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Samstag, 3. Februar 2024

Creative Minority Report Nr. 15

Saludos, liebe Freunde und Fans des Wochenbriefings! Hinter mir liegt eine aus unterschiedlichen Gründen (mehr dazu unter "Was bisher geschah") recht chaotische und anstrengende Woche, in der ich längst nicht so viel geschafft habe, wie ich eigentlich vorgehabt hatte. Folglich gibt es in diesem Wochenbriefing im Vergleich zu den vorigen Wochen deutlich weniger Neuigkeiten aus der lokalen Basisarbeit, aber andererseits hatte ich dadurch mal wieder Platz für die Rubrik "Neues aus Synodalien". – Zu den Dingen, die ich nicht geschafft habe, gehört auch, ein sowohl inhaltlich aussagekräftiges als auch optisch ansprechendes Vorschaubild aufzunehmen; aber den Anblick, der sich mir bot, als ich heute morgen ins Bad kam, möchte ich euch nicht vorenthalten – zumal er mir auch irgendwie symbolträchtig vorkommt. 


Was bisher geschah 

Zunächst: Zur ersten Community Networking Night des Jahres im Baumhaus gingen wir nicht, auch nicht ich alleine, wie ich zwischenzeitlich erwogen hatte; es passte zeitlich einfach nicht. Nächstes Mal – heute in drei Wochen – will ich aber unbedingt hin, zumal ich etwas zur Rubrik "News You Can Use" beizutragen habe, aber was, das verrate ich erst, wenn's soweit ist. Was wir ebenfalls nicht schafften, war, am Sonntag früh genug aufzustehen, um in St. Stephanus Haselhorst zur Messe und anschließend zum "Familienbrunch" zu gehen; stattdessen gingen wir, wie meistens, in St. Joseph Siemensstadt zur Messe – dazu weiter unten mehr. Der Montag gestaltete sich für mich unerwartet anstrengend: Beide Kinder hatten Magen-Darm-Beschwerden, was dazu führte, dass die Große nicht zur Schule konnte und der wöchentliche Omatag ausfiel; und meine Liebste hatte Dienstberatung und dadurch erheblich später Feierabend als an einem normalen Arbeitstag. Den Kindern ging es ab dem frühen Nachmittag schon wieder besser, und ich wäre gern mit ihnen raus gegangen, z.B. auf einen Spielplatz; aber wir erwarteten die Lieferung eines neuen Handys für meine Liebste, nachdem bei ihrem alten Gerät das Display den Dienst quittiert hatte und eine Reparatur aller Wahrscheinlichkeit nach teurer geworden wäre als eine Neuanschaffung. Als dann irgendwann nach 17 Uhr der Zusteller eines namhaften Versandunternehmens bei uns klingelte, aber lediglich eine Hülle für das neue Handy, nicht aber dieses selbst lieferte, war ich reichlich frustriert, dafür so lange mit den Kindern zu Hause ausgeharrt zu haben. Zu allem Überfluss hätte ich an diesem Tag eigentlich den ersten Beitrag für meine neue Kolumne in der Tagespost schreiben wollen. (Jawohl, Leser: Ich habe jetzt eine eigene Kolumne in der Tagespost! Aber erst mal weiter im Text.) In Gedanken hatte ich meinen Beitrag, wie ich meinte, schon ziemlich gut vorbereitet, aber mich mal in Ruhe an den Computer zu setzen und ihn tatsächlich zu schreiben, war unter den gegebenen Umständen annähernd unmöglich. – Nachdem meine Liebste nach Hause gekommen war und wir zu Abend gegessen hatten, schaffte ich es dann doch noch noch, ungefähr die Hälfte des Artikels in den Computer zu tippen, den Rest erledigte ich am Dienstag ganz früh, bevor die Kinder aufwachten – und nachdem ich über Nacht noch einen zündenden Einfall für den Mittelteil gehabt hatte. Tja: das Wunder der Deadline. Schreibaufträge erst in letzter Minute zu erledigen, entfesselt nicht selten eine ganz eigene Dynamik. Ich bin jedenfalls mehr als zufrieden mit dem Ergebnis: Den Katholikentag von 1968, ChatGPT, den Club der Toten Dichter, Emma Braslavskys "Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten" und natürlich die #BenOp in nur rund 3.000 Zeichen miteinander zu verknüpfen, das soll mir erst mal einer nachmachen. Oder vielleicht lieber nicht. 

Weniger erfreulich war, dass das Magen-Darm-Virus, nachdem es die Kinder nur vergleichsweise kurz geplagte, anschließend die erwachsenen Familienmitglieder erwischte. Bei meiner Liebsten ging es am Dienstagnachmittag los, bei mir in der Nacht zu Mittwoch. Das war umso ärgerlicher, als ich am Donnerstag eigentlich mit den Kindern in den Tierpark hätte gehen wollen (da die Große schulfrei hatte). Wir fanden aber eine gute Lösung, dank der sich obendrein der am Montag ausgefallene Omatag in anderer Form nachholen ließ: Gegen Mittag holte die eine Oma die Kinder bei uns ab und ging mit ihnen ins Naturkundemuseum, wo sie sich allem Anschein nach prächtig amüsierten; und gegen Abend lieferte sie sie wieder zu Hause ab. Derweil durfte ich mich ausruhen und war am Freitag wieder weitestgehend fit; wozu ich diesen Umstand nutzte, ist ganz am Ende der Rubrik "Zweimal Lichtmess" nachzulesen... 

Ich wäre dann der Bär, der sich nur mit knapper Not auf dem Rücken des Einhorns halten kann. 

Was ansteht 

Für meine Familie und mich ist es mal wieder an der Zeit, Berlin für ein paar Tage den Rücken zu kehren: In Berlin und Brandenburg sind, wie übrigens auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, kommende Woche Winterferien, und das ist immer eine günstige Gelegenheit, an einem Ort, an dem gerade keine Ferien sind, preiswert Urlaub zu machen. Es sind zwar nur fünf Tage einschließlich Hin- und Rückfahrt, aber ich freu mich drauf. Ich hoffe nur, dass wir dann alle gesund sind... 


Zweimal Lichtmess 

Als wir am Sonntag knapp rechtzeitig zur Messe in St. Joseph Siemensstadt eintrafen, fielen mir die zahlreichen vor dem Altar aufgebauten Kerzen auf, und da fiel mir wieder ein, dass am vorigen Sonntag in den Vermeldungen die Rede davon gewesen war, die äußere Feier des Festes der Darstellung des Herrn (volkstümlich Mariä Lichtmess), dessen regulärer Termin am 2. Februar (40 Tage nach Weihnachten) ist und somit dieses Jahr auf einen Freitag fällt, werde auf den Sonntag vorverlegt. Ich neige in solchen Fällen immer dazu, mich zu fragen, ob das eigentlich zulässig ist, aber da ich das nun mal nicht weiß, will ich nichts Gegenteiliges unterstellen. 

Zelebriert wurde die Messe vom Krankenhausseelsorger, und vermutlich mit Rücksicht darauf, dass die Lichterweihe einige Zeit in Anspruch nahm, predigte er nur sehr kurz, nicht einmal fünf Minuten lang; inhaltlich ging diese Predigt kaum über eine ausgeschmückte Nacherzählung des zuvor gehörten Evangeliums hinaus. Gut gefiel mir, dass der Prediger einen Bezug zum Stundengebet herstellte – indem er darauf hinwies, dass der Lobgesang des Simeon (Lk 2,29-32) zentraler Bestandteil der Komplet, des Gebets zum Tagesabschluss, sei. Schade war daran allerdings wiederum, dass er lediglich erwähnte, das Stundengebet sei für Kleriker und Ordensleute vorgeschrieben, nicht aber, dass das II. Vatikanische Konzil das Stundengebet auch für Laien empfiehlt (vgl. Sacrosanctum Concilium Nr. 100). 

Erwähnen möchte ich außerdem, dass dieser Priester bisher in jede Predigt, die ich von ihm gehört habe – okay, das waren nur vier, von denen obendrein zwei nahezu identisch miteinander waren –, ein Frage-und-Antwort-Spiel mit den in einer der ersten Bankreihen versammelten Erstkommunionkindern eingebaut hat; wozu ich generell sagen würde: Kann man machen, wenn man's KANN. In seinem Fall wirkt es schon deshalb etwas peinlich, weil seine Bemerkung zum Ende der Schulferien vor ein paar Wochen ja recht deutlich gezeigt hat, dass es mit seiner ostentativen Kinderfreundlichkeit tatsächlich nicht gar so weit her ist. Was diese Bemerkung außerdem noch gezeigt hat, war, dass er zu der nicht gerade seltenen Gattung von Priestern gehört, die im eigenen Interesse gut daran täten, in der Messe über das hinaus, was im Messbuch steht, möglichst wenig zu reden. Beides zeigte sich auch diesen Sonntag wieder. So war es ohne Frage nett, dass er in seinen Schlussbemerkungen die beiden neuen Ministranten lobend erwähnte; und zweifellos lag es nahe, dass er bei dieser Gelegenheit den Erstkommunionkindern nahelegte, sie sollten sich überlegen, ob sie nicht auch Ministranten werden wollten. Dass er dies aber allen Ernstes mit dem "Argument" untermauerte "Dann ist die Messe für euch nicht mehr ganz so langweilig", löste bei mir dann doch zwanghaftes Augenrollen aus. 

– Ich bin mir nahezu sicher, es schon mehr als einmal gesagt zu haben, aber: Kindern zu suggerieren, die Heilige Messe (oder "Kirche" überhaupt) sei für sie langweilig, ist eine self-fulfilling prophecy. Von Natur aus neigen Kinder nicht dazu, sich zu langweilen – sehr viel weniger als Erwachsene. Grundsätzlich besitzen sie die Fähigkeit und Bereitschaft, alles interessant interessant zu finden; dass es Dinge gebe, die für sie uninteressant seien, weil sie Kinder seien, ist eine Idee, auf die sie von allein nicht kämen, das wird ihnen von Erwachsenen beigebracht, oft übrigens in der Schule (abermals ein Grund zur Freude darüber, dass die Schule, die unser Tochterkind besucht, nicht so ist). Aber nicht nur dass es Dinge gibt, die angeblich langweilig seien, lernen Kinder von Erwachsenen, sondern auch welche Dinge das sind, schauen sie sich von den Erwachsenen ab. Wenn sie sehen, dass die Erwachsenen etwas interessant finden, finden sie es in der Regel auch interessant. Und nun kann man sich wohl an den Fingern abzählen, was es bedeutet, wenn Kinder ausgerechnet von einem Priester gesagt bekommen, die Messe sei langweilig. – 

Dazu passte übrigens eine weitere Äußerung des Zelebranten, von der ich nicht recht einsehen kann, warum er sie sich nicht verkneifen konnte: Kurz vor dem Schlusssegen streute er die Bemerkung ein, die beliebtesten Plätze in der Kirche seien offenbar immer die hinteren Bankreihen, ubd fügte hinzu: "Wenn ich nicht hier vorne stehen müsste, würde ich wohl auch lieber weiter hinten sitzen." Ernsthaft? 

Am gestrigen Freitag war nun nicht nur der eigentliche Termin von Mariä Lichtmess, sondern obendrein Herz-Jesu-Freitag und der erste Tag der Novene zu Unserer Lieben Frau von Lourdes, daher war es mir mehr als recht, dass mein Jüngster schon morgens erklärte, nachdem wir seine Schwester zur Schule gebracht hätten, wolle er erst Saft kaufen und dann zur Kirche. Ungefähr so machten wir es dann auch: Am späten Vormittag, eigentlich schon reichlich spät für die Terz, aber noch etwas zu früh für die Sext, kehrten wir in St. Joseph Tegel ein, zündeten jeder eine Opferkerze an und hielten anschließend eine schöne Lobpreisandacht ab, an die ich zur Feier des Tages noch die Herz-Jesu-Litanei aus dem Gotteslob dranhängte. Aber damit nicht genug: Nach dem Abendessen gab es bei uns zu Hause endlich mal wieder eine Familien-Gebetszeit, und zwar zur Lourdes-Novene. Ebenfalls mit Lobpreismusik. Ich glaube sagen zu können, dass diese gemeinsame Gebetszeit der ganzen Familie ausgesprochen gut tat; am Ende verlangte der Jüngste sogar eine Lied-Zugabe. Wir sollten das wirklich öfter machen --- und vielleicht ist die Lourdes-Novene ja genau der richtige Anlass dafür... 


Neues aus Synodalien: In Olm, om Olm ond om Olm herom 

Der Südwestdeutsche Rundfunk berichtet, die Bewegung Maria Zwonull habe ihre erste eigene Gemeinde gegründet. Im Ernst? Nein, in Nieder-Olm. Was ja schon mal ein prachtvoller Ortsname ist. Habe ich Leser in Nieder-Olm? Oder wenigstens Leser, die schon mal da waren? So ganz werde ich aus der Meldung des SWR nämlich nicht schlau. 

