zahlreiche weitere Spezialisierungen erwerben kann. 

Allerdings muss ich schon sagen, es leuchtet mir ein, dass die Wölflingsstufe erst mit acht Jahren anfängt. Nicht nur und nicht einmal in erster Linie wegen des Schwierigkeitsgrades der einzelnen Aufgaben, sondern allein schon wegen der Anforderungen in Sachen Disziplin, Impulskontrolle und Teamfähigkeit: Da werden Gehirnregionen beansprucht, die bei Kindern im Vorschulalter schlichtweg noch gar nicht vorhanden sind. Klingt komisch, is' aber so. Was ich damit sagen will, ist: Interessant und anregend sind die Probenbücher für die Wölflinge und für die größeren Pfadfinder allemal, und auf längere Sicht wird man damit irgendwann auch praktisch "etwas anfangen" können, aber im Rahmen der Wichtelgruppe wohl eher weniger. Gleichwohl soll die Wichtelgruppe natürlich nicht einfach nur "irgendein" Spiel- und Betreuunsgsangebot für Kinder unter acht Jahren sein, sondern in Inhalt und Form insoweit pfadfinderisch "getönt" sein, dass sie als eine Art Vorbereitung und Hinführung zum Eintritt bei den Wölflingen dienen kann. Wie sich das in der Praxis gestaltet, wird sich zeigen; wir stehen ja noch ganz am Anfang. 

Ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur des 20. Jahrhunderts, und trotzdem muss ich zugeben, dass ich bisher lediglich eine alte Schwarzweiß-Verfilmung des ersten Teils kannte und mich nur an wenige Details daraus erinnern konnte. Wem es ähnlich geht, dem sei in aller Kürze erklärt, worum es geht: Titelheld Kalle ist dreizehn Jahre alt und Sohn eines Lebensmittelhändlers in einer schwedischen Kleinstadt; in den Sommerferien erlebt er allerlei altersgerechte Abenteuer mit seinen besten Freunden Anders und Eva-Lotta, vor allem aber träumt er davon, ein berühmter Detektiv zu werden, und übt sich in allerlei Ermittlungsmethoden, wie er sie aus den einschlägigen Romanen und Kinofilmen kennt. Ernst wird es, als Eva-Lottas Onkel Einar sich als Feriengast im Haus von Eva-Lottas Eltern einquartiert und sich sehr verdächtig benimmt. – 

Es ist wohl ein ziemlich deutliches Qualitätsmerkmal, dass mein Spaß am abendlichen Vorlesen erheblich zugenommen hat, seit dieses Buch an die Reihe gekommen ist. Einen gewissen Anteil daran hat sicherlich die gekonnt doppelbödige Erzählweise, die den erwachsenen (Vor-)Leser zuweilen veranlasst, über den enormen Ernst, mit dem Kalle seine Detektivarbeit betreibt, milde ironisch zu lächeln; aber auch ganz unironisch ist die Handlung einfach spannend: Ich freue mich ernsthaft jeden Abend aufs Schlafengehen, um zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht. 


Aus dem Stundenbuch 

Weil uns der einziggeborene Sohn Gottes Anteil an seiner Gottheit geben wollte, nahm er unsere Natur an, wurde Mensch, um die Menschen göttlich zu machen. Mehr als das: Was er von dem Unsrigen annahm, gab er ganz hin für unser Heil. Denn er brachte seinen Leib auf dem Altar des Kreuzes zu unserer Versöhnung Gott, dem Vater, als Opfergabe dar. So sollten wir von elender Knechtschaft erlöst und von aller Sünde gereinigt werden.

Damit uns aber ein Gedächtnis dieser so großen Liebe bleibe, hinterließ er den Glaubenden seinen Leib zur Speise und sein Blut zum Trank unter der Gestalt von Brot und Wein. Kein Sakrament hat eine heilsamere Wirkung als dieses: Es reinigt von Sünden, es mehrt die Tugenden und erfüllt den Geist mit dem Reichtum aller geistlichen Gaben. Es wird in der Kirche für die Lebenden und die Toten dargebracht, damit allen zugute komme, was zum Heil aller eingesetzt ist. 

(Thomas von Aquin, Über das Fest des Leibes Christi) 


Ohrwurm der Woche 

Paul Simon, "Ace in the Hole" 


Eins der flotteren Stücke des Albums "One-Trick Pony"; des Soundtracks zu einem Film, in dem Paul Simon die Hauptrolle spielte. Das ganze Album ist sehr gut – so gut, dass ich mich mal zu der Aussage habe hinreißen lsssen, wenn ich nur ein einziges Musikalbum auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, würde ich mich wahrscheinlich für "One-Trick Pony" entscheiden. – Die erste Strophe von "Ace in the Hole" ("Some people say Jesus, that's the ace in the hole / but I've never met the man, so I don't really know") ist aus christlicher Sicht natürlich ein bisschen frech, aber wenn ich mir so ansehe, was für Dinge in den folgenden Strophen als mögliches "As im Ärmel" angeboten werden, erscheint es zumindest mir doch aussichtsreicher, auf Jesus zu setzen. 


Blogvorschau 

Du wirst es schon bemerkt haben, Leser: Es geht mit den neuen Artikelthemen derzeit nicht so schnell voran, wie mir eigentlich lieb wäre. "Dran" wäre, den jüngsten Umfrageergebnissen zufolge, an sich das Thema "Der Traum von der erneuerten Gemeinde"; der Artikel dazu erweist sich indes als recht arbeitsintensiv, es könnte daher sein, dass ich das Dossier "Warum eigentlich 'Punkpastoral'?" vorziehe, und eventuell auch eine neue Folge der alten Serie "God Gave Rock'n'Roll to You"

Meine Liebste steckt derweil noch im Schuljahresendstress, aber in recht absehbarer Zeit müssten alle Klausuren korrigiert sein und alle Noten feststehen, und spätestens dann gibt es keine Ausreden mehr, die Wiederbelebung des Blogs "Wandern im Wellenwind" noch weiter hinauszuzögern. Stoff gibt es ja genug...! 



Samstag, 3. Juni 2023

Hol dir deine Kirche zurück!

Regelmäßigen "Huhn meets Ei"-Lesern wird vielleicht aufgefallen sein, dass in den neueren Artikeln recht häufig das Schlagwort "Schmutziges Schisma" auftaucht. Diesen Begriff habe ich aus einem Artikel der Plattform "Neuer Anfang" mit dem Titel "Drei Szenarien – Die katholische Kirche nach dem Synodalen Weg" übernommen, und ich verwende dieses Schlagwort deshalb so beharrlich, weil ich der Ansicht bin, dass es sehr treffend die Situation beschreibt, auf die die katholische Kirche in Deutschland derzeit zusteuert, sofern sie nicht schon mittendrin ist. 

