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Donnerstag, 4. Juni 2015

Vorsicht! Freilaufende Katholiken!

Der Tagesspiegel, das Berliner Pflichtblatt für gutbürgerliche Linksliberale, präsentierte seinen Lesern in seiner gestrigen Ausgabe eine erstaunliche Sicherheitswarnung für den heutigen Tag: 


Das klingt dramatisch; nicht umsonst erscheint der Artikel in der Rubrik Polizei & Justiz. - Was aber fällt den Katholiken, diesem sonderbaren Volk, ein, sich zu Tausenden zusammenzurotten? Der Tagesspiegel klärt auf: Es ist Fronleichnam, "das 'Hochfest des Leibes und Blutes Christi'". "In katholischen Bundesländern ist Fronleichnam ein offizieller Feiertag, in Berlin muss am Donnerstag ganz normal gearbeitet werden." Empörend! Aber damit nicht genug: "Trotzdem (!) wollen sich Berlins Katholiken am Donnerstagabend versammeln, um das Fest zu begehen". Frechheit! Kann man dagegen denn gar nichts tun? 

Man muss den Hut ziehen davor, wie der Tagesspiegel es schafft, mit einer so kurzen Meldung sämtliche seit dem 19. Jh. verbreiteten antikatholischen Ressentiments zu aktivieren. Es fehlt im Grunde nur der Hinweis, anständige Berliner Bürger sollten heute zwischen 18 und 21 Uhr ihre Kinder nicht auf die Straße lassen - und die Wäsche von der Leine nehmen. Punktabzüge gibt's allerdings bei der Bebilderung. Ob man zum Thema "Fronleichnam in Berlin" aus unerfindlichen Gründen kein brauchbares Archivmaterial hatte oder ob man die Fremdheit, ja Exotik des Katholizismus noch besonders unterstreichen wollte: Das Foto zum Tagesspiegel-Artikel zeigt eine Fronleichnamsprozession im oberbayerischen Seehausen am Staffelsee. Noch schöner wird's, wenn man den Artikel in den Sozialen Netzwerken teilen will; dann erscheint als Vorschaubild nämlich ein Foto, das zwar eindeutig in Berlin (nämlich vor dem - evangelischen - Berliner Dom) aufgenommen wurde, das aber definitiv keine Fronleichnamsprozession zeigt: Zu sehen sind dort vielmehr evangelische Geistliche in Talar und Beffchen, darunter auch Frauen; und die tragen (natürlich) keine Monstranz mit dem Allerheiligsten, sondern ein großes Kreuz. Das üben wir nochmal, Tagesspiegel

Übrigens ist es durchaus kein Wunder, dass das Hochfest des Leibes und Blutes Christi in Berlin, einer ehemals protestantischen, in neuerer Zeit zunehmend religionslosen Metropole, auf Unverständnis stößt. Die Protestanten hatten schon immer ein gespanntes Verhältnis zu diesem im 13. Jh. durch eine Vision der Hl. Juliana von Lüttich angeregten, im Jahr 1264 von Papst Urban IV. gesamtkirchlich eingeführten Feiertag; so schrieb Martin Luther: 
"Ich bin keinem Fest mehr feind als diesem. Denn es ist das allerschändlichste Fest. An keinem Fest wird Gott und sein Christus mehr gelästert, denn an diesem Tage und sonderlich mit der Prozession. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man's nur zum Schauspiel umträgt und eitel Abgötterei damit treibet. [...] Darum hütet euch vor solchem Gottesdienst!" 
So kann man es in der Wikipedia nachlesen; wäre das nicht auch etwas für den Tagesspiegel gewesen? - Tante Wiki  fährt sodann fort, das Konzil von Trient habe das Fronleichnamsfest "gleichsam zu einer gegenreformatorischen Demonstration" ausgebaut; "[a]ls Reaktion darauf" sei es "in manchen gemischt-konfessionellen Gebieten (etwa der Schweiz) üblich" geworden, "dass die protestantischen Bauern als Provokation den Mist gerade an Fronleichnam auf die Felder ausbrachten". Polemisch könnte man anmerken, es sei diesem Brauch des Mistausbringens an Fronleichnam durchaus vergleichbar, dass die EKD ausgerechnet in dieser Woche ihren Kirchentag feiert... Aber keine Bange, die Katholiken schlagen zurück: Just am heutigen Abend findet in der Stuttgarter Domkirche St. Eberhard ein Nightfever Special statt - laut Website explizit unter dem Motto "Nightfever Stuttgart auf dem Evangelischen Kirchentag" - tatsächlich aber wohl nicht minder aus Anlass des Hochfestes des Leibes und Blutes Christi. Schließlich ist ein zentrales Element von Nightfever die Eucharistische Anbetung

Aber lassen wir mal Stuttgart Stuttgart sein, da komme ich noch früh genug hin. Heute Abend geht es erst einmal auf den Gendarmenmarkt. Sind eigentlich irgendwelche Gegendemos angemeldet? -- Ich werde berichten. 

2 Kommentare:

  1. Die evangelischen Glocken haben geläutet, während der katholische Chor sang und die katholischen Posaunen spielten. Langt das für den Begriff "Gegendemonstration"?

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    1. Und es gab ein Hupkonzert während der Kommunion...

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