"Eigentlich wollte die Reformgruppe Maria 2.0 in Nieder-Olm die römisch-katholische Kirche verändern", heißt es da zunächst. "Doch nun haben die Frauen genug. Sie wollen einen neuen Weg gehen, eine eigene 'Gemeinde' gründen." Eine Sprecherin der Initiative wird zitiert: "Es ergibt einfach keinen Sinn mehr, sich weiter an der Kirche und ihren Bischöfen abzuarbeiten." Interessant ist daran ja Verschiedenes, nicht zuletzt in Hinblick auf das schon mehrfach festgestellte Phänomen, dass das "progressive Lager" mit den Ergebnissen des Synodalen Weges nicht so recht glücklich zu sein scheint. Nun wäre es ja eine Sache, zu sagen "Das, was auf dem Synodalen Weg erreicht wurde, genügt uns noch nicht, deshalb müssen wir weiterkämpfen!"; aber tatsächlich scheinen gerade auf dem radikalsten Flügel der Kirchendeformierer die Reaktionen eher in Richtung "Das hat alles nichts gebracht, jetzt schmeißen wir alles hin" zu gehen. Das gibt doch zu denken. 

Aber schauen wir mal weiter: "Viele Jahre", so heißt es, hätten die Zwonullerinnen aus Nieder-Olm "gegen die veralteten Strukturen in der römisch-katholischen Kirche protestiert. Mit Streiks, mit Kundgebungen mit provokanten Aktionen auf dem Rosenmontagszug in Mainz und auf dem Fastnachtsumzug in Nieder-Olm. Alles ohne Erfolg", wie die Sprecherin der örtlichen Zwonullgruppe, Andrea Keber, klagt – wobei ich mich unwillkürlich frage, was für eine Art von "Erfolg" man denn da hätte erwarten sollen oder können. Ein paar Frauen aus Nieder-Olm verkleiden sich im Fasching als Päpstinnen, und prompt dankt die gesamte kirchliche Hierarchie ab und macht den Weg frei für eine gendergerechte, LGBT-affirmierende, basisdemokratisch von Laien geführte Wohlfühl-Glaubensgemeinschaft? Oder wie? 

"Die Frauen von Maria 2.0 in Nieder-Olm wollen jetzt nicht mehr warten, bis die Kirche irgendwann einmal etwas ändert", heißt es weiter. "Sie wollen nun als 'eigene Gemeinde' aktiv werden. 'Gemeinde ist für uns das, was Menschen vor Ort brauchen. Die auf der Suche sind nach etwas, das ihnen Kraft gibt – ohne dass die katholische Kirche als Aufpasser hinten dran steht.'" Über das Kirchenbild, das aus dem letzten Nebensatz spricht, ließe sich zweifellos einr ganze Menge sagen; man kann es aber natürlich auch lassen. Schauen wir uns lieber mal an, was den Leuten, die "der Suche sind nach etwas, das ihnen Kraft gibt", konkret geboten werden soll: "Neben Gottesdiensten werden den Menschen auch ganz weltliche Veranstaltungen geboten, zum Beispiel Sommerfeste, Weinproben oder Yoga-Kurse." Aha, und was ist mit Qi Gong? – Ganz in Ernst, ich würde mal sagen, dieses "Programm" unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was einem landauf, landab in vielen "ganz normalen" katholischen Pfarrgemeinden geboten wird. Diesen Punkt halte ich für alles andere als banal. Ich hatte schon häufiger den Eindruck, die Zwonullerinnen und vergleichbare Gruppen protestieren gegen Zustände in der Kirche, von denen sich manch ein sogenannter "konservativer" Katholik wünschen würde, dass es sie in Wirklichkeit gäbe. Womöglich ist auch genau das eine Erklärung dafür, dass die Damen so frustriert sind und mehr und mehr dazu neigen, alles hinzuschmeißen und aus der Kirche auszutreten: Da, wo sie ihre Basis und ihr Unterstützerumfeld haben, nämlich in ohnehin schon sehr "verweltlichten" post-volkskirchlichen Pfarrgemeinden, gibt es für sie nichts mehr zu erreichen, weil im Großen und Ganzen schon alles so ist, wie sie es haben wollen; und über diese Ebene hinaus reicht ihr Einfluss nicht. 

Beim ersten Überfliegen des Artikels war ich übrigens an einem größer gedruckten Zwischentitel hängen, wiederum einem Zitat der Nieder-Olmer Zwonull-Sprecherin Andrea Keber: "Letztendlich geht es darum, dass das eine Kirche ist, die nicht auf der Basis der Botschaft Jesu basiert." Na, dachte ich, das ist ja mal eine bestechend ehrliche und realistische Selbsteinschätzung. Aber Spaß beiseite, natürlich kann man sich schon denken, dass sie mit diesen Worten nicht ihren eigenen Verein, sondern die katholische Kirche zu beschreiben beabsichtigt. Der Frage, woher die Vorstellung eines grenzenlos toleranten, allzeit nachsichtig lächelnden Blümchen-Jesus (denn eine solche bildet ja für gewöhnlich den Hintergrund für die Behauptung, die katholische Kirche sei in Lehre und Praxis nicht "jesuanisch") eigentlich kommt, sollte man vielleicht mal systematisch nachgehen; was ich mich dabei aber auch frage, ist, ob es den Leuten gar kein Kopfzerbrechen bereitet, dass dieses Jesusbild so wenig Ähnlichkeit mit dem Jesus hat, den das Christentum seit fast 2000 Jahren als den Christus verkündet – oder anders ausgedrückt: wie sie es sich erklären, dass es fast 2000 Jahre gedauert hat, bis jemand die Botschaft Jesu ihrer Meinung nach richtig verstanden hat. Aber ich ahne schon, wie hier die Antwort lautet: Das liegt daran, dass die Kirche die ganze Zeit hindurch die Leute manipuliert und in die Irre geführt hat, um Macht über sie zu gewinnen. Merke: Verschwörungstheorien sind nur dann pfui und bäh, wenn sie aus einer unerwünschten Richtung kommen. 

Bleiben wir aber mal beim SWR-Bericht über dir Zwonull-Gemeindegründung in Nieder-Olm – und kommen hier zu dem Punkt, aus dem ich, wie oben angedeutet, nicht schlau werde: Gegen Ende heißt es da nämlich: "Eine echte Gemeinde, parallel zur bestehenden katholischen Kirchengemeinde, haben die Frauen [...] nicht gegründet" (Hervorhebung von mir). Ja wie, jetzt doch nicht? Widerspricht der Artikel damit nicht seiner eigenen Überschrift? Und vor allem: Was soll das Ganze dann? Auch ein als Video in den Artikel eingebettetes Interview mit Andrea Keber schafft hier keine wirkliche Klarheit (auch wenn es in anderer Hinsicht durchaus interessant und vielsagend ist; eventuell könnte es sich lohnen, darauf in einem gesonderten Blogartikel zurückzukommen). Im Text des SWR-Artikels liest man: "Vor der katholische Kirche im Stadtkern von Nieder-Olm hängt [...] ein großes Banner. 'Bei uns sind ALLE willkommen' heißt es darauf." Wohlgemerkt: vor der katholischen Kirche des Ortes, nicht etwa vor einem von der neuen Maria-Zwonull-Gemeinde angemieteten Ladenlokal oder Lagerhaus. Sowohl im Video als auch auf einem Foto am Kopf des Artikels ist dieses Transparent zu sehen, und bei der Kirche, an der sie hängt, handelt es sich definitiv um die barocke Kirche St. Georg, die zum Bistum Mainz gehört. Ist das Ganze also doch wieder nur eine öffentlichkeitswirksame Protestaktion, eine symbolische Inbesitznahme? Aber was wird dann aus den Weinproben und Yoga-Kursen? Oder wollen die Damen mit ihrer Aktion ausdrücken, dass die Gemeinde de facto bereits "ihnen gehört"? Das würde ja dazu passen, was ich weiter oben geschrieben habe, aber was ist dann mit der Aussage, sie wollten "ohne [...] die katholische Kirche als Aufpasser" agieren? Haben sie die Kirche besetzt und den Pfarrer rausgeschmissen? Oder ist die Pfarrei vakant, und die Zwonullerinnen nutzen das, um Fakten zu schaffen? Fragen über Fragen. 

"Was jetzt in Nieder-Olm passiert, stimmt Andrea Keber zuversichtlich", heißt es zum Schluss; und da sage ich: Mich auch, wenn auch aus gegenteiligen Gründen. Ich sehe in diesen Vorgängen nämlich ein Indiz dafür, dass es mit Maria Zwonull zu Ende geht. Vielleicht nicht mit der Existenz dieser Gruppe als solcher – die sogenannte "Altkatholische Kirche" gibt's schließlich auch immer noch –, aber mit ihrer Relevanz. Mit einem Fuß in der katholischen Kirche zu stehen und mit dem anderen Fuß draußen, funktioniert auf die Dauer eben nicht, das sehen die Damen allmählich auch ein; und die Tendenz scheint dahin zu gehen, dass sie sich im Zweifel eher für "draußen" entscheiden. Wenn sie aber keine kirchliche Obrigkeit mehr über sich haben, gegen die sie rebellieren können, stellt sich die Frage, worin eigentlich noch ihre Existenzberechtigung besteht. Ob sie mehr anzubieten haben als pures Dagegensein, und wenn ja, was das sein könnte. Weinproben und Yoga-Kurse werden da jedenfalls kaum ausreichen. 

Geistlicher Impuls der Woche 

Am heutigen Fest betrachten wir Jesus, den Herrn, den Maria und Josef in den Tempel bringen, um ihn "dem Herrn zu weihen" (Lk 2,22). In dieser Szene des Evangeliums enthüllt sich das Geheimnis des Sohnes der Jungfrau, des dem Vater Geweihten, der in die Welt gekommen ist, um seinen Willen treu zu erfüllen (vgl. Hebr 10,5–7). Hier ereignet sich die Begegnung der beiden Testamente, des Alten und des Neuen. Jesus kommt in den alten Tempel, er, der der neue Tempel Gottes ist: Er kommt, um sein Volk zu besuchen, wodurch es zur Erfüllung des Gehorsams gegenüber dem Gesetz und zur Eröffnung der letzten Zeit des Heils kommt. 

Es ist interessant, diesen Einzug des Jesuskindes in den feierlichen Rahmen des Tempels aus der Nähe zu betrachten: Es herrscht ein großes "Kommen und Gehen" von so vielen Menschen, die mit ihren Verpflichtungen beschäftigt sind: die Priester und die Leviten mit ihren Dienstplänen, die zahlreichen frommen Gläubigen und Pilger, die den sehnlichen Wunsch haben, dem heiligen Gott Israels zu begegnen. Keiner dieser Leute merkt jedoch etwas. Jesus ist ein Kind wie die anderen, erstgeborener Sohn seiner sehr einfachen Eltern. Auch die Priester sind nicht fähig, die Zeichen der neuen und besonderen Gegenwart des Messias und Erlösers zu begreifen. Nur zwei Greise, Simeon und Hanna, entdecken die große Neuigkeit. Geführt vom Heiligen Geist finden sie in jenem Kind die Erfüllung ihrer langen Zeit des Wartens und der Wachsamkeit. Beide betrachten das Licht Gottes, das kommt, um die Welt zu erleuchten. dem prophetischen Verhalten der beiden Greise, das die Freude über die Begegnung mit dem Erlöser zum Ausdruck bringt, ist der ganze Alte Bund eingefangen. 

(Benedikt XVI., Predigt zum Fest der Darstellung des Herrn, 2011


Ohrwurm der Woche 

Sing Street: A Beautiful Sea 

Ein Song aus einem Film, und der Film heißt so wie die Band, weil es ein Film über eine Band ist. Eine fiktive Band. Obwohl: Kann man das so sagen? Kann eine fiktive Band real existierende Musik machen? – Wie dem auch sei: Den Film habe ich seinerzeit, 2016, zusammen mit meiner Liebsten im Kino gesehen, nachdem der Trailer sie davon überzeugt hatte, dass ich diesen Film lieben würde, und was soll ich sagen, sie hatte Recht. Tatsächlich fasst der Trailer schon sehr gut zusammen, worum es in dem Film geht: Ein Teenager kommt an eine neue Schule, hat dort allerlei Eingliederungsschwierigkeiten, und in der Absicht, ein Mädchen zu beeindrucken, behauptet er, er spiele in einer Band. Da sie ihm das glaubt, muss er schleunigst wirklich eine Band gründen. Da die Handlung ca. Mitte der 80er Jahre angesiedelt ist und die Schülerband sich natürlich am gerade angesagten Sound orientiert, kommen im Soundtrack des Films allerlei Spielarten von Postpunk bzw. New Wave zu Gehör. Die hier ausgewählte Nummer gehört zu meinen Favoriten – und passt zudem ausgezeichnet zu meiner augenblicklichen Urlaubsstimmung... 