Ein "Schmutziges Schisma", wie der "Neue Anfang" es definiert und beschreibt, kommt zustande, wenn die deutschen Diözesen (oder einige von ihnen) die Beschlüsse des Synodalen Wegs ungeachtet aller Einsprüche aus Rom umsetzen, dabei aber mit Hilfe aller möglichen formalen Tricksereien so tun, als bewegten sie sich im Rahmen des geltenden Kirchenrechts – und wenn Rom nicht entschieden und konsequent dagegen einschreitet. Die Folge wäre, dass sich zahlreiche Missstände, die in der Kirche hierzulande schon jetzt zu beobachten sind, erheblich weiter verschärfen: 

"Die gemeinsame Lehre der universalen Kirche wird ersetzt durch plurale Meinungen von Laien und Bischöfen über religiöse Gegenstände. Im gleichen Maße wie eine universalkirchliche Disziplin ausgehöhlt wird, wird sie binnenkirchlich aufgerichtet und plebiszitär/totalitär durchgesetzt. Faktisch entstehen zwei im Streit koexistierende Machtzentren und Lehrämter: das (in eine Minderheiten-Existenz gezwungene) römisch-katholische, und das sehr präsente Leitungs- und Lehramt des 'Synodalen Weges', das von säkularen und kirchlichen Medien zudem forciert wird." 
Besonders dramatische Folgen sieht der "Neue Anfang" für gläubige Mitarbeiter im kirchlichen Dienst voraus: Diese werden sich womöglich genötigt sehen, für die Treue zur Glaubenslehre der Kirche ihre berufliche Existenz aufzugeben. "Der kirchliche Dienst ist für gläubige Katholiken keine Option mehr. Berufungen finden keinen Ort der Hingabe mehr." Aber auch einfache Gläubige müssen "eventuell sogar ihre Wohnorte verlassen, um noch eine Anbindung an römisch-katholische Gemeinden und Strukturen zu finden", sie "verlieren ihr Vertrauen in die Institution und sind am Ende versucht, eine Art 'Untergrundkirche' [zu] bilden". 

Indes sieht der zitierte Artikel in dieser Entwicklung auch einen Hoffnungsschimmer – insofern, als sie "das Ende der derzeit fruchtlosen Konsumenten-Kirche mit betreuten Mitgliedern einleiten und die Subjektwerdung der Gläubigen aktiv fördern" könnte: 

"Wer sub Petro et cum Petro nach Jesus sucht, wird im Zerfall der äußerlichen Kirchengestalt die Handschrift Gottes und eine geistliche Herausforderung erkennen: Nachdem ihm die Krücken einer passiven Consumer-Haltung und einer konventionellen, routinierten Gläubigkeit weggeschlagen wurden, wird der einzelne Christ [...] seine Verantwortung im Leib Christi erkennen. [...] Es werden starke, kleine Gemeinschaften und Gruppen entstehen, die allerdings möglicherweise auf Jahrzehnte eine Art Untergrunddasein an den Rändern einer in mancher Hinsicht korrupten und ungehorsamen Institution führen müssen. Der selbstzerstörerische Prozess wird die Vernetzung Gleichgesinnter vorantreiben und aus den Trümmern in eine neue Intensität von Kirche und Glaube führen." 

Im Grunde ist das, was diese Sätze beschreiben, die "Benedikt-Option" in Reinform; kein Wunder, dass ich mich da angesprochen fühle. Allerdings stellt die spezielle Situation des "Schmutzigen Schismas" gläubige Katholiken vor ein Dilemma: Solange kein formales Schisma vorliegt, können gläubige Katholiken sich im Grunde nicht von der institutionellen Kirche abwenden, denn diese verkörpert immer noch die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche vor Ort, so deformiert ihre Gestalt auch sein mag. 

Symbolbild: Die evangelische Thomaskirche in Hamburg-Rahlstedt im Sommer 2017, nachdem eine anarchistische Gruppe sie besetzt und in ihren Räumen ein selbstverwaltetes Jugendzentrum eingerichtet hatte. 

An dieser Stelle kommt nun ein YouTube-Video ins Spiel, auf das mich mein Manager "Patrick" aus Wien aufmerksam gemacht hat und das den verheißungsvollen Titel "How and why to retake the Mainline Churches" trägt. Erschienen ist es auf einem YouTube-Kanal mit immerhin 84.000 Abonnenten, dessen Betreiber sich "Redeemed Zoomer" nennt. Die These des Videos: Die etablierten Großkirchen sind durchweg mehr oder weniger weit vom rechten Glauben abgewichen, aber es ist sowohl sinnvoll als auch machbar, sie "zurückzuerobern" – und zwar von der Basis, von den einzelnen Gemeinden her. Dieses Projekt wird unter dem etwas hochtrabenden Namen "Operation  Reconquista" präsentiert. 

Zugegeben, das Video ist anstrengend. Der gesprochene Text klingt so, als wäre die Tonspur nachträglich beschleunigt worden, um unter zehn Minuten zu bleiben (was letztlich doch nicht gelingt: Es sind knapp unter elf), und dazu kommen auf der Bildebene noch Texttafeln, die man gar nicht so schnell lesen kann, wie sie wieder verschwinden; dadurch kommt der Urheber des Videos insgesamt ein bisschen so rüber wie der Typ aus dem "Pepe Silvia"-Meme. 

Im Übrigen bezieht der Autor sich explizit auf protestantische Konfessionen in den USA wie die "Presbyterian Church (U.S.A.)" (der er selbst angehört), die "United Methodist Church" und die Episkopalkirche (den US-amerikanischen Zweig der Anglikaner), aber das ist nicht so schlimm: Die Transferleistung, die Thesen des Videos mutatis mutandis auf die Situation der ins Schmutzige Schisma schlitternden katholischen Kirche in Deutschland zu übertragen, ist dem Betrachter durchaus zuzumuten, und zum Teil würde ich behaupten, dass die Prämissen, von denen der Verfasser ausgeht, aus katholischer Sicht sogar eine höhere Plausibilität haben als aus protestantischer. Damit meine ich vorrangig den Teil der Argumentation, in dem es darum geht, warum es überhaupt sinnvoll und der Mühe wert ist, die alten Kirchen zurückerobern zu wollen, statt einfach neue zu gründen. Zwar benennt der Redeemed Zoomer durchaus einleuchtende Gründe dafür, dass er die evangelikale Methode, aus den vom rechten Weg abgekommenen Kirchen auszutreten und eigene Gemeinden aufzubauen, suboptimal findet, aber nach protestantischen Verständnis ist eine solche Lösung immerhin möglich. Katholiken hingegen können nicht neben einer bereits bestehenden katholischen Kirche eine zweite gründen. Und auch das Anliegen, die schönen alten Kirchengebäude nicht denen zu überlassen, die vom Glauben abgefallen sind, gewinnt an Dringlichkeit, wenn man in diesen Gebäuden nicht bloß Versammlungsräume für die Gemeinde sieht, sondern geweihte Orte

– Die Aussage, Katholiken könnten nicht einfach neue Gemeinden in Konkurrenz zu den bestehenden gründen, gilt es übrigens noch etwas zu präzisieren. Was sie sehr wohl tun können, ist, sich privat oder halböffentlich treffen, um gemeinsam zu beten, in Lese- und Gesprächskreisen ihr Glaubenswissen zu vertiefen und Erfahrungen auszutauschen und Initiativen für gelebtes Christsein in allen Lebensbereichen zu entwickeln. Es ist sogar ausgesprochen wünschenswert, dass sie das tun, solange dabei Sorge dafür getragen wird, dass sie nicht ihrerseits auf doktrinäre Abwege geraten – der "Neue Anfang" warnt in diesem Zusammenhang vor "sektiererischen Konventikeln und esoterischen Gemeindebildungen". Aber bei aller Wertschätzung für die Potentiale des Laienapostolates werden diese Katholiken doch mindestens jemanden brauchen, der ihnen gültig und rechtmäßig die Sakrament spenden kann. Solange sie nicht Anschluss an rechtgläubige "Inseln" mit anerkanntem kirchenrechtlichen Status, wie etwa Ordensgemeinschaften oder Personalgemeinden, haben, werden sie daher gut daran tun, eine gewisse Verbindung zu ihrer Ortspfarrei (oder gegebenenfalls einer benachbarten) zu halten. 