Mittwoch, 31. Januar 2024

Vorlesestoff fürs Tochterkind – Januar '24

Wohlan, Leser: Es ist mal wieder Zeit für einen Einblick in die Welt der Kinder- und Jugendliteratur; präziser gesagt: für eine kritische Würdigung derjenigen Bücher, die ich meinen Kindern, vor allem aber meiner Ältesten, in den zurückliegenden Wochen als Gutenachtlektüre vorgelesen habe. Ganze fünf Bücher gilt es da zu besprechen, daher also ohne weitere Vorrede hinein ins Vergnügen: 


Dieses Buch hat unsere Tochter von ihrer Patentante – Bloggerkollegin Claudia – geschenkt bekommen, und zwar nicht zu Weihnachten, sondern nachträglich zum 6. Geburtstag. Es enthält zwei abgeschlossene, im schwedischsprachigen Original separat publizierte Geschichten, "Latte Igel und der Wasserstein" und "Latte Igel reist zu den Lofoten". Im ersten Teil wird der Wald, in dem Latte Igel lebt, von einer extremen Dürre heimgesucht; ein weiser alter Rabe erzählt Latte jedoch von dem geheimnisvollen Wasserstein, mit dem der Wald und seine Bewohner gerettet werden könnten. Der Haken an der Sache: Der Wasserstein befindet sich im Besitz des grausamen Bärenkönigs Bantur, und damit nicht genug, muss Latte Igel, um zu ihm zu gelangen, zuerst das Reich des Wolfskönigs Glufus und das des Luchskönigs Tibur durchqueren. Der tapfere Igel macht sich unverdrossen auf den Weg, und tatsächlich gelingt es ihm auffallend mühelos, das Land der Wölfe und das der Luchse unbehelligt zu durchqueren; erfahrene Leser von Abenteuergeschichten ahnen hier aber bereits, was die Wölfe und die Luchse im Schilde führen und dass Latte es auf dem Rückweg nicht so leicht haben wird. – An einem Punkt der Lektüre – ich glaube, es war ziemlich genau der Punkt, an dem Latte und sein Gefährte Tjum in den Katakomben unter Bärenkönig Banturs Burg den Wasserstein entdecken – dachte ich plötzlich: Irgendwie hat die Geschichte Ähnlichkeit mit Katherine Applegates "Endling"-Trilogie. Auch wenn sie natürlich erheblich simpler gestrickt und schlichter erzählt ist. Ich möchte betonten, dass ich diesen Vergleich ausdrücklich als Lob verstanden wissen möchte.  

Tante Wikipedia verdanke ich übrigens die Information, dass es von dieser ersten "Latte Igel"-Geschichte eine Verfilmung gibt, einen deutschen Animationsfilm aus dem Jahr 2019. Darin ist Latte allerdings ein Mädchen, und der Trailer, den ich auf YouTube gesehen habe, hat mir den Eindruck vermittelt, dass der Film auch sonst nicht viel mehr als die Grundidee der Handlung mit dem Buch gemeinsam hat. Gunnar Schupelius von der B.Z. ärgerte sich seinerzeit so sehr über den Film, dass er ihn in seiner Kolumne "Mein Ärger" rezensierte; neben der Tatsache, dass aus dem Helden ein Mädchen gemacht wurde, beklagt er sich auch darüber, dass die Handlung "an die Klima­bewegung ('Fridays for Future') angepasst" worden sei: "Demnach muss also die Trockenheit eine Folge des Klimawandels sein." Nun, sagen wir mal so: In einer Geschichte, die damit losgeht, dass eine große Dürre alles Leben im Wald bedroht, eine ökologische Message zu sehen, ist ja wohl nicht gerade abwegig. (Eine solche gibt es, nebenbei bemerkt, auch in der oben zum Vergleich herangezogenen "Endling"-Trilogie.) Schupelius räumt sogar ein, dass "Latte Igel"-Autor Sebastian Lybeck "selbst Umweltaktivist" war: "Er kämpfte gegen ein Wasserkraftwerk in Norwegen und ein Atomkraftwerk in Dänemark. Aber er schrieb eben kein politisches Kinderbuch, sondern ein echtes Märchen [...]. Der kleine Latte schafft es mit Mut und Verstand und der Hilfe seiner Freunde, den Wasserstein für seinen Wald zu erbeuten. Ist das nicht Aussage genug? Liegt nicht die Kraft eines guten Kinderbuches darin, den Raum zu schaffen, in dem Ideen und Träume wachsen können?" – Läuft Schupelius' Kritik also letztlich nur darauf hinaus, dass die klimapolitische Ausdeutung der Geschichte im Film allzu dick aufgetragen sei, dann mag er damit durchaus Recht haben; ohne den Film gesehen zu haben, vermag ich das nicht zu beurteilen.  

– Die zweite Geschichte beginnt damit, dass eine kleine Fee, die im ersten Teil nicht vorkam, nun aber bei den Tieren des Waldes in hohem Ansehen steht, von einem Adler geraubt und auf die Lofoten verschleppt wird. Bald darauf mischen sich satirische Elemente in die Handlung: So gründen die Tiere des Waldes prompt einen Verein zur Rettung der Fee, verteilen Vorstandsämter und fühlen sich sehr wichtig dabei, unternehmen jedoch nichts, was tatsächlich zur Rettung der Fee beitragen könnte, sodass schließlich doch wieder Latte Igel die Sache in die Hand nehmen muss, der eigentlich gerade dabei war, sich auf den Winterschlaf vorzubereiten. Damit nicht genug: Um zu den Lofoten zu gelangen, müssen Latte Igel und seine Gefährten den Wald verlassen und die Welt der Menschen betreten – und da herrscht frohgemut die Gegenwart: Es gibt Straßenlaternen, Autos, Fabriken und Radios, und gegen Ende der Geschichte reisen unsere Helden sogar mit dem Flugzeug. Ich muss sagen, das hat mich schwer irritiert: Gegenüber dem ersten Teil erschien mir das als ein allzu großer Stilbruch, um mit solcher Selbstverständlichkeit behandelt zu werden. Um mal einen bewusst hoch gegriffenen Vergleich zu bemühen: Man stelle sich vor, im zweiten Teil des "Herrn der Ringe" durchqueren Aragorn, Legolas und Gimli ein Felsenportal und finden sich unversehens in der Parfümabteilung von Woolworth wieder. Vielleicht würde der eine oder andere Leser das als eine reizvolle Wendung empfinden, aber ich denke, man kann sich darauf einigen, dass so etwas eher den Charakter einer Parodie als den einer legitimen Fortsetzung hätte. Mir jedenfalls war die zweite Hälfte des "Latte Igel"-Buches damit ziemlich verleidet; die Kinder störte es zugegebenermaßen weniger.  


Bibi Blocksberg verbringt einen Teil ihrer Weihnachtsferien – nämlich den Teil nach Heiligabend – auf dem Martinshof. Bereits auf der Zugfahrt dorthin lernt sie ein etwa gleichaltriges Mädchen namens Hanna kennen; sie will ihren Großvater besuchen, scheint sich aber nicht besonders darauf zu freuen. Hannas Großvater ist ein Pferdezüchter, dessen unternehmerische Existenz durch die schwindende Nachfrage nach seinen Pferden bedroht ist und der vor allem nach dem Tod seiner Frau zunehmend verbittert und emotional verschlossen ist. Als er ein Fohlen, das er wegen einer Fehlstellung der Vorderläufe als wertlos betrachtet, das seine Enkelin aber innig liebt und als ihr Tier betrachtet, verkaufen will, greift Hanna zu dem verzweifelten Mittel, das Fohlen zu entführen und vor ihrem Großvater zu verstecken. – Wenn hier der Eindruck entsteht, das sei ein ungewöhnlich ernster und konfliktbeladener Handlungsentwurf für eine "Bibi & Tina"-Episode, dann kann ich nur sagen: Ja, das finde ich auch. Es gibt gewisse inhaltliche Berührungspunkte mit der Episode "Das Schmusepony", die wir als Hörspiel auf CD haben; aber gerade dieser Vergleich macht es nur umso augenfälliger, dass "Das Fohlen im Schnee" sowohl von der Handlung als auch von der Erzählweise her deutlich anspruchsvoller und "reifer" wirkt. Bezeichnend erscheint es mir in diesem Zusammenhang, dass – was übrigens auch dem Tochterkind aufgefallen ist – Bibis Hexkünste für die Handlung kaum eine Rolle spielen: Es wäre ohne große Änderungen möglich, die Tatsache, dass eine der handelnden Personen über magische Fähigkeiten verfügt, gänzlich wegzulassen. Interessant – und untypisch für die Serie – ist auch, dass die einzelnen Kapitel des Buches teils aus Bibis und teils aus Hannas Perspektive erzählt werden, die ersten sechs sogar regelmäßig abwechselnd. 

Alles in allem würde ich das Buch als "besser als erwartet" einordnen, aber einen Kritikpunkt muss ich doch noch loswerden, auch wenn ich an dieser Stelle wahrscheinlich "Spoiler-Alarm!" rufen müsste: Dass unsere Heldinnen gegen Ende der Geschichte auf die Idee kommen, Hannas Großvater solle beim traditionellen Falkensteiner Pferdeschlittenrennen antreten, um mit dem Preisgeld seine Schulden beim Hufschmied begleichen und die Behandlung der Vorderlauf-Fehlstellung des Fohlens Jimi bezahlen zu können, erscheint mir nicht sonderlich überzeugend – denn der Favorit bei diesem Rennen, den es zu schlagen gilt, ist kein anderer als eben der Hufschmied. Ob der wohl sonderlich erbaut wäre, wenn man ihn mit dem Geld bezahlen wollte, das man ihm unmittelbar zuvor vor der Nase weggeschnappt hätte? – Man muss indes anerkennen, dass der Autor schließlich doch eine leidlich plausible Lösung für dieses Problem findet.  


Ein Buch, das den Kindern bei unserem jüngsten gemeinsamen Büchereibesuch wohl vor allem dank des lebhaften Stils der Illustrationen (von Rolf "Arvi" Vogt) ins Auge gefallen ist. Es handelt sich wieder einmal um einen Teil einer Buchreihe, und wieder einmal nicht un den ersten Teil – sondern den zweiten. Was bisher geschah, wird aber aus gelegentlich eingestreuten Rückblenden und erklärenden Einschüben leicht ersichtlich: Drei Teenager oder "Tweens" – in der Reihenfolge ihres Auftretens: Vicky, ihr Freund Conrad und dessen Schwester Mila – haben einen Zugang zu einem magischen Land namens Algravia entdeckt; dort haben sie selbst magische Fähigkeiten, die sie allerdings erst lernen müssen zu beherrschen. Auch können sie nicht nach Belieben in dieses magische Land reisen, sondern nur, wenn sie gerufen werden – und gerufen werden sie, wenn es eine Mission zu erfüllen gilt. Die Grundkonstellation ist also in groben Zügen dieselbe wie in "Mia & Me", "Mariella Meermädchen" und wahrscheinlich noch zahlreichen weiteren Serien – von denen die Reihe "Die drei Magier" sich allerdings durch einen ausgeprägten Sinn für Komik abhebt. Vorteilhaft wirkt es sich auch aus, dass es mehrere gleichberechtigte Hauptfiguren gibt, die zudem charakterlich  gegeneinander kontrastiert sind: Vicky ist impulsiv und zuweilen übermütig, Conrad nachdenklich und besonnen, Mila sanftmütig und verträumt. In diesem Band der Serie erhalten sie den Auftrag, ein Waldmonster aufzuspüren und unschädlich zu machen, das so schaurig ist, dass sogar die Gespenster vor ihm aus dem Geisterwald geflohen sind. Was sie dabei nicht ahnen, ist, dass Conrads und Milas kleiner Bruder Linus ihnen nach Algravia gefolgt ist...  

Wenn ich an diesem Buch etwas zu kritisieren habe, dann im Grunde nur, dass es zu kurz ist. Präziser gesagt ist es am Ende zu kurz: Der Autor lässt sich viel Zeit mit der Exposition, und als die drei Magier dann erstmals dem rätselhaften Waldmonster gegenüberstehen, ist das Buch schon zu zwei Dritteln rum. Da kann es nicht ausbleiben, dass die Auflösung etwas überstürzt bzw. übers Knie gebrochen wirkt. – Man muss allerdings sagen, dass dieser Umstand das Lesevergnügen kaum schmälert; tatsächlich war dieses so groß, dass unser Jüngster, nachdem ich dieses Buch zu Ende vorgelesen hatte und ein neues beginnen wollte, am nächsten Abend forderte: "Nochmal das Gespensterbuch!" Wir einigten uns schließlich darauf, dass ich ihm an den darauffolgenden Schultagen, wenn ich mit ihm allein zu Hause war, jeweils um die Mittagszeit ein paar Kapitel vorlas, in dem (oft vergeblichen) Versuch, damit den Mittagsschlaf einzuläuten...  

(Einer Werbeanzeige hinten im Buch habe ich übrigens entnommen, dass es zu der Buchreihe "Die drei Magier" mehrere Brettspiele gibt. Vielleicht war es auch umgekehrt, und die Spiele waren zuerst da. Ich habe mir noch nicht die Mühe gemacht, das zu recherchieren.)  


Dies ist bereits das vierte Buch aus der "Ella"-Reihe, das wir gemeinsam gelesen haben; der Reihenfolge der Entstehung bzw. Veröffentlichung nach ist es das 7. Ella-Buch, zuvor hatten wir das 14., 3. und 10. gelesen. Diese etwas krause Reihenfolge schadet aber eigentlich gar nichts, da die einzelnen Episoden der Serie jeweils in sich abgeschlossen sind. In dieser Folge jedenfalls bekommen Ella und ihre Freunde, wie der Titel ja bereits verrät, einen neuen Klassenkameraden; er heißt Paavo und scheint ein ziemlicher Angeber zu sein. Insbesondere der von Ella stets als das "Klassengenie" betitelte Timo betrachtet den "Neuen" als Rivalen und ist versessen darauf, Paavos Behauptung, sein Vater sei ein berühmter Filmregisseur, als Lüge zu entlarven. Ein Ausflug in die nahe Großstadt, den die Kinder zu diesem Zweck unternehmen, entwickelt sich – wie es bei dieser Buchreihe kaum anders zu erwarten war – alsbald zu einer surrealen Odyssee...  