Worum geht's also in der sogenannten "Operation Reconquista"? Der Grundgedanke lautet: Wenn es den "Progressiven" mit einer Art "Langem Marsch durch die Institutionen" gelungen ist, die kirchlichen Strukturen zu unterwandern und von innen heraus umzugestalten, dann können "wir" das auch. Eine solche "Reconquista", so meint der Urheber des Videos, könne dadurch bewerkstelligt werden, dass gläubige Christen sich gezielt in den Gemeinden engagieren, nach und nach in einflussreiche Positionen aufrücken, die "schweigende Mehrheit" an der Gemeindebasis mobilisieren (die in der Regel deutlich konservativer ist als die Leitungsebene), Gleichgesinnte in die Gemeinde hineinholen und zur Mitarbeit motivieren und so allmählich einen geistlichen Klimawandel in Gang zu bringen. 

– Halten wir zunächst mal in aller Deutlichkeit fest: Im Grundsatz finde ich dieses Konzept gut und sinnvoll und meine, er sei unter allen Umständen einen Versuch wert. Der Punkt, an dem ich widersprechen möchte – und zwar vorrangig auf der Basis von Erfahrungen, die meine Liebste und ich in Herz Jesu Tegel gemacht haben –, ist die Aussage "Es ist leichter als du denkst". Sorry, lieber Redeemed Zoomer, aber da behaupte ich dreist das Gegenteil. Ich möchte damit niemanden entmutigen; im Gegenteil, ich bin überzeugt, dass die Gefahr der Entmutigung viel größer ist, wenn man sich nicht über die Schwierigkeiten im Klaren ist, auf die man stoßen könnte und mit hoher Wahrscheinlichkeit stoßen wird

Zu den Grundprämissen des "Operation Reconquista"-Konzepts gehört die Annahme, es sei relativ leicht, in liberalen Kirchengemeinden einen Fuß in die Tür zu bekommen, weil diese notorisch unter Mitgliederschwund und Mitarbeitermangel litten. Nun, das mit dem Mitgliederschwund und dem Mitarbeitermangel ist eine unbestreitbare Tatsache (die es übrigens recht tragikomisch erscheinen lässt, dass es hierzulande geradezu common sense zu sein scheint, die Kirche müsse noch viel liberaler werden, damit ihr nicht noch mehr Leute weglaufen, aber das mal nur nebenbei); und dass man infolgedessen relativ leicht einen Fuß in die Tür bekäme, deckt sich immerhin bis zu einem gewissen Grad mit meinen Erfahrungen. Dass meine Liebste und ich in Herz Jesu Tegel schon nach kurzer Zeit eine regelmäßige Veranstaltungsreihe (das "Dinner mit Gott") anbieten und bald darauf auch eigene Andachten gestalten durften, hatte zwar nicht unwesentlich damit zu tun, dass es damals in dieser Pfarrei einen Kaplan gab, der auf unserer Seite war, aber schon auch damit, dass Leute, die irgend etwas auf die Beine stellen, händeringend gesucht wurden. In den Lektorenkreis kam ich auch ohne Zutun des besagten Kaplans rein, im Lokalausschuss konnte sowieso buchstäblich jeder mitmachen, der Lust und Interesse hatte, und als ein paar Jahre später die Pfarrgemeinderatswahl anstand, war ich einer der wenigen Bewerber, die nicht erst zur Kandidatur überredet werden mussten. (Bezeichnenderweise hatte meine Liebste mit ihrer Kandidatur für den Kirchenvorstand weniger Erfolg: Im Kirchenvorstand wird das Geld der Pfarrei verwaltet, daher sind die Sitze dort begehrter und umkämpfter.) – Im Pfarrgemeinderat stellte ich allerdings bald fest, dass ich in meinem Marsch durch die Institution Pfarrei an eine Art gläserne Decke gestoßen war. 

Ich will hier wohlgemerkt nur insoweit über persönliche Erfahrungen sprechen, wie ich sie für verallgemeinerbar halte. Dass ich zwar in den Pfarrgemeinderat kam, dort aber nichts ausrichten konnte, da alle meine Initiativen abgeblockt wurden, spiegelt im Grunde nur wieder, wie das Establishment der Gemeinde auch sonst mit unseren diversen Aktivitäten umging. Es handelt sich um eine spezielle Form der Marginalisierung (für die es vielleicht einen Fachbegriff gibt, aber vielleicht müsste man den auch erst erfinden): Man bekommt eine Nische zugewiesen, innerhalb derer man relativ unbehelligt "sein Ding machen" kann, aber das Gemeindeleben außerhalb dieser Nische bleibt davon weitgehend unberührt. 

Ein weiterer Punkt, an dem ich Einwände gegen die Thesen des Redeemed Zoomer habe, betrifft die Mobilisierbarkeit der schweigenden Mehrheit. Der Einschätzung, dass es an der Basis der Gemeinden zahlreiche konservative Gläubige gebe, die auf der Leitungsebene schlichtweg unterrepräsentiert seien, stimme ich im Grundsatz und aus Erfahrung zu. Aber hat der Redeemed Zoomer sich mal gefragt, warum diese Gläubigen in den Leitungsgremien ihrer Gemeinden so unterrepräsentiert sind? Natürlich hat das damit zu tun, dass die "Progressiven" über allerlei Methoden verfügen, sicherzustellen, dass sie in den leitenden Positionen weitgehend unter sich bleiben; aber zu diesen Methoden gehört eben auch und nicht zuletzt die asymmetrische Mobilisierung, und die funktioniert gerade deshalb so gut, weil es für den Typus der "volkskirchlichen Konservativen" kennzeichnend ist, sich nicht mobilisieren zu lassen. Man könnte sicher allerlei darüber sagen, warum das so ist, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen – zumal ich in diesem Zusammenhang noch auf einen anderen Aspekt hinauswill: die allzu unhinterfragte Gleichsetzung von "konservativ" und "rechtgläubig". Ja, #sorrynotsorry, ich komme hier immer wieder auf die Unzulänglichkeit des Lagerdenkens zurück, ich kann's nicht ändern. Die Annahme, wenn man in einer Gemeinde Veränderungen anstoße, die auf eine Stärkung der Rechtgläubigkeit abzielen, müsste die konservative Basis der Gemeinde das gutheißen und unterstützen, verkennt, dass die "volkskirchlichen Konservativen" nicht selten tatsächlich in dem Sinne konservativ sind, dass sie überhaupt keine Veränderungen wollen – auch solche nicht, von denen man eigentlich annehmen würde, dass sie auch aus ihrer Sicht Verbesserungen wären. Auch dazu wieder etwas aus der persönlichen Erfahrung: In Herz Jesu Tegel haben meine Liebste und ich seitens der konservativen Gemeindebasis entschieden mehr offene Feindseligkeit erlebt als seitens der liberalen (haupt- wie ehrenamtlichen) Mitarbeiter bzw. Funktionäre, die eher darauf setzten, uns mittels der oben skizzierten "Nischenstrategie" einzubinden und zu neutralisieren. 

Zu den Tücken einer Kombination aus konservativer Gemeindebasis und liberaler Leitungsebene gehört es außerdem, dass der klassische Typus des "volkskirchlichen Konservativen" ein hohes Maß an Autoritätsgläubigkeit einschließt. Im Konfliktfall wird sich die "schweigende Mehrheit" in aller Regel auf die Seite der offiziellen Aurorität stellen, und das ist für sie in erster Linie nicht der Papst, der Katechismus oder die Bibel, sondern der örtliche Pfarrer. 

Noch einmal: Mit diesen Warnhinweisen möchte ich niemanden davon abhalten, sich in einer kriselnden Kirchengemeinde zu engagieren. Im Gegenteil, ich halte es für gut und notwendig, das zu tun. Selbst wenn man damit nicht mehr erreicht, als im obem beschriebenen Sinne "Nischen" innerhalb der Gemeinden zu schaffen, ist das schon besser als nichts; denn unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" werden wir solche Nischen noch dringend brauchen. Einige Anregungen dafür, wie man sich auch unter schwierigen Bedingungen ins Gemeindeleben einbringen kann, ohne an den Missständen zu verzweifeln, auf die man dabei trifft, habe ich schon vor Jahren in einem 6-Punkte-Programm gegen das Leiden an der Kirche formuliert, das man im Schlussteil eines Blogartikels mit dem Titel "Zu meckern gibt es immer was" nachlesen kann. Man merkt vielleicht, dass ich da noch etwas jünger und optimistischer war, aber im Prinzip finde ich das, was ich da geschrieben habe, immer noch richtig. 

Ein paar Kritikpunkte an dem "How and why to retake the Mainline Churches"-Video muss ich aber doch noch loswerden. Zunächst: Der Redeemed Zoomer betont, das Ansinnen einer rechtgläubigen Unterwanderung liberaler Kirchengemeinden sei nicht als feindliche Übernahme zu betrachten, sondern als Akt der Nächstenliebe; schließlich sei das, was man damit erreichen wolle, etwas Gutes, auch für diejenigen Menschen in diesen Kirchen, die anderer Meinung sind. Darin stimme ich ihm zu, habe aber den Eindruck, er verkennt, dass die Leute, die die Großkirchen vor Jahrzehnten aufs progressive Gleis gesetzt haben, ebenfalls dieser Auffassung waren. Damit will ich sagen: Sein Blick auf die linksliberale Unterwanderung der Großkirchen ist mir tendenziell zu sehr von Verschwörungsdenken geprägt. An einer Stelle spricht er sogar explizit davon, dass linke und säkularistische Kräfte, die die Kirche "von außen" nicht überwinden konnten, sich darauf verlegt hätten, sie von innen her zu zersetzen. Ich will nicht unbedingt bestreiten, dass es solche Elemente bewusster feindlicher Übernahme gegeben hat und immer noch gibt, aber im Ganzen halte ich das Verhältnis zwischen liberaler bzw. progressiver Theologie und Neuen Sozialen Bewegungen für erheblich komplexer. Nicht umsonst befasse ich mich seit einiger Zeit recht intensiv mit Dokumenten zur Kirchengeschichte seit dem II. Vatikanischen Konzil; davon wird in zukünftigen Artikeln noch öfter die Rede sein. 

Das mangelnde Verständnis für diese Komplexität bedingt auch die Schwäche des Arguments "Wenn die es geschafft haben, die Kirche von innen her umzukrempeln, warum sollten wir es dann nicht auch schaffen?": Hier verkennt der Redeemed Zoomer, wie extrem unterschiedlich die Voraussetzungen sind: Die Liberalisierung und Selbstsäkularisierung der Kirche(n) bedeutet(e) eine Angleichung an Trends der säkularen Gesellschaft, in der schließlich auch die Kirchenmitglieder mit mindestens einem Fuß stehen. Der Auftrag Christi an Seine Jünger, in dieser Welt zu leben und dennoch nicht von dieser Welt zu sein, bedeutet unter allen Umständen eine Zerreißprobe – jedoch desto mehr, je weiter die Anforderungen des Christseins und die Normen der säkularen Gesellschaft auseinanderdriften. Die Liberalisierungstendenzen in der Kirche kamen mit der Verheißung daher, diese Spannung abzubauen, indem sie die Normen des Christseins an diejenigen der "Welt" annäherten; und es ist kein Wunder, dass das zunächst einmal auf Viele attraktiv wirkte. (Auch wenn wir heute sehen, wie wenig nachhaltig diese Attraktivität war, weil Viele, die sich auf diesen Weg begaben, irgendwann an den Punkt kamen, sich zu sagen, noch einfacher wäre es, das mit dem Glauben und der Kirche gleich ganz sein zu lassen.) Dagegen würde eine geistliche Neuerweckung der Kirchengemeinden – sagen wir geradeheraus: eine Neuevangelisierung – die Spannung zwischen Kirche und Welt wieder erhöhen, würde mehr Glaubenstreue, mehr Hingabe, mehr Bereitschaft zum Martyrium (nicht zwingend im blutigen Sinne, aber in der ursprünglichen Wortbedeutung als "Zeugnis"/"Bekenntnis") erfordern. Und das ist naturgemäß weit schwieriger

Nun könnte man natürlich einwenden: "Okay, die Anderen haben die säkularen Gesellschaft auf ihrer Seite, aber sollten wir nicht davon ausgehen, dass wir dafür Gott auf unserer Seite haben?" Da sage ich: Allerdings; und es wundert mich offen gestanden, dass davon in diesem Video so wenig die Rede ist. Das ist jetzt vielleicht etwas zugespitzt formuliert, aber was ich damit meine, ist: So viel Potential ich auch in dem in diesem Video vorgestellten Konzept sehe, so sehr empfinde ich die Art, wie es vorgestellt wird, als allzu pragmatisch, allzu sehr auf Fragen von Machbarkeit und Funktionalität ausgerichtet statt auf Gebet, Gottvertrauen und darauf, sich der Führung des Heiligen Geistes anzuvertrauen. Und was mich als #BenOpper besonders wurmt, ist der starke Fokus auf die institutionelle Seite der Kirche – auf die finanziellen Ressourcen und den gesellschaftlichen Einfluss der etablierten Großkirchen, die Schulen, Universitäten und sozial-karitativen Einrichtungen, die man nicht den Lauen und Abweichlern überlassen dürfe. So gern ich dem jungen Mann (die Selbstbezeichnung "Zoomer" lässt darauf schließen, dass er nicht älter als Mitte 20 ist) grundsätzlich gute Absichten attestiere, scheinen mir seine Prioritäten an dieser Stelle doch fragwürdig. Als Korrektiv dazu kann ich nur immer wieder die Freiburger Konzerthausrede Papst Benedikts XVI. empfehlen: 

"Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muß die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von dieser ihrer Verweltlichung zu lösen und wieder offen auf Gott hin zu werden. [...]  Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben. 