Nachdem ich den Band "Ella und ihre Freunde außer Rand und Band" eher enttäuschend fand, zeigt sich Autor Timo Parvela hier wieder auf der Höhe seines Könnens. Wie man es von der "Ella"-Reihe gewohnt ist, sprudelt die Handlung vor skurrilen Einfällen über; von den anderen "Ella"-Büchern, die ich bisher gelesen habe, hebt es sich durch den ungewohnten Handlungsraum Großstadt ab, und es kommt eine ordentliche Portion Mediensatire darin vor; so wird etwa das Reality-Show-Format "Big Brother" als "Das Haus der sieben Doofen" persifliert. Alles in allem lässt das Buch keine Wünsche offen – auch nicht in Bezug auf die "Wichtel-Challenge": Bisher kam, was mich in meiner Eigenschaft als Wichtelgruppenleiter natürlich entzückt, in jedem Band dieser Buchreihe, den ich meinen Kindern vorgelesen habe, mindestens einmal das Wort "Wichtel" vor. So auch hier: Nachdem Ella und ihre Freunde sich aus komplizierten Gründen mit falschen Bärten aus Rasierschaum und Watte ausstaffiert haben, hält ein vorbeikommendes kleines Mädchen sie für "Weihnachtswichtel", was die Mutter des Mädchens zu dem Kommentar veranlasst: "Die fangen mit dem Weihnachtsrummel auch jedes Jahr früher an" (S. 65).  


Nachdem der Band "Ostwind – Der große Orkan" bei der ganzen Familie so gut angekommen war, lag es auf der Hand, dass wir noch mehr "Ostwind"-Bücher würden lesen müssen; allerdings bringt es bei dieser Buchreihe doch gewisse Komplikationen mit sich, wenn man die einzelnen Teile nicht in der richtigen Reihenfolge liest. Nachdem wir zuerst den sechsten Teil gelesen hatten, sind wir jetzt beim zweiten; der erste war in unserer Stadtteilbibliothek gerade nicht verfügbar. Wie dem auch sei: Man merkt schnell, dass sich in der Welt, in der die Ostwind-Reihe spielt, zwischen dem zweiten und dem sechsten Band eine Menge verändert haben muss. Ari, die Hauptfigur von "Der große Orkan", kommt in "Rückkehr nach Kaltenbach" noch gar nicht vor, stattdessen spielt hier Mika, die Enkelin der Gutsherrin von Kaltenbach, die Hauptrolle. Und Kaltenbach ist hier noch kein Therapiezentrum für traumatisierte Pferde, sondern ein Trainingszentrum für Turnierpferde – allerdings eines, das kurz vor der Pleite steht. Man kann sich bereits ausmalen, dass die Umwandlung in ein Therapiezentrum zentraler Bestandteil eines Sanierungskonzepts für das verschuldete Anwesen sein wird, aber erst einmal lässt Mika sich widerstrebend dazu überreden, mit Ostwind bei einem Turnier anzutreten, um die Kreditwürdigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. – Der Umstand, dass Mika, die eine so enge emotionale Verbindung zu Pferden (und vor allem zu ihrem Hengst Ostwind) hat, dem Turniersport so skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, macht die Ostwind-Reihe übrigens tendenziell zu einem Gegenentwurf zu Pferdemädchen-Serien wie "Wendy", "Vollblut" oder "Rose Hill – Internat für Mädchen und Pferde", in denen die Hauptfiguren selbst begeisterte und ehrgeizige Turnierreiterinnen sind. 

Was Handlungsaufbau und Erzählweise angeht, muss ich sagen, dass mich "Rückkehr nach Kaltenbach" nicht im selben Maße von Anfang an gefesselt und "mitgenommen" hat wie "Der große Orkan". Das hat sicherlich damit zu tun, dass das letztgenannte Buch gleich am Anfang düsterer und geheimnisvoller wirkt, und auch damit, dass ich Ari als Hauptfigur interessanter finde als Mika. Zum Teil liegt es aber auch daran, dass es in "Rückkehr nach Kaltenbach" gleich im ersten Drittel einige Szenen gibt, die in einem spezifischen Sinne allzu deutlich erkennen lassen, dass es sich um ein "Buch zum Film" bzw. ein auf eine Verfilmung hin geschriebenes Buch handelt, während solche Passagen in "Der große Orkan" schwerpunktmäßig eher im letzten Drittel vorkommen: Speziell die Szenen zwischen Mika, ihrer Freundin Fanny und dem auf Kaltenbach als Stallbursche, pardon: "Pferdewirt in Ausbildung" arbeitenden Sam setzen stark auf witzig sein sollende Dialoge und Situationskomik, und das kommt auf einer Buchseite einfach nicht so rüber, wie wenn man's auf der Leinwand (oder auf dem Bildschirm) sieht.  

Spannung kommt so richtig erst auf, als ein zunächst nebensächlich erscheinender Handlungsstrang an Umfang und Bedeutung gewinnt: Bei dem Versuch, zusammen mit Fanny und Sam eine Serie von Futter- und Medikamentendiebstählen auf Kaltenbach aufzuklären, entdeckt Mika ein versteckt im Wald gelegenes Gehöft, in dem Pferde unter entsetzlichen Bedingungen gehalten werden.  Mehr soll hier vorerst nicht verraten werden -- vermutlich werde ich bei anderer Gelegenheit ohnehin noch ausführlicher auf die Ostwind-Reihe zurückkommen müssen.  

Als nächstes steht dann übrigens der dritte Band der "Ruby Fairygale"-Reihe von Kira Gembri auf unserer Vorleseliste; und dann wird wohl bald wieder mal ein gemeinsamer Trip zur Bibliothek fällig...! 


Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel erschien zuerst am 24.1. auf der Patreon-Seite "Mittwochsklub". Gegen einen bescheidenen Beitrag von 5-15 € im Monat gibt es dort für Abonnenten neben der Möglichkeit, Blogartikel bis zu einer Woche früher zu lesen, auch allerlei exklusiven Content, und wenn das als Anreiz nicht ausreicht, dann seht es als solidarischen Akt: Jeder, der für die Patreon-Seite zahlt, leistet einen Beitrag dazu, dass dieser Blog für den Rest der Welt kostenlos bleibt! 

Samstag, 27. Januar 2024

Creative Minority Report Nr. 14

Es ist wieder Wochenbriefing-Zeit, Freunde; und diesmal hatte ich einige Mühe, termingerecht damit fertig zu werden– was nicht daran lag, dass in dieser Woche so viel los gewesen wäre. Tatsächlich steht, wie ich gleich schon mal vorausschicken will, dieses Wochenbriefing so sehr im Zeichen des Gebetstags "eins in Christus", dass für andere Themen kaum noch Platz sein wird. Ich denke aber, dass dieses Thema "in sich" vielseitig genug ist, dass es trotzdem nicht langweilig werden wird. Nächstes Mal kommen dann aber wieder andere und mehr verschiedene Themen dran, versprochen...! 


Was bisher geschah 

Okay, am vergangenen Samstag war also dieses besagte Gebets-Event; und sonst so? – Am Sonntag gingen wir, wie meistens, in St. Joseph Siemensstadt zur Messe; von Sonntag auf Montag übernachtete unsere Große bei einem Freund, dessen Mutter sie dann am Morgen auch zur Schule brachte, und von Dienstag auf Mittwoch übernachtete dann eine der Schulfreundinnen des Tochterkindes bei uns. Beides war für uns eine Premiere, aber es klappte alles gut. Ich muss sagen, dass mich insbesondere der Gedanke an die Übernachtung eines anderen Kindes bei uns im Vorfeld einigermaßen gestresst hatte: Schließlich muss ich mich am Morgen, während meine Liebste bereits bei der Arbeit ist, alleinverantwortlich darum kümmern, dass die Kinder sich anziehen, frühstücken und wir uns rechtzeitig auf den Schulweg machen; mit meinen eigenen Kindern habe ich da inzwischen eine gewisse Routine, aber ein zusätzliches fremdes Kind bringt da doch ein erhebliches Maß an Unberechenbarkeit hinein. Tatsächlich kann ich aber sagen, dass es nicht halb so schwierig war, wie ich es mir vorgestellt hatte. – Heute vormittag hätte theoretisch ein Stammestreffen der Katholischen Pfadfinder Haselhorst sein sollen, und ich hatte, wie schon mal erwähnt, erwogen, da kurzerhand ein Wichtelgruppentreffen "dranzuhängen"; meine Teamkolleginnen (und damit auch deren Kinder) konnten am diesem Termin allerdings nicht, und während ich noch überlegte, ob ich mit meinen Kindern, wenigstens mit der Großen, trotzdem hingehen und gegebenenfalls bei den Wölflingen mitmachen sollte, wurde aus davon unabhängigen Gründen das ganze Stammestreffen abgesagt. Das nächste soll nach den Winterferien sein... 


Was ansteht 

Ob ich es heute Abend ins Baumhaus schaffe, ist, während ich diese Zeilen schreibe, noch nicht ganz sicher, aber ich möchte eigentlich schon gern. Am morgigen Sonntag hätte in St. Stephanus Haselhorst wieder einmal Familientag sein sollen, aber wie ich hörte, wurde der kurzfristig abgesagt; immerhin soll es nach der Messe einen Familienbrunch geben, aber ob das für uns ein hinreichender Grund ist, dort zur Messe zu gehen statt in St. Joseph Siemensstadt, ist auch noch nicht ganz raus. Im Übrigen habe ich eine Deadline für einen neuen Tagespost-Beitrag einzuhalten, der am Donnerstag erscheinen soll; um was für einen Beitrag es sich dabei handelt, wird aber noch nicht verraten. Sodann liegt die letzte Schul- und Arbeitswoche vor den Winterferien vor uns; für meine Liebste beinhaltet diese Arbeitswoche eine Dienstberatung und einen Tag der Offenen Tür, was beides einen erheblich späteren Feierabend als an normalen Arbeitstagen bedingt; und an einem dieser Tage hat das Tochterkind infolge einer Mitarbeiter-Fortbildung schulfrei. Da werde ich mir was einfallen lassen müssen, um die Kinder zu beschäftigen; vielleicht gehe ich mit ihnen in den Tierpark. (Hoffentlich ist gutes Wetter!) Weiter steht noch nichts Besonderes im Terminkalender... 


Nicht MEHR, aber auch nicht WENIGER 

Der vom Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg, der Evangelischen Allianz, dem ökumenischen Netzwerk Gemeinsam für Berlin und weiteren Initiativen ausgerichtete Gebetstag "eins für Christus" fand, wie im Laufe des Tages immer mal wieder betont wurde, heuer bereits zum 7. Mal statt; da könnte man nun sagen: Eigentlich komisch, dass wir bisher nie etwas davon mitgekriegt haben. Vor einigen Jahren – genauer gesagt: im Oktober 2019 – waren wir mal bei einem Gebets-Event namens "einklang", das damals in der "Gemeinde auf dem Weg" in Tegel, nicht allzu weit von unserer Wohnung, stattfand und das aussah und sich anfühlte wie eine Miniaturausgabe der MEHR, einschließlich der Tatsache, dass man Johannes Hartl als Hauptredner engagiert hatte. Nun hatte ich zwischenzeitlich die Vorstellung, bei "eins in Christus" könne es sich um eine Art Fortsetzung von "einklang" unter leicht geändertem Namen handeln, aber trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten – auf die ich im Folgenden zum Teil eingehen werde und zum Teil nicht – war es doch ersichtlich nicht dasselbe Veranstaltungsformat; das käme ja auch schon chronologisch kaum hin, wenn man nicht annehmen wollte, dass dieses Event in nur 4¼ Jahren siebenmal stattgefunden hätte, und das trotz Corona

Aber mal von vorne: Ort des Geschehens war diesmal die "Equippers"-Gemeinde in Hohenschönhausen; den Namen fand ich persönlich ja eher abschreckend, aber nun gut. Wir fuhren mit der S-Bahn bis Landsberger Allee und dann mit der Tram weiter; in der Tram entnahm ich den Gesprächen einiger Mitreisender, dass sie dasselbe Ziel hatten wie wir, aber an der Zielhaltestelle stieg dann eine unerwartet große Zahl von Leuten aus, die offenbar alle zu diesem Event wollten. Da kam schon ein bisschen MEHR-Feeling auf. 


Die Sprayer waren etwas voreilig: Tatsächlich war Lenins 100. Todestag erst einen Tag später. 

So, bin ich das? 

Interessant war auch die Besucherstatistik im Eingangsbereich: 

Man kann vielleicht sagen, dass das nur eine Momentaufnahme war, aber dass es sich bei der großen Mehrheit der Teilnehmer um Mitglieder von Freikirchen handelte, ist wohl doch recht aussagekräftig. Auffällig ist auch, dass an zweiter Stelle, mit deutlichem Abstand in beide Richtungen, die evangelische Landeskirche folgte. Was die Beteiligung von Katholiken angeht, muss ich anmerken, dass, soweit ich es mitbekommen (bzw. eben gerade nicht mitbekommen) habe, in katholischen Gemeinden kaum für diese Veranstaltung geworben worden war. Wir hatten bezeichnenderweise nur durch einen Flyer, der im Foyer der EFG The Rock Christuskirche auslag, davon erfahren. 