Die Säkularisierungen – sei es die Enteignung von Kirchengütern, sei es die Streichung von Privilegien oder ähnliches – bedeuteten nämlich jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößt und wieder ganz ihre weltliche Armut annimmt. Damit teilt sie das Schicksal des Stammes Levi, der nach dem Bericht des Alten Testamentes als einziger Stamm in Israel kein eigenes Erbland besaß, sondern allein Gott selbst, sein Wort und seine Zeichen als seinen Losanteil gezogen hatte. [...] 

Es geht hier nicht darum, eine neue Taktik zu finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen. Vielmehr gilt es, jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht, eben dadurch, dass sie ihn ganz in der Nüchternheit des Heute lebt, ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheit ist." 

Ich finde, das ist jetzt ein schönes Schlusswort. Auf konkrete Einzelaspekte der Frage, was für Handlungsoptionen man als gläubiger Katholik unter den Bedingungen des Schmutzigen Schismas hat, wird ohnehin noch häufiger zurückzukommen sein. 


Donnerstag, 1. Juni 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #32

Frohe Pfingsten, liebe Leser! Zum abschließenden Hochfest des österlichen Festkreises gibt es allerlei zu berichten; gleichzeitig müssen wir aber auch nicht traurig sein, dass die Osterzeit nun vorbei ist, denn immerhin ist jetzt Herz-Jesu-Monat, Fronleichnam steht vor der Tür, und dann beginnt auch bald die Sommerferiensaison. Langweilig wird's also so bald nicht werden! – Schauen wir uns also mal an, was in der zurückliegenden Woche so los war und was demnächst ansteht... 

Pfingstliches 

Am Pfingstsonntag gingen wir ausnahmsweise mal in St. Afra im wenig idyllischen Stadtteil Gesundbrunnen zur Messe, wo das Institut St. Philipp Neri die außerordentliche Form des Römischen Ritus pflegt. Zuletzt waren wir dort Mitte März 2020, am letzten Tag vor dem großen Corona-Lockdown, gewesen. Seither hatten wir schon wiederholt überlegt, mal wieder dort zur Messe zu gehen; dafür, dass wir das jetzt tatsächlich einmal taten, bedurfte es dennoch eines besonderen Anlasses, aber den verrate ich später. – Dass wir nicht öfter dort sind, und das trotz der Tatsache, dass der Anfahrtsweg dorthin kürzer und unkomplizierter ist als nach Siemensstadt, hat zum Teil wohl auch damit zu tun, dass ich mich bei aller Sympathie für das Anliegen, die traditionelle Liturgie zu pflegen und am Leben zu erhalten, in dieser Form des Ritus doch nicht so recht "zu Hause fühle". So dauerte es auch diesmal ungefähr bis zum Gloria, bis ich das Gefühl einer gewissen Fremdheit und Desorientierung überwunden hatte und mich von der Feierlichkeit und Würde der Zelebration "mitnehmen" ließ. – Die vergleichsweise kleine Kirche St. Afra war mit schätzungsweise knapp 200 Messbesuchern gut gefüllt, und ich möchte behaupten, dass der Altersdurchschnitt der Anwesenden signifikant unter demjenigen lag, den man aus "normalen" Pfarrkirchen gewohnt ist. Außer uns waren noch mehrere weitere Familien mit kleinen Kindern da, und ich hatte den Eindruck, der Umstand, dass die Kinder nicht durchweg mucksmäuschenstill waren, wurde hier tendenziell als weniger störend empfunden, als wir es in anderen Gemeinden erlebt haben – was mir auf nicht ganz leicht erklärliche Weise irgendwie folgerichtig erschien. Jedenfalls galt das bis kurz vor Ende der Messe, als unser Jüngster aus der Bank entwischte, in Richtung Altarraum lief und von einer Mantilla-tragenden Frau in der ersten Reihe recht rabiat gestoppt wurde. Ermutigend war, dass nach der Messe mehrere Unbeteiligte auf uns zukamen, um uns zu versichern, dass sie das Verhalten der Dame inakzeptabel fanden. Diese selbst blieb allerdings uneinsichtig, als meine Liebste sie im Anschluss an die Messe ansprach. Nun, ich denke, meine Liebste wird diesen Vorfall noch selbst kommentieren, wenn sie mal dazu kommt, ihren angekündigten Blogartikel zum Thema "Mit kleinen Kindern im Gottesdienst" zu schreiben. 

Interessant war übrigens auch, dass direkt in der Bank vor uns eine Frau Platz nahm, die wir aus der Tegeler Pfarrei kannten: Sie war dort mal ehrenamtlich recht engagiert und hatte zeitweilig auch bei unserem Büchereiprojekt mitgearbeitet, sich dann aber schon einige Zeit vor uns mit der dortigen Gemeinde überworfen. Tja. 

Der konkrete Anlass dafür, dass wir gerade am diesem Pfingstsonntag in St. Afra waren, bestand indes darin, dass im Anschluss ein kleines, informelles Bloggertreffen stattfand. Thomas alias Dilettantus in interrete war in musikalischer Mission aus dem äußersten Westen der Republik nach Berlin gereist und hatte am Sonntag etwas Freizeit, Phil alias FingO – einer der ersten deutschsprachigen Katholen-Blogger überhaupt – gesellte sich ebenfalls dazu, und so ließen wir uns nach dem Kirchgang zunächst im Außenbereich einer, äh, stilechten Eckkneipe nieder... 


...und stärkten uns anschließend bei "Curry 65" am Bahnhof Gesundbrunnen. Schön war's – und ich glaube sagen zu können, dass die Herren Bloggerkollegen ausgesprochen entzückt von unseren Kindern waren. Das freut einen als Vater natürlich. 

Am Pfingstmontag gingen wir dann in St. Joseph Siemensstadt in die Messe. Liturgisch gesehen ist der Pfingstmontag ja, besonders in Deutschland, ein ganz sonderbares Zwitterwesen; diese Einschätzung genauer zu erläutern, ist hier wohl nicht der richtige Platz, aber zu den konkreten Auswirkungen dieser liturgischen Anomalie gehörte es zum einen, dass die Kirche so leer war, wie ich sie an Sonn- und Feiertagen sonst noch nie erlebt hatte, und zum anderen, dass es keinen Organisten gab – gesetzliche Feiertage gelten wohl auch für hauptamtliche Kirchenmusiker. Folgerichtig orientierte sich die Liedauswahl weitgehend daran, was man der Gemeinde zumuten konnte, ohne Begleitung zu singen. Als signifikante Ausnahme möchte ich das "Gloria" von Kathi Stimmer-Salzeder (GL Nr. 169) hervorheben. Wohlgemerkt, ich mag dieses Stück – es zählt definitiv zu meinen Favoriten unter den "moderneren" Gotteslob-Nummern, zumal es mehr nach Lobpreis klingt als nach NGL. Allerdings verliert das Lied für mein Empfinden viel von seinem Charme, wenn es zu schwerfälliger Orgelbegleitung vorgetragen wird; andererseits ist, wie man an diesem Pfingstmontag in Siemensstadt feststellen konnte, eine durchschnittliche Gottesdienstgemeinde ganz ohne Begleitung eben auch bzw. erst recht nicht in der Lage, dieses Lied rhythmisch korrekt zu singen. Mittendrin kam mir daher der Gedanke: Es gibt in dieser Gemeinde doch eine Trommelgruppe! Wieso spielt die nicht mal im Gottesdienst? – Ehrlich gesagt kann ich mir schon vorstellen, dass manch ein braver Kirchgänger nicht so begeistert von dieser Idee wäre, aber ich fände es durchaus mal reizvoll, und zumindest meine Tochter gibt mir recht. Sie hat nämlich mal an einem von der Leiterin der besagten Trommelgruppe angebotenen Workshop für Kinder teilgenommen und war begeistert (Ich übrigens auch). 