Eröffnet wurde die Veranstaltung im großen Saal des "Equippers"-Gemeindezentrums; ich würde mal schätzen, dass es da gut 300 Sitzplätze gab, und die waren nicht ganz voll besetzt. Überrascht war ich vom Alter des Publikums: Ich möchte behaupten, die Mehrheit der Anwesenden war älter als ich, zu einem signifikanten Teil erheblich älter. Das ist zwar bei kirchlichen Veranstaltungen insgesamt kein ungewohnter Anblick, aber hier hätte ich das nicht erwartet. – Moderiert wurde die Eröffnung von einem katholischen Priester, Pfarrer Ulrich Kotzur, und einer Frau, von der ich nicht mitbekommen habe, ob sie irgendwie vorgestellt wurde oder sich selbst vorstellte, die aber, wie ich fand, den Charme einer Teleshopping-Moderatorin aus den Nuller Jahren ausstrahlte. Unangenehm fiel mir an ihr nicht zuletzt der Gebrauch der sogenannten "Gender-Pause" beim Sprechen auf, und ihre Ansprache zur Kollekte fand ich derart bizarr, dass ich bedaure, sie nicht aufgezeichnet zu haben; sie aus dem Gedächtnis zu zitieren, fühle ich mich nämlich nicht in der Lage. Ersatzweise verweise ich auf das Video zu "Jesus He Knows Me" von Genesis, das vermittelt einen halbwegs stimmigen Eindruck. – Aber nochmals zurück zu Uli Kotzur: Der hatte schon anno 2019 das "einklang"-Event moderiert, damals war er Diözesanjugendseelsorger, seit Anfang 2022 leitet er die Pfarrei Heilige Drei Könige in Nord-Neukölln. Meine Liebste und ich kannten ihn schon lange – u.a. vom Nightfever her –, hatten ihn aber schon eine Weile nicht mehr gesehen; als wir ihm nach der Eröffnung über den Weg liefen, freute er sich sichtlich über das Wiedersehen und staunte, wie groß unsere Kinder geworden sind. 

Leser, die sich erinnern, wie ich in meinem Wochenbriefing von vor zwei Wochen über den Neujahrsempfang der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland hergezogen bin – und besonders solche, die meine Kritik nicht nachvollziehen konnten – werden es als Ironie des Schicksals empfinden, dass zur Eröffnung des Gebetstags unter anderem ein Grußwort des Bezirksbürgermeisters von Lichtenberg gehörte; ich selbst empfand es auch so. Man muss allerdings dazu sagen, dass der erst im vergangenen Jahr zum Bezirksbürgermeister von Lichtenberg gewählte Martin Schaefer (CDU), bevor er "in die Politik ging", evangelisch-freikirchlicher Pastor war und daher keine Schwierigkeiten hatte, in seiner Ansprache einen Ton zu treffen, der zu diesee Veranstaltung passte. Zugespitzt könnte man sogar sagen, seine Äußerungen zur Kommunalpolitik in Berlin-Lichtenberg wirkten stärker vom Glauben an Jesus Christus durchdrungen als das, was der Pfarreiratsvorsitzende der Pfarrei Heilige Familie über den "Pastoralen Prozess Wo Glauben Raum gewinnt" gesagt hatte. – Gleichwohl denke ich, wenn ich so gern über die Staatsnähe der Großkirchen meckere, wäre es nur recht und billig, auch mal das eigentümliche Verhältnis zu Staat und Nation unter die Lupe zu nehmen, das man in evangelikalen und charismatischen Kreisen zuweilen antrifft; das kann ich im Rahmen dieses Wochenbriefings allerdings nicht leisten, hoffen wir also, dass ich in absehbarer Zeit Gelegenheit finde, darauf zurückzukommen. 

Suchet der Stadt Bestes! 

Als biblische Lesung gab's das Gleichnis von Barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37); eine Art Predigt (die allerdings nicht so genannt wurde, vielleicht weil die anwesenden Freikirchler unter einer Predigt etwas zu verstehen gewohnt waren, was eine Stunde oder länger dauert) steuerte der griechisch-orthodoxe Bischof Emmanuel Sfiatkos bei, der ungefähr in meinem Alter ist und ziemlich sympathisch 'rüberkam. Zum Inhalt seiner Ausführungen kann ich indes nichts sagen, da davon absolut nichts bei mir hängen geblieben ist. 

Zwischen den Wortbeiträgen gab's ein bisschen Lobpreis, dargeboten von der Band der gastgebenden Gemeinde; tatsächlich war die Bezeichnung "Band" ein bisschen hoch gegriffen, es handelte sich um einen Gitarristen, der auch sang, und eine weitere Sängerin. Was mich an und für sich nicht gestört hätte: Natürlich kann man auch mit nichts als Gesang und akustischer Gitarre Lobpreis machen. Umso irritierender fand ich es, dass die Musiker es für nötig hielten, die Lobpreis-Atmo durch Halbplayback aufzumotzen, sprich: durch aus dem Off eingespielte Sphärenklänge. ("Svea-Klänge", nannten wir das in der Schülerband, in der ich vor rund 30 Jahren gespielt habe – nach einer Mitschülerin, die wir doof fanden. Ihr damaliger Freund besaß ein aus unserer Sicht obszön teures Yamaha-Keyboard, das jede Menge solcher silbrig glitzernden Sounds hatte, daher... also, wir fanden das jedenfalls witzig.) – Davon abgesehen hatte ich über die Performance dieses Lobpreis-Duos jedoch nichts zu meckern; mindestens ein Lied – "Ich will dich anbeten" ("Here I Am to Worship") – konnte man wohl als allgemein bekannt voraussetzen. 

Der Hauptteil der Veranstaltung bestand aus drei etwa halbstündigen Workshop-Blöcken, in denen unterschiedliche christliche Konfessionen, Gemeinden oder Initiativen in den einzelnen Räumen des Gemeindezentrums entweder verschiedene Gebetsformen vorstellten (z.B.: "Beten im Geist", "Herzens-Gebet", "kreatives Gebet", "Tanz", "altkirchliche Lichtvesper") oder zu bestimmten oder Anlässen beteten – von denen die meisten, oder jedenfalls auffallend viele, mehr oder weniger politisch ausgerichtet waren: Gebet für die Ukraine, für Geflüchtete, für obdachlose Menschen, für Betroffene von Prostitution und Menschenhandel... ein Workshop nannte sich sogar direkt "Politisches Gebet", was angesichts der anderen genannten Themen wohl kaum ein Alleinstellungsmerkmal war. 

Ein weiteres Angebot nannte sich "Gebet mit Grundschulkindern", und da wir ja ein solches in unserer Familie haben, dachten wir uns, gehen wir da mal zuerst hin. Wie sich zeigte, war der Name dieses Angebots jedoch eher eine Mogelpackung: Es handelte sich eher um ein Kinderbetreuungs-Angebot, das vorrangig dazu gedacht zu sein schien, dass Eltern ihre Kinder abgeben und ohne sie zu den anderen Angeboten gehen konnten. Nun bin ich allerdings bekanntermaßen kein besonderer Freund davon, meine Kinder irgendwo abzugeben; dafür sind sie mir zu wertvoll. Also blieb ich zusammen mit dem Tochterkind dort, während meine Liebste mit unserem Jüngsten – der sowieso gerade dabei war, im Kinderwagen einzuschlafen – loszog, um zu erkunden, was es sonst noch so für Angebote gab. 

Im Kinderbetreuungsraum gab es diverse Spiel-und Bastelangebote, die meinem Tochterkind ausgesprochen gut gefielen; derweil empfand ich den Versuch, pro forma so zu tun, als habe das etwas mit dem Thema Gebet zu tun, als etwas arg angestrengt. Veranstaltet wurde das Kinderprogramm übrigens von der "Micha-Initiative", laut Selbstbeschreibung "eine weltweite Kampagne und ein globales Netzwerk, das Christinnen und Christen zum Engagement gegen extreme Armut und für globale Gerechtigkeit begeistern möchte", sich in jüngster Zeit aber, wie es scheint, vorrangig das Schlagwort "Klimagerechtigkeit" auf die Fahnen geschrieben hat. 

Nach dem ersten halbstündigen Workshop-Block kam meine Liebste zurück in den Kinderbetreuungsraum, um mich "abzulösen", wie sie sagte. Sie berichtete, sie habe sich zuerst nicht recht entschließen können, wo sie hingehen sollte, und sei schließlich bei "Harp & Bowl"  vom Gebetshaus Berlin gelandet: "Das ist so eine Art Bibelmeditation mit Musik, das fand ich ganz gut." Auf dem Flyer des Gebetshauses, den meine Liebste sich mitgenommen hatte, las sich das so: 

"Wir beten gern nach dem Harp-and-Bowl-Modell, das anhand von Offenbarung 5,8 entwickelt wurde. Die Harfe steht symbolisch für die Anbetung und die Schale für die Fürbitten dee Heiligen. Wir starten mit Lobpreis und anschließend kommt eine Gebetszeit, in der Musiker und Gebetsleiter interagieren. Dabei beten wir Jesus auf Grundlage einer Bibelstelle an oder bringen  ein bestimmtes Anliegen vor den Thron Gottes. Zum Abschluss gehen wir wieder zurück in eine Zeit des Lobpreises. 

Wir lieben dieses Modell, weil es nichts Kraftvolleres gibt, als mit Gottes Wort zu beten. Es bringt viel Freude, Zuversicht und Fokus". 

Rückblickend betrachtet wäre es wahrscheinlich das Beste gewesen, ich wäre ebenfalls zu "Harp & Bowl" gegangen, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, bei einer solchen Fülle von unterschiedlichen Angeboten könne es nicht Sinn der Sache sein, wenn wir beide zu denselben gingen. Außerdem kann man ins Gebetshaus Berlin ja auch einfach so mal gehen, und ich denke, das werden wir auch mal tun. – Wie dem auch sei, ich erwog, zu "Familien + Paare" zu gehen, kam auf dem Weg dorthin aber am "Gebet für die Ukraine" vorbei, wo Porträtfotos des ukrainischen Präsidenten Selenskyj und anderer Regierungsmitglieder, u.a. des Verteidigungsministers, an der Wand hingen, offenbar damit die Teilnehmer visualisieren konnten, für wen sie beten. Nicht im Ernst, oder?, dachte ich. Bei "Familien + Paare" stand, wie ich aus einiger Entfernung sah, ein Grüppchen von Leuten mittleren Alters im Kreis, und ich sagte mir: Auf keinen Fall stellst du dich da dazu. Lieber machte ich auf dem Absatz kehrt. 

In der Folge irrte ich einige Minuten ziellos durchs Gebäude, warf in ein paar Räume einen kurzen Blick, konnte mich aber nicht entschließen, irgendwo reinzugehen, und im Foyerbereich fand ich's unerträglich stickig. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich das tatsächlich nur auf die Atemluft bezog oder ein Urteil über die geistig-geistliche Atmosphäre der Veranstaltung einschloss. Jedenfalls entschied ich, ich müsse mal an die frische Luft, und das Ergebnis war, dass ich das gesamte für die zweite Workshop-Runde vorgesehene Zeitfenster für einen Spaziergang nutzte. Gleichzeitig ärgerte ich mich, dass es mir nicht gelingen wollte, dieser Veranstaltung, auf die ich mich doch eigentlich gefreut hatte, etwas Positives abzugewinnen. Umso mehr, als es meiner Liebsten in dieser Hinsicht erheblich besser erging als mir: Während ich für den dritten Workshop-Block in den Kinderbetreuungsraum zurückkehrte, ging sie zum Angebot "Hörendes Gebet" – und äußerte sich, als wir uns danach wiedertrafen, ausgesprochen begeistert. – Wie genau dieser Workshop aufgebaut war und "funktionierte", kann ich hier nicht nacherzählen, zumal ich es ja selbst nur aus zweiter Hand weiß; aber jedenfalls ging es darum, im stillen Gebet Botschaften, oder sagen wir: Impulse aufzufangen und diese auf kleine Zettel zu schreiben, die dann nach einem für mich nicht ganz durchschaubaren System an die anderen Teilnehmer verteilt wurden. Meine Liebste fand die Zettelnotizen, die sie auf diese Weise erhielt, jedenfalls ausgesprochen treffend und hilfreich, einschließlich eines Zettels, den sie selbst geschrieben hatte, ohne dabei voraussehen zu können, dass er zu ihr "zurückkommen" würde. 

In gewissem Sinne deprimierte mich dieses positive Erlebnis meiner Liebsten nur noch mehr – weil ich keins gehabt hatte. Oder, um's mal charismatisch-pathetisch auszudrücken, Gott bei dieser Veranstaltungen nicht zu mir sprach, zu anderen aber schon. Da nagte nun der Gedanke an mir, das müsse ja wohl an mir liegen – also zum Beispiel daran, dass ich allzu fixiert darauf war, was ich hier alles Scheiße fand, und mich damit selbst blockierte. 

Meine Liebste meinte, um mich aus meinem Stimmungstief hersuszuholen, müssten wir unbedingt noch zum Lobpreiskonzert bleiben, das um 19 Uhr im großen Saal begann. Das erwies sich dann auch als eine richtige Entscheidung, auch wenn man sarkastisch zugespitzt behaupten könnte, dieser Teil des Programms, für den die Initiative "Young Adults United" innerhalb des Gemeinsam für Berlin-Netzwerks verantwortlich zeichnete, sei lediglich auf eine ganz andere Art nicht mein Ding gewesen als alles Vorangegangene. Immerhin aber anders. Das ging schon mit dem Publikum los: In der Anmoderation des Konzerts wurde die Frage gestellt, wer von den Anwesenden denn erst jetzt, also eigens für diesen Teil der Veranstaltung, gekommen sei; und soweit ich es überblicken konnte, meldeten sich daraufhin nahezu alle. Der Saal schien mir auch bedeutend stärker gefüllt als bei der Eröffnung am Nachmittag. Und nachdem mir die Veranstaltung bisher vorgekommen war wie eine unerfreuliche Mischung aus der mittelständischen Biederkeit des Forums Altötting und der politischen Ausrichtung des Evangelischen Kirchentags, ging es nun dezidiert "neocharismatisch" zu. Dass die Band was konnte, war nicht zu bestreiten, auch wenn die Musik mir persönlich zu süßlich überarrangiert und zu sehr auf Hochglanz poliert war – mit allzu vielen "Svea-Klängen", siehe oben. Zwischen den Liedern gab es allerlei Wortbeiträge, darunter ein Zeugnis von einer sehr sympathisch 'rüberkommenden jungen Frau mit roten Haaren sowie ein ungelenk gemeinter Vortrag einer anderen jungen Frau – das sollte wohl "Slam Poetry" sein, aber ich würde es eher "Rap ohne Rhythmus" nennen – und natürlich allerlei Gebetsaufrufe. Und ich muss gestehen, tendenziell ging's mir mit den Wortbeiträgen ähnlich wie mit der Musik. Zum einen kann ich, wie ich wohl schon öfter erwähnt habe, einfach den typischen neocharismatischen Jargon nicht leiden; aber ich schätze, das ist letztlich nur ein oberflächliches Symptom für ein tiefer liegendes Problem, nämlich, dass mir die in diesen Kreisen gepflegte Art der Glaubenskommunikation allzu gefühlszentriert und "ich-zentriert" ist, zu "befindlichkeitsfixiert", zu sehr "Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz", um's ein bisschen polemisch zu formulieren; irgendwie dreht sich immer alles um die Trias "Gott, mein Gefühlsleben und ich". Man kann sicherlich behaupten, dass solche Tendenzen beispielsweise auch bei der MEHR ziemlich präsent sind, aber meiner Erfahrung zufolge findet man dort andererseits auch Beiträge, die einen nicht nur subjektiven, nicht nur emotionalen, sondern auch den Verstand ansprechenden Zugang zum Glauben in den Fokus nehmen. Die Nachbarn in der Ökumene mögen es mir nicht allzu übel nehmen, wenn ich darin ein "katholisches Element" der MEHR sehe, und es ist wohl einigermaßen folgerichtig, dass dieses Element hier fehlte. 

Meine Stimmung besserte sich trotzdem allmählich, und ich glaube, das lag sehr wesentlich daran, dass ich mich selbst von dem Erwartungsdruck freisprach, diese Veranstaltung unbedingt gut finden zu müssen. Wenn etwas einfach nicht so mein Ding ist, ist es deswegen ja noch nicht unbedingt schlecht; und für viele der jungen Erwachsenen um mich herum schien gerade das, was mich am Stil dieser Abendveranstaltung nervte, genau der richtige Zugang zu sein. Und vielleicht, ganz ganz vielleicht, kann man sinngemäß Ähnliches auch über manche der Dinge sagen, die mich am Tagesprogramm geärgert oder abgestoßen haben. 

Übrigens waren wir davon ausgegangen, dass es bei dieser Veranstaltung etwas zu essen geben würde; tatsächlich bekamen wir aber nur ein paar Laugenstangen – kurzzeitig wurden, wie ich hörte, auch Grillwürste angeboten, die aber trotz des stattlichen Preises von 3 € schnell ausverkauft waren. So hatten wir am Ende des Abends ziemlichen Hunger und legten daher auf dem Heimweg einen Zwischenstopp bei Würgerking ein. Während wir dort auf unser Essen warteten, sagte das Tochterkind aus heiterem Himmel etwas zu mir, was ich gern ohne weiteren Kommentar als Tagesfazit stehen lassen möchte: 

"Weißt du, wann ein magischer Tag ist? – Immer! Weil Jesus immer da ist." 

Vermischtes aus der religiösen Frühförderung

In der Sonntagsmesse in St. Joseph Siemensstadt wurde die Tauferneuerung der Erstkommunionkinder gefeiert – und eine Taufe, denn eins der angehenden Erstkommunionkinder war bisher noch ungetauft gewesen. Eine Taufe ist natürlich stets ein Anlass zu Freude und Jubel im Himmel wie auf Erden, da kann man auch über diverse Pannen im Ablauf (die der mexikanische Pfarrvikar mit einem gewissen komödiantischen Talent zu überspielen wusste) und über die weitgehend auf NGL-Ladenhüter setzende musikalische Gestaltung hinwegsehen. Wobei mir das letzte Lied – "Gottes guter Segen sei mit euch" von Rolf Krenzer und Siegfried Fietz (1992) – ehrlich gesagt ziemlich gut gefiel. Eine kritische Anmerkung kann ich mir indes nicht verkneifen, und die betrifft die Entscheidung, die Erstkommunionkinder auf Stühlen im Altarraum zu platzieren, der Gemeinde zugewandt. Hätte es nicht genügt, ihnen die ersten zwei Bankreihen zu reservieren und sie nur in den Altarraum zu holen, wenn und solange sie dort tatsächlich etwas zu tun hatten, also bei der Kyrie-Litanei, den Fürbitten und natürlich beim Akt der Tauferneuerung selbst? Während der gesamten Messe so auf dem Präsentierteller zu sitzen, war den Kindern sichtlich unangenehm, und mindestens ebenso gewichtig ist die Frage: Was will man eigentlich damit ausdrücken, dass man die Erstkommunionkinder in dieser Weise von der Gemeinde separiert? Nebenbei bemerkt konnten die Kinder so auch nicht während der Wandlung knieen; bzw. genauer gesagt: Gekonnt hätten sie natürlich, aber ohne Kniebänke macht das natürlich niemand. 

Am Mittwoch, dem Gedenktag des Hl. Franz von Sales, wäre ich an sich gern mit dem Jüngsten in Heiligensee zur Messe gegangen; aber wie oben schon erwähnt, hatte eine Schulfreundin des Tochterkindes bei uns übernachtet, was dazu führte, dass am Morgen alles etwas länger dauerte als sonst, und obendrein streikte die S-Bahn mal wieder. Kurz und gut, nachdem wir die Mädchen in der Schule abgeliefert hatten, war es schon zu spät, als dass wir es noch rechtzeitig zur Kirche geschafft hätten. Als ich jedoch um die Mittagszeit den Jüngsten, der praktisch schon den ganzen Vormittag deutliche Anzeichen von Müdigkeit gezeigt hatte, im Kinderwagen durch die Gegend kutschierte und darauf hoffte, dass er einschlafen würde, kamen wir an St. Joseph Tegel vorbei, und der Knabe bestand darauf, dass wir hineingingen. Wir zündeten in der Kirche zunächst eine Opferkerze an, und dann schlug ich vor, wir könnten eine kleine "Beten mit Musik"-Andacht abhalten. Der Junior befürwortete das, also beteten wir die Sext vom Tag, erweitert um die Bitten aus den Laudes (und ein paar freie Fürbitten), ein Vaterunser sowie drei Lobpreislieder: zur Eröffnung "Du bist heilig" von Johannes Hartl & Friends, nach den Psalmen "Du allein rettest mich" ("Mighty to Save") und zum Abschluss "Jesus, Erlöser der Welt" von Albert Frey. Danach fühlte ich mich seelisch gestärkt, und mit dem Mittagsschlaf des Jüngsten klappte es bald darauf auch. Am Nachmittag war JAM, wo's mit dem Buch Nehemia weiterging. 

Am Donnerstag, dem Fest der Bekehrung des Apostels Paulus, sagte der Jüngste, als wir die große Schwester zur Schule gebracht hatten und ich ihn fragte, was er jetzt tun wolle, direkt "Kirche, Musik anmachen". Wir wandten uns also erneut der Kirche St. Joseph Tegel zu und beteten diesmal die Terz, wiederum mit ergänzenden Elementen wie am Vortag. Als sich während des zweiten Liedes die Sakristeitür öffnete, zuckte ich kurz zusammen, aber herein kam niemand von den üblichen Verdächtigen aus der Pfarrei, sondern ein junger Mann mit Migrationshintergrund, der von der Pfarrei offenbar als Reinigungskraft beschäftigt wird und der uns ebenso wenig bei unserem "Beten mit Musik" störte wie wir ihn beim Putzen. Als ich eigentlich am Ende der Andacht angekommen war, forderte mein Jüngster noch zwei Lied-Zugaben, und darauf ging ich gern ein. – Auf der Soll-Seite muss leider festgehalten werden, dass wir zu unserer Familien-Gebetszeit, die wir nach dem Vorschlag meiner Liebsten zweimal in der Woche und nach dem Wunsch des Tochterkindes sogar jeden Tag hätten abhalten sollen, die ganze Woche nicht gekommen sind. Na, ich würde sagen, nächste Woche versuchen wir's wieder... 


Geistlicher Impuls der Woche 

Ich erkläre euch, Brüder: Das Evangelium, das ich verkündigt habe, stammt nicht von Menschen; ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen. Ihr habt doch gehört, wie ich früher als gesetzestreuer Jude gelebt habe, und wisst, wie maßlos ich die Kirche Gottes verfolgte und zu vernichten suchte. In der Treue zum jüdischen Gesetz übertraf ich die meisten Altersgenossen in meinem Volk und mit dem größten Eifer setzte ich mich für die Überlieferungen meiner Väter ein. Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich keinen Menschen zu Rate; ich ging auch nicht sogleich nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und kehrte dann wieder nach Damaskus zurück. Drei Jahre später ging ich nach Jerusalem hinauf, um Kephas kennen zu lernen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Von den anderen Aposteln habe ich keinen gesehen, nur Jakobus, den Bruder des Herrn. 

Danach ging ich in das Gebiet von Syrien und Zilizien. Den Gemeinden Christi in Judäa aber blieb ich persönlich unbekannt, sie hörten nur: Er, der uns einst verfolgte, verkündigt jetzt den Glauben, den er früher vernichten wollte. Und sie lobten Gott um meinetwillen.  


Ohrwurm der Woche 

Ton Steine Scherben: Mensch Meier 

Für diese Rubrik etwas auszuwählen, ist mir diese Woche ziemlich schwer gefallen, da ich die ganze Woche lang – abgesehen von den beiden Lobpreisandachten mit meinem Jüngsten – nicht so richtig "Musik in mir" hatte. Beinahe hätte ich mich daher aus lauter Trotz für "I've Got the Music in Me" von Kiki Dee entschieden, was wohl auch gar keine schlechte Wahl gewesen wäre. Aber dann überraschte mich meine Liebste mit der Neuigkeit, dass nach der S-Bahn demnächst auch die BVG streiken will (die, Nicht-Berlinern sei's erklärt, in Berlin Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen betreibt, wohingegen die S-Bahn zur Deutschen Bahn gehört), fiel mir dieser Scherben-Klassiker von 1972 ein, der seinerzeit für eine Protestkampagne gegen Fahrpreiserhöhungen bei der BVG geschrieben und auf Platte gepresst wurde. Der Song ist fast so groovy wie die Kiki-Dee-Nummer, dafür aber viel kontroverser... 


Samstag, 20. Januar 2024

Creative Minority Report Nr. 13

Herzlich willkommen beim neuen Wochenbriefing – das sich inhaltlich einmal mehr so weitgehend auf die Basisarbeit in Familie und Pfarrei konzentriert, dass einige der sonst üblichen Rubriken aus Zeit- und Platzgründen entfallen müssen. Ich habe den Eindruck, dass sich damit ein Trend verfestigt, der sich schon seit ein paar Wochen abzeichnet, aber ich denke, ich sollte dazu stehen: Schon vor Jahren hat mir ein Redakteur den Rat gegeben, ich solle mich auf das konzentrieren, was kein Anderer so kann wie ich oder jedenfalls nicht so macht wie ich, und erst kürzlich meinte ein anderer Redakteur, es sei innerhalb der katholischen Medienlandschaft hierzulande geradezu mein Alleinstellungsmerkmal, dass ich tatsächlich eigenhändig Basisarbeit mache und darüber schreibe. Und schließlich ist es auch eine Kernforderung der guten alten (und gerade in Deutschland immer noch viel zu wenig rezipierten) #BenOp, Dinge selber zu machen, statt darauf zu warten, dass es jemand Anderes tut; und ich hoffe ja, dass ich durch meine Berichte aus der Praxis auch den einen oder anderen Leser dazu anregen und motivieren kann, selbst aktiv zu werden – jedenfalls eher als durch bloßes Theoretisieren. 