Nebenbei bemerkt saßen wir, auf ausdrücklichen Wunsch des Tochterkinds, ganz vorn, und ich darf zu Protokoll geben  dass die Kinder sich absolut vorbildlich benahmen; insbesondere der Kleine sang sehr engagiert, wenn auch etwas zeitversetzt, beim Antwortpsalm und beim Hallelujaruf mit. – Zu der Predigt des Pfarrvikars wären auch noch ein paar Worte zu verlieren, aber das verschiebe ich mal auf die Rubrik "Neues aus Synodalien"


Was sonst noch so los war und ansteht 

Am Montagnachmittag war "Omatag", aber nach dem Kirchbesuch aßen wir erst einmal bei "Köfte City" in Siemensstadt zu Mittag. Während wir die Speisekarte studierten, unterhielten das Tochterkind und ich uns über türkische Wörter, die wir aus dem Buch "Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich" (s.u.) kennen, und plötzlich hatte das Tochterkind einen Geistesblitz: "Jetzt weiß ich! Das hier ist ein türkisches Restaurant!" Schlaues Kind, nicht?

Mit den Omas trafen wir uns auf einem Spielplatz in Röntgental; am Rande dieses Spielplatzes gibt es auch einen öffentlichen Bücherschrank, aufgestellt von der Gemeinde Panketal; und wie die an den Außenseiten des Bücherschranks ausgehängten Benutzungshinweise zu erkennen geben, haben die Projektverantwortlichen recht präzise Vorstellungen davon, wie diese Einrichtung genutzt werden soll und wie nicht

Dazu, was genau man sich in Panketal unter "zeitgemäßer" Literatur vorstellt, mag es einen gewissen Ermessensspielraum geben, aber die Nonchalance, mit der pornographische und religiöse Inhalte auf eine Stufe gestellt werden, finde ich schon bemerkenswert. 

Am Mittwoch waren wir wieder beim JAM, und das war sehr gut: In der Kinderkatechese ging es um das Thema "Ewigkeit", und zum Abschluss wurde gegrillt. – Ereignisreich verspricht das kommende Wochenende zu werden: Am Samstag, dem Gedenktag des Hl. Karl Lwanga und Gefährten, ist die zweite Wichtelgruppen-Schnupperstunde, und anschließend gäbe es die Option, zum Kreutziger-Straßenfest ("Fiesta Kreutziga") zu fahren – da waren wir seit Jahren nicht mehr (abgesehen davon, dass es 2020 und '21 wegen Corona ausgefallen ist), aber "7 Jahre Punkpastoral" wären doch mal ein guter Anlass. Und am Sonntag ist in St. Stephanus "Familientag", da wollen wir auf jeden Fall hin. An Stoff für das nächste Wochenbriefing herrscht demnach offensichtlich kein Mangel...! 


Währenddessen in Tegel 

Der neue Pfarrbrief für die Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd ist da, und wie ich vermutlich schon mal erwähnt habe, ist das ein recht seltenes Ereignis: Dieser Pfarrbrief erscheint nur viermal im Jahr. – Die vier Pfarreien, die zu Beginn des laufenden Jahres zur Großpfarrei St. Klara fusioniert sind, hatten bereits seit Ende 2017 einen gemeinsamen Pfarrbrief, und in der Redaktion sitzen im Großen und Ganzen noch immer dieselben Leute wie "schon immer"; und aus der Zeit, in der ich versucht habe, in dieser Redaktion mitzuarbeiten – immerhin rund ein Jahr lang –, sind mir zwar nicht alle, aber doch einige dieser Damen durch eine Kombination von Inkompetenz und Eigendünkel in Erinnerung geblieben, die sich zu völliger Kritikresistenz verdichtete: Diese Leute hatten ebenso unreflektierte wie unerschütterliche Vorstellungen darüber im Kopf oder wohl eher im Bauchgefühl, was in einen Pfarrbrief hineingehört und was nicht, und bekannten sich offensiv zu der wohl insgesamt gar nicht so seltenen Auffassung, da sie diese Arbeit ehrenamtlich machten, habe ihnen da niemand reinzureden. Am Verblüffendsten fand ich immer ihre Ignoranz und ihr Desinteresse gegenüber religiösen Themen. Wieso man mit einer solchen Einstellung ausgerechnet einen Pfarrbrief redigiert und nicht irgendein anderes Vereinsblättchen, ist mir ein Rätsel – aber im Grunde sagt das wohl weniger über diese konkreten Personen aus als über die Strukturen der institutionellen Kirche. Leute, die mit dem ganzen "Glaubenskram" nicht so richtig viel am Hut haben, trifft man ja z.B. auch in Pfarrgemeinderäten an. Ich schätze, das ist ein Mysterium, dem man mal an anderer Stelle weiter nachspüren müsste; hier und jetzt möchte ich mich erst einmal auf ein paar Details aus dem aktuellen Pfarrbrief konzentrieren. 

Es handelt sich um die Ausgabe für Juni bis August, also die Sommerausgabe, und vielleicht muss man da wohlwollend in Rechnung stellen, dass die Mitarbeiter in Gedanken bereits in den Sommerferien sind. So gibt es als Editorial nicht, wie man an dieser Stelle hätte erwarten können, einen geistlichen Impuls von einem Mitglied des "Seelsorgeteams", sondern stattdessen einen nicht-so-geistlichen Impuls zum Thema Urlaub, verfasst von einer der ehrenamtlichen Redakteurinnen. Da liest man dann Sätze wie: "'Wirf deine Netzhäute aus, um zwischen den Wellen nach neuen Einsichten zu fischen!', schreibt Mona Harry in ihrem Poetry Slam" (S. 4). Dazu zwei Fragen: Wer ist Mona Harry, und seit wann schreibt man etwas in einem Poetry Slam? – Anscheinend hat die Verfasserin versucht, sich am Niveau der Social-Media-Präsenzen gewisser deutscher Bistümer zu orientieren, aber es geht auch noch viel blöder: Das Editorial schließt mit einem gereimten "Sommergruß", den ich hier in voller Länge zitieren möchte – das glaubt einem ja sonst kein Mensch. 

"Der Herrgott schuf für uns die Welt, 
sie ist mehr wert als jedes Geld. 
Er hat sie so für uns erdacht, 
dass sie uns große Freude macht. 

Wir können in die Welt rausfahren 
und dabei Folgendes erfahren: 
Neu Erlebtes gibt viel Kraft, 
dass man den Alltag wieder schafft. 

So könnte man auf Reisen gehen, 
um sich die Welt mal anzusehen. 
Doch ganz egal, ob fern, ob nah, 
Balkonien oder Afrika, 
die Hauptsache ist, 
dass du glücklich bist" (ebd.). 

Aber nun gut: Während derartige Bierzeitungslyrik einfach nur peinlich ist, fand ich ein anderes Detail in diesem Pfarrbrief sehr viel ärgerlicher. Auf S. 21 findet sich ein Bericht über die Aktivitäten des Fördervereins von Herz Jesu Tegel, in dem es u.a. heißt, der Verein habe "im März eine Kreuzweg- und im Mai eine marianische Andacht gestaltet"; und zu der Vokabel "marianisch" – von der man wohl annehmen kann, dass sie nur deshalb da steht, weil "im Mai eine Maiandacht" allzu redundant geklungen hätte – gibt es eine Fußnote mit einer "Anmerkung der Redaktion": 

"marianisch bedeutet 'Maria als Gottesmutter betreffend'. Die marianische Priesterbewegung unterstützt die konservative [!] Marienverehrung innerhalb der katholischen Kirche mit dem Ziel der Durchführung einer 'Neuevangelisierung der Welt' nach ihren [!] Glaubenssätzen." 

Zwar hat die Marianische Priesterbewegung mit der Maiandacht des Fördervereins Herz Jesu Tegel wohl kaum etwas zu tun, aber wovon man keine Ahnung hat, darüber kann man umso ungehemmter ins Blaue hinein assoziieren, mit ein bisschen Hilfe von Onkel Google und Tante Wikipedia, nehme ich an. Hauptsache, man hat im Sinne des guten alten bösen alten Lagerdenkens Haltung gegen die Konservativen und ihre Neuevangelisierungs-Bestrebungen gezeigt. (Nb.: Dass Neuevangelisierung als konservativ gilt, macht geradezu exemplarisch die Paradoxien des besagten innerkirchlichen Lagerdiskurses deutlich. Aber darüber rede ich mir ja ohnehin bei jeder Gelegenheit den Mund fusselig.) Das Dummdreiste an diesem Vorgehen zeigt sich übrigens besonders deutlich daran, dass die 2. Vorsitzende des Fördervereins, die diesen Bericht geschrieben hat, selbst der Redaktion angehört (quasi als Quoten-Konservative); aber diese Fußnote stammt mit Sicherheit nicht von ihr! 

Im Übrigen ist mir aufgefallen, dass der Förderverein nach wie vor das von meiner Liebsten designte Logo verwendet. Vielleicht sollte man da mal ein freundliches Gespräch über das Thema Urheberrecht führen. 


Neues aus Synodalien 

Einer der zu Recht berühmtesten Romananfänge der Weltliteratur dürfte derjenige von Charles Dickens' "A Tale of Two Cities" sein: "It was the best of times, it was the worst of times." Wie es scheint, hat sich der Bischof von Limburg, Georg Bätzing, von diesem und den daran anschließenden Dickens-Sätzen zu seiner Pfingstpredigt inspirieren lassen; ob er Dickens' Zeitanalyse – die in gewissem Sinne das vorwegnimmt, was man später "Dialektik der Aufklärung" nennen sollte – aber richtig verstanden hat, darf wohl infrage gestellt werden. So führt Bischof Bätzing aus: 

"Neueste Technologie geht Hand in Hand mit den ältesten Vorurteilen. Satelliten im All, Smartphones und ChatGPT in der Hand und in der Fußgängerzone Konflikte mit Messerstechereien. Impfstoffe neuester Machart, Hirnimplantate und Durchbrüche in der Krebsforschung und gleichzeitig uralte Verschwörungsmythen und Hassbotschaften. Wachsendes Bewusstsein für Schöpfungsverantwortung, während gleichzeitig mitten in Europa Städte bombardiert und andernorts demokratische Rechtsprinzipien ausgehöhlt und offen angegriffen werden." 

Dass er die genannten Phänomene als Beispiele dafür sieht, "dass wir nicht alle im selben Jetzt leben", offenbart, wie ich finde, ein sehr einseitiges und unreflektiertes Fortschrittsdenken: Auf der einen Seite sieht er das Neue als das uneingeschränkte Gute, woraus im Umkehrschluss folgt, dass das Schlechte, das er auf der anderen Seite sieht, als Relikt einer Vergangenheit verstanden wird, die eigentlich schon überwunden sein sollte. Zugespitzt gesagt heißt das, wer ChatGPT, "Impfstoffe neuester Machart" oder gar Hirnimplantate [!?] nicht uneingeschränkt positiv bewertet, beweist damit, dass er noch nicht in der Gegenwart angekommen ist, und ist somit irgendwie auch verantwortlich für Messerstechereien in der Fußgängerzone und dafür, dass "mitten in Europa Städte bombardiert" werden. Man mag darüber streiten, ob diese Argumentation perfide oder einfach nur dumm ist, aber ich neige dazu, es für eine sehr Bätzing-typische Mischung aus beidem zu halten. 

Kommen wir nun, wie bereits angekündigt, noch auf eine andere Pfingstpredigt zu sprechen, nämlich die, die ich am Pfingstmontag in St. Joseph Siemensstadt hörte. Zwar ist am Pfingstmontag die Predigt fakultativ und wird daher gern weggelassen, aber nachdem der Pfarrvikar am Pfingstsonntag in Falkensee zelebrieren "musste" (aufgrund eines kürzlich eingeführten "Rotationsprinzips" innerhalb der Großpfarrei, mit dem niemand so richtig glücklich zu sein scheint), war es ihm offenkundig ein Anliegen, auch der Gemeinde, deren Pfarrer er bis zur Pfarreifusion gewesen war, ein geistliches Wort zu sagen. Er leitete dies ein mit der Versicherung, er wolle "nur ganz kurz" predigen, und ich habe nicht auf die Uhr geschaut, um das zu kontrollieren; aber inhaltlich hatte diese Predigt mehr zu bieten, als man von manchen anderen Geistlichen im ganzen Kirchenjahr zu hören bekommt. Es ging um die Bedeutung des Pfingstfest im Verhältnis zu Ostern, vor allem aber um das Wesen und die Gaben des Heiligen Geistes. Und in diesem Zusammenhang kam die folgende bemerkenswerte Passage vor: "Ein Auto ist etwas anderes als ein Flugzeug. Ein Auto wälzt sich durch den Staub des Daseins und kann sich nur in zwei Dimensionen bewegen, es fährt nach rechts, es fährt nach links, es hält an. Ein Flugzeug erhebt sich auf den Flügeln des Glaubens in eine andere Dimension. Der Synodale Weg zum Beispiel, der ist ein Auto. Da sucht man nach funktionalen Lösungen, die der menschlichen Vernunft entsprechen, und kommt am Ende mit etwas heraus, wofür man Gott nicht mehr braucht. Das ist nicht die katholische Kirche. Die katholische Kirche ist ein Flugzeug." 

Ich würde sagen: Lassen wir das mal auf uns wirken. 