Themen, die angesichts dieser Schwerpunktsetzung im Wochenbriefing keinen Platz mehr finden, könnten theoretisch in eigenständige Artikel ausgelagert werden; praktisch würde das natürlich erfordern, dass ich über die Wochenbriefings hinaus insgesamt (wieder) mehr blogge. Nun, immerhin habe ich heute morgen schon mal einen Anfang gemacht. Schauen wir mal, wie's weitergeht... 


Was bisher geschah 

Wie schon angekündigt, war am Sonntag in St. Joseph Siemensstadt Kinderwortgottesdienst, und zwar der erste, den ich eigenständig konzipiert und geleitet habe; was dabei so alles schiefgelaufen ist und warum ich trotzdem gar nicht so unzufrieden mit dem Ergebnis bin, werde ich weiter unten (in "Schwarzer Gürtel in KiWoGo") ausführlich schildern. Die Messe zelebrierte übrigens der örtliche Pfarrvikar, und hinterher sprachen meine Liebste und ich noch ein paar Worte mit ihm und drückten ihm ein Konzeptpapier in die Hand, in dem es um Ideen dazu geht, wie wir als Familie uns noch stärker in die Gemeindearbeit einbringen können. Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt. – Von der Kirche aus machten wir uns direkt auf den Weg zu einem Kindergeburtstag, zu dem wir eingeladen waren; ich klinkte mich da aber gegen 15 Uhr aus, um noch ein bisschen Ruhe zu bekommen, ehe die Arbeitswoche wieder losging. Am Montag war wieder "Omatag"; am Dienstag war am späten Nachmittag "Elterncafé" in der Schule des Tochterkindes. Dieses war schwach besucht, aber in gewissen Sinne denke ich, gerade deshalb war es ganz gut, dass wir da waren: Zu den wenigen anderen Teilnehmern gehörten nämlich die Eltern eines Jungen, der gerade seine Probewoche an der Schule absolviert – und diesen Jungen und seine Eltern kannten wir tatsächlich "von früher", von #kindergartenfrei-Spieltreffen, die meine Liebste vor ein paar Jahren organisiert hat. – Im Anschluss an das Elterncafé kam eine Schulfreundin unseres Tochterkindes noch ein bisschen mit zu uns nach Hause, und als ihre Mutter sie abholen wollte, gab es ein ziemliches Drama, weil die Mädchen sich nicht voneinander trennen mochten; das passte auf eigentümliche Weise zum Thema "meines" Kindergottesdienstes. Am Mittwoch gingen wir endlich mal wieder zum JAM; passend dazu, dass es zum ersten Mal seit den Weihnachtsferien stattfand, wurde in der Kinderkatechese mit einem neuen Thema begonnen, nämlich mit dem Buch Nehemia. Im Übrigen war ich von Dienstag bis Freitag mit dem Jüngsten – übrigens auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin – so viel in den Kirchen der Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd unterwegs, dass es endlich mal wieder genug Stoff für die Rubrik "Wenn der Vater mit dem Sohne" gibt. Und wenn alles nach Plan läuft, werde ich heute – zu der Zeit, wenn dieser Artikel online geht – beim überkonfessionellen Gebets-Event "eins in Christus" in Hohenschönhausen sein. Und nächste Woche darüber berichten! 


Was ansteht 

Im Terminkalender für die kommende Woche steht bislang noch nicht viel Außergewöhnliches; umso mehr dafür im liturgischen Kalender: Buchstäblich jeder Tag von Montag bis Samstag ist dem Gedenken eines oder mehrerer Heiliger gewidmet, am Donnerstag ist sogar ein Fest, nämlich das der Bekehrung des Apostels Paulus. Mal sehen, ob und wie ich diesen Umstand im Rahmen des Projekts "Religiöse Frühförderung für den Jüngsten" sinnvoll würdigen kann. Am Freitag möchte ich, wenn es zeitlich hinhaut, mit dem Jüngsten zu einer Spielgruppe gehen, die mir empfohlen wurde: eine "Offene Eltern-Kind-Gruppe" für Kinder im Alter von bis zu 3 Jahren, die in den Räumen der charismatischen "Gemeinde auf dem Weg" stattfindet. Der nächste Samstag verspricht dann zur Abwechslung mal wieder volles Programm: Am Vormittag haben die Katholischen Pfadfinder Haselhorst ihr erstes reguläres Stammestreffen in diesem Jahr, und ich habe mir gedacht, das ist ein guter Anlass, auch mit der Wichtelgruppe ins neue Jahr zu starten; und am Abend ist, ebenfalls zum ersten Mal in diesem Jahr, Community Networking Night im Baumhaus. Ob wir da hingehen, steht erfahrungsgemäß unter einem gewissen Vorbehalt, aber Lust hätt' ich auf jeden Fall, die Liebste sicherlich auch, und die Kinder stehen sowieso total aufs Baumhaus. Also, schauen wir mal... 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 


Wie manche Leser sich erinnern werden und andere nicht, gibt es in St. Joseph Siemensstadt seit vorigem Sommer einen Arbeitskreis für die Gestaltung von Kinderwortgottesdiensten; dieser Arbeitskreis wird vom Gemeindereferenten geleitet, der zuvor allein für diese Aufgabe zuständig war. In der Regel finden Kinderwortgottesdienste in dieser Gemeinde einmal im Monat statt; der erste von dem neuen Arbeitskreis verantwortete KiWoGo war im Oktober und wurde vom Gemeindereferenten und mir gemeinsam konzipiert und geleitet, im November – an Christkönig – übernahm eine Frau aus dem Arbeitskreis zusammen mit ihrem Ehemann die Gestaltung. Im Dezember gab es keinen KiWoGo, stattdessen aber einen Familiengottesdienst zum 1. Advent; da war ich leider krank. Der Januar-Termin nun zeichnete sich dadurch aus, dass der Gemeindereferent bedingt durch anderweitige dienstliche Verpflichtungen nicht da war; er hatte sich aber im Vorfeld bereit erklärt, Materialien zu besorgen und in der Sakristei zu hinterlegen. Da zwei weitere Arbeitskreismitglieder derzeit wegen Arbeitsüberlastung weitgehend ausfallen, blieb die Gestaltung im Wesentlichen der Kollegin, die mit ihrem Mann den Christkönig-KiWoGo geleitet hatte, und mir überlassen. Bisher war im Arbeitskreis praktisch jedesmal diskutiert worden, ob man nicht getrennte altersgerechte Angebote für die Kinder im Erstkommunionalter und für jüngere gestalten solle, und da ich beim Vorbereitungsgespräch eine, wie ich hoffte, gute Idee für die jüngeren Kinder hatte, fiel der Teamkollegin die Aufgabe zu, sich etwas für die Erstkommunionkinder auszudenken. -- 

Ich weiß nicht, ob es beim nächsten Treffen des Arbeitskreises eine detaillierte Manöverkritik geben wird; falls ja, möchte ich dieser eigentlich nicht vorgreifen, aber in jedem Fall kann man wohl sagen, dass wir den Ablauf gründlicher miteinander hätten durchsprechen sollen. Das, denke ich, war unser zentraler Fehler; alles andere, was nicht ideal gelaufen ist, war mehr oder weniger Pech. – Der Teil des Ablaufs, über den wir uns noch einig waren, sah so aus, dass wir nach dem Tagesgebet die anwesenden Kinder einsammelten, mit ihnen durch den Mittelgang zum Ausgang und in den Gemeindesaal gingen und dort zur Eröffnung mit allen zusammen ein Lied sangen ("Einfach Spitze"). Dann sollte die Gruppe geteilt werden, und damit fingen die Unstimmigkeiten an. – Es waren um die 20 Kinder erschienen, was schon mal mehr war, als wir erwartet hatten; und auf die Frage, wer von ihnen schon zur Erstkommunionvorbereitung ging und wer noch nicht, erwies es sich, dass beide Gruppen ungefähr gleich groß waren. Ich hatte unsere Planung eigentlich so in Erinnerung, dass die Kollegin mit den Erstkommunionkindern ins kleine Pfarrzimmer gehen sollte und dass sich erst zum Schluss alle wieder im großen Saal versammeln sollten, aber nun hatte die Kollegin die vom Gemeindereferenten wie versprochen bereitgestellten Materialien für ihren Teil des Programms (Playmobil-Figuren, bunte Tücher usw.) bereits auf einem Tisch an einem Ende des Saales aufgebaut. Was mich noch mehr aus dem Konzept brachte, war, dass sie bevor sie mit ihrer Gruppe an den besagten Tisch umzog, die Bastelmaterialien, die nach meiner Auffassung erst am Schluss zum Einsatz kommen sollten, auspackte und etwas sagte wie "...und die Kleinen können solange basteln". Nun, wie gesagt: Da hatten wir uns offenbar im Vorfeld nicht gründlich genug abgesprochen, das kann man beim nächsten Mal besser machen. (Es sollte übrigens erwähnt werden, dass es sich bei den "Kleinen" überwiegend nicht um Kindergartenkinder handelte, sondern in der Hauptsache wohl um Kinder aus dem 1.-3. Schuljahr.) 

Zu den Aspekten, die wir nicht unter Kontrolle hatten, gehörte der Zeitdruck. Ich habe dieses Problem schon einmal angesprochen: Je nachdem, wie lange im "Erwachsenenwortgottesdienst" gepredigt wird, wie lang die Lesungen sind, ob das Credo gesprochen oder gesungen wird usw., hat man für den KiWoGo mal etwas mehr und mal etwas weniger Zeit zur Verfügung, aber im Schnitt sind es um die 20 Minuten. Bei den Arbeitskreistreffen habe ich schon ein paarmal den Eindruck aufgeschnappt, die anderen Teammitglieder fänden es gar nicht so leicht, diese Zeit zu füllen, aber mir geht's da exakt umgekehrt: Ich finde es eher schwierig, ein Lied (eigentlich hätte ich zum Abschluss gern noch ein zweites gespielt, nämlich "Je-Je-Jesus ist größer"; ich hatte es fleißig auf der Gitarre geübt), eine kindgerecht aufbereitete Katechese zu den biblischen Texten vom Tag und eine Bastelarbeit (die man natürlich auch mal weglassen könnte, aber... dazu später) in 20 Minuten unterzubringen. Im vorliegenden Fall wurde mein Gefühl, unter Zeitdruck zu stehen, noch dadurch verschärft, dass die Lektorin schon mit der 1. Lesung begann, bevor wir mit den Kindern den Kirchenraum verlassen hatten. Sorry, bei sowas bin ich empfindlich. 

Was die Raumaufteilung anging, wäre es theoretisch vielleicht möglich gewesen, den großen Saal für beide Gruppen gleichzeitig zu nutzen – wenn es mir gelungen wäre, "meine" Gruppe dazu zu bewegen, an einem Ende des Gruppentisches zusammenzurücken. Aber irgendwie waren die lieben Kleinen mit dieser Aufforderung überfordert. Nach mehreren vergeblichen Anläufen, Ruhe und Struktur in die Situation zu bringen, kam ich zu dem Schluss, dass ich dann eben mit meiner Gruppe in das kleine Pfarrzimmer umziehen müsse. Was natürlich weiteren Zeitverlust bedeutete. 

Als das größere Problem erwiesen sich jedoch die Bastelmaterialien. Die Kinder Steine bemalen zu lassen, mit der sie dann bei sich zu Hause eine Art Andachtsecke gestalten konnten, war nicht meine Idee gewesen, ich fand sie aber durchaus nicht schlecht; meine Vorstellung wäre nun gewesen, das zum Schluss zu machen, nachdem man den Kindern aus der Katechese heraus erläutert hätte, was sie machen sollen und welchen tieferen Sinn das haben soll. Nun lagen die Steine und Malstifte aber schon gleich zu Anfang auf dem Tisch und absorbierten Aufmerksamkeit. Ich dachte also, okay, vielleicht können die Kinder ja auch "nebenbei" die Steine bemalen und dabei meiner Erzählung zuhören. – Merken wir uns fürs nächste Mal: Das geht nicht. Dieses Maß an Multitasking kann man von Kindern in diesem Alter schlichtweg nicht erwarten, und erschwerend kommt hinzu, dass Steine als Bastelmaterial einfach ziemlich viel Lärm machen. Der Super-GAU war dann allerdings, dass die Keramik-Malstifte, die eigens für diesen KiWoGo im Internet bestellt worden waren, einzeln in Folie eingeschweißt waren, und zum Teil malten sie gar nicht. 

Trotz der Unruhe, die das alles mit sich brachte, bemühte ich mich, mein vorbereitetes Programm "durchzuziehen". Das Evangelium dieses Sonntags war Johannes 1,35-42, die Berufung der ersten Jünger, und ich hatte mir gedacht, ich konzentriere mich auf die Frage der Jünger an Jesus: "Meister, wo wohnst du?". Ist doch interessant: Von allen möglichen Fragen, die sie an Jesus richten könnten, stellen sie Ihm ausgerechnet diese. Warum ist ihnen das so wichtig

Einen Ansatzpunkt dafür, wie man Kindern unter zehn Jahren einen Zugang zu diesem Text eröffnen kann, verdankte ich meinem Tochterkind. Mir war nämlich aufgefallen, dass es für sie und ihre Schulfreundinnen ein riesiges Thema ist, sich nach der Schule gegenseitig zu Hause zu besuchen. Auch wenn sie sich von montags bis freitags in der Schule sehen und da stundenlang zusammen sind: Sich zu Hause zu besuchen, ist offenkundig ein anderes Level, und damit, so scheint es, fängt die Freundschaft erst richtig an. 

Passend zu dieser Beobachtung wollte ich eine kurze Passage aus dem ersten Band von Isabel Abedis "Lola"-Buchreihe vorlesen, dann nochmals auf das Evangelium vom Tag zurückverweisen und schließlich zwei Leitgedanken in den Raum stellen: 

  • Jesus lädt auch uns zu sich nach Hause ein, nämlich in die Kirche zum Gottesdienst. 
  • Wie können wir Jesus zu uns nach Hause einladen? 

(Etwas ausführlicher dargestellt hatte ich diesen KiWoGo-Entwurf bereits im Vorfeld in einem exklusiven Artikel für Patreon-Abonnenten.) 

Ich war allerdings noch bei der Einleitung, da ging die Tür auf, und die Gruppe der "Großen" kam mit in den Raum. Da ich nach der Messe keine Gelegenheit mehr zu einem Auswertungsgespräch mit meiner Teamkollegin hatte, weiß ich bis zur Stunde nicht, wie es dazu eigentlich gekommen ist: War sie mit dem Programm, das sie für ihre Gruppe vorbereitet hatte, schon fertig? Möglich. Grundsätzlich hatte ich auch gar nichts dagegen, die beiden Teilgruppen wieder zusammenzuführen, aber der Zeitpunkt war ungünstig – denn so entstand, kaum dass endlich ein bisschen Ruhe eingekehrt war, erneute Unruhe, zumal mindestens einer der älteren Jungen bewusst und absichtlich störte. Letzten Endes war ich froh, dass immerhin einige der wie gesagt rund 20 Kinder einen aufmerksamen und interessierten Eindruck machten und auf meine Fragen sinnvolle Antworten gaben. 

Was übrigens die Kalkulation des Zeitaufwands für die von mir vorbereitete Katechese betrifft, möchte ich zu Protokoll geben, dass ich trotz aller Unterbrechungen und allen Durcheinanders pünktlich zur Gabenbereitung fertig war. Länger als erwartet dauerte hingegen der Rückweg in die Kirche, vor allem weil einige Kinder beim Verlassen des Pfarrzimmers arg trödelten; infolgedessen waren wir dann doch erst zum Sanctus zurück. 

Zusammenfassend bin ich geneigt zu sagen, dieser Sonntag war ein durchaus erfolgreicher Schritt auf dem Weg zum "Schwarzen Gürtel in KiWoGo": Ich habe viel darüber gelernt, was so alles schiefgehen kann, und trotzdem hat letztendlich alles so einigermaßen hingehauen. Natürlich habe ich nachher meine eigenen Kinder um Feedback gebeten, und ihre Antworten spiegeln die Ambivalenz des Ergebnisses, wie ich finde, ganz gut wider: Die Große meinte, der chaotische Ablauf sei ihr "irgendwie peinlich" gewesen, wohingegen der Jüngste erklärte, den Kindergottesdienst "ganz, ganz schön" gefunden zu haben. 


Wenn der Vater mit dem Sohne 

"Wir müssen das wieder öfter machen", hatte ich vorige Woche notiert, nachdem ich das in den Wochen zuvor etwas vernachlässigte Programm der "religiösen Frühförderung für den Jüngsten" wieder aufgenommen hatte; und offenbar empfand nicht nur ich das so: Am Dienstag teilte mir der Knabe, nachdem wir das Tochterkind zur Schule gebracht hatten, mit, er wolle zur Kirche. Ich nehme an, er meinte die Werktagsmesse in Heiligensee, aber die ist ja nur mittwochs, also schlug ich ihm vor, wir könnten in St. Joseph Tegel eine Lobpreisandacht ("Beten mit Musik") abhalten, und das machten wir dann auch. Auf dem Weg dorthin hatte ich die plötzliche Eingebung, ich sollte als Lied zur Eröffnung "Sei willkommen hier" von Anton Svoboda feat. Joy Fackler spielen, und obwohl ich mich selbst über diese Idee wunderte und mir prompt der Einwand in den Sinn kam, bis Pfingsten sei es doch wohl noch eine Weile hin, machte ich das – und stellte einigermaßen überrascht fest, dass dieses Lied exzellent zur Kurzlesung (1 Kor 12,4-6) und zur Schlussoration der Terz vom Tag passte: 

"Allmächtiger, ewiger Gott. Um die dritte Stunde hast du deinen Heiligen Geist über die Apostel ausgegossen. Sende den Geist der Liebe auch in unser Herz, damit wir in Treue für dich Zeugnis geben vor den Menschen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn." 
Tags darauf meldete der Knabe erneut an, er wolle zur Kirche; ich hatte das auch bereits eingeplant, also kamen wir pünktlich zur Messe in der Kirche St. Marien Maternitas in Heiligensee an. Zelebriert wurde sie von dem "neuen" Pfarrvikar – wobei der so neu ja nun auch nicht mehr ist: Tatsächlich ist er immerhin schon seit drei Monaten in dieser Pfarrei beschäftigt, aber bisher hatte ich ihn in dieser ganzen Zeit erst einmal am Altar gesehen, nämlich beim Requiem an Allerseelen. Da hatte ich zu Protokoll gegeben, "nach diesem ersten Eindruck" könne ich "weder im Guten noch im Bösen" viel über diesen Priester sagen. Inwieweit wäre dieser Eindruck jetzt zu ergänzen? – Nun ja: An diesem Mittwoch war der Gedenktag des Mönchsvaters Antonius, und in seinen einführenden Worten sagte der zelebrierende Priester über den Tagesheiligen: "Durch Fasten, Gebet und immer strengere Lebensweise versuchte er Gott zu gefallen. Ob das so sein muss, sei dahingestellt." Ich würd' mal sagen, ob dieser Kommentar "sein musste", sei erst recht dahingestellt; ebenso die Bemerkung, mit der er seine Mini-Predigt (oder vielleicht sollte man lieber "Impuls" dazu sagen) einleitete: In der 1. Lesung (1 Sam 17,32–51, Davids Kampf gegen Goliath) habe es einen Toten gegeben, das könne man ja wohl kaum als Grund zur Freude betrachten. 

Immerhin gab es liturgisch nichts Großes zu beanstanden – mit einer Ausnahme, für die man aber kaum den Zelebranten verantwortlich machen kann: Als er beim Vaterunser an der Stelle, an der eigentlich der Embolismus zu folgen hätte (merke: Wird der weggelassen, stirbt irgendwo ein knopfäufiges Robbenbaby) eine kurze Atempause machte, bretterte mindestens ein Gemeindemitglied ungebremst dazwischen: "Denn dein ist das Reich...". Ich frage mich echt, was mit solchen Leuten los ist. 

Sympathiepunkte sammelte der Pfarrvikar bei mir übrigens dadurch, dass er sich sichtlich über die Anwesenheit eines Kindes in der Kirche freute. Wir hatten in der ersten Reihe Platz genommen, und beim Friedensgruß drückte der Priester erst mir die Hand und hielt sie dann auch meinem Sohn hin – und wirkte entzückt, als der sie tatsächlich ergriff. Frühstück gab es diesmal im Anschluss an die Messe nicht, aber ich nutzte die Toilette des Gemeindehauses, um dem Junior die Windel zu wechseln – und danach liefen wir nochmals dem Priester über den Weg, der in Zivilkleidung aus der Sakristei kam. Er kam auf uns zu, lobte den Knaben, er sei ja sehr lieb gewesen, und bedankte sich geradezu bei uns beiden für unser Kommen. 

Eine Erwähnung wert ist mir im Kontext des Themas "religiöse Frühförderung für den Jüngsten" auch das Abendessen beim JAM: Hier ist es üblich, dass eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter ein frei formuliertes Dankgebet spricht, zu dem alle "Amen" sagen, ehe sie sich an der Essensausgabe anstellen; so war es auch diesmal, aber als wir unsere gefüllten Teller dann vor uns hatten, bestand mein Sohn darauf, noch so zu beten, wie wir es zu Hause vor dem Essen tun – und zwar zusammen mit mir, denn: "Alleine kann ich das noch nicht." 

Am Donnerstag war es das Tochterkind, das auf dem Weg zur Schule anmerkte, wir sollten mal wieder zu Hause eine Familien-Gebetszeit mit Lobpreis abhalten. Nachdem wir die Große in der Schule abgeliefert hatten, erklärte der Jüngste, er wolle diesmal erst zu Hause Ritter Rost gucken und dann in eine Kirche; ich war damit einverstanden, aber in die Kirche schafften wir es dann doch nicht, da er auf dem Weg dorthin im Kinderwagen einschlief und es sich nach seinem Mittagsschlaf nicht mehr sinnvoll in den Tagesablauf einbauen ließ. Die vom Tochterkind angeregte Familien-Gebetszeit hielten wir aber ab – am frühen Abend, als die Familie wieder vollzählig versammelt war. Meine Liebste schlug vor, das zukünftig jeden Dienstag und Donnerstag zu machen; das Tochterkind votierte hingegen für "jeden Tag!". Schauen wir mal, wie sich das weiter entwickelt. 

Im Übrigen fiel mir auf, dass ich mit dem Jüngsten schon lange nicht mehr in Herz Jesu Tegel gewesen war, um Opferkerzen anzuzünden und die im Eingangsbereich ausgelegten Flyer zu kontrollieren, also erledigten wir das am Freitagvormittag. Nächste Woche geht's weiter...! 


Geistlicher Impuls der Woche 

Heute sehen wir die Anfänge der Jüngerschaft. "Kommt und seht", sagt Jesus, und die das hören, tun es – und gehen nicht mehr weg, weil das, was sie gesehen und gehört haben, sie an Seiner Seite Wurzeln schlagen lässt. Andreas berichtet seinem Bruder Simon: "Wir haben den Messias gefunden" (Joh 1,41). 

Als moderne Leser neigen wir dazu, allzu schnell darüber hinwegzugehen. Ah ja, sie haben den Messias gefunden. Aber Moment mal: Wie bitte? Sie haben den Messias gefunden! Das war keine beiläufige Angelegenheit; das war etwas, was das ganze Leben durcheinanderwirbelte, die Welt auf den Kopf stellte. Simon bekam sogar einen neuen Namen. Absolut alles änderte sich in diesem Moment, in dem die Jünger vom Messias beim Namen gerufen wurden, Ihm zu folgen. Dasselbe wird auch von uns verlangt. Wir können nicht einfach sagen "Ja, ja, Herr" und so weiterleben wie bisher. Wenn Jesus uns nicht verändert, dann heißt das, dass wir nicht auf Sein Wort hören; denn Sein Wort ist revolutionär, nicht nur in einem globalen, sondern in einem ganz persönlichen Sinn. Dorothy Day, die das Evangelium Jesu Christi so lebte wie jemand, der vom Meister persönlich dazu berufen wurde, sagte: "Die größte Herausforderung unserer Zeit ist es, eine Revolution des Herzens herbeizuführen. Eine Revolution, die bei jedem einzelnen von uns ihren Anfang nehmen muss." 


Ohrwurm der Woche 

The Clash: Police and Thieves 

Der unmittelbare Anlass für diesen Ohrwurm war, dass der Jüngste und ich am Montag auf dem Weg zur S-Bahn in Tegel zwei Männer sahen, die den Anschein erweckten, entweder ein Geländespiel zu spielen oder aber ernsthaft verfolgt zu werden; Minuten später sahen wir dann zwei Polizisten in Schutzwesten und mit Schusswaffen, die den Eindruck machten, jemanden zu suchen. Das war dann wohl doch die ernstere Variante eines Geländespiels; und das im sonst so beschaulichen Tegel! Möglicherweise sensibilisiert durch dieses Erlebnis, fiel mir in den nächsten Tagen immer mal wieder auf, wie viel Polizei im Bezirk Reinickendorf unterwegs ist. Könnte mir vorstellen, dass das die Erfüllung eines CDU-Wahlversprechens ist: Mehr Polizei auf der Straße für mehr innere Sicherheit. Ich stelle allerdings immer wieder fest, dass ich nicht zu den Leuten gehöre, denen verstärkte Polizeipräsenz im öffentlichen Raum ein Gefühl von Sicherheit gibt; eher im Gegenteil. Vermutlich ist das mal wieder ein Beispiel von vielen dafür, dass ich nicht das bin, was man sich gemeinhin unter der Bezeichnung "konservativ" vorstellt. – Es ist nun mal so: Die einen fürchten sich vor Kriminalität, die anderen vor der Polizei, und ohne persönlich irgendwie Grund oder Veranlassung dazu zu haben, habe ich mich den letzteren schon immer irgendwie näher gefühlt. 

"Police and Thieves" ist ursprünglich ein Reggae-Song von Junior Murvin aus dem Jahr 1976, wurde aber schon ein knappes Jahr nach seinem Erscheinen von The Clash gecovert. Ich habe mich hier für die Clash-Version entschieden, weil, hey, ich mach' schließlich Punkpastoral und nicht Reggaepastoral. Hehe.