Was ich gerade lese 

Hier bin ich zunächst noch mein abschließendes Urteil über das Kinder- bzw. Jugendbuch "Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich" von Ayşe Bosse schuldig, und ich muss sagen: Es ist kompliziert. Ziemlich unmittelbar nach dem Punkt, an dem ich letzte Woche in meiner Besprechung stehengeblieben war – nämlich kurz nachdem die Familie in Hamburg angekommen ist und begonnen hat, sich einzuleben –, begann die Handlung des Romans mir erheblich besser zu gefallen als zuvor; man könnte sogar mit einigem Recht sagen, dass die Handlung an diesem Punkt erst richtig losgeht, und das ist natürlich erheblich zu spät. Um's noch etwas deutlicher zu sagen als im ersten Teil dieser Besprechung: Das komplette erste Drittel des Romans empfinde ich als grotesk misslungen und im Grunde unzumutbar. Danach geht's eigentlich. Ab dem 17. (!) Kapitel, in dem Pembo aufs Gymnasium kommt, gefällt es mir teilweise sogar ziemlich gut – wobei ich sagen muss, dass gewisse Ähnlichkeiten zum 7. "Lola"-Band, "Lola Schwesterherz" – in dem Lola auf die Gesamtschule kommt – einmal mehr unterstreichen, dass die "Lola"-Bücher einfach in einer anderen Liga spielen. – Aber wie dem auch sei: Gleich am ersten Schultag findet Pembo einen neuen Freund – den pummeligen Halbkoreaner und Science-Fiction-Nerd Paul – und eine neue Feindin – das zickige Modepüppchen Scarlett. An dieser Stelle ist übrigens auch ein Update zum Wokeness-Faktor des Buches fällig: Paul fragt Pembo nämlich – durchaus respektvoll und wohlmeinend –, ob sie trans sei (nicht in diesem Wortlaut, aber sinngemäß), wohingegen Scarlett ihr unterstellt, eine "Kampflesbe" zu sein. Da Pembo die erstere Frage entschieden verneint und zudem bekennt, gar nicht zu wissen, was eine "Kampflesbe" ist, kann man dem Buch wohl immer noch attestieren, dass der Wokeness-Faktor sich einigermaßen in Grenzen hält, aber beim Vorlesen habe ich mich dennoch veranlasst gesehen, die betreffenden Passagen leicht zu kürzen. – Ein zentrales Handlungselement besteht darin, dass Pembo sich mit Hilfe ihres neuen besten Freundes Paul allerlei einfallen lässt, um den neuen Friseursalon ihres Vaters vor der drohenden Pleite zu retten; auch das erinnert natürlich wieder an die "Lola"-Reihe, präzise gesagt an "Lola in geheimer Mission", und erneut gilt es zu betonen, dass das Buch an dieses Vorbild nicht annähernd heranreicht. Wenn man es hingegen unterlässt, Vergleiche zu ziehen, kann man durchaus anerkennen, dass die Handlung ihre originellen, lustigen und zuweilen auch anrührenden Momente hat. Alles in allem ergibt sich der leicht paradoxe Befund, dass ich das Buch im Rückblick bedeutend besser finde, als ich es während der Lektüre fand. Mir gefällt auch, dass man mit diesem Buch ein bisschen Türkisch lernen kann: Nicht nur gibt es auf den letzten Seiten einen Glossar mit türkischen Vokabeln, sondern auch jedem einzelnen Kapitel ist eine Übersicht über die darin vorkommenden türkischen Wörter und Redewendungen vorangestellt. 

Nachdem wir mit "Pembo" durch waren, kam als nächstes "Abenteuer im Wunderwald – Das kleine Eichhörnchen und die Meerjungfrau" von J.S. Betts an die Reihe. Das kriegten wir allerdings innerhalb von nur zwei Abenden durch. Es hat gewisse Ähnlichkeit mit der "Mariella Meermädchen"-Reihe, ist aber noch erheblich simpler gestrickt und, offen gesagt, banaler. Als nächste Bettlektüre wollte ich dem Tochterkind eigentlich "Ronja Räubertochter" vorschlagen, konnte das Buch aber im Regal nicht finden und ließ das Kind daher zwischen "Kalle Blomquist", "Mein Urgroßvater und ich" von James Krüss und "Benjamin Blümchen – Das Buch zum Film" wählen. Die Entscheidung fiel auf "Kalle Blomquist"; darauf werde ich dann wohl nächste Woche näher eingehen. 


Aus dem Stundenbuch 
Als der Herr den Jüngern die Vollmacht gab, das Sakrament der Wiedergeburt für Gott zu spenden, sprach er zu ihnen: "Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Durch die Propheten hatte er versprochen, er werde in den letzten Tagen auf seine Knechte und Mägde den Heiligen Geist ausgießen, sodass sie weissagen würden. Darum kam er auch auf den Sohn Gottes herab, der Menschensohn geworden war. Lukas erzählt, dieser Geist sei nach der Himmelfahrt an Pfingsten auf die Apostel herabgekommen mit der Macht, allen Menschen den Eingang zum neuen Leben und in den Neuen Bund zu öffnen. Da sangen sie auch in allen Sprachen mit einem Mund ein neues Lied. Wie ja aus dem trockenen Weizen kein Teig und kein Brot werden kann ohne Feuchtigkeit, so könnten auch wir viele nicht eins werden in Christus Jesus ohne das Wasser, das vom Himmel kommt. Und wie die trockene Erde ohne Feuchtigkeit keine Frucht bringt, so ist es auch mit uns: Niemals könnten wir ohne den frei von oben gespendeten Regen das Leben als Frucht erhalten. Unsere Leiber haben durch das Bad der Taufe die Einheit empfangen, die zur Unvergänglichkeit führt; unsere Seelen erhielten sie durch den Geist. Der Geist Gottes kam auf den Herrn, "der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht". Ihn gab Christus auch der Kirche. Darum brauchen wir den Tau des Herrn, damit wir nicht vom Feuer verzehrt und unfruchtbar werden, damit wir da, wo der Ankläger auftritt, einen Beistand haben. 
(Irenäus von Lyon, Die Sendung des Heiligen Geistes)

Ohrwurm der Woche 

Anton Svoboda feat. Joy Fackler: "Sei willkommen hier" 


Wie schon in der Osteroktav gilt auch in der Pfingstoktav (auch wenn es die laut der 1969 in Kraft getretenen Grundordnung des Kirchenjahres eigentlich nicht mehr gibt – aber wir haben Pfingsten ja heuer nach dem Messbuch von 1962 gefeiert): Manchmal muss es in dieser Rubrik einfach Lobpreis sein. 


Blogvorschau 

Die jüngste Artikelthemen-Umfrage hat, wenn man die Ergebnisse von Facebook und Twitter zusammenrechnet, ein recht eindeutiges Ergebnis erzielt: Knapp 47% aller angegebenen Stimmen entfielen auf den Themenvorschlag "Hol dir deine Kirche zurück!", folglich habe ich die Arbeit an diesem Artikel auch sogleich aufgenommen. Auf Platz 2 landet mit glatten 25% (und somit deutlichem Abstand in beide Richtungen) "Der Traum von der erneuerten Gemeinde"; die restlichen Prozente verteilen sich fast gleichmäßig auf die beiden anderen Themenvorschläge, "Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus" landet mit nur einer Stimme Vorsprung vor "Shopping-Queens und Horsefluencerinnen" auf Platz 3. 

Daneben und zwischendurch muss ich aber natürlich auch noch die laufenden Artikelserien weiterführen, und hier hat – Fans der eingekerkerten Nonne müssen jetzt ganz tapfer sein – "God Gave Rock'n'Roll to You" derzeit die oberste Priorität. Mal sehen, was mir dazu so einfällt. Ebenfalls demnächst in Angriff nehmen will ich ein Dossier zum Thema "Warum eigentlich 'Punkpastoral'?". Und dann sehen wir mal weiter!